Der Schatten in mir von Lucinia ================================================================================ Kapitel 27: Im Haus des Feindes ------------------------------- „Tja, Chandra, was mache ich jetzt mit dir?“ Chandra brachte kein Wort über ihre ausgetrockneten Lippen, beobachtete nur mit erzwungener Fassung, wie Ray einen ihrer Pokébälle in der Hand wog und langsam drehte. Das kühle Licht der Deckenbeleuchtung spiegelte sich in der roten Hälfte der Kapsel. Ihre eigenen Hände lagen kalt und klamm in ihrem Schoß. Ray saß ihr am Tisch gegenüber, zurückgelehnt und die langen Beine überschlagen. Vor ihm auf der gläsernen Tischplatte lagen ihre restlichen drei Pokébälle, klein und in greifbarer Nähe. Sie hatte bereits darüber nachgedacht, ob sie es wagen sollte. Ein närrischer Gedanke, der aus einem noch viel lächerlicheren Überbleibsel von Hoffnung entstanden sein musste. Vielleicht würde sie das Überraschungsmoment auf ihrer Seite haben und schneller als er sein. Sie würde sich den erstbesten Pokéball schnappen, idealerweise Psiana oder Nachtara, und ihr Pokémon sofort herauslassen. Lunel hatte sich bereits in der Vergangenheit auf Ray gestürzt und Sunny war mit ihren telekinetischen Kräften jedem Menschen weit überlegen. Doch sie hatte den Gedanken sogleich wieder begraben. Zwar war sie für den Moment alleine mit Ray in dessen Büro, doch das mochte kaum für das ganze Haus gelten. Außerdem hatte er seine eigenen Pokémon, die stärker waren als ihre, viel stärker. Selbst wenn sie vielleicht zu groß waren, um sie hier aus ihren Bällen zu rufen, so wurde Chandras vage Überlegung von zu vielen unbekannten Faktoren beherrscht, von zu viel Risiko. Sie kannte sich hier nicht aus. Sie wusste nicht, wie Ray reagieren würde. Er könnte aus der nächstbesten Schublade eine Waffe hervorholen. Chandra war nicht dumm. Sie würde ihn nicht unnötig reizen. Er wusste das, ebenso wie er wusste, dass sie keine Chance hatte, sonst würde er ihre Pokébälle dort gar nicht erst liegen lassen. „Ich habe nachgedacht“, sagte er, woraufhin sie aufschreckte. „Bedauerlicherweise brauche ich dich noch, also kann ich mich deiner nicht entledigen. Aber du weißt bestimmt selbst, dass du gegen unsere Vereinbarung verstoßen hast. Dass du einen eigenen Willen in dir entdecken würdest, erschien mir ehrlich gesagt immer so absurd, dass ich mir nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht habe, was zu tun sei, sollte dieser Fall eintreffen. Wie bricht man diesen Willen nun am besten wieder?“ Er sah zu ihr, als würde er eine Antwort erwarten. Als sie schwieg, lächelte er leicht und legte den Pokéball aus seiner Hand neben die übrigen drei. „Du gingst mit zwei Pokémon und kamst mit vier zurück. Was für dich wohl der Ausdruck für die Hoffnung auf ein anderes Leben war, bedeutet für mich letztlich bloß mehr Cryptopokémon.“ „Nein!“, platzte es aus Chandra, als ihr die Bedeutung seiner Worte dämmerte. „Das kannst du nicht tun!“ Ray nahm die Pokébälle und verfrachtete sie in eine Schublade des Tisches. Sie vernahm das Drehen eines Schlüssels. „Ach nein? Wer sollte mich daran hindern? Du etwa?“ Er stand auf und ging um den Tisch herum. Seine hohe, vor ihr aufragende Gestalt schüchterte sie ein, und es wurde nicht besser, als er ihren Stuhl mitsamt ihr zu sich drehte, eine Hand auf dem Tisch abstützte und die andere auf der Rückenlehne ihres Stuhls, sodass sie zwischen ihm und dem Glastisch gefangen war. „Oder etwa Zayn?“ Er ließ den Namen wie eine Krankheit klingen. „Du bist auf dich allein gestellt, Chandra. Dein Retter ist nicht hier. Und wenn er es ist, wird er ganz andere Sorgen haben als dich, das verspreche ich dir.“ Die Stuhllehne bohrte sich hart in ihren Rücken, als sie unter seinem kalten und zugleich selbstherrlichen Blick zurückweichen wollte. „Was hast du vor?“ „Muss ich mir noch überlegen. Es soll ja nicht zu schnell wieder vorbei sein.“ Chandra rümpfte die Nase; der spitze Duft seines Parfums stieg ihr in die Nase. „Du musst das nicht tun“, meinte sie wie eine Idiotin. Ray konnte tun, was er wollte, und er würde es auch. Er beugte sich weiter zu ihr runter. „Ich will deine Pokémon nicht und ich brauche sie auch nicht. Alles, was mit ihnen passiert, ist allein deine Schuld. Wenn ich also beschließe, sie zu Cryptopokémon zu machen, dann trägst du dafür die Verantwortung. Und da ich dich leider möglichst unversehrt brauche, sind deine Pokémon nun mal der beste Weg, um dich für dein Vergehen zu bestrafen.“ In einem Anflug von plötzlicher Panik versuchte sie, ihn von sich zu stoßen, doch er sah ihren lächerlichen Angriff kommen und stieß sie zurück auf den Stuhl, kaum dass sie sich erhoben hatte. „Du bist doch völlig krank!“, brachte sie hervor, wobei sich ihre Stimme überschlug. Im nächsten Moment klatschte es laut und ein Brennen entfachte sich auf ihrer linken Wange, begleitet von einem dumpfen Piepen in ihrem Ohr. Kurz war es unheimlich still, bis auf das penetrante Piepen. Chandra starrte auf den Boden und wollte erst gar nicht wahrhaben, was passiert war. Ihr Körper war schneller als ihr Verstand – heiße Tränen brannten in ihren Augen, dann begriff sie. Er hatte sie geschlagen. Ray … hatte sie geschlagen. Das hatte er noch nie getan. Er hatte nie Hand an sie gelegt. Nicht einmal, als sie zum ersten Mal versehentlich ein Cryptopokémon geheilt hatte – und das hatte ihn damals wirklich zur Weißglut getrieben – und auch sonst nicht, wenn er wütend gewesen war. Er holte sie aus ihrem Schockzustand, als er mit grobem Griff ihr Kinn packte und sie zwang, ihn anzusehen. Die Tränen rollten über ihre Wangen. „Mein einziges Problem ist, dass ich ein kleines vorlautes Miststück als Schwester habe, das vergessen hat, wo seine Grenzen sind“, zischte er. „Aber das können wir ändern.“ Seine Finger drückten schmerzhaft in ihren Kiefer. „Du tust mir weh“, presste sie hervor. „Denkst du, das interessiert mich?“, entgegnete er kalt. „Heb dir deine Tränen für später auf, du wirst sie noch brauchen. Deine Pokémon werden zu Cryptopokémon. Wenn ich will, siehst du auch dabei zu sein und kannst ihre Qualen sehen und fühlen. Und du wirst rein gar nichts dagegen tun können – wenn nötig, fessle ich dich auch an einen Stuhl, damit du jeden herrlichen Moment davon mitkriegst.“ Alle Farbe wich vor Entsetzen aus Chandras Gesicht. Sie erkannte in dem seinen, dass er die Worte völlig ernst meinte, als ihn ihre Fassungslosigkeit zum Schmunzeln brachte. Kalte Angst ergriff ihr Herz bei der Vorstellung an das Gesagte … Als Ray die Hand von ihrem Gesicht nahm, nur um sie wieder zu heben, zuckte sie zusammen. Sie kniff die Augen zu, in Erwartung der nächsten Ohrfeige, doch bevor der Schlag sie traf, saß sie plötzlich aufrecht und mit pochendem Herzen im Bett, Dunkelheit umfing sie wie ein Mantel. Chandra brauchte einen Moment, um zu begreifen, wo sie war – vor allem, wo sie nicht war. Heftig atmete sie ein und aus und auf ihren Wangen spürte sie die Tränenschlieren. Ihr Blick streifte ziellos durch den Raum, doch außer ein wenig Licht am Fenster war es finster. Ihre Finger fuhren abwesend über ihre Wange, aber da war kein Schmerz, nur Nässe. Sie hatte bloß geträumt. Im ersten Augenblick jagte ihr die Erleichterung neue Tränen in die Augen, im zweiten erinnerte sie sich, dass sie nicht länger in der Sicherheit des Labors bei Zayn war, sondern … bei Ray. Das Geschehene war nur ein Albtraum gewesen, einer, der sich äußerst echt angefühlt hatte, aber die Wahrscheinlichkeit, dass aus dem Traum Realität werden könnte, erschien ihr groß. Zittrig sank sie wieder in ihr Kissen und zog die Decke bis unters Kinn. Es gab keinen Grund, sich sicher zu fühlen, wenngleich ein warmes Bett mit einer dicken Decke gerne das Gegenteil suggerierte. Nichts konnte sie vor Rays Willkür schützen und niemand würde ihn aufhalten, wenn er tatsächlich Gefallen an dem Gedanken fand, ihre Pokémon in Monster zu verwandeln. Der Gedanke daran jagte ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken und erneut füllten sich ihre Augen mit Tränen. Chandra wollte so gerne stark sein, aber sie schaffte es nicht, ihrem Schicksal mit erhobenem Haupt entgegenzutreten, nicht diesmal. Alles, was sie fühlte, war ein Schmerz in ihrer Brust, der sie von innen heraus zu versengen schien. Sie glaubte nicht, dass sie es würde ertragen können, bei ihren eigenen Pokémon, die sie über alles liebte, sehen und fühlen zu müssen, wie ihnen diese Qual angetan wurde, diese seelische Folter. Wenn das passierte, dann würde sie … einfach aufgeben. Dann hatte Ray endgültig gewonnen.   ******   Nach einer nahezu schlaflosen und tränenreichen Nacht brach der nächste Morgen an. Als Chandra sich aus dem Bett quälte, merkte sie, dass die vielen Weinkrämpfe ihren Tribut forderten. Neben schrecklichen Kopfschmerzen fühlte sich auch der Rest ihres Körpers erschöpft an. Sie spürte schon, bevor sie vor den Spiegel im Badezimmer trat, wie geschwollen ihre Augen von dem vielen Weinen waren, doch als sie sich schließlich sah, erschrak sie dennoch. Dunkle Ringe unter geröteten Augen zeigten überdeutlich, dass eine fürchterliche Nacht hinter Chandra lag. Umgehend drehte sie den Hahn auf und schöpfte sich kaltes Wasser ins Gesicht. So konnte sie doch nicht vor Ray treten. Das würde ihn nur amüsieren. Sie war ja überhaupt nur aus dem Bett gekrochen, damit sie sich nicht die Blöße geben musste, dass er womöglich auf einmal in der Tür stand und sie so … verletzlich vorfand. Grauenvolle Vorstellung. Letztlich wusste sie nicht, wie realistisch es war, dass Ray überhaupt hier, in diesem Zimmer, auftauchte. Als sie am vorherigen Abend in Pyritus angekommen waren, hatte sie erkannt, dass sie zu seinem privaten Anwesen geflogen waren. Das Haus dort ließ sich eher als kleine Villa bezeichnen und wollte mit dem gepflegten Äußeren nicht so ganz zu Pyritus passen. Zwar war die Gegend, in der es sich befand, etwas abgelegener und nicht so schäbig wie andere Bezirke, aber es blieb ein ungewohntes Bild. Viel hatte Chandra jedoch nicht erkennen können, da war der Helikopter bereits auf dem Landeplatz hinter dem Haus zum Stehen gekommen.  Sie war noch nie hier gewesen. Natürlich hatte sie um die Existenz seines Privathauses gewusst, aber ihm gehörte auch ein Bürogebäude, das zentraler in Pyritus lag und von außen absolut unscheinbar aussah. Geschäftliches regelte er sicher dort, zumindest war sie einige wenige Male da gewesen, wenn es etwas zu klären gegeben hatte. Dass er sie jetzt zu seinem privaten Anwesen gebracht hatte, zeigte einerseits, wie ernst es ihm damit war, sie zukünftig näher bei sich zu wissen, andererseits war sie sich aber auch sicher, dass ihm dieser Umstand gleichermaßen lästig sein musste. Ray wollte sie sicherlich nicht nah bei sich haben. Vielleicht war die Unterbringung hier lediglich von kurzer Dauer und der Tatsache geschuldet, dass ihre Strafe für ihre Flucht noch ausstand. Danach wartete womöglich schon ein anderer Ort, an den er sie verfrachten konnte. Dieses schicke Haus hatte bestimmt ein weniger schönes Kellergewölbe, gar einen Kerker. Die Vorstellung ließ Chandra schaudern, als sie wieder aus dem Bad trat. Das Zimmer, in das man sie gesteckt hatte, war penibel sauber und recht groß. Bett sowie sonstiges Mobiliar waren in dunklen Farben gehalten und der graue Teppichboden dämpfte jegliche Schritte. Lediglich das Fenster war eher klein – und bot ihr absolut keine Fluchtmöglichkeit, selbst wenn das Stockwerk tiefer gewesen wäre. Es ließ sich zwar kippen, aber draußen vor dem Fenster waren Eisenstäbe abgebracht. Ohne Hilfsmittel würde man ohnehin nicht unversehrt unten ankommen, aber die Stäbe überraschten Chandra auch nicht. Ray fürchtete wohl, dass sie sich etwas antun würde, wenn sie unbeobachtet war. Ihr Zimmer war nicht nur penibel sauber, es war nahezu steril. Es gab hier nichts, das im Ansatz spitz oder scharfkantig war, ja nicht einmal ein Wasserglas. Sie hatte bloß einen Kunststoffbecher gefunden, den sie im Bad mit Wasser gefüllt hatte. Auch das Fensterglas erschien ihr so dick und massiv, dass sie das niemals würde zerschlagen können. Nicht dass sie vorgehabt hätte, sich zu verletzten oder gar umzubringen. Aber es zeigte ihr, dass sie für Ray nach wie vor wichtig sein musste. Sehr wichtig. Und diese Tatsache verschaffte ihr für den Moment ein wenig Ruhe. Noch war ihr Leben sicher – halbwegs. Sie trat ans Fenster und sah nach draußen. Es war eine kleine Gartenanlage zu erkennen, ein Teil einer Straße und in etwas weiterer Ferne Pyritus‘ Zentrum, so hässlich wie immer. Sie kippte das Fenster und versuchte, durch die Lücke nach unten zu schauen. Vergeblich. Sie war gefangen. Nachdem man sie gestern Abend in dieses Zimmer gebracht hatte, war sie sich selbst überlassen worden. Zwar gab es schlimmere Räume, in die man jemanden einsperren konnte – sie hatte ja sogar ein sauberes Badezimmer –, aber neben den Möbeln war hier fast nichts. Der Kleiderschrank und die Kommode gegenüber des Bettes waren leer, kein einziges Bild schmückte die Wände. Hier war sie gnadenlos ihren Gedanken überlassen. Sie war nicht im Besitz einer Uhr, aber sie schätzte die Zeit auf zehn oder elf Uhr. Seit dem gestrigen Morgen hatte sie nichts mehr gegessen, was ihr ihr Körper zwar in Form eines leichten Schwächegefühls mitteilte, aber Hunger empfand sie keinen. Es war die Furcht, die an ihren Magen zog und ihn in einen schmerzenden Klumpen verwandelte. Wie sie so aus dem Fenster starrte, fragte sie sich, ob Zayn sie hier überhaupt jemals finden würde. Sie wollte nicht wie eine Jungfrau in Nöten darauf hoffen, dass er sie – schon wieder – retten kam, doch seine Pokémon waren schließlich auch irgendwo hier und die würde er sicher nicht aufgeben. Sie war hin und her gerissen zwischen dem egoistischen Wunsch, dass er sie ebenso retten möge, und dem selbstlosen Gedanken, dass es besser für ihn wäre, sie ein für alle Mal zu vergessen. Chandra hatte vorher nicht gewusst, wo Rays Privatgrundstück sich befand, und sie ging davon aus, dass die meisten den Ort aus Sicherheitsgründen nicht kannten. Ihr war schleierhaft, wie Zayn das herausfinden sollte. Niemand würde ihm den Ort aus reiner Großzügigkeit verraten. Am Ende lief er bloß ihretwegen in eine Falle und dann … wer wusste schon, was Ray mit ihm machen würde. Bevor Chandras Gedanken dieser Abwärtsspirale weiterhin folgen konnten, klopfte es an der Zimmertür. Sie drehte sich umgehend um und als sie schwieg, hörte sie, wie die Tür aufgeschlossen wurde. Ray würde sicher nicht anklopfen, so überraschte es sie nicht, dass Samuel ins Zimmer trat. „Ray möchte dich sprechen“, sagte er. Sie presste ein „Okay“ an der Angst vorbei, die ihr augenblicklich wieder die Kehle zuschnürte, und trat mit ihm aus dem Zimmer. Während er die Tür schloss, wagte sie einen Blick hoch in sein Gesicht. Der Mann, der seit jeher für Ray und ihren Vater zu arbeiten schien, war mindestens einen Kopf größer als sie, aber er war noch nie durch eine auffällig breite Statur aufgefallen. Dass sie sich in seiner Gegenwart meist eingeschüchtert fühlte, war mehr dem fast schon stoischem Ausdruck zu verdanken, der neben einigen Falten sein Gesicht zierte. Samuel würde sicher einen hervorragenden Pokerspieler abgeben, denn sein Gesicht verriet nichts. Störte es ihn, Chandra zu Ray zu bringen? Nervte es ihn, sich mit Aufgaben herumzuschlagen, auf die Ray keine Lust hatte? Chandra konnte es nicht einschätzen. Aber als sie zusammen durch den Flur gingen, war sie dankbar dafür, dass sie frei neben ihm laufen konnte und er nicht mit einem albernen Fluchtversuch ihrerseits rechnete. Was sie auch nicht vorhatte. Er musste im Alter ihres Vaters sein, aber wenn sie einen Fluchtversuch wagen würde, zweifelte sie nicht daran, dass er sie problemlos einfangen und notfalls gröber sein würde. Sie war einfach froh, dass man sie für den Moment nicht noch mehr wie eine Gefangene behandelte. Sie gingen ein Stockwerk tiefer und Chandra versuchte unauffällig, sich den Weg einzuprägen. Sie schätzte, dass die Treppen mittig im Haus lagen, aber sie hatte keine Chance, einen Blick nach unten zu werfen, denn obwohl Samuel sie nicht anfasste, behielt er sie im Blick. Je weiter sie liefen, desto enger wurde es in Chandras Brust. Ihre Hände waren kalt und schwitzig zugleich. Schließlich kamen sie vor einer Tür zum Stehen und in den wenigen Sekunden, in denen Samuel anklopfte, raste die Möglichkeit durch ihren Kopf, es einfach doch zu wagen. In die entgegengesetzte Richtung zu rennen, so schnell sie konnte, und zu hoffen, dass sie auf eine unverschlossene Tür oder ein Fenster traf. Sie mussten jetzt im ersten Stock sein und mit der richtigen Abrolltechnik würde es ihr sicher gelingen, halbwegs unverletzt unten anzukommen, wenn sie sprang. Aber die Überlegung verpuffte direkt wieder. Chandra war einmal aus Pyritus geflohen und nun wollte Ray sie in seiner Nähe haben. Wenn sie nun, bei der erstbesten Gelegenheit, zu fliehen versuchte, würde er sie vielleicht nicht mal mehr in ein sauberes Zimmer stecken, sondern Schlimmeres mit ihr machen. Sie musste verdammt noch mal Ruhe bewahren. Doch kaum war die Tür offen und Samuel bedeutete ihr, den Raum zu betreten, da verabschiedete sich die Ruhe auch schon. Als sie ihren Bruder sah, kehrte mit einem Schlag die Erinnerung an den schrecklichen Albtraum vergangener Nacht wieder. Ihr Körper gefror, kaum dass sie mit beiden Beinen im Zimmer stand. Hektisch wanderten ihre Augen über alles, ohne wirklich etwas anderes zu sehen als Ray. Er lehnte an einem Esstisch und betrachtete sie abschätzend. Samuel schloss die Tür hinter ihr und war weg. Nur sie und Ray. Die Situation konnte sich in Nullkommanichts in ein Abbild ihres Traums verwandeln. Ein falsche Bewegung oder ein falsches Wort und er konnte … er würde … Chandra atmete zittrig ein und senkte den Blick, den sie unter dem seinen nicht länger aufrecht halten konnte. Es fehlte nicht viel und sie würde zu Boden sinken, so weich waren ihre Beine plötzlich. So musste sich ein in die Enge getriebenes Pokémon fühlen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und wäre die Tür nicht unmittelbar hinter ihr gewesen, wäre sie nach hinten gegangen. „Hast du deine Stimme verloren?“ Sie zuckte zusammen, als Rays Worte sie wie ein Peitschenhieb trafen. Ihre einzige Antwort war ein zurückhaltendes Verschränken ihrer Arme. „Na gut, soll mir recht sein“, fügte er gleichgültig hinzu. „Setz dich.“ Er deutete mit dem Kopf auf den rechten Bereich des Zimmer und die dort stehende schwarze Ledercouch. Chandra leistete den Worten umgehend Folge. Wenn sie ihn nicht wütend machte, gab sie ihm keinen Grund, ihr wehzutun. So hoffte sie. Er ließ sich ebenfalls auf der Couch nieder, schräg gegenüber von ihr, und stützte die Ellbogen auf den Beinen ab. Nachdem er sie einer Musterung unterzogen hatte, sagte er: „Du siehst scheiße aus, Chandra. Harte Nacht gehabt?“ „Wenigstens habe ich eine Entschuldigung dafür“, entwich es ihr, bevor sie sich zusammenreißen konnte. Früher war sie seinen Spitzen meist mit ebenso herablassenden Äußerungen begegnet, aber früher hatte sie auch nicht seine Regeln gebrochen. Sie hätte sich auf die Zunge beißen können für diese unbedachte, dumme Aussage. Stattdessen bohrte sie die Nägel in die Handflächen und beobachte Ray. Sie musste bereit sein, wenn er zornig wurde. Sein Lachen irritierte sie. „Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass deine Aufmüpfigkeit verloren gegangen ist.“ Die Worten machten sie sprachlos. Das … das war falsch. Er sollte nicht lachen. Er sollte ihr sagen, wie schrecklich sie ihn enttäuscht hatte und dass sie für den Rest ihres Lebens keine eigenen Entscheidungen mehr treffen würde. Andererseits hatte er über einen Monat gebraucht, um sie zu finden, und nun, wo sie zweifellos in seiner Gewalt war, stimmte ihn das womöglich kurzweilig milde. Eine Art Hoch, bevor ihm wieder klarwurde, wie sehr er sie hasste. „Was-“, sie räusperte sich, „was willst du? Wieso sollte ich herkommen?“ Er lehnte sich zurück. „Wärst du lieber noch länger in dem Zimmer geblieben? Keine Sorge, du gehst bald wieder dorthin zurück.“ Sie schluckte die Angst hinunter. „Bleibe ich jetzt für immer da?“ „Immer ist eine sehr lange Zeit, aber mal sehen. Für den Moment schon.“ „Aber …“ Chandra sprach nicht weiter. Was sollte sie auch sagen? Mehr war ihr ohnehin nicht vergönnt, den Ray fuhr fort. „Mach mich nicht wütend. Dieser Tag ist anstrengend genug, auch ohne, dass du mich nervst.“ Erst mit diesen Worten nahm sie in näher in Augenschein. Auf den ersten Blick sah er so perfekt aus wie immer, wie jemand, der alle Fäden in der Hand hielt und stets genau wusste, was er tat. Kein einziges Staubkorn wagte es, sich auf seiner dunklen, viel zu teuren Kleidung niederzulassen, und selbst die wenigen kastanienbraunen Haarsträhnen, die ihm in die Stirn fielen, wirkten so, als hätten sie exakt die ihnen zugedachte Position. Ray war schon immer ein Abbild der Exklusivität gewesen in einer Stadt, die wenig Ansehnliches zu bieten hatte. Natürlich interessierte Chandra selbst das nicht sonderlich. Sollte es jedoch Menschen geben, die schlicht aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes seinen Versprechungen von Macht und Einfluss anheimfielen, so wunderte sie das nicht im Geringsten. Attraktivität blendete seit jeher den Verstand. Was jedoch ihre Aufmerksamkeit auf sich zog, war der leicht angespannte Blick aus seinen grauen Augen. Unter normalen Umständen wäre ihr dieser vielleicht gar nicht aufgefallen, aber sie hatte Ray unzählige Male mit einer überheblichen Attitüde gesehen – eigentlich so gut wie immer – und gerade jetzt sollte er doch vor Freude platzen, dass sie wieder hier war. Vielleicht tat er das innerlich, aber nach außen hin überschattete etwas anderes seine Stimmung. „Wieso sollte ich hierherkommen?“, fragte sie erneut. „Jemand will dich sehen.“ Diese vier Worte genügten, um ihr endgültig das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Jemand wollte sie sehen? Es gab nicht viele Personen, die Ray kannten, die bei ihm zu Hause zugegen sein und sie sehen wollen würden. Nur eine, um genau zu sein. Ray musste Chandra das Entsetzen an der Nasespitze abgelesen haben, denn er grinste – erheitert und gequält gleichermaßen. „Ja, genau meine Reaktion.“ Er lehnte sich zurück, überschlug die Beine und legte einen Arm auf die Rückenlehne der Couch. Ihr Blick schweifte zu Boden und färbte sich an den Rändern schwarz. Sie realisierte erst, dass sie für einen Moment aufgehört hatte zu atmen, als ihre Brust eng wurde. Dann sah sie wieder auf und blinzelte. Der Tränenschleier vor ihren Augen lichtete sich und sie erkannte, dass Ray mittlerweile sein Smartphone in der Hand hielt. Er tippte etwas und warf im Anschluss einen kurzen Blick auf sie. „Tja. Man kann sich seine Familie eben nicht aussuchen.“ Sein Telefon verschwand wieder in seiner Hosentasche. Daraufhin wurde es unangenehm still zwischen ihnen. Chandras Puls erklang pochend in ihren Ohren und sie sah sich unruhig im Raum um, ohne irgendetwas richtig wahrzunehmen. Das Wissen genügte, dass es kein Entkommen gab vor … vor diesem schrecklichen Menschen. Sie hatte ihren Vater – sie hasste es, ihn so zu nennen, aber das war er nun mal – seit mittlerweile ein paar Jahren nicht mehr gesehen und ehrlicherweise die naive Hoffnung gehegt, ihn vielleicht allerhöchstens noch irgendwann im Sarg liegend auf seiner Beerdigung sehen zu müssen. Nicht, dass sie dort freiwillig hingegangen wäre … Die Zimmertür wurde mit einem Ruck geöffnet, woraufhin Chandra zusammenschreckte. Als ihr Vater in den Raum trat und sein Blick fast unmittelbar auf sie fiel, konnte sie nicht viel mehr tun, als die Hände in das Sofa zu krallen, bis ihre Knöchel wehtaten. Der Fluchtinstinkt schlug auf sie ein wie auf ein verängstigtes Pokémon. Mühsam zwang sie sich, ruhig zu atmen. Er würde ihr nichts tun. Richtig? Er konnte gar nicht. Schließlich war er hier in Rays Haus und Ray hatte schon lange das Sagen, das wusste sie. Ihr Vater war nur mehr ein Statist in ihrem gemeinsamen Geschäft. Und außerdem … was ihr erst jetzt auffiel … Alt war er geworden. Nicht nur das – er sah auch verdammt scheiße aus. Chandra hatte ihn so lange nicht mehr gesehen, dass ihr die Veränderung in seinem Gesicht und an seinem Körper regelrecht ins Auge stach. Natürlich hatte sie mitgekriegt, wenn Ray Bemerkungen gemacht hatte, dass ihr Vater mittlerweile kränklich und, wie er gerne sagte, „erbärmlich“ geworden war, aber nun erhaschte sie zum ersten Mal selbst einen Blick darauf. Er war blasser, ergrauter und sein Gesicht wies erheblich mehr Falten auf als früher. Der Zahn der Zeit war nicht gerade gnädig zu ihrem Erzeuger gewesen. Aber aller Erkenntnis zum Trotz wirkte er doch keinen Deut weniger furchteinflößend. Ganz im Gegenteil. Voller Abscheu und Missbilligung sah er sie an. „Sieh mal einer an. Wer hat denn da wieder nach Hause gefunden?“ Chandra schluckte hart. „Nicht freiwillig“, würgte sie an dem Klos in ihrem Hals vorbei. Das entlockte ihrem Vater ein spöttisches Lachen. „Ja, das kann ich mir denken.“ „Und das hier ist nicht mein Zuhause.“ Der Zusatz war wagemutig, aber sie wollte klarstellen, dass sie nicht hierhin gehörte. Nicht zu dieser Stadt und schon gar nicht zu diesen Menschen, die sich ihre Familie schimpften. Nicht mehr. „Ach ja? Wo sollte sonst dein Zuhause sein? Etwa bei diesem kleinen Bastard mit Helfersyndrom? Ich bitte dich, mach dir nichts vor“, sagte ihr Vater. „Du warst ein Zeitvertreib.“ „Nenn ihn nicht so!“, fuhr sie auf. Sie sah nach links zu Ray, aber er wirkte nicht an dem Gespräch interessiert, sondern starrte auf irgendeinen Punkt vor sich. Ihren Vater zuckte mit den Schultern. „Was du denkst, ist mir ziemlich egal.“ „Deine Meinung ist mir auch egal, und zwar scheißegal. Was weißt du schon, du alter Sack?“ Die Worte waren ihr entflohen, bevor Chandra sich hatte beherrschen können. Ihr war nicht klar gewesen, wie viel Groll auf diesen Mann sie doch tatsächlich in sich trug. Dass sie ihn so lange nicht zu Gesicht bekommen hatte, hatte all die Wut, Scham und Verletzungen aus der Vergangenheit überschattet, aber unter der Oberfläche war die Glut nie ganz erloschen. „Du freche Göre“, erwiderte ihr Vater und machte einen bedrohlichen Schritt auf sie zu. Ohne nachzudenken, rutschte sie nach links und somit beinahe neben Ray. Aber ihr Bruder erschien ihr im Moment absurderweise als die kleinere Bedrohung. „Fass mich ja nicht an!“, spie sie ihrem alten Herrn entgegen. Das unausgesprochene ‚Sonst …‘ hing in der Luft zwischen ihnen. Chandra wusste nur, dass sie nicht von ihrem Vater berührt werden wollte – nicht mit diesen Händen, die irgendwie mit dem Tod ihrer Mutter zu tun hatten. Wenn er es wagte, würde sie um sich schlagen, kämpfen, schreien. Sie atmete vor Nervosität heftig ein und aus, in Erwartung einer noch schlimmeren Reaktion. Doch bevor diese kam, erhob Ray sich, gerade als das Gesicht ihres Vaters sich vor Zorn verdunkelte. „Das reicht jetzt!“ Rays Stimme war ruhig und zugleich laut und entschieden. Aber die Worte galten nicht ihr. Sie sah zu ihm auf und erkannte etwas in seinem Gesicht, das ihr vertraut war. Abneigung. So klar und deutlich, dass sie auch ihrem Vater unverkennbar sein musste. Im Grunde war ‚Abneigung‘ ein noch zu schwaches Wort, um den harten Blick aus Rays Augen treffend zu beschreiben. Hass war angebrachter, und fast umgehend fiel die gefühlte Temperatur im Raum noch um einige Grad, als nicht nur sie zu dieser Erkenntnis kam. „Wegen was bist du hier? Bring es hinter dich und stör mich nicht länger, Vater.“ Chandra entspannte sich unmerklich. Sie hatte ihren Albtraum nicht vergessen, aber im Augenblick schien es, als hätte sie in Ray einen Verbündeten gefunden. Sobald ihr Vater weg war, konnte sie sich wieder auf die Bedrohung konzentrieren, die von ihrem Bruder ausging. Eins nach dem anderen. „Wir sind im Rückstand wegen dieses gottverdammen Monats. Wir brauchen neuen Stoff“, sagte ihr Vater und ignorierte sie dabei gänzlich. „Es ist nicht so, als unterlägen wir bereits einem Engpass“, erwiderte Ray kühl. „Ich habe das im Blick, keine Sorge. Ich werde nicht länger als nötig warten.“ „Ach ja? Und wann gedenkst du –“ „Morgen. Ich werde nicht riskieren, dass die Qualität …“, Ray sah zu Chandra, als überlegte er, wie viel er vor ihr sagen wollte, „dass die Qualität beeinträchtigt ist, nur weil sie nicht auf der Höhe ist.“ Chandra schnaubte innerlich. Im Helikopter noch hätte er sie am liebsten heulend und frierend in der Ecke liegen gelassen. Anscheinend hatte er Samuels Worte ernstgenommen. Aber was meinten sie mit Stoff? Eine Gänsehaut überzog ihren Körper. Klar war, dass sie von ihr sprachen, doch sie konnte sich keinen Reim daraus machen. „Nun, ich vertraue darauf, dass du weißt, was du tust.“ Es hätte ein nette Aussage sein können, wenn nicht …. „Wie die letzten Wochen“, fügte ihr Vater hinzu. Ray schenkte dem nicht mehr Beachtung als ein minimales Zucken seines rechten Auges, was Chandra beeindruckte. Das war ganz klar der Versuch einer Provokation gewesen. Als ihr Vater merkte, dass er keine Antwort bekommen würde, seufzte er und schob die Hände in die Hosentaschen. Nun wandte er sich wieder ihr zu. „Weißt du, Chandra …“ Augenblicklich versteifte sie sich. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, was für eine Art Mensch dein Held ist, dieser …“ Er schien zu überlegen. „Wie war noch gleich sein Name?“ „Zayn“, antwortete Ray. „Ach ja, genau. Nun, ich bin mit dieser Art Mensch gut vertraut. Dieser Zayn ist sehr berechenbar. Man weiß, was er als Nächstes tun wird, bevor er es selbst weiß. Denn das ist das Problem mit Helden, nicht wahr?“ Er machte eine bedeutungsschwere Pause. „Sie stürzen sich, ohne nachzudenken, in die Schlacht, und das alles nur, um anderen zu helfen – weil sie es als ihre Aufgabe ansehen, ihre Pflicht.“ Die letzten Worte spie er mehr, als dass er sprach, und wurde prompt mit einem trockenen Hustenanfall bestraft. Chandra wagte keine Erwiderung; sie wusste nicht, worauf er hinauswollte. In ihrem Magen formte sich ein Klos. „Du fragst dich sicher, wieso ich mir da so sicher bin. Die Antwort ist einfach: Ich kannte seinen Vater. Wir waren mal Kollegen. Und er war genauso. Hat sich früher in alles eingemischt und konnte seine Meinung nie für sich behalten. Er dachte doch ernsthaft, er könnte mich überzeugen, meine Forschung mit den Cryptopokémon aufzugeben. Als er eingesehen hat, dass seine Bemühungen vergebens sind, hat er versucht, mich aufzuhalten. Ebenfalls nicht sehr erfolgreich, wie du sicher weißt. Denn auch das ist das Problem an Helden. Sie stecken ihre Nase in Dinge, die sie nichts angehen, mischen sich so lange ein, bis sie es nicht mehr tun, weil sie es nicht länger können. Und es scheint so, als falle der Apfel hier nicht weit vom Stamm. Dieser Zayn ist ein berechenbarer Idiot – der Tod seines Vaters war ihm wohl keine Lektion.“ Er sah sie an, als erwartete er Überraschung angesichts der Offenbarung, Zayns Vater gekannt zu haben. Überraschung konnte er haben, aber dies war nicht der Grund dafür, dass Chandra vor Schreck der Mund offenstand und sie unsicher zu beiden Seiten blinzelte. Der Klos in ihrem Magen wurde zu einem Krampf. Das konnte nicht sein, wollte sie sagen. Ihr herzloser Vater sollte aufhören, solch grausame Dinge zu sagen. Aber dann schluckte sie und die Tränen brannten in ihren Augen. Natürlich. Es musste so ein. Und sie war so unfassbar naiv gewesen. Egoistisch in ihrem Leid – und ignorant. Gerade sie hätte es doch besser wissen müssen. Hätte es sehen müssen. Zayn, der nie über seinen Vater sprach, ihn nicht mal beiläufig erwähnte. Der kein einziges Familienfoto in seinem Zimmer hatte. Seine Mutter, die immer ein wenig zu sehr um ihn besorgt war. Wie hatte sie so blind sein können? Chandra schreckte auf, als ihr Vater wieder etwas sagte. „Wieso bist du so schockiert?“ Nicht lange, und der Groschen fiel. „Hat er dir etwas nicht gesagt, dass sein Vater tot ist?“ Ihre Unterlippe bebte, als sie die Tränen mit aller Macht zurückhielt. Weinen konnte sie später. Die Demütigung war auch so schlimm genug, als auf dem Gesicht vor ihr ein hämischer Ausdruck auftauchte. „Oh, tja. Da sitzt die Trauer wohl noch tief“, stellte er fest. „Und das Interesse, es dir zu sagen, war nicht da. Zu bemitleiden.“ Chandra schaffte es nicht, Worte in ihrer Kehle zu formen. Jeglicher Laut wäre umgehend vom brechenden Damm ihrer Tränen hinfort gerissen worden. „Ich bin ja schon sehr gespannt, diesen Jungen kennenzulernen. Als Vater ist es schließlich meine Aufgabe, mir den Kerl anzuschauen, der mir meine Tochter wegnehmen will, nicht wahr?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)