Blood and Whine von Daelis (Ist doch alles Käse!) ================================================================================ Kapitel 8: Ein Herz für Monster ------------------------------- Mit einem beherzten Satz landete der Hexer in der sandigen Arena und lenkte mit einem lauten "He!" auch gleich die Aufmerksamkeit des Glumaars auf sich. Wieder schrie die Kreatur auf und mir war absolut klar, dass dieses arme Geschöpf einfach nur Angst hatte und verunsichert war. Wie auch nicht? Eingefangen, eingesperrt und dann blind mit Glöckchen am Schwanz in die Arena gezerrt, um zu sterben. Ekelhaft! Mich erinnerte das ganze Spektakel unangenehm an Stierkämpfe und auch für die hatte ich absolut nichts übrig. Die Idioten, die dabei umkamen, war meiner Meinung nach selbst schuld und mit gleicher Abscheu beäugte ich auch Guillaume, dem Geralt gerade das Leben rettete. Ich hoffte nur, der Hexer würde den Glumaar verschonen. Die Menge wurde wieder lauter, es ertönten Anfeuerungsrufe und irgendwo pfiff jemand laut. Der Glumaar schrie auf, doch es ging beinahe im Trubel unter. Sam und Dean entging das Geräusch jedoch merklich nicht. Sam zappelte heftig in meinen Armen und noch ehe ich etwas hätte tun können, um es zu verhindern, löste sich Dean zu meinem Erstaunen von meiner Schulter und... flog. "Dean!", rief ich dem kleinen Greifen erschrocken nach, doch da war er schon über die Köpfe des Paares vor mir geflattert. Elegant sah er dabei nicht aus und in jedem anderen Moment wäre ich sicherlich eine superstolze Greifenmutti gewesen, jetzt aber hatte ich einfach nur Angst um den Kleinen. Noch mehr, als Sam sich strampelnd aus meinen Armen befreite, um seinem Bruder zu folgen. "Sam, Dean, wartet!" Panisch schob ich mich zwischen den Leuten hindurch, die nun auch auf die beiden Küken aufmerksam wurden und mit den Fingern auf sie zeigten. "Sieh nur, da fliegen diese hässlichen Hühner", konnte ich einen Kommentar ausmachen. Oh man, man merkte wirklich, dass die hier alle Adelige waren, wenn sie die Winchesters für Hühner hielten. Allerdings musste man wohl einräumen, dass die meisten Leute nie einen Greifen gesehen hatten. "Lasst mich durch!" Ruppig schob ich einen Mann beiseite, dessen wütende Einwände ich schon nicht einmal mehr hörte, denn ohne zu zögern war ich den Winchesters gefolgt, die zur Arena und damit zu Geralt und dem Glumaar geflattert waren. Ungeschickt sprang ich von der Tribüne und landete im Sand der Arena. Dabei nicht vorsichtiger gewesen zu sein, bereute ich sofort. Geralt konnte sich das vielleicht erlauben, doch ich war natürlich prompt schief aufgekommen und so tat mir der linke Knöchel jetzt tierisch weh. Hinter mir hörte ich entsetzte Rufe. Verständlich. Immerhin grenzte es an Wahnsinn zu einem wütenden Glumaar in die Arena zu springen. Besonders, wenn man kein Hexer war. Denn auch dessen Blick sprach Bände. "Bist du verrückt? Sieh zu, dass du weg kommst!", rief er mir zu und schob sich doch schon schützend zwischen Glumaar und mich. Er brummte noch etwas, das ich nicht verstand, doch so wie er den Kopf hob, um nach oben zu sehen, war es sicher ein Fluch, der sich gegen die Winchesters richtete. Die flatterten nämlich nur eine Armlänge über dem Glumaar und fiepsten dabei aufgeregt. Beinahe, als unterhielten sie sich, denn auch der Glumaar gab einen seltsamen, hohen Laut von sich.   "Verdammte Viecher", konnte ich Geralt jetzt lauter fluchen hören, als der Glumaar sich aufrichtete, um dann stampfend auf alle Viere zu fallen. Erneut schrie die Kreatur schrill auf, ehe sie mit dem Schwanz ausschlug und dabei Guillaume unsanft von den Füßen riss, der versucht hatte, sich von hinten anzuschleichen, um das Monster zu erledigen, das ganz auf die Winchesters und Geralt fixiert gewesen war. "Verdammt." Geralt griff nun ebenfalls an, die Silberklinge erhoben. Über ihm kreischten Sam und Dean laut auf, wohl ebenfalls verängstigt, als der Hexer in ihre Richtung vorpreschte. Dessen Attacke jedoch galt dem Glumaar, der einen schmerzerfüllten Schrei von sich gab, als die Hexerklinge ihn traf. Schwer zu sagen, wer am meisten Panik schob: Der angegriffene Glumaar, die Greifenküken oder ich, die fürchtete, ihre Babys könnten im Kampf Hexer gegen Glumaar versehentlich zu Rührei werden. Hilflos konnte ich nur zusehen, wie Geralt den Glumaar immer und immer wieder angriff, was dieser mit schrillen, ängstlichen Schreien quittierte und sich schließlich in die Ecke gedrängt sah. Sam und Dean flatterten laut fiepsend in der Luft, direkt zwischen Monster und Mann, offenbar ähnlich wie ich starr vor Angst. Ich schluckte. Meine Hoffnungen, Geralt könnte den Glumaar leben lassen, schwanden mit jeder Sekunde weiter. Nicht zuletzt, weil Guillaume bewusstlos am anderen Ende der Arena lag, seit ihn der Glumaar mit dem Schweif von den Füßen gefegt hatte. Bedrohlich blitzte des Hexers Silberklinge im hellen Sonnenschein. Nicht nur den Glumaar würde es erwischen, sondern vielleicht auch die Winchesters. Die Kleinen waren zu nahe am Kampfgeschehen. Wenn Geralt sie versehentlich traf oder aber der Glumaar sich einkugelte, um durch die Arena zu rollen so wie im Spiel... Ich handelte, ohne nachzudenken. Mein Körper bewegte sich wie von selbst, als ich mich zwischen Geralt und den angeschlagenen Glumaar sowie die Greifenküken schob. "Nicht, Geralt! Er ist doch auch nur ein Opfer dieses grausamen Schauspiels!" Meine Stimme klang mehr flehend als befehlend, doch offenbar genügte dies, um den Hexer innehalten zu lassen. Geralt senkte die Klinge, hielt sie jedoch weiterhin fest in der Hand. Hinter mir fiepste der Glumaar leise, als wolle er mir zustimmen. "Er ist doch keine Gefahr mehr. Lass ihn gehen", bat ich vorsichtiger, während einer der Greifen es sich wieder auf meiner Schulter gemütlich machte und mit dem Schnabel nach einer Haarsträhne schnappte, um daran zu zupfen. Bestimmt Dean, dieser kleine Frechdachs.   Geralt schnaubte, nickte dann aber, mit der linken Hand ein Zeichen gebend, das offenbar genügte, damit im nächsten Moment auch schon gleich sechs bewaffnete Männer mit langen Spießen durch ein hochgezogenes Fallgitter in die Arena stapften. Mit scheppernden Rüstungen umringten sie den armen Glumaar, auf dem, wie ich nun sah, Sam gelandet war. Der Anblick des verängstigten Monsters und meinem Baby auf dessen Rücken brach mir schier das Herz, umso mehr, da ich überhaupt nicht gutheißen konnte, dass ihn einer der Soldaten mit seiner Waffe traktierte, wohl um den Glumaar in eine Richtung zu treiben. "Lass das!", zischte ich den überraschten Mann an, der offensichtlich nicht verstehen konnte, wo mein Problem war. "Du armer Schatz", wisperte ich mitleidig und streckte langsam die Hand nach dem Glumaar aus, der den Kopf hob, um nach mir zu schnuppern. Mein Herz raste und verdammt nochmal, ich hatte Angst, aber zusehen, wie das arme Ding zu Tode gequält wurde, wollte ich auf keinen Fall. Dass Geralt, wie ich aus den Augenwinkeln sehen konnte, die Silberklinge fest umklammert hielt, gab mir ein wenig Sicherheit. Sam fiepte leise, als wolle er mich ermuntern. "Siehst du, alles gut?", flüsterte ich beruhigend weiter als der Glumaar leise schnaufte. Mein Blick wanderte von Geralt zu den Soldaten, die ich streng musterte. "Entlasst ihn gefälligst abseits der Siedlungen in die Freiheit. Er hat wirklich genug durchgemacht." Die Männer wechselten Blicke, offenbar unschlüssig, was sie auf meine Worte geben sollten. Rund um uns herum konnte ich zudem hören, wie die Menschenmenge unruhig wurde, die nicht mithören konnte, was hier besprochen wurde, während am anderen Ende der Arena jemand Guillaume auf die Füße half. Kurzentschlossen stapfte ich in die Mitte der Arena, Dean noch auf meiner Schulter. Ich ließ meine Augen über die Menge wandern und schließlich fand ich Anna Henrietta auf ihrer Empore. Die Herzogin allein könnte dem armen Glumaar die Freiheit schenken. Ich musste darauf bauen, dass sie das auch tun würde. "Eure Hoheit", begann ich und hasste es bereits jetzt, dass ich damit sämtliche Blicke auf mich zog. Schon in der Schule hatte ich es gehasst, Vorträge halten zu müssen. Das hier war eine Steigerung. Am liebsten wäre ich mit dem Glumaar zusammen einfach zur Pforte herausspaziert.   "Diese arme Kreatur hat genug erlitten. Eingesperrt, seiner Sicht beraubt und zum Vergnügen der Massen hierher verschleppt. Wie würde einem jeden von euch hier", ließ ich meinen Blick kreisen, "solch ein Schicksal gefallen? Der Glumaar ist für niemanden hier mehr eine Gefahr, Eure Hoheit. Schenkt ihm ein Leben in Freiheit. Zeigt Güte und Mitgefühl gegenüber einem Monster und beweist, dass wir Menschen keine sind!" Zugegeben, damit bewegte ich mich auf ziemlich dünnes Eis, zumal ich die Herzogin mit meinen Worten öffentlich unter Druck setzte. Obendrein glaubte ich ja selbst nicht, was ich andeutete. Natürlich waren wir Menschen Monster, mitunter sogar die schlimmsten. Doch um des Glumaars willen musste ich Anna Henrietta überzeugen. "Kein Wesen, ob Monster, Mensch oder Tier verdient solch ein Schicksal. Wie können wir behaupten, besser zu sein als die Monster, die alle so gerne verurteilen, wenn wir uns wie welche aufführen? Mitgefühl und Gnade unterscheiden uns von Monstern. Ihr, Eure Hoheit, seid stets ein Vorbild in diesen Tugenden gewesen und ich bitte darum, dass Ihr es auch jetzt seid. Zeigt Mitgefühl, habt Gnade."   Stille legte sich über den Platz. Jeder wartete auf die Antwort der Herzogin. Allein das leise, metallische Geräusch einer Rüstung verriet mir, dass sich Geralt an meine Seite gesellte. Er legte mir eine Hand auf die Schulter, auf die, die Dean nicht für sich beanspruchte. "Gut gemacht", flüsterte mir der Hexer zu, wohl um mir meine Anspannung zu nehmen. Eine Geste, die ich zu schätzen wusste, wenn sie auch wenig brachte. Ich wollte hier weg, je eher desto besser. Beinahe fühlte ich mich selbst wie der Glumaar, inmitten der Arena zur allgemeinen Unterhaltung. All diese Menschen, die mich anstarrten, machten mich einfach nervös. Ein leises Krächzen lenkte meine Aufmerksamkeit zu Sam, der herangeflattert kam und den Weg in meine Arme fand, um sich an mich zu schmiegen. Meine Kleinen waren sicher. Allein dafür hatte es sich gelohnt. Doch erst, als Geralt neben mir das Wort ergriff, löste sich meine innere Unruhe. "Euer Gnaden, ich denke, meine Begleiterin hat Recht. Lasst den Glumaar frei, er wird niemanden bedrohen, wenn man ihn in der Wildnis entlässt." Ah, der Titel, den hatte ich nicht richig hingekriegt. Sah die Herzogin mich deshalb so finster an? Shit, an diesen Mist hatte ich einfach keine Gedanken verschwendet, sondern einfach aufs Geratewohl eine Anrede gewählt, die ich passend gefunden hatte. Welche hier aber angemessen war, wüsste wohl sogar Geralt besser als ich. "Die junge Dame hier hat sich als überaus kundig darauf verstanden, zu friedlichen Übereinkünften mit Monstern zu kommen. Selbst jenen, die wir als geistlose Kreaturen erachten. Der Glumaar ist der beste Beweis, doch ihre beiden gefiederten Freunde", erklärte Geralt und zum ersten Mal sprach er nicht abfällig von den Winchesters, "sind zwei Greifen. Kreaturen, wie ich sie schon einige Male jagen musste." Er verschwieg dabei natürlich dezent, dass Mama und Papa Greif nicht so gut auf mich zu sprechen gewesen waren. "Ich denke, es ist nur angemessen, wenn", fuhr der Hexer fort, wurde aber von der Herzogin mit einer kleinen Geste unterbrochen. "Genug, Hexer." Geralt verstummte und mein Herz sank mir ob des harten Tonfalls der Herrscherin tief in die Magengrube. Sie klang nicht erfreut. "Wir haben entschieden", erhob sie schließlich erneut die Stimme, "dass der Kreatur die Freiheit zugestanden wird - in Anerkennung an den Heldenmut des Hexers und des sanften Herzens seiner Begleiterin."  Mir fiel ein Stein vom Herzen. Wie die Soldaten den Glumaar abführten, bekam ich ebensowenig mit wie die Erstversorgung Guillaumes durch die Hofdamen der Herzogin, die sich nur wenige Momente später in Begleitung dieser höchstselbst in die Arena begab. "Hexer, wir haben ein paar Dinge zu besprechen." Ihr Blick wanderte zu mir. "Gewiss möchtet Ihr derweil den Feierlichkeiten beiwohnen, die das Turnier begleiten. Palmerin, begleite die Dame", winkte sie den Ritter heran, der sofort gehorchte.    Gut gelaunt lud mich der ältere Ritter auf einen Becher Wein ein, an dem ich nur zögerlich nippte. Eigentlich trank ich ja keinen Alkohol, doch Wein war in Toussaint heilig und ich wollte es mir nicht gleich ganz mit den Leuten hier verscherzen. Vor allem nach meinem Stunt eben in der Arena. Selbst hier starrte mich so ziemlich jeder an und konnte hinter vorgehaltenen Händen Getuschel hören. Palmerin jedoch wirkte davon nicht weiter beeinflusst. "Meine Dame, ihr müsst mir verraten: Wie kommt es dazu, dass Ihr mit Geralt reist? Seid Ihr womöglich eine Zauberin, deren Herz er zu erobern vermochte?" Wow, Geralts Frauengeschichten sprachen sich echt rum. Energisch schüttelte ich den Kopf. "Ganz sicher nicht, nein. Ich habe Geralt bei einem Auftrag kennengelernt. Es ging um einen Greif." Palmerins Blick wanderte zu den Winchesters und ich nickte, seine Gedanken erahnend. "Daher sind die Küken." Verlegen räusperte sich der Ritter. "Haltet Ihr es wirklich für weise, diese Kreaturen aufzuziehen? Sie werden schnell groß und könnten für euch bald eine Gefahr darstellen." Ich funkelte Palmerin missmutig an. "Sie sind absolut entzückend und sehr lieb. Wenn sie groß sind, wildere ich sie einfach weit weg von menschlichen Siedlungen aus. Sie haben doch auch ein Recht darauf, zu leben", versuchte ich zu argumentieren. In diesem Punkt stand meine Meinung ohnehin längst in Stein gemeißelt.  Die meisten "Monster" waren doch im Grunde nichts anderes als Tiere und für meine süßen Greifenbabys galt das auf jeden Fall. Wie könnte man einem Tier Bosheit vorwerfen, nur weil es sich ganz seinen Instinkten gemäß verhielt und um sein Überleben kämpfte? Dass die Leute Greifen und Glumaare in den gleichen Topf warfen wie Doppler oder Vampire ging mir sowieso nicht in den Kopf. Mit einem Schleimling könnte man wohl keine tiefgreifende Diskussion führen, doch Derand hatte mir klar gezeigt, dass es mit einem Incubus beispielsweise durchaus möglich war. Obendrein hatte es im Spiel genug "Monster" gegeben, denen ich das auch zurechnete. Den Vampiren Hubert, Regis, Dettlaff und Orianna, dem Geist der Pesta auf der Reuseninsel oder auch Werwölfen - um nur ein paar zu nennen. Ich sah dem Ritter an, dass er über das Thema nicht mit mir streiten wollte, doch anders als Geralt, der dann immer nur vielsagend herumächzte, schenkte mir Palmerin ein Lächeln. "Ihr habt ein großes Herz, edle Dame. Eine großartige Gabe. Bewahrt sie Euch." Ein wenig verlegen streichelte ich über das Köpfchen von Dean, der sich quer über meine linke Schulter gelegt hatte. "Danke. Ich werde es versuchen."   Eine Stunde und für den Ritter drei Becher Wein später hatte ich ihn soweit, dass er mir vom Biest erzählte und mir sogar die Zeichnungen zeigte, die er auch Geralt mitgebracht hatte. Die Augenzeugen hier hatten wirklich Sinn für Humor oder aber waren blind wie Wühlmäuse, doch ich beherrschte mich und hielt mit einem Lachen hinter dem Berg. Im Gegenzuge hatte ich Palmerin erzählt, wie ich Geralt kennengelernt hatte und nutze das zugleich als kleine Ausrede, nur sehr zögerlich zu trinken. Auf einen weiteren verkaterten Morgen konnte ich nämlich gut verzichten. Gerade, als Palmerin erzählte, dass er absolut keinen Zweifel daran habe, dass Geralt das Biest erledigen würde, setzte sich auch Guillaume zu uns, der und schweigend lauschte, die Hände unter dem Kinn verschränkt. Wo der in seinen Gedanken war, wusste ich ja längst. Vivienne und deren Fluch. Und als hätte man ihn gerufen, traf wenig später auch schon der Fluchbrecher-Fachmann hinzu. Die bedeutenden Blicke, die Guillaume ihm zuwarf, hießen dann wohl, dass sie sich schon unterhalten hatten. Prima, dann wurde ich den Hexer sicher für ein Weilchen los und könnte mich selbst ein wenig umsehen. Brummelnd ergriff Geralt neben mir schließlich das Wort, Dean einen finsteren Blick zuwerfend, der auf meiner Schulter hockte und mit dem Schnäbelchen nach dem Hexer schnappte. "Nehme heut Nachmittag am Turnier teil. Sieh zu, dass du nicht wieder so ein Aufsehen erregst, sonst könnten deine Biester schneller im Topf enden, als dir lieb ist. Diesmal hat Ihre Gnaden das noch durchgehen lassen." Ich schluckte und nickte. Geralt hatte mich also aus der Scheiße geholt. Still dankte ich ihm dafür. Wieder mal. Zeit, mich zu revanchieren und die Angelegenheit mit dem Biest für ihn zu regeln - und mit etwas Glück auch Mr. Bunny zu retten. Der bereitete sich bestimmt schon auf seine Rolle als Gartenhäschen vor, während das Turnier lief. Palmerin hatte mir berichtet, dass die Hasenjagd Tradition sei und ich natürlich auch mitmachen dürfe. Sie finde am Abend in den herzoglichen Gärten statt und sei eine wahre Freude. Ich hatte durchaus vor, mitzumischen, doch nicht wirklich auf die Art, wie sich der Ritter das wohl vorstellte.   Ein Horn kündigte den Beginn des Turniers an. Oder vielmehr gab es den Hinweis, dass sich die Teilnehmer und Gäste einzufinden hatten. Sofort herrschte rege Betriebsamkeit. Jeder wollte die besten Plätze ergattern und sehen, wer die verschiedenen Disziplinen für sich gewann. Mir jedoch war das alles herzlich egal. Meine Pläne sahen vor, dass ich zuerst Plötze einen Besuch abstattete und mich dann vom Acker machte. Das erwies sich als sogar noch einfacher, als ich es erwartet hatte. Der Stallknecht erkannte mich und schwafelte sofort etwas von 'die ehrenwerte Bestienbändigerin', als ich mich nach Plötze erkundigte. Dass ich in Geralts Begleitung reiste, hatte sich rasant herumgesprochen. Sollte mir Recht sein, denn immerhin ließ man mich so anstandslos durch, sodass ich Plötzes Satteltaschen durchwühlen konnte. In denen fand ich zu meiner Freude sogar fast sofort, was ich gesucht hatte. Ich grinste und schob die Hand Dettlaffs in meine improvisierte Umhängetasche. Beizeiten müsste ich mir eine richtige zulegen. So eine, wie sie Regis hatte. Jetzt aber wollte ich die Umgebung erkunden. Unbehelligt konnte ich vom Turniergelände schlüpfen. Zwar deuteten zwei Leute auf mich, die gerade ein Spanferkel zubereiteten, doch die meisten waren längst beim Turnier.   Es tat unwahrscheinlich gut, ein wenig weg von all diesen Menschen zu kommen. Eine Freundin von Menschenmassen war ich nie gewesen und dieses Gedrängel und Gekuschel auf den Tribünen war einfach nicht mein Ding. Außerdem musste ich echt nicht wissen, wer hier am besten schoss, ritt oder was diese Leute da auch trieben. Sollten sie halt. Die grün blühende Umgebung fand ich viel spannender. Statt dem Geruch von Pferden und Essen und Alkohol drang hier nur der klare Duft von Gräsern an meine Nase. Viel besser! Ziellos lief ich ein wenig über die grüne Weite, umflattert von meinen beiden Schützlingen, auf deren zugegeben noch etwas uneleganten Flugkünste ich jetzt doch stolz war. "Sehr gut, Sammy. Und jetzt komme her. Na komm. Komm zu Mama", forderte ich den größeren der Zwei auf, ehe mich ein Zwitschern aufhorchen ließ. Gerade so noch konnte ich sehen, wie Dean in einer Erdspalte verschwand. Kacke! Ohne zu zögern packte ich Sam, drückte ihn an mich und folgte seinem Bruder. War ja klar, dass Dean von den beiden der Unruhestifter war! Ungeschickt rutschte ich dem Greifen nach in eine Art unterirdischen Gang. Wohl früher mal ein Keller oder sowas. Die Wände waren aus Stein und viel sehen konnte ich nicht. Es gab hier unten keine Lichtquelle. "Dean?", rief ich in den Gang und folgte diesem soweit ich sehen konnte. Er führte in zwei abgehende Gänge. Ich folgte dem, aus dem ich ein Fiepsen hören konnte. Unsicher tastete ich mich die Wand entlang. Zwei Biegungen weiter stieß ich auf zwei Kammern, von denen eine eingestürzt war, soweit ich zu erkennen glaubte. Da fand ich auch das Greifenjunge. "Du kleiner Unhold. Nur Flausen in deinem süßen Fusselköpfchen", seufzte ich, als der Greif auf mich zuflatterte und dann seinen Stammplatz auf meiner Schulter einnahm. Am liebsten hätte ich den Kopf geschüttelt. Besser wieder raus hier. So gerne ich die Ruinen weiter erforscht hätte, so gut wusste ich doch aus The Witcher, dass Ruinen in der Regel auch Monster bedeuteten und mit Erscheinungen oder Kikimoras oder ähnlich ekeligem Zeug käme ich nicht klar. Außerdem war es verdammt kalt hier unten. Ich fröstelte sogar, dabei war mir eben noch warm gewesen.   Ich wandte mich um und zuckte heftig vor Schreck zusammen. Plötzlich stand jemand vor mir. Eine hochgewachsene Gestalt, mehr konnte ich im nicht erkennen. Nicht Geralt, soviel jedoch war mir klar. Wo kam der Kerl her? Ich hatte nichts gehört oder bemerkt. Lebte der etwa hier unten? Oh shit, dann waren wir auf Monsterebene angekommen. Als hätte er mir die Befürchtungen angesehen, hob er beschwichtigend beide Hände. "Verzeiht, sollte ich Euch erschreckt haben. Nichts läge mir ferner." Haha, witzig. Mein Herz raste und mein Puls war locker auf 180. "Darf ich mich vorstellen? Theodor Brunn, sehr erfreut." Er legte eine Hand an die Brust und verneigte sich. Etwas unsicher tat ich es ihm gleich und sah dabei vermutlich mehr als dämlich aus, zumal Dean protestierend fiepte, als er beinahe von meiner Schulter rutschte. Seine Krallen bohrten sich schmerzhaft in mein Fleisch und ich ahnte, das das üble Kratzer gäbe.  "Daelis", stellte ich mich kurz angebunden vor, während ich aus den Augenwinkeln bereits den Fluchtweg abschätzte. Wenn ich mich beeilte und an ihm vorbeihuschen konnte, dann könnte ich vielleicht herausklettern, ehe er mich packte. Allerdings war das eine ziemlich optimistische Prognose. Wahrscheinlicher wäre wohl, dass mich dieser Theodor direkt abfing.  "Ah, vielleicht gehen wir ein Stück, Milady. Bei unserer letzten Begegnung hatte ich leider nicht mehr die Chance, das Gespräch mit Euch zu suchen." Unserer letzten Begegnung? An die konnte ich mich zumindest nicht erinnern. Wann sollte das denn gewesen sein? "Wir haben uns bereits getroffen?", fragte ich ganz unverblümt und konnte sehen, wie Theodor nickte. Er machte mir den Weg frei und instinktiv wanderte ich in die Richtung aus der ich glaubte, gekommen zu sein. Als würde mir das helfen, falls dieser Theodor mir schaden wollte. Hier unten könnte ich um Hilfe schreien, so viel ich wollte. Niemand würde mich hören. "In der Tat. Es ist schon ein paar Tage her", sinnierte er ruhig und folgte mir. "Im Stall der Gaststube in Hohlweg." In meinem Kopf schrillten alle Alarmglocken. An diesen Vorfall erinnerte ich mich sehr genau. War er das Monster, vor dem der Anhänger mich hatte warnen wollen? Nun, da er menschlich auszusehen schien, konnte ich zwar einiges ausschließen, doch ich hatte Derand nicht vergessen. War das hier auch ein Incubus? War er womöglich auf Rache aus? Dann war ich diesmal echt am Arsch. Auf jeden Fall konnte er im Dunkeln sehen, denn während ich mehrmals beinahe über unebene Steine auf dem Boden stolperte, verursachte er keinen Laut.    "Kann mich grob entsinnen", gab ich vorsichtig zurück, doch Theodor ließ sich nicht beirren, sondern plauderte gut gelaunt weiter. "Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, ein paar Worte mit Euch bezüglich Eures Anhängers wechseln zu können." Es überlief mich eiskalt. Er wusste davon? Nichtmal Geralt hatte etwas bemerkt. Hieß das, dieser Kerl wusste vielleicht, woher der Anhänger kam? "Ihr könnt mir nicht zufällig berichten, wie lange dieses Schmuckstück schon in Eurem Besitz ist? Ist es womöglich ein Erbstück? Habt Ihr mit dem Hexer in Eurer Begleitung darüber gesprochen?" Hilflos starrte ich in seine Richtung. So mit Fragen gelöchert zu werden, hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Allerdings hatte ich bestimmt nicht vor, einem Fremden, den mein Anhänger offenbar als Gefahr einstufte, alles anzuvertrauen.  "Was seid ihr?", verlangte ich stattdessen zu wissen. Theodor stockte und schwieg für einen Moment, ehe er mit ernster Stimme zu einer Antwort ansetzte. "Ah, ich verstehe. Bitte seid ungeachtet meiner folgenden Worte gewiss, dass ich Euch mitnichten schaden möchte." Na, die Vorrede half ja ungemein, Vertrauen zu fassen. Sam kuschelte sich enger an mich, als spüre er meine Besorgnis. "Kommt zum Punkt. Wenn Ihr mir wirklich nicht feindlich gesonnen seid, gibt es keinen Grund für langes Drumherumgerede", entschied ich harsch, was Theodor dazu veranlasste, das Haupt zu neigen. "Selbstverständlich, Lady Daelis. Angesichts Eurer Begleitung habt Ihr gewiss schon von Vampiren gehört?" Ich nickte. Viel gelernt hatte ich diesbezüglich von Geralt zwar nicht unbedingt viel, doch das machte nichts. Ich wusste schließlich Bescheid. "Was für einer bist du?", wollte ich wissen und bombardierte den Vampir nun meinerseits mit Fragen. "Woher weißt du von dem Anhänger und woher weißt du, dass ich ihn habe? Was ist das überhaupt für einer? Kommt er aus der Welt der Vam..." Ich unterbrach mich. Theodor war verschwunden. "...pire?" Hilflos sah ich mich um, soweit ich es denn konnte. Zwar hatten sich meine Augen inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, doch mehr als vage Schemen konnte ich nicht erkennen. "Theodor?" Meine Stimme hallte in den Ruinen wieder. Die einzige Antwort, die ich erhielt, gab mir jedoch nicht der Vampir, sondern Sam, der an meiner Brust piepste und damit wiederum auch Dean anstachelte, der über meine Schultern kletterte, als wäre ich eine Art Kratzbaum. Meine Angst schwand und machte Unmut breit. Ließ dieser Kerl mich hier einfach stehen! Was dachte der sich bitte dabei? Er war es doch, der reden wollte und dann verpisste er sich einfach? Grimmig schnaubte ich. Dann halt nicht. Es sei denn natürlich, er hatte, weswegen er gekommen war. Den Anhänger. Beinahe panisch tastete ich mit einer Hand nach diesem und fand ihn fast sofort. Der blaue Kristall hing noch immer um meinen Hals. Gut. Wenigstens das.   Zeit, von hier abzuhauen. Eine Hand an der Wand tastete ich mich den Weg zurück. Oder zumindest den Weg entlang, von dem ich glaubte, dass er zurück führte. So ganz sicher war ich mir nämlich nach der ganzen Aufregung nicht mehr, wenn ich ehrlich war. Schon nach dem ersten Schritt jedoch stolperte ich über etwas. Etwas, das nachgab und mit einem dumpfen Geräusch ein Stück verrutschte. Etwas, das eindeutig kein Stein war. Wider besseren Wissens siegte meine Neugier. Schlimmstenfalls war es ein Rattenkadaver. Bestenfalls irgendein spannender Fund, den ich Geralt zeigen konnte. Meine Finger tasteten über rauen Boden, fand einige Pflanzenstängel, die zwischen den Steinen hervorgebrochen waren und dann, wogegen ich getreten war. Ein fester Einband. Leder. Das war ein Buch! Ich fackelte nicht lange und griff danach, um es mitzunehmen. Später im Hellen könnte ich es mir dann ansehen.   Mein Plan erwies sich nur als theoretisch gut. Praktisch hatte ich mich nämlich erfolgreich verlaufen. Zweimal bog ich ab und spätestens, als dann immer noch kein Licht zu sehen war, dafür aber ein unheimlicher Schein am Ende des Ganges, wusste ich, dass ich unmöglich richtig sein konnte. Da konnte ich auf keinen Fall entlang, das sah nach Erscheinung aus. Eilig drehte ich um, ehe mich noch etwas bemerkte. Zum Glück schienen die Winchesters bessere Instinkte zu haben und zu bemerken, dass ihre Mutti keine Ahnung hatte, wo sie war. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die mich alle Nerven kostete und mich an den Rand eines Panikanfalls führte, flatterte Dean unvermittelt voraus. Erschrocken folgte ich dem Greifen, nach ihm rufend. "Dean, bleib hier!" Nochmal wollte ich den Kleinen sicher nicht verlieren. Zu meinem Glück jedoch führte mich Dean direkt zurück zu dem Loch, durch das ich die Ruinen betreten hatte. Es war nur eine Biegung weiter gewesen. Erleichterung durchflutete mich. "Dean, du bist ein Schatz", seufzte ich erleichtert, als ich das Loch erreichte und ungeschickt hinauskletterte. Hatte sich frische Luft je so gut angefühlt? Schwer atmend lag ich einen Moment lang einfach nur im Gras und genoss die warme Sonne auf meiner Haut, die frische Luft und das Gekrächze und Gefiepse meiner beiden Schützlinge, die in kleinen Kreisen über mir umherflatterten. Wie die Geier, amüsierte ich mich in Gedanken darüber und richtete schließlich meinen Blick auf mein Mitbringsel. Der Einband des Buches war völlig verstaubt und so schob ich erstmal einige Wollmäuse beiseite, ehe ich den Buchdeckel aufschlug. Die Seiten hatten auch schon bessere Zeiten gesehen. Die Ränder waren etwas ausgefranst und schon die erste Seite hatte Stockflecken. Ich blätterte um. In dicken, dunklen Lettern fand ich nun auch den Titel. "Die magische Kunst von Chronokinese und Zeitreisen". Meine Augen weiteten sich. Ein Buch über Zeitreise-Magie? Das hatte ich im Spiel nicht gesehen, da war ich ganz sicher. Das hing doch bestimmt mit Ciri zusammen, würde ihr vielleicht sogar helfen, so als Kind des Älteren Blutes! So gerne ich meine Nase schon jetzt in das Buch gesteckt hätte, das müsste wohl aber warten. Ich wusste schließlich nicht, wie viel Zeit ich in den Ruinen wirklich verplempert hatte. Entschlossen schob ich das Buch in meinen Umhängebeutel, der nun Platz bot, da die Greifenjungen mir fliegend folgten. Zum Glück konnte man von hier aus sehr gut sehen, wo die Gärten lagen, in denen die Hasenjagd stattfinden sollte. Blieb also nur noch, das Gewächshaus zu finden und dort nötigenfalls mit Gewalt einzubrechen. Den Schlüssel würden ja Geralt und die Herzogin holen, aber so lange konnte ich nicht warten, wenn ich Milton retten wollte.   Als ich das Gewächshaus erreichte, war ich glatt ein wenig stolz auf mich, denn ich hatte wirklich nur ein einziges Mal nach dem Weg fragen müssen. Leise hatte ich mich angeschlichen. Die Vordertür war verschlossen, das wusste ich ja, aber Dettlaff floh ja auch durch den Hinterausgang, also würde ich einfach auch den benutzen. Soviel zu meinem Plan. Enthusiastisch hatte ich mich ins Gesträuch geworfen, doch je weiter ich mich vorankämpfte, desto mehr bereute ich diese Entscheidung. Hätte ich man doch einfach geklopft und Milton gebeten, mich reinzulassen. Das hätte mir garantiert zahlreiche Kratzer und Schnitte erspart. Aber dafür war es jetzt zu spät. Die Winchesters flatterten beide über dem Häuschen und waren zu meinem Erstaunen recht still. Zu still. Ob sie etwas ahnten? Hatten sei einfach meine Stimmung gespürt oder kam ich womöglich zu spät?  Ungeschickt stolperte ich über eine Wurzel und knallte mit dem Gesicht voran gegen das Gewächshaus. Immerhin konnte ich die halb zugewucherte Tür nun sehen, durch die Dettlaff fliehen würde. Dorthin gab es auch einen Trampelpfad, aber den zu nehmen, war mir natürlich nicht eingefallen. Ich Depp. Einem Vampir, der sich in Nebel auflösen könnte, war das natürlich alles egal. Klar. Innerlich schlug ich mir vor die Stirn, doch lange Zeit, mich zu ärgern hatte ich nicht. Im Nu hatte meine Hand die Klinke gefunden, die ich herunterdrückte. Mit dem Anblick, der sich mir bot, als ich die Tür aufstieß, hatte ich nicht gerechnet. Wie sich zeigte, kam ich gerade noch rechtzeitig. Ich stand in Dettlaffs Rücken, welcher die langen Klauen bereits ausgefahren hatte, eine Hand hinter dem Rücken und eindeutig bereit, den verwirrt dreinblickenden Ritter im Hasenkostüm jeden Moment zu töten. Miltons Blick fand meinen und auch der Vampir wandte sich ob der Störung um. Mein Timing mal wieder. Scheiße.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)