My demons von Melora ================================================================================ Kapitel 1: The war has just begun… ---------------------------------- Im Mai 1992…     Eine einzige, gefälschte Nachricht reichte, um Menschen eine Falle zu stellen, in die sie frohlockend hineintappten. Nicht zum ersten Mal versuchten sie jemanden zu linken, das war fast alltäglich in der schwarzen Organisation. Eigentlich konnte man doch gar nicht so blöd sein, wie der Kerl – sich so reinlegen zu lassen, von Leuten wie ihnen. Nach der langen Zeit musste er doch wissen, dass sie sich nie freiwillig in der Öffentlichkeit mit ihm treffen würde – sie bevorzugte vier Wände, am liebsten wäre ihr noch keine Fenster gewesen, damit auch ja niemand davon erfuhr – außer diejenigen, die sowieso eingeweiht waren – einige von denen wussten es nur, weil sie Verbindungen pflegten. Aber die würden nie wagen, ihren Mund aufzumachen, weil sie dann um ihr Leben fürchten würden. „Schon blöd, wie?“ lachte der Schwarzgekleidete, nachdem er den Schock seiner Handlungen überwunden hatte – so dachte er. „Don’t deal with me…“ Seine Stimme war dunkel und fest entschlossen, Dinge wie diese auch weiterhin durchzuziehen – aus mehreren Gründen. Es kotzte ihn ziemlich an, für wie ~easy to handle~ sie ihn hielten. Ihm eine gefälschte Nachricht zusenden zu lassen – bestimmt hatte Norton die Computertechnologie, die innerhalb der Organisation schon viel weiter war, als in der Außenwelt, dazu benutzt, um das möglich zu machen. Dann waren sie hier ~3 Verbrecher~ stinknormale. Wollten die ihn eigentlich beleidigen, indem sie ihm diese Handlanger schickten? Wenigstens würde das Blutbad, was er angerichtet hatte, ihm keine großartigen Probleme bereiten, weil es sich um no names handelte – Verbrecher ohne Codenamen waren nicht wichtig – die Organisation interessierte sich gar nicht für solche. Dennoch hatte es der Schwarzhaarige eilig diesen Ort hinter sich zu lassen. Er betrachtete sich seine Opfer nie mehr als nötig, aber diesmal stürzte er förmlich zu seinem Auto, wo er kurz vor diesem Halt machte. Seine gesamte Kleidung war voller Blutspritzer – ein größerer Fleck prangte an seiner Front, am schlimmsten waren die Hände und es war nichts in der Nähe, womit er sich säubern könnte. Er würde alle möglichen Spuren im Auto hinterlassen – wenn es sein eigenes Blut gewesen wäre, kein Problem, das war nichts Neues, aber es handelte sich um Fremdblut. Nicht weit entfernt hörte man Polizei-Sirenen – das erschreckte ihn ziemlich, da wollte er nur unbemerkt in der Nacht verschwinden. Er bewegte sich wie ein Schatten, um seine Opfer – dabei handelte es sich bei den Sirenen noch nicht einmal um Polizei, die man gerufen hatte wegen der Sache, die hier passiert war. Trotzdem war es natürlich, sich schnell aus dem Staub zu machen… Da ließ er sogar das Schlimmste – sein Auto – verlassen zurück. Es war aber nicht so schlimm, wenn es hier stand, denn die Personen, die sein Auto erkennen würden, dachten sich bestimmt nicht sonderlich viel. Es war der Wagen eines Kriminalisten, welches wie alle anderen Autos ganz zufällig hier parkte. Man könnte es mit der Tat in der Verbindung bringen, aber nicht unbedingt. Schlimmer wäre, gesehen zu werden, nachdem er das Blut im Auto hinterlassen hatte. Auf frischer Tat quasi – nein das war zu riskant, mit Polizei in der Nähe…   Die Kleidung wollte er nur schnellstmöglich loswerden, aber er hatte nichts zum Wechseln parat, weil er erst heute nach Tokyo gekommen war – er wollte auch nur eine Nacht bleiben und nun hatte er diesen Ärger am Hals. Sich blutverschmiert durch die Straßen kämpfen, in der Angst entdeckt zu werden. Zum Glück wohnte jemand ganz in der Nähe in einer Siedlung, die eher weniger Menschen zu so später Stunde anzog. Er schaffte es zu den Aufzügen, diesen zu betätigen und dann zu dem Luxusapartment zu gelangen, ohne dass er jemandem begegnete. Er klingelte und ihm wurde auch recht schnell von einer weiblichen Person geöffnet. Diese besah ihn von oben bis unten. „Ach du heilige Scheiße – du willst doch nicht etwa diesen Dreck in unser Apartment schleppen, oder? Geh doch woanders hin, ja?“ Die Schwarzhaarige flüsterte es lediglich und musste sich bei den Fiesheiten das Lachen verkneifen, da sie dem Kerl sofort die Tür vor der Nase zumachen wollte und Sêiichî es nicht wagte, die Tür zu schnappen, weil er dann das noch nicht ganz getrocknete Blut an dieser hinterlassen würde. Es war mehr ein glücklicher Umstand, dass die Mitbewohnerin der jungen Frau die Worte zufällig aufschnappte und sie zu der Situation befragte. „Wer war das eben? Ungebetener Besuch?“ Die Schwarzhaarige lief auf die Blondine zu und lächelte milde. „Hat sich in der Tür geirrt.“ Da die 27-jährige allerdings Schauspielerin war, fiel es ihr leicht, Wahrheit und Lüge zu unterscheiden, deswegen verzogen sich ihre Augen zu Schlitzen. „Ich reagiere allergisch auf Lügen, Syrah, das weißt du. Also wer war an der Tür?“ Ein widerspenstiger Blick im Gesicht der 23-jährigen verriet ihr genug, da fragte sie nicht weiter und ging zur Tür, um durch den Türspion zu schauen. Es klingelte erneut, die Tür sprang ein zweites Mal auf. Syrah hörte die leichte Schnappatmung ihrer Mutter und seufzte. Bestimmt würde sie den übel zugerichteten Kerl reinlassen, weil sie besorgt um ihn war – das versaute ihr dann doch ein bisschen die Laune, so dass sie sich mit einem Krachen der Tür in ihr Zimmer zurückzog. Es dauerte einige Sekunden, bis Chris Sêiichî von oben bis unten prüfend angesehen hatte und sich dann einen Ärmel hochkrempelte, um ihn am Arm hereinzuziehen. Ihr Gesicht verdunkelte sich – sie hasste es, ihn so zu sehen. Viel schlimmer war, dass sie sich dann immer gleich Sorgen machte, aber sein beschwichtigendes Lächeln verriet, dass er wohl nicht schwer verletzt war. „Ist nicht mein Blut.“ Mit der Aussage rettete er sich und ließ sie dann aufseufzen. „Das ist ja schon mal schön und gut – aber wem gehört der Schweinestall dann?“ „Kann ich erstmal meine Klamotten loswerden und duschen, bitte?! Hast du irgendwas zum Anziehen? Ich will nicht hier so rumrennen, wenn sie auch da ist.“ Cognac, dieser Macho hatte wirklich Probleme. Seit wann war er denn so verklemmt und scherte sich darum, dass Syrah ihn vielleicht leicht bekleidet sehen würde? Wäre die Situation nicht eine so bedrohliche, hätte sie bestimmt einen Witz gerissen. „Ich find schon was… Erst mal raus aus dem Mist, bevor du mir noch alles versaust, das brauchen wir beide nicht.“ Sie schob ihn rückwärts Richtung Bad, wo sie schon den Boden mit einer Art Plastikfolie für solche üblen Fälle präparierte, so dass sie das Blut, was er vielleicht hinterließ, schnell loswerden konnte. Es war nicht das erste und auch bestimmt nicht das letzte Mal, dass jemand von ihnen Blut mit in die Wohnung schleppte – das war schon vermehrt vorgekommen. Der Angesprochene handelte ohne Widerrede schon auf dem Weg ins Badezimmer entledigte er sich seines Hemdes, indem er es sich wie Dreck angewidert vom Körper riss. „Tut mir leid, dass unser erstes Treffen nach so langer Zeit so ausfällt“, entschuldigte er sich unnötigerweise – denn sie fand das gerade überhaupt nicht wichtig. Zum Glück wirkte er mehr als okay, also keinen Grund zur Sorge. Er war auch schon halbtot in ihre Arme gesegelt, weil es auf dieser Welt von üblen Gestalten nur so wimmelte und Sêiichî noch nie die Ausgeburt der Vorsicht gewesen war. Nein, er war ein lebensmüder, waghalsiger Spinner, der sich jegliche Art von Angst untersagt hatte – er wollte perfekt funktionieren – das mussten sie alle irgendwo… Chris nahm alles entgegen, was er ihr in die Hand drückte. Sie scheute sich nicht, das blutverschmierte Zeug anzufassen, auch war sie nicht so furchtbar gut angezogen, dass es schlimm gewesen wäre, wenn ihre Kleidung etwas abbekam. Nachdem Sêiichî sich ausgezogen hatte, wollte sie ja eigentlich seinen Körper förmlich nach Verletzungen absuchen, aber sie hoffte jetzt einfach für ihn, dass er sie nicht anlog und ihr nichts verschwieg. Wehe, er würde wagen, ihr etwas vorzuschwindeln, nur um sie nicht zu beunruhigen oder noch schlimmer, vor ihr als unverwundbar dazustehen. So lief das nicht – kein Mensch war das – auch wenn er gerne Superman sein wollte, der unantastbar war. Syrah hatte sich verpisst und scherte sich gerade wohl so überhaupt nicht darum, was sie hier gerade an Horror durchmachte. Wahrscheinlich dachte sie, dass es sie nicht kümmerte, wenn ein Kerl, der ihr mehr bedeutete, überall mit Blut besudelt in der Wohnungstür stand. Sie hätte ruhig mal Eigeninitiative zeigen können, um ihr zu helfen – auch wenn es ein Kerl war, den sie persönlich nicht mochte. Syrah war eben egoistisch. Wäre Cognac ihnen fast tot in die Wohnung gefallen, hätte dieser wohl besser gefallen, aber er war nicht schwerverletzt, das sah sogar sie. Auf die Geschichte war sie ja schon gespannt. Hoffentlich war er dann so robust, wie er immer tat und sie musste sich nicht doch Sorgen um ihn machen. Als sie ins Zimmer gegangen war, um Kleidung zu suchen, stand Syrah hinter ihrer Mutter, die mit der Situation umging, als hätte der Postbote geklingelt… „Soll der etwa hier bleiben?“ fragte sie patzig und ziemlich verärgert. „Ich wüsste nicht, dass es dich etwas angeht – das ist allein meine Entscheidung, auch wenn wir das Apartment teilen. Du siehst doch, dass er Hilfe braucht.“ „Ja, ja – Cognac ist das hilfsbedürftigste Hündchen auf der Welt – wirklich Mutter! Immer, wenn er unverhofft zur Tür hereinschneit, bringt er Ärger mit. Was, wenn uns gleich noch mehr Leute die Wohnung stürmen? Vielleicht hat er ja wieder Gesocks angezogen, wie Andere Schmeißfliegen und sie haben ihn bis hierher verfolgt.“ Vermouth ignorierte ihre Tochter und kramte weiter nach Sachen – erst als sie fündig geworden war, drehte sie sich herum und wank ab. „Mach nicht so viel Wind. Cognac macht viel Mist, aber er ist nicht dumm. Die Leute, von denen das Blut stammt, haben garantiert nicht gewagt, ihm zu folgen. Selbst wenn, hat er sie abgeschüttelt. Er hat noch nie einen Anhang mitgebracht – weil unsere Treffen nun einmal geheim bleiben müssen.“ „Oh bitte – irgendwann ist immer das erste Mal. Warum bist du eigentlich so nett zu dem? Der Typ weiß doch überhaupt nicht zu würdigen, was du für ihn tust.“ „Ob er das tut, oder nicht, hast du nicht zu entscheiden. Es ist immer noch meine Entscheidung, ob ich der Meinung bin, jemand weiß es zu schätzen. Und, wenn du mir nicht helfen willst, dann verzieh dich in dein Zimmer und lass mir meinen Frieden. Diskussionen über dieses Thema lehne ich ab.“ Sie diskutierte doch nicht ihre Entscheidungen mit diesem Kind. So weit kam es noch… Sie durfte froh sein, wenn sie ihr überhaupt etwas erzählte, wenn sie sich so benahm. Obwohl sie so barsch angeschnauzt wurde, folgte Syrah ihrer Mutter bis zum Bad. Dort passierte Vermouth die Tür – weiter als bis zur Schwelle kam Syrah nicht, denn sie drehte sich herum, dabei sah sie ihre Tochter mit einem bösen Blick an und knallte dann die Tür vor ihrer Nase zu, so wie sie es bei Cognac auch getan hatte. Anschließend verriegelte sie die Tür, so dass Syrah schnaubte. „Unglaublich!“ schimpfte sie, machte dann aber eine Kehrtwende und verzog sich. Sêiichî stand noch immer unter der Dusche – er brauchte für gewöhnlich sowieso länger, deswegen lehnte sich die blonde Schauspielerin gegen die Tür, verschränkte die Arme vor ihrem Körper und beobachtete die Silhouette. Wenn die Situation es erlaubt hätte, wäre sie zu ihm in die Dusche gestiegen, allein aus Zorn und Protest gegenüber Syrah, die versuchte ihre Bindung zueinander zu zerstören. Dabei verhielt sie sich immer so scheinheilig und tat so, als würde sie sich Sorgen machen. Sie sah auch auf die Entfernung, dass er besonders lange duschte, damit auch ja kein Blut in der Dusche übrig blieb. Ob er sich vor dem Blut ekelte, musste sie sich nicht fragen, das war ihr klar, so schnell wie er unter das Wasser gewollt hatte. Es war ja auch eklig, aber man lernte damit umzugehen, wenn man solche Sache über Jahre hinweg machte. Aber bis auf sein eigenes Blut, hatte er noch nie so schlimm ausgesehen. Als das Wasser stoppte, nahm sie sich eins der riesengroßen Badetücher und empfing ihn damit. „Und du bist sicher, dass du keine Verletzung davon getragen hast?“ fragte sie, ohne den Kontrollblick schweifen zu lassen. „Höre ich da einen besorgten Ton aus deiner Stimme?“ fragte er, ohne dieses erfreute Grinsen zu zeigen, was er sonst aufsetzte, weil jeder kleine Funke von Zuneigung ihm ein Glücksgefühl bescherte. „Die Frage ist dumm, daher beantworte ich sie nicht. Außerdem ist es frech, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten. Also!“ Der junge Mann nahm das Handtuch und trocknete sich damit sorgfältig ab, woraufhin sie es wieder an sich nahm, sich herumdrehte und es auf die dafür vorgesehene Vorrichtung hängte. Sofort wendete sie sich wieder ihrem Freund zu und sah ihm in die Augen. „Wie ist es dazu gekommen?“ Natürlich wusste das Organisationsmitglied, dass sie ihm nicht helfen würde, ohne Fragen zu stellen, das tat sie immer. „Mir wurde aufgelauert. Leider waren sie sehr anhänglich, deswegen haben sie überall an mir ihr Blut gelassen“, sagte er, wirkte zwar, als würde es ihn nicht kümmern, aber es widerte ihn an, das wusste sie. „Wie viele waren es? Und hast du sie erschossen?“ Andere Menschen hielten Smalltalk über irgendwelche Soaps, sie über ihre Taten, dabei klang die Schauspielerin, als würde sie Kaffeeklatsch mit der besten Freundin halten. „Es waren drei – und ja, sie sind tot. Ich konnte sie nicht wegschaffen, überall war Polizei, da bin ich schnell verschwunden.“ Ihre Stirn runzelte sich missmutig „Was wollten sie von dir?“ Sie ignorierte mal, dass er getürmt war und forschte weiter nach Antworten. Vermouth wusste doch, dass kaum einer ihn leiden konnte – und wenn sie ihm auflauerten, dass sie es auf ihn abgesehen hatten. Wieso stellte sie ihm also so eine Frage? Als, wenn sie riechen könnte, dass etwas im Busch war – das fand er gruselig. „Warum fragst du das so?“ Chris konnte Angst förmlich riechen, vor allem seine. Er fürchtete sich also vor der Frage, weil er sie nicht beantworten wollte – dass er nicht wusste, was sie wollten, glaubte sie nicht. Meistens wusste man schon, was solche Leute wollten. Gut, ab und zu schossen sie auch einfach und man wusste nicht, warum. In Sêiichîs Fall war das fast ausgeschlossen. „Teran war aber nicht dabei, oder?“ Ihre Frage war spitzfindig, denn sie nutzte zwar aus, dass Teran und Syrah zusammen waren, indem sie sich schon mal von dem Typen helfen ließ, was natürlich kein Ding war – aber das hieß nicht, dass Teran auf ihrer Seite stand, er war auf Syrahs konnte man sagen – deswegen half er Vermouth ab und zu. Sêiichî hingegen konnte er nicht leiden, mehr als nur das – sie hatte ihn mehrmals gewarnt, ihn in Ruhe zu lassen. Aber sie wusste, dass er trotzdem wagen würde… Sie sponn den Gedanken nicht weiter, sondern sah ihren Freund fragend an. „Jetzt rede endlich!“ wurde sie ungeduldig. „Nein, der war nicht da“, antwortete er – dass Teran nicht da war, hieß für ihn noch lange nicht, dass er unschuldig an der Sache war. Er war eine hinterlistige Schlange. „Warum ich so frage, willst du wissen? Ich will wissen, warum du dazu gezwungen warst, sie zu töten. Wollten sie dir etwas antun? Oder war etwas Anderes der Grund?“ Ihre Stimme klang Frucht einflößend – das jedoch wirkte nur bedingt bei ihm. Er hatte keine Angst vor seiner Freundin, aber ihre Andeutung ließ ihn schlucken. In ihren Worten war die Vorahnung verborgen – ihre Worte klangen in seinen Ohren wie: war ich der Grund? Cognac wusste, dass sie es hasste, es nicht gut fand, wenn er irgendetwas ihretwegen verbrochen hatte. Sie konnte ihn aber auch nicht davon abhalten – sie ärgerte sich und das war’s. Es gab auch Dinge, die er ihr nicht unter die Nase rieb, auch wenn andere Männer das wohl sicherlich getan hätten, um ihre Belohnungen einzufordern. Er wollte es ihr nicht sagen und drehte widerspenstig den Kopf zur Seite. „Ist doch egal – ich gehöre dazu, so wie du. Manchmal muss ich eben.“ Es war eine ganz billige Art und Weise, ihrer Frage auszuweichen – dabei konnte er sie nicht einmal ansehen, weil er einfach nicht gut darin war, sie anzulügen – das konnte sie ja eh nicht leiden. „Also hatte es mit mir zu tun. Ich habe dir mindestens ein Dutzend Mal gesagt, dass ich alleine klarkomme und du mir nicht helfen musst.“ Seine Augen weiteten sich, das sah sie auch mit seinem zur Seite gewendeten Kopf, den er aber zu ihr herumdrehte, weil ihre Worte ihm natürlich nicht schmeckten. „Du gibst ja sowieso keine Ruhe – ich bin ihnen in die Arme gelaufen. Das waren irgendwelche Leute, die Chardonnay angeheuert hat. Erst haben sie mich mit einer falschen Nachricht angelockt und dann versucht zu erpressen.“ Chris zuckte – erpresst hatten sie ihn – sie fasste es nicht. Deswegen erschoss er drei Leute? „Bist du verrückt? Warum machst du so etwas?“ Sie wollte doch nicht, dass er genauso wurde, wie sie – wenn man ihr dumm kam, durfte man gehen – er sollte sich so etwas nicht von ihr abgucken. „Du bist viel zu gut, um so etwas zu tun.“ Sein Blick ging leicht zu Boden, wirkte dabei aber ziemlich aufsässig. „Ach, Schwachsinn. Gut… Ich… Machst du Witze?“ Sêiichîs missbilligendes Grinsen zeigte, dass er sich nicht für gut hielt – alles andere als das. „Ich bin eiskalt, Vermouth.“ Sie standen einander gegenüber, sahen sich beide rebellisch an – es war wie ein stiller Kampf, den sie nur mit einem einzigen Blick, dem sie dem Anderen schenkten, austrugen. Keiner von ihnen gab nach. „Du bist ein Idiot, ein riesengroßer. Was musstest du uns auch beitreten? Ich wünschte, du wärst nicht so verrückt gewesen, das zu tun.“ „Dann könnte ich aber nicht so oft bei dir sein…“ Damit konnte man sie schockieren. Sie wollte ihm eigentlich böse sein und ihn für seine Dummheit anschreien, denn wenn das der Grund für seinen Einstieg sein sollte, dann war es ein noch verrückterer, als sie geglaubt hatte. „Und woher weißt du das? Du weißt, dass ich überall hingelangen kann, wenn ich es will. Du kannst doch nicht so etwas zu mir sagen.“ „Tut mir leid“, sagte er, legte eine Hand an ihre Wange und versuchte nicht traurig dabei auszusehen, obwohl er sich schrecklich fühlte. „Das ist natürlich nicht der einzige Grund, aber ich wollte meiner Lebensretterin bei ihrer Sache helfen. Willst du mich deswegen verstoßen? Weil du meine Hilfe nicht willst? Hast du überhaupt eine Ahnung, welchen Zorn Chardonnay auf dich schiebt?“ Es war gefährlich, ihr eine solche Frage zu stellen, daraus schloss sie nur wieder unheimlich viele Dinge. „Scheint so, als wenn ich mich mit dem Problem mal persönlich auseinander setzen sollte. Sag mir sofort, was du weißt!“ forderte sie und er würde garantiert nicht wagen, ihr etwas zu verschweigen, so wie sie ihn gerade ansah. Wütend, verhasst und herausfordernd. Der nächste Schritt wäre ihre Waffe an seinem Hals, das wusste er. Obwohl er sich nicht davor fürchtete, weil sie sowieso nicht abdrücken würde. „Sie wollten mich dazu bringen, dass ich dich kontaktiere, damit sie dich herpfeifen können… Den Rest kannst du dir doch denken. Ich war Mittel zum Zweck. Aber ich habe das nicht mit mir machen lassen. Weil ich mich weigerte, wollten sie dann andere Seiten aufziehen und haben ihre Waffen auf mich gerichtet. Dass ich mich wehre, damit haben sie allerdings nicht gerechnet. Offensichtlich wurden sie nicht gut über mich aufgeklärt…“ „Dann wären sie wohl gewiss vorsichtiger gewesen. Aber ist es wirklich okay für dich? Ich meine, es macht dir nichts aus?!“ Sie kannte ihn, deswegen musste sie ihm diese Fragen stellen. Obwohl es wieder alles beschwichtigte, bedachte er sie mit einem intensiven Blick, in dem aber auch seine Traurigkeit steckte, die er nicht vor ihr verbergen konnte. Das, wovor sie sich insgeheim fürchtete – dass er Schaden dabei nahm. „Du bist wichtig für mich, da macht mir das nichts. Unsere Verbindung zueinander hält mich aufrecht, dann kann ich alles schaffen. Weißt du das nicht?“ Wenn man Cognac kannte, empfand man das beinahe schon als Liebesgeständnis, dabei war er kein Mann, der seine Liebe in Form von Worten zu zeigen pflegte, nein er tat es auf andere Weise. In solchen Situationen konnte sie kaum klarer sehen. Fast jeder – außer Sêiichî selbst – sah es im Grunde: Er war verliebt in sie. Für sie würde er alles tun… Jeden töten, der ihr Leben in Gefahr brachte oder ihr anderweitig schaden wollte. Dabei war sie keine schwache Frau, auf die man immerzu aufpassen musste. Dennoch tat er es. In manchen Situationen musste sie sich eingestehen, dass sie sich glücklich schätzen sollte, jemanden wie ihn zu haben. Sie versuchte immer allein klarzukommen, damit er so etwas Schlimmes nicht machen musste. „Bist du dir da auch ganz sicher?“ Chris war unschlüssig, ob er die Sache nicht nur schönredete, er war Meister darin. War er sich absolut sicher, dass es ihm reichte, mit ihr zusammen zu sein, damit er alles ertragen konnte? Sie beide hatten schlimme Zeiten erlebt, ein jeder von ihnen. Die Zwei hatten ihre Art und Weise damit umzugehen – sie hielten vieles einfach nur aus – das hieß nicht, dass sie keinen Schaden nahmen. Der Eine mehr, der Andere weniger. Der gute Mensch in ihm, der alles für eine gute Welt tun wollte, kam der denn wirklich mit seinen Umständen auch nur halb so gut zurecht, wie er vorgab oder tat er das, um vor ihr als die Stärke in Person dazustehen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)