Verkehrtes Ich von Sains ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Der Zauberer hatte noch immer Angst vor Reila. Und, als er von Reilas Namen hörte, reagierte er geradezu panisch: „Ihr habt ihr einen Namen gegeben? Wieso das?“ Ich zuckte mit den Schultern: „Sie ist eigentlich ganz normal. Und so war es auch praktischer.“ Er zog zweifelnd die Augenbrauen hoch: „Normal?“ Reila saß auf dem einzigen Stuhl im Raum und blickte uns bei der Unterhaltung wütend zu. „Also, wie sieht es nun aus?“, frug sie barsch. Der Zauberer fing direkt an zu zittern: „Also, ich habe meine Schriftrollen durchgeschaut und sogar den alten Druiden um Rat gefragt. Wir sind am Ende bei einer Meinung geblieben.“, Er öffnete ein Buch. „Hier steht, dass Frauen eher dazu neigen, zwei Wesen in sich zu haben, als Männer. Und da ´Reila´ ja auch sagte: ihr wäret eins“, er würgte ihren Namen nur so grade heraus. Verwirrt fasste ich zusammen: „Soll das heißen, Frauen sind von Natur aus schizophren?“ Er schüttelte hastig den Kopf: „Nein, darum geht es dabei nicht. Der Zauber verstärkt durch Konzentration des Wesens den Körper. Das Wesen ist nie eins. Zum Beispiel reagiert man bei der Familie anders als bei Freunden. Oder bei der Arbeit. Das kennt jeder. So. Bei Männern sind diese Schwankungen aber sehr gering. Sein Wesen ist gradlinig, während es bei Frauen komplexer ist. Sie unterscheiden wohl auch bei Freunden noch mal einzeln und so. Und bei komplexerem Charakter – sagen wir es mal so – sagt man zwei Wesen. Das Wesen, was man sieht und die Wesensart, die man verheimlicht, den Ärger, den man herunterschluckt und dennoch lächelt. Und Männer schlucken meist nicht. Sie zeigen ihre Wut direkt. Versteht ihr?“ Der Zauberer versuchte sich um Kopf und Kragen zu reden. Verärgert nickten wir den Kopf, da redete er schon weiter: „So. und der Zauber konzentriert es. Bei einem komplexeren Wesen, wo es eben immer heruntergeschluckt wird, scheint die Konzentration durch Ausscheiden zu funktionieren. Und Reila ist nur diese Ausscheidung durch die Konzentration.“, er versuchte Verständnis zu gewinnen durch ein schmeichelndes Lächeln. Doch, ohne Reila anzusehen, wusste ich, dass wir beide mehr als nur verstimmt waren. „So.“, er zeigte auf das Buch. „Hier steht, um eine Konzentration rückgängig zu machen, brauchen wir die Schriftrolle des Néjgúns.“ Er schaute uns fragend an. Wir nickten nur. Ich hatte schon mit dem Versuch ihn zu verstehen aufgehört und bettelte innerlich nur noch nach einer endgültigen Antwort, um hier wieder verschwinden. zu können „Das Problem ist nun: ich wusste nicht, dass ich sie jemals wieder brauchen würde und hatte sie einem Freund von mir geschenkt. Einen damaligen Mitschüler. Das… Problem ist… Er lebt im Palast des Nachbarlandes und arbeitet dort für die Königsfamilie.“ Ich schaute ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Wut überkam mich: „Im Nachbarland? Wir führen seit rund einem Jahr offenen Krieg mit denen! Meinst du, wir können so einfach rüber gehen und bei dem vorbeischauen?“ So langsam zweifelte ich an seinem Verstand. Er begann wieder zu zittern und stotterte: „Ich… ich weiß… es ist… ist nicht einfach… aber… aber eine andere Möglichkeit…“ Wumm! Plötzlich flog Reilas Dolch direkt in sein Buch. „Der befeindete Palast? Dort deinen Lehrkollege suchen und eine Rolle holen, richtig? Wie heißt der überhaupt?“, Reila explodierte nur so vor Zorn. Sie sagte es scharf und funkelte dabei den Zauberer an. Ihr ging das Getue wohl eindeutig auf die Nerven. Zornesröte stieg in ihr Gesicht. Der Zauberer dagegen hatte sich wieder in die Hose gemacht. Ich rollte mit den Augen. Der Dolch war auch wirklich nur drei Zentimeter von seiner Nase entfernt ins Buch geschleudert gewesen. „Dondie.“ Sobald ich den Namen hörte, stand ich auf und ging mit Reila wieder hinaus. Unten angekommen fauchte sie: „Was für ein Idiot!“ Ich teilte insgeheim ihre Überzeugung. Der Zauberer war wirklich ein vollkommener Idiot. „Frauen sind zwei Wesen.“, äffte sie ihn nach, nur um sich dann wieder über ihn aufzuregen: „Klar! Siehst du nicht unsere zwei Köpfe!!“ Ihr Gezeter ging noch eine geschlagene Stunde so weiter. Ich dachte mir nur: Der arme Zauberer, dass er das alles wegen dem offenen Fenster auch noch mitbekam. Als sich Reila endlich beruhigt hatte, fragte sie endlich: „Feindespalast? Wo ist der?“ Ich grinste: „Eigentlich nur einen zwölf Tagesmarsch von hier entfernt. Allerdings kämen wir dann direkt an der Front vorbei. Wir müssen den Weg über die Berge nehmen. Der führt durch ein anderes Land. Dann wären wir ungefähr drei Monate unterwegs.“ Reila erschrak: „Drei Monate?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Zu Fuß sind wir zu langsam. Aber Pferde kosten mindestens zehn Gold. Und das nur eines!“ Ich verlor jeden Mut. Da rief der Zauberer plötzlich aus dem offenen Fenster: „In der Scheune sind zwei gesattelte Pferde. Ich hatte sie schon vorbereitet. Viel Glück.“ Reila funkelte zum Fenster hinauf und sagte monoton: „Hörte er uns etwa seit Anfang an einfach still zu?“ Da musste ich kichern: „Es hat eben nicht jeder den Arsch in der Hose wie du.“ Wir holten die Pferde. Es waren sogar sehr gute Reittiere. Die Rasse war bekannt für ihre gute Ausdauer und ihre Schnelligkeit. Reila schaute mich verwirrt an: „Bist du schon mal geritten?“, fragte sie. Erstaunt blickte ich sie an: „Du etwa nicht? Es gehörte zur Ausbildung eines Kriegers.“ Reila lachte nur: „Ach, was du kannst, kann ich auch! Immerhin sind wir zwei eins. Nicht wahr?“ Nachdenklich schaute ich auf das Pferd: „Was der Hexenmeister über das indirekte Verhalten sagte, machte Sinn. Es ist das einzige, was Sinn macht. Aber… wenn wir beide durch den Zauber getrennt wurden, wieso habe ich dann nicht das Gefühl, dass ich direkter geworden bin?“ Reila saß auf das Pferd auf und lachte: „Weil du immer noch so was von indirekt bist. Der Typ hat doch einfach keine Ahnung!“ Ich ließ es dabei und wir ritten los. Reila konnte nicht reiten. Sie wusste nicht mal, wie sie die Zügel halten sollte. Sie nannte die Zügel sogar Leine, was mich amüsierte. Doch wir hatten Glück. Ihr Hengst folgte meiner Stute anstandslos. Am Ende des ersten Tages verschaffte ich mir einen Überblick. Wir waren gut vorwärtsgekommen. Ich rollte eine Karte aus. Reila schaute drauf. „Da sind ja gar keine Städte!“, bemerkte sie. Ich schüttelte den Kopf: „Die beinahe runden Kreise markieren nur die Hauptstädte der Länder.“ Ich zeigte ihr den Weg über das Land der Horranen. „Horranen?“, fragte sie mich. „Sie wollen so genannt werden. Die Königsfamilie heißt Horros. Daher kommt der Name. Es sind eigentlich Menschen wie du und ich. Wir unterscheiden uns nur in der Herkunft der Länder. Die Familie besteht auf Neutralität und wünscht von allen Kriegshandlungen fern gehalten zu werden.“ Wir würden das Land nur kurz kreuzen. „Die Landesgrenzen zu dem Land der Horranen werden nicht bewacht. Wir dürfen nur keine Waffen offen tragen und müssen diese verstecken. Auf Waffentragen ohne Erlaubnis der königlichen Familie der Horros steht eine harte Strafe.“ Aber wir hatten eh nur Dolche und ein Kurzschwert. Beides passte in eine Satteltasche. „Wir müssen nun nördlich wandern, bis wir an der Grenze zu den Horranen kommen. Wir sollten dann weit genug von der Front entfernt bleiben, um nicht aufzufallen.“, erläuterte ich und rollte die Karte wieder ein. Reila nickte. Die folgenden Tage waren kein Zuckerschlecken. Von der bergigen Wüste ging es nun zu einem feuchtschwülen Wald über. Die Pferde taten sich schwer bei dem kleinen Trampelweg durch den Dschungel. „Wir müssen die Pferde hier lassen!“, stellte Reila fest. Ich schüttelte den Kopf. „Wir sind schon im Reich der Horranen. Weit geht der Wald nicht mehr.“ Und es war wirklich so. Zwei Tage später lichtete sich der Dschungel und die Bäume wurden weniger, bis die Landschaft in eine karge Wiesensteppe überging. Ich war erleichtert, dass wir in dem Land niemandem begegnet waren und problemlos ein Dorf im Feindesland erreichten. Es war ummauert, mit Wachen am Eingangstor. Wir zogen die Kapuzen tief ins Gesicht. „Lass mich bitte reden.“, meinte ich zu Reila. Sie war seltsamerweise, während fast der gesamten Strecke, still. „Halt!“, riefen die Wachen und versperrten den Durchgang in das Dorf mit ihren Lanzen. Wir blieben stumm stehen. „Wer seid ihr?“, frug eine der Wachen scharf. „Meine Schwester und ich wollen zur Hauptstadt reisen. Dondie, unser Onkel, soll nun auf uns aufpassen, weil unser Vater im Krieg fiel.“, erklärte Reila plötzlich. Ich erschrak. Sie sollte doch still bleiben! Die Wache musterte uns und schaute sogar unter die Kapuzen. „Zwillinge??“, stellte er überrascht fest. Trotzig und verletzt klang Reila, als sie prompt antwortete: „Ist das etwa verboten?“ Hastig schüttelte die Wache den Kopf: „Nein! Es wunderte mich nur.“ Reila umarmte mich, ließ aber den Blick auf die Wache nicht los. „Meine Schwester hat nur Angst, man könnte uns hübsch finden, und davor, dass wir an die falschen Leute geraten. Deswegen bat sie mich unsere Mützen tief ins Gesicht zu ziehen.“ Erst da merkte ich, dass Reila eine gute Schauspielerin war. Sie hörte sich wirklich verzweifelt an. „Und unser Onkel…“, sie fing an zu weinen: „Konnte uns auf dem Hof nicht abholen… weil..“, sie schniefte. Die Wache versuchte sie rasch zu trösten. „Schon gut! Ich bring euch in eine Herberge und bitte Graf Roland euch mit nach Tawaro zu nehmen.“ „Echt? Das würdet ihr?“, sie zeigte Hoffnung in der verlorenen Welt. Es war schwer nicht in Lachen auszubrechen, bei diesem Schauspiel. „Natürlich!“, stolz hob die Wache den Brustkorb. „Ich kann doch nicht zwei arme Bauernmädchen alleine weiter reisen lassen.“ Ich wunderte mich, wieso das so gut funktionierte. Aber vor allem: Wieso er sich so reinlegen ließ und nicht wegen der Pferde stutzig wurde. Er brachte uns zu einer Herberge. Als er eine rothaarige Frau um die Zwanzig erblickte, hob er winkend einen Arm und rief: „Amy! Das sind MEINE Gäste. Schreib sie auf die Rechnung! Ich muss schnell wieder zum Tor!“ Reila nahm schnell seine Hand in ihre Hände: „Habt vielen! Vielen! Dank – oh gütiger Herr!“, lobte und dankte sie ihn. Er wurde rot und war sichtlich berührt über ihr dankendes Gesicht und die glänzenden Augen. „Ach wo! Ich bring euch morgen noch zum Grafen. Frühstückt in Ruhe und wartet auf mich. Trinkt aber nicht zu viel. Nur weil es auf meine Rechnung geht.“ „Nein, Herr! Wir werden uns benehmen und euch keine Schande bereiten. Habt vielen, vielen Dank!“ Pfeifend ging der Mann wieder weg. Amy zeigte uns, wo wir unsere Pferde hinbringen konnten. „Das sind aber schöne Tiere.“, bemerkte sie, während ihre Hand über das Fell glitt. Reila nickte zufrieden: „Sie sind auch schnell! Alles was wir von Zuhause noch haben.“ Die letzten Worte sprach sie traurig. Amy nahm uns mit hinein: „Seid nicht zu traurig. Bernd ist ein netter Mann, vor dem braucht ihr auch keine Angst zu haben. Ich serviere euch etwas Leckeres, dann vergesst ihr die Strapazen eurer Reise bis hierher!“, Sie führte ihre Faust zum Oberkörper und klopfte hörbar, während sie uns angrinste. Dann drehte sie sich auf dem Absatz herum und marschierte in die Küche. Reila schüttelte sacht den Kopf, als ich etwas sagen wollte. Kurz darauf brachte uns Amy etwas zu trinken. „Hier. Das Essen dauert leider noch zwanzig Minuten. Dafür wird es sehr, sehr lecker!“, versprach sie und ging weg, um sich wieder um andere Gäste kümmern. „Beerenwein!“, stellte Reila knapp fest und trank davon. Ich schaute sie verwundert an: „Woher weißt du das? Ich hätte auf Traubensaft getippt.“ Reila schüttelte den Kopf: „Blaubeerwein. Das riecht man. Traubensaft wäre rötlicher und röche dann nicht nach Alkohol.“ Ich schwenkte das Glas in meiner Hand hin und her. Was Reila so alles wusste. Zumal erstaunte es mich, wie sie einfach mit der Wache und der Lüge umging. Ich hätte das nie und nimmer so galant hinbekommen. Amy schenkte immer ruhig nach und irgendwann kam ein leckerer Rinderbraten mit Rosenkohl und Knödel auf den Tisch. Er schmeckte wirklich köstlich und als sie uns dann unser Zimmer zeigte, dachte ich echt, ich wäre im Himmel. Ein so gemütliches Bett hatte ich noch nie. „Weißt du?“, meinte Reila als sie sich ins Bett fallen ließ: „Ich verstehe nicht, wieso ihr mit den Leuten Krieg führt. Sie sind sehr nett und zuvorkommend.“ Monoton antwortete ich: „Es sind eben alles Menschen. Wir sind alle dieselben Wesen. Nur die politische Grenze unterscheidet unser Sein.“ Reila summte ein wenig vor sich hin und rollte sich dabei hin und her. Nachdenklich genoss ich das kuschelweiche Bett, bis ich irgendwann einschlief mit dem Gedanken an Erwin, der genauso nett war. Am Morgen nach einem herzhaften Frühstück kam wirklich der Wachmann vom Abend wieder. „Moin!“, grüßte er lachend. Er brachte uns zum Haus einer wohlhabenden Familie. Es war ein riesiges Gebäude. Innen hingen viele Wandteppiche in rötlichen Tönen. Als wir dann in einem Raum eintraten, blieb er plötzlich stehen. „Sir Roland.“, er verbeugte sich. Wir versuchten es ihm bestens nachzutun. Der Mann in auffallenden Kleidern machte nur eine Handbewegung. Seine Kleider waren knallblau und hatten goldener Verzierungen an den Rändern. „Von diesen armen Damen hatte ich euch ja schon berichtet.“ Er zeigte auf uns. Der Mann nickte nur. Er trank noch einen Schluck und dann stand er gemächlich auf: „Ihr seid also die Nichten von Magier Dondie?“ Wir nickten schüchtern. „Na, auf. Wir reisen heute ab. Ich habe gehört, ihr seid im Besitz von Tertzienpferde?“ Wir nickten wieder schüchtern. „Dann geht sie satteln, ich warte am Ortsausgang. Aber nicht lange.“, erklärte er unfreundlich. Wir hasteten direkt los zu dem Gasthaus. Amy wartete schon mit den gesattelten Pferden auf uns. „Danke Amy.“, Bernd kramte einige Münzen aus seiner Tasche und übergab sie Amy mit einem Küsschen auf die Stirn. Reila pfiff sofort unanständig. Bernd und ich schaute sie schockiert an, während Amy rot im Gesicht wurde. „Na… na viel Spaß und Glück auf eurer Reise. Bis heute Abend, Bernd.“, verabschiedete sie sich und ging mit eindeutigen wackelndem Hintern zur Tür des Hauses. Sie blieb kurz stehen, drehte sich um und blickte noch einmal verführerisch zu Bernd, bevor sie hineinging. „Da ist wer verliehiebt!“, zog Reila ihn auf. „Und? Wir sind beide noch jung und beide noch ungebunden!“, rechtfertigte sich Bernd. „Ach? Und dann schaut man auf Amys Hintern?“ Sie hatte Bernd ertappt und er wurde auch auf einmal knallrot. Schnell drehte er sich um. „Wir sollten zum Ortsausgang gehen. Der Graf wird bestimmt schon warten.“ „Wie süüüüüüß“, pfiff Reila. Ich dagegen schämte mich für ihr Verhalten. Warum ließ sie ihn nicht einfach in Ruhe? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)