Noise Break von Flordelis ([Demonic Reverie]) ================================================================================ Kapitel 9: Das hier ist unser Reich, nicht deines ------------------------------------------------- [LEFT]Die Gelegenheit, diesen drei Wesen ihre Meinung zu sagen, erhielt Nerida noch in derselben Nacht. Als sie ihre Augen öffnete, befand sie sich wieder in diesem kleinen Raum, gemeinsam mit den Albträumen, die sich gerade eifrig miteinander unterhielten und sie dabei wieder einmal vollkommen ignorierten.[/LEFT] [LEFT]»Wer ist diese Sabia überhaupt?« Näherin schnaubte, ihre Zähne knirschten, während sie den aktuellen Kuchen dazwischen mahlte. »Was bildet sie sich ein, der kleinen Verräterin Hoffnung zu schenken?«[/LEFT] [LEFT]Die anderen beiden Gestalten schüttelten leise murmelnd die Köpfe. Sie wirkten derart empört, dass ein unbedarfter Beobachter von einer schweren Enttäuschung ausgegangen wäre, nicht von neuer Hoffnung für eine Person. Möglicherweise fühlten sich die Personen, die Nerida in der Schule schlecht behandelten, auch derart fassungslos über ihre neu gewonnene Lebensfreude. Allein der Gedanke ließ sie unwillkürlich lächeln. Am Ende hatte sie eben gesiegt, genau wie es sein musste. Sabia hatte recht, sie beide waren besonders und deswegen konnten sie nur erfolgreich sein.[/LEFT] [LEFT]Hatte sie das jemals gesagt? Nerida war sich nicht sicher, aber sie wusste auch nicht, woher dieser Gedanke sonst stammen könnte, also nahm sie an, dass sie es gesagt haben musste. Jede andere Möglichkeit auch nur in Betracht zu ziehen, hätte bedeutet, alles in ihrem Leben zu hinterfragen.[/LEFT] [LEFT]Nerida saß am Tisch, die Hände in ihrem Schoß gefaltet, während sie mit einer geradezu diebischen Freude die seltene Ratlosigkeit ihrer Gastgeber betrachtete. Diese beachteten sie nach wie vor nicht, sondern klagten weiter über Sabias Einfluss als könnten sie damit etwas ändern.[/LEFT] [LEFT]»Ich bin sicher, ihr ist nicht zu trauen«, entschied Glas. »Wer auch immer sie ist, und welche Pläne sie auch verfolgt, sie ist mir nicht geheuer.«[/LEFT] [LEFT]Die beiden anderen nickten.[/LEFT] [LEFT]Natürlich, dachte Nerida. Albträume können nur das Schlimmste von Menschen annehmen, etwas anderes kennen sie ja auch nicht.[/LEFT] [LEFT]»So muss es sein«, bestätigte Mumie. »Wer sonst sollte sich mit ihr abgeben?«[/LEFT] [LEFT]Neridas Lächeln wurde noch eine Spur herzlicher, gleichzeitig zog sie eine Augenbraue nach oben. »Ihr macht das doch ständig, wenn ich euch darauf hinweisen darf.«[/LEFT] [LEFT]Die Ignoranz ihr gegenüber schwand sofort. Alle drei richteten ihre Blicke auf sie und schienen sie damit zu erdolchen. Wie glühende Pfeile schlugen sie in ihre Haut ein und verbreiteten eine unangenehme Hitze. Neridas neu gefundene Selbstsicherheit verkroch sich in Anbetracht dessen lieber an einen sicheren Platz in ihrem Inneren. Hätte sie nur nichts gesagt.[/LEFT] [LEFT]Näherin schnaubte. »Weist du uns etwa zurecht?«[/LEFT] [LEFT]»Ich wollte es nur erwähnen.« Ihre Stimme klang nun wesentlich leiser als eben. Sie starrte auf den Tisch, der gerade frei von jeglichen Insekten war. Als hätten sie sich aus Furcht vor dem Kommendem in Sicherheit gebracht.[/LEFT] [LEFT]»Wir«, sagte Glas spitz, »brauchen bestimmt keine Verbesserung von der Tochter eines Verräters. Stattdessen weisen wir dich darauf hin, dass wir nur unsere kostbare Zeit mit dir verbringen, weil wir an dich gebunden sind.«[/LEFT] [LEFT]Nerida sagte darauf nichts, das nahm ihr Näherin auch ab: »Seht sie an. Ihren bemitleidenswerten Gesichtsausdruck. Sie hat keine Ahnung, wovon wir eigentlich sprechen.«[/LEFT] [LEFT]Warum hatte sie auch nie danach gefragt? War sie wirklich davon ausgegangen, dass die drei immer freiwillig zu ihr kamen, obwohl sie das nicht wollten?[/LEFT] [LEFT]»Sie ist eben dumm.« Glas wackelte mit dem Kopf als wäre er nicht durch den Hals mit ihrem Rumpf verbunden. »Muss sie ja sein, schließlich ist sie das Kind von Hiwa – und es muss ja auch einen Grund geben, aus dem er sich mit einer Dämonin einließ.«[/LEFT] [LEFT]Mumie kicherte. »Du meinst, er sei nur dumm?«[/LEFT] [LEFT]Glas nickte. Ihr wackelnder Kopf bewegte sich weiter vor und zurück, selbst als sie antwortete: »Richtig. Vielleicht ist das ja, was mit den Geißeln unter den Menschen passiert, sie werden einfach dumm. Deswegen lassen wir uns nicht mit dem Gesocks ein.«[/LEFT] [LEFT]Die anderen beiden gackerten begeistert. Dieses geradezu klirrende Gelächter lockte Neridas Selbstsicherheit wieder hervor. Wie ein Schild baute es sich vor ihr auf und verlieh ihr die Kraft für ihren nächsten Schritt: Ruckartig erhob sie sich von ihrem Stuhl. Dabei stieß sie gegen den Tisch, worauf ihre Tasse umfiel und ihren Inhalt über das fleckige Tuch ergoss. Schlagartig verstummten die drei Albträume. Ihre Blicke brannten wie glühende Kohlen, die gegen ihre Haut gepresst wurden. Aber sie und die Kälte in ihrem Inneren waren stärker.[/LEFT] [LEFT]»Mein Vater ist nicht dumm!« Kalter Zorn loderte in Neridas Inneren. »Er ist wesentlich schlauer als ihr, deswegen tut er jetzt alles, damit alle in Frieden leben können!«[/LEFT] [LEFT]Sogar Albträume und Dämonen. Ihr Vater glaubte, dass es so viele gute Seelen unter ihnen gab, dass er es ablehnte, sie allesamt zu bekämpfen. Lieber wollte er ihnen helfen, ein gutes Leben in dieser Welt zu führen. Diese drei wüssten es, wenn sie nur halb so viel zuhörten wie sie stets vorgaben.[/LEFT] [LEFT]Sie schwiegen derweil, ihre Blicke brannten unablässig. Reif bildete sich auf den Wänden, formte innerhalb kürzester Zeit kunstvolle ineinander verflochtene Ranken für die sie gerade kaum Aufmerksamkeit erübrigen konnte. »Ihr dagegen sitzt nur hier und ertrinkt geradezu in eurem Hass!«[/LEFT] [LEFT]Sie wollten nichts ändern, sie genossen es, sich elend zu fühlen und gleichzeitig die Kontrolle über Nerida zu behalten. Dafür existierten sie. Aber das würde sie nicht mehr mitmachen.[/LEFT] [LEFT]Die Blicke der drei verloren an Intensität. Flocken fielen sacht zur Erde, erfüllten den Raum erstmals mit einer angenehmen Atmosphäre, in der sogar Nerida sich wohlfühlte.[/LEFT] [LEFT]»Und dann versucht ihr auch noch andere auf eure Ebene hinunterzuziehen! Wie könnt ihr euch da so sehr als etwas Besseres fühlen?!«[/LEFT] [LEFT]Die Selbstsicherheit verlieh Nerida geradewegs Flügel, sie glaubte, alles schaffen zu können. Sie genoss den Anblick der drei Albträume, die bislang Angst und Schrecken in ihr ausgelöst hatten und nun plötzlich nur noch kümmerliche Gestalten schienen. Stolz reckte sie ihr Kinn – da erklang ein Klirren, das die gesamte kleine Welt erzittern ließ, und im nächsten Moment zogen glühend heiße Schmerzen durch Neridas Brust und rissen sie zu Boden. Der Aufprall presste ihr die Luft aus den Lungen, sie schnappte nach Sauerstoff. Das Lachen der Albträume schrillte in ihren Ohren, ließ ein dumpfes Pochen in ihrem Kopf entstehen. Ihre zitternde Hand ertastete einen Eiszapfen, der sich in ihre Brust gebohrt hatte. Ein Gegenstand, geformt aus dem einzigen Element, das bislang immer an ihrer Seite gewesen war und sie nun offenbar verraten hatte; diese Erkenntnis schmerzte mehr als die Verletzung, die ohnehin – hoffentlich – nur in ihrem Geist existierte.[/LEFT] [LEFT]Glas beugte sich über sie, ihre Mundwinkel waren in morbider Freude angehoben. »Oh, hast du wirklich geglaubt, dass du so einfach Macht über uns bekommen kannst?«[/LEFT] [LEFT]Einen Moment schwieg sie, als wartete sie wirklich auf eine Antwort, doch noch ehe eine solch folgen konnte, fuhr sie bereits fort: »Da hast du dich aber geschnitten. Wir werden dich vernichten, Verrätertochter. Wir werden am Ende siegreich sein. Denn im Gegensatz zu dir sind wir reine Wesen und das hier ist unser Reich, nicht deines.«[/LEFT] [LEFT]Die anderen beiden gackerten zustimmend. Nerida glaubte, Zähne klappern zu hören. So laut wie ihr das Geräusch schien, konnte es gut sie selbst sein, die es erzeugte.[/LEFT] [LEFT]»Wir werden dich überdauern«, fuhr Glas unbarmherzig fort, »und dann wirst du dir wünschen, dich uns niemals widersetzt zu haben.«[/LEFT] [LEFT]Das tat sie bereits in diesem Moment. Und auch noch eine Sekunde später, als sie ihre Augen in der Realität aufschlug und an die dunkle Decke starrte. Diesmal fand ihre Hand kein Projektil in ihrer Brust, doch das änderte nichts daran, dass sich dahinter ein brennender Schmerz festgesetzt hatte, der ihr die Tränen in die Augen trieb. Aber das durfte sie nicht aufhalten. Niemals.[/LEFT] [LEFT]Sie ballte die Hand zur Faust, atmete mehrmals tief durch, um ihr wild klopfendes Herz wieder zu beruhigen. Es dauerte viel zu lange für ihren Geschmack, aber es gelang ihr dennoch.[/LEFT] [LEFT]»Ich werde trotzdem nicht aufgeben«, flüsterte sie. »Ich werde euch zeigen, dass ich es schaffen kann. Ich werde euch zeigen, dass ihr euch irrt.«[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)