Blood and Whine von Daelis (Ist doch alles Käse!) ================================================================================ Kapitel 7: Die Ritter von Toussaint ----------------------------------- Ein weiterer kalter Schauer durchlief mich. "Tür zu!", beschwerte ich mich nun noch einmal lauter und wollte gerade aufstehen, um meiner Forderung Nachdruck zu verleihen, als ich unvermittelt nur noch blaues Leuchten sah. Oh nein. Oh nein! Das kannte ich doch schon! Das letzte Mal hatte mich dieses Leuchten von dem Greifen wegteleportiert, der mich gejagt hatte. Nur war dieses Mal kein Greif auf meinen Fersen und das Letzte, das ich jetzt gebrauchen konnte, war ein Teleport wusste der Himmel wohin. Zu meiner Verwunderung sollte jedoch keine ominöse Teleportation folgen, sondern bloß ein kräftiges Zerren an meinem Hals, das sich magisch über meinen ganzen Körper legte und mich innerhalb von Augenblicken zur Stalltür hinauszog.  Kaum war der metallene Riegel hinter mit eingeschnappt, verblasste das Leuchten und der Anhänger hing erneut unscheinbar um meinen Hals, als wäre nichts geschehen. Mir jedoch war übel. Protestierend zwitscherte Dean vor meiner Brust, dem das wohl ähnlich unheimlich war wie mir. Was in aller Welt war das gewesen und was sollte das? Was war das überhaupt für ein Anhänger und sollte ich mit Geralt darüber sprechen? Vielleicht gehörte er eigentlich einer Zauberin, die ihn sicher würde zurückhaben wollen. Oder noch schlimmer: Das Ding stand unter einem Fluch, der jetzt mich traf. Dann brauchte ich einen Spezialisten und noch hatte ich den zur Hand! Eigentlich hätte mir die Idee ja schon eher kommen sollen. Immerhin hatte dieses magische Gebimmsel mir auch bei dem Greifen schon den Arsch gerettet. Hatte es das hier vielleicht wieder getan? Aber wenn ja, wovor hatte es mich beschützt und wieso war es bei Derand nicht aktiv geworden? Vielleicht funktionierte es nur, wenn niemand in der Nähe war? Fragen, auf die mir der blaue Anhänger, den zu tragen mir jetzt schon nicht mehr so behagte, keine Antworten gab.    Lange Zeit, darüber zu grübeln, hatte ich allerdings nicht, denn noch während ich den kleinen, blauen Kristall in den Händen drehte und betastete, ertönte Geralts Stimme. "Daelis, da steckst du." Wie ertappt zuckte ich zusammen und schob den Anhänger eilig unter mein Shirt. "Mh? Ja, was gibt's?" In Geralts Begleitung waren wieder die zwei Ritter Palmerin de Launfal und Milton de Peyrac-Peyran. Aber wo blieben die Banditen, die dieses Dorf eigentlich heimsuchten? Die hätte Geralt doch eigentlich zusammen mit den Beiden vertreiben sollen. "Hier, zieh das an und dann brechen wir auf. Es eilt und wir können nicht lange in Oxenfurt halten, um dich abzusetzen." Ohne weitere Vorwarnung warf mir der Hexer ein Stoffbündel an den Kopf, welches ich gerade so noch auffangen konnte, damit es nicht in den Dreck fiel. Ungläubig starrte ich ihn an. Sollte ich mich etwa hier umziehen? HIER? Zurück in den Stall war wohl keine Option, so wie ich meinen blauen Kristallfreund einschätzte. Zum Glück sprang mir einer der Ritter bei. "Bitte nehmt doch Vorlieb mit der Hütte dort drüben. Man versicherte mir, es sei die beste im ganzen Dorf, als der Älteste sie uns überließ." Dankbar nickend nahm ich den gereichten Schlüssel entgegen.  "Ich muss nicht nach Oxenfurt. Ich komme mit nach... Toussaint", beendete ich meinen Satz nicht ohne Zögern. Die Ritter verrieten ja das Ziel indirekt und ich hoffte, damit nicht noch weiter Misstrauen zu erwecken, offen zu legen, dass ich ihre Zugehörigkeit erkannte. Ehe Geralt oder einer der Ritter widersprechen konnte, grinste ich nur. "Da wollte ich eh schon immer mal hin. Es soll dort wunderschön sein! Außerdem... ähm... ihr solltet", druckste ich herum, den Blick gen Stalltür wendend, "vielleicht noch ein wenig warten, bis ihr zu den Pferden geht." In Gedanken entschuldigte ich mich bei Plötze. Wenn da drin ein Monster war, dann hätte jetzt vielleicht ihr letztes Stündlein geschlagen. Geralt hingegen hob ob meiner nebulösen Warnung nur eine Augenbraue, griff nach seiner Silberklinge und schob sich an mir vorbei, wobei er mich finster ansah. "Du scheinst Monster wirklich förmlich anzulocken." Ich blies die Wangen auf. Erstens stimmte das überhaupt nicht und zweitens: Als wäre es meine Schuld! Beleidigt stapfte ich gen Gaststube, um mich umzuziehen. Geralt hatte ja sein Schwert, der käme klar.   Ich schloss gewissenhaft hinter mir ab. Sicher war sicher. Den Schlüssel ließ ich sogar stecken, obwohl ich mir bei dieser paranoiden Geste selbst albern vorkam. Wer würde denn schon herkommen? Niemand. Dennoch beeilte ich mich, mich aus meinen Sachen zu schälen, während die Winchesters piepsend auf dem Bett hockte und mir dabei zusahen. So gut ich konnte, rollte ich meine Hose zusammen und stopfte das Paket in einen Ärmel meiner Winterjacke, die ich vermutlich zeitnah entsorgen müsste. Wer immer mich darin sah, müsste mich zwangsläufig für eine wahnsinnige Serienmörderin halten. Kein Wunder, dass man mich damit überall angestarrt hatte. Das Kleid überzuziehen, war kein Problem, doch mit der beiliegenden Corsage kämpfte ich eine ganze Weile, ehe das Ding halbwegs saß. Eng geschnürt hatte ich es natürlich nicht. Ich schätzte es, zu atmen und hatte wenig Lust, wegen Atemnot bewusstlos vom Pferd zu fallen. Apropos Pferd. Ich lauschte. Es war still. Hieß das, der Kampf war schon vorbei? Oder hatte es vielleicht nie etwas zu bekämpfen gegeben und dieser seltsame Anhänger hatte einfach nur ebenso paranoide Anwandlungen wie ich? Gerade, als ich die Winchesters mit meinem Pullover, wieder vor meine Brust band, damit ich die Kleinen im Blick hatte, die sich sofort wärmesuchend an mich schmiegten, hörte ich draußen laute Stimmen. Im ersten Moment glaubte ich, Geralt und die Ritter hätten nun wohl doch irgendein Pferde hassendes Monster gefunden, doch der Blick aus dem kleinen Fenster belehrte mich direkt eines Besseren. Die Banditen waren jetzt da. Das hatte sich also nicht ganz verändert. Ausnahmsweise war mein Timing dabei aber mal gut und ich konnte hier in Ruhe warten, bis die drei bewaffneten Männer diese Schwachmaten in die Flucht geschlagen (oder vielleicht eher getötet) hatten. Während im Dorf die Kämpfe ausgefochten wurden, hatte ich mich aufs Bett gesetzt und beschwichtigte die Greifenküken, die der Lärm ganz nervös machte. Besonders Sam duckte sich verschüchtert in die Falten des Stoffes. "Schon gut, meine Süßen. Gleich ist es vorbei und dann reisen wir nach Toussaint. Dort gibt es sehr viel weniger Räuber und keinen Krieg." Vor allem letzteres beruhigte mich immens. Ich hatte im Spiel schnell bemerkt, wie viele Kriegsopfer es gab und auch, wie viele Ghoule das anlockte. Darauf konnte ich getrost verzichten. Schwer zu sagen, ob ich eher Sam und Dean beruhigte oder aber die beiden mich, aber erst, als es draußen still blieb, wagte ich erneut einen Blick aus dem Fenster. Das Bild, das sich unter mir ausbreitete, kam nicht unerwartet. Zwar konnte ich von hier nur Geralt und einen der beiden Ritter sehen, doch ich wusste ja, dass sie beide überlebten. Einer von ihnen müsste ja zum vierten Opfer des Biests von Beauclair werden. In einem Hasenkostüm. Fand eigentlich nur ich das irgendwie entwürdigend? Na, aber was oblag es auch mir, zu urteilen? Immerhin lief ich ja auch gerne mal im Cosplay herum und sah damit auch nicht gerade unauffällig aus.   Als ich aus dem Haus trat, hob einer der Ritter, Palmerin de Launfal, wie zum Gruße eine Hand. "Milady. Ich bin höchst erfreut, Euch wohlauf zu sehen. Welch glücklicher Umstand, dass Ihr in Sicherheit weiltet, als diese Flegel angriffen." Recht hatte er. Wäre ich hier draußen gewesen, hätte man mich bestimmt auch angegriffen. "Sind... sind die Dorfbewohner in Ordnung?", erkundigte ich mich und reichte dem Ritter den Schlüssel zurück. Nun mischte sich auch Milton Peyrac-Peyran in das Gespräch ein. "Diesen Unholden gelang es glücklicherweise nicht, jemandem weiteren Schaden zuzufügen. Wir konnten sie gemeinsam mit Geralts Hilfe in die Flucht schlagen." Mein Blick wanderte über die blutbefleckten, reglosen Körper, die auch hier vor der Gaststube lagen. Ich schluckte und nickte. In die Flucht geschlagen wäre zwar nicht meine Beschreibung für dieses Massaker gewesen, doch angesichts meiner Situation sollte ich wohl gerade jetzt nicht allzu wählerisch sein. Wenn Geralt mich hier ließ, war ich am Arsch. Zumindest bis nach Beauclair wollte ich noch mitkommen. Von dort aus wusste ich eh besser als Geralt, wo es lang ging. Der Hexer trat erst jetzt heran. Er hatte eben noch ein Stückchen entfernt neben einem der am Boden liegenden Männer gekniet und ich konnte sehen, wie er seinen Dolch in den Gurt schob. Was er getan hatte, konnte ich mir gut ausmalen. Geralt hingegen schien davon unberührt und musterte mich nun mit einem abschätzenden Blick, den auch die Ritter bemerkten. Es war Palmerin, der schmunzelte und meinte: "Kleider machen Leute, nicht wahr, Geralt? Kaum trägt die Dame ein Kleid, gewinnt sie gar noch an Schönheit." Irgendwie zweifelte ich daran, dass es das war, was Geralt dachte. Der überlegte wohl eher, ob er mich an die Ritter abschieben könnte. Sollte mir auch Recht sein. Hauptsache, es ging nach Beauclair. Unwohl fühlte ich mich dennoch unter dem Blick der gelben Katzenaugen. "Im Stall war nichts Ungewöhnliches." Mehr sagte Geralt nicht dazu, doch mir war klar, dass er mich jetzt erst recht verdächtig und seltsam fand. Meine Gedanken jedoch kreisten um eine ganz andere Frage viel mehr: Wenn dort nichts gewesen war, worauf hatte der Anhänger dann reagiert? Im Spiel war dort auch nichts Auffälliges gewesen, oder? Hing es vielleicht damit zusammen, dass ich aus einer anderen Welt kam? "Dann brechen wir also jetzt gen Beauclair auf?", wechselte ich das Thema und Milton deutete eine Verneigung an. "Mir scheint, die Dame kann es kaum erwarten, in zivilisiertere Lande zu kommen. Wie könnten wir diesem Wunsch widersprechen? Lasst mich nur geschwind, den Herren Wirt entlohnen und den Schlüssel abgeben." Also, wenn dieses Gesäusel den ganzen Weg so weiterging, würde ich ihm vielleicht zeigen, wie wenig zivilisiert ich sein konnte, aber fürs Erste verkniff ich mir jeden Kommentar. Ich musste nach Beauclair und alleine standen meine Chancen einfach beschissen. Mit diesen drei Typen im Gepäck jedoch war es ziemlich sicher, dass ich Toussaints Hauptstadt lebend und in einem Stück erreichen würde.   Am frühen Morgen überquerten wir die Grenze und schon am Nachmittag des sechsten Tages, die ich allesamt erfolgreich Lügen um meine Herkunft gesponnen hatte, ritten wir den mir bekannten Pfad entlang, der zu den Windmühlen führte, an denen dieser Jungspund Guillaume diesen Riesen-Oger-Gedöhns-Typen zu töten versucht, was er natürlich nicht geregelt bekam. Aber dafür gab's ja Geralt. Schon aus der Entfernung konnte man die Kämpfenden sehen. Der Hexer trieb Plötze an und neben uns taten die beiden Ritter gleiches mit ihren Pferden. "Vielleicht solltest du lieber auf Abstand mit der Dame bleiben", befand Palmerin, doch Geralt schnaubte nur abfällig, als wolle er sagen: 'Dame? Welche Dame?' Insgeheim stimmte ich dieser Einstellung sogar zu. Natürlich wollte ich auf keinen Fall im Kampf mitmischen, aber einfach abgeschoben werden, wollte ich auch nicht und eine Dame war ich sowieso schon mal nicht. "Die kommt schon klar", meinte Geralt schließlich gelassen und zog an Plötzes Zügel, um die Stute zum Anhalten zu zwingen. Zu nahe wollte das treue Pferd bestimmt sowieso nicht an dieses Monster heran. Neben uns sattelten die Ritter ab. "Bitte wartet hier, Milady." Eine Bitte, der ich nur zu gern nachkam. Dafür hätte es auch das nervöse Piepsen der Winchesters nicht gebraucht, die so schnell wuchsen, dass ich am Ende eines Tages schon richtig Nackenschmerzen davon bekam, sie in dem improvisierten Tragetuch herumzuschleppen. Während die vier Männer den hünenhaften Riesenoger - oder was auch immer dieser Kerl gewesen war - erledigten, nutzte ich die Chance, mich ein wenig umzusehen. Fruchtbare, grüne Wiesen, das strahlend blaue Wasser des Flusses und die märchenhaft anmutende Stadt Beauclair, die sich jenseits der Brücke erhob. Es sah schon wirklich beeindruckend aus, das musste ich zugeben. Hier zu sein, fühlte sich aber dennoch einfach surreal an. All das hier war eine Spielwelt, war nicht real und beinahe hätte ich wieder glauben können, das ich nur träumte, wäre da nicht Dean gewesen, der mir auf die Schulter kletterte, um mir ins Ohr zu piepsen. "Ist ja gut, mein Süßer", flüsterte ich beschwichtigend in seine Richtung, während der vorlaute Greif mir an einer Haarsträhne zupfte. Das war dann wohl Deans Art mir zu sagen, dass er Hunger hatte. Er und Sam wurden gefühlt mit jeder Stunde verfressener. Beide waren schon so groß wie Katzen und angesichts der Größe ihrer Eltern, darauf hätte mich Geralt unterwegs nicht extra hinweisen müssen, würden die Winchesters bald so groß sein wie kleine Hunde. Vier Jahre, hatte der Hexer mir erzählt, brauchte ein Greif, um ganz auszuwachsen, aber schon nach einem Jahr stünden die "Babys" ihren Eltern nur noch in wenig nach. Das hieß dann leider auch, dass ich die beiden nicht mehr lange mit mir herumtragen könnte - ganz besonders nicht in Städten, wo die Menschen üblicherweise wenig wohlwollend auf Monster reagierten.   Das gesamte Gespräch mit Guillaume hatte ich eigentlich aussitzen wollen und betont unbeteiligt getan, doch geholfen hatte das nicht. Offenbar erachtete selbst Palmerins Schützling es als eine Art Ritterehrenfplicht, mir Honig ums Maul zu schmieren. Als er mich jedoch tatsächlich als "zartes Geschöpf, einer Blume gleich, die Licht in die triste Welt des Hexers" bringt, beschrieb, fiel es mir sehr schwer, nichts zu sagen. Geralt offenkundig auch, wenn ich dessen Miene richtig deutete, als er nach Plötzes Zügel griff. Aber die beiden Greifen, die an mir klebten, waren dem Möchtegernhelden aufgefallen, ja? Als der junge Ritter dann aber von einem weiteren Opfer des Biests berichtete, war ich ganz Ohr. Jetzt kamen wir zum spannenden Teil! Wobei ich ja eigentlich längst wusste, was Guillaume erzählen würde - und weit mehr. Das nächste Opfer des Biests war im nahen Fluss entdeckt worden, zerstückelt. Um wen es sich dabei handelte, sei noch nicht geklärt. Den abschätzenden Blick den Geralt mir zuwarf, als ihm mein Interesse auffiel, bemerkte ich nicht. Dafür aber, wie ungern Palmerins Schützling über das Thema zu sprechen schien, denn er warf mir immer wieder vorsichtige Blicke zu, als fürchte er, ich könnte jeden Moment in Ohnmacht fallen.   "Dann sollte ich mir den Ort des Verbrechens näher ansehen", entschied der Hexer. Milton nickte zustimmend. "Zögern wir nicht. Ich werde dich begleiten." Schon bei diesen Worten ahnte ich, dass man mich wieder einfach abschieben würde. Und natürlich taten die Männer genau das. Kaum, dass wir die Brücke erreichten, verließ uns Palmerin, um uns der Herzogin anzukündigen und Geralt befand, dass ich mit den Pferden und den Winchesters - wobei Geralt sie 'die hässlichen Biester' nannte - warten sollte. Ehe ich auch nur hätte widersprechen können, hob Geralt die Hand. "Wir sind gleich zurück und schauen uns nur kurz das Ufer an." Missmutig starrte ihn den Hexer an,doch der fuhr unbeirrt fort. "Außerdem haben diese Viecher in einer Gaststube nichts zu suchen und wir brauchen Informationen. Warte einfach." Schnippisch sah ich den Hexer an, zuckte dann aber mit den Schultern. "Meinetwegen."  Milton hingegen wirkte empört. "Geralt, das kann nicht dein Ernst sein." Der Ritter schüttelte den Kopf. "Selbstverständlich werdet Ihr mein Gast sein, Milady. Hier gibt es die beste Langustensuppe von ganz Toussaint. Geht ruhig schon hinein, während wir den Ort des Schreckens untersuchen." Eilig winkte ich ab. "Schon gut. Ich kümmere mich um die Pferde und die Kleinen. Hunger habe ich sowieso nicht." Vielmehr hatte ich nicht übel Lust, voranzuschleichen und mir selbst schonmal die Spuren am Fluss anzusehen, obwohl ich eh nichts erkennen würde, sondern mich nur auf meine Erinnerungen verlassen könnte. Im Spiel hatte ich mich noch frischfröhlich durch die ganzen Kisten dort gelootet. Das ließe ich hier aber wohl besser sein. Als Diebin die Hände zu verlieren, wollte ich nicht riskieren. Obendrein könnte ich von hier vielleicht die Bruxa beobachten, die dann nach Corvo Bianco eilen würde, um Dettlaffs Hand zu holen. Vielleicht könnte ich ihr sogar zuvorkommen! Das Zeitfenster dafür war allerdings verdammt knapp und die Wachen dort würden mich bestimmt niemals zum Leichnam lassen - besonders nicht mit den Winchesters im Schlepptau, also verwarf ich diesen Plan wieder. Milton wirkte noch immer nicht überzeugt, doch ich winkte demonstrativ noch einmal ab. "Wirklich. Mir ist es lieber so. Hier draußen ist es so schön und ich kann die Aussicht etwas genießen." Damit war der Ritter zum Glück beschwichtigt, auch wenn ich ahnte, dass es eher daran lag, dass er nur nicht wollte, dass ich die blutigen Details des Leichenfundes mithörte. Als ob ich das nicht alles längst wusste. Das und noch viel mehr. Ganz die Touristin, die ich ja wirklich war, machte ich es mir am Geländer bequem und genoss für einen Moment die Aussicht, jedoch nicht, ohne immer wieder verstohlen zur Tür der Taverne zu sehen, sobald ich Milton und Geralt da drin hatte verschwinden sehen. Die Bruxa ließ nicht lange auf sich warten, bemerkte mich aber nicht und verschwand so schnell wieder, wie sie gekommen war. Das lief also alles wie erwartet. Sollte ich mich darüber jetzt freuen oder ärgern? Natürlich hieß das, dass ich die Fähigkeit hatte, die nächsten Geschehnisse vorauszusagen, doch wenn ich sie änderte, wie groß wären die Ausiwrkungen dann schlussendlich? Unwillkürlich musste ich an die berühmte Butterfly Effect-Theorie denken. Ganz wohl war mir dabei nicht, doch vielleicht bekam ich es ja hin, ohne dass ich die Geschichte in ganz neue Bahnen lenkte? Ein Schubser im richtigen Moment und sie würde eine der möglichen Bahnen nehmen und zwar eben die, die mir am besten gefiel.   Als Hexer und Ritter die Taverne verließen, wartete ich bereits auf heißen Kohlen. Die Bruxa war ja gewissermaßen mein Zeichen gewesen. Geralt entging meine Hibbeligkeit nicht und auch die Winchesters waren deshalb unruhig. Dean biss mir sogar einfach in den Arm. "Machen wir uns auf den Weg." "Ich werde mich verabschieden. Milady, Geralt. Auf mich wartet eine gewichtige Aufgabe." Geralt nickte nur, sichtlich um Ernsthaftigkeit bemüht und mir fiel es ähnlich schwer. Die 'ernsthafte Aufgabe' hieß immerhin in einem Hasenkostüm in einem Gewächshaus zu hocken. Allerdings würde er dort auch so sterben, wenn ich Geralt nicht antrieb. Meine Sorgen ob des Butterfly Effects waren verflogen. Ich konnte doch Milton nicht einfach sterben lassen, nur weil es die Originalgeschichte so vorschrieb! Nicht, wenn es in meiner Macht stand, etwas zu ändern! Im Stillen fasste ich schon jetzt den Entschluss, direkt zum Gewächshaus zu gehen, wenn Geralt und die Herzogin nach den Hinweisen suchten, die sie dorthin führen würden. Als wir uns Corvo Bianco näherten, konnten wir schon die Schreie hören. Für mich nicht überraschend, doch für den Hexer hinter mir ein Ansporn, Plötze anzutreiben. "Du wartest hier", wies er mich an, als er im Hof aus dem Sattel sprang. "Ja, ja. Mach du nur." Geralt warf mit einen wütenden Blick zu, untersuchte dann aber kurz einen der Toten, ehe er mit gezogener Silberklinge in das Kellergewölbe stieg, in dem er auf die Bruxa träfe, die gerade Dettlaffs Hand beim Leichnam von De la Croix fand. So langweilig es auch war, immer zurückgelassen zu werden, sobald es um Mord und Todschlag ging, so war es doch in besonders diesem Fall einfach sicherer. Vor einer Bruxa hätte Geralt es schwer, mich zu beschützen. Außerdem wollte ich eigentlich nicht, dass sie starb, doch diesen Kampf konnte ich schwerlich verhindern. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit bis Geralt wiederkam, Blutspritzer auf der Kleidung und ohne Frage die vampirische Hand im Gepäck, auf die er sich noch keinen Reim machen konnte. "Machen wir uns auf den Weg zum Turniergelände", entschied er und schwang sich wieder auf Plötzes Rücken zu mir. "Was war da unten?", wandte ich mich scheinheilig an den Hexer. "Das Biest? Hast du es erledigt?" Als ob das so einfach wäre, doch ich musste ja den Schein waren. Geralt schnaubte. "Nein, eine Bruxa. Eine Art Vampir - und nein, die kannst du nicht auch wie ein Baby mit dir herumschleppen", erklärte er, wohl davon ausgehend, dass ich das nicht wusste. "Aber die war nicht das Biest. Sie hängen nur irgendwie zusammen." Schweigend klammerte ich mich an die Züge, mir einen Knoblauchscherz verkneifend. Mir tat die Bruxa Leid. Sie war ein vernunftbegabtes Wesen und wäre die Situation eine andere gewesen, hätte man das Problem durch Reden aus der Welt schaffen können. Genau wie bei Derand. Hätte ich jetzt schon gewusst, dass der Hexer mein Schweigen bereits mit Skepsis aufnahm, hätte ich bestimmt weitergeplappert, schon um ihn abzulenken, während Geralt Plötze in Richtung des Turniergeländes lenkte, wo Anna Henrietta sicher schon auf ihn wartete.   So aber erfuhr ich erst, wie wenig Geralt mir traute, als er sich über mich als 'undurchschaubares Weibsbild' beklagte als wir den Turnierplatz erreichten und dort auch auf Palmerin stießen. Der Ritter führte seine Geschichte für die Horde Kinder, die sich um ihn geschart hatte, zum Ende ehe er uns um die Tribüne herum führte. Dabei stießen wir auch auf den Glumaar, dem gerade Glöckchen an den Schwanz gebunden wurden. Das arme Ding! Schon im Spiel hatte ich mich sofort empört, als ich das gesehen hatte. Und sowas schimpfte sich Ritter! Zwar verkniff ich mir jedem Kommentar, doch meine Blicke sprachen Bände und Geralt war offenkundig der gleichen Meinung, das wusste ich ja ohnehin. Im Spiel merkte er ja etwas an. Jetzt jedoch schwieg der Hexer zu meiner Verwunderung. Hatte ich hier schon etwas durch meine Anwesenheit verändert? "Ihre Gnaden wird euch nach der Eröffnungszeremonie empfangen", teilte Palmerin uns mit, den Glumaar keines Blickes würdigend. Euch. Das schloss mich dann wohl mit ein. Sehr gut. Dann konnte ich ihr auch gleich erzählen, was ich davon hielt, einen armen, verängstigten Glumaar so zu quälen! "Wer wird sich dem Glumaar denn stellen?", hörte ich Geralt sich erkundigen. Mir war die Antwort natürlich längst bekannt. Guillaume. Blondie würde sich in der Arena auf einen Glumaar stürzen und dabei kräftig aufs Maul kriegen. Mein Mitleid hielt sich arg in Grenzen. In dieser Sache stand ich klar auf der Seite des Glumaars. "Guillaume. Er hat der Dame seines Herzens den Kopf eines Ungeheuers versprochen und die Liebe verlangt große Opfer." Ganz unverhohlen schnaubte ich abfällig, doch wenn einer der Männer es bemerkte, ignorierten sie beide es gekonnt. Wieso sollte denn bitteschön der Glumaar das Opfer für die unerwiederte Liebe Guillaumes bringen? Der konnte doch echt nichts dafür. Sollte Geralt lieber Viviennes Fluch brechen, dann wäre der Bengel auch erstmal glücklich und würde später dann merken, dass man Liebe eben nicht kaufen konnte. Weder mit toten Glumaaren noch mit Gefälligkeiten beim Fluchbrechen. Hoffentlich würde sich Geralt damit hier nicht zu lange aufhalten, sonst müsste ich die Biest von Toussaint-Angelegenheit noch ohne ihn klären. Lustigerweise ginge das ja vielleicht sogar. Das nötige Wissen hatte ich und die einzigen Feinde, an denen ich erstmal vorbei müsste, wären die Leute in Burg Tynne. Mit zwei Höheren Vampiren im Schlepptau wäre das aber ein Kinderspiel. Als ich im Spiel mit Geralt dort gewesen war, waren Regis und Dettlaff so durch die Meute gepflügt, dass ich ebensogut herumstehen udn warten hätte können. Die hatten einem nichts übrig gelassen! Wären wir vor den Männern De la Tours dort, könnte ich sogar den ganzen Märchenlandteil skippen, der für mich wieder ein Problem geworden wäre. Ganz zu schweigen von der Nacht der langen Zähne!   "Bitte hier entlang, edle Dame", bedeutete mit Palmerin zu folgen und führte mich auf eine der Tribünen, Geralt nach, der vorangestapft war. Die dort Anwesenden musterten uns skeptisch. Mich noch mehr als Geralt, was sicher nicht zuletzt daran lag, dass ich noch immer die beiden Greifeküken im Schlepptau hatte. "Uns steht ein aufregender Kampf bevor." Dem alternden Ritter stand der Stolz ins Gesicht geschrieben, als Guillaume die Arena betrat. Mein Augenmerk galt allerdings eher diesem reimenden Vollhonk, der unaufhörlich plapperte und mich schon im Spiel an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte. Konnte dem bitte einfach irgendjemand mal das Maul stopfen? Danke. Unten in der Arena entfaltete sich schnell das erwartete Drama. Der Glumaar befreite sich von seinen Glöckchen und gab einen beinahe fiepsenden Schrei von sich, der mich immer ein wenig an diesen süßen kleinen Frosch erinnerte, den ich von Youtube kannte und dessen wütende Quakerei einfach nur niedlich klang.  Für Guillaume hingegen war er natürlich eine düstere Vorwarnung. Gleich würde Geralt in die Arena springen und dem jungen Ritter helfen, das wusste ich. Die anderen Zuschauer jedoch nicht, denn von denen konnte man erschrockene Rufe und aufgeregtes Getuschel hören. Mein Blick wanderte zu Geralt. Komm schon, Hexer. Do your thing. Ein schrilles Piepsen lenkte meine Aufmerksamkeit jedoch schnell von Geralt ab und stattdessen auf Sam, der in dem Tuch vor meiner Brust hing und unruhig herumflatterte. Wie von ihm angesteckt, wurde nun auch Dean unruhig, der auf meinen Schultern hing. "Shh, ganz ruhig, ihr Süßen", versuchte ich die beiden flüsternd zu beschwichtigen. Zumindest bemerkte ihre Aufmerksamkeit im Moment keiner, weil alle nur Augen für Guillaume und den Glumaar hatten.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)