Noise Break von Flordelis ([Demonic Reverie]) ================================================================================ Kapitel 6: Ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhnen kann ---------------------------------------------------------- [LEFT]Am nächsten Tag strebte Nerida nach der Schule in Richtung des Ausgangs. Sie kümmerte sich nicht um die anderen, wusste deswegen nicht einmal, ob ihr Blicke zugeworfen wurden. Da Bernice und ihre Freundinnen nicht in der Schule waren, gab es niemanden, der ihr zu schaden versuchte, deswegen war sie nicht aufmerksam. Ihre Gedanken galten einzig Sabia, mit der sie sich am Ausgang treffen wollte, um diesen Ort aufzusuchen, an dem sie Störbrecher werden könnte.[/LEFT] [LEFT]Sie hatte die Nacht noch darüber nachgedacht, lange wach gelegen und sich die unterschiedlichsten Szenarien und Plätze vorgestellt. Aber ihre schlimmste Fantasie (ein magischer Drache im Limbus, der sie fressen würde) war selbst ihr derart lächerlich erschienen, dass sie sich im Anschluss wieder beruhigt hatte. Dadurch war sie, als sie schließlich eingeschlafen war, vor den drei Albträumen verschont geblieben. Am Morgen hatte sie sich endlich einmal erholt gefühlt. Entsprechend enthusiastisch war sie auch auf dem Weg zum Ausgang, wo Sabia auf sie wartete, wenn ihre Nachricht stimmte. Nerida hatte noch nie mit jemandem aus der Schule die Nummern getauscht, deswegen war sie überaus aufgeregt gewesen, als Sabia ihr an diesem Vormittag die erste Nachricht geschickt hatte – obwohl es mitten im Mathe-Unterricht gewesen war. Möglichst leise hatte sie sich gefreut und geantwortet, dass sie da sein würde. Ihr Herz vollführte einen freudigen Sprung, als sie an den Türen ankam und die wartende Sabia entdeckte.[/LEFT] [LEFT]»Du bist aber früh hier«, bemerkte Nerida.[/LEFT] [LEFT]»Wir hatten Mrs. Brown in der letzten Stunde, die lässt uns schon immer vor dem Ende gehen.« Sabia lächelte erwartungsvoll, legte ihre Hände hinter ihrem Rücken zusammen. »Bist du bereit?«[/LEFT] [LEFT]»Es wird dort kein Drache auf mich warten, oder?« Eigentlich wollte sie es nicht fragen, aber ihre Fantastereien verlangten es geradezu, um ihre Furcht zu bändigen.[/LEFT] [LEFT]Sabia runzelte die Stirn. »Was? Nein, natürlich nicht. Dort gibt es keine Drachen.«[/LEFT] [LEFT]Nerida atmete auf. »Oh, gut. Ich wollte nur sichergehen.«[/LEFT] [LEFT]Sie lächelte ein wenig verlegen, worauf Sabia glücklicherweise nicht mehr auf das Thema einging, sondern sie mit sich winkte. »Es ist auch nicht weit.«[/LEFT] [LEFT]Gemeinsam verließen sie die Schule. Nerida hätte am liebsten einen leisen Ton der Freude von sich gegeben, wollte aber nicht noch seltsamer erscheinen als nach der Drachen-Frage.[/LEFT] [LEFT]»Ach ja.« Sabia wandte sich ihr zu. »Ich war gestern Abend übrigens noch kurz im Krankenhaus, um nach Bernice zu sehen. Ich dachte mir, dass du dir Sorgen machen würdest.«[/LEFT] [LEFT]Ihre Worte klangen belächelnd, als nehme sie Nerida nicht wirklich ernst. Aber darüber machte sie sich keine Gedanken. »Wie geht es ihr?«[/LEFT] [LEFT]»Sie wird es überleben«, sagte Sabia. »Sie ist nur sehr verwirrt und wusste nicht, was geschehen ist. Ich habe auch ihren Vater gesehen.«[/LEFT] [LEFT]Die Person, die mitunter für diese Störungen verantwortlich gewesen war. Warum hatte er sie im Krankenhaus besucht?[/LEFT] [LEFT]Sabia lachte. »Du solltest dein Gesicht sehen. Aber na ja, jedenfalls wurde der Vater gerade in Handschellen weggeführt. Bernice mag wegen den Störungen verwirrt gewesen sein, aber offenbar auch gefestigt genug, um endlich ihren Peiniger zur Verantwortung zu ziehen.«[/LEFT] [LEFT]Bereits zum zweiten Mal bei diesem Treffen atmete Nerida erleichtert auf. »Da bin ich froh. Aber was ist mit den anderen beiden? Mit Orabela und Charity?«[/LEFT] [LEFT]»Oh die. Wahrscheinlich hat denen der Aufenthalt in der Welt der Störungen zugesetzt. Spätestens nächste Woche sollten sie aber wieder fit sein. Und sich an nichts erinnern.«[/LEFT] [LEFT]Es war ein interessanter Fakt, dass die menschlichen Opfer am Ende alles wieder vergaßen. Aber bedeutete das im Umkehrschluss, dass Sabia kein Mensch war? Oder lag es doch nur an diesem Ort, wo sie zur Störbrecherin geworden war? Nerida stellte diese Fragen nicht, hoffte stattdessen, die Antworten selbst herausfinden zu können.[/LEFT] [LEFT]Danach unterhielten sie sich wieder über unterrichts-relevante Dinge, während sie durch die Straßen liefen. Nerida kannte die Gegend nicht, in der sie schließlich landeten, aber es musste ein Viertel sein, in dem weniger gut verdienende Leute lebten. Hochhäuser drängten sich dicht aneinander, graue Blöcke, die nur auf Nützlichkeit, nicht auf Schönheit aus waren. An manchen Fenstern waren kunstvolle Vorhänge angebracht, die ein wenig Abwechslung zeigten, aber sie ließen die Trostlosigkeit nur umso stärker hervortreten. Vor den Häusern spielten Kinder miteinander, sie hielten inne und sahen den Mädchen interessiert hinterher, als diese an ihnen vorbeikamen.[/LEFT] [LEFT]Nerida warf einen Blick über die Schulter. Als sie endlich in einiger Entfernung waren, widmeten die Kinder sich wieder ihren Spielen. Seilhüpfen, Himmel-und-Hölle, dazu irgendetwas, das mit einem kleinen Haufen Steinen zu tun hatte. Für einen kurzen Moment fühlte Nerida sich wieder an ihre eigene Kindheit erinnert, als sie noch gemeinsam mit ihrem Bruder und den Lane-Zwillingen gespielt hatte. Es erschien ihr nun wie eine Ewigkeit her.[/LEFT] [LEFT]Neben einem einstöckigen, flachen Gebäude hielt Sabia wieder inne. Ausgehend von der staubigen Scheibe, die fast die gesamte Front einnahm, musste es sich einmal um einen kleinen Laden gehandelt haben. Nerida fragte sich, was darin wohl einmal verkauft worden war.[/LEFT] [LEFT]Sabia lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Gasse zwischen diesem Gebäude und dem Haus nebenan. Sie war schmal, nur für die darin befindlichen Mülltonnen und einen Fußgänger geeignet. So wie es aussah, führte der Weg hinter das Wohnhaus. Aber das eigentlich Interessante war eine Tür direkt vor ihnen. Diese bestand aus rotem Holz, das leicht glühte und dabei Funken sprühte. Sie stand im Nichts, führte nirgendwohin, wirkte deswegen vollkommen deplatziert.[/LEFT] [LEFT]Sabia legte eine Hand darauf. »Toll, oder?«[/LEFT] [LEFT]»Aber kann sie nicht jeder sehen?«[/LEFT] [LEFT]»Nein. Das ist wie mit den Störungen, die kann auch nicht jeder sehen.«[/LEFT] [LEFT]Das ergab Sinn.[/LEFT] [LEFT]Nerida betrachtete die Tür, die ein kaltes Loch in ihren Magen riss. Das hier war ihre letzte Möglichkeit es sich noch einmal anders zu überlegen. Wenn sie erst einmal hindurchging, könnte nie wieder etwas so werden wie vorher.[/LEFT] [LEFT]Aber sie hatte bereits zugesagt, sie war noch immer entschlossen.[/LEFT] [LEFT]Obwohl Sabia keine Frage gestellt hatte, nickte Nerida ihr zu. Mit einem leisen Klicken öffnete sich die Tür von selbst, schwang auf und enthüllte ein gleißend helles Licht, das verhinderte, dass sie sehen konnte, was sich im Inneren befand.[/LEFT] [LEFT]Nerida kniff blinzelnd die Augen zusammen, aber es war als starre sie in die Sonne. Absolutes Weiß überlagerte ihren Blick, brannte sich regelrecht auf ihre Netzhaut. Sie spürte, wie Sabia nach ihrer Hand griff und sie mit sich in die Helligkeit hineinzog.[/LEFT] [LEFT]Im Gegensatz zur Sonne war dieses Licht nicht heiß, sondern angenehm warm. Das Gefühl von Geborgenheit schloss sie sofort ein, als wolle man sie wie in einem neuen Zuhause willkommen heißen. Wie sehr hatte sie sich nach diesem Gefühl gesehnt, ohne es bisher zu wissen?[/LEFT] [LEFT]Nach wenigen Sekunden ließ Sabia sie wieder los. Ihre Augen gewöhnten sich auch an die neuen Lichtbedingungen, die an diesem Ort angenehmer waren.[/LEFT] [LEFT]Der Raum, in dem sie sich nun befanden, war kreisförmig, die Wand bestand aus hellem Gestein. Neridas Blick wurde zuerst zu einer runden leicht erhobenen Plattform in der Mitte gezogen. Direkt darüber, in einer kaum sichtbaren Blase, schwebten glitzernde rote Scherben, die an jene erinnerten, die Sabia aus der verzerrten Bernice gezogen hatte. Sie waren alle unterschiedlich geformt, bislang schien keines der Stücke zu einem anderen zu passen.[/LEFT] [LEFT]»Ich weiß auch nicht, was das ist«, erklärte Sabia. »Aber ich glaube, sein Zerbrechen ist dafür verantwortlich, dass es zu den Störungen kommt.«[/LEFT] [LEFT]Da Nerida nicht antwortete, zog sie erst einmal ihre zuletzt erbeutete Scherbe aus dem Nichts hervor. Ein leichter Wurf genügte, dass sich diese den anderen anschloss. Sie zog nun ebenfalls ihre unsichtbaren Bahnen innerhalb der Blase.[/LEFT] [LEFT]Ob einer der Anführer wusste, worum es sich hierbei handelte? Bei Gelegenheit sollte sie Jii oder ihren Großvater danach fragen – sobald sie wusste, wie man das möglichst subtil verpackte.[/LEFT] [LEFT]Beim weiteren Betrachten des Raums fiel Nerida nun auch noch eine kleine Tür in der Wand auf, kaum groß genug, dass sie gebückt hindurchpasste. Im Gegensatz zu jener, durch die sie hereingekommen waren, schmiegte sich diese aber farblich korrekt direkt in die Wand ein. Nerida hatte sie nur entdeckt, weil der dunkle Knauf und das Schlüsselloch hervorstachen. Sie deutete darauf. »Wohin geht es da?«[/LEFT] [LEFT]Sabia sah ebenfalls hinüber, wirkte aber deutlich desinteressiert. »Ich weiß es nicht. Die Tür ist verschlossen, also habe ich mich nie darum gekümmert.«[/LEFT] [LEFT]Da sie diese Worte nicht anzweifelte, achtete Nerida auch nicht weiter darauf. Was brachte es schon, sich mit einem Mysterium zu befassen, hinter dem sich vielleicht nur eine weitere Wand befand?[/LEFT] [LEFT]»Was soll ich jetzt tun?«, fragte sie stattdessen.[/LEFT] [LEFT]»Stell dich einfach vor die Scherben und heb die Hand.« Sabia machte es ihr vor. »Es tut vielleicht ein bisschen weh, aber das ist ganz schnell vorbei.«[/LEFT] [LEFT]Diese Information hätte Nerida gern ein paar Sekunden früher gehabt.[/LEFT] [LEFT]Es kam ihr vor als schösse ein heißer Strahl aus Feuer durch ihre Hand ihren Arm hinauf. Die Hitze sammelte sich in ihrem Rücken zwischen ihren Schulterblättern. Unzählige Bilder blitzten vor ihren Augen auf, verschwanden immer bevor sie das Thema überhaupt ausmachen konnte, dennoch ließ jedes einzelne sie mit einem immer unangenehmeren Gefühl zurück. Glühende Nadeln wurden auf ihren Rücken gepresst, zeichneten ihr ein Muster ein, dessen Form sie nicht einmal erahnte.[/LEFT] [LEFT]In jenem Moment, in dem sie ihren Mund zum Schreien öffnen wollte, stoppte das alles so plötzlich wie es begonnen hatte. Reste der Hitze verblieben in ihrem Körper. Sie wich einen Schritt zurück, ihre Beine zitterten, aber sie ging nicht in die Knie. Es erforderte ihre gesamte Energie, aber es gelang ihr, aufrecht stehenzubleiben.[/LEFT] [LEFT]Sabia trat neben sie und legte stützend einen Arm um ihren Körper. »Du bist wirklich gut. Ich lag erst einmal fast bewusstlos auf dem Boden.«[/LEFT] [LEFT]Sie lächelte etwas verlegen, überspielte es aber sofort: »Wenn du dich wieder gut genug fühlst, sollten wir uns ansehen, welche Fähigkeiten du hast – und du solltest lernen, wie man damit umgeht.«[/LEFT] [LEFT]»Klingt vernünftig.« Nerida atmete schwer. »Aber erst einmal … brauche ich etwas zu essen.«[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Sabia hatte sie direkt zu einer Imbissbude in der Nähe gebracht. Das Essen war wenig appetitlich gewesen, aber es hatte seinen Zweck erfüllt und Nerida wieder einigermaßen aufgebaut. Nachdem sie der Meinung gewesen war, fit genug zu sein, waren sie weitergezogen.[/LEFT] [LEFT]Schließlich standen sie gemeinsam vor dem kaum benutzten Hintereingang eines Einkaufszentrums. Nerida war einmal darin gewesen, um sich den dortigen Buchladen anzusehen, aber enttäuscht wieder abgezogen; es waren lediglich einige Regale mit den neuesten Bestsellern bestückt gewesen, ansonsten verkaufte man dort Nippes, der nichts mit Literatur gemein hatte.[/LEFT] [LEFT]»Normalerweise sind Störungen etwas sehr Persönliches«, erklärte Sabia. »Aber an Orten, wo viele Menschen zusammentreffen, prallen auch Hoffnungen, Träume und vor allem Enttäuschungen aufeinander. Was denkst du, wie viele Störungen dabei entstehen?«[/LEFT] [LEFT]»Das müssen unzählige sein.«[/LEFT] [LEFT]»Korrekt~.« Sabias Gesicht glühte regelrecht vor Aufregung. »Und was glaubst du passiert mit denen in solchen Verhältnissen?«[/LEFT] [LEFT]Es konnte mehrere Variationen geben, die auch sofort durch Neridas Gedanken rasten; miteinander konkurrierende Störungen, Herdenbildung oder gar eine gegenseitige Neutralisation waren dabei noch die harmloseren Varianten. Dabei fiel ihr aber auch wieder ein, dass sich bei Bernice sogar die Realität verzerrt und eine eigene Ebene gebildet hatte. Das musste sie beachten. Wenn sie dann noch hinzurechnete, dass Sabia ihr hier zeigen wollte, wie sie ihre Fähigkeiten benutzte, gab es nur eine einzige Lösung: »Sie formen eine bizarre eigene Welt, in der die Störungen frei umherstreifen?«[/LEFT] [LEFT]Sabia atmete überrascht ein. »Wow~. Ja, das ist richtig! Ich war damals auch hier, um herauszufinden, wie ich mit meinen neuen Kräften umgehen muss.«[/LEFT] [LEFT]»Wie hast du diese Ebene denn entdeckt?«[/LEFT] [LEFT]»Zufall. Wenn wir mal Zeit haben, erzähle ich dir davon.«[/LEFT] [LEFT]Mehr sagte sie nicht.[/LEFT] [LEFT]Nerida folgte ihr ins Einkaufszentrum hinein. Durch den verwinkelten Bau gab es keinerlei Tageslicht; die künstlichen Leuchten, deren Schein von den blanken Bodenfliesen verstärkend reflektiert wurden, tauchten das Innere in eine unwirkliche Atmosphäre. Auch die vielen Kunden, die zwischen den verschiedenen Läden umherstreiften, änderten nichts daran. Abgeschnitten von den Geräuschen der Außenwelt, angefüllt mit seinem eigenen Chor aus Musik, Lautsprecherdurchsagen und Plaudereien, fühlte Nerida sich in diesem fremden Kosmos immer besonders krank.[/LEFT] [LEFT]Sie liefen an einem Friseursalon vorbei, einer Apotheke, einem Reisebüro und verschiedenen kleineren Läden, in denen Dekorationsgegenstände verkauft wurden. Eine Rolltreppe und eine Glastür später befanden sie sich in einem verlassenen Gang des Einkaufszentrums. Hier war das Licht dezenter, fast schon zu düster. Dort, wo die Nadeln Neridas Rücken berührt hatten, pochte es inzwischen schmerzhaft. Die Störungen mussten in der Nähe sein.[/LEFT] [LEFT]Sabia warf noch einmal einen prüfenden Blick umher, dann trat sie direkt vor die Wand und legte ihre Hand darauf. Ein helles blaues Licht erglühte und bildete den Umriss einer Tür, die sofort nach innen aufschwang und den Blick auf Dunkelheit freigab.[/LEFT] [LEFT]»So etwas findest du durch Zufall?«, fragte Nerida.[/LEFT] [LEFT]Sie erntete ein unschuldiges Lächeln von Sabia. »Das ist wirklich keine spannende Geschichte, deswegen ist das nichts für heute.«[/LEFT] [LEFT]Nach einer auffordernden Geste trat Nerida zuerst durch das Portal. Entgegen ihrer Erwartungen wurde sie aber nicht von Finsternis eingehüllt, ihre Augen gewöhnten sich sofort an die neuen Lichtverhältnisse. Rauchige Schatten hüllten kubisch wirkende schmucklose Räume ein, in denen sich nicht sichtbare Gestalten bewegten. Sie hörte das Rascheln und Seufzen und Knistern, wann immer sich eine von ihnen regte. Aber noch war keines bei ihr.[/LEFT] [LEFT]»Sie spüren bereits, dass du in der Nähe bist.« Sabia war neben sie getreten. »Wir sollten sie nicht zu lange warten lassen.«[/LEFT] [LEFT]Nerida sah sie an, musste die sie beschäftigende Frage glücklicherweise aber nicht laut aussprechen. Sabia streckte den Arm aus, die Handfläche nach unten. »Kommen wir dann mal zur Praxis.«[/LEFT] [LEFT]Auf ihrem Rücken erstrahlte ein helles Licht, das sich über ihre Schultern ausbreitete, bis es ihren gesamten Körper einhüllte. Es blendete Nerida so sehr, dass sie den Blick abwenden musste, und als sie wieder hinsah, stand Sabia wieder in dem Kleid von gestern da. Auch ihr Haar war erneut hochgesteckt. Das ganze erinnerte Nerida ein wenig an die animierten Serien, die Darien sich manchmal ansah. Es aber in der Realität zu erleben war etwas ganz Neues.[/LEFT] [LEFT]Sabia lächelte zufrieden über ihr Staunen. »Das kannst du jetzt auch. Du musst dich nur genug darauf konzentrieren.«[/LEFT] [LEFT]Das klang einfach genug. Nerida legte eine Hand auf ihr Herz, dann atmete sie tief durch. Sie wusste nicht, worauf genau sie ihre Gedanken richten sollte. Deswegen dachte sie an das Pochen in ihrem Rücken. Sie spürte, dass ihr Herz im Einklang damit schlug. Plötzlich schien ihr Rücken in Flammen zu stehen, das Feuer verzehrte ihren gesamten Körper, noch bevor sie realisierte, was wirklich mit ihr geschah. Doch ehe sie glaubte verglühen zu müssen wurde sie von Kälte eingehüllt, aus der sie wie aus einem Kokon ausbrach. Dann war alles wieder … normal.[/LEFT] [LEFT]Sie fühlte sich nicht anders als vorher, deswegen sah sie an sich herab, nur um überrascht festzustellen, dass auch sie sich verändert hatte. Sie trug kein Kleid, sondern eine eng anliegende Hose, dazu einen Mantel, der vorne kurz geschnitten war, hinten aber bis zu ihren Fußknöcheln reichte. Allerdings kam ihr der leicht glänzende schwarze Stoff, der aus unzähligen kleinen Schuppen zu bestehen schien, absolut nicht bekannt vor.[/LEFT] [LEFT]»Oh, du siehst toll aus~.« Sabia stellte sich vor sie und betrachtete sie mit glitzernden Augen. »Besonders mit deinen offenen Haaren siehst du viel besser aus~.«[/LEFT] [LEFT]Unwillkürlich griff Nerida sich an den Kopf. Tatsächlich waren ihre Zöpfe nun offen, ihr Haar hing in Wellen über ihre Schultern. An ihrem Hinterkopf ertastete sie allerdings noch etwas; ein Gebilde aus feinen Knochen, das eine Krone darzustellen schien.[/LEFT] [LEFT]»Das steht dir total«, sagte Sabia. »Was auch immer es bringt.«[/LEFT] [LEFT]»Ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhnen kann.« Nerida zog die Augenbrauen zusammen, während sie sich auch die Schuhe betrachtete, die einen kleinen Absatz hatten. »Normalerweise trage ich solche Sachen nicht.«[/LEFT] [LEFT]»Das ist doch das Schöne am Störungen jagen«, erwiderte Sabia. »Dass du etwas machst, was du sonst nie tust.«[/LEFT] [LEFT]Sie legte ihre Hände auf Neridas Schultern. »Und genau das sollten wir jetzt tun.«[/LEFT] [LEFT]Nach einem aufmunternden Klopfen fuhr Sabia herum. Die Reitgerte erschien in ihrer Hand. »Wir sollten loslegen. Ich bin schon gespannt, wie deine Waffe aussehen wird~.«[/LEFT] [LEFT]Es müsste ausreichen, sich wieder auf das Gefühl auf ihrem Rücken zu konzentrieren, also tat sie das auch direkt. Diesmal formte sich die Hitze in ihrer Hand, wurde schlagartig durch Kälte ersetzt – und dann hielt sie plötzlich einen Stab in der Hand, an beiden Enden waren kurze Seile angebracht, die zu Platten mit äußeren Klingen führten. Als sie den Stock waagerecht hielt, erinnerte die Konstruktion sie an eine Waage. Von dieser wanderte ihr Blick zu ihrem linken Arm. Dort hatte sich ein Kristall manifestiert, dessen kantige Form entfernt an eine Acht erinnerte.[/LEFT] [LEFT]»Erinnert ein wenig an einen Schild«, merkte Sabia dazu an. »Und dieser Stab … ziemlich cool, wenn du mich fragst. Total außergewöhnlich. So etwas hat bestimmt sonst niemand.«[/LEFT] [LEFT]Deswegen war Nerida sich auch nicht sicher, wie sie damit kämpfen sollte, aber vielleicht bekäme sie das in der Praxis hin. Jedenfalls wusste sie von Kieran, dass er oft einfach im Kampf neue Waffen erprobte. Also sollte sie das auch schaffen.[/LEFT] [LEFT]»Fangen wir an?«[/LEFT] [LEFT]Sabia nickte lächelnd. Dann fuhr sie herum und ging voraus, in die Richtung, in der sie die Störungen vermutete. Nerida folgte ihr mit vorsichtigen Schritten, um sich an die neuen Schuhe zu gewöhnen.[/LEFT] [LEFT]Nur einen Raum weiter fanden sie bereits eines der Wesen. Es sah aus wie eine schwarze Raupe, die sich schwerfällig über den Boden bewegte.[/LEFT] [LEFT]»Ideal«, bemerkte Sabia. »Die schnappen wir uns.«[/LEFT] [LEFT]Sie wirkte harmlos genug, dass nichts passieren könnte, aber Nerida wusste, dass dieser Eindruck manchmal täuschte. Dafür musste sie nur Kieran ansehen, der vollkommen harmlos wirkte, aber im Kampf unfassbare Zerstörungskräfte entwickeln konnte. Hoffentlich war das bei diesem Wesen nicht so.[/LEFT] [LEFT]Sabia machte eine einladende Handbewegung. »Fang du an. Ich greife ein, sobald ich merke, dass es notwendig wird.«[/LEFT] [LEFT]Das half nicht, um Neridas Nervosität zu beruhigen, aber sie hatte sich hierzu bereit erklärt, nun musste sie sich beweisen. Mit möglichst selbstsicheren Schritten, die dennoch leicht wackelig waren, verließ sie das Versteck und ging zu der Raupe hinüber. Diese wandte sich ihr überraschend schnell zu, ein weißes Augenpaar musterte sie. Neridas Griff um den Stab verstärkte sich, ihre Knöchel schmerzten ein wenig. Aber davon wurde es nicht besser. Sie musste etwas tun.[/LEFT] [LEFT]Instinktiv bewegte sie die Waffe ein wenig, worauf die Kreisklingen sich um sich selbst drehten – und dabei tatsächlich die Raupe verletzten. Das Wesen stieß einen Schrei aus, dessen Lautstärke fast ausreichte, um Nerida von den Füßen zu reißen. Von irgendwo antworteten andere Störungen.[/LEFT] [LEFT]Keine Zeit mehr![/LEFT] [LEFT]Ein letztes tiefes Durchatmen, dann drehte sie den Stab schneller. Dank seiner Länge musste sie sich der Raupe nicht nähern, um ihr einen weiteren Schnitt zu versetzen. Aus den Verletzungen quoll wieder dieser kantige Rauch. Die Störung schnappte nach ihr, Nerida stolperte zurück, um auszuweichen. Dabei riss sie die Arme hoch, eine der Klingen wurde nach oben geschleudert und hinterließ einen weiteren langen Riss auf dem Wesen. Der darauf folgende gequälte Schrei wurde von mehr Rauch und einer hellen Flüssigkeit begleitet.[/LEFT] [LEFT]»Du machst das gut!«, rief Sabia ihr aus ihrem Versteck zu.[/LEFT] [LEFT]Von diesen Worten angespornt schwang Nerida ihre Waffe noch einmal. Diesmal wich die Raupe aber nach unten aus, nur um dafür einen instinktiven Tritt zu ernten. Sie traf direkt in eine der Wunden und vergrößerte diese damit noch, als das Wesen nach hinten flog.[/LEFT] [LEFT]Die Schreie der anderen Störungen wurden lauter. Sie musste etwas tun, um diese einzelne Bedrohung auszuschalten.[/LEFT] [LEFT]Noch während dieses Gedankens löste der Stab sich auf, an seiner Stelle erschien ein Revolver, der dem von Sabia absolut glich. Nerida war überrascht, wie schwer er sich anfühlte, gleichzeitig gab ihr dieses Gewicht aber auch Sicherheit. Und diese benötigte sie, als sie anlegte und abdrückte.[/LEFT] [LEFT]Ein Schuss aus purem Licht verließ den Lauf, traf auf die Raupe und verwandelte sie in eine Wolke aus glitzerndem Staub, die gleich darauf von einem kaum spürbaren Wind zerschlagen wurde.[/LEFT] [LEFT]Nerida betrachtete die letzten glitzernden Funken, als Sabia ihr plötzlich um den Hals fiel.[/LEFT] [LEFT]»Das war großartig!«, juchzte sie. »Ich wusste gleich, dass du ein totaler Profi sein wirst!«[/LEFT] [LEFT]»W-war das wirklich so gut?«[/LEFT] [LEFT]Sabia löste sich wieder ein wenig von ihr, hielt aber die Hände auf ihren Schultern. »Natürlich. Ich war beim ersten Mal lange nicht so gut! Aber das war einfach fantastisch! Du bist ein Naturtalent!«[/LEFT] [LEFT]Ob das an den Genen eines Dämons und eines Albtraums lag? Jedenfalls könnte es das erklären. Aber Nerida erwähnte es nicht. Ihre Freundin hätte damit sicher nichts anfangen können.[/LEFT] [LEFT]»Lass uns jetzt zurückgehen. Ich lade dich zur Feier des Tages auf einen Eisbecher ein.« Sabia hakte sich bei ihr unter. »Wir müssen unbedingt festhalten, was für ein tolles Team wir sind.«[/LEFT] [LEFT]»Aber die anderen-«[/LEFT] [LEFT]»Die lassen wir erst einmal. Sie können uns nicht folgen.«[/LEFT] [LEFT]»Und die Splitter?«[/LEFT] [LEFT]Nerida blickte auf den Bereich, wo die Wolke sich verflüchtigt hatte. Nichts war zu sehen.[/LEFT] [LEFT]»Aus irgendeinem Grund gibt es die immer nur in den Störungen, die wirklich an Personen gebunden sind.« Sabia zuckte mit den Schultern. »Die hier sind deswegen nur Trainingsobjekte.«[/LEFT] [LEFT]Das klang seltsam traurig. Aber auch das kommentierte sie nicht. Ihre neu gefundene Freundin musste nicht wissen, was für ein Wesen sie war, das sogar Mitleid für splitterlose Störungen empfand.[/LEFT] [LEFT]Lieber ignorierte sie die sich nähernden Feinde und ging gemeinsam mit Sabia in Richtung Ausgang, um die neue Partnerschaft würdig zu besiegeln.[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. 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