Verkehrtes Ich von Sains ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Am Dorfausgang wartete Graf Roland mit einem Dutzend Rittern. „Da seid ihr ja endlich!“, grölte einer von denen. „Ich brauchte länger. konnte mich von der süßen Amy nicht trennen.“, lachte Bernd herzhaft. Die anderen Ritter stimmten mit ein. Nur der Graf schien nicht begeistert zu sein. „Auf jetzt. Wir haben es eilig.“, sprach er gelangweilt und ritt los. Die anderen Ritter folgten ihm mit Gegröle. Reila hielt sich verärgert die Ohren zu und meinte leise zu mir: „Solche lauten Unholde! Der Einzige mit Sitten ist der Graf.“ Ich stimmte nickend zu. Still ritten Reila und ich nebeneinander hinter den lauten Rittern her. Graf Roland war stets inmitten der gutgelaunten Gruppe. Er wirkte wie ein Ausgestoßener oder jemand der einfach nicht hineinpasste. Im Gegensatz zu den anderen war er ruhig und gesittet. Er hielt sich aus allen raus, schien es das Verhalten der Gruppe nach außen zu tolerieren und im Innersten abzulehnen. „Wie eine Nonne in mitten von Huren.“, flüsterte Reila mir zu, als hätte sie meine Gedanken erraten. Ein Kichern war meine Antwort. Einer der Ritter blieb stehen und kam fragen auf mich zu: „Was ist denn so witzig? Ich würde gerne mit lachen.“ Ich traute mich nicht irgendwas zu sagen, denn mich plagte stets die Angst, dass sie unsere wahre Herkunft herausfinden würden. Feinde wurde in jedem Land gleich behandelt. Erst in den Kerker und wenn man glaubte, dass sie was wüssten, dann wurden sie gefoltert. ´Ja, immer dasselbe.´, dachte ich. Reila antwortete: „Ihr scheint stets belustigt zu sein, und da fragte ich meine Schwester, ob sie sich vorstellen könnte, dass sich einer von euch unserem eher strengen Vater nähern und um eine unserer Hände bitten würde.“ Er lachte herzhaft und ritt wieder zu den anderen auf. Außer, dass die Ritter mit ihren lauten und übertriebenen Getue nervten, war es eigentlich eine stille Reise, in der weder Reila noch ich viel redeten und immer abseits blieben. Doch in der ersten Nacht meinte einer der Ritter leicht angetrunken mit Reila leichtes Spiel zu haben. Er setzte sich neben sie: „Na, hübsches Ding? Ich kuschel heute Nacht mit dir. Wollen ja nicht, dass du frieren musst!" Er umarmte sie. Angewidert versuchte Reila ihn wegzustoßen: „Nein, danke!", rief sie. Doch der Ritter ließ nicht von ihr ab. Grade als ich eingreifen wollte, brüllte der Graf streng: „Lasst gefälligst die Mädchen in Frieden!“ Sofort ließ er von Reila ab. Das war das einzige Mal, dass sie zudringlich wurden. Jede weitere Nacht war Ruhe und wir schliefen gemeinsam etwas abseits, bis wir eines Abends dann die Hauptstadt Tawaro erreichten. Tawaro war eine riesige Stadt. Es war schon von weitem zu sehen, dass sie anders aufgebaut war als unsere. Der Marktplatz war eher in der Mitte angesiedelt und überall gaben sich Huren den Soldaten hin. Angewidert kam Reila näher und würgte: „Ich mag die Stadt jetzt schon nicht.“ Der Palast, groß und weiß, ragte aus der grauen und dreckigen Siedlung heraus. Nirgends entdeckte ich auch nur ein einziges Kind. Es wirkte verrucht. Der Gestank stieg in meine Nase. Mir wurde übel. „Ja. Es ist keine schöne Stadt.“, sprach der Graf auf einmal. Ich merkte erst jetzt, dass er nicht mehr vor, sondern neben uns ritt. „Ich mag sie auch nicht sehr. Der Hof ist glücklicherweise netter.“, angewidert blickte er nach vorne und versuchte alles was sich neben ihm abspielte zu ignorieren. Zwei Huren kamen auf uns zu und eine rief: „He! Ihr Recken! Wenn die zwei Mädels euch nicht beglücken, wir können das!“ Die Ritter lachten auf. Der Graf spie plötzlich wutentbrannt aus: „Sehe ich aus, als ob ich mit so niedrigen und dreckigen Gesindel wie euch abgebe!?“ Sie schnauften und kehrten zu wieder zu den anderen Männern zurück. „Eine üble Gegend. Aber keine Angst, ich bin nur zu Huren so unfreundlich.“, erklärte er lächelnd zu uns gewandt. Erschrocken zitterten wir noch leicht von dem plötzlichen Wandel des Grafen. Er lachte. Das erste Mal, wo wir dies mitbekamen. „Keine Angst“, lachte er: „Anders versteht es das Gesindel nicht.“ Wir ritten über eine Brücke, die der einzige Zugang von der Stadt zu der mit einem Fluss umgebenen Burg war. Kaum stellte das letzte Pferd seine Hufe hinter die Brücke, wurde diese hochgezogen und direkt hinter uns wurde auch das Tor geschlossen. Laut hallte es durch den Hof: „Sir Roland und sein Gefolge.“ Die Männer stiegen von den Pferden. Rasch nahmen Stallknechte die Zügel der Pferde und brachten die Tiere in die Ställe. Reila weigerte sich lautstark unsere Pferde zu übergeben. Sie kreischte verzweifelt: „Die sind alles, was wir noch haben!“ Ich sah, wie der Graf die Augen rollte. Reila wollte sich nicht von dem Knappen überzeugen lassen, dass es den Pferden gut gehen würde Das zeigte sie, in dem sie den Burschen zuerst anknurrte und dann sogar versuchte ihn zu beißen. Der Graf ging auf sie zu. „Lady Reila.“, sprach er in völliger Ruhe, als ob er ihr unanständiges Verhalten nicht gesehen hätte: „Die Pferde dürfen nicht in die Flure des Palastes. Sie werden die schönen Wandteppiche ruinieren. Das siehst du doch ein, oder?“, sprach er einfühlsam. Er legte seine Hand auf ihre Schulter. Beschämt nickte sie. „Stell dir mal vor, sie würden die Teppiche als Nahrung sehen.“ Reila versuchte verzweifelt ein Kichern bei der Vorstellung zu unterdrücken. „Du verstehst also, dass sie außerhalb des Palastes bleiben müssen?“ Sie nickte wieder mit einem schüchternen Kichern. Sir Rolands Gesicht näherte sich des von Reilas. „Sie brauchen aber nicht unter freien Himmel zu warten. Sie bekommen ihre eigenen Gemächer, in denen es ihnen an nichts fehlen wird.“ Reila lachte herzhaft. „Gibst du dem Knecht die Zügel, dass er sie dort hinbringen kann.“ Gut gelaunt gehorchte sie. Der Knabe nahm die Zügel und rannte ganz schnell mit den Pferden zu den Scheunen. „Keine Angst“, beteuerte der Graf, während seine Hand zu ihrem Rücken wanderte: „Du darfst sie selbstverständlich jederzeit besuchen.“ Alle starrten die beiden an. Einige hatten sogar den Mund vor Erstaunen geöffnet. Einige Blicke der beiden dauerte es, bis Sir Roland schmunzelnd zu dem Palast ging. Ich schaute Reila verwundert an. Verträumt lächelnd schaute sie ihm hinterher und kicherte hier und da noch. „Kommt ihr?“, rief er auf der Türschwelle. „Ja!“, freute sich Reila und rannte ihm hinterher. Ich dagegen verstand die Welt nicht mehr und versuchte zu begreifen, was da eben vor sich ging, während ich schnellen Schrittes den beiden folgte. Die Wachen begrüßten ihn: „Willkommen zurück.“ Und verbeugten sich. „Ja. Richtet seiner Majestät bitte aus, dass meine Reise wieder keine Erfolge verbuchte.“ Neugierig horchte ich auf. Stimmt, wieso war er in einem Dorf? Und auf der Reise? „Sehr wohl“, verbeugte sich einer der Wachen und rannte los. „Kommt mit, ich zeige euch ein Gästegemach, dass mir zur Verfügung gestellt wurde für meine Gäste, während meiner Aufenthalte in Tawaro.“ Er ging vor und Reila folgte ihm freudig. Nur noch zwei Wachen mit Lanzen folgten ihm an seiner Seite. Sie sagten nichts, während der Graf Reila bei einigen Gemälden oder Teppichen anfing etwas zu erzählen. Meistens darüber, wo sie herkamen oder wer darauf gezeigt wurde. Einmal auch etwas über den Künstlerbetrieb, der es fertigte. Reila hörte ihn die ganze Zeit aufmerksam und liebäugelnd zu. Sie konnte das sehr überzeugend darstellen. Ich schmunzelte bei dem Gedanken. „Nun denn, werte Lady“, seine Hand streichelte Reilas Wange: „Dies ist euer Schlafgemach und das eurer Schwester. Ich wünsche euch eine erholsame Nacht.“ Zärtlich küsste Sir Roland das Mädchen. Entsetzt blickte ich zu den beiden. Schüchtern kicherte Reila und meinte leise und verlegen: „Euch auch eine gute Nacht.“ Der Graf zog summend von dannen. Wir dagegen gingen ins Zimmer. „Was war das??“, fragte ich immer noch erschrocken von der Szene, die aussah, als wäre sie eine zwischen zwei Verliebten. Reila ließ sich genüsslich auf das Bett fallen: „Ist er nicht toll? Und soooo gesittet!“, schwärmte sie. „Was hältst du von ihm?“, fragte sie mich neugierig. Ich überlegte: „Ein wenig alt.“ „Ach“, wies Reila ab: „Er ist nur sieben Jahre älter! Hat von Natur aus eher gräuliches Haar“ Woher kannte sie sein Alter??? Sie schwärmte noch einige Zeit über seine ruhige und abweisende Art. Ich dagegen konnte es nicht glauben: „Du bist verliebt!“, entfuhr es mir. Sie fuhr ertappt hoch: „Und? Ist das verboten? Er ist doch so lieb und wie zärtlich er meine Wange berührt hatte!“, sie seufzte verträumt. Entsetzt blickte ich sie an: „Verboten?? Reila!“ Ich ging zu ihr und flüsterte so ernsthaft, wie es nur ging: „Vergiss nicht! Wir haben eine Mission!“ „Nein!!“, fuhr sie mich an: „Du hast einen Plan! Ich nicht! Ich finde es toll hier!“ Sie schaute mich wütend und doch irgendwie traurig an. „Reila!“ Sie schnaubte und ging hinaus. Frustriert ließ ich mich auf das Bett fallen. Leise ließ ich meinen Ärger heraus: „Doofe Reila! Wieso verliebt sie sich in so einen?! Und wieso jetzt? Was ist, wenn wir auffallen?“, die Gedanken verfolgten mich, während ich langsam einschlief. Türquietschen weckte mich. Panikartig fuhr ich hoch. „Was?“ „Ups.“, hörte ich meine Stimme. „Ich war noch bei Sir Roland und wir haben uns köstlich amüsiert. Er hat viel erzählt!“, berichtete Reila glücklich und setzte sich aufs Bett zu mir. „Er ist wirklich sehr zuvorkommend. Morgen möchte er sogar mit mir frühstücken. Und stell dir vor: Er bringt uns persönlich zu Dondie!“ Ich schaute ihr fröhliches Gesicht zweifelnd an: „Und wie wollen wir vor ihm erklären, dass wir nicht seine Nichten sind, sondern vom Zauberer Ablor zu ihm geschickt worden mit einer Mission?“ Ihr Strahlen wich aus ihrem Gesicht. Beschämt schaute sie auf die Bettkante. „Verzeih. Seid wir Custos trafen, mach ich alles falsch.“ „Custos?“, fragte ich. Sie grinste wieder verliebt: „Graf Rolands Vornamen!“ Ich rollte mit den Augen. „Lass uns schlafen. Wir schaffen das schon irgendwie.“ Reila nickte und kuschelte sich an mich. „Du bist verschwitzt!“, stellte ich fest. Reila kicherte. „Was soll ich sagen? Wir haben mehr als nur geredet. Sind immerhin beide erwachsen.“ „IIHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH!“, schrie ich voller Ekel auf. Reila grinste mich an: „Sag bloß! Du bist Jungfrau!“, stellte sie scharf mit einem gefährlichen Unterton fest. „Iieeehhhhh! Das ist ja so, als würde er…. Ieehhh!!“, verzweifelt versuchte ich den imaginären Schmutz zu entfernen. „Nein! Ist es nicht. Er meinte, er mag meine Bewegung und meine Art! Nichts, was mit dir übereinstimmt.“ Die Worte beruhigten mich aber nicht. Ich ekelte mich weiter. Wie konnte sie nur? Wir hatten doch denselben Körper, zumindest, als der Zauberspruch ausgesprochen wurde. Wie ist es dann, wenn der Zauberspruch rückgängig gemacht würde? Angst überkam mich. „Stell dich nicht so an.“, meinte sie nur noch, drehte sich um und schlief bequem ein. Irgendwann ließ das Unsauber-sein-Gefühl nach. Noch ein wenig angewidert kletterte ich ins Bett zu Reila und ließ zu, dass sie sich an mich schmiegte. Am frühen Morgen klopfte es an der Tür: „Reila, Liebling, wachst du auf? Es gibt bald Frühstück und König Tetron wird anwesend sein. Ich habe für dich und deine Schwester zwei Kleider besorgt bekommen. Wascht euch und zieht sie bitte an.“ „Custos!“, freute sich Reila riesig. Noch halb nackt öffnete sie rasch die Tür und umarmte ihn. Schnell hob ich die Decke bis zum Hals. „Reila, Liebling, geh bitte wieder rein und mach dich fertig.“, er küsste sie sanft auf die Wange und schob die kichernde Reila wieder ins Zimmer. Mit den Worten: „Ich bin in einer Stunde wieder da und hole euch ab.“, schloss er die Tür und ging wieder. Reila hüpfte vor Freude rauf und runter. „Audienz beim König?“, fragend schaute ich sie an. Sie zuckte mit der Schulter: „Und wenn schon. Mir hat er vorher auch noch nichts erzählt. Aber neue Kleider!“ Sie freute sich riesig. Ich hatte allerdings meine Zweifel. Nach dem Waschen hatte Sir Roland uns sogar eine Kammerzofe zum Anziehen geschickt. Ich fühlte mich nicht wohl, aber Reila genoss die Zuwendungen, jede einzelne, die von den Grafen kam. Es waren zwei wunderschöne sittsame Kleider. Eines hatte rötliche Farben und das andere bläuliche. Mir war bewusst, wieso ich das bläuliche bekam. Sie passten wie angegossen. So etwas Gutes trug ich vorher nie. Reila dagegen konnte sich gut in dem ganzen Stoff bewegen. Als Sir Roland wieder da war, begrüßten sich die zwei Verliebten erst mit Blicken, dann mit zartem Händchenhalten und süßem Lächeln und zum Schluss mit einem lang dauernden Zungenkuss. Das Problem war nur: Die Galle kam mir wieder hoch. „Du siehst fabelhaft aus, mein Liebling.“, machte er ihr ein Kompliment, fügte aber mit einem Blick zu mir rasch hinzu: „Deine Schwester auch.“ Und flüsterte ihr ins Ohr: „Du siehst aber zum anbeißen aus.“ Reila kicherte wieder, während ihr Gesicht immer röter wurde. Der Tisch, zu dem wir geführt wurden, war reich gedeckt: „Leira, benimm dich bitte. Ich schätze aber, du wirst es ohne Probleme hinbekommen.“ Ich nickte. Wir bekamen sogar die Stühle zurückgezogen, um uns zu setzen. Es dauerte eine Weile, dann kam zusätzlich noch ein auffallend gekleideter Mann mit einer Goldkrone. „Majestät.“, begrüßte Sir Roland ihn und wir machten es ihm nach. „Sir Roland. Gut dass ihr wieder hier seid. Oder schlecht. Wie man es sehen mag.“, bekümmert sprach der König. Sehr tiefe Trauer spiegelte sich in seinem Gesicht offenkundig wieder: „Wie ich bereits hörte, ist eure Suche im Norden des Landes auch misslungen? Dann bleibt nur noch das Nachbarland.“, stellte er fest. Der Graf nickte: „Ja, Hoheit. Leider. Und die Front will sich nicht verschieben. Unsere Feinde halten einfach zu sehr stand.“ Des Königs Hand schlug voller Wucht auf den Tisch: „Seit einem Jahr! Verdammt! EIN JAHR!“, brüllte der König. Ich versuchte verzweifelt zu verstehen, was er suchte und wieso deswegen Krieg herrschte. „Wenn ihr etwas sucht, Majestät, wieso sendet ihr dann nicht Spione? Oder bittet um Durchreise zum suchen?“, fragte Reila schüchtern. „Sir Roland! Habt ihr dem Mädchen nicht gesagt, dass es Weibern verboten ist in Gegenwart eines Mannes zu reden ohne eine Erlaubnis?“, wütend sprach der König die Worte aus. „Verzeiht bitte, Hoheit.“, entschuldigte sich der Graf: „Aber die Idee mit Spionen ist vorübergehend nicht so schlecht. Unausgereift, aber nicht schlecht.“ Der König seufzte: „Als hätte ich das nicht schon probiert. Unsere Spione schaffen es aber nicht über die Grenzen.“ Reila hob die Hand. „Was?“, fauchte der König. „Darf ich reden?“ Der König nickte erschöpft Reila zu. Sie wirkte sehr verlegen: „Unser Vater hat mal erzählt, dass es ein drei Ländereck gäbe. Könnte man nicht über das dritte Land einschleichen? Oder führen wir mit dem auch Krieg?“ Der König horchte auf. Langsam stahl sich ein erfreuliches Lächeln auf dem Gesicht des Königs ein. Dann wie vom Blitz getroffen wich es wieder: „Das ist neutrale Zone. Das geht nicht.“ „Aber…“, konterte Reila: „Es geht doch nicht um Kriegshandlungen sondern um eine Suche nach einer Sache.“ „Eine Sache?“, fragte der König stutzend. „Das, was wir suchen, ist keine Sache, Kleines. Den Königen und dem Adel ist es verboten auf das Land zu gehen. Und das was wir suchen ist mein Sohn, der vor über einem Jahr entführt wurde.“ Ich horchte auf. Ein gefangener Prinz? Schnell nahm ich meinen Mut zusammen: „Verzeiht Hoheit, aber wie wäre es, wenn Reila und ich ihn suchen gehen? Zwei Frauen würde man nie als Spione betrachten, wenn sie zu einem Verwandten wollen?“ Der König blinzelte: „Seid ihr nicht zwei Mädchen, die zu ihrem Verwandten wollen?“ Wir schluckten. „Ja.“ Sir Roland stand auf: „Verzeiht Hoheit, aber Reila ist meine Verlobte, ich kenne sie schon seit Jahren.“ Ich schaute ihn verlegen an. Wie gut er lügen konnte. Aber ich verstand nur nicht, wieso er log. „Ich habe ihr vorgeschlagen mit ihrer Schwester hierherzukommen, nachdem Hoshi, Dondies Bruder, an der Front verstarb. Es tut mir Leid, Hoheit. Aber ich finde es auch viel zu gefährlich für zwei junge Mädchen, auch wenn Leira tollkühn ist.“ Der König nickte betrübt, wie er stets wohl war: „Mir ist nicht mehr nach Essen. Ich dachte, es gäbe wenigstens eine halbwegs gute Nachricht.“ Er stand auf und ging wieder. Sir Roland dagegen setzte sich wieder auf seinen Stuhl: „Lasst uns nun etwas essen.“ Nach dem Essen ging Reila mit dem Grafen in den Garten. „Verdauungsspaziergang“ nannte Sir Roland es. Er bat aber vorher jemanden mich zum Zauberer Dondie zu bringen. Dondie war etwas jünger als Ablor. Sein Haar bleichte erst langsam aus. Nur leichte weiße Haare zogen sich durch sein nussbraunes lange Pracht. Auf dem Kopf waren sie sehr lang, doch sein Bart hielt sich in Grenzen. Auch die Anzahl der Falten waren geringer. „Wer seid ihr noch?“, fragte er ruhig. Der Vorhang der Traurigkeit, der über dem ganzen Palast lag, schien ihn mit einzuhüllen. Seine Augen strahlten Müdigkeit aus. „Verzeiht bitte. Kennt ihr Zauberer Ablor.“ In seinen Augen blitzte Erkennen auf. „Er schickte uns zu dir eine Rolle abzuholen.“ „Ablor. Mein alter Freund. Er war ein paar Lehrjahre vor mir. Doch man hört nie auf. Er brachte mir vieles bei.“ „Und gab euch eine Rolle!“, vollendete ich. Er dachte nach: „Ja. Er gab mir sehr viele Rollen. Welche sucht ihr?“ Ich dachte nach. Verzweifelt. Ich wusste nicht mehr, wie sie hieß. Nei, ney? Ich kam nicht drauf. Verdammt! „Wofür ist sie denn? Er hat doch irgendwas zu der Rolle gesagt. Zumindest kann ich es mir nicht anders vorstellen.“ Ich erzählte ihm von dem Zauber und von Reila. Der Zauberer hörte die ganze Zeit angestrengt und nachdenklich zu. Ab und an murmelte er etwas. Von der „Anderwelt“, wie sie Reila nannte, erzählte ich jedoch nichts. „Er meint bestimmt die Rolle Néjgúns. Aber ich bezweifle, dass du gespalten wurdest. Es klingt für mich eher nach das Öffnen eines Portals. Und dass Reila dann durch gesaugt wurde. Wobei auch die Theorie zu viele Fragen aufweist.“ Seine Theorie machte dennoch irgendwie mehr Sinn, auch weil Reilas Aussagen dazu treffen würde. „Und jetzt?“, fragte ich ihn neugierig. Er lachte herzhaft: „Egal wie. Ich kann nicht helfen. Die Rolle habe ich nicht und was die Portaltheorie angeht, so fehlen mir zu viele Informationen, um etwas Genaueres zu bestimmen. Obwohl, die fehlen mir auch um eine vage Vermutung zu äußern, wie man sie wieder in ihre Welt bekommt. Denn es entsteht die Frage, wie das Tor geöffnet wurde. Und man müsste es umgekehrt öffnen, um sie wieder in ihre Welt zu bekommen.“ Ich erschauerte: „Ihr habt die Rolle nicht?“ Er hob er den Zeigefinger: „Nein. Prinz Cold zeigte regelrecht Interesse an der Magie. So kam er öfters zu mir und lieh sich etwas aus. Er verschlang einige Schriften förmlich. Und dann kam die Nacht, in der er verschwand. Kurz vorher hatte er sich diese Rolle ausgeliehen. Darum geht es, wie man Spaltungen und verkehrte Zauber der ersten zwei Stufen umkehrbar machen könnte. Nichts mit irgendwelchen Toren oder so. Wegen der Rolle ist er nicht verschwunden, da bin ich mir ziemlich sicher. Aber am nächsten Morgen war er nicht mehr da. Es fehlte der Prinz, die und eine weitere Rolle. Was seltsam ist, ist das man nichts fand. Keine Einbruchs-spuren, keine Spuren davon, dass er freiwillig ging. Seine Schuhe standen sogar noch unter dem Tisch. Er müsste nur ein Leinenhemd angehabt haben. So läuft man nicht weg, aber sonst gab es keine Spuren von einen Kampf. Nichts, als wäre er auf einmal fortgezogen gewesen. Wie mit einem Portal.“, er lachte. „Nein, auch ein Portal wäre nicht möglich gewesen, dann wären magische Spuren geblieben.“ Ich hörte allem ziemlich nachdenklich zu: „Die andere Rolle, was war das für eine?“ Er schaute mich verwundert an: „Für Laien eine Rolle der Rückkehrbar von Flüchen und Zaubern der Stufe drei“ Ich dachte laut nach: „Klingt ja fast so, als ob er versuchte einen Zauber Stufe zwei oder drei aufzuheben.“ „Aufheben tut keiner. Aufheben ist, wenn er aufhört zu wirken. Rückgängig machen ist richtiger, dann wird der Ausgangspunkt vor dem Zauber wieder erreicht.“ „Verzeiht. Ich kenne mich damit nicht so sonderlich aus. Welchen Zauber wollte er denn rückgängig machen?“ Der Zauberer schaute mich mit großen Augen an: „Darüber hab ich noch nicht nachgedacht. Ich weiß es nicht. Ich dachte, er wollte nur studieren. Aber jetzt, wo du es sagst…“ Er nahm eine Hand vor dem Mund. „Welchen Zauber? Er hätte es mir sagen können. Dann hätte ich den Zauber rückgängig gemacht.“ Ich sah ihn mitfühlend an: „Das tut mir leid. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Also der Prinz hat die Rolle und niemand weiß, wo er ist?“ „Sir Roland wurde die Aufgabe übertragen, ihn zu finden.“ Ich nickte: „Habt vielen Dank. Wir werden ihn suchen gehen.“ „Warte.“, rief der Zauberer mich zurück. Prompt drehte er sich um und durchwühlte mehrere Kisten die da standen, bis er mir eine Kette gab. Es war eine blaues Medaillon Er zeigte es mir und erläuterte wohlwollend: „Dies ist ein Amulett. Der Prinz hat einen Zauber gesprochen. Er war damals sehr jung, ich hatte es fast vergessen. Es ist als Nachtlicht gedacht gewesen. Ein Licht, dass nur leuchtet, wenn er bei Bewusstsein und in der Nähe ist. Maximal sechs Meter davon entfernt. Die Stärke ist zu gering, als dass es Sir Roland helfen würde. Und es wird bestimmt euch auch nicht viel helfen können. Aber wenn ihr Glück habt... Wenn der Prinz wach und in maximal sechs Metern Entfernung ist, wird der blaue Stein leuchten." Ich nahm vorsichtig die Kette mit dem Medaillon entgegen. Es war nicht sehr schwer. Ich legte es um meinen Hals. „Habt vielen Dank. Wir werden den Prinzen finden. Und die Rolle holen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)