Von der Kunst, richtig zu sein von Lyndis ================================================================================ Kapitel 13: Chris ----------------- SEAL bedeutet Sea, Air, Land und bezeichnet eine Sondereinheit des Amerikanischen Militärs. SEALs werden für zahlreiche Dinge eingesetzt, wie z.B. zur Aufklärung, direkter Kampfeinsätze, unkonventionelle Kriegsführung und sogar für so etwas wie den internationalen Drogenhandel. Also im Prinzip alles und nichts. Das war die grobe Ausbeute einer durchzechten Nacht: Alles und nichts. Das hatte Shinji kein Stück weiter gebracht. Im Gegenteil! Das Gebiet um das er sich Sorgen machen musste, hatte sich sogar noch vergrößert. Das war so unglaublich frustrierend. Aus lauter Frust hatte er sich mitten in der Nacht sogar überlegt, zu versuchen, sich bei der Navy einzuhacken. An diesem Zeitpunkt hatte er die Browserfenster geschlossen und hatte sich einem Spiel gewidmet um sich abzulenken. Das ging dann bis weit in den Morgen hinein, was darin resultierte, dass er um drei Uhr nachmittags, als es klingelte, noch immer schlief. Fuck! Wie von der Tarantel gestochen, sprang er aus dem Bett, zog sich das erste T-Shirt und die erste Hose an, die er fand und hastete zur Tür. Er war sogar etwas außer Atem, als er öffnete. "Morgen... ich meine... eh... hi!" Er strich sich einmal verlegen die Fransen aus dem Gesicht und trat dann beiseite, um Nate herein zu lassen. Ein kritischer, aber belustigter Blick musterte ihn eingehend. Shinji erschauerte von dem kalten Zug, der aus dem Treppenhaus kam und schloss die Tür schnell. Er wollte sich ja nicht erkälten. "Hast du etwa noch die Nacht durchgemacht?" Und plötzlich hatte Shinji eine Hand in seinen Haaren, die versuchte, die einzelnen Strähnen zu ordnen. Was hatte Nate nur immer mit seinen Haaren? Doch dem fiel selbst bald auf, dass das, was er da tat, unangebracht war. Deshalb lächelte er entschuldigend, nachdem er die Hand hatte sinken lassen. "Ich bin noch ziemlich in einem Spiel versackt... Dota... aber das kennst du wahrscheinlich nicht." Wie auch? Nate war kein Zocker, nie gewesen. Sie hatten früher nur ab und an Rennspiele und vor allem Mario Kart gespielt, aber selbst dabei hatte sein Kumpel sich selten dämlich angestellt. Eigentlich war das Spielen auch nur eine zusätzliche Gelegenheit gewesen, um zu wetten und zu saufen. Wann hatte es eigentlich begonnen, dass es ihm so leicht fiel, Verfehlungen von sich selbst vor Nate zuzugeben? Das verwirrte "Dota?" riss ihn wieder aus den Gedanken und er winkte einfach ab. Er wollte Nathan nicht mit Details über etwas nerven, was ihn im Grunde nicht interessierte. "Wenn du mir ein paar Minuten gibst, können wir sofort los", lenkte er stattdessen ein. "Lass dir ruhig Zeit, wir haben es ja nicht eilig." Nate verschwand darauf ins Wohnzimmer und Shinji verschwand schnell wieder in seinem Schlafzimmer und danach kurz im Bad um sich fertig zu machen. "So, ich bin so weit", verkündete Shinji, als er in die Wohnküche trat, wo Nate an dem kleinen Küchentisch saß. Er musterte seinen Kumpel, der vollkommen in das Bild dieser Wohnung passte. Als wäre er nie woanders gewesen. Jetzt sah er von seinem Smartphone auf und hielt Shinji den Bildschirm hin: "Ich hab ein hübsches Café zum Frühstücken ausgesucht. Mit reichlich Bagel Auswahl, oder Pancakes. Wie du willst." Shinji wurde es augenblicklich warm ums Herz. Nicht nur, weil Nate noch um drei Uhr nachmittags mit ihm frühstücken wollte, sondern auch, weil genau das früher immer ihr Katerfrühstück gewesen war. Nate hatte ganz oft auch einfach nur Pancakes mitgebracht, weil er wusste, dass Shinji morgens lieber süß aß und hatte sich das Zeug dann selbst auch reingedrückt, obwohl Nate wirklich keine Naschkatze war. Vor allem nicht morgens. Diesen Kerl konnte man einfach nur mögen. Dennoch wollte er nicht, dass Nate wie damals anfing, ihm ständig alles recht machen zu wollen. "Wir müssen nicht extra wegen mir... uhm... frühstücken." Er hatte ja schließlich verschlafen, nicht? Dann sollte er seine eigenen Fehler auch ausbügeln. Allerdings... war es doch auch unhöflich, das Angebot einfach abzulehnen, oder? Schließlich schien sich Nate auch irgendwie auf das 'Frühstück' zu freuen. "Andererseits", setzte er deshalb noch nach. "... würde das wohl auch unter 'Stadt erkunden' fallen, denke ich." Nate Antwortete mit einem Grinsen: "Klar, die Kulinarik dieser Stadt sollten wir zumindest probiert haben." Damit war das dann wohl beschlossene Sache. Und wahrscheinlich damit sie nicht noch länger Zeit vertrödelten, schob Nate Shinji in den Flur, um sich dort dann die Schuhe wieder anzuziehen. Die Fahrt verlief sehr ruhig, aber es war nicht unangenehm. Das Radio blieb aus, was Shinji beruhigte. Das Café war klein und gemütlich und gerade wegen der ungewöhnlichen Tageszeit auch nicht zu voll. Nate ließ ihm den Vortritt - wie immer - weshalb er sich in eine ruhige Ecke verzog, ohne, dass sie gleich vollkommen ab vom Schuss waren. Er versuchte ja wirklich, sich mit Nate zusammen nicht so zu verkriechen. Mittlerweile wusste er ja auch, dass er auf ihn aufpasste, wenn was passierte. Mit ihm zusammen, war das alles ein wenig einfacher. "Shinji? Nate?" Shinji zuckte Augenblicklich zusammen. Jemand der sie beide kannte? Erschrocken hob er den Kopf und sah direkt in die Augen eines Kellners. "Ich bin's, Chris!" Chris... Shinji atmete vorsichtig durch. Chris war ein halbes Jahr vor der ganzen Miesere damals von der Schule gegangen. Trotzdem hieß das nicht, dass der das Video nicht kannte. Mo... Moment! Es... es war doch ganz normal, dass zwei Kumpel zusammen essen gingen, oder? Das hatten sie beide immerhin auch früher schon sehr oft gemacht. Das war nichts ungewöhnliches! Das machten ganz normale Leute ständig! Ja... ja... es... es war alles in Ordnung. Alles gut... alles safe... Dennoch verspannte er sich. Er wollte mit niemandem von damals reden. Er wollte diesen furchtbaren Smalltalk nicht führen müssen. Aber wie kam er da wieder raus? "Hi Chris", seine eigene Stimme klang weit entfernt, kühl und vor allem distanziert. Es war unhöflich, ja, aber als Kellner konnte Chris sowieso nicht ewig bei ihnen rumstehen. Also lenkte er ganz simpel von sich selbst ab: "Lange nicht gesehen. Wie geht es dir?" Das sollte einen normalen Menschen genug beschäftigen, dass er danach keine Zeit mehr hatte, ihn noch irgendetwas zu fragen. "Mann, dass ich euch hier treffe! Nach so langer Zeit!", rief Chris aber nur freudig aus und klopfte Shinji auf die Schulter, was den fast dazu brachte, einfach aufzustehen und zu gehen. Er wollte nicht angefasst werden. Doch D´die Hand rutschte sogar seinen Rücken hinab und blieb dort. Shinji lief es kalt den Rücken hinunter. "Hängt ihr etwa immer noch miteinander ab?" Nathan schien die Situation auch nicht zu gefallen, denn es legte sich ein verkniffener Zug um seine Lippen. "Was machen die anderen?", fragte Chris weiter, nahm die Hand aber wenigstens weg. Shinji wollte hier weg. Ganz schnell. Er wollte nicht über alte Zeiten reden, nicht über die anderen und er wollte auch nicht bei jemandem bleiben, der noch nie etwas von Abstand gehört hatte. Glücklicherweise übernahm Nate das Reden, obwohl Chris eindeutig versuchte, mit Shinji zu sprechen: "Ehrlich gesagt, habe ich Shinji ebenfalls erst vor Kurzem getroffen." "Ja wirklich?", warum klang das nur so übertrieben? "Meine Schicht ist bald um. Dann können wir doch auf die guten, alten Zeiten anstoßen!" Wie zufällig strich Chris Hand noch einmal über Shinjis Rücken, dann ging er zu einem anderen Tisch. Das war ihm zu viel. Hastig sprang er auf und strich sich nervös durch die Haare: "Ich... bin mal kurz..." Er gab sich nicht einmal die Mühe den Satz zu beenden, sondern ging einfach Richtung Toilette. Er brauchte jetzt Abstand. Ganz viel davon. Während er Wasser in sein Gesicht spritzte, versuchte er sich einzureden, dass das alles nichts zu bedeuten hatte. Dass er nur überempfindlich war und sich das alles nur einbildete. Hoffentlich konnte er Nate begreiflich machen, dass er definitiv nicht noch mit Chris etwas unternehmen wollte. Sie hätten gar nicht erst weg gehen sollen! Es gab einen Grund, warum er lieber zu Hause blieb! Er konnte einfach nicht mit Menschen! Plötzlich ging die Tür auf und ein Putzeimer, samt Mopp wurde in eine Ecke gefahren. Dann fiel die Tür wieder zu. Shinji dachte sich nichts dabei, bis er Chris Stimme hörte, der plötzlich hinter ihm stand: "Bist du etwa mit Nate zusammen?" Sofort wirbelte Shinji herum. "Was?" Hatte er richtig gehört? Da war auf einmal diese Hand, die ihm eine Strähne hinters Ohr strich. Wie Nate sonst manchmal, aber das hier fühlte sich anders an. Falsch. Shinji war so steif vor Schreck, dass er sich nicht wehrte, als Chris sich vor lehnte um ihm die nächsten Worte ins Ohr zu flüstern: "Besorgt er es dir etwa immer noch?" ... Was? Die Hand fuhr seine Wirbelsäule entlang. "Weißt du? Es ist wirklich schade. Hätte ich gewusst, dass du auf Männer stehst, hätte ich es viel früher bei dir versucht." Und erst als die Hand auf seinem Hintern landete, bekam er wieder genug Gewalt über seinen eigenen Körper, dass er Chris weg stoßen konnte. "Fass mich nicht an!", stieß er aus und machte einige Schritte zurück. Er merkte gar nicht, dass er sich von der Tür entfernte. "Das ist echt widerlich, reiß dich doch zusammen!" Zu aufgeregt und zu überrumpelt, spie er Chris die Worte entgegen, die er sonst nur an sich selbst richtete. Er musste unbedingt aus diesem Raum raus. Er musste zu Nate! Nate würde ihn beschützen. Nate würde ihm keine Vorwürfe für diese Situation machen, er würde ihn einfach nur beschützen. Er musste zu ihm! Doch er kam nicht weit. Und ehe er es sich versah, stieß ihn Chris in eine der Kabinen. "Du sagst das so, aber in deinem Gesicht lese ich was ganz anderes." Die Tür wurde verriegelt, ohne, dass Shinji es schaffte, sich zu wehren. Er bekam keine Luft mehr. Alles war zu eng und zu nah. Er wollte hier nicht sein! "Ist dir überhaupt klar, was du mir damals angetan hast? Ich war so verschossen in dich und dann vögelst du mit dem da draußen?!" Das Video, schoss es Shinji vollkommen überflüssig durch den Kopf. Dieses verdammte Video... schon wieder. Chris falsches Lächeln wirkte wie eine Grimasse, das seine Gesichtszüge vollkommen verzerrte und er hielt ihn fest - am Handgelenk - so dass Shinji ihn nicht noch einmal wegstoßen konnte. Dennoch zog und zerrte Shinji daran, wollte weg, wollte zu Nate. Er wollte nicht hören, was Chris sagte. Es stimmte nicht! Er war nicht schwul! Da war nichts in seinem Gesicht! Und er wollte das hier nicht! Doch er hatte keine Chance. Stattdessen wurde er an den größeren Körper gezogen und hatte im nächsten Moment fremde Lippen auf seinen, während die freie Hand seinen Kiefer gewaltsam nach unten drückte, um einer Zunge Zutritt zu verschaffen. Shinji traute sich nicht, zu zu beißen. Die Kabine war verschlossen, eine Hand außer Gefecht gesetzt und sein Körper wurde gegen die Kabinenwand gepresst. Er kam hier nicht mehr raus und wenn er begann sich so zu wehren, würde Chris wahrscheinlich ganz ausflippen. Und während er versuchte auszublenden, was nicht auszublenden war, fragte er sich, ob Chris nicht doch recht hatte. War er selbst Schuld an dieser Situation? War in seiner Mimik noch irgendetwas, was an seine Anwandlungen damals erinnerten? Hatte er all das nicht sorgfältig genug versteckt? War es für andere wirklich so sichtbar? Hatte er sich einfach nicht genug zusammen gerissen und Chris damit die falschen Signale gesendet? "Chris", schluchzte er zitternd, als der kurz von ihm abließ. "Bitte... ich stehe nicht auf Männer. Wirklich... das... das damals war eine dumme Phase. Ich hab meine Lektion gelernt." "Willst du mich verarschen!?", keifte Chris, riss ihn herum und drückte ihn auf den Toilettensitz. "Hast du dir das Video angesehen? Du bist vor Lust zergangen als Nate dich genommen hat! Das war keine Phase!" Chris war ihm immer näher gekommen und gerade als Shinji dachte, noch einen Kuss ertragen zu müssen, streichelten ihm beiden Hände plötzlich über die Knie. Chris stand so, dass Shinji nicht weg kam und in dieser unterlegenen Position noch weniger Kraft aufbringen konnte, als sowieso schon. "Ich will nur einmal noch dein Gesicht sehen, wenn du kommst." Als die Hände höher wanderten, wehrte Shinji sie sofort ab, oder versuchte es zumindest. "Chris... bitte...", flehte er, doch es brachte nichts. Chris Bewegungen wurden fahriger, grober, als er seine Hände wieder abschüttelte und Shinji hatte Angst, er würde das nächste Mal zu schlagen, wenn er sich noch einmal wehrte. "Stell dich nicht so an!" Shinji fuhr unter der heftigen Stimme zusammen, die sofort danach wieder sanfter wurde. "Es wird dir gefallen. Du wirst schon sehen." Und damit öffnete er Shinjis Hose und ließ eine Hand hinein gleiten. Shinji wimmerte. "Du bist so schön", raunte Chris, während seine Hand langsam begann, ihn zu massieren. Die andere lag noch immer auf seinem Oberschenkel und hielt ihn dort fest. Und während Shinji einfach nur versuchte all das zu erdulden, legte sich plötzlich ein sehr zufriedener Ausdruck auf das Gesicht des Anderen. "Ich wusste doch, dass es dir gefällt", säuselte Chris. Nein! Nein! Nein, es gefiel ihm nicht! Er wollte das nicht! Warum betrog ihn sein Körper dann? Warum? Das konnte nicht sein! Das... das war unmöglich. Unmöglich... es war so widerlich. Er wollte nicht von Chris berührt werden. Nicht so wie gerade und auch sonst nicht! Warum reagierte sein Körper? War das das kranke Verlangen, vor dem er all die Jahre davon gelaufen war? Holte es ihn jetzt ein? Zeigte sein eigener Körper ihm, was er eigentlich wollte? "Shinji? Bist du hier? Die Pancakes werden kalt." Nate! Nate war da! Shinji holte schon Luft, aber ihm blieb jegliches Geräusch im Hals stecken. Wenn Nate sie beide so sah... wie musste das aussehen? Er saß hier auf dem Toilettendeckel, wurde kaum festgehalten und er... er war... er war steif. Nate würde sehen, dass es ihm gefiel. Wie sollte er auch verstehen, dass sein Körper völlig falsch reagierte? Das hier durfte niemand sehen! Niemand je erfahren! Erst recht nicht Nathan! Nicht Nate... nicht der letzte Mensch, der noch etwas auf ihn hielt. Es würde ihn endgültig von ihm treiben. Also schwieg er, stumm ertragend, was geschah und unterband selbst das Schluchzen, das sich so drängend in seiner Kehle sammelte, dass es ihm die Luft abschnürte. Er gab einfach auf. Endgültig. Er konnte sowieso nicht mehr weglaufen. Sie hatten alle recht gehabt. Er war krank und widerlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)