Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Prolog: -------- Blitze zuckten über den tiefschwarzen Horizont und der Regen peitschte über die weite Ebene. Der Himmel war so stark mit Wolken verhangen, dass kein einziger Stern zu sehen war. Sämtliche Bauern der Umgebung hatten ihr Vieh in die sicheren Ställe gebracht und auch die wildlebenden Tiere hatten Schutz im Unterholz gesucht. Kein Lebewesen wagte sich freiwillig in diesen Sturm hinaus – und trotzdem stemmte sich ein etwa zehnjähriger Junge mit aller Kraft gegen Wind und Wasser. Trotzig bot er den Elementen die Stirn und kämpfte sich mühselig Richtung Hyrule-Stadt. Ein gleißender Blitz erhellte für einige Sekunden die Ebene und wurde fast augenblicklich von einem krachenden Donnergrollen abgelöst. Der Junge schlang sich die Arme um die Brust und zwang sich tapfer weiter vorwärts. Die sintflutartigen Regenfälle hatten das Erdreich inzwischen so aufgeweicht, dass die kniehohen Lederstiefel des Jungen beinah vollständig in den Schlamm einsanken. Eine Windböe fegte über das Land und riss dem einsamen Wanderer seine lange, grüne Mütze, deren Zipfel ihm fast bis in den Rücken reichte, vom Kopf. Leise fluchend eilte der Junge so schnell wie es der Schlamm unter seinen Füßen zuließ seiner Kopfbedeckung hinterher, die sich glücklicherweise in den Zweigen eines Baumes verfing. Mit einem grimmigen Blick auf die weißen Türme Schloss Hyrules, das hinter der prächtigen Stadt mit den mächtigen Mauern aufragte, setzte er seine völlig durchnässte Mütze wieder auf. Seine braunen Haare, die mit feinen blonden Strähnen durchzogen waren, hingen ihm ins Gesicht und waren ebenso nass als wäre er in den in der Nähe fließenden Fluss gesprungen. Eine weitere Windböe streifte den Jungen und ließ ihn frösteln. Der Stoff seiner grünen Tunika, die ihm bis zu den Kniekehlen reichte, hatte sich mit Regenwasser vollgesogen und bot keinen Schutz mehr vor der beißenden Kälte des Windes. Seufzend setzte der Junge sich wieder in Bewegung. Nur noch ein paar hundert Meter... Er sprach sich selbst Mut zu, während der Sturm um ihn herum immer wilder tobte. Dabei wusste er nicht einmal, was er in Hyrule-Stadt wollte. Er spürte nur den beinah magischen Sog, der an ihm zerrte. Er musste dorthin. Warum würde er noch erfahren. Es waren nur noch wenige Meter bis zu den schützenden Mauern der Stadt, als der Junge bemerkte, dass die Zugbrücke hochgezogen war. Frustriert blieb er stehen und blickte missmutig an den hohen Mauern hinauf. Regenwasser tropfte ihm aus Haaren und Kleidung und er fror bitterlich. Gerade als er noch überlegte, wie er nun in die Stadt gelangen sollte, wurde die Zugbrücke krachend heruntergelassen und ein strahlendweißer Schimmel jagte über die Bretter. Mit einem beherzten Sprung hechtete der Junge aus dem Weg. Erstaunlich elegant rollte er sich auf dem schlammigen Untergrund ab und blickte irritiert den beiden Reitern hinterher. Eine junge Frau mit kurzem, weißblondem Haar hielt die Zügel des edel aufgezäumten Pferdes in den Händen. Ihr schimmernder, silberner Brustpanzer blitzte im Mondlicht, doch durch ihre kurzen nachtblauen Hosen und ihren langen, dunklen Umhang wurde sie beinah von der Finsternis verschluckt. Vor ihr saß ein ängstlich blickendes Mädchen, das seine Hände in die lange Mähne des galoppierenden Pferdes krallte. Als sein Blick auf den Jungen fiel, schien in seinen Augen Erkennen aufzuflackern und es wandte den Kopf, um den Jungen nicht aus den Augen zu verlieren. Es sah ihn so eindringlich an, dass der Junge den Blick nicht von den großen, blauen Augen wenden konnte. Der Junge spürte, dass dieses Mädchen ihm etwas mitteilen wollte, doch er konnte sich keinen Reim darauf machen – schließlich kannte er es doch gar nicht! Er war verwirrt und irritiert. Die Reiter waren schon längst hinter dem nächsten Hügel verschwunden, doch er starrte ihnen trotz des Unwetters, das mit ungebrochener Intensität tobte, noch immer hinterher. Warum hatte dieses Mädchen ihn so eindringlich angesehen? Und vor was hatte es solche Angst? Plötzlich riss ihn ein Schnauben hinter ihm aus seinen Gedanken. Erschrocken drehte er sich um und blickte in die funkelnden Augen eines riesigen, schwarzen Pferdes. Das helle Braun der Iris hatte einen Rotstich, der den Augen einen dämonischen Glanz verlieh. Unruhig trat der Rappe auf der Stelle, wobei seine gewaltigen Hufe ein schauriges Donnergrollen erzeugten. Mit weit aufgerissenen Augen starrte der Junge das wilde Tier an. Es sah aus als wäre es direkt der Hölle entsprungen. Ängstlich ließ er den Blick über die festen Muskelstränge unter dem glänzenden Fell an Hals, Schultern und Rücken gleiten, bis er an einem in dunkles Leder gehülltes Bein des Reiters hängen blieb, das sich an den Bauch des Pferdes drückte. Der Reiter war ein hünenhafter, breitgebauter Mann, dessen muskulöser Körper in einem Anzug aus schwarzem Leder und einem ebenso dunklen Brustpanzer steckte. Langsam richtete der Junge seinen Blick auf das Gesicht des Mannes. Der stechende Ausdruck in den kalten, dunklen Augen, die seinen Blick auffingen, ließ den Jungen schaudern. Die roten Haare, die wild im Wind flatterten, erinnerten an loderndes Feuer. Auf den schmalen Lippen lag ein hartes, leicht ironisches Lächeln und die lange Hakennase war leicht kraus gezogen. Ohne Eile hob der Mann den linken Arm und richtete seine Handfläche auf den Jungen, der wie erstarrt da stand. Das Herz des Jungen schlug ihm bis zum Hals und Panik schnürte ihm die Kehle zu. Der Drang fortzulaufen wurde allmählich unerträglich, als helles Licht die Szene zerriss. Heftig atmend schlug der Junge, Link, die Augen auf. „Wieder dieser Traum...“, murmelte er, während er sich langsam aufsetzte. Kapitel 1: Teil 1- Offenbarungen: Alltag im Kokiri-Dorf ------------------------------------------------------- Was ein miserabler Start in den Tag... Der Traum steckte Link noch immer in den Knochen und hatte sich als dumpf pochende Kopfschmerzen hinter seiner Stirn eingenistet. Während er lustlos mit dem Löffel in seinem aus frischen Waldbeeren und Nüssen bestehenden Frühstück herumrührte, überlegte er wieder einmal wie so oft in den letzten Tagen, warum ihn dieser immer wiederkehrende Traum plagte. Was mochte der Auslöser dafür sein? Hatte der Traum eine Botschaft – und wenn ja, welche? Er seufzte und schob sich einen Löffel seines selbstgemischten Frühstücks in den Mund. Er kaute langsam und genoss den leicht säuerlichen Geschmack auf der Zunge, während seine Gedanken wieder zu dem Mädchen aus seinem Traum wanderten. Obwohl er es nicht kannte, fühlte er sich mit ihm irgendwie verbunden, so als müsste er wissen, weshalb es ihn so eindringlich angeschaut hatte. Erst ein Klopfen aus Richtung der Tür riss ihn wieder aus seiner Grübelei. Wer mochte das sein? Link runzelte die Stirn und warf einen Blick aus dem Fenster. Die Sonne kam gerade erst hinter den Wipfeln des Kokiri-Waldes hervor und leichter Morgennebel schwebte noch über den Wiesen und durch die Wege zwischen den Baumhäusern des Walddörfchens. Mit Salia war er erst für den Vormittag verabredet. Langsam stand der Junge auf, lief durch die karge Wohnung, die aus einem einzelnen Zimmer bestand, zu seinem Schrank, der direkt aus der Wand geschnitzt war. Wie alle anderen Kokiri auch bewohnte Link das Innere eines hohlen Baumes. Link zog seine Tunika aus dem Schrank und ließ den grünen Stoff über seinen Kopf gleiten. Hastig band er sich noch seinen alten, abgenutzten Ledergürtel um und eilte barfuß zur Tür. Er schob den Vorhang, der als Tür diente, zur Seite und blickte sich fragend um, da niemand zu sehen war. Schließlich entdeckte er das grotesk geformte Knäuel aus Holz und Fell auf dem Boden. Irritiert hob er es auf und betrachtete es von allen Seiten. Es war eine schreiendhässliche Satire einer Fee, die aus einer Wurzel geschnitzt und mit Flügeln aus Tierfell versehen war. Sie grinste fratzenhaft und entblößte dabei eine Reihe langer, bedrohlich wirkender Zähne. Hinter einem Busch in der Nähe begannen ein paar Jungen prustend zu lachen. „Sehr witzig, Mido!“, rief Link über das Gelächter hinweg. Langsam und sich den Bauch vor Lachen haltend kam der rötlichblonde Mido aus seinem Versteck. „Du solltest mal dein Gesicht sehen! Einfach zu herrlich!“ „Freut mich, dass du deinen Spaß hast“, erwiderte Link eisig. „Ach komm, Link, jetzt sei nicht gleich eingeschnappt. Wir wollten dir nur eine Freude machen. Wir haben gedacht, du könntest einen Fee-Ersatz gebrauchen, Versager.“ Hinter dem Busch begann das Gelächter von neuem. „Wirklich... zu nett von euch“, presste Link zwischen den Zähnen hervor und warf mit der schauerlichen Feenparodie nach Mido, der sich vor Lachen bog. Mit versteinerter Miene zog sich der Außenseiter des Dorfes wieder in sein Zimmer zurück und ließ sich auf sein Bett unter dem Nordfenster fallen. Er zog seine Beine an, bis sie gegen seine Brust stießen, schlang die Arme um die Unterschenkel und stützte das Kinn auf die Knie. Missmutig ließ er den Blick durchs Zimmer schweifen. Mit dem kleinen Regal, dem gedrungenen Schrank, dem niedrigen Tisch mit den zwei Hockern und dem schmalen Bett war sein Zimmer ziemlich spartanisch eingerichtet. Link versuchte, sich darauf zu konzentrieren, Pläne zu schmieden, was er als nächstes für seine Wohnung bauen könnte. Er könnte zum Beispiel den alten Schrank ausbessern oder ein größeres Regal schreinern. Doch so sehr er sich auch bemühte, er konnte sich nicht auf diese harmlosen Dinge konzentrieren… Midos Streich hatte ihm zu deutlich vor Augen geführt, dass er nicht nur nachts in seinen Träumen von Dämonen gejagt wurde. Jeden Tag vor die anderen zu treten erforderte sehr viel mehr Mut als sich dem diabolischen Mann aus seinen Träumen zu stellen, da sie ihm immer wieder aufs Neue zeigten, wie unerwünscht und wie wenig akzeptiert er war – und alles nur, weil er aus unerfindlichen Gründen als Einziger keine Fee bekommen hatte. Jeder Kokiri lebte mit einer Fee zusammen, die ihn begleitete und mit Rat und Tat zur Seite stand. Die kleinen, geflügelten, leuchtenden Mädchen waren die besten Freundinnen ihrer Schutzbefohlenen, doch ausgerechnet der Junge, der so dringend einen treuen Freund gebraucht hätte, hatte vom Deku-Baum keine Fee bekommen. Manchmal hasste Link den Wächter der Wälder dafür – und schämte sich im selben Augenblick für seine Gefühle. Der Schutzpatron der Kokiri war immer gut und freundlich zu ihm gewesen. Er hatte kein Recht, seine Wut über die Ungerechtigkeit des Schicksals auf ihn zu fokussieren. Außerdem war er ja gar nicht so allein wie er sich manchmal fühlte. Mit einem glückseligen Lächeln dachte er an Salia. Das Mädchen mit den treuen, grünen Augen war seine beste Freundin, seine Vertraute, seine bessere Hälfte. Salia war die Einzige, die ihn akzeptierte wie er war – ohne Fee – und ihn vor den anderen verteidigte. Link wusste nicht, was er ohne sie getan hätte. Kapitel 2: Salia ---------------- „Warum machst du so ein missmutiges Gesicht?“ Salia trat von hinten an Link heran, der an dem seichten, sich durch das Kokiri-Dorf schlängelnden Bach saß, und legte ihm in einer freundschaftlichen Geste die Hand auf die Schulter. „Ach, es ist nichts.“ Link zwang sich zu einem Lächeln und schaute zu seiner Freundin auf. Langsam ließ sie sich neben ihm ins hohe, dunkelgrüne Gras sinken. Wie alle Kokiri trugen auch Link und Salia Kleidung aus grünem Leinen, sodass sie sich in den Wiesen und Wäldern beinah unsichtbar machen konnten. Bis auf Salia, die kurze hellgrüne Hosen, sowie einen passenden Pullunder über einem dunkelgrünen, langärmeligen Shirt trug, kleideten sich die Kokiri in die gleichen groben Tuniken wie Link. Man konnte daher schon von weitem erkennen, dass Salia etwas Besonderes war. Sie legte den Kopf schief und sah Link eindringlich an. „Okay“, sagte sie langsam und gedehnt. „Und warum bringt dich dieses Nichts dazu, ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter zu ziehen?“ Statt zu antworten, kickte Link mit der Spitze seiner Stiefel einige kleine Steinchen ins Wasser. Salia rückte ihren grünen Haarreifen auf ihrem dichten, kinnlangen Haar zurecht und musterte Link von der Seite. „Es war wieder einmal Mido, oder?“ Link zuckte mit den Schultern und starrte weiterhin schweigend auf das klare Wasser, das in glitzernden Bahnen an ihnen vorbei floss. „Wenn ich den erwische!“, grummelte Salia und ihre Augen funkelten so sehr, dass sie für einen Moment trotz ihres sanften Wesens wirklich furchteinflößend wirkte. „Lass es gut sein, Salia“, beschwichtige Link sie müde. „Er hat ja irgendwo Recht. Es muss doch einen Grund geben, warum ausgerechnet ich als Einziger keine Fee vom Deku-Baum bekommen habe. Ich bin anders! Das fühle ich.“ Er blickte auf und Salia musste plötzlich an einem Kloß in ihrem Hals schlucken, der ihr die Kehle zuschnürte. In Links blauen Augen spiegelte sich all der Schmerz, den er über die Jahre unter Midos Schikane hatte erleiden müssen. „Ach Link...“ Vorsichtig legte Salia ihm die Hand auf den Oberschenkel. Die folgenden Worte hatte sie ihm schon so oft gesagt, doch aus irgendwelchen Gründen fanden sie ihren Weg nicht in sein Bewusstsein – im Gegensatz zu Midos Gemeinheiten. „Natürlich bist du anders als die anderen. Du bist etwas Besonderes. Du bist so ein toller Freund! Die anderen sind doch nur neidisch auf dich.“ Ihm den wahren Grund für seine Andersartigkeit verschweigen zu müssen, versetzte ihrem Herzen einen Stich, doch sie hatte genau wie die anderen Kokiri geschworen, Stillschweigen zu bewahren. Irgendwann würde Link sein wahres Schicksal offenbart und auch wenn ihr vor diesem Tag graute und allein der Gedanke daran sie traurig stimmte, würde sie sich mit Link freuen, wenn es endlich so weit wäre. Der Junge schaute wieder in Richtung des Flusses, aber seine Augen waren glasig und er schien mit den Gedanken weit entfernt zu sein. Salia betrachtete sein kinnlanges, verwuscheltes Haar, das er ausnahmsweise nicht unter seiner geliebten Mütze verbarg, sondern sanft vom Wind bewegt wurde. Irgendwie erschien es ihr ein wenig stumpfer als normal. Alles an ihm wirkte müde und abgespannt, sogar seine Schultern zog er verkrampft nach vorne. Was mochte bloß mit ihm los sein? Sie bemerkte diese Veränderung schon länger, doch so kraftlos wie an diesem Tag hatte er noch nie gewirkt. Seine leise Stimme riss sie aus ihren Gedanken: „Du, Salia? Hast du schon mal etwas von einem Schloss Hyrule gehört?“ Ein heißer Schmerz schoss durch ihr Herz. Sollte er näher an seinem Schicksalstag sein als ihr lieb war? Als sie ihm zaghaft antwortete, war ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern: „Es ist irgendwo außerhalb des Waldes. Der Deku-Baum hat einmal davon erzählt. Es soll ein prächtiger Bau aus weißem Sandstein mit vier hohen Türmen und schönen, liebevoll bepflanzten Innenhöfen sein. Die Königsfamilie Hyrules lebt dort. Aber ich habe es nie selbst gesehen. Wir Kokiri können ohne diese von den Göttinnen geheiligten Wälder nicht überleben. Wir sind durch unsichtbare Wurzeln mit unserer Heimat verbunden wie die Bäume mit dem Erdreich.“ „Hm...“ „Warum fragst du?“ „Ich träume seit einigen Wochen jede Nacht davon, dass ich unbedingt zum Schloss müsste. Ich weiß nicht, was ich dort will, aber ich spüre, dass es dringend ist.“ Link seufzte. „Das ist total verrückt. Ich kenne diesen Ort nicht. Ich hatte bis eben nicht einmal etwas davon gehört und trotzdem weiß ich in meinen Träumen ganz genau, wo sich das Schloss befindet und wie es aussieht – auch wenn ich nur die Türme zu sehen bekomme.“ Salia schluckte. Das Ganze klang bedrohlich und sie spürte deutlich, dass der Tag, an dem sie Link verlieren würde, näher war als sie bisher geglaubt hatte. Während er seinen Traum in allen Einzelheiten vor ihr ausbreitete, erklärte, wie er sich im Laufe der Wochen von einzelnen kurzen Bildfetzen zu dem immer gleichen Film entwickelt hatte, und über mögliche Bedeutungen philosophierte, beobachtete Salia geistesabwesend wie die untergehende Sonne das glitzernde Nass zu ihren Füßen langsam in einen Strom aus flüssigen, feuerroten Rubinen verwandelte. Als Link schließlich verstummte, hatte sich bereits feuchtklamme Dämmerung über sie herab gesenkt. Abendlicher Tau kroch in die Maschen ihrer Kleidung und ließ die Beiden frösteln. „Und? Was denkst du?“, hakte Link nach. „Vielleicht solltest du mit dem Deku-Baum darüber reden.“ Salia gab sich große Mühe, Zuversicht in ihre Stimme legen, doch sie klang selbst für ihre eigenen Ohren irgendwie hohl. Link schien jedoch so mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, dass er es gar nicht wahrnahm, was ungewöhnlich für ihn war. Dieser Traum musste ihn wirklich sehr belasten… „Ja... Ja, vielleicht hast du Recht. Danke.“ Er lächelte sie an und sprang dann auf die Beine. „Es ist schon spät. Wir sollten zu Bett gehen.“ Langsam nahm Salia seine dargebotene Hand und ließ sich aufhelfen. Während sie den kurzen Weg zu ihrem Haus zurücklegten, sagte keiner ein Wort. Beide hingen ihren eigenen Gedanken nach. An Salias Haustür schloss Link sie kurz in die Arme und wünschte ihr eine gute Nacht. Salia blieb noch eine Zeit lang am Durchgang stehen und schaute Link nach, der zu seinem benachbarten Baum schlenderte und behände die Leiter zu seinem höher gelegenen Eingang herauf kletterte. Nachdem er seinen Balkon erklommen hatte, drehte er sich noch einmal um, lächelte und winkte ihr zu. Mit Tränen in den Augen erwiderte sie sein Winken und verschwand dann in ihrem Zimmer. Sie würde Link schrecklich vermissen. Kapitel 3: Eine unerwartete Einladung mit Hindernissen ------------------------------------------------------ Unruhig warf Link sich auf dem weißen Laken hin und her, während er sich in seinem Traum mal wieder Richtung Schloss Hyrule kämpfte. Auf seiner Stirn glitzerten kleine Schweißtropfen im Mondlicht und die dünne, verschwitzte Decke klebte an seinem nackten Oberkörper. Ein leises Wimmern entwich tief aus seiner Brust, als er den Kopf ruckartig zur linken Seite warf. Inzwischen kannte er den Traum so gut, dass er den Moment, in dem das dämonische Pferd in seinem Rücken schnauben würde, vorausahnen konnte. Er spürte die Spannung, die dem Schockmoment vorausging, und sie jagte ihm sowohl im Traum als auch auf seinem Bett liegend eine Gänsehaut über den Körper. Alles in ihm strebte danach aufzuwachen, um nicht den kalten Augen dieses Mannes ausgesetzt zu sein, doch auch diese Nacht war ihm ein frühzeitiges Erwachen nicht vergönnt. Er sah sich selbst mit weit aufgerissenen Augen diesem berittenen Teufel gegenüberstehen und langsam zurückweichen. In der Handfläche des Mannes sammelte sich Energie, die sich zu einem blitzenden Elektrizitätsball formte. Link wollte nur noch davonlaufen und strampelte wie wild mit den Beinen, doch sein Traum-Ich blieb wie angewurzelt stehen. Mit einer lässigen Handbewegung schickte der Mann das tödliche Energiebündel los, das wie in Zeitlupe auf den Jungen zuzukommen schien. Link sah deutlich die kleinen Blitze, die über die Oberfläche der Kugel zuckten, und spürte panische Angst in sich aufsteigen. Gerade, als er schützend die Arme hoch reißen wollte, zerplatzte der zuckende Ball kurz vor seinem Gesicht und eine aufgeregte, aber dennoch zarte Stimme drang an sein Ohr: „Hey! Link! Hey! Jetzt wach endlich auf! Hey, Link!“ Langsam öffnete Link die Augen und wurde sogleich von einem hellen Licht geblendet. Mit einem unterdrückten Stöhnen riss er den Kopf zur Seite und versuchte so der grellen Lichtquelle zu entkommen, die in seinen Augen schmerzte. „Bei den Göttinnen! Was für eine Schlafmütze!“, grummelte die fremde Stimme empört. Link blickte mit pochendem Herzen gegen die Wand. Wer oder was konnte dieses sprechende Glühwürmchen sein? Es konnte doch nicht etwa... Als sich seine Augen ein wenig an das Licht gewöhnt hatten, das von dem seltsamen Besuch ausging, setzte Link sich auf und schaute den Eindringling neugierig an. Tatsächlich! Eine Fee! Link traute seinen Augen kaum. Er musste noch immer träumen. Es konnte doch nicht die Wahrheit sein, dass auch er endlich eine Fee bekommen haben sollte! „Bist du jetzt wach?“ Das kleine, geflügelte Mädchen stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn prüfend an. Link setzte zu einer Antwort an, doch sein Mund war zu trocken und er musste schlucken, bevor er einen neuen Versuch starten konnte. „Ja, ich bin wach.“ Dabei kniff er sich heimlich in den Oberarm, um sicher zu gehen, dass er wirklich nicht mehr träumte. „Fein.“ Mit einem Mal lächelte die Fee und wirkte um einiges entspannter. „Ich bin übrigens Navi. Der Deku-Baum schickt mich. Ich soll dich zu ihm bringen.“ Überrascht schaute Link die flimmernde Erscheinung vor ihm an. Was konnte der Deku-Baum nur von ihm wollen? Hatte er sich etwas zuschulden kommen lassen? Vielleicht hätte er gestern doch nicht mit der Schnitzerei nach Mido werfen sollen... Entnervt rollte Navi mit den Augen. „Wir sollten uns beeilen...“ Bei dem folgenden Versuch, sich möglichst schnell anzukleiden und das Haus zu verlassen, stolperte Link gleich mehrere Male über seine achtlos in die Ecke geworfenen Stiefel und schürfte sich den Ellenbogen am Regal auf, als er noch mit der Tunika über dem Kopf in Richtung Tisch laufen wollte, um seinen dort abgelegten Gürtel zu holen. Endlich vollständig bekleidet, grinste der Junge zu seinem Gast herüber, der ungeduldig mit den Flügeln schlagend an der Tür wartete. Doch statt eines Lobes entwich Navi nur ein erleichterter Seufzer: „... Ich dachte schon, du schaffst es eher, dich umzubringen, als dich anzuziehen...“ Zur Antwort streckte Link ihr die Zunge heraus und schritt betont langsam zum Ausgang herüber, um seine Wohnung zu verlassen. Als er vor sein Haus trat, kam die Sonne gerade hinter den Wipfeln der Bäume hervor und tauchte das Dorf in ein mildes Licht. Eine kühle Brise wehte zu Link herüber und ließ ihn leicht frösteln. „Was stehst du hier wie angewurzelt rum?“ Navi packte ihn am Kragen und versuchte verzweifelt, ihn vorwärts zu ziehen. „Der Deku-Baum wartet!“ Link nickte und sprang beherzt von seinem Balkon hinunter. Die bereitstehende Leiter ignorierte er einfach. Navi blickte verdutzt dem Jungen hinterher, der in einen lockeren Lauf verfiel und zielstrebig Richtung Deku-Baum trabte. „Wenn der Kleine sich Mühe gibt, ist er ja direkt zu etwas zu gebrachen...“ Mido stand mit zur Seite geneigtem Kopf vor Link und verschränkte die Arme. „Nur noch mal fürs Protokoll: Du willst zum Deku-Baum, weil er dich angeblich zu sich gerufen hat?“ „Jaaaaaa doch!“ Link nickte so heftig, dass ihm beinah seine grüne Zipfelmütze vom Kopf rutschte. Der rotblonde Anführer der Kokiri zog die rechte Augenbraue in die Höhe und blickte sein Gegenüber geringschätzig an. Hilfesuchend ließ Link seinen Blick zu Navi hochwandern, die voller Arbeitseifer so schnell an Mido vorbei geschossen war, dass er sie nicht hatte sehen können, und nun Grimassen schneidend hinter ihm in der Luft schwebte. Mit einem resignierenden Seufzer zuckte diese die Schultern und flog vor Mido, der plötzlich gar nicht mehr selbstsicher wirkte und erschrocken drein blickte. „Wir stören ja wirklich nur ungern, aber der Deku-Baum hat diesen Jungen zu sich befohlen“, flötete die Fee fröhlich mit ihrer zuckersüßen Stimme. Mido warf einen argwöhnischen Blick auf Link, der leicht verlegen hinter der funkelnden Fee stand und erahnen konnte, was gerade in seinem Gegenüber vor sich ging. Zum Waldwächter gerufen zu werden, war eine große Ehre, die nur selten einem Kokiri zuteilwurde. Dass dieses Privileg nun ausgerechnet dem Außenseiter und Rivalen gewährt wurde, musste Mido rasend vor Wut und Neid machen. „Was will der Deku-Baum ausgerechnet von dem da?“ Link zuckte angesichts des harschen Tons ein wenig zusammen, doch Navi blieb völlig unberührt und erklärte mit einem lieblichen Lächeln: „Das, mein Lieber, weiß nur der weise Deku-Baum allein. Aber er wird seine Gründe haben, da kannst du sicher sein. Also würdest du jetzt bitte die Freundlichkeit besitzen und zur Seite treten, sodass wir passieren können?“ Link grinste verstohlen, während er Midos Mienenspiel beobachtete. Es missfiel ihm ganz offensichtlich, seinen Erzrivalen durchzulassen, doch die kluge Fee hatte ihn matt gesetzt. Jegliche Weigerung würde einer Missachtung eines direkten Befehls gleichkommen, was eine grobe Beleidigung des Deku-Baumes gewesen wäre. Schließlich biss Mido sich auf die Unterlippe und sah zuerst Navi, dann Link von unten herauf mit gesenktem Kopf an. „Ich würde dich ja gerne gehen lassen, aber seit ein paar Tagen sprießen auf diesem Weg die Dekuranhas nur so. Es wäre einfach unverantwortlich, einen Unbewaffneten gehen zu lassen. Das muss auch der Deku-Baum einsehen. Tut mir leid.“ Navi ballte die kleinen Hände zu Fäusten und sah aus als wollte sie sich jeden Augenblick auf Mido stürzen, doch Link grinste und fragte mit gespielter Unschuld in der Stimme: „Das heißt, wenn ich irgendwo eine Waffe auftreiben könnte, würdest du mich passieren lassen?“ „Ja, ja“, murmelte Mido verwirrt. Woher wollte Link um alles in der Welt eine Waffe auftreiben? Im ganzen Wald gab es keine einzige. Als er das Leuchten in Links Augen sah, setzte er jedoch vorsichtshalber nach: „Sofern du ein Schwert und einen Schild auftreiben kannst, werde ich dich gehen lassen.“ „Alles klar!“ Link nickte Mido kurz zu und wandte sich dann zum Gehen. Navi folgte ihm aufgeregt und umschwirrte ihn wie eine Fliege an einem heißen Sommertag die Kuh. „Du hast doch etwas vor. Das sehe ich dir an der Nasenspitze an.“ Link steuerte zielstrebig auf Salias Haus zu, aber Navi flog mit in die Hüften gestemmten Händen vor ihn und sah ihn mit großen Augen erwartungsvoll an. Er wich ihr mit einem kurzen Haken aus, begann jedoch seinen Plan zu erläutern: „Mido erwartet von mir, dass ich mich bewaffne – also werde ich genau das tun. Einen Schild zu besorgen, ist ein Kinderspiel. Im Laden können wir einen für vierzig Rubine kaufen. Deswegen schau ich jetzt kurz bei Salia vorbei. Sie wird mir sicherlich helfen, die Summe zusammenzubekommen. Danach kümmern wir uns um ein Schwert. Einer Erzählung nach gibt es hier irgendwo ein verstecktes Schwert – der Schatz dieses Dorfs. Ich habe vor, es zu finden.“ Salia saß gerade auf ihrem Bett und stopfte einen Socken, als Link ins Zimmer stürmte. Erschrocken ließ sie ihre Arbeit fallen und stand auf. Link hatte gerötete Wangen und leuchtende Augen, aus denen er sie unverwandt ansah. Hinter ihm schwebte eine silbrig glänzende Fee, die sich nun mit einer eleganten, fließenden Bewegung auf seiner Schulter niederließ und Salia angrinste. Bevor Salia etwas dazu sagen konnte, platzte es aus Link heraus: „Du wirst es kaum glauben, aber als ich heute Morgen wach wurde, war da plötzlich diese Fee – Navi – und hat mir gesagt, dass ich zum Deku-Baum gerufen wurde, aber Mido will mich nicht passieren lassen, weil es seiner Meinung nach wegen der vielen Monster zu gefährlich ist. Deswegen hat er gefordert, ich solle mich zuerst bewaffnen. Ich soll ein Schwert und einen Schild auftreiben. Hast du nicht ein paar Rubine, die du mir leihen könntest?“ Das Kokiri-Mädchen blickte ihn aus großen Augen irritiert an. „Okay, jetzt noch einmal langsam. Du sollst ein Schwert und einen Schild besorgen, damit Mido dich zum Deku-Baum gehen lässt?“ „Genau.“ Als Link nickte, wippte der Zipfel seiner grünen Mütze ungeduldig in der Luft. „Und wozu brauchst du Rubine?“ Salia war noch immer verwirrt. „Damit ich im Laden einen Kokiri-Schild kaufen kann.“ Link lächelte sie nachsichtig an. Er wusste, dass er sie überfallen und überrascht hatte, weswegen es ihr schwerer fiel zu ihm aufzuschließen als gewöhnlich. „Und woher gedenkst du das Schwert zu bekommen?“, fragte Salia ehrlich neugierig. „Erinnerst du dich an die Legende der heldenhaften Walküre, die der Deku-Baum uns vor einiger Zeit erzählt hat?“ Nachdenklich nickte Salia und schaute Link noch immer leicht irritiert an. Worauf wollte er hinaus? „Ich fand die Geschichte faszinierend und hab mir einige Gedanken darüber gemacht. Ich bin davon überzeugt, dass es mehr als nur ein schönes Märchen ist und ich glaube, ich weiß, wo das Schwert versteckt ist. Den Hinweisen der Erzählung folgend, kann es eigentlich nur ein Ort sein.“ „Und was machst du, wenn du dich irrst?“ „...Ich weiß nicht. Aber einen Versuch ist es trotzdem wert. Denkst du nicht?“ „Stimmt. Zu verlieren hast du schließlich nichts.“ Das Kokiri-Mädchen lächelte ihren Freund an warm an, was dieser ebenso herzlich erwiderte. „Eben. Kannst du mir denn mit ein paar Rubinen aushelfen? Ich verspreche auch, dass ich dir dein Geld zurück bringe, sobald ich kann.“ Man hörte Links Stimme deutlich an, wie unangenehm es ihm war, Salia um Hilfe zu bitten. Diese warf einen Blick auf Navi, die sich auf Links Schulter räkelte und erwartungsvoll schaute. So langsam beschlich Salia der Verdacht, dass sie wusste, warum der Deku-Baum ihren besten Freund sehen wollte… „Ja, ich habe ein paar Ersparnisse, mit denen ich dir aushelfen kann.“ „Du bist die Beste!“ Link fiel ihr um den Hals und küsste sie auf die Wange. Das Blut schoss ihr ins Gesicht und sie drehte sich schnell von ihm weg, damit er nicht sah, dass sie rot wurde. Jetzt, wo es so schrecklich nah schien, dass er sie verlassen musste, wollte sie ihm nicht zeigen, dass sich ihre Gefühle für ihn verändert hatten. Schon seit geraumer Zeit empfand sie mehr als bloß Freundschaft für den warmherzigen Jungen mit den strahlend blauen Augen… „Ich hol kurz meinen Rubinbeutel“, murmelte sie leise und lief durch den Raum. An der gegenüberliegenden Wand stand eine alte Holztruhe, deren Scharniere protestierend ächzten, als Salia den Deckel anhob. Nachdem sie einige Zeit darin herumgekramt hatte, kam sie wieder auf Link zu. Während der Suche nach dem kleinen Lederbeutel hatte sie sich wieder gefasst und das Rot ihrer Wangen war wieder ihrer üblichen Elfenbeinfarbe gewichen. „Hier drin sind zwanzig Rubine. Damit hast du die Hälfte schon zusammen.“ Sie lächelte Link an und er erwiderte dieses Lächeln mit einem breiten Grinsen. „Du bist wirklich ein Schatz!“ Erneut drückte er sie kurz an seine Brust und schickte sich dann an, ihr Haus wieder zu verlassen. „Du bekommst es bald zurück. Versprochen.“ „Behalt es. Ich schenk es dir.“ Für einen kurzen Moment guckte Link verblüfft, dann strahlte er und warf seiner Freundin eine Kusshand zu. „Danke!“ Salia blickte ihm nach, wie er aus der Tür verschwand und davon joggte. Plötzlich war ihr zum Weinen zumute. „So, hier müsste es sein.“ Link warf Navi einen Blick zu, der zwischen Abenteuerlust und Stolz auf sich selbst schwankte, und deutete auf ein Loch in einer Felswand, die im Kokiri-Dorf aufragte. Die Fee blickte ihn skeptisch an. „Bist du dir sicher?“ „Ja, ich denke schon.“ Der Junge nickte nachdenklich, ohne den Blick von dem engen Tunnel abzuwenden, vor dem er stand. „In der Geschichte, die der Deku-Baum uns erzählt hat, trainierte die kühne Walküre hier auf diesem Platz, auf dem ihr zu Ehren dieser Trainingsparcours errichtet wurde. Der Legende nach versteckte sie ihr Schwert in der Nähe ihrer Trainingsstätte, kurz bevor sie ihren Wunden, die sie in einem besonders schweren Kampf mit einem spinnenähnlichen Wesen erlitten hatte, erlag. Doch es wurde nie gefunden...“ Er schaute verschwörerisch zu Navi hoch, die abwartend eine Augenbraue in die Höhe zog. So langsam konnte der Bursche auf den Punkt kommen... „Diesen Tunnel habe ich erst vor kurzem entdeckt, als ich mich beim Sprungtraining im Winkel vertan hab und in diesem Busch gelandet bin.“ Link zeigte auf einen stacheligen Brombeerstrauch, der den Zugang zum Tunnel fast vollständig verdeckte, und verzog den Mund. Offensichtlich war die Erinnerung an die spitzen Dornen noch sehr präsent. Navi legte den Kopf schief und dachte nach, während sie Link musterte. Er presste die Lippen aufeinander und seine saphirblauen Augen funkelten. Er sah wild entschlossen und zu allem bereit aus. Schließlich zuckte sie mit den Schultern und machte sich dazu bereit, herauszufinden, was hinter diesem dunklen Loch zu finden war. „Alles klar. Einen Versuch ist es allemal wert.“ Die beiden Abenteurer nickten sich zu und atmeten tief durch. „Nach Ihnen, der Herr.“ Navi flog neben Link und machte eine auffordernde Geste. Langsam ging dieser in die Knie und schob vorsichtig den Brombeerstrauch zur Seite. Dann kroch er in den engen, dunklen Schacht, ohne zu wissen, was ihn auf der anderen Seite erwartete. Nach einigen Metern fiel endlich wieder Licht in den Tunnel, was Link erleichtert aufatmen ließ. Er hatte schon beinah befürchtet, sich in einer Sackgasse zu befinden! Als er endlich das Ende erreicht hatte, richtete er sich schnell auf und klopfte den Dreck aus seinen Kleidern. Der feine Staub stieg ihm in die Nase und ließ ihn niesen. „Gesundheit.“ Navi grinste Link an und schaute sich um. Sie standen in einem unzugänglichen Bereich des Waldes, der ringsherum von hohen Felsformationen eingeschlossen war, die das Eindringen beinah unmöglich machten. Die Fee pfiff leise durch die Zähne und machte große Augen. „Ich bin beeindruckt. Wie es aussieht, könnten wir hier wirklich etwas entdeckt haben! Jedenfalls bezweifle ich, dass sich oft jemand hierher verirrt.“ Link grinste stolz und schritt mutig in das unbekannte Terrain voran. Langsam kämpfte er sich durch das hüfthohe Gras, das sich wie ein Meer vor ihm ausbreitete und sacht im Wind hin und her wogte. Navi flog neben seinem Kopf her und genoss die ersten Sonnenstrahlen, die über die Baumkronen hinweg auf die Wiese fielen. Plötzlich stolperte Link und fiel mit einem gedämpften Aufschrei zu Boden. Mit grimmigem Blick rollte er sich auf den Rücken und versuchte auszumachen, was ihn zu Fall gebracht hatte. „Blöde Wurzel!“ Er versetzte dem Übeltäter einen Tritt und schwang sich wieder auf die Füße. Missmutig schaute er auf seine Hände, die er sich bei dem Versuch, seinen Sturz abzufangen, aufgeschürft hatte. Dann zuckte er mit den Schultern, rieb sich Schmutz und Blut an seiner Tunika ab und blickte sich um. „Ich frage mich, woher diese Wurzel kommt. Der nächste Baum steht viel zu weit entfernt.“ „Da hast du Recht.“ Navi ließ ihren Blick schweifen und entdeckte weit und breit keine zu der Wurzel gehörende Pflanze. Doch irgendwoher musste sie doch kommen... Blitzschnell schoss Navi in die Höhe und grinste zufrieden, als sie die Lösung des Rätsels sah. „Du stehst neben einem Baumstumpf.“ Als sie wieder neben Links Kopf schwebte, wurde ihr Grinsen noch eine Spur breiter. „Ich glaube, wir haben gefunden, was wir gesucht haben. Auf diesem Stumpf steht eine Kiste. Irgendjemand hat hier seinen Schatz versteckt. Hoffen wir, dass es wirklich die legendäre Walküre war und wir nicht bloß den geheimen Essensvorrat von einem deiner verfressenen Nachbarn entdeckt haben.“ Eiligen Schrittes schlug Link sich zu dem Baumstumpf durch, der in dem Gräsermeer vollständig unterging und so unsichtbar wurde, sofern man nicht wie Navi die Gelegenheit hatte, von einer höheren Position aus einen Blick auf die Wiese zu werfen. Mit einem Satz sprang Link auf den Stumpf und berührte geradezu ehrfürchtig die alte Truhe. Wind und Wetter hatten dem moosbewachsenen Holz über Jahrzehnte hinweg zugesetzt und es fühlte sich seltsam weich an, als der Junge mit der flachen Hand über den Deckel strich. Dann legte er beide Hände an das inzwischen verrostete Schloss, atmete tief durch und brach es einfach auf. Navi zog ungläubig beide Augenbrauen in die Höhe und applaudierte anerkennend. In den dünnen Armen dieses Kindes steckte mehr Kraft als man vermutete. Auf einmal zweifelte sie weniger daran, dass Link trotz seines geringen Alters die Aufgaben bewältigen konnte, die vor ihm lagen. Langsam und bedächtig hob Link den Truhendeckel an und schob ihn nach hinten, sodass er den Blick auf den Inhalt der Kiste frei gab. Das Innere der Kiste war mit roter Seide ausgeschlagen, die im Morgenlicht sanft schimmerte. In der Mitte des gepolsterten Bodens lag eine schlichte, blaue Schwertscheide, aus der ein goldener Griff heraus ragte. Mit einem breiten Grinsen drehte sich Link zu Navi um, die ihn verblüfft ansah. „Ich hab es gewusst!“, triumphierte der Junge, der sich freute, dass der schwierigste Teil der Ausrüstungssuche abgeschlossen war. Vorsichtig hob er die Scheide aus der Truhe, um mit einer schnellen, geschmeidigen Bewegung die Klinge herauszuziehen. Zischend schwang er das silbrig glänzende Kurzschwert durch die Luft und wirkte dabei so selbstsicher als wäre er mit einem Schwert in der Hand aufgewachsen. Schließlich steckte er die Waffe wieder in die Scheide und warf sie über die Schulter, um das dünne Lederband, das am oberen Ende der Schwertscheide befestigt war, an dem dafür vorgesehenen Ring am unteren Ende festzuknoten. Dann setzte er eine entschlossene Miene auf und wirkte mit einem Mal nicht mehr wie ein Kind, sondern wie ein Krieger, der in die Schlacht zog. Auf dem Weg zum Dorfladen legten die Beiden noch einen kurzen Zwischenstopp bei Links Haus ein, um die fehlenden zwanzig Rubine zu besorgen. „Gut, dass ich in letzter Zeit ein wenig gespart habe. Eigentlich wollte ich davon ein Geschenk für Salia kaufen, aber sie wird es schon verstehen, dass der Schild Vorrang hat.“ Mit langen Schritten eilte Link auf den Shop zu, wobei der Zipfel seiner langen Mütze unruhig durch die Luft flatterte. Der Kokiri-Schild, den er im Laden erstand, war aus alter, abgeplatzter Borke des Deku-Baumes geschnitzt. Das Holz war ungewöhnlich hart und strapazierfähig, doch leider auch leicht entzündlich. Sollte ein Feind mit Feuer angreifen, würde der Schild kaum Schutz bieten, aber gegen die riesigen, fleischfressenden Pflanzen, die sich auf dem Weg zum Deku-Baum breitgemacht hatten, würde er gute Dienste leisten. Link befestigte den Schild so an der Schwertscheide, dass er sowohl Schwert als auch Schild in Windeseile ziehen konnte. Dann machte er sich im Eilschritt auf, um endlich Mido dazu aufzufordern, zur Seite zu treten. Dieser riss überrascht die Augen auf, als Link ihn mit seiner neuen Ausrüstung konfrontierte. „Woher... Woher hast du dieses Schwert?“ Link musste angesichts von Midos ungläubigem Gesichtsausdruck breit grinsen. Endlich einmal hatte er den Anführer der Kokiri vorgeführt und nicht umgekehrt! „Das tut nichts zur Sache, Mido. Die Hauptsache ist, dass ich deine Bedingung erfüllt habe – also lass mich jetzt endlich passieren. Ich habe den Deku-Baum schon viel zu lange warten lassen.“ Navi nickte anerkennend und empfand plötzlich beinah mütterlichen Stolz ihrem neuen Schützling gegenüber, der genügend Mut aufbrachte, vor seinem Erzrivalen, der ihn über Jahre hinweg schikaniert hatte, eine unerschütterliche Selbstsicherheit an den Tag zu legen. Mido warf einen grimmigen Blick auf die Fee und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust, trat aber zur Seite. „Ich verstehe noch immer nicht, was der Deku-Baum von so einem will...“ „Das muss einer wie du auch nicht verstehen“, versetzte Navi spitz mit einer derartigen Eiseskälte in der Stimme, dass sich die milde Frühlingsluft um sie herum für einen Moment abzukühlen schien. Dann ließ sie sich auf Links Schulter nieder, der das Kinn leicht in die Luft reckte und geradezu majestätisch an Mido vorbei schritt. Kaum hatten die Beiden das Dorf so weit hinter sich gelassen, dass sie außer Hörweite waren, brachen sie in schallendes Gelächter aus. „Hast du sein Gesicht gesehen? Einfach zu herrlich! Ich danke dir, Navi. Dieser Blick hat mich für die zurückliegenden Jahre mehr als entschädigt.“ Amüsiert grinsend marschierte Link weiter, während Navi eine Strähne ihres langen, goldenen Haares auf einen ihrer Zeigefinger wickelte. Plötzlich schnellte neben ihnen das riesige, blaue Maul einer Dekuranha hoch und schnappte nach Links Bein, doch dieser sprang zur Seite und schlug dem Angreifer mit einem gezielten Schwertstreich den Kopf ab, bevor eine zweite Attacke möglich war. „Na, das nenn ich mal schnelle Reflexe“, murmelte Navi, die bei Links blitzschnellem Ausweichmanöver von dessen Schulter gefallen war und sich ängstlich an eine Falte seiner grünen Tunika klammerte. Nachdem die Fee ihren Platz auf der Schulter des Jungen wieder eingenommen hatte, setzten die Beiden ihren Marsch weiter fort. Auf dem weiteren Weg zum Deku-Baum begegneten sie noch mehreren angriffslustigen Pflanzen, die ein ähnlich schnelles Ende fanden wie der erste Angreifer. Schließlich durchbrach Link die dichten Baumreihen und trat auf eine weite Lichtung, in deren Mitte der majestätische Deku-Baum aufragte. Sein Stamm war mehrere hundert Meter dick und das Astwerk, das die Baumkronen aller anderen Bäume um einige Meter überragte, erstreckte sich über die gesamte Lichtung, sodass das Licht, das durch die Blätter fiel, einen zarten Grünstich bekam. Ehrfürchtig näherte sich Link dem riesigen Schutzpatron der Wälder, der sanftmütig auf seine Besucher herunter blickte und sie mit knarzender Stimme begrüßte: „Da bist du wieder, Navi. Und du hast den Jungen mitgebracht, wie ich dich gebeten habe. Ich danke dir.“ Die Fee flog auf den riesigen Baum zu und machte in der Luft ehrerbietig einen Knicks, während der Deku-Baum fortfuhr: „Und du, Link, fragst dich sicherlich, warum ich dich hierher bestellt habe. Nun, ich habe eine Bitte an dich. Vor einiger Zeit war ein düsterer Mann aus der Wüste hier und forderte den heiligen Schatz des Waldes von mir. Als ich nicht kooperierte, hat mich dieser Dämon mit einem Fluch belegt. Deswegen brauche ich dich und die Reinheit deiner Jugend, um diesen Fluch zu brechen. Wirst du diese Aufgabe auf dich nehmen?“ Link schluckte, um das flaue Gefühl in seinem Magen zu vertreiben und eine feste Stimme zu haben, als er dem Waldwächter antwortete: „Ja, weiser Deku-Baum. Ich werde alles tun, um dich von deinem Leiden zu befreien.“ „So sei es denn... Tritt ein.“ Mit lautem Knacken und Krachen öffnete sich ein Zugang zu dem Inneren des Wächterbaumes, dessen unheilverkündende Finsternis Link einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Er atmete tief durch, um gegen das steigende Unwohlsein anzukämpfen, und wollte gerade einen Schritt über die Schwelle ins Innere setzen als Navi ihn zurückhielt. „Warte!“ Link wandte ihr den Kopf zu und schaute die lächelnde Fee mit großen Augen an. Diese erklärte: „Ich werde dich begleiten, aber vorher möchte ich dir noch etwas geben.“ Flink schoss sie in die Höhe und verschwand für einige Augenblicke zwischen den Ästen des Deku-Baumes, um dann plötzlich wieder neben Link aufzutauchen. „Hier. Ich denke, das könnte sehr nützlich sein.“ Navi reichte ihm einen kleinen Lederbeutel, den Link sogleich an seinem Gürtel befestigte, auch wenn er nicht genau wusste, warum Navi ihm diesen Beutel gegeben hatte. „Öhm… Danke!“ Navi grinste breit und stemmte die Hände in die Hüften, als sie den Oberkörper zu ihm beugte. „Du wirst schon sehen, wozu dieses Wunderding gut ist.“ Sie zwinkerte ihm zu und wies dann in das Innere des Deku-Baumes. „Wir sollten uns nun auf den Weg machen. Die Zeit drängt.“ Link nickte, zog sein Schwert aus der Scheide und trat über die Schwelle. Kapitel 4: Im Deku-Baum ----------------------- Im Inneren des Deku-Baumes herrschte ein schummeriges Licht, das nach dem hellen Sommermorgen auf der Lichtung eine grobe Umstellung war, und Link brauchte einige Zeit, bis sich seine Augen an den Helligkeitswechsel gewöhnt hatten und er seine Umgebung erkennen konnte. Überrascht stellte Link fest, dass der Wächter der Wälder vollkommen hohl war! Der Junge schritt langsam weiter in den Raum hinein und ließ den Blick schweifen. Im hinteren Bereich brannten zwei Fackeln, deren Feuer in einem leichten Luftzug flackerten, dicke, weiße Spinnenweben hingen von Vorsprüngen und die Wände waren von Moos und Ranken überzogen. Link legte den Kopf in den Nacken und schaute zur Decke des runden Raumes, wobei er zwei Stockwerke zählte. „Wow, das ist riesig“, murmelte er, während er sich langsam um die eigene Achse drehend weiter in den Raum bewegte. Plötzlich schoss Navi auf ihn zu und stieß ihn an. „Vorsicht, Link! Pass auf!“ Erschrocken riss Link den Kopf herum und entdeckte im letzten Augenblick die Dekuranha, die nach seinem Schwertarm schnappte. Reflexartig sprang er zur Seite, wo plötzlich der Boden unter seinem linken Fuß nachgab. Mit einem spitzen Schrei knickte er um, stürzte, rollte sich über den Boden ab und... blieb kleben! „Verflucht, was...?“ Unter Aufbietung all seiner Kraft stemmte er sich wieder hoch, wobei seine Kleidung leise, reißende Geräusche von sich gab. Nachdem er sich auf die Knie gehievt hatte, begutachtete er den sonderbaren Boden, auf dem er gelandet war, eingehender und staunte nicht schlecht. Er kniete auf einem riesigen Spinnennetz, das sich über den Zugang zu den Katakomben in den Wurzeln des Deku-Baumes spannte. „Bei den Göttinnen! Kannst du dir die riesige Spinne vorstellen, die solch ein Netz spannt, Navi?“, stieß er hervor, während er die dicken Fäden begutachtete, aus denen das Netz gewoben worden war. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir so ein Riesenvieh überhaupt vorstellen möchte. Ich konnte Spinnen noch nie ausstehen...“ Das Feenmädchen unterdrückte nur mit Mühe ein Schaudern. Link warf ihr einen überraschten Blick zu. „Ich dachte immer, ihr Feen wärt sanftmütig und würdet alle Lebewesen ehren.“ Navi zuckte mit den Schultern und verzog die Lippen zu einem entschuldigenden Lächeln, als Link aus den Augenwinkeln eine Bewegung ausmachte. Ein riesiger Schatten bewegte sich durch die Katakomben und zog sich aus seinem Blickfeld zurück. „Ich glaube, wir haben unseren Übeltäter!“, triumphierte Link. Navi jedoch, die seinem Blick gefolgt war, als dieser den Kopf herum gerissen hatte, seufzte und ließ die Schultern hängen. „Na klasse... Warum ausgerechnet eine mutierte Riesenspinne? Warum kein knuffiges Rieseneichhörnchen?“ Link hörte ihr jedoch gar nicht mehr zu und versuchte stattdessen mit kurzen, harten Schwerthieben das Netz zu zerteilen. Nach mehreren Minuten ununterbrochener Bemühungen hatten sich erste Schweißflecken unter den Achseln des Jungen gebildet und sein langer Pony klebte ihm an der Stirn, aber das Netz hatte noch immer keinen Schaden genommen. Missmutig verzog Link das Gesicht und seufzte: „Das hat keinen Sinn! Ich muss einen anderen Weg finden.“ Nachdenklich ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen, bis er an einem der Vorsprünge hängen blieb, der so weit in den Raum reichte, dass man bei einem Sprung hinab direkt auf dem Spinnennetz gelandet wäre. Link legte die Stirn in Falten und dachte nach, wie er diese Gegebenheit nutzen konnte. „Vielleicht, wenn ich von ganz oben springe... Ja, das könnte womöglich klappen…“ Entschlossen kämpfte er sich auf die Füße und marschierte auf eine rankenbewachsene Wand zu, wurde aber von seiner Fee zurückgehalten: „Hey! Du hast etwas vergessen!“ Navi zog und zerrte an seiner Mütze, die noch immer an der Stelle klebte, an der Link sie verloren hatte, als er sich abgerollt hatte. Fast schockiert griff er sich in das volle, lange Haar und lächelte Navi dann zu. „Ich danke dir. Ohne diese Mütze fühle ich mich irgendwie nackt.“ Nachdem er seine Mütze wieder eingesammelt hatte, kletterte er behände die Ranken hinauf in den ersten Stock. Vorsichtig balancierte er über einen schmalen Steg, der zu den nächsten Kletterpflanzen führte. „Noch mehr Spinnen!“ Navi, die auf seiner Schulter saß, schüttelte sich vor Ekel. „Jetzt sei kein Hasenfuß.“ Wild entschlossen umfasste Link die Pflanzen und zog sich hoch. Doch kaum hatten seine Füße den Boden verlassen, schossen die Spinnen auf ihn zu und attackierten ihn so lange, bis er den Griff um die Ranken löste und stürzte. Vor Schmerzen ächzend, quälte Link sich wieder auf die Füße. Sein rechter Arm war mit Spinnenbissen übersät und er hatte vom Aufprall auf den Boden eine kleine Platzwunde an der Stirn. „Hasenfuß, hm?“ Navi verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Augenbrauen in die Höhe. Link warf ihr einen entnervten Blick zu. „Ja, ist ja gut. Du hattest Recht: Spinnen sind scheußlich. Zufrieden?“ Navi zuckte kurz mit den Schultern und schaute dann die Wand hoch. „Wie kommen wir denn nun hier hoch?“ „Das ist eine gute Frage...“ Link legte den Kopf in den Nacken und beobachtete die Spinnen, die in engen Kreisen über das Flechtwerk der Ranken krabbelten, während Navi die nähere Umgebung untersuchte. „Hey, Link! Hier drüben ist eine Tür!“ „Eine Tür?! Im Deku-Baum?!“ Der Junge riss die Augen auf und starrte irritiert zu der Fee herüber, die eine wegwerfende Handbewegung machte als ob eine Tür im Inneren eines Baumes das Selbstverständlichste der Welt wäre. Resignierend schüttelte Link den Kopf, schwor sich, sich in Zukunft über rein gar nichts mehr zu wundern, und machte sich auf den Weg zu seiner wartenden Begleiterin. Sobald er die Tür geöffnet hatte, wurde er von einem Laubkerl angegriffen, der dem Eindringling kopfgroße Deku-Nüsse entgegen schleuderte. Doch jedes Mal, wenn Link versuchte, eine Gegenattacke zu starten, zog sich der Angreifer in sein mit Laub geschütztes Versteck zurück. Link war bereits kurz davor verrückt zu werden, als er beobachtete wie eine der Nüsse, die ihn verfehlt hatten, von der Wand abprallte. „Das ist die Idee!“, jubelte er und hielt bei der nächsten Attacke den Holzschild fest vor seinen Körper, anstatt auszuweichen. Die Nuss prallte ab und schoss mit fast ungeminderter Geschwindigkeit auf den Laubkerl zu, der so schnell gar nicht reagieren konnte. Das Geschoss knallte ihm mit voller Wucht gegen die lange, rüsselartige Nase und er ging ohnmächtig zu Boden. Vorsichtig stieg Link über den leblosen, kugelförmigen Körper, der mit orange gefärbten Laub bedeckt war, und schlich zu der nächsten Tür, die ihn weiter in den hohlen Ast führte. Der nächste Raum, den er betrat, war durch einen tiefen, klaffenden Graben zweigeteilt. Vorsichtig näherte sich Link dem steilen Abhang und schaute hinab. Von hier oben hätte ein Sturz tödlich sein können, doch auf der gegenüberliegenden, tiefer gelegenen Ebene stand eine große Holzkiste, die verdammt verlockend aussah. Link holte tief Luft, ging ein paar Schritte zurück, nahm Anlauf und setzte mit einem beherzten Sprung über den Graben. Geschmeidig wie eine Katze landete er und rollte sich ab, wobei er mit dem rechten Fuß gegen die Kiste stieß. „Autsch...“ „Wie überaus elegant…“, spottete Navi, die ohne Mühe den Graben überflog. Link verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und streckte ihr die Zunge raus. „Sehr witzig...“ Dann wandte er sich der Truhe zu, deren Deckel sich bereitwillig öffnen ließ. In ihrem Innern lag auf einem mit dunkelblauen Samt bezogenem Kissen eine Schleuder und ein kleiner, prall gefüllter Lederbeutel. Aufgeregt schaute Link zu Navi hoch und verzog die Lippen zu einem schelmischen Grinsen: „Ich glaube, ich weiß, wie wir die Spinnen davon überzeugen können, uns die Ranken hochklettern zu lassen.“ Neugierig zog er den Lederbeutel auf, um dessen Inhalt zu überprüfen. „Das sind Deku-Kerne“, erklärte Navi, als sie die hasenkotgroßen, hellbraunen Kugeln sah. „Klein und ungewöhnlich hart. Du kannst sie bestimmt gut als Munition für die Schleuder benutzen.“ Glücklich wegen dieses neuen Hoffnungsschimmers drehte Link sich beschwingt um und erstarrte. Navi, die neben ihm schwebte, sah ihn geringschätzig an: „Jetzt sag nicht, du hast dir bei deinem Sprung hier herüber nicht vorher überlegt, wie du wieder zurückkommst.“ Betreten zog Link die Schultern hoch und machte ein verlegenes Gesicht, während ihm das Blut in die Wangen schoss. „Oh, bei den Göttinnen!“ Navi schlug sich eine Hand gegen die Stirn und schüttelte den Kopf. „Ich glaub das nicht…“ Mit brennenden Wangen starrte Link an die gegenüberliegende Wand, um Navis Blick nicht zu begegnen. Er wusste, dass sie Recht hatte, dass er mal wieder gehandelt hatte, ohne vorher über die Folgen nachzudenken. Einige Momente blickte Link unbewegt an die Decke über dem Graben, ohne etwas zu sehen, doch mit einem Mal wurde ihm bewusst, auf was er da so starr schaute: „Navi! Sieh mal – da oben hängt eine Leiter. Meinst du, du kriegst sie da runter?“ Nachdem die zierliche Fee fast eine Minute an der untersten Sprosse gezerrt hatte, gab sie auf. „Keine Chance. Und jetzt?“ Link kaute nachdenklich auf der Unterlippe und drehte die Schleuder zwischen den Händen, als ihm eine Idee kam. „Vorsicht, Navi, geh mal zur Seite. Ich glaub, ich weiß, wie ich das Ding da runterhole.“ Nachdem die Fee sich auf Links Schulter niedergelassen hatte, holte er einen Kern aus dem Lederbeutel, legte ihn an das breite Gummiband der Schleuder, zog daran und zielte auf den Nagel, mit dem die Leiter befestigt war. Als das Geschoss gegen den eisernen Bolzen knallte, gab es ein plingendes Geräusch, das von einem lauten Krachen abgelöst wurde, als die Leiter auf den schmalen Felsvorsprung auf der gegenüberliegenden Seite fiel. Die Länge passte perfekt, sodass der Junge jetzt nur noch an die Leiter springen und hochklettern musste. „Heureka!“ Link grinste Navi an, die ihre Lippen zu einem abschätzigen, schiefen Lächeln verzog. „Reine Glückssache...“ Mit einem Schulterzucken tat Link diesen Seitenhieb einfach ab und nahm Anlauf, um zur Leiter zu springen, als ihm bewusst wurde, dass er gar nicht beide Hände frei hatte. „Verflixt, wenn ich nur eine freie Hand habe, wird der Sprung doppelt riskant...“ Hilfesuchend sah er Navi an, die triumphierend grinste. „Zeit für den Lederbeutel, den ich dir draußen gegeben hab.“ Link betrachtete den kleinen Beutel nachdenklich. „Und was soll ich damit? Er ist viel zu klein.“ Er legte die Schleuder, die einige Zentimeter länger und breiter als der Beutel war, auf das Leder und hielt beides seiner Begleiterin unter die Nase. „Steck sie trotzdem in den Beutel. Vertrau mir.“ Navi zwinkerte ihm zu. Link hob den Kopf und sah die Fee zweifelnd an, kam aber dennoch ihrer Aufforderung nach. Entgegen seiner Erwartungen verschwand die Schleuder vollständig im Inneren des Beutels. „Jetzt noch der Munitionsbeutel!“, forderte Navi. Link bekam große Augen, als auch dieser in dem kleinen Ledersäckchen verschwand und sah Navi, die sichtlich amüsiert war, ungläubig an. „Feenzauber“, erklärte sie. „Einige andere Feen und ich haben diesen Beutel verzaubert. Du wirst es nicht glauben, aber sein Fassungsvermögen ist jetzt unendlich. Du kannst alles hineinstecken, ohne dass er voll oder schwerer wird.“ „Das ist unglaublich!“, stieß Link hervor und starrte noch immer mit großen Augen auf den kleinen Beutel in seiner Hand. Es dauerte einen Moment, bis er sich von seinem Schock erholt hatte, doch dann befestigte er das Säckchen wieder an seinem Gürtel und nahm erneut die Leiter ins Visier. „Ich hoffe nur, sie ist nicht so morsch, wie sie aussieht...“, flehte Link leise, als er sich vom Boden abstieß und über den Graben sprang. Er bekam eine der Sprossen mit der linken Hand zu fassen und zog sich schnell an die Leiter heran, um festen Halt zu finden, doch als er seine Füße auf eines der unteren Hölzer stellte, brach es und Link wäre beinah doch noch in die Tiefe gestürzt. „Doch, sie ist so morsch wie sie aussieht!“, bemerke Navi lakonisch, während Link sich unter Aufbietung all seiner Kraft wieder hochzog und den Rest der Leiter erklomm. „Ach, wirklich? Hätte ich jetzt gar nicht gemerkt.“ Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck klopfte er Schmutz und Spinnenweben von seiner Tunika und begutachtete eine frische Schürfwunde an seinem rechten Knie. Navi kicherte leise und setzte sich auf seine Schulter. „Du weißt doch, dass ich das nicht so meine. Wenn ich auch nur eine Sekunde lang geglaubt hätte, dass du es nicht schaffen würdest, hätte ich... Ich weiß nicht, was ich dann getan hätte. Sieh mich an: Ich bin nur eine schwache Fee. Ich kann nicht viel tun.“ Link lächelte sie versöhnt an: „Du tust schon eine ganze Menge. Zum Beispiel treibst du mich in den Wahnsinn.“ Er grinste und die Fee kuschelte sich zufrieden in sein weiches, braunes Haar. Im Raum nebenan lag der Laubkerl noch immer bewusstlos auf dem Boden. Link schlich um ihn herum und grinste: „Den hat’s ganz schön erwischt.“ Als sie endlich wieder bei der von Spinnen bewachten Wand ankamen, steckte Link seine Hand in den Wunderbeutel und erbleichte. „Ey, was soll denn das?! Der Beutel ist leer! Toller Zauber!“ „Du weißt nur noch nicht damit umzugehen“, verteidigte Navi ihr Werk. „Steck deine Hand wieder rein und denk dabei an deine Schleuder – am besten stellst du sie dir gleich geladen vor. Das spart Zeit.“ Link tat wie ihm geheißen und plötzlich spürte er die Schleuder und einige Deku-Kerne in der Hand. „Das ist ja verrückt!“ Eine der Spinnen kam gefährlich weit nach unten gekrabbelt und machte Anstalten, Link erneut in den Arm zu beißen, sobald er die Ranken ergreifen würde. Link legte mit der Schleuder an und zielte dem riesigen Ungeziefer genau zwischen die Augen. Der Kern flog zischend durch die Luft, durchschlug den knöchernen Schutzpanzer der Spinne und tötete sie auf der Stelle. Mit einem dumpfen Geräusch prallte sie vor Links Füßen auf, der keine Zeit verlor und auch noch die anderen Achtbeiner niederstreckte. Anschließend erklomm er geschwind das Rankenwerk, näherte sich vorsichtig dem Ende des Vorsprungs und warf einen Blick herunter. Tief unter ihm schimmerte das riesige, weiße Netz und die Dekuranha, die ihn zuvor angegriffen hatte, döste gemütlich neben dem Zugang zu den Katakomben. Link atmete noch einmal tief durch, nahm all seinen Mut zusammen und sprang. Wie ein Meteor raste er zu Boden, bis er schließlich auf das Netz traf. Sein Körper wurde für einen kurzen Moment schmerzhaft zusammengestaucht, doch dann gab das Netz tatsächlich nach und riss. Mit einem lauten Platschen landete Link in einem Wasserbassin. Als er wieder auftauchte und sich die nassen Haare aus der Stirn strich, schwebte Navi vor ihm und sah ihn besorgt an: „Na, alles noch dran?“ Link nickte und schwamm ans Ufer. „Alles klar, wo geht es hier jetzt weiter?“ Die beiden Abenteurer blickten sich um und entdeckten eine von Spinnenweben verdeckte Tür. „Die mutierte Riesenspinne ist aber in diese Richtung verschwunden.“ Navi deutete auf eine höher gelegene Ebene auf der anderen Seite des Wasserbassins. „Ich weiß. Aber kannst du mir mal verraten, wie ich da hochkommen soll? Ich hab weder Sprungfedern unter den Stiefeln noch kann ich fliegen. Wir müssen einen anderen Weg finden – und unser Feind hätte sich sicherlich nicht so viel Mühe damit gegeben, diese Tür unpassierbar zu machen, wenn sie uns nicht näher an unser Ziel bringen würde“, hielt Link dagegen. „Oder es ist eine Finte und soll uns in eine Falle locken“, konterte Navi, aber Link zuckte nur mit den Schultern und untersuchte das Netz nach Schwachstellen. „Das werden wir herausfinden. Ich mach mir jedenfalls wegen eines dahergelaufenen Ungeziefers nicht ins Hemd.“ Nachdem jegliche Versuche, das Netz zu zerreißen oder zu zerschlagen missglückt waren, ließ Link frustriert den Blick durch den Raum gleiten. In einer Ecke entdeckte er schließlich eine brennende Fackel. „Hey, Navi, du hast hier nicht zufällig einen Ast oder etwas Ähnliches gesehen?“, fragte der Junge ohne viel Hoffnung auf eine positive Antwort. Die Fee schüttelte verwirrt den Kopf, als plötzlich das Maul einer Dekuranha aus einem nah stehenden Gebüsch hervor schnellte. Geschickt drehte Link sich aus der Gefahrenzone und schlug der Pflanze den Kopf ab. Während er auf die toten Überreste der Angreiferin schaute, kam ihm eine Idee. Er ließ sich auf die Knie fallen und schlug den langen, einst beweglichen, aber im Tod steifen Hals der Pflanze kurz über dem Blattansatz ab. Navi beobachtete irritiert, wie er mit dem Pflanzenhals durch den Raum lief, den Stab an der Fackel entzündete und zu dem über die Tür gespannten Netz eilte. Das Feuer erfasste das Netz in Windeseile und brannte es vollständig ab, während Link seinen brennenden Stab auf den Boden warf und mit den Stiefeln die Flammen austrat. Den gelöschten Stab ließ er in seinem Wunderbeutel verschwinden und trat dann durch die Tür in den nächsten Raum, wo er erneut von einem angriffslustigen Laubkerl in Empfang genommen wurde. Schnell schleuderte er die heranrasende Deku-Nuss mit dem Schild auf den Angreifer zurück und lauschte dem schmerzerfüllten Quieken des Laubkerls, das ihm verriet, dass die Nuss ihr Ziel getroffen hatte. Link steckte seinen Schild wieder zurück und schaute mitleidig auf das jammernde Bündel Laub, das versuchte, sich mit seinen kurzen Ärmchen die schmerzende Nase zu halten. Vorsichtig näherte er sich dem Laubkerl, der daraufhin ängstlich zurück sprang. „Hab keine Angst. Ich will dir nicht wehtun. Ich kann nur nicht zulassen, dass du mich angreifst. Verstehst du?“ Ganz langsam und mit ausgestreckter Hand ging Link weiter auf sein Gegenüber zu. Navi, die ihm auf der Schulter saß, rutschte nervös hin und her. „Du tust mir nicht weh?“ Die Stimme des Laubkerls war schrill und klang seltsam hohl wie ein schlecht gestimmtes Blasinstrument. Link schüttelte den Kopf und blieb stehen, um den armen Kleinen nicht noch mehr zu ängstigen. „Oh, ich danke dir!“ Der Laubkerl warf sich Link zu Füßen, nur um gleich wieder aufzuspringen und um den Jungen herum zu tanzen. Navi, die sich vor dem herumwirbelnden Laubkerl fürchtete, kroch immer tiefer zwischen Links Haare und seine Mütze. „Ich weiß, wie ich mich dir erkenntlich zeigen kann!“, quäkte der Laubkerl. „Tief in den Katakomben hat sich eine riesige Spinne eingenistet, die uns Laubkerle in die Sklaverei gezwungen hat und sich von den Wurzeln des Deku-Baumes ernährt. Wenn du sie nicht bald besiegst, wird der Deku-Baum nicht mehr lange zu leben haben. Leider weiß ich nichts über ihre Schwächen, aber mein Bruder kennt sich damit aus. Er wird sein Wissen allerdings nur kundgeben, wenn du vorher das Rätsel löst, das er und unsere Cousins sich ausgedacht haben. Also hör mir gut zu: Rechts vor links, aber die goldene Mitte geht vor! Merk dir diesen Satz. Ich bin mir sicher, du wirst wissen, wie du ihn zu gebrauchen hast.“ Mit diesen Worten wirbelte der kleine Laubkerl herum und eilte aus dem Raum. Vorsichtig kam Navi wieder unter Links Mütze hervorgekrochen: „Ich hoffe, er hat die Wahrheit gesagt. Diese Laubkerle sind mir nicht geheuer.” Link, der die kleinen Blattgnome insgeheim niedlich fand, zuckte nur mit den Schultern und schickte sich an, die Suche nach der Riesenspinne fortsetzen, aber die Tür zum nächsten Raum war mit Eisenstäben blockiert. „Die kann ich definitiv nicht einfach abbrennen“, murmelte der Junge nachdenklich, während er nach einem Weg suchte, die Tür passierbar zu machen. „Hey, Link, hier oben!“ Navi deutete auf ein steinernes Auge, das über der Tür in die Wand gelassen war. „Ich glaube, die Pupille ist ein Druckschalter.“ Navi warf sich mit voller Kraft gegen das Auge und trudelte benommen zu Boden. Link fing sie auf und betrachtete sie besorgt. „Alles okay?“ „Ja, doch, denke schon.“ Navi nickte vorsichtig mit dem Kopf. „Ich hab nur unterschätzt wie fest der Knopf sitzt.“ „Du hast dein Bestes getan. Jetzt lass mich mein Glück versuchen.“ Link setzte die noch immer leicht benommene Fee auf seine Schulter, holte Schleuder und Munition aus seinem Beutel und schoss auf den Schalter, der mit einem leisen Klacken einrastete. Sofort begannen die Stäbe zu wackeln und nur einen Moment später wurden sie hochgezogen, sodass die Tür freigegeben wurde. In den nächsten Räumen gab es keine größeren Herausforderungen, trotzdem Navi ermahnte Link immerzu, nicht nachlässig zu werden und immer wachsam zu bleiben, schließlich wisse man nie, wann der Feind zuschlage. Mit ihren ununterbrochenen Belehrungen ging die Fee ihrem Schützling gehörig auf die Nerven, doch schon bald musste Link am eigenen Leib erfahren, wie Recht seine Begleiterin mit diesen Warnungen hatte... Die Beiden traten in einen leeren, runden Raum, der durch einen schmalen Schacht mit dem nächsten Raum verbunden war. „Link, dieser Raum ist mir nicht geheuer.“ Ängstlich schaute Navi sich um. „Es ist zu ruhig hier.“ „Ich weiß gar nicht, was du hast. Wir sind in den vorherigen Räumen doch auch kaum Gegnern begegnet.“ Link schritt in die Mitte des Raums und breitete die Arme aus als wolle er sagen „Siehst du? Hier ist rein gar keine Gefahr!“ Doch plötzlich fiel etwas Rundes von der Decke auf Link herab und der Junge wurde von einem schweren Gewicht auf den Boden gedrückt, während scharfe Krallen in sein Fleisch schnitten. „Iiiiiih! Eine riesige Babyspinne!“, kreischte Navi reflexartig und zog so versehentlich die Aufmerksamkeit des Angreifers auf sich. Link nutzte diesen kurzen Moment, in dem die Spinne abgelenkt war, und rollte sich auf den Rücken, wobei er sein Schwert zog, das er dem Angreifer auf sich tief in Kehle rammte. „Link, pass auf!“ Neben ihm klatschten zwei weitere Spinneneier auf den Boden, deren Schalen sogleich aufgerissen wurden. Link stieß den leblosen Körper von sich, rappelte sich auf die Beine und nahm den Kampf mit den jungen Spinnen auf. „Du hattest Recht, Navi. Nie die Wachsamkeit vernachlässigen“, keuchte er, als er sein Schwert aus der letzten besiegten Angreiferin zog. Langsam und mit schmerzenden Gliedern kroch er durch den engen Schacht, der ihn zurück in den Raum mit dem Wasserbassin führte, aber dieses Mal befand er sich auf der höher gelegenen Ebene. Von einigen Dekuranhas, die ein jähes Ende fanden, umrahmt, lag der Zugang zu dem nächsten Gewölbe vor ihm. Doch wie schon befürchtet, war auch dieses Loch mit einem Spinnennetz überspannt. Link blickte sich um. Die einzige, erreichbare Fackel stand auf der gegenüberliegenden Seite, von dort aus käme er jedoch nicht wieder auf die höhere Ebene. Während er noch grübelte, entdeckte er einen riesigen Felsblock, der hoch genug war, um als Zwischenebene zu fungieren. Schnell schob Link den Block, der mit einem lauten Platschen und einer großen Wasserfontäne im Bassin landete, über die Kante und sprang zu der Fackel, an der er seinen Stab entzündete. Mit dem brennenden Stab in der Hand sprang er zurück auf den Felsen, kletterte das letzte Stück hoch und lief geschwind zu dem störenden Netz. Kaum waren die letzten Fetzen verbrannt, stürzte sich Link in die Tiefe, wo er in einem natürlichen See landete. Das kalte Wasser war ein Segen für seine schmerzenden Glieder, die sich wie geschwollen anfühlten. Er drehte ein paar Runden im kühlen Nass und schwamm dann zum Ufer, wo drei Laubkerle sich bereits versammelt hatten. „Das müssen die Cousins und der Bruder des Kleinen von vorhin sein“, mutmaßte Navi, als sie die Drei betrachtete. „Hast du eine Ahnung, was er mit diesem Spruch gemeint hat? Wie war der noch gleich?“ „Rechts vor links, aber die goldene Mitte zuerst.“ Navi und Link sahen sich ratlos an, doch als die erste Deku-Nuss auf sie zu flog, kam Link eine Idee. Er hielt seinen Schild so, dass die abgelenkten Nüsse erst den mittleren, dann den rechten und zu guter Letzt den linken Laubkerl trafen, der quiekend auf sie zukam: „Woher kanntest du unser Geheimnis?“ Link zuckte mit den Schultern und flunkerte: „Glück, würde ich sagen.“ „Nun, wie dem auch sei, du hast das Rätsel gelöst und als Belohnung werde ich dir etwas verraten: Gohmas Schwachstelle ist ihr riesiges Auge. Besonders empfindlich ist es, wenn es sich rot verfärbt.“ Mit diesen Worten machten sich die Laubkerle auf und davon. „Ich frage mich, warum sie nicht selbst gegen die Spinne angegangen sind, wenn sie doch ihren Schwachpunkt kennen“, wunderte sich Navi, während sie den Flüchtenden nachsah. „Womöglich ist dieses Vieh gefährlicher als wir vermuten.“ „Das werden wir gleich herausfinden.“ Link zog Schwert und Schild, straffte die Schultern und trat in das Versteck Gohmas. Kapitel 5: Gohma ---------------- Vorsichtig wagte sich Link tiefer und tiefer in das Spinnennest, wobei er immer wieder argwöhnische Blicke über die Schulter warf, um nicht von hinten überrascht zu werden. Als er in der Mitte des runden Raumes ankam, drehte er sich langsam um die eigene Achse. „Es ist weit und breit nichts von Gohma zu sehen...“ Angestrengt starrte er auf die vielen Säulen ringsum, von denen die kuppelartige Decke gestützt wurde, um eine eventuelle Bewegung schnell genug ausmachen zu können. „Das gefällt mir ganz und gar nicht, Link.“ Navi kroch wieder unter den langen Zipfel der grünen Mütze und guckte ängstlich zwischen Links Haarsträhnen hervor. „Mir auch nicht. Ich bin mir sicher, dass das Vieh hier irgendwo ist. Ich spüre das. Ich kann beinah seinen Atem auf meiner Haut spüren.“ Link schüttelte sich bei dem Gedanken und beschrieb sich weiterhin um die eigene Achse drehend einen engen Kreis. Er schaute nervös von einer Seite zur nächsten und versuchte, im Halbdunkeln irgendwelche Konturen eines Angreifers auszumachen, als plötzlich ein Stück vertrockneter Kletterpflanze von der Decke rieselte. Erschrocken riss Link den Kopf in den Nacken und starrte in das riesige, grüne Auge Gohmas. Vor Schreck ließ er seinen Schild fallen und umklammerte mit beiden Händen sein Schwert als wäre es eine Rettungsboje auf hoher See. Navi kreischte panisch und verschwand ganz unter Links Mütze. Als sich die riesige Spinne von der Decke fallen ließ, bebte der Boden leicht beim Aufprall und Link stolperte ängstlich rückwärts. „Was hat der Laubkerl doch gleich gesagt?“ „Ich weiß nicht? Vielleicht so etwas wie: LAUF?!“ Navis Stimme klang vor lauter Panik schrill und vibrierte. „Nein, das war’s nicht.“ Link versuchte, seine Angst hinunter zu schlucken und sprang geschickt zur Seite als Gohma mit einem langen, krallenbewehrten Bein nach ihm schlug. Navi presste sich die Hände auf die Ohren, um das widerliche Kreischen, das Gohma von Zeit zu Zeit ausstieß, nicht hören zu müssen und sich besser konzentrieren zu können. „Ich hab’s! Ihr Schwachpunkt ist ihr Auge, wenn es sich rot färbt.“ Link rollte sich über den Boden ab, um einer weiteren Attacke zu entgehen. „Prima, aber wie bekomme ich das Auge dazu, sich rot zu färben?“ Der nächste Hieb traf Link an der rechten Schulter und er schrie auf. „Verdammt, ich weiß es nicht!“ Navi wimmerte tief in seiner Mütze, umschlang die angezogenen Beine mit den Armen und wiegte sich vor und zurück. So ein Kampf war definitiv nichts für sie und sie fragte sich, warum nicht eine ältere, erfahrenere Fee mit dieser Aufgabe betreut worden war. Sie kam sich unglaublich nutzlos vor, wie sie sich zitternd wie Espenlaub verkroch und Link nicht einmal mit Ratschlägen zur Seite stehen konnte. Durch den dünnen Stoff der Mütze drangen die Kampfgeräusche fast ungedämpft zu ihr. Noch hatte Gohma keinen Volltreffer landen können und hatte selber schon einige Schwertstreiche einstecken müssen, die sie entrüstet hatten quieken lassen, doch Navi spürte, dass Link schwächer wurde. Er schwankte immer mehr und seine Schwerthiebe wurden zunehmend kraftloser. Die junge Fee wurde immer verzweifelter, als ihr plötzlich eine Idee kam: „Die Schleuder!“ „Was?“ Link keuchte wie nach einem Marathonlauf und der Schweiß brannte in seinen Augen. „Versuch dem Mistvieh mit der Schleuder ins Auge zu schießen. Bisher hat es jede deiner Attacken auf sein Auge abgeblockt, aber ich bin mir sicher, ein Angriff mit der Schleuder wäre zu schnell für eine Abwehr.“ Link, der inzwischen beinah vollkommen entkräftet war, steckte sein Schwert griffbereit in den Gürtel und zog die Schleuder, während er rückwärtslaufend den wild schlagenden Beinen Gohmas auswich. Als er mit dem Rücken gegen die Wand stieß, richtete die Spinne sich geradezu höhnisch auf, um dann mit weit aufgerissenem Maul auf den Jungen zuzurasen. „Jetzt oder nie!“ Link kniff die Augen zusammen, betete zu den Göttinnen, der Deku-Kern möge sein Ziel finden, und ließ das breite Gummiband los. Der Kern zerteilte zischend die Luft und traf das giftgrüne Auge der Riesenspinne, wo er Horn- und Netzhaut zerriss. Vor Schmerzen aufschreiend bäumte Gohma sich auf und versuchte, sich das schmerzende Auge zu halten. Durch die langen Krallen an ihren Füßen, machte sie die Verletzung jedoch nur noch schlimmer, indem sie sich den Augapfel fast vollständig aufriss. Kreischend schüttelte sie den riesigen Kopf, wobei dicke Blutstropfen durch die Luft flogen und Link im Gesicht trafen. Schließlich brach die Spinne wimmernd zusammen und entblößte ihr geschundenes, zerfetztes Auge, aus dem sie Tränen aus Blut weinte. Sie krümmte sich vor Schmerzen und sah Link durchdringend an als wollte sie ihn bitten, ihr Leiden schnell zu beenden. Link trat vorsichtig an sie heran, sammelte seine letzten Kräfte und trieb ihr das Schwert bis zum Heft ins Auge. Ein letztes Mal bäumte Gohma sich auf, schrie, kreischte und schlug ihre Krallen durch die Luft, doch dann brach sie endlich in sich zusammen und hauchte ihr Leben aus. Link sackte neben ihr auf den Boden und begann vor physischer und psychischer Erschöpfung zu weinen. Er vergrub das Gesicht in den Händen und schluchzte heftig, als Navi aus ihrem Versteck kroch. „Link... es ist vorbei.“ Sanft legte die Fee ihrem Schützling eine Hand auf die Wange, als er den Kopf hob und sie ansah. Er sah fürchterlich mitgenommen und gequält aus. „So grausam... Warum musste es so grausam sein?“, flüsterte er tonlos, während er sich auf die Füße quälte. Jede Faser seines Körpers schmerzte schrecklich, er war so erschöpft wie noch nie in seinem Leben und seine Tunika hing nur noch in Fetzen an seinem schmalen Körper. Mit einem resignierten Gesichtsausdruck sammelte er seinen achtlos fallengelassenen Schild auf, zog das Schwert aus dem Auge des besiegten Gegners und schleppte sich aus dem Inneren des Deku-Baumes heraus. Er hoffte inständig, dass seine Aufgabe hiermit erfüllt war. Er wollte sich nur noch waschen und schlafen... Kapitel 6: Legenden und tränenreiche Abschiede ---------------------------------------------- Der Deku-Baum blickte stolz auf seinen völlig erschöpften Schutzbefohlenen herab, als Link wieder auf die Lichtung trat. Der Junge schwankte und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Zu gerne hätte der Deku-Baum ihn einfach ins Bett geschickt, doch vor ihm lagen noch große Aufgaben… „Ich danke dir, Link. Du hast Gohma besiegt und den Fluch, der auf mir lastete, aufgehoben.“ Der Junge richtete den gebrochenen Blick seiner trüb wirkenden Augen auf den Waldwächter und berührte zaghaft das Blut der Riesenspinne, das an seiner Wange klebte. „Ich hab mein Bestes getan, ehrwürdiger Deku-Baum.“ Seine Stimme klang spröde und unendlich müde. Erste Zweifel beschlichen den Deku-Baum, ob dieses Kind den Aufgaben gewachsen war, die vor ihm lagen. Denn neben den kommenden Gefahren würde der Kampf gegen Gohma wie ein Spaziergang wirken. Er wollte ihm ein wenig Mut zusprechen und lobte den gebrochen wirkenden Jungen: „Du bist ein wahrer Held.“ Mit einem Mal erwachte das Leben in Link wieder. Er sah den Deku-Baum aus großen, ärgerlich blickenden Augen an und protestierte mit fester Stimme: „Nein! Ich bin kein Held. Ein echter Held hätte einen Weg gefunden, den Fluch zu brechen, ohne diese arme Kreatur so grausam abschlachten zu müssen.“ Navi und der Waldwächter warfen dem Jungen verwunderte Blicke zu. Link hatte Mitleid mit der Spinne, die nur wenige Minuten zuvor versucht hatte, mit ihren langen Krallen seinen Brustkorb zu zerfetzen. Sein Herz war noch weitaus reiner als sie angenommen hatten. „Nein, Link. Ein wahrer Held findet den Mut zu tun, was getan werden muss, auch wenn es ihm in der Seele weh tut – und Gohma musste vernichtet werden. So mitleiderregend sie in ihren letzten Momenten auch gewirkt haben muss, das ändert nichts daran, dass sie eine treue Untergebene des Dämons aus der Wüste gewesen ist.“ „Eben!“ Erneut stiegen Link Tränen in die Augen als er an den Ausdruck in diesem geschundenen Auge dachte, dass ihn so flehend angesehen hatte. „Sie war nur ein Lakai! Sie hat nur getan, wozu man sie gezwungen hat.“ „Niemand hat sie gezwungen, Laubkerle zu massakrieren... So wenig ich diese kleinen Kobolde mag, das haben sie nicht verdient“, warf Navi ein, doch Link ignorierte ihren Einwand einfach und sprach weiter: „Ich hätte nicht sie töten sollen, sondern diesen Mann aus der Wüste, der dahinter steckt!“ „Link, lass ab von diesen Selbstzweifeln“, forderte der Deku-Baum. „Du hast das Richtige getan. Gohma musste gestoppt werden!“ „Aber...“ „Kein Aber. Dafür haben wir keine Zeit.“ Der Schutzpatron holte ächzend Luft und hustete trocken. Link und Navi wechselten ein paar Blicke und schauten dann besorgt zum Deku-Baum auf, während erste Blätter auf sie nieder rieselten. „Ich danke dir sehr, dass du den Fluch gebrochen hast, doch du kamst zu spät. Ich habe meine Kraft falsch eingeschätzt. Ich dachte, ich könnte länger standhalten und wollte dir so viele unbeschwerte Tage wie möglich lassen, denn dir steht noch einiges bevor. Hör mir zu: Vor vielen, vielen Jahren erschufen die drei Göttinnen Nayru, Farore und Din diese Welt. Die feurige Din formte unsere Erde, die kühle Nayru spendete Luft und Wasser und die liebliche Farore erschuf sämtliche Lebensformen. Nachdem ihr Werk vollendet war, vereinigten sie ihre Kräfte in dem heiligen Triforce und zogen gen Himmel.“ Der Deku-Baum holte erneut rasselnd Luft und Navi legte besorgt die Stirn in Falten. Inzwischen lagen beinah mehr Blätter auf dem Boden als noch an den Zweigen hingen – und dabei verlor der Deku-Baum seine Blätter nicht einmal im Winter. „Der Dämon trachtet nach dem Triforce und um seine finsteren Pläne umsetzen zu können, benötigt er den Schatz des Waldes. Meine Aufgabe war es, über diesen Schatz zu wachen, doch nun übergebe ich ihn an dich.“ Wieder fiel ein Schwall Blätter zu Boden, als der Deku-Baum hustete. „Nimm den Schatz und begib dich zum Schloss Hyrule.“ Schloss Hyrule? Link war wie vom Blitz getroffen und die folgenden Worte drangen nur undeutlich an seine Ohren. „Dort wirst du die Prinzessin treffen. Sie wird dich als einen Gleichgesinnten erkennen und dir deinen weiteren Weg offenbaren.“ „Aber ich kann den Wald nicht verlassen! Kein Kokiri kann das“, warf Link ein, als er seine Gedanken endlich wieder ordnen konnte. „Du wirst es können. Vertrau mir. Navi wird dich begleiten. Ich glaube an dich...“ Mit letzter Kraft teilte der Deku-Baum seine mächtige Blätterkrone und gab so den Blick auf einen schimmernden, goldgefassten Edelstein frei, bevor er seinen letzten Atemzug tat. Link schlug betreten die Augen nieder und Navi schluchzte leise an seiner Seite, bevor sie zwischen die trockenen, inzwischen fast kahlen Zweige des toten Wächterbaumes flog und den blitzenden Stein barg. Vorsichtig legte sie ihn in Links Hände und wischte sich mit der flachen Hand Tränen aus dem Gesicht. „Der Kokiri-Smaragd. Einst war er der Kettenanhänger der Göttin Farore. Ich hoffe, du bist dir der Verantwortung bewusst, die der Deku-Baum hiermit auf dich übertragen hat.“ Link nickte, warf einen letzten Blick auf den toten Körper des Waldwächters und machte sich auf den Weg zurück ins Dorf. Er musste packen und sich von Salia verabschieden, denn er würde für eine lange Zeit fort sein. Schon auf dem Weg zurück ins Dorf kamen ihm aufgeregte Kokiri entgegen, die das rasante Welken des Deku-Baumes bemerkt hatten und nach dem Rechten sehen wollten. Link wich ihnen so geschickt aus wie es seine schmerzenden Glieder ermöglichten, wurde aber dennoch ein paar Mal angerempelt und zu Fall gebracht. Als er den ersten Schritt auf das Dorfgelände tat, wurde er plötzlich am Kragen gepackt, herumgerissen und unsanft gegen eine Felswand geschleudert. Er stöhnte vor Schmerzen leise auf und versuchte, die Sternchen, die vor seinen Augen tanzten, wegzublinzeln. „Was hast du mit dem Deku-Baum gemacht?“ Midos Stimme bebte vor Zorn, während er Link noch immer am Kragen hielt und seinen Ellenbogen auf dessen Brust presste. Halbherzig versuchte Link sich aus Midos Griff zu befreien und verteidigte sich müde: „Ich hab gar nichts getan. Das ist nicht meine Schuld.“ Mido nahm ein wenig Gewicht von Links Brust und drehte sich zu den Kokiri-Mädchen um, die in diesem Augenblick zurückkamen. Eines der drei sank in das hohe Gras und begann heftig zu weinen, während sich die anderen beiden schutzsuchend in den Armen hielten. „Was ist los?“ Besorgt musterte Mido die Gesichter der Mädchen, die ihn aus großen, ängstlichen Augen ansahen. „Der Deku-Baum... ist... ist... Der Deku-Baum ist tot“, schluchzte das im Gras kniende Mädchen, dessen Fee mit hängenden Schultern neben ihm schwebte. Blitzartig drehte Mido sich wieder zu Link und schlug ihm mit der Faust gegen das Kinn. Links Kopf schnellte herum und prallte gegen die Felswand. Für einen kurzen Moment wurde es dunkel um ihn herum, doch dann begann der Anführer der Kokiri ihn zu schütteln und wüst zu beschimpfen, bis Navi dazwischen ging. Sie nahm all ihre Kraft zusammen und schlug Mido mit der flachen Hand ins Gesicht. Obwohl der Rotschopf die Ohrfeige kaum gespürt hatte, ließ er von Link ab, der an der Felswand zu Boden rutschte, und starrte die Fee an. Navi legte alle Autorität, die sie aufbieten konnte, in ihre zarte Stimme und schrie Mido an: „Du verfluchtes Spatzenhirn! Lass deine Tatschgriffel von Link!“ „Aber er hat den Deku-Baum umgebracht!“ „Du Idiot! Glaubst du im Ernst, ich würde ihn in Schutz nehmen, wenn ich gerade mitangesehen hätte, wie er den Deku-Baum getötet hat?!“ Erste Zweifel schlichen sich in Midos Züge und er schien vor der wütend mit den Flügeln schlagenden Fee zu schrumpfen. „Ja... Nein... Aber er war der Einzige, der da war als es passiert ist...“ „Und das macht ihn gleich zum Mörder? Oh, du... du…“, Navi starrte Mido mit einem mordlustigen Gesichtsausdruck an. „Kapierst du denn gar nichts, du Dorftrottel? Der Deku-Baum wusste, dass er sterben würde und hat Link deswegen zu sich gerufen, um ihn mit einer wichtigen Aufgabe zu betreuen. Und jetzt geh uns aus dem Weg!“ Mit einer arroganten Geste warf Navi ihr langes Haar über die Schulter und reckte das Kinn in die Höhe. Link bewunderte sie für ihren Löwenmut und folgte ihr langsam, während er versuchte, das Gemurmel der inzwischen fast vollständig versammelten Kokiri zu überhören. Keiner hatte seine zerrissenen Kleider und Wunden bemerkt und niemand hatte Zweifel an Midos Verdacht geäußert. Wieder einmal fühlte er sich schrecklich alleine und fragte sich, ob er tatsächlich hierhergehörte oder ob sein Platz irgendwo anders war. Zuhause angekommen wusch er sich schnell aber gründlich, stopfte alle Kleider aus seinem Schrank und alles Essen, das er finden konnte, in seinen Wunderbeutel und eilte wieder aus dem Haus, um sich von Salia zu verabschieden. Doch so sehr er auch suchte, er konnte Salia nicht finden. „Vielleicht ist sie in die Verlorenen Wälder gegangen. Sie hat mir mal von einer Lichtung erzählt, auf der sie sich gerne aufhält...“, überlegte er, doch Navi drängte ihn zur Abreise: „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir müssen verhindern, dass dieser Mann aus der Wüste noch mehr Unheil anrichtet. Ich kann ja verstehen, dass es dir wehtut, deine Freundin wortlos zu verlassen, aber das Schicksal Hyrules geht vor!“ Link nickte traurig, warf einen letzten Blick auf Salias Haus und verließ das Dorf. „Hast du Angst?“, fragte Navi ihn, während sie die angrenzenden Wälder durchquerten. „Nein. Ich bin aufgeregt, was mich als Nächstes erwartet und ich hab ein mulmiges Gefühl, weil ich den Wald verlassen muss. Es heißt, alle Kokiri, die den Wald verlassen, müssten sterben. Aber ich vertraue auf die Worte des Deku-Baumes. Wird schon schiefgehen.“ „Mit Sicherheit.“ Für den Rest des Weges schwiegen die beiden Reisenden, bis sich die Bäume lichteten. „Nur noch über diese Hängebrücke und durch die Baumreihen da vorne, dann betreten wir die hylianische Steppe“, erläuterte Navi, aber Link hörte ihr gar nicht zu. Sein Blick klebte wie paralysiert an Salia, die auf der Brücke stand und auf ihn wartete. „Ich hab mir gedacht, ich geh schon einmal vor. Ich mag keine Abschiede – und schon gar nicht vor so vielen Menschen.“ Langsam ging Link auf sie zu und nahm ihre Hände in seine. „Ich hatte dich schon gesucht. Ich wollte nicht einfach so gehen, aber die Zeit drängt.“ „Ich weiß. Ich will dich auch gar nicht lange aufhalten. Ich wollte dir nur etwas geben, damit du ein Andenken an mich hast und mich nicht vergisst.“ „Ich brauche kein Andenken, um mich an dich zu erinnern.“ Link lächelte sie liebevoll an, doch Salia wandte das Gesicht ab, damit er nicht sah, dass Tränen in ihren Augen schimmerten. „Ich möchte es dir aber schenken. Vielleicht möchte ich auch einfach nur, dass du etwas von mir bei dir trägst.“ Mit diesen Worten holte sie eine tönerne Okarina aus ihrer Tasche und legte sie in Links Hände. „Wann immer du auf dieser Okarina spielst, sollst du an mich denken. Sie bedeutet mir viel. Und nun... leb wohl.“ Obwohl sie sich große Mühe gab, sich ihren Schmerz nicht anmerken zu lassen, zitterte ihre Stimme leicht. „Salia...“ Vorsichtig ging Link noch einen Schritt auf sie zu, um sie tröstend in den Arm zu nehmen, doch sie wehrte ab. „Geh!“ Noch immer stand Link wie versteinert da und sah sie an. Als sie den Kopf hoch riss, liefen ihr erste Tränen über die Wangen. „Jetzt hau endlich ab!“, schrie sie ihn an und Link spürte plötzlich deutlich ihren Schmerz. Mit Tränen in den Augen drehte er sich ruckartig um und rannte über die Brücke davon, bis er in den Bäumen verschwand. „Ich werde immer an dich denken“, versprach er Salia flüsternd, während er sich durchs Unterholz kämpfte. Kapitel 7: Unterwegs in der hylianischen Steppe ----------------------------------------------- Als Link durch die letzten Baumreihen hindurch seinen ersten Schritt auf die hylianische Steppe tat, verschlug es ihm beinah den Atem. Vor ihm breitete sich weites Grasland wie ein dicker, grüner Teppich aus, vereinzelte Bäume schossen majestätisch in die Höhe und über ihm erstreckte sich ein endlos erscheinender, tiefblauer Himmel, über den fluffige Wolken trieben. Mit großen, staunenden Augen ließ er seinen Blick über den Horizont gleiten. In breiten, goldenen Bahnen schickte die Sonne ihre Strahlen über die endlos wirkende Ebene. „Wow, das ist ja riesig!“ Langsam trat er aus dem Schatten der Bäume heraus und genoss die prickelnde Wärme der Frühlingssonne auf seiner Haut. Er schloss die Augen und sog die duftgeschwängerte Luft tief ein. Es war als würde sich plötzlich ein fehlendes Puzzlestück einfügen und er fühlte sich auf einmal so wohl wie noch nie in seinem Leben. Er fühlte sich zuhause. Er holte noch einmal tief Luft und schaute Navi, die ähnlich überwältigt wirkte, verträumt an. „Es ist wunderschön hier.“ „Ja, da hast du Recht. Aber wir sollten uns trotzdem beeilen, damit wir die Stadt noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen.“ Link nickte und machte sich auf den Weg, die heimischen Wälder hinter sich zu lassen. Mit entschlossenen Schritten marschierte er den leicht bergigen Weg entlang, als er plötzlich ein lautes Rascheln in einem Baum neben ihm hörte. Erschrocken drehte er sich um und zog instinktiv sein Schwert. „Du bist also der junge Held, der die Spinnenkönigin Gohma besiegt hat“, stellte eine tiefe, überraschend angenehm klingende Stimme fest. Als Link ihren Ursprung entdeckte, machte der Junge einen Satz nach hinten. Eine sprechende Eule?! Link klappte der Mund auf und er ließ beinah seine Waffe fallen, während er zur Baumkrone hochstarrte. „Du bist tatsächlich sehr jung, vielleicht zu jung... Aber das werden wir noch sehen. Begib dich jetzt zum Schloss. Die Prinzessin wartet sehnsüchtig auf deine Hilfe.“ Mit diesem Worten schwang sich die gigantische Eule in die Lüfte und entfernte sich mit lauten Flügelschlägen. Link blieb mit noch immer offen stehendem Mund zurück und blickte dem Vogel hinterher. „Was war das?“, fragte er Navi schließlich, als er seine Stimme endlich wiedergefunden hatte. „Ich weiß es nicht genau. Aber wenn ich mich recht erinnere, erzählte der Deku-Baum mal von der Eule des Rauru.“ „Rauru?“ „Einer der sieben Weisen, die einst den Zugang zum Heiligen Reich versiegelten. Als Heiliges Reich bezeichnet man den Ort, an dem das Triforce aufbewahrt wird. Niemand weiß, wo es ist, und nur wenige Auserwählte wissen, wo sich der Zugang befindet.“ Ein letztes Mal warf Link einen Blick in die Richtung, in die das riesige Federvieh verschwunden war und setzte dann seinen Weg fort. In der Ferne zeichneten sich die hellen Stadtmauern Hyrules gegen die langsam einsetzende Dämmerung ab, doch lange bevor Link und seine Begleiterin das Stadttor erreichten, hatte sich bereits Nacht über die hylianische Steppe gesenkt. Die beiden Wanderer suchten Schutz unter einer stämmigen Eiche, deren ausladenden Äste wie ein Dach gegen Regen wirkten. Link lehnte sich gegen den Baumstamm, zog seine Stiefel aus und massierte sich die Füße, während Navi sich in seiner abgesetzten Mütze einrollte. Mit einem herzhaften Gähnen legte auch Link sich hin und zog die Beine an, um zumindest ein klein wenig Schutz gegen die Kälte zu haben, die mit Einsetzen der Nacht Einzug hielt. Er war schon in das Land der Träume abgedriftet und schnarchte leise, als ein unheimliches Klappern ihn aufschrecken ließ. Mit einem Ruck setzte er sich auf und tastete in der Dunkelheit nach seinem Schwert, während das Geräusch immer näher kam. Plötzlich trat eine Gestalt aus dem Schatten des Baumes heraus und beäugte Link, dem sich ein Schrei die Kehle hochdrückte, aus glühendroten Augen. Das wandelnde Gerippe schimmerte im fahlen Mondlicht in einem hellen Weiß, das seine Erscheinung noch unheimlicher machte. Panisch riss Link Stiefel und Mütze an sich und zückte sein Schwert, während die überraschte Navi missbilligend quiekte, als sie gegen den Zeh eines weiteren Skeletts rollte. Schnell schoss sie auf Link zu, der auf die Füße sprang, den Rücken gegen den breiten Baumstamm presste und das Schwert abwehrend vor sich hielt. Mit wenigen harten Schwertstreichen waren die ersten Angreifer niedergestreckt, doch die nächsten Knochengerüste rückten schon an. „Ich befürchte, das hat keinen Sinn, Link“, murmelte Navi, während sie die nicht enden wollende Angreiferflut beobachtete. „Was schlägst du vor?“, keuchte der Junge, dem die Anstrengungen des zurückliegenden Tages deutlich ins Gesicht geschrieben waren. „Nimm die Beine in die Hand und renn!“ „Toller Plan...“ Navi zuckte mit den Schultern und flog los Richtung Hyrule-Stadt. Mit einem wilden Kampfschrei schlug sich Link eine Schneise durch die Skelettreihen und rannte seiner Fee hinterher, während die ersten Sonnenstrahlen im Morgentau glitzerten. Laut klappernd verfolgten die Gerippe die beiden Fliehenden und Links Beine wurden vor Erschöpfung bleiern und schwer. Er begann zu straucheln und zu stolpern und stürzte in den Staub, gerade als sich ein besonders großer Angreifer auf ihn stürzen wollte. Instinktiv riss er seine Klinge hoch, doch er durchschnitt nur die Luft. Resigniert kniff er die Augen zusammen und machte sich auf die Schmerzen gefasst, aber es passierte nichts. Ängstlich hob er die Lider und riss überrascht die Augen auf. Das Morgenlicht hatte das Skelett erreicht und ließ es langsam zu Staub zerfallen. Link setzte sich auf und atmete vor Erleichterung tief durch. Navi ließ sich vor ihm auf den staubigen Boden nieder und deutete hinter ihn. „Dieser nächtliche Besuch mag unangenehm gewesen sein, aber er hat uns unglaublich voran gebracht.“ Link drehte sich um und zuckte angesichts der Stadtmauern aus seinem Traum unwillkürlich zusammen. Laut krachend wurde gerade die Zugbrücke herabgelassen. Navi setzte sich auf Links Schulter und strahlte ihn an. „Auf, auf! Lass uns Hyrule erkunden. Vielleicht haben wir ja Glück und finden eine Gaststätte, in der wir noch ein wenig schlafen und frühstücken können.“ Kapitel 8: Stadtleben --------------------- Die Beiden traten durch das an beiden Seiten von hohen Türmen aus weißem Stein gesäumte Tor in die Stadt. Link zog die Schultern ein wenig nach vorne und blickte sich beinah ängstlich um. In seinem ganzen Leben war er nie aus dem kleinen, beschaulichen Dorf im Wald heraus gekommen und fühlte sich angesichts der hohen Mauern Hyrules, der vielen, eng beieinanderstehenden Häuser und der schieren Menschenmassen unglaublich befangen. Von Ferne hörte man schon das laute Getümmel des Marktplatzes. „Wo wollen wir überhaupt hingehen?“, fragte er Navi, die aufgeregt durch die Luft flatterte. Ihr schien der ganze Rummel zu gefallen, ihn machten die unzähligen Straßen und Seitengassen orientierungslos. „Ich denke, wir sollten erst einmal ins Zentrum und von da in eine Seitengasse abbiegen. Da sollten sich einige Gaststätten befinden, die nicht vollkommen überteuert sind.“ Link blieb wie angewurzelt stehen und starrte Navi an. Daran hatte er ja noch gar nicht gedacht! „Was hast du?“ Besorgt legte die Fee den Kopf schief und sah Link mit kraus gezogener Stirn an. „Nichts. Ich frage mich nur, von was wir das Zimmer bezahlen sollen. Ich hab meine ganzen Ersparnisse für den Schild ausgegeben.“ „Das ist kein Problem.“ Navi grinste wie ein Honigkuchenpferd und deutete auf den ledernen Wunderbeutel. „Da sind ein paar rote Rubine drin. Ich hatte mir gedacht, dass sie nützlich sein könnten.“ Link grinste zurück und setzte sich wieder in Bewegung. „Du überrascht mich immer wieder.“ Nach einigen Metern betraten die Beiden den riesigen, auf einem runden Platz angelegten Markt. Das bunte Treiben verschlug Link die Sprache und machte ihm beinah mehr Angst als alle Monster, denen er bisher begegnet war, zusammen. An unzähligen Ständen drängten und schubsten sich die Menschen, feilschten und brüllten laut, um die anderen zu übertönen, die im Gegenzug nur noch lauter riefen. Fleißige Burschen huschten geschäftig zwischen Ständen und Lagern hin und her und schleppten schwere Säcke mit frischen Waren an, während Mägde mit geröteten Wangen und Hausfrauen in einfachen Kleidern aus bunten Stoffen von einem Stand zum nächsten eilten und versuchten, die besten Angebote zu erhaschen. Zwischen diesem Urwald aus umherflitzenden Beinen rannten und lachten Kinder, die fangen oder verstecken spielten und dabei von laut kläffenden Hunden begleitet wurden. „Was für ein fürchterliches Durcheinander...“ Link ließ seinen Blick über den Platz schweifen und konnte nur mit Mühe den Reflex unterdrücken, schreiend davonzulaufen. „Fürchterlich? Nein. Herrlich! Ein herrliches Durcheinander. Hier pulsiert das Leben!“, widersprach Navi fröhlich und ihre Stimme klang dabei wie ein Glockenspiel. Link rümpfte die Nase, erwiderte aber nichts. Stattdessen hielt er Ausschau nach einer Gaststätte, um endlich eine anständige Mütze Schlaf nehmen zu können. Navi las ihm seine Gedanken an den tiefdunklen Ringen unter seinen Augen ab und führte ihn in eine enge Seitengasse, in der sich eine Schankstube an die nächste reihte. Nach einigem Suchen fanden sie tatsächlich eine Gaststätte, in der sie ein Zimmer beziehen konnten. Einige andere Hotels hatten sie abgewiesen, da sie nicht an ein Kind vermieten wollten. Navi, die sehr hitzköpfig sein konnte, hatte sich mit einem Besitzer beinahe angelegt, nachdem er Links Anfrage abgelehnt hatte. Nur mit Mühe hatte Link sie fangen und aus der Stube tragen können. Doch jetzt folgten sie der molligen Wirtin, die Link sein Zimmer zeigen wollte, in den ersten Stock und lächelten zufrieden. Die alten, ausgetretenen Treppenstufen knarrten leise unter jedem Schritt als wollten sie protestieren, dass sie auch nach so vielen Jahren noch immer derart viel Gewicht zu tragen hatten. Vor dem dritten Raum auf der linken Seite blieb die Wirtin, eine blonde Frau in den mittleren Jahren, stehen und lächelte Link, der sich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten konnte, warm zu. „So, Kleiner, hier ist dein Zimmer. Hier kannst du dich von deiner langen Reise erholen. Wenn du später etwas essen möchtest, komm einfach runter in die Küche und ich zaubere dir etwas Feines.“ „Vielen Dank.“ Link lächelte zu der mütterlichen Frau hoch und verschwand dann in das ihm zugewiesene Zimmer. „Hübsch hier.“ Navi flog direkt zur Fensterbank, wo sie sich zwischen scharlachroten Topfblumen in der Sonne niederließ und die Wärme auf der Haut genoss. Link trat vor den Kamin, in dem die Überreste eines Feuers zu sehen waren, und wünschte sich, die verkohlten Holzreste würden noch immer vor sich hin glimmen und ein wenig Wärme abstrahlen. Die Müdigkeit und Erschöpfung waren inzwischen so übermächtig, dass er fröstelte, obwohl der Frühsommer bereits große Hitze mit sich gebracht hatte. Wenige Herzschläge später drehte er sich seufzend um, nahm Schild und Schwert ab, öffnete den Gürtel und legte alles zusammen mit seiner Mütze auf den kleinen, runden Tisch in der Mitte des Raumes. Dann trat er langsam an das weich aussehende Bett mit dem nachtblauen Überwurf, zog sich die Tunika über den Kopf und kroch nur in Unterwäsche unter die Decke. Kaum hatte sein Kopf das Kissen berührt, sank er auch schon in tiefen, traumlosen Schlaf. Als er die Augen wieder aufschlug, war es bereits Nachmittag. Die Sonne hatte ihren Zenit überschritten und die Schatten wurden langsam länger. Link setzte sich auf, reckte sich und sprang beschwingt aus dem Bett. „So gut habe ich lange nicht mehr geschlafen“, verkündete er Navi, die bereits auf ihn wartete und neben seinen Waffen auf dem Tisch saß. Schnell machte er sein Bett, kleidete sich an, nahm seine Waffen wieder an sich, steckte seine Mütze griffbereit in den Gürtel und begab sich in die Küche, wo es herrlich nach frischem Essen duftete. „Ah, Link. Schon wieder wach?“ Die Wirtin lächelte ihn liebevoll an und trat neben ihn, um ihm in einer mütterlichen Geste über den Kopf zu streicheln. Link errötete leicht und versuchte, sich unter ihrer Berührung hinweg zu ducken, ohne unhöflich zu wirken. „Möchtest du etwas essen? Ich habe vorhin frisches Brot gebacken, das solltest du unbedingt probieren. Außerdem sind noch Kartoffeln und Schnitzel vom Mittagessen übrig.“ Sie legte ihm eine Hand auf den Rücken und schob ihn bestimmt zu einem Stuhl an einem in der Nähe stehenden Tisch. „Setz dich.“ Nachdem Link einen riesigen Berg Kartoffeln mit einem etwas zu zähen Schnitzel verputzt hatte und sich von der Wirtin ein großes Paket mit frischem Brot und Käse hatte aufschwatzen lassen, hatte er seine Rechnung bezahlen wollen, doch die Wirtin hatte bloß abgewinkt. Deswegen hatte er lediglich seine Mütze aufgesetzt und sich auf den Weg Richtung Schloss gemacht. Nun stand er wieder auf dem unruhigen Marktplatz, auf dem noch immer erbittert um die letzten Waren gestritten wurde, und dachte über sein weiteres Vorgehen nach. „Vermutlich werden wir uns reinschleichen müssen. Ich glaube nicht, dass uns die Wachen einfach reinlassen, wenn wir sagen, dass wir Prinzessin Zelda sehen wollen“, mutmaßte Navi, während sie neben Link über den Marktplatz schwebte. „Das wäre ja auch zu schön“, seufzte dieser und blickte hinauf zu den hohen Türmen des Schlosses. Plötzlich lachte neben ihm ein junges Mädchen und Link fuhr heftig zusammen. Das Mädchen sah ihn aus großen, blauen Augen an und nestelte gedankenverloren an seinem weißen Kleid aus grobem Leinen, während sein hüftlanges, rötlichbraunes Haar von einer sanften Brise bewegt wurde. Link blickte ein wenig verlegen zurück und das Mädchen lachte erneut. „Was bitte ist so lustig?“, fragte Navi latent gereizt. Die junge Brünette schaute sie überrascht an. „Beachte Navi gar nicht. Es hat ihr leider nie jemand Manieren beigebracht.“ Navi trat Link leicht gegen die Schulter und verzog schmollend den Mund, während das Mädchen erneut lachte. „Ich wusste gar nicht, dass Feen sprechen können.“ „Doch, sie können es – leider.“ Link grinste und stupste die wütend funkelnde Fee an. „Du siehst aus, als hättest du dich verlaufen, Feen-Junge.“ „Bitte?“ Verwirrt schaute der Junge seine neue Bekanntschaft an. „Du wirkst als würdest du dich unwohl fühlen zwischen all den Menschen.“ „Ja, da könntest du Recht haben. Da, wo ich herkomme, gibt es solche Menschenmassen nicht.“ „Wo kommst du denn her?“ „Aus dem Wald im Süden.“ „Aus dem Kokiri-Wald?!“ Link nickte und das Mädchen brach in schallendes Gelächter aus. „Du bist wirklich ein lustiger Zeitgenosse.“ Link zog irritiert die Augenbrauen zusammen, weil er nicht verstand, was an seiner Antwort so amüsant gewesen sein sollte, aber sein Gegenüber ließ ihn gar nicht mehr zu Wort kommen: „Ich bin übrigens Malon. Und du?“ Das Mädchen streckte ihm eine Hand entgegen, die Link nach einem kurzen Zögern ergriff. „Link. Freut mich, dich kennen zu lernen, Malon.“ „Link? Hm... Also Feen-Junge gefällt mir besser. Ich glaub, dabei werde ich bleiben.“ „Das ist... äh... schön, aber ich muss jetzt leider weiter.“ „Mach’s gut, Feen-Junge!“, rief Malon ihm hinterher, als er sich mit großen Schritten entfernte und Richtung Schloss eilte. Navi blickte noch immer sauer und brummte: „Unser Link ist ein Frauenheld. Wer hätte das gedacht?“ Link streckte ihr die Zunge raus und warf ihr einen amüsierten Seitenblick zu. „Ich frage mich bloß, was daran so lustig gewesen sein soll, dass ich gesagt habe, dass ich aus dem Kokiri-Wald komme.“ Navi seufzte und richtete ihre Augen auf einen imaginären Punkt in weiter Ferne. „Normale Hylianer können den Wald nicht betreten, ohne ihr Leben auszuhauchen. Hylianer, die sich in den Kokiri-Wald verirren, werden mit einem Fluch belegt und in Pflanzen verwandelt.“ Link riss erschrocken die Augen auf und starrte Navi an, die geistesabwesend in die Ferne schaute. Der Schreck über die Grausamkeit des Fluches lenkte ihn sogar davon ab, dass er sich über die Formulierung normale Hylianer gewundert hatte. Bis sie das Schloss erreichten, sprachen die Beiden kein Wort mehr und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Navi erinnerte sich an jenen schmerzerfüllten Tag, an dem eine junge Mutter sich mit ihrem Baby vor dem damals wild tobenden Krieg in den Wald geflüchtet hatte, und Link dachte mit schwerem Herzen an Salia, die er schrecklich vermisste. Kapitel 9: Im Schloss --------------------- Als sie das Schloss erreichten, hatte sich bereits die Dämmerung herabgesenkt und abendlicher Nebel schwebte kurz über dem Boden. „Das Wetter kommt uns gelegen“, überlegte Navi, während Link nach einer Möglichkeit suchte, das große Eingangstor zu umgehen. „Bei dem Nebel dürfte es den Wachen schwer fallen, uns auszumachen.“ „Das werden wir gleich sehen.“ Link deutete auf eine kräftige Kletterpflanze an der Wand, an der man bis zu einem Felsvorsprung hochklettern konnte. So schnell er konnte erklomm er die Felswand und schlich über das Mauerwerk des Tors, doch in diesem Moment stieg gerade ein Soldat, der seine Pause mit einem Tee versüßen wollte, die Leiter im Dach des Tors zum Pausenraum herab und entdeckte den Jungen. Unsanft wurde Link herausgeworfen und stürzte in den Dreck, während Navi dem Wachmann einen Schwall Schimpfworte hinterherschickte. Frustriert klopfte Link den Schmutz aus seinen Kleidern und schlurfte mit finsterer Miene wieder in Richtung Stadt davon. „Ich vermute, ein zweiter Versuch hat heute keinen Sinn mehr. Denn jetzt sind die Wachen vorgewarnt.“ Wütend trat er gegen einen herumliegenden Stein, der mit einem lauten Krachen knapp neben einem Kopf mit rotbraunem Haar gegen die Felswand knallte. „Malon! Entschuldige bitte! Ich hab dich gar nicht gesehen.“ Erschrocken eilte Link auf seine neue Bekannte zu, die lässig an der rauen Steinwand lehnte. „Kein Problem.“ Das Mädchen lächelte ihn herzlich an. „Du versuchst ins Schloss zu kommen?“ Link nickte und guckte deprimiert. „Ja, aber das kann ich mir jetzt wohl abschminken.“ Malon legte den Kopf schief und überlegte kurz. „Ich werde dir helfen, aber dafür musst du mir einen Gefallen tun. Mein Vater ist heute Morgen aufgebrochen, um Milch auszuliefern, und ist bis jetzt noch nicht zurückgekehrt. Ich bin mir sicher, er ist mal wieder irgendwo eingeschlafen. Deswegen bitte ich dich darum, Ausschau nach meinem Vater zu halten, wenn du da drin bist, und ihn nach Hause zu schicken, wenn du ihn findest. Hier, nimm dies. Es wird dir bei meinem Vater gute Dienste leisten.“ Malon kicherte leise und reichte Link ein schlafendes Huhn. „Sobald die Sonne aufgeht, wacht dieses kleine, fleißige Tierchen auf und kräht dann auf Befehl. Du musst ihm einfach nur den Hals kraulen.“ Plötzlich beugte sich das Mädchen vor, hauchte dem verblüfft aus der Wäsche guckenden Link einen Kuss auf die Wange und lief dann zum Tor, um die Wachen in ein Gespräch zu verwickeln. Link steckte das schlafende Tier in seinen Wunderbeutel und hoffte, dass ihm das nicht schadete. Sobald er den Felsvorsprung erreicht hatte, befreite er das Huhn wieder aus dem Ledersack, tastete sich leise weiter und sprang in die Tiefe. Geschickt rollte er sich auf dem Boden ab, wobei er das Federvieh mit seinem Körper vor Verletzungen schützte, und schlich durch den weitläufigen Park auf das riesige Schlossgebäude zu. Schon von weitem konnte er die großen Holzkisten mit dem aufgedruckten Kuhkopf sehen, die vor dem Bediensteteneingang abgeladen worden waren. Neben dem Rinderkopf prangte auf jeder Seite in dicken, braunen Lettern das Wort „Lon-Lon-Farm“. Link schlich um die Kisten herum und entdeckte einen großen, dickbäuchigen Mann in blauer Latzhose, der sich auf dem Boden zusammengerollt hatte und in tiefen Schlaf gesunken war. „Das ist wohl der Vater des Mädchens“, vermutete Navi, die bei diesem Anblick angewidert die Nase kraus zog. „Na, dann werden wir ihn doch mal wecken.“ Vorsichtig setzte der Junge das ihm anvertraute Huhn ab und trat an den Schlafenden heran, um ihn ordentlich zu schütteln. „Hey! Aufstehen!“, befahl er flüsternd, doch sein Gegenüber zeigte keinerlei Reaktion und schnarchte munter weiter. Link begann den Mann so heftig zu rütteln, dass dessen Zähne aufeinander schlugen, doch noch immer blieb sein Unterfangen ohne Erfolg. Resignierend ließ er den Schlafenden wieder auf den Boden sinken und sah Navi keuchend an: „Offensichtlich hatte Malon Recht und wir brauchen das Huhn, um ihren Vater zu wecken.“ „Richtig... Das wacht aber erst im Morgengrauen auf. Was machen wir so lange?“ „Schlafen.“ Navi entgleisten sämtliche Gesichtszüge und sie starrte ihren Begleiter wütend an: „Was?! Aber dadurch verlieren wir nur unnötig Zeit! Du bewegst jetzt sofort deinen Hintern in dieses Schloss!“ „Jetzt reg dich ab, Navi. Malons Vater liegt im Weg, deswegen müssen wir wohl warten, bis er weg ist.“ Link begann, sich einen windgeschützten Platz zwischen den Kisten zu suchen. „Der Mann liegt im Weg? Ach ja?“ Die Fee zog abfällig blickend die rechte Augenbraue in die Höhe und schaute zum Bediensteteneingang rüber. Link folgte ihrem Blick, rollte sich dann aber gähnend zwischen den Kisten zusammen. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich einfach durch diese Tür spazieren kann: ‚Guten Tag, ich bin Link. Ich möchte Prinzessin Zelda sehen, aber keine Angst, ich habe keine unlauteren Absichten.’ Ja, klar...“ Navi ließ sich neben ihm auf dem Boden nieder. „Ja, da hast du vermutlich Recht“, überlegte sie, während sie auf der Unterlippe kaute. „Wie sieht dein Plan aus?“ „Siehst du den Abwasserschacht dort drüben?“ Link deutete über den Schlossgraben und Navi verzog angewidert das Gesicht. „Da flieg ich nicht durch!“ „Wirst du wohl müssen.“ „Hmpf!“ „Aber keine Angst: Wie es aussieht ist das lediglich der Abfluss für die künstlichen Gewässer der Innenhöfe – nicht für die königlichen Toiletten.“ Link kicherte leise bei dem Gedanken daran, Navi bei Gelegenheit mal in ein Kanalisationsrohr zu werfen, und schlief ein. Die Sonne schickte ihre ersten, goldenen Strahlen über die saftigen, grünen Wiesen des Schlossparks, erfasste das Schloss selbst und ließ die in den Steinen des Mauerwerks eingeschlossenen Minerale glitzern, sodass es aussah als wären die Mauern mit Edelsteinen besetzt. Langsam tasteten sich die Sonnenstrahlen weiter und erreichten schließlich das junge Huhn, das gegen Link gelehnt zwischen den Kisten noch immer schlief. Das Sonnenlicht breitete sich wie eine Decke über das ganze Gelände aus und während Link sich noch einmal wohlig seufzend umdrehte und weiterschlummerte, begannen die Augenlider des Huhnes zu flattern. Mit einem ohrenbetäubenden Gackern schlug es die klaren, schwarzen Augen auf und riss damit Link, Navi und den dickbäuchigen Milchbauern aus dem Schlaf. Der Junge sprang vor Schreck mit einem Satz auf die Beine und starrte ungläubig das Huhn an, das – nun wieder still – fröhlich durch die Gegend lief. „Heiliger Deku!“, stammelte auch Navi, die auf Links Brust geschlafen hatte und beinah in den Schlossgraben gepurzelt wäre, als der Junge so überstürzt auf die Füße gesprungen war. Lediglich der schwarzhaarige, fast kahle Mann schien von der Lautstärke des zierlich aussehenden Huhns kein Stück überrascht zu sein. Er reckte sich und kniete sich dann vor das Federvieh, das sich bereitwillig von ihm kraulen ließ. „Na, Krawall, wie bist du denn hierhergekommen?“ Der Mann schaute zu Link und Navi herüber und grinste die beiden breit an: „Seid gegrüßt. Ich bin Talon. Malon hat euch geschickt, richtig?“ „Ja, Sir.“ Link nickte steif und kam sich fürchterlich lächerlich dabei vor. Navi seufzte und verdrehte die Augen: „Ja, Ihre Tochter hat uns geschickt. Die Arme macht sich fürchterliche Sorgen um ihren stinkfaulen Vater, der es nicht einmal schafft, einen so einfachen Job wie eine Milchlieferung abzuschließen, ohne dabei in einen Tiefschlaf zu fallen, auf den selbst Tote neidisch wären!“ Link blickte die Fee, deren ganze Körperhaltung Feindseligkeit ausdrückte, mit weit aufgerissenen Augen an. Talon starrte ebenfalls eine Zeit lang in Navis wütend glitzernden Augen, schnappte sich dann das junge Huhn und rannte in einem Affenzahn davon. Link schaute ihm ein wenig hinterher und begann dann, die beiden Kisten zu verschieben, bis eine von ihnen ein Stück weit über die Kante des Schlossgrabens hing und kletterte auf sie. Dann holte er einmal tief Luft, konzentrierte sich, nahm auf der Kiste so viel Anlauf wie möglich und sprang beherzt über den Wassergraben. Auf der anderen Seite angekommen, kroch er durch den engen Schacht in die Innenhöfe. Sein Weg führte Link durch mehrere kleine Höfe, die allesamt von wunderschön angelegten Gärten mit dunkelgrünem Rasen, buschigen, saubergeschnittenen Hecken und kunstvollen Springbrunnen dominiert wurden. Leider hatte der junge Recke keine Möglichkeit, sich an der Schönheit der Innenhöfe zu erfreuen, da er seine ganze Konzentration dafür brauchte, sich an den Wachen vorbei zu schleichen. Als er sich gerade an einem mächtigen Springbrunnen entlangdrückte, konnte er ein Gespräch zwischen zwei Soldaten belauschen, die ihre Arbeit nicht ganz so ernst nahmen: „Warum müssen wir die Schichten eigentlich mal wieder doppelt besetzen?“ Der jüngere Soldat klang mehr als nörgelig, was den älteren genervt aufseufzen ließ. „Die Prinzessin hält sich im hintersten Innenhof auf. Du weißt doch, wie besorgt der König um sie ist.“ Link und Navi grinsten sich vielsagend an. Jetzt kannten sie ihr genaues Ziel. Schnell rannte der Junge durch die Innenhöfe, immer darauf bedacht, den wachsamen Augen der Wachmänner zu entgehen – auch wenn das in einem Fall bedeutete, dass er sich kopfüber in einen Busch stürzen musste. Mit säuerlicher Miene rieb er sich die aufgeschrammten Arme, während Navi sich auf die Unterlippe beißen musste, um ein Lachen zu unterdrücken. Schließlich betraten die Beiden einen runden Hof, der sehr viel größer war als die anderen, die sie auf ihrem Weg hierher durchquert hatten. Zunächst huschte Link von einem Schatten zum nächsten und presste sich dicht an die Wände, um nicht aufzufallen, bis er bemerkte, dass sich in diesem Innenhof gar keine Wachen befanden. Langsamen Schrittes überquerte er den mit roten und gelben Blumen gespickten Rasen und trat vor eine kleine Treppe, die zu einem Podest vor einem breiten Fenster führte, durch das man in den Thronsaal sehen konnte. Vor diesem Fenster stand in leicht gebückter Haltung ein etwa zwölfjähriges Mädchen in einem langen, lilaweißen Kleid, das wie gebannt in den Saal starrte und Link gar nicht bemerkte, bis dieser sich zaghaft räusperte. Ganz langsam, beinah wie in Zeitlupe, drehte das Mädchen sich um. Auf seinem Gesicht stand das blanke Entsetzen und pure Ungläubigkeit, als es Link erblickte. Die tiefblauen Augen waren weit aufgerissen und die blassrosa gefärbten, fein geschwungenen Lippen standen ein wenig offen als würde das Mädchen seine Überraschung in Worte fassen wollen. Es konnte nicht fassen, dass jemand die Sicherheitsvorkehrungen der königlichen Garde hatte umgehen können. Als Link das Gesicht des Mädchens erblickte, wurde er blass und trat erschrocken einen Schritt zurück. Navi sah ihn ein wenig irritiert von der Seite an, doch er schüttelte bloß den Kopf. Er brauchte ein paar Sekunden, um seine Überraschung und Verwirrtheit niederzukämpfen. Dieses Mädchen war das Mädchen aus seinem Traum, das ihn mit dieser unnatürlichen Intensität angesehen hatte. Was hatte das zu bedeuten? Link hob wieder seinen Blick, den er abgewandt hatte, um sich zu beruhigen, und schaute erneut in die großen, dunklen Augen seines Gegenübers, das ihn mit schief gelegtem Kopf durchdringend musterte. „Du bist ein Feen-Junge aus dem Wald, nicht wahr?“ Zum ersten Mal hörte Link die zarte, melodische Stimme, die zu dem Mädchen aus seinen Träumen gehörte, und machte unwillkürlich noch einen Schritt zurück. „Ja, das bin ich.“ Seine Stimme klang unsicher und Link versuchte, sich geräuschlos zu räuspern, um ihr ihre Festigkeit zurückzugeben. Auf einmal leuchteten die Augen des Mädchens auf und es klatschte aufgeregt in die Hände, was Link noch ein Stück zurückweichen ließ. Diese plötzliche Begeisterung war ihm nicht geheuer. „Zeig mir den Stein! Oh, bitte, zeig mir den Stein! Du hast diesen glitzernden, grünen Stein mit der Goldfassung doch dabei, oder?“ Link legte die Stirn in Falten und versuchte, in den blauen Augen, die auf ihn gerichtet waren, irgendwelche Hintergedanken zu lesen. Woher wusste dieses Mädchen von dem Kokiri-Smaragd? Unbewusst legte er eine Hand auf den ledernen Beutel an seinem Gürtel und drehte die rechte Körperhälfte weg, um den Beutel vor den Blicken des Mädchens zu verbergen. Er verengte die Augen zu Schlitzen und blickte sein aufgeregt von einem Fuß auf den anderen tretendes Gegenüber durchdringend an. Dieses unbesonnen und naiv wirkende Mädchen konnte doch unmöglich Prinzessin Zelda sein! „Ich weiß nicht, von was Ihr redet“, zischte er und wandte sich noch mehr ab. „Oh.“ Das Mädchen senkte den Kopf und seine Stimme wirkte mit einem Mal klein und dünn. Dann straffte es plötzlich die Schultern, riss das Haupt wieder in die Höhe, strich eine blonde Strähne, die ihm aus der lilaweißen Haube gerutscht war, zurück und blickte mit einem kalten, arroganten Ausdruck auf Link herab. „Wer bist du überhaupt und woher nimmst du die Frechheit, dich in die königlichen Gärten einzuschleichen? Was erlaubst du dir?!“ Der Junge versuchte, ebenso eisig und vor allem festentschlossen zu wirken. „Ich habe eine dringliche Botschaft für Prinzessin Zelda. Ich hoffe, Ihr versteht, dass ich diese Botschaft nur der Prinzessin selbst überbringen darf und dass Ihr Euch im Klaren darüber seid, dass es nur in Eurem Interesse sein kann, mit mir zu kooperieren. Ihr wollt doch nicht den Zorn der Thronfolgerin auf Euch ziehen, bloß weil der Bote Euch unsympathisch ist. Ich hatte gehört, die Prinzessin befände sich in diesem Innenhof, doch ich scheine sie verpasst zu haben. Hättet Ihr bitte die Freundlichkeit, mir zu sagen, wo ich sie finde?“ Navi schaute ihn mit einem stolzen Glänzen in den Augen an. Mit den leicht verengten Augen, den aufeinandergepressten Lippen und der felsenfesten Entschlossenheit in seiner Stimme wirkte er tatsächlich wie ein Held und nicht bloß wie der leicht tollpatschige Junge, der er normalerweise war. Das Mädchen schürzte die Lippen und betrachtete Link nachdenklich, dann wanderte ihr Blick weiter zu Navi. Als es schließlich zu einem Schluss gekommen war, lächelte es wieder. „Es tut mir leid.“ Seine Stimme klang warm und die aufgesetzte, eisige Arroganz schien wieder vollständig verflogen. „Ich war wegen deines Erscheinens so aufgeregt, dass ich ganz vergessen habe, mich vorzustellen.“ Das Mädchen räusperte sich und schob die eigenwillige Haarsträhne, die ihm schon wieder ins Gesicht hing, zurück unter die Haube. „Ich bin Zelda, Prinzessin von Hyrule, Nachfahrin des von den Göttinnen gesegneten Königsgeschlechts.“ Links Gesichtszüge entglitten ihm für einige Momente und er konnte nichts weiter tun als das Mädchen anzustarren. Noch vor wenigen Minuten hatte es wie ein ungestümes Kleinkind gewirkt, doch jetzt war es von einer unbestimmten Autorität umgeben, die jeden seiner Zweifel im Keim erstickte. Dennoch fuhr er sich mit der Zunge über seine trockenen Lippen und fragte trotzig: „Ihr seid Zelda? Verzeiht, wenn ich Euch das nicht einfach so glauben kann. Die Botschaft ist wirklich streng vertraulich und ich habe den Auftrag, sie ausschließlich der Prinzessin auszurichten.“ Das Mädchen nickte, winkte ihn zu sich herüber und streckte die linke Hand aus, als er neben es trat. Geradezu ehrfürchtig berührte Link die langen, filigranen Finger und betrachtete eingehend den Siegelring, der am Mittelfinger steckte. „Ihr seid tatsächlich Prinzessin Zelda“, flüsterte er, während er die feinen Ornamente und das Triforce-Zeichen auf dem Ring begutachtete. „Ja, die bin ich.“ Das Mädchen nickte und sah ihn dann mit schief gelegtem Kopf an. „Dürfte ich jetzt erfahren, wer du bist und was du mir so Wichtiges mitzuteilen hast?“ Der Junge trat einen Schritt zurück und nahm als Zeichen seiner Ehrerbietung die Mütze ab, sodass sein langes, braunes Haar in der Morgensonne seidig schimmerte. „Mein Name ist Link. Der Deku-Baum schickt mich.“ Für einen kurzen Augenblick flackerte ein unbestimmtes Erkennen in Zeldas Augen auf. „Link...“, murmelte sie, „Link... Dieser Name kommt mir seltsam vertraut vor, auch wenn er neu für meine Ohren ist. Es ist, als hätte ich ihn in einem früheren Leben schon einmal gehört und hätte ihn seither in meinem Herzen bewahrt.“ Sie legte den Kopf schief und sah Link mit einem scheuen Lächeln an. „Das klingt unglaublich kitschig, oder?“ Link, der selbst das Gefühl hatte, Zelda schon länger als nur ein paar Minuten zu kennen, schüttelte den Kopf. „Nein. Es klingt... irgendwie treffend. ...Und ein bisschen kitschig“, fügte er mit einem Grinsen hinzu. Zelda streckte ihm die Zunge heraus und grinste zurück. „Für einen heimlichen Eindringling bist du ganz schön frech“, neckte sie ihn mit einem schelmischen Blitzen in den Augen. Navi hüstelte und zog verstimmt die Stirn kraus, als Link und Zelda zu ihr aufsahen. „Es ist ja wunderbar, dass ihr euch so gut versteht und ich unterbreche eurer Getändel ja wirklich nur ungern, aber wir sind nicht zum Spaß hier.“ Blut schoss den beiden Halbwüchsigen in die Wangen und sie wandten sich schnell voneinander ab, um ihre Schamesröte zu verbergen. „Navi hat Recht“, setzte Link an und räusperte sich, um die Prinzessin einzuweihen. „Der Deku-Baum hat mich hergeschickt, weil das Triforce in Gefahr ist. Ein Dämon aus der Wüste versucht, es in seine Hände zu bekommen. Das müssen wir um jeden Preis verhindern!“ „Ein Dämon aus der Wüste...“, Zeldas Stimme klang weit entfernt und ihre Augen wirkten wie von einem Schleier verhangen. „Ja, genau. Der Deku-Baum sagte, ich solle dir das hier geben, um dich von der Wahrhaftigkeit meiner Worte zu überzeugen.“ Link griff in seinen Wunderbeutel und holte den heiligen Schatz des Waldes heraus. Vorsichtig übergab er ihn an Zelda, die beinahe zärtlich über dessen glatte Oberfläche strich. „Der Kokiri-Smaragd. Der Heilige Stein des Waldes, der einst Farore gehörte“, murmelte sie vor sich hin, während sie in die Ferne starrte. Dann richtete sie ihren Blick wieder auf Link und sah ihn ernst an. Mit einem Mal wirkte sie wie eine echte Herrscherin, die Verantwortung für ein ganzes Land trug, und nicht mehr wie das überschwängliche Mädchen, das sie vorher gewesen war. „In Ordnung. Ich glaube und vertraue dir“, setzte sie an und schaute Link tief in die Augen, um den folgenden Worten mehr Ausdruck zu verleihen. „Weißt du, ich hatte die letzten Wochen jede Nacht wieder ein und denselben Traum.“ Link nickte verständnisvoll. Wie sich das anfühlte, wusste er nur all zu genau. „In diesem Traum sehe ich das ganze Land Hyrule unter mir ausgebreitet und über der Gerudo-Wüste im Westen türmen sich tiefschwarze Sturmwolken auf. Diese Wolken überziehen nach und nach ganz Hyrule und unser schönes Land versinkt in Finsternis und mit dieser Finsternis kommt das Leid. Unsägliches Leid senkt sich über uns alle.“ Zelda schniefte kurz und ihre Stimme vibrierte leicht, als sie die Emotionen niederrang, die durch die Erinnerung an diesen Traum ausgelöst wurden. „Doch plötzlich durchbricht ein goldener Lichtstrahl die Wolkendecke. Dieses Licht kommt direkt aus dem Kokiri-Wald im Südosten und breitet sich immer weiter aus. Es wird strahlender und strahlender und drängt die schwarzen Wolken immer weiter zurück, bis sie sich schließlich ganz auflösen. Dann verwandelt sich das Licht und es wird zu einem grüngewandeten Jungen, der von einer Fee begleitet wird und den Kokiri-Smaragd in der Hand hält.“ Link sah sie mit weit aufgerissenen Augen an und Zelda nickte langsam. „Genau, dieser Junge bist du. Ich habe dich gleich erkannt, als ich mich umgedreht habe, doch ich war so überwältigt, dass ich nicht begreifen konnte, was ich sah.“ Link nickte wieder – auch das konnte er nur zu gut verstehen. Er wollte ihr gerade erzählen, dass auch er von ihr geträumt hatte, als sie die Rede wieder aufnahm: „Jetzt weiß ich, wer das Licht aus meinem Traum ist... und ich glaube, ich weiß auch, für wen die Wolken stehen.“ Ihre Stimme wurde immer leiser, während sie sprach, bis sie nur noch flüsterte. „Wirf einen Blick durch dieses Fenster.“ Zelda wies mit einem Kopfnicken hinter sich und trat zur Seite. Mit langsamen Schritten ging Link auf das Fenster zu. Sein Herz hämmerte wie wild gegen seine Rippen und er spürte einen beinah übermächtigen Fluchtreflex. Er ahnte, wen er im Thronsaal erblicken würde. Dennoch zwang er sich weiter vorwärts, bis er das Fenster erreicht hatte. Er atmete noch einmal tief durch und hob dann den Kopf. Als er den hochgewachsenen Mann im Thronsaal erblickte, krampften sich alle seine Muskeln schmerzhaft zusammen und ihm drehte sich der Magen um. Dort auf dem marmornen Boden kniete der dämonische Reiter aus seinen Träumen und schien mit dem König zu sprechen. Link stieß keuchend Luft aus seinen Lungen und musste sich an der Fensterbank festhalten, als ihn mit einem Mal ein Schwindel erfasste. Als Traumgestalt war dieser rothaarige Hüne schon furchteinflößend genug, doch ihn real vor sich zu sehen, drohte Link zu überfordern. Er holte ein paar Mal tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen, als Zeldas Stimme wie durch Watte an seine Ohren drang: „Das ist Ganondorf, der König der Gerudos. Er hat meinem Vater die ewige Treue geschworen, aber ich glaube ihm nicht. Die Gerudos sind ein altes Geschlecht aus der Wüste. Sie sind allesamt Diebe. Doch das ist es nicht, weshalb ich an der Aufrichtigkeit Ganondorfs zweifle. Die Gerudos mögen Diebe sein, aber sie sind durchaus ehrenhaft. Dieser Mann da ist jedoch vollkommen skrupellos. Er strahlt eine unglaubliche Bösartigkeit und tiefe Finsternis aus. Ich bin mir sicher, dass die Wolken für ihn stehen. Er wird Verderben über Hyrule bringen, wenn man ihn nicht aufhält.“ Link schloss die Augen und versuchte noch immer, das Schwindelgefühl zu vertreiben, während Zelda immer weitersprach. „Ich habe natürlich versucht, mit meinem Vater darüber zu reden, aber er glaubt mir nicht, dass der Traum eine Bedeutung hat. Ich fühlte mich so hilflos. So allein.“ Sie griff nach Links Hand und drückte sie leicht, als dieser sie ansah. „Aber jetzt bist du ja hier. Du glaubst gar nicht, wie viel sicherer ich mich deswegen fühle.“ Sie lächelte ihn sanft an, doch er wandte sich ab, weil er spürte wie seine Wangen schon wieder zu brennen begannen. Was war das für ein Gefühl? Warum fühlte er sich so leicht im Kopf, wenn sie ihn anlächelte? Warum wollte er sie in den Arm nehmen und ins Ohr flüstern, dass alles gut werden würde? Warum fühlte es sich so verdammt gut an, dass sie seine Hand in ihrer hielt? Seine Gedanken wirbelten wild durch seinen Kopf wie trockenes Herbstlaub im Wind, doch dann traf er plötzlich den stechenden Blick Ganondorfs, der aus dem Fenster blickte. Erschrocken quiekte Link auf und wich zurück, doch Zelda legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Unterarm. „Er ahnt nicht, dass wir seine Pläne kennen. Keine Angst.“ Sie lächelte und alle Befürchtungen, die ihm eben noch durch den Kopf geschossen waren, lösten sich in Wohlgefallen auf. „Aber wie können wir ihn aufhalten?“, fragte Link, während er Ganondorf, der sich im Thronsaal neben einigen Soldaten postiert hatte, verstohlen aus dem Augenwinkel musterte. „In einer Legende, die von Generation zu Generation innerhalb der Königsfamilie weitergegeben wird, heißt es, man brauche vier Dinge, um das Portal zum Heiligen Reich zu öffnen. Zum einen braucht man die drei Heiligen Steine der Göttinnen: den grasgrünen Anhänger der Farore, den feuerroten Stein aus dem Diadem der Din und einen wasserblauen Ohrring der Nayru. Doch mit den Heiligen Steinen alleine kann man das Portal nicht öffnen. Man braucht außerdem noch ein Relikt, das seit Anbeginn der Zeit im Besitz der königlichen Familie ist.“ Zelda beugte sich so weit vor, dass ihre Lippen fast Links Ohr berührten, und flüsterte: „Die Okarina der Zeit.“ Link musste unwillkürlich an die Okarina in seinem Beutel und an Salia denken und blickte ein wenig beschämt. Warum fühlte er sich, als würde er seine beste Freundin betrügen, wann immer Zelda ihn anlächelte und sein Herz einen Sprung machte? Diese sprach unterdessen weiter: „Ich schlage vor, du brichst wieder auf und suchst nach den fehlenden Steinen. Ich werde hierbleiben und die Okarina beschützen.“ Die Prinzessin gab ihm den Kokiri-Smaragd zurück. „Den hier nimmst du am besten wieder mit, damit Ganondorf keinen Verdacht schöpfen kann.“ Link nickte und verstaute den Stein wieder in dem kleinen Lederbeutel. Zelda legte angesichts der geringen Größe des Beutels verwundert die Stirn in Falten, sagte aber nichts. Stattdessen griff sie nach einem Block und einem Stift, die in der Nähe lagen. Offensichtlich hatte die Prinzessin gezeichnet, bevor der König der Gerudos sie abgelenkt und dazu veranlasst hatte, durch das Fenster zu blicken. Schnell bewegte sie den Stift über das Papier, riss es heraus und reichte es Link. „Sollte es Probleme geben, kannst du dich mit diesem Brief als meinen persönlichen Diener ausweisen.“ Der Junge steckte den Brief ein, blickte noch einmal in Zeldas ungewöhnlich offen wirkende Augen und wandte sich dann ab, um zu gehen. „Warte!“ Link drehte sich um und betrachtete die junge Prinzessin, die unschlüssig auf der Unterlippe kaute. Schließlich siegte ihre warmherzige Natur über ihr anerzogenes Ständedenken und sie drückte den überrascht blickenden Link fest an sich. „Pass auf dich auf! Ich werde hier mit der Okarina auf dich warten und dann werden wir zusammen das Triforce dazu nutzen, um Ganondorfs Pläne zu vereiteln.“ Sie drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und lächelte ihn an, während er überrascht die Augen aufriss. Dann schob sie ihn von sich und forderte: „Aber jetzt geh. Impa, meine Gouvernante, wird dich aus dem Schloss geleiten, damit du nicht gefangengenommen und in den Kerker geworfen wirst.“ Vorsichtig strich Link Zelda mit dem Fingerknöchel über die Wange, nickte, sprang die wenigen Stufen des Podests herab und trabte auf die junge Frau auf der anderen Seite des Innenhofes zu. Impa stand im Schatten des hohen Mauerwerks und blickte den Jungen, der auf sie zukam, prüfend an. Es war wahrhaftig der Junge aus Zeldas Träumen. Genauso hatte die Prinzessin ihn immer und immer wieder beschrieben. Die junge Frau ließ ihren Blick zu Zelda gleiten und betrachtete sie nachdenklich. Der Junge aus ihrem Traum war tatsächlich aufgetaucht, doch bedeutete das wirklich, dass der Traum prophetischen Charakter hatte? Impa dachte daran, was alles hätte passieren können, hätte der König die Worte seiner Tochter ernst genommen und Ganondorf öffentlich angeklagt. Die Gerudos hätten das niemals auf sich sitzen lassen und Hyrule wäre in einen schrecklichen Krieg gestürzt worden. Das Herz der Prinzessin war rein und aufrichtig, doch Zelda war noch zu jung und zu naiv, um die politischen Geschicke um sie herum zu verstehen. Dennoch würde sie Hyrule eines Tages eine weise und gerechte Herrscherin sein. Sollte es ihr und dem Jungen tatsächlich gelingen, das Triforce zu erlangen, stünde Hyrule ein goldenes Zeitalter bevor. Impas Blick wanderte wieder zurück zu Link, der inzwischen den halben Hof durchquert hatte. Doch konnten sie diesem Jungen wirklich glauben? Was würde mit Hyrule passieren, wenn er eigene Ziele verfolgte und sich in diesem kindlichen Körper ein dämonischer Geist verbarg? Er war im Besitz des Kokiri-Smaragds, das hatte Impa sehen können, als er den Heiligen Stein Zelda gereicht hatte. Der Deku-Baum hatte ihm also offensichtlich vertraut, sonst hätte er dem Jungen nicht den größten Schatz des Waldes überlassen. „Also sollte ich ihm ebenso trauen“, dachte Impa, während sie Links glänzendes Haar betrachtete, das sanft vom Wind bewegt wurde. Der Schutzpatron der Wälder kannte seine Schutzbefohlenen inn- und auswendig und wer war sie schon, dass sie sich erlauben konnte, dessen Urteil in Zweifel zu ziehen? Dennoch blieb ein leichtes Gefühl von Unbehagen, bis sie in die großen, klaren Augen Links blickte, der ein wenig schüchtern zu ihr hochsah. In diesem tiefen Blau spiegelte sich eine Aufrichtigkeit, die Impa bisher nur von Zeldas Augen kannte. Sie legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter und lächelte ihn freundlich an. „Du bist also der sehnlichst erwartete Feen-Junge.“ Link lächelte scheu zurück und nickte. Es bereitete ihm Unbehagen, dass er eine derart große Rolle in einer Mission spielen sollte, von deren Gelingen das Schicksal des ganzen Landes abhing. Zudem fühlte er sich seltsam, nun auch noch der zweiten Reiterin aus seinem Traum gegenüberzustehen. „Wunderbar. Wir zählen auf dich, junger Held.“ Impa lächelte erneut und kniete sich dann vor ihn, damit er sie verstand, als sie im Flüsterton weitersprach: „Die Prinzessin hat dir einen Brief gegeben, um dich ausweisen zu können, doch du wirst auf deiner Reise mit Sicherheit auch Sturköpfen begegnen, die sich nicht von der Authentizität des Briefes werden überzeugen lassen. Für diese Fälle werde ich dir jetzt ein Lied beibringen, das nur die engsten Vertrauten des hylianischen Könighauses und die Regenten der anderen Geschlechter kennen. Es ist ein altes Wiegenlied, das ich vor vielen Jahren auch für Zelda gesungen habe, wenn sie nicht schlafen konnte. Merk dir die Melodie gut.“ Impa schloss die Augen und begann, eine wunderschöne, leicht wehmütige Melodie zu summen. Link lauschte konzentriert und versuchte, sich jede einzelne Note einzuprägen. Dann holte er seine Okarina heraus, die er von Salia geschenkt bekommen hatte, und spielte so leise wie möglich das königliche Wiegenlied nach. Zeldas Gouvernante öffnete die Augen, richtete sich wieder auf und lächelte ihn wohlwollend an. „Sehr gut, du kannst es. Du hast ein ausgezeichnetes Gehör. Jetzt sollten wir uns beeilen und aufbrechen. Du hast noch eine weite Reise vor dir.“ An Impas Seite schritt Link durch die Gärten, deren Schönheit er auf seinem Hinweg nur am Rande wahrgenommen hatte. Jetzt betrachtete er verträumt die bunten Blumen, das weiche, saftige Gras und das kristallklare Wasser in den Bachläufen und Brunnen. Als sie in der äußeren Parkanlage an einer Weggabelung vorbeikamen, blieb Impa stehen und schaute in die Sackgasse zu ihrer Linken. Link folgte ihrem Blick und betrachtete ein wenig verwirrt die Felsen, die nach einem Erdrutsch am Ende des Weges lagen. Warum war Impa hier stehen geblieben? Er schaute zu der großen, schlanken Frau mit dem kurzen, weißblonden Haar hoch, die sich wieder in Bewegung setzte. Als sie ein paar Schritte gegangen waren, fragte Impa leise: „Du hast vorhin in der Sackgasse den leicht vorstehenden Felsen gesehen, nicht wahr?“ Link nickte und sah sie irritiert an. Auf was wollte sie hinaus? „Solltest du irgendwann einmal in Besitz von Bomben kommen, kehre hierher zurück und versuche, diesen Felsbrocken zu sprengen. Einer Legende zufolge soll sich dahinter eine Feen-Quelle befinden. Der Geschichte nach soll es drei Feenschwestern gegeben haben – allesamt mächtige Feenköniginnen. In ihrer Macht unterstanden die Schwestern nur den drei Göttinnen, doch das reichte ihnen nicht. Um ihre Macht zu vergrößern sollen sie der Legende nach die stärksten Zauber der Göttinnen gestohlen haben. Die Göttinnen seien daraufhin fürchterlich erzürnt gewesen sein, heißt es. Angeblich stritten sie sich heftig mit den Feenköniginnen, schrien und tobten, aber die Zauber blieben verschollen und die drei Schwestern schoben die Schuld auf andere ihres Geschlechts. Aus Rache für ihren wertvollen Verlust soll Din sämtliche Feenköniginnen für immer in ihren Quellen eingeschlossen haben. Der Legende nach soll sich eine dieser Quellen hier befinden.“ „Glaubst du daran?“, fragte Link aufgeregt, als sie durch das riesige Eisentor traten, das am Eingang zum Schlosspark stand. „Ich weiß es nicht genau, aber ich denke, einen Versuch ist es wert.“ Eilig überschritten die Beiden den Marktplatz, auf dem genau wie am Vortag das Leben pulsierte und die Menschen in einem wilden Durcheinander übereinander zu purzeln schienen. Schließlich traten sie über die hölzerne Brücke zurück auf die hylianische Steppe. Impa folgte einige Meter lang dem Bachlauf, über den die Zugbrücke der Stadt gelegt war, und deutete dann mit dem ausgestreckten Arm auf den kegelförmig zulaufenden Gipfel eines weit entfernten Berges. „Das ist der Todesberg, Heimat der Goronen. In den Büchern heißt es, Din habe sich besonders zu diesen Bergbewohnern hingezogen gefühlt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der zweite Heilige Stein sich im Besitz der Goronen befindet.“ Link betrachtete den Todesberg, dessen Gipfel von einem Ring weißer Wolken umgeben war, und fragte sich, ob das Monster aus der Wüste versucht hatte, auch diesen Heiligen Stein an sich zu reißen und ähnlich erfolglos wie beim Deku-Baum gewesen war oder ob er zu spät kam. Impa sprach unterdessen weiter und deutete nun auf eine in den Fels gehauene Treppe: „Auf diesem Plateau am Fuß des Todesbergs liegt die Stadt Kakariko. Ich habe sie vor einigen Jahren rund um mein Geburtshaus gegründet, um Flüchtlingen und Ausgestoßenen ein Zuhause zu geben. Es ist ein ruhiges Plätzchen, an dem jeder Reisende herzlich empfangen wird. Du kannst dich dort ein wenig ausruhen, bevor du dich an den beschwerlichen Aufstieg machst. Wenn du Lust hast, solltest du auch den Friedhof meines Volkes besichtigen.“ Link zog die Stirn kraus und sah Impa an. „Warum befindet sich der Friedhof so weit weg von Hyrule-Stadt, wo viel mehr Menschen leben?“ Die junge Frau lächelte ihn nachsichtig an und bekam dann einen wehmütigen Blick. „Ich bin keine Hylianerin, Link. Ich bin eine Shiekah. Die Shiekah sind ein altes Kriegergeschlecht, das seit Anbeginn der Zeit über die Königsfamilie von Hyrule wacht. Wir haben in jedem von Hyrules Kriegen ehrenhaft gekämpft und die königliche Familie mit unserem Leben geschützt. Heute sind die Shiekah so gut wie ausgestorben. Es heißt sogar, ich sei die letzte Überlebende, aber das will ich nicht glauben.“ Link sah zu ihr auf und traf ihren traurigen Blick. „Ich bin mir sicher, irgendwo gibt es noch mehr Shiekah“, versuchte er sie aufzumuntern und wandte dann seinen Blick wieder auf den Todesberg. „Warum haben sich deine Vorfahren überhaupt für die Könige eines anderen Volkes geopfert?“ „Vor Äonen von Jahren gab es zwei beste Freunde. Der eine war Hylianer, der andere ein Shiekah. Der Hylianer war sehr klug und weise, aber leider blind. Der Shiekah war ein starker Krieger, doch er verstand nicht viel von Politik. Beide wurden von ihren Völkern zum Herrscher bestimmt, doch keiner fühlte sich der Aufgabe gewachsen. Daher schlossen die Beiden einen Pakt, in dem sie festlegten, dass sie zusammen regieren wollten. Der Blinde sollte die politischen Dinge regeln, während der Krieger in die Schlacht ziehen sollte. Der eine wollte der Geist, der andere das wache Auge des Herrschers sein. Leider ergab es sich eines Tages, dass der Hylianer kurz nach der Geburt seines ersten Sohnes einem Attentat zum Opfer fiel. Die Trauer des Shiekah war schier unermesslich – vor allem, weil er sich die Schuld gab. Er hatte als Auge versagt. Viele Tage zog er sich zurück und ergab sich seinem Schmerz, doch als er endlich wieder seine Gemächer verließ, hatte er einen Entschluss gefasst: Er mochte zwar bei seinem besten Freund versagt haben, doch er würde seine Schuld sühnen, indem er und alle seine Nachfahren die Nachkommen des Hylianers schützen würden – notfalls mit dem eigenen Leben. Seither sind wir durch eine Blutschuld an das Königshaus gebunden.“ Impa blickte schuldbewusst zu Boden und stieß mit der Stiefelspitze einige lose Steine an, die auf dem Boden lagen. „Ich habe die königliche Familie dafür gehasst und wollte mich meiner Pflicht verweigern. Doch dann begegnete ich an diesem Tag vor über zehn Jahren Zelda. Sie konnte gerade erst laufen und doch hatte sie auf einem Spaziergang ihre Zofe ausgetrickst und war davongelaufen. Sie war schon immer stur und eigenwillig.“ Impa lachte leise und fuhr dann fort: „Ich arbeitete zu der Zeit bei einem Händler als Kurier und kam gerade von einer Warenzustellung zurück zu dem Stand meines Herrn, als ich sie ohne Aufsicht über den Markt irren sah. Sie hatte sich verlaufen, fürchtete sich und war den Tränen nah. Als ich sie so sah wurde mir klar, dass ich meiner Bestimmung nicht entrinnen konnte. Ich würde es mir niemals verzeihen, wenn diesem Mädchen etwas zustoßen würde. Das verstehst du sicherlich.“ Link nickte und Impa lächelte ihn erneut an. „Du solltest dich jetzt auf den Weg machen. Beeil dich und denk daran, dass die Prinzessin und ich dich im Schloss erwarten.“ Link wollte sich gerade verabschieden, als Impa mit einem lauten Knall einen Beutel auf den Boden warf, der zerplatzte und einen grellen Lichtblitz freiließ. Erschrocken riss Link die Arme hoch, um seine Augen zu schützen und versuchte, gegen das Licht anzublinzeln. Als er endlich wieder etwas erkennen konnte, war Impa verschwunden. „Imposanter Abgang“, murmelte Navi, die mal wieder auf Links Schulter saß und zu den Türmen des Schlosses empor schaute. Link blickte wieder zum Gipfel des Todesberges hinauf. Impas Stimme erklang noch immer in seinen Ohren. „Das verstehst du sicherlich...“ Wieder sah Link Zeldas Gesicht vor sich, wie sie ihn anlächelte und ein unbekanntes Kribbeln ergriff seinen Körper. Doch plötzlich verschoben sich die Gesichtszüge und verwandelten sich in eine anklagend guckende Maske, die Salias Züge trug. Mit einem Mal spurtete Link los und rannte den Weg Richtung Wald entlang. Navi, die bei seinem abrupten Start von seiner Schulter gefallen war, flog ihm aufgeregt vors Gesicht. „Stopp! Wo willst du denn hin?!“ „Ich muss Salia sehen.“ „Was?! Bleib sofort stehen!“ Link verlangsamte seine Schritte, bis er schließlich ganz stehen blieb. „Du hast eine Mission! Du kannst nicht einfach Urlaub machen!“ Navi starrte ihn wütend an, doch er hielt ihrem wilden Blick stand. „Aber ich muss Salia sehen. Ich muss!“ Wie ein trotziges Kind stampfte er mit dem Fuß auf. Navi legte für einen Augenblick den Kopf schief und sah ihn nachdenklich auf der Unterlippe kauend an. „Also gut. Wir können gerne zuerst nach Salia sehen, aber erst morgen früh.“ Sie deutete auf die Sonne, die schon tief am Himmel stand. „Ich werde nicht noch einmal eine Nacht in dieser Steppe verbringen!“ Bei dem Gedanken an die wandelnden Skelette ging ein Schauer durch den zierlichen Körper der Fee. Link ließ seinen Blick schweifen und deutete schließlich auf eine nicht allzu weit entfernte Farm. „Vielleicht können wir dort übernachten.“ Noch bevor Navi etwas antworten konnte, hatte er sich bereits umgedreht und war in Richtung Farm davon gestapft. Kapitel 10: Teil 2 - Auf der Suche nach den Heiligen Steinen: Abstecher ----------------------------------------------------------------------- Es war schon fast Nacht, als Link und Navi das riesige Eingangstor der Farm erreichten und die untergehende Abendsonne malte breite, goldene Bahnen auf die weite Graslandschaft. Link drehte sich unter dem Torbogen, auf dem in großen Lettern „Lon-Lon-Farm“ stand, noch einmal um und betrachtete nachdenklich den trügerischen Frieden der hylianischen Steppe. Es war kaum zu glauben, dass in wenigen Minuten Knochen aus dem trockenen Boden brechen und als gruselige Karikaturen der Menschen, die sie einst gewesen waren, über die nächtliche Steppe wandern würden… Der Gedanke an die zurückliegende Nacht jagte dem Jungen eisige Schauer über den Rücken und er wandte sich schnell ab, um die Bilder der kalkweißen Knochenfratzen mit den leuchtendroten Augen zu vertreiben. Mit langen Schritten erklomm er die kleine Anhöhe, auf der die Farm erbaut worden war. Wer immer die Idee gehabt hatte, sich an diesem Ort eine Existenz aufzubauen, war ein kluger Kopf gewesen. Das gesamte Gelände der Farm lag erhöht und war von schroffen Felsen umgeben, die jeden Angriff von außen beinah unmöglich machten. Link empfand die Felsformationen als seltsam tröstlich, sie vermittelten ihm ein Gefühl von undurchdringlicher Sicherheit. Nachdem der Junge den schmalen Weg, der die Anhöhe heraufführte, hinter sich gelassen hatte, stand er zwischen zwei Gebäuden, die aus massivem Holz gebaut waren. Den Geräuschen nach zu urteilen, die aus dem Gebäude zu seiner Rechten drangen, befanden sich dort die Ställe der Kühe, von denen die berühmte Lon-Lon-Milch stammte. Link wollte gerade an die Tür des anderen Hauses klopfen, das er als Wohnhaus identifiziert hatte, als das Wiehern von mehreren Pferden seine Aufmerksamkeit erregte. Hastig lief er um den Stall herum und fand sich einer riesigen Koppel gegenüber, auf der einige Pferde gemütlich grasten. Inmitten der prächtigen Vierbeiner stand ein junges Mädchen mit hüftlangem, braunem Haar, das versuchte die Tiere mit sanften Lockrufen von der Weide zu lotsen. Link hielt sich die Hand an die Stirn, um besser gegen die Abendsonne sehen zu können, und grinste dann breit. „Malon! Hey!“ Er riss den Arm in die Höhe und fuchtelte damit wild durch die Luft, als das Mädchen den Kopf wandte. „Link? Bist du das, Link?“ Malon kniff die Augen zusammen, um den Jungen, der auf sie zu rannte, besser erkennen zu können. Mit einer geschmeidigen Bewegung blieb Link vor ihr stehen und strahlte sie fröhlich an. „Hallo!“ „Du bist es tatsächlich, Feen-Junge. Was treibt dich hierher?“ Malon lächelte ihn warm an und griff mit der linken Hand hinter sich, um ein junges Fohlen zu streicheln, das ihr sanft gegen den Rücken stupste, um beachtet zu werden. „Um ehrlich zu sein, suche ich ein Quartier für die Nacht. Keine zehn Pferde kriegen mich nachts raus in die Steppe!“ Verstohlen ließ Link seinen Blick über die Koppel gleiten, als ihm bewusst wurde, was er gesagt hatte, und Malon kicherte vergnügt. „Keine Angst. Es sind nur sechs.“ Das Fohlen stupste sie erneut an und Malon grinste breit. „Na gut, sechseinhalb.“ Link grinste zurück und betrachtete das junge Pferd, das ihm neugierig schnuppernd seine Nüstern entgegenreckte. Sein rotbraunes Fell schimmerte im Abendlicht wie Samt und seine lange, weiße Mähne glitt wie Seide an seinem Hals herunter. Link streckte den Arm aus, um ihm über das weiche Maul zu streicheln, doch es wich ängstlich vor ihm zurück. Der Junge sah Malon fragend an, aber sie zuckte nur die Schultern. „Epona ist ein wenig schüchtern. Nimm’s nicht persönlich.“ Link nickte und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie das Fohlen sich ihm wieder vorsichtig näherte. Malon warf mit einer eleganten Bewegung ihr Haar über die Schulter und lachte. „Offensichtlich mag sie dich. Weißt du was? Ich werde dir einen Trick zeigen. Epona hat eine Schwäche für Musik und ein Lied liebt sie ganz besonders.“ Sie strich dem jungen Pferd liebevoll über den Kopf und stimmte dann eine fröhliche Tonabfolge an, die Epona sogleich freudige Laute ausstoßen ließ. Link lauschte Malons Gesang und zückte dann seine Okarina, als er sich sicher war, dass er sie begleiten konnte. Das Fohlen sah ihn aus großen Augen an, schnaubte und rieb schließlich seinen Kopf an Link, der es sanft hinter den Ohren kraulte. „Sie scheint einen Narren an dir gefressen zu haben“, stellte Malon fest, als Epona auf dem Weg durch die Koppel neben Link her trottete. Dieser lächelte sie zufrieden an und strich dem jungen Pferd über den Kopf. „Wenn du mit allen Pferden so gut auskommst, schlag ich dir einen Handel vor“, grinste Malon und Link legte interessiert den Kopf schief. „Du kannst dir dein Bett für heute Nacht verdienen, indem du mir hilfst, die Pferde in den Stall zu treiben.“ „Gerne.“ „Wunderbar. Also dann: Auf, auf!“ Am nächsten Tag machte Link sich noch im Morgengrauen auf, nachdem Malon ihm ein liebevolles Frühstück bereitet und ihm ein in Leinen eingeschlagenes Paket mitgegeben hatte. Die Wegzehrung bestand aus einer Flasche frischer Lon-Lon-Milch, einer unterarmlangen Wurst und einem Stück noch warmen Brotes. Link verstaute die Nahrung in seinem Wunderbeutel, in dem er auch noch den Käse und das Brot der Wirtin aufbewahrte, und marschierte schnellen Schrittes Richtung Kokiri-Wald. Navi saß wie so oft auf seiner Schulter und betrachtete schweigend die hylianische Steppe. Obwohl es noch recht früh im Jahr war und der Hochsommer erst in einigen Wochen vor der Tür stand, brannte die Morgensonne mit fast brutaler Intensität. Die dunkelgrünen Gräser der weiten Ebene wirkten ausgedörrt und Link stand schon bald der Schweiß auf der Stirn. Dennoch verringerte er sein Tempo nicht und noch bevor die Sonne ihren Zenit erreicht hatte, trat der Junge durch die ersten Baumreihen, deren weites Astwerk angenehm kühle Schatten warfen. Navi atmete auf und sog die duftende Waldluft tief ein, doch Link wirkte mit einem Mal unsicher und schien nur unwillig einen Schritt vor den anderen zu setzen. Die Fee legte den Kopf schief und blickte den Jungen nachdenklich an. „Was hast du? Es war deine Idee herzukommen.“ „Ich weiß. Ich will Salia auch noch immer sehen, aber ich hatte ganz vergessen, wie deplatziert ich mich hier fühle – als gehörte ich nicht hierher.“ Navi biss sich auf die Unterlippe und sah mit leerem Blick auf den Boden, während Link seufzte und weiter Richtung Dorf schritt. Dort angekommen beeilte er sich, zu Salias Haus zu kommen, denn er wollte so wenigen Kokiri wie möglich begegnen. Er war sich sicher, dass noch viele von ihnen glaubten, er sei schuld am Tod des Deku-Baumes, und hatte keine Lust, sich den anklagenden Blicken der anderen zu stellen. Doch als er das Haus betrat, musste er feststellen, dass Salia nicht da war. Dennoch rief er ihren Namen, in der Hoffnung, dass er sie vielleicht übersehen hatte, während Navi genervt mit den Augen rollte. „Sie ist nicht hier. Wir sollten zurück und nach den Heiligen Steinen suchen.“ Plötzlich lachte jemand hinter ihm und Link wirbelte mit einem strahlenden Lächeln herum, aber in der Tür stand nicht Salia, sondern eine ihrer Freundinnen. „Hallo Link. Du hast es wohl nicht lange ohne Salia ausgehalten, was?“ Das Mädchen grinste ihn an und lehnte sein Gewicht auf das linke Bein. „Wie du siehst, ist sie leider nicht hier.“ Link nickte und blickte betrübt zu Boden. „Jetzt mach doch nicht so ein Gesicht. Salia ist in die Verlorenen Wälder gegangen, um an ihrem Lieblingsplatz ein wenig allein zu sein. Es hat sie ziemlich mitgenommen, dass du gegangen bist.“ Link hob den Kopf und sah das Kokiri-Mädchen zerknirscht an. „Das hatte ich befürchtet... Ich glaube, ich sollte besser wieder gehen.“ Mit einigen langen Schritten war er an der Tür und versuchte, sich an dem Mädchen vorbei zu drücken, doch es legte ihm die Hand auf die Schulter und hielt ihn zurück. „Ich denke, du solltest versuchen, die Lichtung zu finden. Es wird Salia guttun, wenn sie sieht, dass du auch nicht so einfach gehen konntest.“ Das Mädchen lächelte ihn warm an und wandte sich dann zum Gehen. Link schaute ihm eine Zeit lang hinterher und wandte seinen Blick dann Navi zu. Er legte den Kopf schief und lächelte sie entschuldigend an. Die Fee blickte missbilligend, seufzte dann und machte ein resignierendes Gesicht. „Also gut, wir suchen Salia.“ „Du bist ein Schatz!“, jubelte Link und stürmte in Richtung der Wälder. Die Verlorenen Wälder erstreckten sich auf einer niedrigen Bergkette im Osten des Dorfes und angeblich verirrte sich jeder hoffnungslos, der sie betrat. Dennoch verspürte der junge Recke keine Angst, als er die ersten Bäume der Verlorenen Wälder passierte. Er streifte einige Zeit lang ziellos umher, immer seinem Gefühl folgend, doch plötzlich vernahm er hinter sich eine tiefe Stimme: „Sei gegrüßt, junger Held.“ Link wandte sich um und entdeckte in einem Baumwipfel die Eule des Rauru, die ihn aufmerksam musterte. „Es heißt, auf diesem Grund spuke es, seit er von den Göttinnen verwünscht wurde und dennoch begibst du dich hierher. Sag mir, mein Junge, hattest du nicht einen Auftrag?“ Link nickte verlegen, doch er sah mit festem Blick zu der Eule auf. „Meine beste Freundin befindet sich hier irgendwo und ich muss sie dringend sehen.“ Der mächtige Vogel wiegte seinen riesigen Kopf hin und her und spitze die Ohren. „Lausch, edler Recke. Hörst du das? Wenn du den Weg durch diese Wälder finden willst, dann folge dieser Melodie.“ Mit gewaltigen Flügelschlägen schwang sich die Eule in die Lüfte und flog davon. „Was für eine Melodie?“ Link sah Navi fragend an, die sich einen Zeigefinger auf den Mund legte. „Shht! Wenn du die ganze Zeit redest, kann ich nichts hören.“ Der Junge presste die Lippen aufeinander und lauschte angestrengt. Er hörte das Zwitschern von Vögeln, in der Ferne das aufgeregte Quieken eines Eichhörnchens und sogar jaulende Wölfe, aber keine Melodie. Er fragte sich bereits, ob die Eule ihn auf den Arm hatte nehmen wollen, als plötzlich zarte Flötentöne an seine Ohren drangen. „Das ist eine Okarina!“, rief er aufgeregt und sah Navi mit leuchtenden Augen an. „Das ist bestimmt Salia. Los, komm, wir sollten uns beeilen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, rannte Link in die Richtung, aus der die Musik kam. Zwischendurch blieb er immer wieder kurz stehen, schloss die Augen und lauschte, um sich zu vergewissern, dass die Richtung stimmte, und lief dann so schnell weiter, dass Navi Schwierigkeiten hatte, mit ihm mitzuhalten. Nach kurzer Zeit lichteten sich die Bäume und der junge Abenteurer trat auf eine weite Lichtung. Link drehte sich staunend um die eigene Achse und betrachtete wie die Sonnenstrahlen, die durch die Blätter der umstehenden Bäume fielen, goldene Muster auf das satte, grüne Gras zu seinen Füßen malten und die feinen Staubpartikel und Pollen in der Luft zum Schimmern brachten. Er beobachtete eine besonders große, honigfarben glänzende Pollenwolke, die langsam gen Boden schwebte, als sein Blick auf etwas in der Felswand auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung fiel. Dort war vor vielen Jahren der Zugang zu einem Tempel in den Fels gehauen worden, der nun wie ein riesiges Vogelnest anmutete, das hoch über der Lichtung schwebte und dessen Vorbau nur durch zwei Säulen getragen wurde. Rechts neben einer dieser Säulen saß Salia auf einem Baumstumpf und spielte die beschwingte Melodie, die durch den ganzen Wald zu hören gewesen war. Ein Lächeln erleuchtete Links Gesicht und er ging langsam mit kurzen Schritten auf seine Freundin zu, weil er sie nicht erschrecken wollte. Etwa auf halber Strecke trat er plötzlich auf Stein, statt auf Gras und betrachtete nachdenklich die riesige Steinplatte, auf die er getreten war. Sie erstreckte sich fast über die ganze Breite der Lichtung, war sechseckig und von einem hellen Beige – nur in der Mitte war ein dunklerer Teil mit einem merkwürdigen Zeichen, das aussah wie ein viersträngiger Strudel mit einem Kreis drum herum. Link legte den Kopf schief, ging in die Hocke und begutachtete das Zeichen genauer. Er war so in seine Gedanken vertieft, dass er nicht merkte, wie Salia ihr Flötenspiel beendete und zu ihm trat. „Das ist das Zeichen der Waldgeister, die diesen Wald schützen.“ Der Schreck fuhr Link in die Glieder und er riss den Kopf herum, um seiner warm lächelnden Freundin erschrocken ins Gesicht zu starren. „Ich komme oft hierher auf diese Lichtung, um den Geistern mit meiner Musik zu huldigen. Aber sag, was machst du hier?“ Salia blickte dem Jungen, der sich langsam aufrichtete, unverwandt in die Augen und zog verwirrt die Stirn kraus, als ihm eine leichte Schamesröte ins Gesicht stieg. Sie knuffte ihm zur Aufmunterung freundschaftlich in die Seite, obwohl sie ihm viel lieber einfach um den Hals gefallen wäre. Doch sie wusste, dass er eine Mission zu erfüllen hatte und deswegen nicht bleiben konnte. Sie musste jetzt stark sein, sonst würde sie es für sie beide nur noch schwerer machen… „Ich wollte dich sehen.“ Link starrte während dieses Geständnisses unentwegt auf seine Stiefelspitzen und ruderte ein wenig mit den Schultern als wollte er etwas Unangenehmes abschütteln. Salia schluckte und biss sich auf die Wangeninnenseite, um den Wunsch, Link in den Arm zu schließen zu unterdrücken. Schließlich schaffte der Junge es doch seine beste Freundin anzusehen, aber seine Augen waren rot gerändert als müsste er gegen seine Tränen ankämpfen. Man sah ihm an, wie enttäuscht er war – hatte er sich das Wiedersehen mit Salia doch viel herzlicher vorgestellt. Aber seit der Deku-Baum ihn zu sich gerufen hatte, schien etwas zwischen ihnen zu stehen. Welch Ironie des Schicksals... Früher hätte er alles darum gegeben, eine Fee zu bekommen, doch heute würde er diese ohne zu zögern wieder hergeben, wenn dafür zwischen Salia und ihm wieder alles wie früher sein könnte. Salia schnürte dieser tieftraurige Blick die Kehle zu, aber sie versuchte, Link aufmunternd zuzulächeln. „Naja“, fuhr er mit monotoner Stimme fort, „ich hatte irgendwie das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, doch dir geht’s ja gut. Dann ist ja alles in Ordnung und ich kann wieder gehen.“ Ein tiefer Stich durchbohrte Salias Herz und sie seufzte. Sie konnte ihn nicht einfach gehen lassen – nicht so. „Warte!“ Sie griff nach Links Unterarm, um ihn zurückzuhalten. „Bevor du gehst, möchte ich dir noch dieses Lied beibringen. Hör gut zu!“ Dann setzte sie die Okarina an die Lippen und spielte die flotte Melodie, die sie schon zuvor gespielt hatte. Link lauschte einige Takte lang und stimmte dann in Salias Spiel mit ein. Nachdem sie gemeinsam ein paar Strophen gespielt hatten, lachte Salia Link an und verkündete: „Wann immer du dich einsam fühlst und wann immer du nicht weiter weißt, dann spiele dieses Lied. Der Wind wird meine Worte ebenso zu dir tragen wie die deinen zu mir.“ Link nickte und legte Salia eine Hand auf die Wange, wie er es früher so oft getan hatte, wenn er sich ihr besonders nah gefühlt hatte, doch dieses Mal drehte sie den Kopf weg. „Jetzt geh, Link. Du hast noch einen weiten Weg vor dir. Und denk dran: Ich werde dich immer begleiten, wohin du auch gehst – und zwar da drin.“ Sie klopfte mit dem Zeigefinger auf seine Brust, dahin wo sein Herz schlug, und wendete sich anschließend abrupt von ihm ab. „Geh.“ Der Junge schluckte den Kloß, der sich seinen Hals heraufdrückte, runter, drehte sich um und verließ den Wald, ohne sich noch einmal nach Salia oder seinem Heimatdorf umzudrehen. Er wollte nicht rasten, bis er Kakariko erreicht hatte. Kapitel 11: Kakariko -------------------- „Zweiundachtzig... dreiundachtzig... vierundachtzig...“ Langsam schleppte Link sich die steile Treppe hinauf, die zu der kleinen, von Impa gegründeten Stadt führte. Kalte Abendluft umwehte seinen verschwitzten Körper und kühlte sein erhitztes Gesicht, während die letzten Sonnenstrahlen des Tages langsam von den Felsformationen im Westen geschluckt wurden. Navi hatte sich erschöpft in Links lange Zipfelmütze zurückgezogen, nachdem sie während seines Gewaltmarsches vom Kokiri-Dorf bis nach Kakariko tapfer neben ihm her geflogen war, und schnarchte leise. Link wischte sich mit einer unwirschen Handbewegung einige Strähnen aus dem Gesicht und atmete tief durch, als er nach siebenundachtzig schier endlos wirkenden Stufen endlich das Stadttor Kakarikos erreicht hatte. Neben dem Tor lehnte ein gähnender Soldat, der Link nur einen flüchtigen Blick zuwarf, bevor er einen Laib Brot aus einem hinter ihm liegenden Ledersack holte und sich seinem Abendessen widmete. Der Junge ging langsamen Schrittes durch die kleine Stadt und sah sich aufmerksam um. Kakariko war so viel kleiner als Hyrule-Stadt! Mit den wenigen Häusern und dem langgezogenen Mittelplatz, auf dem eine große Kiefer und ein Brunnen standen, war es kaum größer als ein Dorf. Ein paar Hühner liefen frei über den Platz, aus der Ferne drang ein gedämpftes Muhen an Links Ohren und der Duft von frisch zubereiteten Gerichten hing in der Luft. Link streckte sich und sog die kühle Luft tief in die Lungen. Hier fühlte er sich sehr viel wohler als in dem beengenden Durcheinander in Hyrule-Stadt – und sogar wohler als in der erdrückenden Vertrautheit des Kokiri-Waldes. Nach nur einer halben Stunde war sein Rundgang durch Kakariko beendet. Im Westen lag das Tor, durch das er am nächsten Tag den Weg zum Todesberg erreichen würde, und im Norden der Stadt war der Friedhof gelegen, von dem Impa erzählt hatte. Doch leider war weit und breit kein Hotel zu finden… Seufzend ließ Link sich unter der Kiefer nieder und streckte die müden Beine aus. „Na gut. Dann werden wir heute eben mal wieder unter freiem Himmel nächtigen.“ Er setzte vorsichtig die Mütze ab, um Navi nicht zu wecken und wollte sich gerade unter dem Baum zusammenrollen, als ein korpulenter Mann mittleren Alters an ihn herantrat. Der Mann machte ein unfreundliches Gesicht und zog die Augenbrauen zusammen, doch als er sprach, war seine Stimme sanft: „Was tust du denn da, Junge?“ „Wenn ich ehrlich sein soll, versuche ich, zu schlafen, Sir.“ „Du bist doch nicht etwa von Zuhause weggelaufen, oder?“ Link blickte den dicken Mann irritiert aus großen Augen an. „Äh... nein. Ich bin im Auftrag Prinzessin Zeldas auf Reisen.“ „Und warum schläfst du dann hier draußen? Du holst dir ja den Tod!“ Mit einer ausladenden Handbewegung zeigte Link auf Kakariko und seufzte. „Nun ja, es gibt hier keine einzige Gaststätte. Wo sollte ich denn Ihrer Meinung nach schlafen?“ Der Mann deutete auf das größte Haus der Stadt. Es war von ungefähr der doppelten Größe wie die anderen Häuser und war auf einem Hügel errichtet worden, sodass es alle anderen Häuser auf der Ostseite des Dorfes überragte. „Siehst du das Haus dort drüben? Das Große?“ Link nickte. „Dort wurde einst die ehrenhafte Impa geboren. Heute steht es für Reisende offen. Sag einfach, der Chef der Zimmerleute hätte dich geschickt – dann bekommst du bestimmt sogar noch etwas zu essen.“ Der Mann zwinkerte Link zu und schlenderte davon. Die Hausvorsteherin war eine schlanke, hochgewachsene, junge Frau mit einem freundlichen, runden Gesicht und bernsteinfarbenem, langem Haar. Sie hatte Link in ihr Herz geschlossen, sobald er etwas unsicher durch die Tür getreten war. Nun stand sie am Herd und rührte in einem Topf herrlich riechenden Eintopfs, während sie aus den Augenwinkeln verstohlen den Jungen beobachtete, der auf seinem Strohlager lag und gedankenverloren mit seinem Gürtel spielte. „Warum gehst du nicht ein wenig raus und schaust dir die Stadt an, bis das Essen fertig ist?“, schlug sie nach einigen Minuten vor. „Das hab ich schon getan, bevor ich hergekommen bin.“ „Warst du auch schon auf dem Friedhof?“ Link schüttelte den Kopf, wobei sein langes Haar, das er offen trug, sanfte Wellen in der Luft schlug. „Impa hat mir auch schon vorgeschlagen, ich solle mir den Friedhof ansehen. Aber was ist daran so besonders?“ „Die Shiekah sind dort begraben – ebenso wie die Mitglieder der königlichen Familie.“ „Die königliche Familie auch? Warum hier in Kakariko?“ Die junge Frau zuckte mit den Schultern. „So genau weiß ich es auch nicht. Sicher ist nur, dass die Shiekah ihre Toten hier schon bestattet haben, lange bevor sich Impas Familie hier niedergelassen hat. Angeblich haben sich die ersten Mitglieder der Königsfamilie hier beerdigen lassen, um ihre Verbundenheit zu den Shiekah zu demonstrieren. Irgendwann ist es dann zur Tradition geworden, die Königsfamilie auf dem Shiekah-Friedhof beizusetzen.“ Nachdem Link noch ein paar Minuten auf dem weichen Stroh gelegen hatte, hatte seine Neugier auf den so hoch gepriesenen und viel gerühmten Friedhof doch obsiegt. Jetzt schritt er langsam zwischen den Gräbern umher und sah sich aufmerksam um. Die meisten Grabsteine waren einfach gehalten und bestanden aus kaum behauenem Stein, in den ein Auge mit einer Träne gemeißelt worden war. Gedankenverloren strich Link über eines dieser Embleme, als hinter ihm eine Stimme ertönte: „Das ist das Zeichen der Shiekah.“ Der Junge zuckte vor Schreck zusammen und drehte sich blitzartig mit der Hand am Schwertgriff um. Hinter ihm stand ein fürchterlich hässlicher Mann, der ihn freundlich anlächelte. „Entschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich bin Boris, der Totengräber.“ Der Mann mit Glatze, Unterbiss und Klumpfuß hielt ihm die Hand hin und blickte ihn aufmunternd an. Link atmete einmal tief durch, um den Schrecken aus seinen Gliedern zu vertreiben und ergriff die ihm dargebotene, schwielige Hand. Dann wandte er sich wieder dem Grabstein zu, vor dem er stand. „Warum steht auf keinem dieser Gräber ein Name? Und was bedeutet dieses Auge?“ „Wie gesagt: Es ist das Zeichen der Shiekah. Der letzte eigene Regent dieses Volkes hat es entworfen, nachdem sein bester Freund durch seine Unaufmerksamkeit ermordet werden konnte.“ Link nickte langsam. „Ja, ich glaube, von diesem Mann hat Impa mir bereits erzählt, als ich sie danach fragte, warum die Shiekah der königlichen Familie der Hylianer treu ergeben sind.“ Nun war es der Totengräber, der nickte. „Das ist richtig. Er nannte sich selbst das Auge des zweigeteilten Königs. Aus diesem Grund trug er auch ein Auge in seinem Wappen. Nach seinem Versagen ergänzte er dieses mit einer Träne, um seiner Trauer Ausdruck zu verleihen. Anfangs war dieses Wappen nur den direkten Nachkommen jenes Mannes vorbehalten, welche die Blutschuld sühnen sollten. Doch im Laufe der Jahrhunderte hat sich das Zeichen und damit die Schuld auf alle Shiekah ausgebreitet.“ „Und warum steht auf keinem einzigen Stein ein Name?“ „Namen bedeuten den Shiekah nichts, genauso wenig wie Individualität. Alles, was für sie zählt, ist die Ehre ihres Volkes und die damit verbundene Aufgabe, die Königsfamilie zu schützen.“ „Welch ein trauriges Volk.“ Link strich erneut über die tiefen Rillen des weinenden Auges. „Ja, das sind sie. Ein tapferes, trauriges Volk. Aber ich bitte dich, mich jetzt zu entschuldigen. In ein paar Minuten kommen die ersten Menschen für meine berühmte Grab-Grusel-Tour und ich muss noch einige Dinge vorbereiten.“ Mit diesen Worten humpelte Boris in Richtung einer kleinen, windschiefen Holzhütte davon. Im nördlichsten Bereich des Friedhofs lagen die königlichen Gräber. Link stand auf das rechte Bein gestützt und überflog die Namen auf der großen Steintafel, als Navi gähnend aus seiner Mütze kroch. „Junge, Junge... ‚Zelda‘ scheint ein äußerst beliebter Name für die weiblichen Mitglieder der Familie zu sein.“ Link ging die Liste ein weiteres Mal durch und zählte, wie viele Prinzessinnen und Königinnen es mit diesem Namen bereits gegeben hatte, doch als seine Finger nicht mehr ausreichten, zuckte er mit den Schultern und kapitulierte. Neben der riesigen Familiengruft der Könige lagen zwei weitere Gräber, die ebenfalls mit aufwendig verzierten Grabsteinen geschmückt waren. Navi ließ sich auf einem von ihnen nieder und las mit verträumter Stimme das Gedicht vor, das in den Stein gehauen war: „Das Tageslicht, es schwindet bei Nacht, am Tag erst wird sein Feuer entfacht. Von Sonne zu Mond und zu Sonne erneut. Ewige Ruhe die Toten erfreut.“ Link neigte leicht den Kopf und sah zu seiner Fee herüber. „Das ist wirklich schön. Wessen Grabinschrift ist das?“ „Dieses Grab gehört einem der Gebrüder Bramstein“, erklärte Navi. „Das waren vor einigen Jahren die Komponisten des Königshofes. Es heißt, ihre Mutter sei eine Hexe gewesen und habe ihren beiden Söhnen einen Teil ihrer Fähigkeiten vererbt. Das Grab dort drüben gehört bestimmt dem Bruder.“ „Ob da auch so ein schönes Gedicht auf dem Grabstein steht?“ Link ging langsam auf das Grab zu und las: „‚Ruhelose Seelen wandern ohne Wonne, gib Frieden mit der Hymne der Sonne‘. Hey, da sind Noten in den Stein geritzt!“ Navi kam näher und ließ sich auf ihrem Lieblingsplatz auf Links Schulter nieder. „Meinst du, du kannst sie dir merken?“ Link betrachtete die kurze Tonabfolge einige Zeit und nickte dann. „Ja, merken schon, allerdings kann ich keine Noten lesen. Aber warum fragst du?“ „Nun ja...“ Unter ihrem silbrigen Glanz schien die zierliche Fee rot zu werden. „Ich liebe die Musik der Gebrüder Bramstein einfach. Ich kann mir nicht helfen. Und auch wenn eine einzelne Okarina vermutlich ein wenig ärmlich klingen wird, würde ich das Stück trotzdem gerne irgendwann einmal hören. Außerdem ist ja vielleicht doch was dran an den besonderen Fähigkeiten der Brüder und wenn ich der Grabinschrift trauen darf, hilft das Lied gegen Untote – so etwas ist bestimmt ungemein praktisch!“ Link grinste und schickte sich an, den Friedhof zu verlassen, um ein wenig zu essen und endlich zu schlafen, während Navi verträumt die kleine Melodie zu Ehren der Sonne vor sich hin summte. „Die Sache mit den Untoten ist dir doch völlig egal. Dir geht’s nur um die Musik. Hab ich Recht?“, neckte der Junge seine Begleitung. Diese saß stocksteif auf seiner Schulter, starrte ins Nichts und verstummte augenblicklich. Links Grinsen wurde noch eine Spur breiter. „Wusste ich’s doch. Wer hätte das gedacht? Meine Fee ist verliebt in tote Musiker...“ „Nur in ihre Musik, du Kunstbanause!“, korrigierte Navi aufgebracht. Da ihre Wangen jedoch gleichzeitig in einem dunklen Rot aufflammten, verfehlten ihre Worte ihren Zweck und ließen Link in schadenfrohes Gelächter ausbrechen anstatt ihm das Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. „Ach, du hast doch keine Ahnung…“ Die Lippen hart aufeinandergepresst, die Hände zu Fäusten geballt und den Blick stur geradeaus gerichtet, versuchte Navi, die Häme ihres Freundes so würdevoll wie möglich über sich ergehen zu lassen. Auf dem Weg zurück zu seiner Unterkunft stolperte Link plötzlich und schlug hart auf den Boden auf. „Au! Was zum Henker–“ Wütend blickte er sich um und entdeckte schließlich den Übeltäter hinter einem Grabstein, den er gerade passiert hatte. Zwischen Gras und wilden Blumen versteckt, ragte ein eckiges Stück Metall aus dem Boden und brachte unachtsame Wanderer zu Fall. Link hockte sich neben den Grabstein und betrachtete das Metallstück, während er einen Finger unter den Saum seiner Mütze schob und sich am Hinterkopf kratzte. „Was das wohl ist?“ Rätselnd blickte er Navi an, die sich auf die Erde hatte schweben lassen und den merkwürdigen Fund zu Fuß umkreiste. „Sieht aus wie ein Hylia-Schild“, stellte die Fee fest und nickte bekräftigend. „Ein Schild?“ Link kaute auf der Unterlippe und dachte an das feueranfällige Stück Holz, das er bislang als Schutz benutzte und in Impas Haus zurückgelassen hatte. „Meinst du, er“, der Junge deutete auf den Grabstein, „würde es uns übel nehmen, wenn wir uns seinen Schild... ähm... ausleihen würden?“ Navi riss überrascht die Augen auf. „Das wäre Grabschändung!“ „Warum? Ich würde doch nur den Schild ausgraben – den netten Herren würde ich in Ruhe lassen.“ Link zog eine Unschuldsmiene und sah seine Fee so intensiv an als hoffte er, sie hypnotisieren zu können. Auf deren Gesicht machte sich nach einem kurzen Moment tatsächlich ein fieses Grinsen breit und sie tadelte mehr als halbherzig: „Du bist ein böser, böser Junge... Aber hey, selbst wenn der Besitzer was dagegen haben sollte – wir haben ein Lied gegen Untote.“ Link zog und zerrte an der herausragenden Ecke des Schildes, doch es rührte sich kaum. Keuchend ließ er sich auf den Hintern fallen und starrte missmutig vor sich hin. „Gibt’s dafür nicht vielleicht auch einen Feenzauber oder so?“ „Nein, tut mir leid. Du wirst dir die Hände schon schmutzig machen müssen, wenn du das Ding haben willst.“ Mit einem Seufzer schwang Link sich auf die Füße, nur um sich gleich darauf wieder neben den Schild zu knien und mit bloßen Händen die festgetretene Erde aufzubrechen. Als er das begehrte Stück endlich freigelegt hatte, war die Ernüchterung jedoch groß. „Das Ding ist ja viel zu groß!“ Mit vor Dreck starrenden Händen hielt Link den Schild vor sich und betrachtete es zweifelnd, während Navi sich vor Lachen bog. „Vielleicht kannst du’s ja als Schildkrötenpanzer benutzen.“ „Du hast das gewusst, oder?“, hakte Link nach, als sich ihm ein Verdacht aufdrängte. Die Fee grinste diabolisch und flötete zuckersüß: „Sieh es als Strafe dafür, dass du dich über mich lustig gemacht hast.“ Link warf ihr einen säuerlichen Blick zu, reinigte den verdreckten Schild so gut es ging mit einem Zipfel seiner Tunika und löste den kleinen, verzauberten Lederbeutel von seinem Gürtel. „Jetzt wollen wir mal sehen, wie gut dein Zauber wirklich ist.“ Ganz langsam und vorsichtig verstaute er den Schild, der fast zwanzigmal so groß wie der Beutel war, in dessen Innerem. „Unglaublich! Das klappt ja tatsächlich.“ Navi gab einen missbilligenden Ton von sich, sparte sich aber jeden weiteren Kommentar und flog stattdessen stumm in Richtung Stadt davon. Nach einigen Metern drehte sie sich allerdings wieder zu ihrem Schützling um und rief: „Was ist? Willst du hier Wurzeln schlagen?“ Kapitel 12: Tanzender Regent ---------------------------- Nach einer zu kurzen Nacht verabschiedete Link sich noch vor Sonnenaufgang von der liebevollen Hausvorsteherin und ihren anderen Gästen, mit denen er bis spät in die Nacht zusammengesessen und deren wilden, anrührenden oder amüsanten Geschichten er gelauscht hatte. Der nachtschwarze Himmel verfärbte sich von Osten her langsam in ein dreckiges Grau, während der Junge die Treppen zum Westtor hinaufstieg. Eine Wache saß gähnend vor dem massiven Eisengitter und kämpfte gegen die Müdigkeit. Schüchtern trat der junge Held an den Soldaten heran und räusperte sich. Der Mann schob seinen schweren Eisenhelm in den Nacken und blinzelte zu Link herauf. „Was kann ich für dich tun, mein Junge? Hast du dich verlaufen?“ „Nein, Sir.“ Link schüttelte zur Unterstützung seiner Worte den Kopf und deutete auf das Tor. „Ich würde gerne passieren.“ Misstrauisch musterte der Soldat das Kind vor sich. Was konnte so ein junger Mensch an einem dermaßen gefährlichen Ort wie dem Todesberg wollen? Irgendetwas an diesem Jungen schien anders zu sein als an all den anderen Kindern, die er kannte. Lag es an der entschlossenen Art wie er die Lippen aufeinander presste? Oder an diesen Augen, die viel zu alt schienen für diesen jungen Körper, so als hätten sie schon zu viel Leid für dieses kurze Leben sehen müssen? Aber vielleicht waren auch einfach das Schwert und der billig aussehende Schild auf dem Rücken des Jungen Auslöser für dieses Empfinden. „Tut mir leid, mein Kleiner, aber ich darf dich nicht passieren lassen. Auf diesem Berg ist es viel zu gefährlich für ein Kind.“ Aus den Tiefen der grünen Zipfelmütze drang ein missbilligendes Schnauben. Der Soldat runzelte irritiert die Stirn, doch Link machte keine Anstalten, ihm zu erklären, woher dieser Laut gekommen war. Stattdessen holte er Prinzessin Zeldas Brief aus seinem Wunderbeutel und reichte ihn wortlos der Wache. Diese las mit zusammengekniffenen Augen und brach schließlich in ein schallendes Gelächter aus. „Dieser Junge heißt Link. Er hat den Auftrag Hyrule vor dem Untergang zu bewahren. Unterzeichnet: Prinzessin Zelda.“ Der Mann holte tief Luft und versuchte, seinem Lachkrampf Herr zu werden. „Was ist das denn für ein alberner Auftrag?“ Link schaute auf seine Stiefelspitzen und kaute verlegen auf der Unterlippe. „Aber nun gut“, erlöste der Soldat Link nach einem langen Moment des Wartens, während dem der Mann mühsam um Fassung gerungen hatte. „Ich weiß nicht, was ihr Zwei für ein Spiel spielt, doch die Unterschrift ist echt. Du darfst passieren, Zwergenheld.“ Die Wache stand mühsam auf und öffnete das Tor, während sie noch immer leise vor sich hin kicherte. Link marschierte mit mürrischem Gesichtsausdruck an ihr vorbei und machte sich an den schwierigen Aufstieg des imposanten Berges. Er konnte nur hoffen, dass Navi nicht mitbekommen hatte, wie der Soldat ihn getauft hatte, doch das Glucksen tief in seiner Mütze belehrte ihn eines Besseren. Von nun an musste er sich wohl drauf einstellen, in Zukunft des Öfteren stichelnd Zwergenheld genannt zu werden… Der breite Weg verlief zunächst auf der sanft ansteigenden Südwestseite des Berges, beschrieb jedoch schon ziemlich bald einen scharfen Knick und wand sich dann in einer steilen, immer enger werdenden Spirale um die kegelförmige Felsformation herum. Die Sonne knallte auf den staubigen Felsboden und trieb dem jungen Recken den Schweiß aus allen Poren, während Navi sich gemütlich auf seiner Schulter sonnte. „Weißt du, ich finde, du könntest dich auch ruhig ein wenig nützlich machen“, grummelte Link und warf einen brummigen Blick auf seine Fee. „Wie denn? Ich kann dich ja wohl schlecht den Berg rauftragen und einen Sonnenschirm hab ich auch nicht dabei.“ „Ja, ja, schon gut... Aber du könntest mir zum Beispiel verraten, was du über diese Gegend weißt.“ „Leider nicht all zu viel“, räumte Navi unwillig ein. „Ich weiß nur, dass der Todesberg in Wirklichkeit kein richtiger Berg, sondern ein noch immer aktiver Vulkan ist.“ „Was?!“ Link blieb wie angewurzelt stehen und sah sich vor seinem geistigen Auge vor einer riesigen Lavawelle davonlaufen und schließlich geröstet werden. Navi nickte, um ihre vorherige Aussage zu bekräftigen und blickte zum Gipfel des Todesberges hinauf. „Allerdings gehört er nicht zu der Sorte Vulkane, die ihr Magma in die Luft spucken.“ Der Junge atmete erleichtert aus und setzte seinen Weg fort. „Aber warum gilt er dann als aktiv?“ „Nun ja... Er spuckt vielleicht keine Lava, aber...“ „Aber?“ Link zog die rechte Augenbraue in die Höhe und warf Navi einen ängstlichen Blick zu. „Aber er bricht von Zeit zu Zeit aus, wobei er heiße und teilweise brennende Gesteinsbrocken hervorspeit.“ Der Junge ließ die Schultern hängen und seufzte. „Na toll... Als würde dieser mörderische Aufstieg allein nicht schon reichen. Held sein stinkt. Ich kündige!“ Gegen Mittag machten die beiden Wanderer im Schatten eines imposanten Höhleneingangs eine Rast. Sie hatten bereits die Hälfte ihres Weges zurückgelegt und würden voraussichtlich gegen Abend ihr Ziel endlich erreichen. Link lehnte sich gegen einen ovalen Felsen mit rauer Oberfläche, schütze die Augen mit der rechten Hand gegen das grelle Sonnenlicht und schaute den weiteren Weg hinauf. „Was, meinst du, erwartet uns in Goronia?“ Navi saß vor ihm im Schneidersitz auf dem Boden und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich hatte bisher noch nie etwas mit einem Goronen zu tun. Ich weiß lediglich, dass es sich hierbei um ein sehr stolzes, eigenwilliges Volk handeln soll, das es nicht mag, wenn sich andere in ihre Angelegenheiten einmischen.“ „Meinst du, der Dämon aus der Wüste, Ganondorf, war bereits hier?“ Die Frage brannte Link bereits unter den Nägeln, seit sie erfahren hatten, dass der zweite Heilige Stein vermutlich im Besitz der Goronen war. Navi zuckte bei der Erwähnung dieses Namens ein wenig zusammen – zu präsent war die Erinnerung an den Tod des Deku-Baumes. „Ich würde darauf wetten, ja. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass er hier auf große Kooperationsbereitschaft gestoßen ist.“ „Hm.“ Link legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. „Ich frage mich, ob er den Goronen Ähnliches angetan hat wie dem Deku-Baum.“ Navi seufzte traurig. „Ich hoffe nicht.“ „Ja, ich auch“, stimmte Link leidenschaftlich zu. „Und wenn doch, hoffe ich, dass ich dieses Mal mehr ausrichten kann.“ Nachdem die Beiden eine Weile nur dagesessen und ihren Gedanken nachgehangen hatten, holte Link die Flasche Lon-Lon-Milch, sowie das Brot und den Käse, die er von der mütterlichen Wirtin in Hyrule-Stadt bekommen hatte, aus seinem Wunderbeutel und begann langsam kauend zu essen. Als er Navi ein Stück Brot anbot, lehnte diese stumm mit einem Kopfschütteln ab. „Weißt du, was mir gerade auffällt? Ich hab dich noch nie essen gesehen.“ „Feen nehmen keine Menschennahrung zu sich.“ Navi drehte ihr Gesicht wieder der Sonne zu. „Von was ernährt ihr euch denn dann?“, wunderte sich Link, während er sich angesichts von Navis zierlichem Körper insgeheim fragte, ob Feen sich überhaupt von irgendwas ernährten. Das kleine silbrig leuchtende Mädchen deutete auf den gelbglühenden Ball am Horizont. „Natur. Sonnenlicht und Wind und der Duft von gerade aufgeblühten Blumen und Erdwärme und und und... Wir ernähren uns von allem Schönen, das die Göttinnen geschaffen haben.“ Während er fasziniert betrachtete, dass Navis silberner Glanz in der prallen Sonne schwach bunt funkelte, kaute Link auf seinem Stück salzigen Ziegenkäses und fragte sich, wie Sonnenlicht wohl schmeckte. Gerade, als der Junge die Reste seines Mittagsmahls verstaut hatte und dabei war seinen Lederbeutel wieder am Gürtel zu befestigen, wurden die Zwei von einer Art riesigem roten Wasserläufer angegriffen, der sich mit fauchenden Lauten und weit aufgerissenem Maul auf Link stürzte. Bevor der Junge erfassen konnte, was passierte, bewegte sich plötzlich der Felsbrocken hinter ihm. Eine riesige Faust schnellte hervor und zerschmetterte den Angreifer an der nächsten Wand. Langsam und mit vor Schreck geweiteten Augen drehte Link sich um. Hinter ihm stand ein riesiges, felsenartiges Wesen mit langen Armen und kurzen Beinen, die unter einem gewaltigen Bauch herausragten. Das Wesen ließ den rechten Arm ausgestreckt im Schultergelenk kreisen und schaute Link aus runden, schwarzen Knopfaugen an. Dieser wich immer weiter zurück und wäre beinah auf Navi getreten, hätte diese nicht ihre Stimme wiedergefunden: „Ein Gorone! Du hast auf einem Goronen gesessen!“ Link legte den Kopf schief und betrachtete den Goronen, der die Arme nun locker am Körper herab hängen ließ. „Das... ähm... tut mir leid. Ich habe Sie für einen Felsen gehalten.“ „Ach, das macht nichts.“ Der neue Bekannte lächelte die beiden Abenteurer warm an. Seine Stimme klang wie brüchiger Schiefer und war überraschenderweise trotzdem nicht unangenehm. „Ich hab gehört, ihr Zwei wollt nach Goronia?“ Link nickte. „Dann solltet ihr besser aufpassen. Diese Viecher sind seit kurzem überall.“ Der Gorone warf den Überresten des plötzlichen Angreifers angewiderte Blicke zu. „Danke für den Tipp. Ich werde ab jetzt besser auf der Hut sein.“ Link nickte dem Felsenwesen noch einmal zu und wandte sich dann Richtung Goronia, als ihn die Stimme des Goronen zurück hielt: „Wartet. Ich könnte euch auch mitnehmen. Das ginge schneller und wäre für uns alle ungefährlicher. Springt einfach auf!“ Der Gorone rollte sich zu einer Kugel zusammen und walzte langsam auf Link zu, der mit einem beherzten Sprung auf der Felskugel landete. Den restlichen Weg nach Goronia verbrachte Link damit, sein Gleichgewicht auf der schnell dahin schießenden, lebenden Kugel zu halten und die Wasserläufermonster niederzustrecken, die versuchten ihn oder den Goronen anzugreifen. Goronia war eine unterirdische Stadt, die in Jahrhunderte langer Arbeit in den Felsen des Todesbergs gehauen worden war. Nun stand Link am Rand des obersten Stockwerks, blickte in die Tiefe, zählte die Etagen unter ihm und beobachtete träge umher trottende Goronen. „Normalerweise sind wir nicht so apathisch... naja, jedenfalls nicht so sehr“, murmelte der Gorone, der Link und Navi hergebracht hatte, als er dem Blick des Jungen folgte. „Doch seit dieser Mann hier gewesen ist und Dodongos-Höhle verschlossen hat, leiden wir alle Hunger. Du musst wissen, wir Goronen sind Steinfresser und sehr sensibel, was unsere Nahrung betrifft. In Dodongos-Höhle lagern unsere Vorräte, aber an die kommen wir nun nicht mehr heran und andere Steinsorten zügeln nur den Appetit, sättigen uns aber nicht. Ganz besonders die Kinder und Alten leiden darunter.“ Link zog die Augen zu Schlitzen zusammen und sah seinen neugewonnen Freund aufmerksam an. „Was für ein Mann?“ „Ich weiß nicht genau. Er war riesig für einen Menschen – in etwa so groß wie ein ausgewachsener Gorone, wenn er auf den Füßen steht – und hatte eiskalte, dunkle Augen, sowie rotes Haar.“ „Ganondorf! Also war er tatsächlich hier...“ Der Gorone schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, ob das sein Name war, aber unser Anführer, Darunia, kann dir bestimmt weiter helfen. Er hat lange mit dem Fremden gesprochen.“ Er wies auf die unterste Ebene. „Du findest ihn in seinem Thronsaal auf der Nordseite, ganz unten. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob er dich empfangen wird. Er hat wegen des Essensproblems schrecklich schlechte Laune.“ Tatsächlich fand Link die Tür zum Thronsaal verschlossen und auch auf sein Klopfen reagierte niemand. Resigniert ließ er die Schultern hängen und zog die Unterlippe zwischen die Zähne, während er nachdachte. „Darunia hat sich eingeschlossen, um nachzudenken, bis ein Gesandter des Königs von Hyrule kommt“, erklärte ein in der Nähe stehender Gorone. „Aber sag, kleiner Mensch, was willst du von unserem Anführer? Vielleicht kann auch ich dir helfen.“ Statt zu antworten, wandte Link sich wieder der Tür zu, pochte laut und heftig gegen den Stein und brüllte: „Ich bin ein Gesandter Hyrules. Im Namen des Königs: Öffnet diese Tür!“ Postwendend dröhnte eine tiefe Stimme aus dem Saal: „Beweise deine Behauptung, Fremder.“ Link grinste angesichts des ersten Lebenszeichens von der anderen Seite der Tür wie ein Honigkuchenpferd und kramte seine Okarina aus dem Lederbeutel. Langsam und konzentriert stimmte er das Wiegenlied an, das Impa ihm beigebracht hatte, und wartete gespannt. Mehrere Herzschläge lang passierte nichts, doch dann rührte sich die massive Steinplatte endlich und er konnte eintreten. Im Inneren war es heiß und stickig, aber die Fackeln an den Wänden brannten trotzdem, um Licht zu spenden. Auf einem riesigen Thron aus schwerem, hellem Stein saß der Anführer der Goronen und gab ein einschüchterndes Bild ab. Er war gut einen Kopf größer als die anderen Angehörigen seines Volkes und rund um sein Gesicht hatten sich lange felsige Ausläufer gebildet, die nun aussahen wie wild abstehende Haare und ein wüster Bart. Als er seinen Blick auf Link richtete, loderte ein unzähmbares Feuer in seinen Augen und die Mundwinkel bogen sich gefährlich nach unten. „Was soll das? Warum schickt man mir ein Kind? Will der König mich verhöhnen?! Wohl an… Junge, kehre ins Schloss zurück und richte dem König aus, dass wir seine ‚Hilfe‘ nicht brauchen. Wir Goronen lösen unsere Probleme selbst.“ Link räusperte sich und wollte zu einer Erklärung ansetzen, dass er gar nicht vom König geschickt wurde, doch Darunia unterbrach ihn. „Spare dir deine Luft, Kind. Was auch immer der König dir aufgetragen haben mag – es interessiert mich nicht. Geh.“ Link setzte erneut an, nur um von seinem Gegenüber niedergeschrien zu werden: „Ich habe dir gesagt, du sollst wieder zurück ins Schloss gehen! Was machst du also noch hier?!“ Der Junge blinzelte verängstigt und warf Navi einen Seitenblick zu, doch diese zuckte nur mit nach oben gerichteten Handflächen die Schultern. Aus Angst von Darunia persönlich herausgeworfen zu werden, sollten sie noch länger bleiben, traten die Beiden schließlich den Rückzug an. Auf dem Weg aus dem Thronsaal heraus seufzte Link und trat einen kleinen Stein vor sich her. „Ich wünschte, Salia wäre hier. Sie weiß immer, wie man mit solchen Miesepetern umgeht.“ „Vielleicht solltest du das Lied ausprobieren, das sie dir beigebracht hat. Sie hat doch irgendwas gesagt, von wegen ihr könntet dann miteinander kommunizieren.“ „Ja, aber sie erwähnte auch, dass wir dazu den Wind bräuchten. Hier ist aber es absolut windstill.“ „Versuch’s doch trotzdem. Wenn es nicht klappt, versuchen wir es einfach draußen erneut.“ Link setzte erneut die Okarina an die Lippen und spielte Salias Lied. Die beschwingte Melodie prallte von den Wänden ab und verbreitete sich geschwind in der ganzen Stadt. Aus den Augenwinkeln sah der Junge ein paar Goronen, die ihren Kopf im Takt der Musik hin und her wiegten. Doch Salias Stimme war nicht zu hören. Der Junge presste grimmig die Lippen aufeinander und grummelte: „Ich sag’s doch: windstill!“ „Dann ab nach draußen.“ Gerade, als die beiden Abenteurer aufbrechen wollten, hielt Darunias Stimme sie zurück: „Warte. Komm herein und spiel das Lied noch einmal. Bitte.“ Link trat erneut vor den gewaltigen Thron und wiederholte die Melodie, die Salia geschrieben hatte. Zunächst wippte Darunia nur leicht mit dem Fuß auf und ab, doch je länger die Musik durch den Raum wirbelte, desto weniger konnte er an sich halten. Schließlich brach es aus ihm heraus und er sprang auf die Füße, um ebenso wild umher zu tanzen wie die Noten der Melodie auf und ab sprangen. Nach einiger Zeit ließ sich der mächtige Gorone wieder auf seinen Thron fallen und lächelte Link glückselig an. „Ich danke dir, junger Freund. Dieses wunderbare Stück Musik hat mir geholfen, meine gute Laune wiederzufinden. Nun sprich: Was ist dein Anliegen?“ Rasch berichtete Link von den Vorfällen im Kokiri-Wald sowie von seinem Aufeinandertreffen mit Prinzessin Zelda. „Ich bin mir ziemlich sicher“, führte er weiter aus, „dass Ganondorf auch derjenige war, der Dodongos-Höhle verschlossen hat. Er muss aufgehalten werden! Deswegen brauche ich den Heiligen Stein des Feuers, Dins Opal. Ich bitte dich, falls du irgendetwas über seinen Verbleib weißt, sag es mir. Ohne ihn werden wir Ganondorfs Pläne nicht durchkreuzen können.“ Darunia musterte den Knaben vor sich misstrauisch. Was, wenn dies nur ein weiterer Trick Ganondorfs war, um den Goronen-Opal in seinen Besitz zu bringen? Schließlich verschoben sich seine Züge zu einem listigen Grinsen, bei dem es Link kalt den Rücken hinab lief. „Nun, ich weiß, wo sich der Heilige Stein befindet – in meinem Besitz.“ Die Augen des Jungen leuchteten auf und er begann unruhig von einem Fuß auf den anderen zu treten. Die nächsten Worte des Goronen-Königs verpassten der freudigen Erregung des Recken jedoch einen gewaltigen Dämpfer: „Aber ich fürchte, ich kann ihn dir nicht einfach geben. Ich denke, in Zeiten wie diesen wirst du das verstehen können.“ Darunia durchbohrte Link, der ein wenig betrübt nickte, mit seinen Blicken. „Allerdings bin ich gewillt, dir eine Möglichkeit zu geben, dir die Anerkennung meines Volkes und den Heiligen Stein zu verdienen. Wenn du es schaffst, Dodongos-Höhle wieder zu öffnen und von den gefährlichen Dodongos zu befreien, soll dir dein Wunsch erfüllt werden.“ Link straffte die Schultern und richtete sich zu seiner vollen Größe auf, bevor er mit feierlicher Stimme versprach, er wolle den Goronen aus der Krise helfen. Der Goronenanführer lächelte amüsiert und stellte fest: „Du spuckst große Töne für so einen kleinen Menschen. Ich bin gespannt, ob du sie einhalten kannst.“ Link nickte bestimmt und wollte bereits gehen, als Darunia ihn ein weiteres Mal zurückhielt: „Warte, ich habe noch etwas für dich. Nimm dieses Armband. Es wurde aus Metall aus den Tiefen des Todesberges geschmiedet und stimuliert die Muskeln seines Trägers, sodass dieser stärker wird als zuvor.“ Der Junge nahm den gezackten Armreifen entgegen und schob ihn über das rechte Handgelenk, bevor er den Raum verließ. Navi kroch aus seinen Haaren hervor und setzte sich mal wieder auf seine rechte Schulter. „Und? Spürst du schon etwas?“, fragte sie, während sie den mattgoldenen Schmuck, in den das Zeichen der Goronen geprägt war, betrachtete. „Nicht die Bohne. Vermutlich funktioniert das Teil nur, wenn man dran glaubt – wie bei den Wunderheilern, die dir irgendwelchen Schrott verabreichen und du trotzdem gesund wirst, weil du daran glaubst, dass es hilft.“ Kapitel 13: Dodongos-Höhle -------------------------- Auf dem Weg zu Dodongos-Höhle, die ein Stück weiter bergab lag, kamen die Beiden an einem Feld großer Pflanzen mit gelben Blüten und dicken, dunklen, bombenartigen Körpern vorbei. „Wow, Navi, hast du so etwas schon mal gesehen?“, fragte Link bewundernd. Die zierliche Fee flog einen Kreis um das Gewächs und schüttelte den Kopf, während sie geradezu ehrfürchtig die glatte Oberfläche berührte. Ein Gorone trat von hinten an die Beiden heran und kniete sich neben Link. „Das sind Donnerblumen. Die eigentliche Pflanze besteht nur aus den grünen Blättern, die knapp über dem Boden wachsen. Zweimal im Jahr blüht sie mit einer großen, gelben Blüte und entwickelt dann diesen Fruchtkörper.“ Der Gorone deutete auf die blauschwarze Kugel und lächelte. „Und warum heißen sie Donnerblumen?“, erkundigte sich Link, der in die Hocke gegangen war, um die eigentümliche Pflanze aus der Nähe betrachten zu können. Langsam stemmte sich der Gorone wieder auf die Füße und bedeutete dem Jungen, ihm zu folgen. Auf der anderen Seite des Feldes angekommen, blieb das mächtige Felsenwesen stehen und deutete auf eine Pflanze zu seinen Füßen. „Diese hier ist reif. Du erkennst es an dem schmalen, orange gefärbten Rand der Blüte.“ Der Gorone zog ein wenig an den Blütenblättern, damit Link den feinen Unterschied zu einer unreifen Donnerblume besser erkennen konnte. „Komm, Kleiner, sei kein Frosch und pflück sie. Dann erfährst du, warum wir sie Donnerblumen getauft haben.“ Link warf Navi, die mit den Schultern zuckte, einen leicht ängstlichen Seitenblick zu und stellte sich dann über die Pflanze, um den Fruchtkörper vom Rest zu lösen. Mit einem leisen Knacken löste sich die schwere, schwarze Frucht und Link schaute sich irritiert nach dem Goronen um, der sich schnell entfernte. „Ein Knack und das ist alles? Kein besonders beeindruckender Donner...“ Plötzlich wurde Navi blass und deutete panisch auf das Gewächs in Links Händen. „Wirf das Ding weg! Es explodiert!“ „Äh… Was?!“ Von innen heraus baute sich in der Frucht ein immenser Druck auf, der gegen die harte Schale drückte und sie leicht pulsieren ließ, bis sie aufplatzen würde. Durch die Reibung im Inneren wurde das kugelige Gewächs so heiß, dass es Link beinah die Hände verbrannte. Hilflos sah sich der Junge um, doch rings um ihn herum standen nur noch mehr reife Donnerblumen, die durch die Detonation ebenfalls zum Explodieren gebracht worden wären. Schließlich warf Link die pflanzliche Bombe über die Schulter und sich selbst auf den Boden, wo er sich flach zusammen kauerte und die Hände auf die Ohren drückte. Die gepflückte Donnerblume flog im hohen Bogen über den Rand des Abhangs, auf dem das Feld angepflanzt war, und stürzte in die Tiefe, wo sie mit einem lauten Donner detonierte. Das Explosionsgeräusch prallte von den felsigen Wänden ab und grollte über den Todesberg hinweg, bevor es von dem Krachen zusammenstürzenden Gerölls abgelöst wurde. Vorsichtig nahm Link die Hände von den Ohren, setzte sich auf und krabbelte auf allen Vieren zum Abhang. Von unten drangen die erfreuten Rufe und das Klatschen einiger Goronen an seine Ohren: „Dodongos-Höhle ist endlich wieder offen!“ Auf dem Weg hinab zum Eingang konnte Navi noch immer nicht fassen, wie knapp sie einer Katastrophe entgangen waren. „Wenn ich diesen Goronen erwische, kann er was erleben! Dieser Idiot wollte uns umbringen!“, wetterte sie, während sie zur symbolischen Unterstreichung ihrer Worte mit der Faust auf die Handfläche schlug. Doch Link machte ein gequältes Gesicht und schüttelte sacht den Kopf. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Vielleicht hat er nicht ganz bis zum Ende durchdacht, was er tat, oder wir irren uns und mir wäre gar nichts passiert, wenn das Ding in meinen Händen explodiert wäre.“ Navi zog die rechte Augenbraue in die Höhe und bedachte ihn mit einem abfälligen Blick. „Diese einzelne Donnerblume hat einen riesigen Felsen in tausend Teile zersprengt. Wenn sie in deinen Händen detoniert wäre, hätte die Explosion dir erst die Arme abgerissen, bevor du zermalmt worden wärst, weil die umstehenden Pflanzen explodiert wären.“ Navi schnaubte ärgerlich und blickte Link, der mit hängendem Kopf neben ihr her lief, nachdenklich an. „Und trotzdem fällt es dir schwer, schlecht von diesem Felsknäul zu denken, nicht wahr?“ Link nickte und seine Fee warf in einer theatralischen Geste die Arme zum Himmel. „Oh, bei den Göttinnen!“ Vorsichtig drückte der Junge sich zwischen den feiernden Goronen, die ein paar kleine Happen von ihren Lieblingssteinen gefunden hatten, hindurch Richtung Höhleneingang. Gerade, als er die Höhle betreten wollte, wurde er von einem der Felsenwesen aufgehalten. Es war sein neugewonnener Freund, der ihn nach Goronia geleitet hatte. „Warst du das mit der Donnerblume?“ „Ja, aber das war eigentlich ein Ver–...“ Doch der Gorone ließ ihn gar nicht ausreden. Stattdessen drückte er den völlig perplexen Link an seine steinharte Brust. „Das ist großartig! Du weißt gar nicht, wie sehr ich mich darauf gefreut habe, endlich mal wieder von diesen Steinen kosten zu können. Willst du auch ein Stück?“ Er hielt dem Jungen, der verzweifelt gegen die zu enge Umarmung ankämpfte, einen Brocken rötlichbraunen Granits unter die Nase. Dieser verzog bei dem Gedanken auf Stein zu beißen angewidert das Gesicht und winkte ab. Der Gorone zuckte die Schultern, wobei er Link durch die Umarmung für kurze Zeit vom Boden hoch hob, und steckte sich den Stein in den Mund. Er kaute laut knirschend, bevor er mit einem seligen Lächeln auf den Lippen schluckte. „Köstlich! Zu schade, dass es damit bald wieder vorbei sein wird.“ Sein Gesicht verdüsterte sich und er entließ Link, der fragend den Kopf schief legte, wieder aus der Umarmung. „Dodongos-Höhle mag wieder offen sein, doch tief in ihr Innerstes können wir noch immer nicht vordringen. Die Dodongos sind nach all der Zeit, in der sie für ausgestorben galten, wieder zurückgekehrt – und Goronen stehen ganz oben auf ihrem Speiseplan.“ Link drehte sich zum Höhleneingang und starrte in die Dunkelheit. „Diese Dodongos, was sind das für Wesen?“ „Riesige, feuerspeiende Echsen mit schier undurchdringlich gepanzerter Haut und einem extrem aggressiven Temperament.“ Ohne den Blick abzuwenden, nickte Link und versprach seinem Freund, das Problem zu beheben. Dann sprach er sich selbst stumm Mut zu, drückte den Rücken durch und trat betont selbstsicher in die Finsternis. Langsamen Schrittes stieß Link immer weiter in die Höhle vor. Im Inneren war es so unglaublich dunkel, dass man nicht einmal die eigene Hand vor Augen sah. Der Junge schob bedächtig einen Fuß nach vorn und streckte den rechten Arm vor sich, um eventuelle Hindernisse rechtzeitig ertasten zu können. Die andere Hand ruhte beständig auf dem Schwertknauf damit er ungebetene Gäste schnell gebührend empfangen konnte. Mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen versuchte er einen Witz zu machen: „Gut, dass ich nie Angst vor der Dunkelheit hatte.“ Neben ihm machte Navi ein grunzendes Geräusch. „Weißt du, das käme irgendwie überzeugender rüber, wenn deine Stimme dabei nicht zittern würde.“ Link streckte ihr die Zunge heraus, auch wenn sie dies nicht sehen konnte. „Nur weil ich mich nicht fürchte, heißt das nicht, dass ich nicht angespannt bin.“ „Du bist so ein Weichei!“ Die Fee seufzte übertrieben auf und knuffte ihm dann spielerisch gegen sein Kinn. „Doch wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Feelein her.“ Navi legte sich Zeige- und Mittelfinger beider Hände an die Schläfen, um diese in kreisenden Bewegungen zu massieren und konzentrierte sich. Auf einmal wurde aus dem silbrigen Glanz, der ihren Körper stets einhüllte, ein kühles, weißliches Licht, das sich immer weiter im Raum ausbreitete, bis die Lichtkugel einen Durchmesser von fast fünf Metern hatte. Das Licht war so hell, dass Link sich geblendet abwenden und die Augen mit den Händen schützen musste, bis er sich an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatte. Blinzelnd schaute er sich um und staunte nicht schlecht. Konnte er vorher kaum bis zu seiner Nasenspitze gucken, erkannte er nun in der Nähe wachsende Donnerblumen und sogar die raue Beschaffenheit der Felswände. „Navi, du bist unglaublich!“ „Ich weiß. Trotzdem danke.“ Die Stimme der Fee klang rau und gepresst. Link strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und musterte seine Begleiterin mit sorgenvoller Miene – das heißt, das hätte er getan, hätte er sie in dem hellleuchtenden Lichtball erkennen können. „Alles okay bei dir?“ „Ja, ja, keine Angst. So stark zu leuchten ist nur unglaublich anstrengend. Also tu mir einen Gefallen und beweg dich!“ Nach nur fünf Minuten hatte Link den ganzen Raum umrundet, doch nirgends war ein Weg tiefer in die Höhle zu entdecken. Navi hatte sich inzwischen auf den klammen Boden niedergelassen, weil ihr die Kraft fehlte, sich weiter in der Luft zu halten, und atmete keuchend. Verzweifelt rannte Link durch den Raum und krabbelte auf allen Vieren an den Wänden entlang, in der Hoffnung, einen schmalen Durchgang zu finden, den er bisher übersehen hatte. „Kannst du es noch aushalten?“ Er warf einen besorgten Blick über die Schulter auf den langsam schrumpfenden Lichtball. „Mach dir... um mich keine Sorgen...“, presste Navi zwischen den Zähnen hervor, während silbriger Schweiß über ihre Stirn lief. Die Welt schien sich plötzlich um sie herum zu drehen und zu verzerren. Ihr Oberkörper schwankte ein wenig und sie drohte, in Ohnmacht zu fallen, während Link wütend gegen eine der Wände schlug. Das Feenlicht hinter ihm flackerte besorgniserregend, als er endlich bemerkte, dass seine Schläge einen seltsam hohlen Ton erzeugten. „Navi! Navi! Hinter dieser Wand geht’s weiter! Halte nur noch ein bisschen durch!“ Mit langen Schritten eilte Link zu den Donnerblumen, die in der Nähe wuchsen, während er in Gedanken betete, wenigstens eine von ihnen möge reif sein. In dem immer schwächer werdenden Licht konnte man nicht erkennen, ob es sich um unreife oder fertige Pflanzen handelte, deswegen pflückte der Junge einfach auf gut Glück die erste, an der er vorbei kam. Nachdem er sie platziert hatte, rannte er so schnell er konnte zu seiner inzwischen fast völlig entkräfteten Fee. Die harte Schale der Donnerblumenfrucht knackte schon bedrohlich, als Link unter leisen Flüchen den Hylia-Schild aus seinem Lederbeutel zerrte und versuchte, sich selbst und Navi damit vor der Explosion abzuschirmen. Als der Fruchtkörper schließlich mit einem lauten Krachen detonierte, entstand dabei in dem kleinen Raum eine gewaltige Druckwelle, die Link trotz des Hylia-Schildes nach hinten kippen ließ und Navi durch den halben Raum schleuderte. Mit einem schwachen Stöhnen versuchte sie wieder auf die Füße zu kommen, doch ihr ausgelaugter Körper verweigerte seinen Dienst. Kaum dass sie ihr Bewusstsein verloren hatte, erlosch auch ihr Feenlicht, das den Raum erhellt hatte. Link krabbelte besorgt zu ihr herüber und hob sie zärtlich auf, bevor er ihr mit einem Finger liebevoll über die Wange strich. „Du dummer, sturer Esel. Du hättest doch sagen können, dass es zu viel für dich wurde.“ Vorsichtig bettete er sie in seine lange Mütze, stand langsam auf und drehte sich um. In der rückwärtigen Wand klaffte nun ein riesiges Loch, durch das ein sanfter, rotglühender Schimmer wie von Feuer drang. Link verstaute den großen, schweren Hylia-Schild wieder in seinem Wunderbeutel und ging langsam auf den Lichtschein zu. Vorsichtig steckte er den Kopf durch das Loch und schaute sich in dem dahinter liegenden Raum um. In der Mitte ragte eine Felsplattform in die Höhe und auf den Seiten verliefen Vorsprünge, die tiefer in die Höhle hinein führten. Die Luft war heiß und stickig und gab Link das Gefühl, kaum atmen zu können. Der Junge wischte sich die ersten Schweißtropfen von der Stirn und ging langsam in den Raum hinein. Der Boden unterhalb der Felsvorsprünge war von einer tiefroten, zähaussehenden Flüssigkeit bedeckt, die so heiß war, dass sie Blasen warf. „Was ist das?“, flüsterte der junge Recke tonlos, als unerwartet eine Stimme aus seiner Mütze drang: „Lava. Wonach sieht’s denn aus?“ Langsam krabbelte Navi durch sein Haar und setzte sich auf seine Schulter. Sie sah noch immer müde aus, doch sie war ganz offensichtlich zumindest wieder bei Bewusstsein. „Hey, schön, dass es dir wieder besser geht.“ „Klar. So ein kleiner Windhauch haut mich nicht um.“ Link verdrehte die Augen und deutete dann quer durch den Raum, während seine Fee ihn breit angrinste. „Fein. Kannst du mir dann meine eigentliche Frage beantworten? Ich habe mich gefragt, was das ist, nicht was auf dem Boden ist. Dass das Lava ist, sehe ich selbst.“ Navi folgte seinem ausgestreckten Arm und blickte auf die gegenüberliegende Wand. Dort befand sich ein etwa haushoher Schädel mit leeren Augenhöhlen, scharfen Zähnen in den geschlossenen Kiefern und runder Schnauze. „Uh, ich glaube, das ist ein Dodongo-Schädel.“ „WAS?!“ Link starrte Navi mit offenstehendem Mund und schreckgeweiteten Augen von der Seite her an. Diese zog ärgerlich die Augenbrauen zusammen und wies ihren Schützling zurecht: „Schrei mich nicht an! Ich kann nichts dafür.“ „Aber wenn das da nur ein Schädel ist... Wie groß ist dann ein kompletter Dodongo?“ „Ziemlich groß.“ „Und wie zum Henker soll ich so ein Riesenvieh kleinkriegen?!“ Die folgenden Räume waren in ein schummeriges Licht getaucht und Link schritt gedankenversunken neben Navi her. „Ich hoffe, diese Höhle ist seeeeeeehr groß.“ Die Fee warf ihm einen verwirrten Seitenblick zu. „Warum?“ „Vielleicht fällt mir dann ein, wie ich mein Versprechen einlösen kann. Bis jetzt ist mir nämlich noch immer schleierhaft, wie man ein so gewaltiges Monster besiegen soll.“ Navi starrte stumm auf den Boden unter ihr. Zuzugeben, dass sie keine Ahnung hatte, fiel ihr unglaublich schwer. Link sah sie mit vor der Brust verschränkten Armen an, als sich plötzlich ein echsenartiges Wesen aus dem sandigen Boden nach oben grub und ihn mit einem lauten Fauchen angriff. Geschickt tänzelte der Junge aus der Flugbahn des Angreifers und stieß ihm seine Klinge zwischen die Rippen, bevor ein zweiter Angriff möglich war. „Was war das?“, wunderte sich Link, während er sein Schwert zurücksteckte. Ebenfalls neugierig ließ sich Navi neben dem Kadaver nieder und beäugte ihn aufmerksam. Dann deutete sie auf den vorderen Teil der Leiche und fragte: „Siehst du den Kopf? Erinnert er dich an etwas?“ Link ging in die Knie und betrachtete den toten Gegner eingängig. Der Körper und die zu kurz wirkenden Beine waren von kleinen, grünen Schuppen bedeckt. Die schwarzen Knopfaugen waren im Tod halb geschlossen und eine lange, rote Zunge hing aus den mit rasiermesserscharfen Zähnen bewehrten Kiefern. „Ein... ein Dodongo?“ Navi nickte langsam. „Ja. Ich glaube, es ist ein Baby-Dodongo oder zumindest noch ein sehr junger.“ „Ich habe ein Baby getötet?“ Links blaue Augen waren im Schock unglaublich groß. Die Fee stieß einen genervten Laut aus. „Ein Baby, das dich fressen wollte – also bitte, bitte keine Gewissensbisse!“ Mit einer geschmeidigen Bewegung stand der Junge auf und blickte traurig auf den toten Dodongo. „Nein, keine Gewissensbisse. Aber es ist echt widerlich, dass Ganondorf nicht davor zurückschreckt, so junge Wesen in den Kampf zu schicken.“ Kopfschüttelnd wandte er sich ab, als Navi hinter ihm plötzlich schnappend Luft holte. „Weg, Link! Weg!“ Überrascht drehte der Junge sich halb um, nur um zu sehen wie sich unter der Haut des jungen Dodongos etwas bewegte. „Was –?“ Doch noch bevor er den Satz beenden konnte, detonierte der Körper des echsenartigen Angreifers mit einem lauten Knall. Link krachte gegen die gegenüberliegende Wand, bevor er hart auf den Boden aufschlug. Stöhnend stemmte er sich wieder auf die blutenden Knie und blickte sich suchend nach seiner Fee um. Seine Schulter schmerzte stark und er hatte beim Aufprall auf den Boden viel Staub geschluckt, der ihn jetzt husten ließ. Neben ihm klackerten ein paar übereinander liegende Steine, als Navi sich freikämpfte. „Hoppla, das war unerwartet.“ Sie klopfte sich Dreck aus den langen Haaren und musste niesen. „Was ist überhaupt passiert?“ Link befühlte ein langsam anschwellendes Hämatom an seinem Ellenbogen, während er auf die Stelle starrte, wo der tote Dodongo gelegen hatte und jetzt eine tiefe Mulde im Sand zu sehen war. „Ich glaube, der Dodongo ist explodiert.“ Navi kam langsam auf ihn zu und wischte sich Sand von der Schulter. Link kaute mit leerem Blick auf der Unterlippe. „Aber wie ist denn so was möglich? Das würde doch bedeuten, dass der Körper von diesen Tierchen mit irgendwas Explosivem gefüllt ist.“ Er riss den Kopf herum und schaute zu Navi herüber, die ihn ebenfalls aus großen Augen ansah. „Das ist die Lösung!“, riefen die beiden Abenteurer wie aus einem Mund. „Donnerblumen!“ Gemäßigten Schrittes und aufmerksam seine Umgebung musternd bewegte Link sich immer tiefer in die Höhle, vorbei an Zyklopenstatuen, die ihn, sobald sie den Jungen erblickten, mit blauen Laserstrahlen beschossen, und noch mehr Baby-Dodongos. „Es ist wirklich ein Schande“, Link schüttelte traurig den Kopf, als sie sich im Laufschritt von einem niedergestreckten, jungen Dodongo entfernten. „Wie kann man nur so grausam sein und Kinder in den Kampf schicken?“ Navi bedachte ihn mit einem vielsagenden Seitenblick. „Ist ja nicht gerade so, als hätte die Gegenseite etwas anderes getan...“ „Was? Wieso? ... Ach, du meinst mich?“ „Wen denn sonst, Spatzenhirn?“ Navi bedachte ihn mit einem Blick, der deutlich zeigte, für wie überflüssig sie die Frage ihres Schützlings hielt. „Das... das ist etwas anderes. Ich... Für mich... Vermutlich ist es meine Bestimmung oder so. Jedenfalls habe ich immer gespürt, dass ich anders als die anderen bin. Außerdem bin ich kein Kind mehr“, versuchte Link sich und vor allem den Deku-Baum zu rechtfertigen. Navi zog eine Augenbraue in die Höhe, sagte aber nichts. „Na gut... Aber jedenfalls bin ich nicht mehr so jung. Diese Massen an Kleinkindern in den Kampf zu schicken, ist einfach unmenschlich.“ Link lehnte sich an eine klobige Kriegerstatue mit rundem Kopf, Hörnern, sowie Schwert und Schild und sah zu seiner Fee herauf. „Deswegen ist Ganondorf ja auch der Bösewicht“, bemerkte diese und entfernte geistesabwesend etwas Dreck unter ihren Fingernägeln. Angesichts des offensichtlich aufgesetzten Gleichmuts seiner Fee musste Link unwillkürlich grinsen, als er plötzlich spürte, wie sich die Statue bewegte. Erschrocken wirbelte er herum und schritt langsam rückwärts, während er sein Schwert zog. Die Statue hüpfte in großen Sprüngen auf ihn zu, wobei ihr runder Sockel laut dröhnend wieder auf den Boden aufkam. Für einen Steinklotz war sie erschreckend schnell und wendig. Link sah es kaum, als sie ihr Schwert hob und es in einem hohen Bogen auf ihn niedersausen ließ. Im allerletzten Moment konnte er sich mit einem beherzten Sprung noch aus der Gefahrenzone bringen und unverletzt bleiben – aber ein paar langsam zu Boden segelnde Haare bezeugten wie knapp er dem Tod entkommen war. Link setzte zu einem Gegenangriff an und hieb mit seinem Kurzschwert auf den Gegner ein. Doch den einzigen Effekt, den dies erzielte, waren schmerzhafte Vibrationswellen, die von der Schwertspitze bis in seine Zehen schwappten. „D-d-d-a-a-s-s-s-s h-a-a-a-t-t k-k-k-e-i-n-n-e-e-e-n S-s-s-s-s-i-i-i-n-n!“, stotterte er, als ein weiterer seiner Angriffe an der steinernen Schale des Gegners abgeprallt war. Navi zog mit ängstlichem Blick auf die Statue an seinem Ärmel. „Was stehst du dann noch hier rum?!“ Link machte auf dem Absatz kehrt und stürzte in die schummerige Dunkelheit davon. Er rannte und rannte bis ihm die Lungen schmerzten. „Ich glaube, wir haben dieses Mistvieh abgehängt.“ Navi blickte mit nachdenklicher Miene in die Richtung, aus der sie gekommen waren, während Link in leicht hockender Position die Hände auf die Knie stützte und keuchend Luft holte. Als sich seine Atmung wieder ein wenig beruhigt hatte, blickte er sich neugierig um. In der Mitte des Raums stand eine riesige, steinerne Treppe, die hinauf zu einer anderen Ebene der Höhle führte. Leider war die unterste Stufe so hoch, dass Link sie nicht erklimmen konnte. Mit nachdenklich in Falten gelegter Stirn kratzte er sich hinterm Ohr und ließ seinen Blick weiterschweifen. Wie sollte er dort hinauf gelangen? Rund um die Treppe wuchsen dicht an dicht reife Donnerblumen, so als hätte sie jemand dort in gerade Reihe angepflanzt. Langsam ging der Junge darauf zu und kniete sich vor eine etwas größere Lücke zwischen den Pflanzen, genau vor der Mitte der Treppenstufe. „Navi? Siehst du hier irgendwo noch mehr Donnerblumen?“ Irritiert blickte die Fee zu ihm herüber. „Reichen dir die da nicht? Damit könntest du jetzt schon eine ganze Stadt in die Luft jagen.“ „Oder diese Treppe zum Einstürzen bringen.“ „Ja, oder diese... WAS?! Was im Namen der Göttinnen hast du vor?“ Navi starrte ihren Schützling an als hätte er den Verstand verloren. Vorsichtig befühlte Link die Beschaffenheit des Treppensteins kurz über dem Boden. Hier erschien er ihm poröser als beim Rest der Treppe, die dermaßen massiv war, dass er zweifelte, ob die Donnerblumen einen so harten Stein sprengen könnten. Ohne den Blick von den kaum sichtbaren Risslinien im untersten Teil der Stufe zu nehmen, deutete er nach oben. „Ich will da rauf.“ „Aber... aber...“ „Vertrau mir einfach. Dieses eine Mal. Wenn das hier nicht klappt, werde ich nie wieder eine meiner Ideen äußern.“ „Ja, weil du dann vermutlich nie wieder Ideen haben wirst...“ Navi grummelte noch immer vor sich hin, als sie begann den Raum nach weiteren Donnerblumen zu durchsuchen. Von der gegenüberliegenden Wand leuchteten sie zwei knallgelbe Blüten an. „Link, hier drüben!“ Vorsichtig platzierte der junge Recke die schon bedrohlich pulsierende Frucht genau in der Mitte der Lücke zwischen den anderen Donnerblumen. Navi beobachtete ihn mit ängstlich geweiteten Augen von ihrem Versteck aus. Kaum dass Link die bombenartige Pflanze gepflückt hatte, hatte sie sich in einen schmalen Spalt in der Wand verzogen. Link presste sich ebenfalls dicht an den kühlen Stein und hielt den Hylia-Schild vor sich. Weder Junge noch Fee wagten es, zu der Treppe hinüber zu blicken. Als die gepflückte Donnerblume schließlich explodierte und eine Kettenreaktion auslöste, die alle in der Nähe wachsenden Blumen erreichte, hallte ein ohrenbetäubender Knall durch den kleinen Raum. Link wurde von der Schallwelle noch mehr an die Wand gedrückt und er fühlte, wie ihm langsam die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Doch bevor er Atemnot bekommen konnte, hatte sich die Druckwelle bereits wieder aufgelöst und die Treppe stürzte wie erhofft ein Stück weit ein, wobei sie eine riesige Wolke aus Staub und feinem Sand aufwirbelte. Navi stand wild gestikulierend vor ihm und bewegte stumm den Mund. Irritiert starrte Link sie an. „Was willst du mir sagen?“ Panik schnürte ihm die Kehle zu, als er seine eigene Stimme nicht hörte. Hatte der laute Detonationsknall ihm etwa die Trommelfelle zerfetzt? „Ich... Ich kann nichts hören!“ Obwohl er merkte, dass er brüllte, hörte er keinen Ton. Panisch bohrte er mit den Zeigefingern in den langen, elfenhaften Ohren, als sich endlich mit einem lauten Fiepen sein Gehör zurückmeldete. „Ich sagte, dass deine Ideen bescheuert sind, ich aber trotzdem beeindruckt bin, dass es geklappt hat“, brüllte Navi. Ihre Stimme klang als steckte Links Kopf unter Wasser und das laute Piepen raubte ihm den letzten Nerv, doch mit jedem Herzschlag wurde sein Gehör wieder besser. Noch einmal Glück gehabt! Schweigend erklommen sie die gewaltige Treppe und erforschten die weiteren Tiefen von Dodongos-Höhle. Nach einiger Zeit zog Navi Link stumm zur Seite und deutete mit dem Kinn auf riesige in etwa pferdgroße Echsen, die in ungefähr zweihundertfünfzig Metern Entfernung dicht über den Boden krochen. „Ausgewachsene Dodongos.“ „Das sind ausgewachsene Dodongos? Und was ist dann mit diesem monströsen Schädel am Eingang? Wenn das da“, Link deutete auf die Dreiergruppe Dodongos, „ alles ist, hätte ich mir nicht so in die Hosen machen müssen.” Navi strich sich eine Strähne zurück über die Schulter. „Das war der Schädel eines Königs-Dodongos. Die sind mit normalen Dodongos nicht zu vergleichen.“ „Vielleicht haben wir ja Glück und hier sind nur Normale.“ Links Gesicht strahlte, doch Navi schüttelte den Kopf. „Nein. Jedes Dodongo-Rudel wird von einem Königs-Dodongo angeführt.” Link schob die Augenbrauen zusammen, sodass zwischen ihnen zwei feine Falten entstanden, und sah zu Navi herauf. „Wie kommt es, dass du plötzlich so viel über Dodongos weißt?“ Die Fee zuckte die Schultern, als sei die Antwort offensichtlich. „Die Höhle hat es mir erzählt.“ Schnaubend stieß Link die Luft aus der Nase aus und presste die Lippen aufeinander, um nicht zu lachen. „Ja, klar... Ich hab zuhause im Kokiri-Dorf auch jeden Abend einen Plausch mit meinem Wohnbaum gehalten. Geeeenau...“ Zornig verschränkte Navi die Arme vor der Brust. „Sehr witzig. Nimm mich ruhig nicht ernst!“ „Hey, tut mir Leid, aber weißt du, wie bescheuert das klingt? ‚Die Höhle hat’s mir erzählt.‘“ Link versuchte die Stimme seiner Fee nachzuäffen und scheiterte kläglich. „Tut mir ja leid, wenn die Fähigkeiten von uns Feen über dein Fassungsvermögen gehen“, schnappte diese und kehrte ihm beleidigt den Rücken zu. „Moment... Du hast das ernst gemeint?!“ Dem Jungen entgleisten vor Überraschung die Gesichtszüge und er glotzte seine Fee an wie ein geistig minderbemittelter Idiot. „Natürlich! Alles, was die Göttinnen erschaffen haben, hat eine Seele. Du, ich, jedes Tier, jeder Baum, jeder Stein. Wir Feen sind in der Lage, ihre Stimmen zu hören – hier, ganz tief im Herzen.“ Sie klopfte sich mit der flachen Hand auf die Brust. „Du glaubst gar nicht, was manche Dinge zu erzählen haben...“ Link schüttelte ungläubig den Kopf und murmelte: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das überhaupt wissen will…“ Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder den Echsenwesen zu, die im nächsten Gang auf und ab krochen als würden sie patrouillieren. So leise wie möglich schlich Link sich an den ersten Dodongo heran und hieb sein Schwert zischend auf den Rücken der Echse herab. Normalerweise hätte das Tier ihm sofort tot zu Füßen liegen müssen, doch anstatt sich zwischen den Rippen hindurch ins Herz zu bohren, rutschte die Klinge an den glatten Schuppen des kleinen Drachens ab und Link verlor durch den Schwung seines Schlags das Gleichgewicht und stürzte. Das Schwert glitt ihm aus der Hand und schlitterte klappernd über den Boden, während sich alle drei Dodongos fauchend zu ihm umdrehten. „Oh, oh...“ Schnell rappelte der Junge sich wieder auf und hielt seinen Holzschild vor sich, um wenigstens ein wenig geschützt zu sein. Die Dodongos beobachteten ihn aufmerksam aus lodernden, schwarzen Augen, während er sich langsam rückwärts auf sein Schwert zu bewegte. Die ganz rechts stehende Echse legte den Kopf schief und verengte die Augen zu Schlitzen, was ihr ein angriffslustiges Aussehen verlieh. Link konzentrierte sich auf den kleinen Drachen, der ihm a nächst war, und schlich immer weiter auf sein Schwert zu. Es war beinah in Griffweite, als der mittlere Dodongo tief Luft holte und ihm einen Feuerball entgegenschleuderte. Reflexartig ließ Link sich sofort auf den Boden fallen und betrachtete mit schockgeweiteten Augen den großen, schwarzen Fleck an der Wand, wo das Feuer aufgeprallt war. Schnell machte er eine Rolle rückwärts, wälzte sich über die Seite und ergriff sein Schwert. Mit dem Kokiri-Schild auf dem Rücken, um es vor weiteren Feuerattacken zu schützen, und dem Kurzschwert in der linken Hand stürzte er sich wieder auf die Riesenechsen, als Navi plötzlich neben ihm auftauchte und ihm zuraunte: „Versuch, ihren Schwanz zu treffen. Das ist die einzige Stelle, an der ihr Panzer nicht so hart ist.“ Link stieß sich heftig vom Boden ab und katapultierte sich in die Luft, wo er eine elegante Schraube vollführte. Bevor er wieder landete, richtete er die Klinge seines Schwertes nach unten und sauste auf den Griff gestützt nach unten. Der Dodongo fauchte empört auf, als der Stahl Haut und Knochen durchtrennte. Er schlug um sich und zog und zerrte an seinem Schwanz, doch er war an den Boden geheftet wie ein Schmetterling in einer Sammlung seltener Exemplare. Schwarzes Blut spritzte bei jeder Bewegung aus der Wunde und sammelte sich in einer großen Lache auf dem Boden. Wütend versuchte das verletzte Tier sich nach oben zu stemmen, wobei seine gewaltigen Krallen tiefe Furchen im Stein hinterließen. Es schien ein letztes Mal seine gesamte Kraft zu sammeln und Link suchte Schutz hinter einer Weggabelung. Er presste sich fest an die Wand und starrte um die Ecke, wo die anderen Dodongos versuchten, vor ihrem verletzten Artgenossen zu fliehen. Doch bevor sie auch nur fünf Meter weit gekommen waren, detonierte der Körper des Drachen. Die Explosion war so heftig, dass die anderen Echsen trotz ihrer Panzerung zerfetzt wurden und sich Links Schwert Zentimeter tief in die steinerne Wand der Höhle bohrte. Navi steckte ihren Kopf unter dem Saum von Links Mütze hervor und rümpfte die Nase. „Örgs, das war abartig.“ Der Junge ging langsam auf sein Schwert zu und zerrte an dessen Griff, doch es steckte fest. Er musste sich mit den Füßen gegen die Wand stützen und mit dem Gewicht seines ganzen Körpers ziehen, damit es sich wieder löste. Er stolperte rückwärts und brauchte einige Schritte, um sein Gleichgewicht wiederzufinden. „Das kannst du laut sagen!“ Naserümpfend wich er einer Pfütze schleimig aussehenden Bluts aus. „Ich sag’s doch: Held sein stinkt. Und des Helden kleines Helferlein zu sein, ist auch keine bessere Aufgabe.“ Grinsend ließ er seine Klinge zurück in ihre Scheide gleiten und setzte seinen Weg fort. „Link! Hier!“ Navi schwebte über einer massiven Holztruhe, die auf einem leicht erhöhten Plateau stand, und schlug ungeduldig mit ihren schillernden Flügeln. Behände erklomm Link den Felsvorsprung und nahm das Schloss der Truhe in Augenschein. „Das dürfte kein Problem sein.“ Geschickt fummelte der Junge die Schneide seines Schwerts unter den Deckel und hebelte den Verschluss aus. Leise knarrend ließ sich die Holzkiste öffnen. Im Inneren lag ein großer, prall gefüllter Ledersack. Link blickte aufgeregt zu Navi hoch, bevor er den Sack an sich nahm, um ihn zu öffnen. Als er das Band löste, welches das grobe Leder zusammen hielt, rollte eine dunkle Kugel aus dessen Inneren. Navi kreischte auf und verschwand atemberaubend schnell unter Links Mütze. „In Deckung! Eine Donnerblume!“ Link zuckte zurück und schloss die Augen, um sein Ende wenigstens nicht zu sehen. Doch als einige Herzschläge lang nichts passierte, blinzelte er unter halb geschlossenen Lidern hervor. Die vermeintliche Donnerblume war um einiges kleiner als die, die er bisher gesehen hatte, und hatte statt einer gelben Blüte eine flachsfarbene Schnur. „Du kannst wieder rauskommen, Navi. Das ist gar keine Donnerblume.“ Die Fee klammerte sich im Inneren seiner Mütze in sein weiches Haar. „Was?“ „Das ist keine Donnerblume. Das ist eine Bombe.“ Nach einiger Zeit kamen die beiden Abenteurer an eine wackelig aussehende Hängebrücke, die über dem Eingangsraum der Höhle verlief. Unter ihnen ragte der majestätische Schädel des Königs-Dodongos in die Höhe. Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend schritt Link bedächtig über die Brücke, während er sich mit einem verbissenen Gesichtsausdruck an dem aus Hanfseilen bestehenden Geländer festhielt. Die Seile fühlten sich rau gegen seine Handflächen an und durch die Reibung entstand eine unangenehme Hitze, aber Link ließ dennoch nicht los – zu groß war die Angst, eine der verrottet aussehenden Holzplanken könnte unter seinem Gewicht brechen. „Du siehst aus wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird.“ Navi balancierte leichtfüßig über das Geländer und betrachtete Link, dem der Schweiß auf der Stirn stand, amüsiert von der Seite. „Ach, halt die Klappe...“ Konzentriert setzte der Junge einen weiteren Fuß vor den anderen. „Das ist nur eine Brücke“, ignorierte das Feenmädchen die Forderung seines Begleiters, „und du machst ein Gesicht als wärst du einem Geist begegnet. Warum?“ „Nur eine Brücke?!“, rief der Recke entrüstet. „Hast du dir das morsche Ding mal angeguckt?“ „Du hast doch nicht etwa Angst?“ Navi sah mit schief gelegtem Kopf zu ihm herauf und grinste. Vor Wut begannen Links Wangen sich mit roten Flecken zu übersäen. „Willst du damit behaupten, ich sei ein Feigling?“ Navis Grinsen wurde noch eine Spur weiter. „Vielleicht...“ Link presste die Kiefer aufeinander und sah sie mit zu Schlitzen verengten Augen an. So viele Jahre hatte er sich von Mido einen Feigling nennen lassen müssen... Von einer dermaßen ängstlichen Fee, die sich beim kleinsten Anzeichen von Gefahr in seiner Mütze verkroch, würde er sich nicht runtermachen lassen! Er ließ die Seile los und setzte entschlossen einen Fuß vor den anderen, wobei er immer schneller wurde, bis er beinah über die Bretter rannte. Navi blieb mit offen stehendem Mund zurück. „Warte! Das war doch gar nicht... Jetzt warte doch!“ Link warf ihr einen säuerlichen Blick über die Schulter zu und übersah das klaffende Loch vor ihm. Navi stieß einen spitzen Schrei aus, als Link über die letzte Planke trat und stürzte. Als könnte sie das Unglück ungeschehen machen, wenn sie es nur nicht zu sehen bräuchte, schlug sie sich reflexartig die Hände vors Gesicht. Doch als anstatt eines panischen Kreischens und eines dumpfen Aufpralls lediglich unterdrücktes Stöhnen an ihre Ohren drang, ließ sie langsam ihre Hände sinken und sah wie Link sich damit abmühte, sich wieder auf die Brücke zu hieven. Glücklicherweise hatte er eines der Bretter zu fassen bekommen, bevor er in die Tiefe gestürzt war. Keuchend zog er zunächst seinen Oberkörper und dann die Beine wieder aus dem Loch. Navi seufzte erleichtert auf und beeilte sich dann, zu ihm zu kommen. „Was machst du nur immer für Sachen?“, fragte sie tadelnd, aber ihre Stimme war weich vor Erleichterung. „Hmpf.“ Link blickte sie noch immer verstimmt an, doch bevor er Weiteres sagen konnte, wurde er plötzlich von hinten angegriffen. Die in Flammen stehende Fledermaus sauste in einem steilen Sturzflug auf Link herab und prallte gegen seinen Rücken, wo sie den Kokiri-Schild in Brand steckte. Mit einem einzigen gezielten Hieb konnte der Junge die Angreiferin niederstrecken, sein Schild jedoch war verloren. Panisch riss er sich das brennende Holz vom Rücken, warf es auf den Boden und versuchte, die Flammen auszutreten. „Link, Vorsicht!“ Der Junge riss den Kopf hoch und sah Navi fragend an, doch es war zu spät. Durch die wilden Versuche, das Feuer zu löschen, hatte sich das Lederband gelöst, mit dem der Recke den Bombenbeutel an seinem Gürtel befestigt hatte, und eine der schwarzen Kugel fiel heraus. Wie in Zeitlupe sah Link, dass sich die Lunte entzündete und langsam herabbrannte, während die Bombe weiter auf das Loch zurollte. Geistesgegenwärtig schmiss sich Navi mit ihrem vollen Gewicht dagegen und schubste die Bombe über den Abgrund. Mit einem zischenden Geräusch fiel sie in die Tiefe und landete in einer der leeren Augenhöhlen des Königs-Dodongos. Die Hängebrücke schwankte leicht als die Bombe mit einem lauten Knall detonierte. „Puh, das war knapp!“ Link sah Navi mit einem dankbaren Lächeln an. „Du hast beeindruckend schnell reagiert.“ Die Fee wollte das Kompliment mit einer Handbewegung abtun, als ihr etwas ins Auge stach. „Sieh mal!“ Link folgte ihrem Blick hinab zu dem Riesenschädel und staunte nicht schlecht. Von der Augenhöhle, in welche die Bombe gefallen war, ging ein bedrohliches, rotes Leuchten aus und der Unterkiefer war ein Stück herabgesackt. Navi warf Link, der ihr mit einem Nicken zu verstehen gab, dass er verstanden hatte, einen bedeutungsschwangeren Blick zu. „Dort drüben über dem anderen Auge ist noch ein Loch in der Brücke.“ Link schnappte sich eine weitere Bombe, die er an den inzwischen fast erloschenen Überresten seines Schildes entzündete, und sprang beherzt auf die andere Seite, um die explosive Kugel in seinen Händen in die zweite Augenhöhle fallen zu lassen. Wie erhofft erstrahlte auch das zweite Auge nach der Explosion in demselben dunklen Rot und der Unterkiefer klappte ganz herunter, wobei er einen neuen Weg freilegte. Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend stieg Link über die riesigen Reißzähne hinweg in das Maul des Schädels. Bisher hatte er sich immer gefragt, wie man so etwas hart aussehendes wie einen Goronen fressen konnte, doch beim Anblick dieser Fänge verflüchtigten sich seine Zweifel sofort. Königs-Dodongos waren definitiv tödlich! Navi, die mal wieder auf seiner Schulter saß, begann leicht zu zittern. Link warf zunächst einen nachdenklichen Blick auf die Lava, die große Teile des Raumes hinter ihnen bedeckte, und dann auf seine Fee. „Was hast du? Dir ist doch nicht etwa kalt?“ Sie schüttelte geistesabwesend den Kopf und blickte sich mit großen Augen um. Als sie sprach, klang ihre Stimme weit entfernt: „Wir kommen dem Nest des Anführers immer näher, ich spüre das.“ Nachdem sie den Schädel passiert hatten, kamen die Beiden in einen runden Raum, an dessen Seite eine mit Eisenstäben versperrte Tür gelegen war. Die zwei Fledermäuse, die durch die Luft patrouillierten, erledigte der Junge mit zwei gezielten Schleuderschüssen, bevor er sich der Tür näherte. Ein kurzes Rütteln an den Stäben machte klar, dass sie sich durch Gewalt keinen Millimeter würden bewegen lassen. Genervt trat Link gegen die Wand und verzog das Gesicht, als er sich dabei den großen Zeh schmerzhaft anstieß. „Hier drüben ist ein Schalter, sieh mal.“ Ein wenig humpelnd näherte Link sich seiner Fee, die in der Mitte des Raumes stand und in ein kleines Loch deutete. Auf dem Boden des Lochs war tatsächlich ein Druckschalter, der aussah als könnte das Gewicht des Jungen ausreichen, um ihn zu aktivieren. Behände sprang dieser in das nicht allzu tiefe Loch und jubelte triumphierend, als nicht nur der Schalter sich herabdrücken ließ, sondern auch die Stäbe quietschend nach oben gezogen wurden. Doch als er sich wieder aus dem Loch zog, war die Ernüchterung groß. Kaum hatte er seine Füße vom Schalter genommen, sprang dieser zurück in die Ausgangsposition und die Stäbe sausten wieder herab. Nach schier unzähligen Versuchen und als seine Tunika bereits unangenehm an seinem völlig verschwitzten Körper klebte, gab Link endlich auf. Schwer atmend setzte er sich an den Rand des Lochs und ließ die Füße baumeln. „Es hat einfach keinen Sinn. Ich komme nicht schnell genug zur Tür, um sie zu öffnen, bevor die Stäbe wieder unten sind. Ich komm ja nicht mal in die Nähe der Tür – egal, wie sehr ich mich beeile.“ Eine schweißfeuchte Strähne hing ihm ins Gesicht und kitzelte seine Nase, doch er ignorierte sie einfach. Wie im Namen der drei Göttinnen konnte man diese Tür passieren? Navi saß auf seinem Kopf und deutete auf das andere Ende des Raums. „Dort hinten ist noch ein Gang. Vielleicht finden wir ja da etwas, das schwer genug ist, um es auf den Schalter legen zu können.“ Seufzend hievte Link sich wieder auf die Füße und trabte davon, um den neuentdeckten Weg zu erkunden. „Hey, Navi. Wenn wir etwas in den Mund stecken und runterschlucken, dann kommt es in den Magen, richtig?“ Sie sah ihn verwirrt an, nickte aber, wobei ihr langes Haar sanfte Wellen in der Luft schlug. „Dann war der Raum vorhin also so was wie der Magen des Königs-Dodongos, wenn man sich vorstellt, dass es nicht nur ein Schädel ist.“ „Ja, mag sein.“ Worauf wollte er nur hinaus? „Was ist dann dieser Gang hier, wenn der Raum vorhin der Magen war?“ Ein breites Grinsen breitete sich auf Links Gesicht aus, doch Navi verzog angewidert den Mund. „Manchmal bist du echt ekelig!“ Der „Darm“ beschrieb einen großen Bogen und mündete schließlich wieder im „Magen“, allerdings auf einer höheren Ebene, die vom Boden aus nicht zu erreichen gewesen war. Was jedoch viel wichtiger war: Vor den beiden Abenteurern tauchte ein großer, schwer aussehender Steinquader auf, der perfekt in das Loch mit dem Schalter zu passen schien. Unter Aufbietung all seiner Kraft schob Link den Klotz in das Loch, wo er den Schalter aktivierte und endlich den Weg durch die Tür frei gab. Die Freude darüber währte jedoch nicht lange, denn der Raum hinter der Tür war bis auf eine kleine Truhe mit zusätzlichen Bomben vollkommen leer. Link verstaute die Bomben, die nicht mehr in den Bombenbeutel passten, in seinem Wunderbeutel, während Navi ein frustriertes Gesicht machte. „So viel Aufwand für ein paar popelige Bomben... Tze.. Was soll das denn?!“ Link konzentrierte sich darauf, seine Lederbeutel wieder richtig und fest an seinem Gürtel festzuknoten. „Wir haben uns von den Stäben in die Irre leiten lassen und sollten es jetzt einfach an einer anderen Stelle versuchen, meinst du nicht?“ „Nein! Ich weiß, dass wir hier richtig sind, ich fühle das!“ Gleichgültig zuckte Link mit den Schultern und schickte sich an, den Raum wieder zu verlassen, als er über eine Kante im Boden stolperte. „Huch... Wo kommt das denn her?“ Er kniete sich hin und befühlte bedächtig den kalten Stein unter ihm. „Navi! Ich hab’s!“ Die Fee schoss auf ihn zu und blickte ihn ungeduldig an. „Hier ist ein Stück nachträglich eingelassen worden“, erklärte der Junge. „Wenn man genau hin sieht, erkennt man’s sogar.“ Navi konzentrierte sich und erkannte tatsächlich, dass eine etwa ein mal ein Meter große, quadratische Fläche ein wenig heller war als der restliche Boden. „Ich denke, ich kann das Loch wieder freisprengen.“ Link sprang auf die Füße und holte eine Bombe hervor, die er an einer in einer Ecke stehenden Fackel entzündete, bevor er sie mitten auf das hellere Steinquadrat legte. Schnell rannte er mit Navi, die er schützend in seinen Händen barg, aus dem Raum, um der Explosion zu entgehen. Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, bog sich das Holz auch schon bedrohlich, als die Bombe hoch ging. Kapitel 14: Der Kampf gegen King Dodongo ---------------------------------------- Als sie wieder in den Raum traten, hing der intensive Geruch nach Schwarzpulver noch immer in der Luft und reizte Links Nase. Dennoch grinste er breit, als er sah, dass in der Mitte des Raums nun ein großes, quadratisches Loch klaffte. Langsam schritt er darauf zu und blickte nachdenklich herab. Unter ihm war ein breiter Weg, der sich um einen großen See aus heißer Lava wand. Die gewaltige Hitze drang bis zu ihm herauf und ließ ihm den Schweiß aus allen Poren treten. „Das sieht ganz schön tief aus.“ Link zog die Unterlippe zwischen die Zähne und schaute ein wenig ängstlich zu Navi herauf, die einen besorgten Eindruck machte. „Ich fürchte, dir wird trotzdem nichts anderes übrig bleiben…“ „Ich erwähnte bereits, dass ich kündigen will?“ Der Junge atmete noch einmal tief durch und richtete sich dann mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck auf. Er ballte die Hände zu Fäusten, presste die Lippen aufeinander und starrte stur auf den Punkt, an dem er landen wollte. Dann schloss er die Augen, konzentrierte sich und sprang hinab. Wie erhofft landete der mutige Recke mitten auf dem sandigen Weg, doch leider hatte er die Füße nicht genügend zusammengehalten. Mit einem erstickten Aufschrei knickte er mit dem linken Knöchel um und stürzte schräg nach vorne, wobei er sich Handflächen und Ellenbogen aufschürfte. Navi raste auf ihn zu und zog panisch am Kragen seiner Tunika, während sie immer wieder ängstliche Blicke über ihre Schulter warf. „Komm wieder auf die Füße! Los! Beeil dich!“ Stöhnend wand Link sich und versuchte aufzustehen. Durch den Schmerz in seinem verletzten Fuß war er wie gelähmt. „Oh, bei den Göttinnen! Jetzt steh endlich auf!“ Plötzlich begann die Erde zu beben und ein schauriges Grollen erklang hinter Link, der es endlich schaffte, sich zumindest aufzusetzen. Mit einem von Furcht verzerrten Gesicht drehte er den Oberkörper und schluckte hart, als er sah, was auf ihn zukam. Vier kurze, aber breite und stämmige, leicht krumme Beine stampften mit lautem Donner über den Boden, wobei sie gelbliche Sandwolken aufwirbelten. Zu den Beinen gehörte ein mächtiger, echsenartiger Körper mit langem Schwanz, der unruhig hin und her peitschte, und ein imposanter Kopf mit riesigem Maul, das voller rasiermesserscharfer Zähne war. Zwar war dieses Exemplar wesentlich kleiner als jenes, das zu dem Schädel im Eingangsbereich gehört haben musste, doch es war eindeutig ein Königs-Dodongo. Vor lauter Panik vergaß Link seine Verletzung, sprang auf die Füße und rannte vor dem gefährlichen Tier, das ihn um einige Meter überragte, davon. Mit jedem Schritt jagte eine gewaltige Schmerzenswelle durch seinen gesamten Körper, aber er zwang sich mit eisernem Willen immer weiter vorwärts, den Blick stur auf die vor ihm gelegene Wegbiegung geheftet. Im Scheitelpunkt der Kurve wuchs eine Pflanze mit weitauslegenden, grünen Blättern, einer glatten, schwarzen Frucht und einer gelben Blüte – eine Donnerblume. Doch bevor er die Pflanze erreichen konnte, rollte sich der Königs-Dodongo zusammen und kugelte als gefährliches Geschoss auf ihn zu, wobei die dreieckigen Knochenplatten auf seinem Rücken zu scharfen Waffen wurden. Link konnte sich nur noch knapp aus dem Weg winden, verdrehte sich dabei jedoch den verletzten Fuß, was ihn aufschreien ließ. Der Dodongo schoss an ihm vorbei, genau in die Donnerblume, die mit einer heftigen Explosion detonierte. Erleichtert atmete Link auf, nur um erschrocken die Augen aufzureißen, als er sah, dass die Echse wieder auf ihn zukam. Navi gab einen verzweifelten Ton von sich und starrte entsetzt auf die langsam auf sie zu stampfende Gefahr. „Sein Knochenpanzer ist so hart, dass selbst eine Donnerblume ihm nichts anhaben kann…“ Ihre Stimme klang müde, beinah resigniert, doch Link achtete gar nicht auf sie. Stattdessen humpelte er so schnell er konnte auf eine weitere Donnerblume zu, die er ein paar hundert Meter hinter sich entdeckt hatte. Das dumpfe Grollen hinter ihm kam immer näher, je mehr der Königs-Dodongo aufholte und die Vibrationen der bebenden Erde erschwerten das Laufen neben der Verletzung zusätzlich. Langsam legte sich vor lauter Schmerz, der bei jedem Schritt wie Stromstöße durch Links Körper jagte, ein roter Schleier vor seine Augen und er sah kleine Sternchen tanzen, doch er wollte nicht aufgeben. Das Gesicht von Salia tauchte vor seinem geistigen Auge auf. Er hatte ihr versprochen, gesund und munter wieder ins Kokiri-Dorf zurückzukehren. Er durfte sich nicht hängen lassen! Entschlossen schleppte er sich weiter, als sich neben Salia auch noch Zelda stahl. Er sah ihre lebendigen, dunklen Augen vor sich, als ob sie ihm direkt gegenüber stünde. Zelda... Trotz der Schmerzen und der Angst schlich sich beim Gedanken an sie ein Lächeln auf seine Lippen. Er dachte an ihren flüchtigen Kuss auf seine Wange und an sein Versprechen ihr gegenüber. Sie Beide mussten Ganondorf aufhalten! Er durfte, er konnte hier nicht sterben! Bilder des sterbenden Deku-Baumes und halbverhungerter Goronenkinder wirbelten vor dem Hintergrund eines kalt lachenden Ganondorfs durch seinen Geist. Der Schweiß brannte in seinen Augen, als er versuchte Sternchen und Schleier wegzublinzeln. Der junge Kämpfer hatte die Donnerblume fast erreicht, als sein schmerzender, heftig angeschwollener Knöchel seinen Dienst verweigerte und ihn stürzen ließ. Link fiel wie ein nasser Mehlsack und rollte bedrohlich nah an die Lava heran. Navi presste sich die Hände auf den Mund, um nicht laut zu schreien. Der Schmerz in seinem Fuß war schier unmenschlich, aber der Junge kämpfte tapfer gegen die drohende Ohnmacht an und versuchte verbissen, wieder auf die Beine zu kommen. Inzwischen war der Königs-Dodongo so nah, dass Link seinen fauligen Mundgeruch riechen konnte. Tränen traten in die Augen des Recken, als er sah, wie die gewaltige Echse ihr bedrohlich wirkendes Maul aufriss und tief Luft holte, so wie es ihre kleinere Verwandte getan hatte, bevor sie einen Feuerball ausgespien hatte. Bei diesem Anblick löste sich Links letztes Bisschen Hoffnung auf und er murmelte leise: „Navi... Salia... Deku-Baum... Zelda… Vergebt mir, ich habe versagt.“ „So etwas darfst du nicht sagen!“ Navi stand neben seinem Kopf und bewarf den Dodongo mit Steinchen, um ihn abzulenken, doch es brachte nichts… Er schien es nicht einmal zu bemerken – seine Panzerung war zu hart. Link schloss die Augen und stellte sich darauf ein, jede Sekunde geröstet zu werden, als ihm plötzlich doch noch eine Idee kam. So schnell er konnte, riss er den Bombenbeutel von seinem Gürtel und holte eine der Bomben heraus. Der völlig entkräftete Abenteuer hielt die Lunte kurz in den nahen Lavateich, woraufhin sie laut zischend kundgab, dass die Bombe nun scharf war. Unter Aufbietung all seiner verbliebenen Konzentration und Kraft schleuderte Link die explosive Kugel ins Maul der Riesenechse. Diese schluckte überrascht und machte große Augen, bevor ihr die Detonation in ihrem Inneren den Leib zerriss. Blut und Innereien spritzten an Wände und Decke und bedeckten Link, der reflexartig den Arm hoch riss, um sein Gesicht zu schützen. Navi neben ihm gab einen angewiderten Laut von sich, als sie von einem Stück getroffen wurde. Der Königs-Dodongo brach tot zusammen und rutschte den sanften Abhang zum Lavasee hinab, wo sein Kadaver Feuer fing und unter Freisetzung eines fürchterlichen Gestanks verbrannte. Link ließ seine Augen zufallen und atmete tief durch – er war noch einmal mit dem Leben davon gekommen. Kapitel 15: Feenzauber ---------------------- „Hier drüben sieht es aus, als könnte man dort wieder nach oben klettern. Meinst du, du schaffst das mit deinem Fuß?“ Navi betrachtete Link mit sorgenvoller Miene, wie er langsam auf sie zu humpelte. Nach einer etwa fünfzehnminütigen Pause war er tatsächlich schon wieder auf den Beinen, obwohl ihm Schmerz und Anstrengung ins Gesicht geschrieben standen. „Wenn ich nicht hier unten verrotten will, bleibt mir wohl nichts anderes übrig.“ Er legte den Kopf in den Nacken und studierte die Wand eingehend. „Ohne den kaputten Fuß wäre das ein Kinderspiel... Aber ich denke, ich pack’s auch so. Augen zu und durch.“ Mit diesen Worten machte er sich an den langen, schmerzhaften Aufstieg. Sein Fuß pochte und schmerzte als wolle er jeden Moment abfallen, doch irgendwie schaffte Link es, sich durch pure Willenskraft aus dem Loch und aus Dodongos-Höhle zu schleppen. Das blendende Licht der Mittagssonne wirkte wie Balsam auf seiner Seele und er atmete erleichtert durch. „Am besten gehen wir zuerst zurück nach Goronia. Vielleicht kann man da etwas für deinen Fuß tun – ihn schienen oder so“, überlegte Navi. Link nickte stumm und dachte voll Horror an den steilen Aufstieg mit einem verletzten Fuß, als es hinter ihm ein lautes, dumpfes Geräusch gab. Navi und Link, denen die Begegnung mit dem Königs-Dodongo noch sehr in den Knochen steckte, zuckten erschrocken zusammen und wandten sich mit schockgeweiteten Augen um. Doch statt sich wie befürchtet gewaltigen Fängen gegenüberzusehen, entdeckten sie Darunia, der mit einem zufriedenen Grinsen hinter ihnen stand. „Kleiner, ich bin beeindruckt!“ Link zuckte ein wenig verlegen mit den Schultern. „Versprochen ist versprochen.“ Der Anführer der Goronen nickte, wobei Navi sich insgeheim fragte, wie er das trotz seines steinernen Bartes bewerkstelligte. „Ja, du hast Recht. Deswegen werde auch ich mein Versprechen einlösen. Außerdem spüre ich, dass der Goronen-Opal bei dir in guten Händen sein wird. Ganondorf hat mit Gewalt versucht, mich zu zwingen und wollte sogar mein Volk aushungern lassen, doch du hast dein Leben für uns riskiert. Du hast ein gutes Herz. Ich glaube dir, wenn du sagst, du willst Ganondorf aufhalten.“ Mit einem liebevollen Lächeln streckte Darunia den Arm aus und öffnete langsam die Hand. Dins Heiliger Stein war vollkommen von seiner riesigen Faust bedeckt gewesen, obwohl er so groß war, dass Link, der den Stein schnell in seinen Wunderbeutel steckte, ihn mit beiden Händen halten musste. „Die Obhut über unseren Heiligen Stein zu erhalten ist eine große Ehre für einen Nicht-Goronen. Du bist jetzt wie ein Bruder für mein Volk.“ Darunia strahlte den jungen Recken breit an und Link lächelte schwach zurück, wobei er leicht schwankte. Jetzt, wo das Adrenalin langsam aus seinem Blut wich, wurde der brennende Schmerz in seinem Fuß immer stärker und intensiver. Darunia zog besorgt die Augenbrauen zusammen. „Was hast du, Bruder?“ „Nichts, schon gut.“ Entschlossen, sich nichts weiter anmerken zu lassen, presste der Junge die blassen Lippen aufeinander. Er würde das schaffen, ganz alleine! Er war nicht der Schwächling, für den ihn alle im Kokiri-Dorf hielten! Doch Navi machte ihm einen Strich durch die Rechnung: „Er ist beim Versuch, eure kostbaren Steine zu retten, beinah draufgegangen!“ Ihre Stimme war ein furchteinflößendes Fauchen, gerade so als würde sie Darunia für Links Verletzung verantwortlich machen. „Ist er schwer verletzt?“ „Ist halb so wild“, beteuerte Link, aber der Anführer der Goronen achtete gar nicht auf ihn – seine Augen waren auf die zierliche Fee auf der Schulter des Abenteurers geheftet. „Ich glaube, er hat sich den Knöchel verstaucht oder vielleicht sogar die Bänder gerissen“, erklärte diese. „Genau kann ich das nicht sagen, ich bin kein Arzt.“ Mit grimmiger Miene betrachtete Darunia den Jungen, der das Gefühl hatte, unter den Blicken des anderen immer mehr zu schrumpfen. Plötzlich hob Darunia einen Arm und winkte einen anderen Goronen heran. „Hector, komm mal her.“ Der Gerufene blickte ein wenig verwirrt drein, kam dem Befehl seines Anführers aber dennoch widerspruchslos nach. Als er näher kam, erkannte Link, dass es der Gorone war, der sie zuvor nach Goronia gebracht hatte. Obwohl er das Gefühl hatte, sein Fuß würde jeden Moment abfallen, brachte er ein kleines Lächeln zustande, das Hector erwiderte, bevor er Darunia erwartungsvoll ansah. Dieser wandte sich jedoch zunächst wieder an Link und Navi: „Auf dem Gipfel des Todesberges lebt eine große Fee, die angeblich jede noch so schwere Verletzung heilen kann.“ Navi gab einen missbilligenden Laut von sich. „Das ist ja sehr sinnvoll an einem so unzugänglichen Ort zu leben, wenn man diese Fähigkeiten hat. Ist sie einfach nur faul oder warum will sie keine Leben retten?“ Link schüttelte langsam den Kopf. „Erinnerst du dich nicht an das, was Impa uns erzählt hat?“ Navi blickte ihn verständnislos an. „Die Feenköniginnen wurden von Din in ihren Quellen eingeschlossen, weil einige von ihnen angeblich die Göttinnen bestohlen haben sollen.“ Darunia nickte bedächtig. „Ja, das stimmt. Die großen Feen haben leider keine Wahl mehr, wo sie sich niederlassen wollen. Sie sind bis ans Ende ihrer Tage an die Quelle gebunden, an der sie sich befanden, als Dins Zorn auf sie niederging. Vielleicht gibt es noch andere Feen, die schwerwiegende Verletzungen heilen können, doch mir ist hier in der Nähe nur diese eine bekannt.“ „Ich schätze, ich soll die Beiden nach oben begleiten, Darunia?“, schaltete sich nun Hector ein, der das Warten leid war. Der Anführer der Goronen betrachtete nachdenklich Links linken Knöchel, der inzwischen so geschwollen war, dass man es trotz der festen Lederstiefel sah. „Ich möchte, dass du unseren Bruder nach oben trägst. Er soll nicht ein einziges Mal seinen verletzten Fuß aufsetzen müssen, ist das klar?“ „Jawohl, Darunia. Ich werde ihn unbeschadet nach oben bringen.“ Mit diesen Worten schnappte sich der junge Gorone Link und setzte ihn in einer einzigen geschmeidigen Bewegung auf seine Schulter, bevor er in Richtung Gipfel davontrabte. Darunia verschränkte die Arme vor der Brust und schaute dem Dreiergespann nachdenklich nach. Link nahm seine Mütze ab und genoss das Gefühl des kühlen Windes auf seiner Kopfhaut. Mit geschlossenen Augen strich er eine lange Strähne hinters Ohr und atmete die warme Nachmittagsluft tief ein. So ein Goronenexpress war wirklich eine tolle Sache! Inzwischen hatten sie fast die Hälfte des Weges hinter sich und sogar der stechende Schmerz in seinem Fuß hatte ein wenig nachgelassen. Dafür wurde ihm langsam bewusst, dass er seit fast einem Tag nichts mehr gegessen und auch nicht geschlafen hatte. Gähnend fummelte er Wurst und Brot von der Lon-Lon-Farm aus seinem Wunderbeutel und begann gierig zu essen, als Hector stoppte und auf den schmalen Weg vor ihnen deutete. „Ab hier wird es ein wenig gefährlicher. Der Teufelsberg schleudert des Öfteren brennende Gesteinsbrocken in die Luft, die dann in diesem Bereich aufkommen. Mir macht das nichts – uns Goronen kann Feuer nichts anhaben – aber hast du irgendetwas, mit dem du dich schützen kannst?“ Link schluckte den letzten Bissen des Brotes hinunter, das er in Windeseile verschlungen hatte, und spülte mit einem Schluck aus der fast leeren Milchflasche hinterher, bevor er seinen Imbiss beendete und den Hylia-Schild aus dem Beutel zog. Hector lächelte zufrieden und nickte. „Das dürfte ausreichend sein. Halt ihn dir über den Kopf.“ Link hob den Schild und verkroch sich darunter wie eine Schildkröte in ihrem Panzer, während Navi im Schneidersitz auf seinem Schoß saß. Während die Drei den weiteren Aufstieg in Angriff nahmen, wurde immer deutlicher, dass sie wohl einen schlechten Tag erwischt hatten. Unermüdlich schleuderte der Todesberg wütend grollend seine Innereien in den Himmel. Entschlossen kämpfte sich der junge Gorone immer weiter vorwärts, obwohl die brennenden Gesteinsbrocken wie Regen auf ihn nieder prasselten. Schon nach wenigen Metern wurde Links Schildarm durch die ständige Bombardierung taub, doch er hielt ihn weiterhin tapfer hoch, um sich und Navi zu schützen. Die Fee klammerte sich verkrampft an seiner Tunika fest und schielte neugierig um den Schild herum, um einen Blick auf das Inferno um sie herum zu werfen. „Du kannst den Schild jetzt wieder runternehmen.“ Hector drehte Link den Kopf zu und grinste. „Das Schwierigste haben wir jetzt hinter uns. So nah am Gipfel sind die Ausbrüche des Vulkans ungefährlich.“ Langsam ließ der Junge den Hylia-Schild sinken und sah sich einer steilen Felswand gegenüber. Mit großen Augen legte er den Kopf in den Nacken und sah die Wand herauf. „Wie willst du denn da hoch kommen? Mit mir als Klotz am Bein kannst du doch nicht klettern.“ Der Gorone grinste breit. „Wir Goronen klettern eh nie.“ Bevor Link nachfragen konnte, wie er das meinte, schleuderte Hector ihn die Wand hoch. Vor Schreck schrie der Junge auf, doch zu seiner Überraschung stürzte er nicht zurück in die Tiefe, sondern landete tatsächlich oben auf dem Gipfel, wo er sich ein paar Mal überschlug, bevor er auf dem rauen Untergrund zu liegen kam. „Autsch...“ Hector, der mit einem dumpfen Aufprall neben ihm landete, lachte entschuldigend: „Tut mir leid, mein Freund, aber anders ging es nicht. Um dermaßen hohe Sprünge zu schaffen, müssen wir Goronen uns zusammen rollen, nachdem wir uns mit Kraft vom Boden abgestoßen haben. Wir sausen wie Kanonenkugeln durch die Luft!“ In seiner Stimme klang der ganze Stolz auf sein Volk mit. „Ihr Goronen seid fürwahr beeindruckende Wesen“, erklang von hinten eine dunkle, melodische Stimme. Erschrocken riss Link den Kopf herum und entdeckte die Eule des Rauru, die auf einem alten, halb verrotteten Wegweiser saß und ihn aufmerksam musterte. Hector grinste und hob eine Hand zum Gruß, als ob der riesige Vogel ein alter Freund von ihm war. „Ich nehme an, dein Anliegen ist ein Besuch bei der hier ansässigen Fee, junger Held?“, wandte sich der gewaltige Vogel an Link. Der junge Recke nickte. „Ja, ich habe mich im Kampf verletzt und hoffe, dass sie mich heilen kann.“ Die Eule verdrehte den Kopf und ließ den Blick aus ihren weisen Augen über Links Körper gleiten. „Die hier lebende Fee wird weit mehr für dich tun können als nur deinen Knöchel zu heilen. Hab einfach Vertrauen. Ich werde hier auf dich warten. Geh nun.“ Langsam hievte der Junge sich wieder auf die Füße und humpelte in Richtung der Treppe, die hinab in den Vulkan führte, doch der große Vogel hielt ihn zurück: „Das ist nicht der richtige Weg, junger Held.“ Verwirrt blickte Link sich um, während Navi ihm ein wenig Dreck von der Wange wischte. „Wo soll ich denn sonst hin?“ Während er noch irritiert um sich guckte, fiel sein Blick auf ein seltsam gebogenes Stück Felswand. Humpelnd näherte er sich dem eigenartig aussehenden Felsen und wehrte Hectors Versuche, ihm zu helfen, ungeduldig ab. Geradezu ehrfürchtig tastete er die glatte Oberfläche ab und klopfte mit dem Knöchel des rechten Zeigefingers dagegen. Als er sich umdrehte, funkelten seine Augen vor Aufregung. „Das klingt total hohl. Hinter dieser Felswand ist bestimmt eine Höhle. Hector, meinst du, du kannst sie irgendwie aufbrechen?“ Der Gorone zog und zerrte an dem Felsen, versuchte ihn zu schieben und schlug sogar mit der Faust dagegen, doch nichts zeigte Erfolg. Langsam senkte sich Dämmerung über den Todesberg und Link legte sich die Arme um den Oberkörper, als er ein wenig zu frieren begann. Hector hielt sich die leicht schmerzende Hand, mit der er gegen den seltsamen Felsen geschlagen hatte, und kam auf ihn zu. „Tut mir leid, aber da ist nichts zu machen.“ Link machte ein nachdenkliches Gesicht und ließ seinen Blick über den imposanten Ausblick schweifen. Von hier oben konnte er sogar Kakariko sehen, dessen Gebäude durch die Entfernung wie winzige Puppenhäuschen wirkten. Sie waren doch nicht den ganzen Weg hierhergekommen, nur um dann so einfach aufzugeben! Als seine Augen an der Eule des Rauru hängen blieben, presste er entschlossen die Lippen aufeinander. Er würde einen Weg in die Höhle der Fee finden! Grimmig schlug er mit dem Schwertknauf gegen den Stein, als wollte er ihn einfach kaputtschlagen. Resigniert ließ er den Arm sinken und lehnte sich mit dem Rücken gegen die kühle Wand. „Wenn ich doch einfach eine Bombe nehmen und die Höhle freisprengen könnte... Aber hier ist weit und breit nichts, mit dem ich die Lunte entzünden könnte“, murmelte er vor sich hin, bevor er wieder begann mit dem Schwert verzweifelt gegen den Fels zu prügeln. Als er versehentlich mit der Schneide über den Stein kratzte, entstanden dabei rotglühende Funken, die ihm die Wange verbrannten. Erschrocken befühlte er die neue Verletzung, während sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. „Ich hab’s! Hector, schnell, bring mir einen etwa faustgroßen Stein – egal, ob meine oder deine Faust.“ Die Eule des Rauru bedachte ihn mit einem zufriedenen Glänzen in den Augen, während er auf Hectors Rückkehr wartete. Nachdem er einen geeigneten Stein ausgehändigt bekommen hatte, ließ er sich auf den Boden nieder, holte eine Bombe aus seinem Beutel und begann, den Stein mit dem Schwert zu bearbeiten. Navi und Hector sahen sich fragend an, doch sie waren sich sicher, dass Link wusste, was er da tat. Der Schweiß lief in breiten Bahnen über seinen Rücken und hinter ihm ging langsam der Mond auf, doch endlich schaffte er es, die Lunte mit den sprühenden Funken zu entzünden. „Hector! Schnell! Bring sie vor die Feenhöhle!“ Der Gorone legte die Bombe vor dem Felsen ab und rollte sich dann vor Link zusammen, um ihn zu schützen. Wenige Sekunden später explodierte die Bombe mit einem lauten Knall, der sich an den Wänden brach und durch die gesamte Region um den Todesberg hallte. Neugierig linste Link um den Goronen herum. Dort, wo noch wenige Augenblicke zuvor die seltsame Felswand gewesen war, klaffte nun ein großes Loch. Triumphierend jubelnd sprang Link in die Luft, nur um dann vor Schmerz aufzustöhnen, als er wieder landete. Die Eule bedachte ihn mit einem nachsichtigen Blick, während Navi tadelnd schaute und Hector ihn in die Höhle trug. „Wow, das ist wunderschön!“ Link ließ seinen Blick durch die Feenhöhle schweifen, wobei ihm vor Überraschung der Mund offenstehen blieb. Die Wände sahen aus als bestünden sie aus flüssigen Edelsteinen, die unablässig von oben nach unten flossen und dabei ihre Farbe wechselten. Während sie in der Nähe der Decke in einem hellen Aquamarinblau erstrahlten, wurden sie zum Boden hin immer dunkler, bis sie ein sattes Saphirblau erreicht hatten. Zwischen dem schimmernden Blau zogen sich silberne Fäden über die Wände. Den Großteil des mit edlen Platten gefliesten Raumes nahm ein imposanter, flacher Brunnen ein, der aus demselben weißen Marmor gefertigt war wie die Bodenfliesen. An seinen Seiten ragten hohe Fackeln in die Luft, die den Raum mit warmem Licht erfüllten, und in seinem Inneren glitzerte reines, leicht türkisfarbenes Wasser, das kühl und erfrischend aussah. „Das muss die Feenquelle sein“, mutmaßte Navi, deren Augen vor lauter Aufregung dermaßen funkelten, dass sie aussahen als würden sie Funken sprühen. Sogar ihre Wangen hatten sich leicht gerötet. Als sie Links Blick auf ihrem Gesicht bemerkte, lächelte sie ein wenig verlegen. „Ich bin fürchterlich aufgeregt. Die großen Feen sind lebende Legenden meines Volkes. Sie zu treffen ist eine unglaubliche Ehre und wird nur sehr wenigen zuteil. Angeblich hat seit tausend Jahren niemand mehr eine große Fee zu Gesicht bekommen und jetzt werde ich bald eine treffen. Das ist unglaublich!“ „Vorausgesetzt, du findest sie…“ Hectors Stimme klang trocken und machte Navi ein wenig wütend. „Was heißt hier ‚wenn ich sie finde’?“ „Naja, das da ist doch die Quelle, nicht wahr?“ Er deutete auf den Brunnen vor sich und Navi nickte ungeduldig. „Ja. Und?“ „Angeblich sind die großen Feen an ihre Quellen gebunden, aber siehst du hier irgendwo eine Feenkönigin? Ich sehe überhaupt gar keine Fee – von dir einmal abgesehen.“ Navi klappte die Kinnlade herunter und für einen kurzen Moment hatte es ihr tatsächlich die Sprache verschlagen. Doch dann sah sie ihren Gegenüber angriffslustig an und fauchte: „Vielleicht zeigt sie sich ja nur Wesen, die geistig dazu in der Lage sind...“ Sofort fiel der stolze Gorone auf die Provokation herein und beugte sich wütend ein Stück vor. „Was soll das denn heißen?!“ Link seufzte und ließ sich von Hectors Schulter gleiten. In diesen Streit wollte er wirklich nicht reingezogen werden. Langsam und mit schmerzverzerrtem Gesicht schritt er auf die Feenquelle zu. Vielleicht entdeckte er ja etwas, das weiterhelfen würde. Hinter ihm gerieten die beiden Streithähne immer mehr in Rage. „Was das heißen soll? Ich will damit sagen, dass ihr riesigen Felsklopse zwar beeindruckende Muskeln, aber nichts in der Birne habt!“ „Pah! Aber ihr Feen seid besser, oder was? Was könnt ihr denn schon, außer hübsch auszusehen?“ Mit den Augen rollend ging Link vor dem Brunnen in die Hocke und betrachtete ein in den Boden geprägtes, goldenes Ornament, während Navi und Hector erst richtig in Fahrt kamen. „Na, immerhin können wir so etwas wie denken. Das scheint euch Muskelprotzen ja vollkommen fremd zu sein. Oder war es etwa durchdacht, dass einer von euch Link und mich beinah mit einer Donnerblume umgebracht hätte?“ „Was kann denn der Rest meines Volkes dafür, wenn einer von uns geistig etwas weniger bestückt ist? Bei euch sind natürlich alle erste Sahne...“ Navi dachte kurz an das schwarze Schaf in ihrer Familie, schob den Gedanken an ihren verkorksten Cousin jedoch schnell wieder zur Seite. Sie wollte gerade zu einer giftigen Antwort ansetzen, als Links Stimme sie zurückhielt: „Könnt ihr euren Rassenkrieg für einen Moment vergessen? Ich hab da mal eine Frage.“ Sofort wandte Navi sich dem noch immer knienden Jungen zu, verpasste es jedoch nicht, Hector einen letzten stechenden Blick über die Schulter zuzuwerfen. „Was gibt es denn?“ „Das Triforce ist doch das Zeichen der hylianischen Königsfamilie, richtig?“ „Eigentlich ist es viel mehr als das“, korrigierte Navi. „Es soll ein Zeichen des Schutzes der Göttinnen sein und–“ Doch bevor sie ihren Satz beenden konnte, fiel Link ihr ins Wort. „Ein einfaches Ja oder Nein genügt.“ „Hmpf. Also gut: Ja. Aber wie kommst du jetzt darauf?“ Stumm deutete der Junge auf das goldene Triforce-Zeichen zu seinen Füßen und zückte die Okarina, um das Wiegenlied zu spielen, das Impa ihm beigebracht hatte. Kaum hatte er das Hauptthema der Melodie gespielt, ertönte auch schon ein schrilles Lachen und das Wasser im Brunnen kräuselte sich in kleinen Wellen. Wie aus dem Nichts erschien plötzlich die große Fee noch immer lachend in der Feenquelle. Sie war um einiges größer als jede sterbliche Frau und sogar als jeder Mann, den Link bisher gesehen hatte, ihre pinken Haare waren in drei dicken Zöpfen zurückgebunden und um ihren schlanken Körper rankte sich goldenes Weinlaub. Sie betrachtete ein wenig geringschätzig ihren Besuch, bis ihr Blick an Links Gesicht hängen blieb und sich ein Lächeln auf ihre vollen, rosafarbenen Lippen schlich. „Du bist also der junge Held, der Gohma und King Dodongo besiegt hat.“ Der Junge stutzte, sagte aber nichts. Offensichtlich bedeutete ihr Fluch, der sie an diese Quelle band, nicht, dass sie uninformiert war. „Es ist sehr mutig von dir, dich Ganondorf in den Weg zu stellen. Du und Prinzessin Zelda, ihr verdient meinen Respekt.“ „Das ehrt mich sehr, große Fee, doch ich bin nicht hier, um einen netten Plausch zu halten.“ Der Blick, mit dem Link der Feenkönigin begegnete war fest und eine Spur fordernd, was jene wieder zum Lachen brachte. „Herrlich! Ich wünschte, alle Helden wären so reinherzige, hübsche Knaben wie du.“ Dabei räkelte sie sich so lasziv in der Luft, dass es dem Jungen die Schamesröte ins Gesicht trieb und Navi entsetzt zu ihr hinaufstarrte. Sie lachte wieder und legte sich dann einen Zeigefinger an den Mundwinkel. „Nun gut, ich sehe ein, dass du keine Zeit hast, um ein wenig mit einer alten, gelangweilten Fee zu schwatzen. Du hast wichtige Aufgaben zu erfüllen und dafür musst du bei voller Gesundheit sein. Komm näher.“ Link trat an den Rand des Brunnens und blickte zu der Feenkönigin hinauf, die ihm die Hände auf die Schultern legte und die Augen schloss. Sofort spürte er wie sein Körper von einer warmen Woge ergriffen wurde und er fühlte sich plötzlich wohlig und leicht. Als die Fee ihre Augen wieder öffnete, waren all seine unzähligen Schürf- und Platzwunden, ohne eine einzige Narbe zu hinterlassen, vollständig verheilt und auch der pochende Schmerz in seinem Fuß war wie weggeblasen. Er lächelte dankbar, als die gigantische Frau ihm gegenüber sein Gesicht in ihre Hände nahm. „Ich habe noch ein Geschenk für dich und hoffe, du nimmst es an.“ Bevor Link etwas erwidern konnte, presste die Fee ihre Lippen auf seine. Der Junge riss überrascht die Augen auf und versuchte, seinen Kopf aus den großen, weichen Händen zu winden, Hector gab einen undefinierbaren Laut von sich und Navi schnappte hörbar nach Luft. Der Feenkönigin jedoch schienen diese Reaktionen völlig egal zu sein. Sie öffnete ihre Lippen ein wenig und blies Link ihren Atem in die Lungen, bevor sie ihn entließ. Dieser starrte sie entsetzt an, aber sie lächelte nur. „Ich habe dir einen Teil meiner Magie gegeben. Dies sollte dich in die Lage versetzten, Zauber einsetzen zu können.“ „Zauber? Was für Zauber?“, schaltete sich Navi ein, in deren Stimme sich ein angewiderter Unterton geschlichen hatte. „Nun ja, ich selbst bin nicht im Besitz eines Zaubers, sonst würde ich euch zeigen, was ich meine. Aber eine Freundin von mir hat vor langen, langen Jahren Din ihren mächtigsten Zauber entwendet. Dabei soll es sich um einen nahezu unschlagbaren Angriffszauber handeln, doch Näheres weiß ich leider auch nicht.“ Hector verschränkte die Arme vor der Brust und sah nicht überzeugt aus, doch Navi bohrte weiter: „Und wo können wir diese Freundin finden? Es wäre zu schade, wenn Link seine neuen magischen Fähigkeiten nicht nutzen könnte.“ Die große Fee bedachte den Jungen, der verstohlen versuchte, sich über die Lippen zu wischen, mit einem amüsierten Blick. „Sie lebt in der Nähe des hylianischen Schlosses. Grüßt sie von mir, wenn ihr sie besucht. Aber denkt daran: Magie einzusetzen, erfordert höchste Konzentration – gerade wenn es sich um dermaßen mächtige Zauber handelt. Deswegen ist ihr Einsatz weise zu bedenken. Die Verwendung von Magie ist sehr anstrengend und auslaugend.“ Mit diesem Worten und von ihrem schrillen Lachen begleitet, verschwand die Feenkönigin wieder im Nichts und ließ ihre drei Besucher verdutzt dreinblickend zurück. „Wenn alle große Feen so sind, frage ich mich, wie sie zu so großem Ansehen unter meinem Volk kommen konnten“, meckerte Navi, während sie neben Hector die Höhle verließ. Link ging ein paar Schritte hinter ihnen und schien seinen Gedanken nachzuhängen. „Vielleicht ist es so eine Art Größenwahn. Du weißt schon: Zu viel Macht und so. Das scheint doch fast alle Herrscher zu betreffen.“ „Euren Darunia nicht”, gab die junge Fee zu bedenken. „Er macht den Eindruck eines gerechten und weisen Anführers.“ Hatte sie sich eben noch mit dem Goronen erbittert gestritten, schien dies über ihre tiefe Enttäuschung schon wieder vergessen. „Ja, Darunia ist klasse, da hast du Recht“, stimmte Hector ihr zu, als sie wieder ins Freie traten. Inzwischen stand der Mond hoch am Himmel und die Sterne funkelten fast ebenso wie die eigenartigen Wände im Inneren der Höhle. Die Eule des Rauru saß noch immer auf dem verwitterten Wegweiser und musterte Link genau. „Wie ich sehe, war dein Besuch bei der Feenkönigin von Erfolg gekrönt. Du scheinst sogar ein wenig erwachsener geworden zu sein.“ Navi prustete los und presste sich die Hände vor den Mund, um zu verhindern, laut loszulachen. „Kein Wunder. Er hat ja auch gerade seinen ersten Kuss bekommen“, murmelte sie so leise, dass selbst Hector, der neben ihr stand, Schwierigkeiten hatte, sie zu verstehen, doch die Eule durchbohrte sie mit einem eisigen Blick. Dann wandte sie sich dem Goronen zu: „Du kannst nun nach Goronia zurückkehren und die frohe Kunde verbreiten, dass unser Held wieder wohlauf ist. Ich werde ihn zum Fuß des Berges bringen.“ Hector sah Link fragend an, der mit den Schultern zuckte und sich mit einer etwas linkischen Umarmung von seinem neuen Freund verabschiedete. An der Kante der steilen Felswand, die er Link Stunden zuvor hochgeworfen hatte, wandte der Gorone sich noch einmal um und winkte der kleinen Gruppe, bevor er in die Tiefe sprang. „Nun, junger Held, es wird Zeit. Halte dich an meinen Krallen fest“, forderte die Eule des Rauru. Link warf Navi einen verunsicherten Blick zu und zuckte anschließend mit den Schultern, als wollte er sich selbst sagen, dass seine Zweifel und Befürchtungen unwichtig waren. Dann nahm er seine Mütze, die er an seinem Gürtel festgeknotet hatte, und hielt sie auf, damit Navi es sich darin gemütlich machen konnte, bevor er sie wieder aufsetzte. Der Flug durch die Nacht war geradezu berauschend. Nie im Leben hatte Link sich freier gefühlt. Fasziniert betrachtete er die Landschaft, die unter ihm vorbei zog und wünschte sich, er selbst hätte Flügel, um so durch die Lüfte zu gleiten. Nach viel zu kurzen zwanzig Minuten setzte die Eule ihn vor Impas Haus in Kakariko ab, bevor sie wortlos davon flog. Link sah ihr noch lange nach und fragte sich, wann sie wohl das nächste Mal unerwartet auftauen würde. Dann wandte er sich um und betrat das große Haus, wo er herzlich von der Hausvorsteherin empfangen wurde und eine weitere Nacht verbrachte. Am nächsten Morgen wusch Link sich erst einmal gründlich und zog danach eine saubere Tunika an, die er aus seinem Wunderbeutel kramte. Mit einem etwas nachdenklichen Blick verstaute er die Kleider vom Vortag in dem Ledersäckchen und hoffte inständig, dass der Feenzauber irgendwie dafür sorgte, dass der vor Dreck und Schweiß starrende Stoff nicht auf den restlichen Kleidungsstücken oder gar auf dem Essen lag. Danach verabschiedete er sich ein weiteres Mal von der liebevollen Hausvorsteherin, die ihm die üppigen Reste vom Frühstück, ein wenig Dörrobst und einige geräucherte Fische mitgab. Link ließ alles in dem unglaublichen Lederbeutel verschwinden und trat hinaus in die Vormittagssonne. Er reckte und streckte sich, sog die warme Luft tief ein und wandte sich ebenso wie Navi mit dem Gesicht dem milden Sonnenlicht zu. Es war einfach ein herrliches Gefühl, endlich mal wieder ausgeruht und vor allem sauber zu sein! Mit einem zufriedenen Lächeln stieg der Junge die Treppe vor dem Haus hinab und durchquerte das Dorf, wobei er ein paar Passanten grüßte, die ihm freundlich zunickten. Als er sich wenige Stunden später den Toren des Schlossparks näherte, überlegte er kurz, ob er von der Wache einfach Einlass fordern sollte – schließlich hatten ihn genug Soldaten in Begleitung Impas gesehen – doch er entschied sich dagegen, aus Angst so die Aufmerksamkeit der Wachen auf sich zu ziehen und es doppelt schwer zu haben, wenn sie ihn nicht passieren ließen und er sich reinschleichen musste. Also schnappte er sich gleich wieder die Kletterpflanze, die ihm schon beim ersten Mal gute Dienste geleistet hatte, und erklomm den Felsvorsprung. Missmutig betrachtete er den sandigen Dreck, der beim Klettern von der Felswand gerieselt war und sich in den Falten seines Gewandes festgesetzt hatte, und grummelte: „Das war meine letzte saubere Tunika!“ Mit einem leicht säuerlichen Gesichtsausdruck schlich er sich an den Wachen vorbei in die Sackgasse, die Impa ihm bei seinem letzten Besuch gezeigt hatte. Dort beeilte er sich, eine seiner Bomben auf die gleiche Weise wie auf dem Gipfel des Todesberges zu entzünden, während Navi am Eingang der Gasse Schmiere stand. Nur wenige Minuten später detonierte die explosive Kugel und riss den Felsen, der den Eingang zur Feenquelle versperrte in viele kleine Stücke. „Jetzt aber schnell! Das können die Soldaten gar nicht überhört haben.“ Link winkte Navi heran, die an ihm vorbei durch das enge Loch in der Felswand schoss, und folgte ihr. In der Höhle angekommen, versuchte er sich Steinstaub und Schmutz aus der Tunika zu klopfen, doch es half alles nichts – sie war hoffnungslos verdreckt. Die Feenhöhle sah nahezu identisch aus wie die auf dem Todesberg, lediglich die Fackeln vor dem Brunnen hatten eine andere Farbe. Anstatt in einem satten Orange zu brennen, leuchteten diese in einem frischen Grasgrün. Sogar die große Fee, die mit überschlagenen Beinen in der Luft über der Quelle saß, erschien den beiden Abenteurern dieselbe zu sein, die sie bereits getroffen hatten. Navi verengte die Augen angriffslustig zu Schlitzen und Link verzog bei der Erinnerung an seinen geraubten Kuss angewidert den Mund, doch als die Feenkönigin sprach, hatte sie eine vollkommen andere Stimme als die erste: „Seid willkommen, ihr Zwei. Ich habe euch bereits erwartet.” Link zog stumm die rechte Augenbraue in die Höhe und Navi lauschte angespannt auf das Fußgetrappel vor der Höhle. Offensichtlich hatten die Wachen herausgefunden, woher der laute Explosionsknall gekommen war. Die große Fee bemerkte ihren stur auf den Ausgang gerichteten Blick und beruhigte sie mit sanfter Stimme: „Keine Angst. Die Soldaten Hyrules können meine Quelle nicht betreten. Ich habe einen magischen Schutzwall errichtet. Wir haben also alle Zeit der Welt.“ Link trat ein paar Schritte vor und blickte seinem Gegenüber unverwandt in die Augen. „Wenn du uns erwartet hast, weißt du sicherlich auch, warum wir hier sind.“ „Aber ja, ihr seid zu mir gekommen, um Dins Feuerinferno abzuholen.“ Der Junge nickte und lehnte sich auf das linke Bein, als Navi das Wort ergriff: „Warum helft ihr uns eigentlich? Es heißt in unseren Legenden immer wieder, ihr Feenköniginnen hättet für die anderen Völker Hyrules nichts übrig.“ Link starrte Navi überrascht an, doch die große Fee lächelte nur mild. „Das mag sogar so sein, aber es gilt nicht nur für die anderen, sondern sogar für unser eigenes Volk. Früher haben wir euch alle verachtet, weil ihr euch mit unseren Fähigkeiten nicht messen konntet, heute beneiden wir euch, weil ihr frei seid, dorthin zu gehen, wohin ihr wollt.“ Ihre Stimme klang mit jedem Wort sehnsüchtiger und sie richtete die Augen auf einen imaginären Punkt in weiter Ferne. „Was würde ich nicht alles dafür geben, wenn ich noch einmal über die weiten Ebenen der hylianischen Steppe wandern oder im kühlen Nass des Hylia-Sees baden könnte...“ Doch bevor sie zu sehr abschweifen konnte, fing sie sich wieder und richtete ihren Blick auf Link, der sie erwartungsvoll ansah. „Ganondorf muss aufgehalten werden! Wenn er seine Ziele erreichen kann, wird bald nichts mehr von der Schönheit Hyrules übrig sein. Alles Schöne, was die Göttinnen geschaffen haben, würde von ihm mit Finsternis überzogen werden. Das wäre der Tod für viele Feen und auch wir Feenköniginnen würden davon betroffen sein. Zwar können wir nicht sterben, aber wir wissen, was es heißt zu leiden.“ Navi gab einen missbilligenden Ton von sich und grummelte vor sich hin. „War ja klar, dass es eigennützige Motive sein mussten...“ Link blickte stumm auf seine Stiefelspitzen. Er konnte gut verstehen, warum Navi so aufgebracht war. Die kleine, goldhaarige Fee mochte zwar ein Hitzkopf sein, der keine Möglichkeit ausließ, mit jemandem in Streit zu geraten, doch sie hätte so ziemlich alles für sämtliche Bewohner Hyrules getan, denn sie liebte diese Welt und alle seine Wesen – mit Ausnahme von Spinnen natürlich. Mit einer Fingerbewegung bedeutete die Feenkönigin Link näher zu kommen. Während er sich langsam dem Brunnen näherte, presste er die Lippen aufeinander und hoffte inständig, dieses Mal ungeküsst zu bleiben. Als der Junge vor ihr stand, streckte die große Fee einen Arm aus und öffnete die Hand mit der Innenfläche nach oben. Zunächst erschien sie leer, doch plötzlich materialisierte sich etwas in der Hand. „Dies, mein Junge, ist Dins Feuerinferno. Nutze diesen Zauber, wann immer du in Gefahr bist. Doch denke daran: Zu viel Einsatz von Magie kann dich schneller erschöpfen als eine Horde wildgewordener Monster.“ Geradezu ehrfürchtig hob Link den Zauber aus der Hand der großen Fee. Er war in etwa so groß wie Links Faust und bestand aus einem hell leuchtenden Feuerwirbel, der zwischen zwei Pyramiden aus einer nicht identifizierbaren, durchsichtigen Substanz eingeschlossen war. „Und wie setze ich diesen Zauber ein?“ „Höre in dich hinein und du wirst instinktiv das Richtige tun.“ Ohne eine weitere Erklärung verschwand die große Fee und ließ nur leichte Wellenbewegungen im Brunnenwasser zurück. Während Link den Zauber in seinen Lederbeutel steckte, blickte Navi gedankenverloren auf das gekräuselte Wasser der Quelle und murmelte: „Ich kann mir nicht helfen, aber ich kann große Feen einfach nicht ausstehen.“ Kapitel 16: Blaublütige Rebellin -------------------------------- Kaum, dass die Beiden die Höhle verlassen hatten, wurde Link auch schon unsanft von einer Schlosswache gepackt. Ein anderer Soldat stand ihm gegenüber und musterte ihn streng. „Das ist doch der kleine Hosenscheißer, der hier letztens schon rumgeschlichen ist. Was hast du hier gemacht?“ „Das geht dich gar nichts an!“ Navi schwirrte dem Mann wie eine Schweißfliege vorm Gesicht herum. Dieser versuchte, sie mit einer unwirschen Handbewegung zu verscheuchen und starrte Link, der stur die Lippen aufeinander presste, grimmig an. Ein junger Soldat, der in der Nähe stand, meldete sich zaghaft zu Wort: „Sir, ich glaube, er ist eine Art Freund von Prinzessin Zelda. Ich habe ihn jedenfalls vor ein paar Tagen zusammen mit Impa in den Innenhöfen gesehen.“ „Schweig!“ Die Stimme des Hauptmanns war schneidend und er ließ Link noch immer nicht aus den Augen, doch nach ein paar Atemzügen wandte er sich zum Gehen. „Schmeißt ihn raus und erklärt ihm, was passiert, wenn er hier noch mal ohne Voranmeldung auftaucht.“ Die Soldaten warfen Link unsanft auf den breiten Weg vor den Schlosstoren, sodass er stürzte und lang auf dem Boden aufschlug. Navi eilte zu ihm und warf den lachenden Männern, die langsam wieder ihre Posten bezogen, bitterböse Blicke zu. Als Link sich aufrichtete, spuckte er ein wenig Sand aus, den er in den Mund bekommen hatte, und verzog das Gesicht. Er war über und über mit staubigem Dreck bedeckt, sogar in seinen Haaren hingen vertrocknete Moosreste. Auf dem Weg zurück in Richtung Hyrule-Stadt sprach keiner der Beiden ein Wort, erst, als sie den überfüllten Marktplatz erreichten, fragte Link: „Wohin geht’s jetzt eigentlich? Hast du eine Ahnung, wo der letzte Stein ist?“ Navi sah ihn aus großen Augen und mit leicht offen stehendem Mund an. Es dauerte einige Herzschläge, bis sie ihm antwortete: „Daran hab ich noch gar nicht gedacht! Und ich hab leider auch keine Ahnung…“ „Hm. Und jetzt?“ Der Junge kratzte sich nachdenklich an der Schläfe, während seine Fee mit den Schultern zuckte. „Ich weiß auch nicht. Vielleicht sollten wir–“ Doch bevor Navi ausführen konnte, was die beiden Abenteurer ihrer Meinung nach als nächstes tun sollten, rief Link: „Ich weiß, was wir jetzt machen!“ Dann rannte er in Richtung Stadttore davon, ohne auf die Reaktion seiner Begleitung zu warten. Wenig später lag Link mit geschlossenen Augen langausgestreckt im Gras, genoss das heiße Prickeln der Mittagssonne auf seiner nackten Brust und lauschte dem leisen Gurgeln des neben ihm fließenden Flusses, während Navi mit schmollendem Gesichtsausdruck neben ihm saß. „Das ist echt unglaublich!“, keifte sie. „Wir haben eine lebenswichtige Aufgabe zu erledigen und du liegst hier faul herum und machst Urlaub!“ Der Junge hob sein rechtes Augenlid halb an und blinzelte zu ihr herüber. „Soll ich etwa halbnackt durch die Gegend laufen?“ „Tze, als wäre das eine Ausrede... Es hat dich ja niemand gezwungen, deine komischen, grünen Kartoffelsäcke zu waschen!“ „Es sind Tuniken und keine Kartoffelsäcke und auch keine Kleider oder Röckchen…“ Link stützte sich auf den linken Ellenbogen und fuhr sich mit der Hand durchs glatte, inzwischen fast trockene Haar. Seine lange Mütze lag neben seinen Stiefeln und mehreren Tuniken, die er in der Nähe zum Trocknen ausgebreitet hatte. Er hatte sogar seinen Gürtel mit dem Wunderbeutel, in dem er inzwischen auch seine Bomben aufbewahrte, abgenommen und neben sich ins weiche Gras gelegt. „Außerdem... Was ist so schlimm daran, dass ich die Zeit, in der ich nachdenke, wo der letzte Heilige Stein sein könnte, genutzt habe, um meine Kleider zu waschen?“, fragte er scheinheilig, woraufhin Navi ihn mit einem Blick bedachte, deutlich zeigte, dass sie sich für dumm verkauft fühlte. „Das Schlimme ist“, erklärte sie nur mühsam beherrscht, „dass du nicht aussiehst, als würdest du nachdenken!“ Mit einem gelangweilten Grunzen ließ Link sich wieder auf den Rücken fallen und streckte die Arme von sich, um möglichst viel von dem warmen Sonnenlicht aufzufangen. „Blablabla…“, murmelte er leise vor sich hin, während ihm eine sanfte Brise einige Haare ins Gesicht wehte. „Hmpf!“ Navi verschränkte die Arme vor der Brust und starrte wütend auf den Fluss, der silbern glitzernd an ihnen vorbeifloss. „Was ist das eigentlich für ein Fluss?“, fragte Link, dem Navis Stummheit nach ein paar Minuten unheimlich wurde. „Das ist der Zora-Fluss. Er entspringt einer Quelle im Reich der Zoras, zieht sich einmal quer durchs Land und speist den großen Hylia-See im Südwesten.“ Man hörte Navis Stimme deutlich an, dass sie lieber beleidigt geschwiegen hätte, der Verslockung, mit ihrem Wissen zu glänzen, aber trotzdem nicht hatte widerstehen können. Link setzte sich auf und betrachtete grüblerisch das Gewässer neben ihm. „Zoras… Zoras… Da war etwas…“ Navi sah zu ihm herauf und musterte sein angespanntes Gesicht mit den zusammengezogenen Augenbrauen und den leicht gespitzten Lippen. Den Mund zu einem maliziösen Lächeln verzogen stichelte sie: „Jetzt siehst du endlich aus, als würdest du nachdenken!“ Link beachtete sie jedoch gar nicht, sondern zog stattdessen seinen Lederbeutel zu sich und holte die Okarina heraus. Bevor Navi nachfragen konnte, was er vorhatte, hatte er die Flöte bereits an die Lippen gehoben und begonnen, die Melodie zu spielen, die Salia ihm beigebracht hatte. „Link! Es ist schön zu hören, dass du mein Lied benutzt!“ Der Junge zuckte zusammen, als der Wind die geflüsterten Worte direkt an seine Ohren trug. Doch trotz der seltsamen Form der Unterhaltung konnte er hören, dass seine beste Freundin ehrlich erfreut war. Während er antwortete, richtete er seinen Blick stur auf die Fee vor ihm, um das Gefühl, Selbstgespräche zu führen, in den Hintergrund zu drängen. „Salia, ich brauche deine Hilfe.“ Für mehrere Momente war es still und Link fragte sich bereits, ob er etwas falsch gemacht hatte, als ihm eine neue Böe Salias Antwort zutrug: „Klar. Was kann ich für dich tun?“ „Erinnerst du dich an die Geschichte, die der Deku-Baum uns über die drei Göttinnen erzählt hat?“, fragte Link etwas zögerlich. Salia lachte sanft. „Welche von den vielen meinst du? „Die, in der es um die besonders gesegneten Völker ging. Kannst du dich erinnern, welches Volk von welcher Göttin bevorzugt wurde?“ Navi guckte freudig überrascht ob der Wendung des Gespräches und lauschte angestrengt auf Salias Worte, doch nur Link war in der Lage sie zu hören. „Lass mich überlegen. Din liebte die stolzen und temperamentvollen Goronen, Farore hatte die verspielten und wagemutigen Kokiri am liebsten und…“ Ihre Stimme wurde allmählich leiser und verlor sich immer mehr, aber die letzten, entscheidenden Worte waren zum Glück gerade noch zu verstehen: „… Nayru bevorzugte die ruhigen und intelligenten Zoras. Link, du–“ Der Rest ihrer Worte wurde vom Wind verschluckt, doch Link verlor keine Zeit damit, sich Gedanken darum zu machen, was sie hatte sagen wollen. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen! Schnell raffte er seine Sachen zusammen und kleidete sich an, während Navi ihn verwirrt beobachtete. Dann wandte er sich mit entschlossener Miene zu seiner Fee um. „Wie komme ich am schnellsten in das Reich der Zoras?“ „Ich fasse es einfach nicht, dass mir das nicht selbst eingefallen ist!“, meckerte Navi leise vor sich hin. Die Beiden waren schon seit Stunden flussaufwärts unterwegs, doch noch immer konnte sie sich nicht damit abfinden, dass ihr nicht selbst die Idee gekommen war, dass der Ohrring der Nayru bei den Zoras sein könnte. Link ging stumm neben ihr und beobachtete einige Fische und Frösche, die durch den Fluss schwammen. Seine Versuche, Navi zu beschwichtigen hatte er schon vor einigen Kilometern aufgegeben. „Ich meine, ich weiß es doch eigentlich! Wie oft hat der Deku-Baum euch Geschichten über Nayru und die Zoras erzählt, während ich auf einem Ast saß und zugehört hab?“ Link seufzte und versuchte, ihr unentwegtes Gemecker auszublenden, als ein entferntes Rauschen an seine Ohren drang. Sofort blieb er wie angewurzelt stehen, spitzte die langen Ohren und lauschte angestrengt. „Was ist das?“ Eine Hand hatte er bereits am Griff seines Schwertes, um sich gegen eventuelle Gegner zu verteidigen, als Navi Entwarnung gab. „Klingt wie ein Wasserfall. Das heißt, wir haben es nicht mehr weit.“ „Was ist ein Wasserfall?“ Link, der den Großteil seines Lebens in den Kokiri-Wäldern verbracht hatte, war jetzt schon von dem vielen Wasser des beeindruckenden Flusses begeistert. Bisher hatte er lediglich kleinere Bachläufe und den künstlich verbreiterten Burggraben von Hyrule-Stadt gesehen. Was ein Wasserfall sein könnte, war ihm völlig schleierhaft. Doch als sie um die nächste Wegbiegung kamen und er die mit lautem Tosen herabstürzenden Wassermassen erblickte, blieb ihm vor Staunen der Mund offen stehen. Als er sich an Navi wandte, musste er aus vollen Lungen brüllen, um das laute Donnern des Wasserfalls zu übertönen: „Das ist ja gigantisch! Und hier leben die Zoras?“ Navi flog dicht an ihn heran und schrie ihm direkt ins Ohr, aber sie hatte dennoch Schwierigkeiten bei all dem Lärm verständlich zu sein: „Angeblich liegt ihr Reich hinter diesem Wasserfall. Doch soweit ich weiß, lassen sie nicht jeden herein. Und jeder, der es unbefugt versucht, wird von den Wassermassen fortgerissen und von der Strömung gegen die Felsen hier ringsum geschleudert. Es gibt nur wenige, die das überlebt haben.“ Link machte ein besorgtes Gesicht und fasste sich selbst an den Hals, so als würde er die Schlinge des Todes bereits um seine Kehle gelegt fühlen. Doch dann drückte er den Rücken durch und rief: „Dann wollen wir mal sehen, wie man da rein kommt!“ Die Lösung dieses Rätsels war jedoch einfacher als gedacht. Vor ihnen führten Felsausläufer wie zwei gebogene Arme hoch zum Wasserfall. Auf dem etwas weiter hinten und höher gelegenen Pfad entdeckte Navi ein goldenes Triforce-Emblem, ähnlich dem, das Link in der Feenhöhle gefunden hatte. Die einzige Schwierigkeit bestand darin, auf dem schmalen Fels nicht auszurutschen. An einigen Stellen war der glatte Stein mit Algen bewachsen und das Sprühwasser des Wasserfalls machte ihn zusätzlich glitschig. Konzentriert setzte Link einen Fuß vor den anderen und breitete die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten. Seinen Blick richtete er stur auf den Weg vor ihm. Dennoch geriet er zweimal ins Rutschen und wäre einmal sogar fast gestürzt. Trotzdem schaffte er es irgendwie ohne Verletzungen bei dem Triforce-Zeichen anzukommen. Erleichtert ließ er die Luft, die er unbewusst angehalten hatte, aus seinen Lungen entweichen und lockerte die angespannten Schultern, bevor er seine Okarina hervorholte. Eine feuchte Strähne hing ihm ins Gesicht und das grobe Leinen seiner klammen Tunika scheuerte über seine Haut, doch er konzentrierte sich voll auf das Wiegenlied der hylianischen Königsfamilie. Als er geendet hatte, ließ der Junge sein Musikinstrument sinken und wartete gespannt. Für unendlich lange Momente passierte gar nichts, doch dann schob sich langsam eine Art dreieckiges Dach aus der Felswand hinter dem Wasserfall, während die untergehende Abendsonne alles in ein warmes Orangerot tauchte. Die herabstürzenden Wassermassen trafen auf das massive Steindach und teilten sich in der Mitte, sodass sie den Blick auf einen unter dem Dach liegenden Höhleneingang freigaben. Navi und Link sahen sich mit einem begeisterten Glänzen in den Augen an und sprangen zu dem neu freigelegten Weg herüber. Nachdem sie ein paar Schritte zurückgelegt hatten, glitt das Dach zurück in seine Ausgangsposition, wobei die Zahnräder des Mechanismus protestierend ächzten. Der Junge beobachtete fasziniert, wie sich der undurchsichtige Wasservorhang wieder vor den Eingang legte. Link und Navi drangen langsam weiter in die Höhle vor. Unter ihnen war ein riesiges Wasserbassin, in dem sauberes, silbrig schimmerndes Wasser funkelte. Ihnen gegenüber stürzte ein weiterer Wasserfall in die Tiefe, doch er war um einiges schmaler als sein Gegenstück draußen und machte auch nur halb so viel Lärm. Die Wände waren mit glänzenden Muscheln überzogen, die das Licht der geschickt platzierten Fackeln so reflektierten, dass die gesamte Höhle taghell erleuchtet war. Alles in allem hätte das Reich der Zoras unendlich friedlich gewirkt, wären seine Bewohner nicht wie aufgescheuchte Hühner umher gelaufen. „Hier ist ja ganz schön was los“, murmelte Link, während er dem schmalen Felspfad weiter nach oben folgte. „Ich frage mich, ob das immer so ist oder ob etwas passiert ist.“ Navis Stimme klang angespannt und sie beobachtete zwei sich wild gestikulierend unterhaltende Zoras. Trotz ihrer offensichtlichen Aufregung wirkten die Wasserwesen beinah übernatürlich elegant. Sie waren allesamt groß – sie überragten Link um gute zwei Köpfe – und hatten einen androgynen Körperbau, sodass nicht auszumachen war, ob es sich um männliche oder weibliche Vertreter ihres Volkes handelte oder gar um beides. Ihre von bläulichweißen Schuppen besetzten Gliedmaßen waren schlank, aber muskulös und hatten an den Gelenken flossenartige Auswüchse. Das Auffälligste jedoch waren die unglaublich langen Hinterköpfe, die wie der Hinterleib eines Delphins geformt waren und den Zoras bis zu den Lenden hingen, und die großen, tiefschwarzen Augen. Navi wandte den Blick von den aufgebrachten Fischwesen ab und schaute zu Link, der mit schief gelegtem Kopf vor einem Wegweiser stand und rätselte. Rechts neben ihm flachte der Weg ab und führte hinab zum Wasser, links wand sich eine Treppe weiter nach oben. „Was hast du?“, fragte sie, als sie zu dem Jungen aufgeschlossen hatte. Er sah kurz zu ihr auf, widmete sich dann jedoch wieder dem Stück beschriebenen Holzes vor seiner Nase. „Ich frage mich, was das heißt.“ „Kannst du etwa nicht lesen?“ Navi war entsetzt und starrte den Jungen, der betreten auf den Boden sah, aus großen Augen an. „Ich bin nun mal mitten im Wald aufgewachsen!“, verteidigte sich Link mit kleinlauter Stimme. „Was willst du erwarten?“ Doch dann änderte sich sein Gesichtsausdruck und er blickte seine Fee ein wenig angesäuert an, bevor er rief: „Natürlich kann ich lesen! Ich bin weder dumm, noch hab ich nicht aufgepasst, wenn der Deku-Baum uns etwas beigebracht hat. Aber das da“, er deutete auf die großen, schwarzen Buchstaben auf dem hellen Holz, „ist weder eine Schrift, noch eine Sprache, die ich je in meinem Leben zuvor gesehen oder gehört habe.“ „Ist ja gut… Du musst nicht gleich so wütend werden, nur weil ich mal kurz an dir gezweifelt habe“, grummelte Navi leise, die Links bösen Blick im Rücken spürte, als sie sich den Wegweiser genauer ansah. „Das ist die Sprache der Zoras. Da steht, dass die Treppe hoch in den Thronsaal führt.“ Link sah sie ein wenig erschrocken an. „Daran hab ich noch nie gedacht, dass andere Völker meine Sprache vielleicht gar nicht sprechen. Was mach ich denn, wenn ich ihnen mein Anliegen nicht erklären kann?“ „Da dürftest du hier keine Probleme haben. Soweit ich weiß, sprechen alle Zoras Hylianisch. Die Königsfamilien sind recht eng befreundet und außerdem pflegen die Zoras enge Handelsbeziehungen mit Hyrule. Fast jeder Fisch, den du auf dem Markt kaufen kannst, wurde von einem Zora gefangen. Man sagt ihnen lediglich nach, dass sie einen sehr eigenartigen Dialekt sprechen.“ „Inwiefern eigenartig?“ „Keine Ahnung.“ Navi zuckte mit den Schultern und deutete die Treppe herauf. „Lass es uns herausfinden. Wenn hier einer weiß, wo sich der Heilige Stein befindet, dann vermutlich der König.“ Geschwind stieg Link die Stufen zum Thronsaal hinauf, nur um dann unsicher wieder ein paar Schritte zurückzuweichen. Der König der Zoras war ein riesiges Wesen, das mehr an einen gestrandeten Wal als an seine schlanken, eleganten Untertanen erinnerte. Er saß am gegenüberliegenden Ende des Saals auf einer von Wasser umspülten Erhöhung und brüllte mit ohrenbetäubender Lautstärke einen jungen Zora an. Link verstand keines der Worte, doch dass es keine Geburtstagsglückwünsche waren, machte schon allein der scharfe Ton klar. Dennoch drückte der Junge entschlossen den Rücken durch und schritt mutig auf das kleine Podest zu, von dem aus Besucher Anfragen an den König stellen konnten. Navi zog sich unter seine Mütze zurück und hob vorsichtig deren Saum ein wenig an, um trotzdem etwas sehen zu können. Mehre Minuten beachtete keines der anwesenden Wasserwesen den Jungen, der ziemlich verloren auf dem großen Steinpodest stand und sich immer wieder räusperte oder mit zaghaften Entschuldigungen für die Störung versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Navi begann in Gedanken bis fünfzig zu zählen und brüllte aus voller Lunge, als Link noch immer nicht zur Kenntnis genommen worden war, als sie die Fünfzig erreichte: „Sollen wir uns hier die Beine in den Bauch stehen, ihr verfluchten, versnobten Fischköpfe?“ Link zuckte bei ihrem Wutausbruch fürchterlich zusammen und schwor sich, demjenigen, der ihm erzählt hatte, Feen seien sanftmütige Wesen, bei der nächsten Gelegenheit für diese infame Lüge ordentlich vors Schienbein zu treten. Sämtliche Zoras im Raum verstummten abrupt und drehten sich mit einem verärgerten Ausdruck in den großen, schwarzen, leicht eckigen Augen zu ihm um. Lediglich die Augen des Königs waren rund und von einem blassen Hellblau, bemerkte Link, bevor das Geschrei wieder von vorne anfing. Die verschiedenen Stimmen wirbelten durch den Raum und verwoben sich zu einem unverständlichen Gemurmel. Doch als der König den Mund auftat, übertönten seine Worte alles andere Gesprochene im Raum. Vielleicht lag das aber auch nur daran, dass er als Einziger Hylianisch sprach, überlegte Link. Der König zeigte mit einem kurzen, viel zu dünnen Arm auf ihn: „Man werfe diese Ausgeburt der Impertinenz sofort hinaus! Hinfort mit ihm!“ Link stolperte rückwärts und versuchte den in einer Front auf ihn zukommenden Zoras auszuweichen, während er wild mit den Armen vor sich in der Luft fuchtelte. „Wartet! Wartet! Ich habe ein wirklich wichtiges Anliegen. Ich wollte nicht, dass euer König oder ihr beleidigt werdet, aber ihr kennt ja Feen…“ Er lachte nervös, als er ein paar Schritte zur Seite machte, um nicht die Treppe heruntergestoßen zu werden. Doch anstatt sich wieder in den Raum hinein zu bewegen, trieben ihn die Zoras einen anderen Gang hinab. Das etwa knöchelhohe Wasser, das den Boden in Thronsaal und Gang bedeckte, schränkte Links Bewegungsfreiheit stark ein, aber die Zoras schienen dadurch kein Stück beeinträchtigt zu sein. Hinter sich vernahm der Junge plötzlich das laute Tosen des Wasserfalls. „Na super… Das hat mir gerade noch gefehlt. Warum nur musst du immer so eine große Klappe haben, Navi?!“ Die Stimme der Fee klang ein wenig zerknirscht, als sie antwortete: „Entschuldige. Ich wollte doch nur, dass man dich beachtet.“ „Danke“, murmelte der junge Abenteurer zynisch, „aber das ist ein bisschen zu viel Beachtung…“ Die Zoras trieben Link immer weiter auf den Abgrund zu und Panik drückte sich seine Kehle hoch, als Navi eine Idee kam: „Vielleicht ist das jetzt der richtige Zeitpunkt, um Dins Feuerinferno zu testen.“ Link war sich nicht sicher, ob er so einen mächtigen Zauber tatsächlich gegen die Zoras einsetzen sollte, doch ein Blick über die Schulter zeigte ihm, dass er keine Zeit hatte, um zu zweifeln. Schnell griff er nach seinem Wunderbeutel, aber bevor seine Hand auch nur das Leder berührt hatte, stieß ihn eines der Wasserwesen den Wasserfall hinab. Von oben hörte er aufgebrachte Stimmen, doch Navis schrilles Kreischen machte ihre Worte unverständlich, bevor auch die Fee gurgelnd verstummte, als sie zusammen mit Link nach einem tiefen Fall ins Wasser stürzte. Sofort wurde der Junge von der Strömung unter die Oberfläche gerissen und davon gespült. Aus den Augenwinkeln sah er undeutlich eine Art breites, goldgefasstes Tor auf sich zu kommen. Kaum, dass die Strömung ihn durch den Durchgang gedrückt hatte, wurde er auch schon augenblicklich von unsichtbaren Kräften hin und her geworfen. Er drehte sich so heftig, dass er nicht einmal mehr wusste, wo oben und wo unten war. Plötzlich schlug er hart auf dem Boden auf und schluckte vor Überraschung einen ganzen Mund voll leicht abgestanden schmeckenden Wassers. Die Strömung ließ ihn über den sandigen Untergrund schrappen und schleuderte ihn schließlich mit voller Wucht gegen einen Felsen. Für einen kurzen Moment sah Link einen hellen Lichtblitz, gefolgt von kleinen Sternchen, doch schon im nächsten wurde die Welt um ihn herum schwarz. Er träumte, er säße zusammen mit Salia hoch oben im Wipfel des Deku-Baumes, wie er es so oft getan hatte, während der Schutzpatron der Wälder seinen Schützlingen eine Geschichte erzählt hatte. Eine leichte Brise strich über den Kokiri-Wald und brachte die Blätter der Bäume zu einem melodischen Rauschen. Salia saß neben ihm, hielt seine Hand und deutete auf einen hellen Klecks am Horizont. Was auch immer es war, es war zu weit weg, um es zu erkennen. Die grelle Mittagssonne ließ Salias elfenbeinfarbene Haut in einem unnatürlichen, fast gespenstischen Weiß leuchten, doch ihre Stimme klang so vertraut wie eh und je: „Dort lebt die Prinzessin. Sie wartet auf dich. Lass sie nicht warten, Link. Lass sie nicht warten…“ Das friedliche Bild seines Heimatwaldes und seiner besten Freundin entfernte sich immer mehr, bis es sich ganz auflöste und er allein in der Dunkelheit zurückblieb. Lediglich Salias Stimme blieb bei ihm, hüllte ihn ein und bewahrte ihn vor dem Sturz in die Finsternis. Doch irgendwie klang sie nun eigenartig… „Link! Hey! Link! Hörst du mich? Link!“ Langsam begannen seine Augenlider zu flattern und er hörte neben Salias Stimme das entfernte Plätschern von Wasser und leise Rufe von Nachtvögeln. „Link? Link! Oh, bei den Göttinnen! Du lebst!“ Endlich erkannte er, dass es nicht Salias, sondern Navis Stimme gewesen war, die er gehört hatte. Er schlug die Augen auf, würgte und spie einen Schwall Wasser aus, bevor er sich wieder mit geschlossenen Lidern auf den Rücken fallen ließ und tief Luft holte. Navi streichelte ihm über die Wange und murmelte beschwichtigend vor sich hin, aber Link war sich nicht sicher, ob sie ihn oder sich selbst beruhigen wollte. Über ihr konnte Link einen wunderschönen, sternenübersäten Nachthimmel sehen, der ihm ein Gefühl von Frieden und Ruhe vermittelte. Der Junge holte tief Luft und verzog das Gesicht. Seine vom geschluckten Wasser gereizten Lungen schmerzten ebenso wie sein gesamter Körper. Vorsichtig stützte er sich auf die Ellenbogen und blickte sich um. Er lag auf einer Wiese in der Nähe eines riesigen Sees mit dunkelblauem Wasser, Navi stand mit besorgtem Gesichtsausdruck auf seiner Brust und neben seinen Füßen kniete ein Zora, der ihn aufmerksam musterte. Erschrocken wich Link so gut er auf dem Rücken liegend konnte zurück. Navi purzelte bei seinem plötzlichen Rückzug von seinem Oberkörper und plumpste ziemlich unsanft auf den Boden. Der Zora jedoch blieb unbewegt sitzen und beobachtete ihn aus seinen großen Augen. „Link, hey, ganz ruhig. Das ist Mia. Sie hat dich gerettet, als du vorhin beinah im Hylia-See ertrunken wärst“, beeilte sich Navi zu erklären. Ängstlich betrachtete Link die junge Zora-Frau, die ihn zaghaft anlächelte. Als sie sprach, war ihre Stimme seidig und weich. „Ihr legt ein recht eigentümliches Verhalten an den Tag, Sire.“ Link warf angesichts der gestelzten Sprache Navi einen irritierten Blick zu, doch diese zuckte nur mit den Schultern. „Wie kommt es, dass Ihr so furchtsam auf einen Zora reagiert?“ Mia legte den Kopf schief und betrachtete den Jungen vor sich mit ehrlicher Neugierde. „Könnte daran liegen, dass ein paar von euch versucht haben, mich zu ertränken.“ Link erschrak selbst ein wenig darüber wie abweisend seine Stimme klang. Mia war in der Zora-Höhle nicht dabei gewesen. Warum behandelte er sie als hätte sie persönlich Hand an ihn gelegt? Er nahm sich vor, sich in Zukunft mehr zusammenzureißen und Mia so unbefangen wie möglich zu behandeln. Mias Augen wurden noch eine Spur größer und sie sah Link verständnislos an. „Bitte? Ich verstehe nicht.“ Schnell fasste Navi die zurücklegenden Ereignisse zusammen und berichtete ihrer neuen Bekannten, was passiert war, bevor diese Link bewusstlos im See treibend gefunden hatte. Als sie geendet hatte, blickte Mia nachdenklich auf ihre in ihrem Schoß gefalteten Hände. „Ich empfinde unendliches Bedauern, Sire. Ihr seid zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt in unser Reich gekommen. Unter normalen Umständen hätte das nie passieren können. Ich hoffe, Ihr könnt meinem Volk vergeben.“ „Aber was ist eigentlich los?“, fragte Link, der sich langsam aufsetzte und die Beine zu einem Schneidersitz übereinander legte. Mia seufzte übertrieben und richtete ihren Blick auf den ruhig daliegenden See. „Ihr werdet es nicht für möglich halten, Sire, aber unsere Prinzessin ist uns abhandengekommen.“ „Wie kann man denn eine Person verlieren, geschweige denn ein Mitglied der königlichen Familie?“ Navi klang zutiefst erstaunt und ihre Augen glitzerten erwartungsvoll. Die Zora-Frau wurde ein wenig rot, was im fahlen Mondlicht jedoch kaum zu erkennen war. „Der Sachverhalt ist ein wenig anders gelegen, Mylady.“ Navi machte ob der Anrede große Augen, doch Link gab ihr mit dem Zeigefinger einen leichten Klaps gegen den Hinterkopf und warf ihr einen drohenden Blick zu, der sie warnte, auf dem Teppich zu bleiben. „Die Wahrheit ist leider, dass Prinzessin Ruto… nun ja… Die junge Mistress hat sich freiwillig entschieden, dem Hofe fern zu bleiben… mal wieder.“ „Du meinst, sie ist abgehauen?!“ Mia machte angesichts von Navis Nachfrage ein zerknirschtes Gesicht und Link sah seine Fee tadelnd an. „Sei nicht immer so unsensibel!“ Eine Windböe fegte über die Wiese und ließ Link, dessen Kleider noch immer völlig durchnässt waren, frösteln. Dabei stach der Zora-Frau etwas ins Auge. „Da haben sich ein paar Schlingpflanzen in Eurem Gürtel verfangen, Sire.“ „Was? Oh, danke für den Hinweis.“ Link lächelte zu ihr herauf, was sie mit einem breiten Grinsen quittierte, bei dem sie eine Reihe blendendweißer, rasiermesserscharfer Haifischzähne zeigte. Schnell guckte der Junge weg und bemerkte etwas Glänzendes zwischen dem grünen Wirrwarr, das sich in seinem Gürtel verheddert hatte. „Hey, seht mal. In dem Grünzeug hing eine Flasche und da ist ein Brief drin.“ Er hob das schmale, mit einem Korken verschlossene Glasgefäß hoch und Navi trat aufgeregt von einem Fuß auf den nächsten. „Hui, Flaschenpost! Was steht drin? Das ist ja so spannend!“ Vorsichtig schüttelte der Junge das braune Stück Papier heraus und rollte es aus, bevor er laut vorlas: „Hilfe, ich bin im Bauch von Lord Jabu-Jabu und brauche jemanden, der mir hilft. Gezeichnet: Prinzessin Ruto. P.S.: Sag’s nicht meinem Daddy.” Langsam ließ Link das Papier sinken und blickte zu Mia hinüber, die stocksteif dasaß und ihn entsetzt anstarrte. „Das… das… kann nicht sein“, stammelte sie, doch schon bald erlangte sie ihre Fassung zurück. „Wir müssen diesen Brief sofort König Zora zeigen. Er wird an der Handschrift ablesen können, ob er wahrhaftig der Feder der jungen Mistress entstammt. Schnell, haltet Euch an mir fest. Ich bringe Euch durch das Portal zurück in die Zora-Höhle, Sire.“ Die Rückreise war auf Grund von Mias Schwimmfertigkeiten nur halb so holperig, aber dennoch nicht viel angenehmer. Link spürte noch immer die immensen Kräfte, die an ihm zogen und zerrten, und er klammerte sich fester an den Zora, der von der Strömung nicht das Geringste zu bemerken schien. Zwar fühlte er sich in Mias Armen schon irgendwie sicher, doch trotzdem war ihm wohler, als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Schnell wrang er seine Mütze aus, wischte sich die nassen Haare aus dem Gesicht und versuchte, so viel Wasser wie möglich aus seiner Tunika zu streichen, bevor er zu der jungen Zora-Frau aufschloss, die schon ungeduldig vor dem einzigen Wegweiser der Zora-Höhle wartete. Als sie den Thronsaal betraten, funkelten die anwesenden Zoras Link feindselig an. Der Junge zog instinktiv die Schultern leicht vor und versuchte, sich unter ihren Blicken hinweg zu ducken. Mia jedoch schritt zielstrebig auf das steinerne Podest zu. Ohne zum Sprechen aufgefordert worden zu sein, platzte es einfach aus ihr heraus: „Euer Hoheit, ich glaube, wir wissen, wo sich Eure Tochter aufhält!“ Sofort fixierte der feiste Regent sie mit seinen unnatürlich hellen Augen und sah sie erwartungsvoll an. „Dieser junge Recke hier“, sie deutete auf Link, der ein wenig verlegen in die Runde winkte, „hat eine Flaschenpost gefunden, die Aufschluss über den Verbleib der ehrwürdigen Prinzessin Ruto liefern könnte. Wir bitten Euch nur, die Echtheit des Briefes zu prüfen.“ Dann wandte sie sich an Link und beorderte ihn zu sich. „Sire, kommt näher und zeigt Euren wertvollen Fund.“ König Zora drehte und wendete das dünne Blatt Papier und studierte es eingehend, während Link es langsam mit der Angst zutun bekam. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was die Zoras mit ihm anstellten, sollte der Brief nicht echt sein. Dann endlich ließ der Herrscher den vergilbten Zettel sinken und starrte Link entsetzt an. „Das kann nicht sein! Sire, sagt, wo habt Ihr dieses Schreiben entdeckt?“ Bevor er antworten konnte, musste der Junge sich räuspern und wurde von mindestens sieben Augenpaaren ungeduldig gemustert. „Auf dem Grund des Hylia-Sees, glaube ich.“ „Ihr glaubt es lediglich und wisst es nicht?“ „Nun ja, ich war ohnmächtig und als ich wieder zu mir kam, hing die Flasche zwischen ein paar Pflanzen, die sich in meinem Gürtel verfangen hatten.“ Der imposante Zora machte ein nachdenkliches Gesicht, als sich sein Berater einschaltete: „Es ist durchaus möglich, dass die Flaschenpost bis zum Hylia-See gespült wurde, wenn Prinzessin Ruto sie in die Quelle geworfen hat.“ Der König taxierte Link für einige unendlich lang erscheinende Herzschläge und klatschte dann in die Hände. „So soll es sein. Sire, Ihr werdet unsere Prinzessin im Bauch von Lord Jabu-Jabu suchen. Sollte dieser Brief nicht der Wahrheit entsprechen, kann ich es nicht erlauben, dass auch nur ein Angehöriger meines Volkes nicht in den Gewässern Hyrules auf der Suche nach ihr ist. Deswegen werdet Ihr gehen.“ „Aber Eure Lordschaft!“, meldete sich ein weiterer Zora zu Wort. „Ihr könnt doch nicht wirklich gewillt sein, einen Hylianer zu Lord Jabu-Jabu zu schicken. Er ist unser Schutzgeist und darf unter keinen Umständen dermaßen entweiht werden!“ Link wollte bereits protestieren, dass er gar kein Hylianer, sondern Kokiri war, doch etwas in dem Blick des Zora-Regenten hielt ihn zurück. Außerdem war er sich ziemlich sicher, dass dieser Unterschied vermutlich gar nichts zur Sache tat. Der König bedachte den vorlauten Zora mit einem vernichtenden Blick und donnerte: „Schweigt still! Ich habe mich entschieden.“ Der Andere wollte noch etwas entgegnen, doch sein Regent hatte sich bereits wieder der kleinen Gruppe auf dem Podest zugewandt. „Lady Mia, Ihr besorgt den Opferfisch und Ihr, Lord Kallaha”, er richtete seinen Blick auf einen der Umstehenden, „geleitet unseren Gast zu Lord Jabu-Jabus Quelle.” Ein besonders muskulöser Zora trat vor und bedeutete Link und Navi, ihm zu folgen. Unterdessen entfernte Mia sich in Richtung Wasserfall, ohne sich von ihren neuen Bekannten verabschiedet zu haben. Kallaha führte die Beiden durch einen versteckt gelegenen Durchgang hinter den Thronsaal, während Link langsam hinter dem Fischwesenkrieger her schritt und Navi einen besorgten Blick zuwarf. Wozu im Namen der Göttinnen brauchten sie einen Opferfisch? Kapitel 17: In Lord Jabu-Jabu ----------------------------- „Warum genau helfen wir eigentlich bei der Suche nach dieser kleinen Göre?“, flüsterte Navi, als sie in die ersten Ausläufer der Quelle stiegen. Link senkte die Stimme und blickte auf das flache Wasser zu seinen Füßen. „Weil ich davon ausgehe, dass König Zora sehr viel hilfsbereiter bei unserem eigentlichen Anliegen sein wird, wenn wir ihm seine Tochter zurückbringen.“ Kallaha blieb vor einem flachen, aber breiten Podest stehen, das mit je einer kunstvoll geschnitzten Holzsäule in allen vier Ecken geschmückt war, und deutete die wenigen Treppenstufen herauf. „Dies ist Lord Jabu-Jabu. Möget Ihr ihn mit Respekt behandeln.“ Seine Stimme klang missbilligend, doch er wagte nicht die Entscheidungen seines Königs in Zweifel zu ziehen, so wie es der andere Zora zuvor getan hatte. Gemäßigten Schrittes bestieg Link das Podest und blickte Navi, die neben ihm flog verwirrt an. Hinter dem viereckigen Steinquader, auf dem sie sich befanden, lag ein riesiger, weißer Wal im Quellwasser und musterte sie aus runden, blauen Augen. Sein imposanter Körper war mit wunderschönen Samtgirlanden aus edlem Rot, majestätischem Blau und poliertem Gold geschmückt. Besonders der diademartige Kopfschmuck ließ Navi vor freudiger Entzückung aufseufzen. Doch Link drehte sich ein wenig irritiert um und suchte Kallahas Blick. Das sollte der Schutzgeist Lord Jabu-Jabu sein? Der Zora achtete jedoch gar nicht auf ihn. Stattdessen schaute er lächelnd in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Link drehte den Oberkörper ein wenig und sah Mia mit einem noch zappelnden Fisch in den Händen auf sie zu eilen. Die junge Zora-Frau blieb neben Kallaha stehen und lächelte ihn liebevoll an. Während Link sich fragte, ob die Beiden wohl ein Paar waren, musste er unwillkürlich an Zelda denken, was ihn ein wenig zusammenzucken ließ. Dann kam Mia langsam auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Der Fisch in ihrer anderen Hand zappelte noch immer und kämpfte verzweifelt um sein Leben. Aus den Augenwinkeln erkannte Link, dass die Zoras Schwimmhäute zwischen ihren Fingern hatten. „Dieser Opferfisch wird Euch Einlass in Lord Jabu-Jabus Inneres gewähren. Es ist eigentlich nur zu zeremoniellen Zwecken gestattet, dieses zu betreten, doch unter den gegebenen Umständen müssen wir eine Ausnahme machen. Bitte beeilt Euch dennoch. Und findet vor allem die junge Mistress!“ Mit diesen Worten legte sie den kleinen, blaugeschuppten Fisch direkt vor das Maul des großen Wals und beeilte sich, das Podest wieder zu verlassen. Der Junge und seine Fee sahen sich abwartend und ein wenig verwirrt an, während Lord Jabu-Jabu seine milchigblauen Augen auf den zuckenden Fisch vor sich richtete. Ansonsten passierte lange Zeit gar nichts. Der bemitleidenswerte Opferfisch wurde immer schwächer und seine Kiemenlappen hoben und senkten sich hektisch in dem Versuch die Atemorgane mit genügend Sauerstoff zu versorgen. Link fragte sich langsam, ob die Zoras ihn auf den Arm nehmen wollten, als der Wal sein riesiges Maul aufriss. Der Schutzgeist der Wasserwesen atmete tief ein, wobei ein gewaltiger Sog entstand, der Link von den Füßen riss. Seine Beine schnellten nach vorne und sein Oberkörper kippte nach unten, doch bevor er auf dem Boden aufschlagen konnte, sauste er waagerecht liegend durch die Luft, genau auf das Walmaul zu. Navi hielt sich panisch an seinem Gürtel fest und auch Mia und Kallaha mussten sich an eine der Säulen klammern, um nicht von Lord Jabu-Jabu genau wie ein Opferfisch verschluckt zu werden. Link schlug hart auf der Zunge auf und rollte über die raue Oberfläche, wobei er sich mehrfach überschlug. Leicht benommen richtete er sich wieder auf und blickte sich um. Navi ließ ebenfalls ihren Blick schweifen, legte sich eine Hand an den Hals und würgte. „Das ist einfach nur widerlich.“ Zwischen zwei Backenzähnen hingen inzwischen braune Pflanzenreste, vor den beiden Abenteurern stürzte sich die Speiseröhre in die Tiefe und über ihnen hing die dicke, rote Uvula. Als der leicht faulige Fischgestank an seine Nase drang, verzog Link den Mund, doch er deutete unbeeindruckt auf die Speiseröhre. „Zum Bauch geht’s wohl hier lang. Los, rutschen wir eine Runde.“ Navi schloss kurz die Augen, atmete tief durch und verkroch sich unter Links Mütze. „Das ist so schon abartig genug. Da muss ich das nicht auch noch sehen.“ Mit Schwung warf der Junge sich in die schleimige Röhre und schoss in Richtung Magen davon. Die Flimmerhärchen strichen unangenehm über seine nackten Beine und verursachten ihm Gänsehaut, aber nach wenigen Sekunden war es auch schon wieder vorbei und er stolperte ein paar Schritte vorwärts. Vor ihm breitete sich die weite Landschaft des Magens aus. Die Wände hatten ein leicht gereizt wirkendes Rot und ein paar Tropfen Magensäure fielen von der Decke. Auf der gegenüberliegenden Seite erkannte Link den Zugang zum Dickdarm. Wenige Meter vor ihm kniete ein junges Zora-Mädchen und blickte in eines der Löcher hinab, die sich auf dem Boden des Magens befanden. Link war sich nicht sicher, wohin sie führten, doch er war auch nicht erpicht darauf, es herauszufinden. Langsam ging er auf das Mädchen zu und berührte es zaghaft an der Schulter. Anders als die anderen Zoras hatte diese junge Dame nicht den langen, gebogenen Hinterkopf, sondern einen breiten Schädel, der ein wenig an einen Hammerhai erinnerte. Auch die flossenartigen Auswüchse an den Gelenken waren bei ihr ein bisschen anders. Sie waren länger und erinnerten entfernt an blaugeränderte Spitzenrüschen. Das Mädchen drehte sich um und blickte den Jungen hinter sich aus großen, lilafarbenen Augen an, die ein wenig missbilligend wirkten. „Prinzessin Ruto?“ Links Stimme hatte einen hoffnungsvollen Unterton und er lehnte sich ein bisschen nach vorn, als das Mädchen sich aufrichtete. Doch anstatt ihm erleichtert in die Arme zu fallen, verschränkte die junge Zora die Arme vor der Brust und musterte ihren Retter abschätzig. „Wer will das wissen?“ Navi kroch ein Stück nach vorn und lugte unter dem Saum der grünen Mütze hervor. Link blinzelte irritiert und wich instinktiv vor dem feindseligen Blick zurück. „Ich… äh… Mein Name ist Link. Dein Vater schickt mich. Ich soll dich nach Hause bringen.“ Bei der Erwähnung ihres Vaters wurde Rutos Blick noch eine Spur giftiger. „Danke, aber ich brauche keine Hilfe. Geh zurück und lass mich in Ruhe!“ Dann wandte sie sich um und lief davon, wobei sie in ein Loch fiel, welches sie übersehen hatte, und mit einem spitzen Schrei in die Tiefe stürzte. Link seufzte und blickte nach oben zu Navi, deren Haare ihm in die Stirn hingen. „Ich wollte immer schon mal Kindermädchen für Schwererziehbare spielen… Du nicht auch?“ Behände sprang er dasselbe Loch hinab, durch das die Zora-Prinzessin gefallen war, und landete sacht auf einem leicht wabbeligen Untergrund. Den Gedanken daran, wo er sich jetzt befand, schob er lieber beiseite. Ruto stand ein paar Meter neben ihm und hielt sich den Kopf. Als sie ihn erblickte, funkelte sie ihn wütend an. „Ich hab dir doch gesagt, du sollest verschwinden!“ Offensichtlich hielt sie nichts von der gestelzten, übermäßig respektvollen Art zu reden, die von den restlichen Zoras gepflegt wurde. Link verdrehte die Augen und ging langsam auf sie zu. „Ich kann aber leider nicht ohne dich gehen.“ „Ach, und warum nicht?“ „Dein Vater macht sich Sorgen um dich. Da draußen ist die Hölle los.“ „Ist mir doch egal!“ Sie wandte sich um und wollte wieder davonlaufen, schwankte aber so heftig, dass sie sich an die Wand lehnen musste. Sofort war Link neben ihr, um sie zu stützen, doch sie wehrte ihn unwirsch ab. „Komm mir nicht zu nahe!“ „Aber dir geht es nicht gut.“ „Was geht dich das an?!“ Navi riss allmählich der Geduldsfaden und sie begann die kleinen Hände immer wieder zu Fäusten zu ballen, während sie sich selbst ermahnte, die Contenance zu bewahren. Link seufzte und ließ die Arme hängen. „Du hast Recht. Es geht mich gar nichts an. Trotzdem mache ich mir Sorgen um dich.“ „Bist du so ein verdammter Gutmensch oder was?“ Das war zu viel für Navis empfindlichen Geduldsfaden… Wie eine Furie schoss sie unter Links Mütze hervor und keifte: „Jetzt pass mal auf, du verwöhntes Gör! Wir haben bei den Göttinnen nun wirklich anderes zu tun, als hinter dir herzulaufen. Also beweg gefälligst deinen königlichen Hintern aus diesem Wal!“ Die silberne Aura der Fee funkelte vor lauter Wut bedrohlich und sie durchbohrte Ruto mit bösen Blicken. Diese wich vor Schreck ein Stück weiter an die Wand zurück und sah ein wenig verunsichert aus, doch schon bald hatte sie ihre trotzig wirkende Maske wieder aufgebaut. „Wenn ihr etwas so viel Wichtigeres zu tun habt, dann haut doch endlich ab! Ich kann hier noch nicht weg.“ Mit diesen Worten stürmte sie wieder davon und verschwand hinter einem Hautlappen. Link atmete tief ein, kniff die Augen zusammen und massierte mit Daumen und Zeigefinger seine Nasenwurzel, um seine aufwallende Wut in den Griff zu bekommen. „Vielleicht sollte ich sie einfach schnappen, niederschlagen und rausschleppen.“ Navi stemmte die Hände in die Hüften und presste die Lippen aufeinander. „Also mir gefällt die Idee.“ Als der Junge hinter den Hautlappen trat, fand er Ruto auf dem Boden liegend. Sie war an der Wand entlang hinab gerutscht, versuchte aber schon wieder auf die Beine zu kommen. Link kniete sich neben sie und beobachtete sie nachdenklich. „Was ist los mit dir?“ Sie funkelte den Jungen böse an und gab einen knurrenden Laut von sich, antwortete zu Links Überraschung jedoch: „Ich glaub, ich hab mir ziemlich übel den Kopf angestoßen, als Lord Jabu-Jabu mich bei der Fütterung verschluckt hat.“ Vorsichtig befühlte Link ihren Schädel und musterte aufmerksam ihr angespanntes Gesicht. „Ist dir schwindelig?“ Sie nickte, verzog den Mund und wurde noch eine Spur blasser als sie es eh schon war. „Klingt als könntest du eine Gehirnerschütterung haben. Ich sollte dich wirklich schleunigst hier rausbringen.“ Ruto sah ihn aus ihren großen, dunklen Augen flehend an. „Aber ich kann noch nicht gehen!“ „Warum nicht?“ Verlegen zupfte sie an einer ihrer Flossen. „Als Lord Jabu-Jabu mich verschluckt hat, hab ich etwas sehr Wichtiges verloren – ein Geschenk von meiner Mama, mein letztes Andenken an sie. Ich muss es wiederfinden. Ich muss!“ Resigniert seufzend blickte Link den vor ihnen liegenden Gang hinab. „Okay, ich werde es für dich finden, wenn du mir beschreibst, nach was ich suchen soll. Du bleibst hier und ich hol dich später wieder ab.“ „Nein, ich will mitsuchen!“ „Du kannst dich doch wegen deines Schwindels kaum auf den Beinen halten!“ „Dann musst du mich eben tragen!“ Überrascht riss der Junge die Augen auf und Navi kippte die Kinnlade herunter. „Bitte?!“ „Was denn? Das ist doch eine wunderbare Lösung. Ich bekomme meinen Schatz zurück und muss nicht fürchten, dass du damit verschwindest, und du hast die Sicherheit, dass ich mich danach auch wieder nach Hause tragen lasse.“ Link schloss die Augen und fragte sich zum wiederholten Mal, in was er hier hereingeraten war. Als er die Augen wieder aufschlug, hatte er einen Entschluss gefasst. „Alles klar. Ich werde dich tragen. Halt dich an mir fest.“ Sie waren schon seit einiger Zeit unterwegs und Link fragte sich langsam, ob er in diesem Wal enden und bei lebendigem Leib verdaut werden würde, als Ruto plötzlich begeistert aufjauchzte. „Da hinten! Sieh doch! Der Stein von meiner Mama!“ Auf einer kleinen hügelartigen Erhöhung lag ein funkelndes Schmuckstück, das aus drei dunkelblauen, geheimnisvoll glitzernden, etwa babyfaustgroßen Edelsteinen und einer filigranen Goldfassung mit kunstvollen Verzierungen bestand. Navi keuchte auf und krallte eine Hand in Links Tunika, direkt über der Schulter. „Das ist der Ohrring der Nayru!“ Der Junge wirbelte herum und starrte seine Fee an, während Ruto wild strampelte und versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen. „Bist du dir sicher?!“ Navi nickte bedächtig und wurde beinah von der Zora-Prinzessin erschlagen, die sich schon fast freigewunden hatte. „Ruto, warte, wir müssen reden“, wandte der Recke sich an die junge Zora, diese ignorierte ihn jedoch. Als sie von Links Rücken rutschte und auf den Stein zu eilte, griff der Junge schnell nach ihren Handgelenken. Sie riss ihren Arm weg, doch sie konnte ihn nicht abschütteln. „Wir müssen reden“, wiederholte der Junge seine Forderung, wurde jedoch sogleich abgeblockt: „Was gibt’s denn da zu reden? Der Stein gehört mir.“ „So einfach ist es nicht…“ „Es ist so einfach“, fauchte Ruto und schubste den Knaben weg, der stürzte und ihr Handgelenk loslassen musste, um den Fall abzufangen. Doch kaum hatte das Zora-Mädchen den wertvollen Stein an sich genommen, wurde es auf einmal von einem langen Tentakel durch ein Loch in der Decke nach oben gerissen. Link eilte zu ihm, kam jedoch zu spät und fand sich plötzlich einem riesigen Oktopus gegenüber, der durch das Loch gesprungen war. Mit einem erschrockenen Aufschrei wich der Junge zurück und zog sein Schwert. Navi schoss hinter den Kraken und bewarf ihn mit ein wenig Dörrobst, das sie unbemerkt aus Links Lederbeutel entwendet hatte. Überrascht drehte der Angreifer sich um und Link trieb ihm das Schwert von hinten mitten ins Herz. Er stemmte einen Fuß auf den Kadaver und zog seine Waffe aus dem toten Fleisch, während er grübelnd auf der Unterlippe kaute und Navi das Dörrobst wieder einsammelte, nur um es mit einem Schulterzucken wieder wegzuwerfen. Wer wollte schon Obst essen, das bereits im Inneren eines Wals gelegen hatte?! Link wischte seine Klinge mit einem Zipfel seiner Tunika sauber und deutete über sich. „Wir müssen irgendwie da rauf. Ruto hat den Heiligen Stein.“ Kapitel 18: Elektrospiele mit Barinade -------------------------------------- Lange Zeit stapften die Beiden ziemlich plan- und orientierungslos durch die Innereien des imposanten Meeressäugers. Mit einem grimmigen Blick auf seine Stiefel fragte Link sich, ob er das Leder je wieder von den Verdauungssäften würde reinigen können. Navi saß auf seiner Schulter und wirkte sehr blass. Sie stieß einen langgezogenen Seufzer aus und murmelte: „Und ich hatte so sehr gehofft, wir wären hier schnell wieder raus…“ Link knurrte eine unverständliche Antwort und zog an einigen schleimigen Pflanzenresten, an denen man wieder auf die obere Ebene klettern zu können schien. „Das arme Tier muss echt wahnsinnige Schmerzen haben”, dachte er laut und betrachtete die tiefrote Schleimhaut. „Diese Pflanzen hier sind eingewachsen…“ Oben angekommen betrachtete der Junge mit vor Ekel verzogenem Mund seine Handflächen, an denen Schleim und Pflanzenreste klebten. „Ich will hier nur noch raus! Wir sollten uns beeilen.“ Navi nickte kräftig und deutete dann einen Gang hinunter. „Wenn mich mein Orientierungsvermögen nicht trügt, müssen wir in diese Richtung.“ Mit angehaltenem Atem und unterdrücktem Würgen quetschte Link sich zwischen zwei riesigen, eng beieinander liegenden Hautlappen hindurch und stolperte in einen großen, fast runden, gewölbeartigen Raum. Navi ließ ihren Blick schweifen und stieß einen unwilligen Laut aus. „Wo sind wir denn hier? In der Blase? Oder doch eher in der Galle?“ „Ich hab keine Ahnung und ich will es auch gar nicht wissen…“ „Link!“ Der Junge wirbelte herum und entdeckte Ruto in einer Ecke des Raumes. Sie kauerte sich ängstlich zusammen und presste den Heiligen Stein fest gegen ihre Brust. Vor ihr stand ein riesiges Wesen, das aussah wie zwei aufeinander geklebte, mit Quallen besetzte Kugeln. Der untere Teil war zusätzlich zu dem wabbelnden Quallenpanzer mit langen Stacheln besetzt und der obere voller Tentakeln, die ein wenig wie schütteres Haar anmuteten. Navi quiekte laut auf und machte ein entsetztes Gesicht, während das eigenartige Wesen sich langsam Link näherte. „Das ist Barinade, die Herrscherin über die Elektroquallen.“ Zunächst verstand der Junge nicht, was seine Fee mit «Elektroquallen» gemeint hatte, doch dann sah er die feinen Blitze, die um den Körper des Wesens zuckten. Etwas kratzte an seinem Bewusstsein, doch er hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, denn Barinade schleuderte ihm eine ihrer durchsichtig blauen Quallen entgegen. Geschickt tänzelte er aus dem Weg und hieb mit dem Schwert auf das schwabbelige Tier ein – ein Fehler! Sofort schoss der Stromstoß durch das Metall der Klinge und röstete Link an Ort und Stelle. Metall leitet Elektrizität! Das war es gewesen, was ihm so schnell nicht hatte einfallen wollen… Er schrie vor Schmerzen auf und ließ seine Waffe fallen. Sein Schwertarm fühlte sich plötzlich taub an und kleine Sternchen tanzten vor seinen Augen. Navi nahm sein Gesicht in die Hände und blickte ihm besorgt von einem Auge ins nächste. Benommen schüttelte er den Kopf, um wieder voll da zu sein. Als eine erneute Attacke kam, warf Link sich auf den Boden und rollte sich ab, wobei er sein Schwert wieder aufsammelte, das er sofort in die Scheide steckte. Was sollte er mit einem Schwert, wenn er sich damit höchstens selbst verletzte? Er brauchte dringend eine Waffe, die keine Elektrizität weiterleitete. Kurz überlegte er, ob es etwas bringen würde, wenn er sich mit dem harten, trockenen Hals der Deku-Pirania, der ihm schon im Deku-Baum als Fackel gedient hatte, verteidigen würde. Doch dann stach ihm plötzlich etwas metallisch Glänzendes ins Auge. Neben der halbverwesten Leiche eines Zorakriegers lag ein goldener, mit roten und grünen Edelsteinen verzierter Bumerang. Schnell stürzte Link darauf zu und riss ihn gerade rechtzeitig an sich, um mit einem gezielten Wurf einen weiteren Angriff abzuwehren. Die scharfkantige Wurfwaffe zerriss die dünne Haut der Qualle und ließ ihren Körper wie eine Seifenblase platzen. In vollem Tempo jagte der Junge rund um Barinade, wich geschickt ihren Angriffen aus und riss ihre Quallenrüstung Stück für Stück mit dem Bumerang auseinander. Zu seinem Glück schien das riesige Wesen nicht besonders intelligent zu sein, doch nachdem er auch noch die letzte Qualle niedergestreckt hatte, wurde es richtig wütend. Elektroblitze schleudernd kam es mit einem wild drehenden Unterleib auf den Jungen zu und versuchte, ihn mit seinen langen, scharfen Stacheln in Stücke zu fetzen. Link versuchte auszuweichen, stieß jedoch lediglich mit dem Rücken gegen die rückwärtige Wand. Verzweifelt warf er mit dem Bumerang nach der Angreiferin, aber dieser verhakte sich nur zwischen den langen, stahlharten Auswüchsen. Navi schrie auf und sah ihren Schützling bereits als ein kleines Häufchen Hackfleisch enden. Von dem unerwarteten Aufschrei irritiert, hielt Barinade kurz inne, was ihr Todesurteil war. Sofort stieß Link sich von der Wand ab und trieb ihr sein Schwert mit voller Wucht immer und immer wieder tief in den Leib. Barinade wich trudelnd zurück und Link schickte sich bereits an, ihr mit weiteren Attacken nachzusetzen, als sich plötzlich dicke, dunkelrote Quasten auf ihren Tentakeln bildeten. Die eitrig aussehenden Auswüchse verbreiteten sich in Windeseile über den gesamten Körper, bis sie ihn vollständig bedeckt hatten. Der Junge ging langsam auf Barinade zu und klopfte mit der Schwertspitze gegen einen der schorfig roten Knubbel, was diesen zum Platzen brachte. Link wurde mit grünlichem Schleim bespritzt und wich angeekelt zurück, doch er war nicht schnell genug. Mit lautem Knacken rissen auch die anderen Geschwüre auf und bedeckten den gesamten Raum mit diesem glibberigen Eiter. Link wischte sich angewidert guckend übers Gesicht und warf einen Blick auf die Stelle, an der Barinade zuletzt gestanden hatte. Offensichtlich hatten die aufplatzenden Quasten ihren Körper in seine Einzelteile zerrissen. Navi entfernte ein wenig Schleim von ihrer Schulter und flog auf Link zu. „Stahlallergie. Sie kommt sehr selten vor, kann aber schnell tödlich verlaufen, wie man sieht.“ Der Junge blickte müde zu ihr herauf. „Ehrlich gestanden ist mir egal, an was sie gestorben ist. Alles, was ich will, ist ein Bad.“ Die Fee lächelte milde und sah ihn verständnisvoll an. „Das hast du auch bitter nötig. Aber sieh mal, da hinten ist der Bumerang gelandet. Ich denke, wir sollten ihn mitnehmen. Sein Besitzer braucht ihn eh nicht mehr und so eine Wurfwaffe ist echt praktisch.“ Fix steckte Link die neue Waffe in seinen Lederbeutel und ging dann auf Ruto zu, die sich die ganze Zeit über nicht von der Stelle bewegt hatte. Navi saß auf seiner Schulter und kontrollierte ihre Fingernägel. „Weißt du was? Ich bin richtig stolz auf dich. Du kämpfst langsam echt gut. Dieses Mal war es gar nicht so knapp wie sonst, dass du lebend aus dem Kampf herausgekommen bist.“ Link grinste und warf ihr einen Blick zu. „Ich glaub, ich gewöhn mich langsam an diese Heldennummer.“ Ruto wimmerte leise und wiegte sich sachte vor und zurück, als ihr Retter sich neben sie kniete und ihr eine Hand auf die Schulter legte. Sie wandte den Kopf und sah ihn aus panischen Augen an, aber als er ihr aufmunternd zulächelte, fegte sie mit wütender Miene seine Hand weg. „Warum hat das so lange gedauert?!“ Link kippte die Kinnlade herunter und er war für einen Moment sprachlos. Doch als er seine Stimme wiederfand, schluckte er die bissigen Kommentare, die ihm auf der Zunge lagen, hinunter und hielt der Prinzessin stattdessen seine Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Trotz des glibberigen Schleims, der ihn über und über bedeckte, lehnte Ruto sich gegen ihn, als ob sie nicht alleine stehen konnte. Anscheinend war ihr noch immer schwindelig. Link blickte sich zur Orientierung kurz im Raum um und wandte sich dann an seine beiden Begleiterinnen: „Wir haben jetzt zwei verschiedene Routen zur Auswahl. Entweder wir machen uns an den schwierigen Aufstieg durch die Speiseröhre oder wir nehmen den einfacheren Weg durch den Darm.“ Ohne auch nur einen Blick zu wechseln, riefen Ruto und Navi gleichzeitig: „Speiseröhre!“ Kapitel 19: Ein Traum wird wahr ------------------------------- Wieder im Maul angekommen, versuchte Link den Kiefer des gewaltigen Wals aufzustemmen, während Ruto ihn mit einem amüsierten Ausdruck in den Augen beobachtete. Navi flog neben ihr in der Luft, kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf und murmelte: „Ich glaube, das hat keinen Sinn.“ Keuchend stützte der Junge sich auf den Griff seines Schwertes, dessen Klinge zwischen zwei breiten Backenzähnen des Wals steckte. „Willst du doch lieber durch den Darm laufen?“ Die Fee verzog das Gesicht, doch Ruto lachte nur. „Ich glaube, das wird nicht nötig sein.“ Langsam stand sie auf, stützte sich kurz an der Wand ab, während sie wartete, dass der Schwindel abflaute, und ging ein wenig unsicher auf einen der Backenzähne zu. Sie warf Link ein strahlendes Lächeln zu und klopfte gegen den Zahn, woraufhin sich der Unterkiefer plötzlich senkte. Als sie nach draußen traten, atmete Link zunächst einmal tief durch und genoss es, endlich wieder Luft zu atmen, die nicht nach fauligem Fisch roch. Ruto ließ ihren Blick an seinem Körper hinabgleiten und schubste ihn grinsend vom Podest. Mit einem lauten Platschen landete er an einer tieferen Stelle im kühlen Nass und schnappte überrascht nach Luft. Nur einen Augenblick später glitt Ruto neben ihm ins Wasser und schwamm um ihn herum. Fasziniert beobachtete der Junge mit welcher Eleganz die junge Zora sich durch das nasse Element bewegte, während diese seine bewundernden Blicke sichtlich genoss. Link atmete tief ein und tauchte hinter Ruto her, der man ihre Gleichgewichtsprobleme im Wasser nicht mehr anmerkte. Als er wieder Luft holen musste, stach ihm die flach am Himmel stehende Morgensonne in die Augen. „So siehst du gleich schon wieder viel besser aus.“ Ruto tauchte hinter dem Jungen auf, der erfreut feststellte, dass das kurze Bad den ekeligen, grünen Schleim von seinem Körper gewaschen hatte. „Weshalb wolltest du eigentlich mit mir über den Stein von meiner Mama reden?“, fragte die junge Zora neugierig. Nun, da sie mit dem Andenken aus ihrer Mutter Lord Jabu-Jabus Magen verlassen hatte, schien sie ehrlich interessiert zu sein, was Link zu sagen hatte. Bevor er antwortete, kletterte Link auf einen breiten Ast einer in der Nähe wachsenden Trauerweide und half dem Zora-Mädchen, sich neben ihn zu setzen. Ruto machte es sich bequem und musterte ihn neugierig, während er überlegte, wie er ihr die Dringlichkeit seines Anliegens am besten schildern konnte. In kurzen Sätzen fasste der Knabe den Verdacht zusammen, den Zelda und er Ganondorf gegenüber hegten, und erklärte ihr, weshalb er das Andenken an ihre Mutter unbedingt brauchte. Gedankenverloren spielte Ruto mit dem sonnenblumenblütengroßen Schmuckstück und drehte es zwischen ihren Händen. Als sie zu sprechen begann, hatte ihre Stimme einen verträumten Unterton angenommen: „Der Heilige Stein des Wassers hat bei uns Zora eine traditionelle Bedeutung, weißt du?“ Sie warf Link, der geduldig darauf wartete, dass sie fortfuhr, einen Seitenblick zu. „Wir nennen ihn den Königinnenstein, denn er ist eine Art Verlobungsring von uns Zoras und wird bei der Hochzeit von der angehenden Königin als Kettenanhänger getragen.“ Link blickte an seinen Füßen vorbei aufs Wasser. Dass er Ruto so etwas Wertvolles nehmen musste, war ihm unglaublich unangenehm. Sie nahm jedoch mit einem liebevollen Lächeln seine Hand und drückte sie sanft. „Weißt du was? Ich gebe ihn dir. Du hast ihn dir verdient.“ Sachte legte sie ihm den Heiligen Stein in den Schoß und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Überrascht riss der Junge den Kopf herum, doch die Prinzessin war bereits vom Ast gesprungen und tauchte gerade grazil ins Wasser ein. Die Worte „Aber sag’s nicht meinem Daddy“ hingen noch in der Luft. Mit einem glückseligen Lächeln verstaute Link den letzten Heiligen Stein in seinem Beutel und schickte sich an, zurück zur Zora-Höhle zu schwimmen, als Navi wie angewurzelt in der Luft stehenblieb. „Was hast du?“ Der Junge strich sich eine nasse Strähne aus dem Gesicht und beobachtete, wie seine Begleiterin sich mit lang gestrecktem Hals umschaute. „Hier ist eine große Fee in der Nähe! Ich spüre das.“ Nach einigem Suchen entdeckten die Beiden eine Felswand, in die seltsame Zeichen geritzt waren. Navi legte den Kopf schief und fuhr mit den Fingern die Linien entlang. „Das ist Feenschrift.“ Glitzernde Wassertropfen fielen aus Links Haar und seiner Kleidung, als er neben sie trat. „Und was steht da?“ „Fürchtet den Zorn der Din.“ Link grinste schief und holte eine Bombe hervor. „Sieht aus als hätten wir gefunden, nach was wir gesucht haben.“ Die Höhle, die sich durch die Explosion öffnete, sah genauso aus wie die Beiden es erwartet hatten: blaufunkelnde Wände, grünleuchtende Fackeln und ein flacher, marmorner Brunnen. Durch den Klang des königlichen Wiegenlieds angelockt, erschien von dem schon bekannten schrillen Lachen begleitet die hier lebende große Fee. Wie bereits erahnt war diese dritte Fee den beiden ersten wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie musterte Link und stützte die Ellenbogen auf die Oberschenkel. „Was kann ich für dich tun, junger Recke?“ Dieser stutzte ein wenig und warf Navi einen verlegenen Blick zu. Ja, was wollten sie hier eigentlich? Plötzlich begann die Feenkönigin zu lachen. „Schon gut, mein Lieber. Ich weiß, weshalb du hier bist.“ Mit diesen Worten streckte sie den Arm aus und öffnete die Hand. Knapp über ihrer Handfläche schwebte etwas, das aussah wie Dins Feuerinferno, doch statt eines Feuerwirbels pulsierte ein Knäuel aus zuckenden Blitzen in der Mitte des eigenartigen, durchsichtigen Gehäuses. „Dies ist Farores Donnersturm, ein sehr wirkungsvoller Fluchtzauber.“ Navi gab einen amüsierten Laut von sich und grinste breit. „Na super! Der mächtigste Zauber der Göttin des Mutes verhilft einem zur Flucht?!“ Die Feenkönigin lächelte mild. „Manchmal erfordert es eben mehr Mut, sich einzugestehen, dass man sich zurückziehen muss.“ Wenige Minuten später durchquerten die beiden Abenteurer den Thronsaal in der Zora-Höhle. Ruto stand von vielen Zoras umringt in der Mitte und winkte Link lächelnd zu. Die anderen Fischwesen nahmen den Jungen gar nicht wahr, sie waren zu sehr damit beschäftigt, ihrer Prinzessin Fragen zu stellen. Als Link in der Vorhöhle stand und darauf wartete, dass das Steindach vollständig ausgefahren wurde, berührte ihn jedoch jemand an der Schulter. Erschrocken wirbelte der Junge herum und blickte in Kallahas schwarze Augen. Das Gesicht des Zora hatte wie immer leicht grimmige Züge, aber er klopfte dem überraschten Knaben in einer freundschaftlichen Geste gegen den Oberarm. „Habt Dank dafür, dass Ihr unsere Prinzessin gerettet habt. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich Zweifel hatte, ob wir Euch trauen können und ob Ihr einer so großen Aufgabe gewachsen seid. Doch ich sehe mit Verzücken, dass Ihr mich eines Besseren belehrt habt.“ Mit einem erfreuten Glänzen in den Augen und einem offenen Lächeln auf den Lippen nahm der Junge die kühle Hand seines Gegenübers in seine. „Danke, Kallaha. Ich weiß, wie gerne du uns bei Rutos Rettung begleitet hättest.“ Der Zora-Krieger verzog ein wenig missbilligend den Mund, als Link seine Prinzessin einfach nur beim Vornamen nannte, behielt sein Missfallen aber für sich. Stattdessen sagte er ausgesucht höflich: „Ich hoffe, wir haben bald wieder die Ehre, Euch bei uns willkommen heißen zu dürfen.“ Link versicherte ihm, in absehbarer Zeit wieder vorbeizuschauen, und nickte Mia zu, die am anderen Ende des Ganges auftauchte und winkte. Während Link von Navi begleitet am Zora-Fluss entlangging, brauten sich an dem strahlendblauen Himmel langsam tiefdunkle Wolken zusammen und verdeckten die Mittagssonne. Der Wind frischte auf und fegte jaulend durch die enge Schlucht, durch die der Fluss floss. Der Junge gähnte herzhaft und streckte sich. „Oh, bei den Göttinnen… Ich bin so müde! Ich glaub, ich könnte ganze Tage durchschlafen.“ Navi lächelte ihn verständnisvoll an, stichelte aber dennoch ein wenig: „Jetzt mach bloß nicht auf den letzten Metern schlapp – auch wenn dir das ähnlich sähe.“ Bis die Beiden die hylianische Steppe erreichten, wurde das Unwetter um sie herum immer heftiger. Als hätte jemand die Himmelsschleusen geöffnet, prasselten plötzlich dicke Regentropfen aus den kohlrabenschwarzen Wolken und weichten den Boden auf. Das Regenwasser blieb in Links langen Wimpern hängen, wo es sein Blickfeld ein wenig verzerrte, und drang durch die Maschen seiner Kleidung. Navi kroch unter seine Mütze und krallte ihre Fäuste in seinem Haar fest, als ein gewaltiger Donner über die Ebene hallte. Sich gegen den starken Wind lehnend kämpfte Link sich in Richtung Hyrule-Stadt. „Das ist genau wie in meinem Traum!”, schoss es ihm durch den Kopf und Panik trieb ihn schnell weiter voran, während das Gewitter immer heftiger tobte. Ein in der Nähe des Stadttores stehender Baum ging laut knisternd in Flammen auf, als ein grellgelber Blitz mit einem heftigen Knall in ihn einschlug, doch Link achtete gar nicht darauf. Sein Blick war wie paralysiert auf die hochgezogene Brücke gerichtet. Bevor sein Verstand ganz erfassen konnte, was er dort sah, bewegte sich der Brückenmechanismus und die schweren Bretter fielen herab. Wie in seinem Traum jagten Impa und Zelda auf dem Rücken eines edlen Schimmels an ihm vorbei. Die junge Prinzessin wandte den Kopf und sah Link mit einem flehenden Blick an, in dem eine Bitte nach Vergebung lag. Der Junge starrte ihr verzweifelt nach, als sie ihm plötzlich etwas zuwarf, das mit einem leisen Platschen im Schlossgraben landete. Der Schimmel verschwand hinter der nächsten Hügelkette und Link schluckte hart. Er ahnte, was auf ihn zukam. Dennoch zuckte er heftig zusammen, als der dämonische Rappe in seinem Rücken schnaubte. Wie in Zeitlupe drehte er sich um und schaute zu Ganondorf hinauf, dessen Gesicht angespannt wirkte. „Verdammt, sie sind weg!“ Es war das erste Mal, dass Link die tiefdunkle, leicht raue Stimme seines Widersachers hörte, und es lief dem Jungen eiskalt den Rücken herunter. Langsam wandte der bedrohlich wirkende Mann ihm das Gesicht zu. „Hey, du da, Kleiner. In welche Richtung ist das Pferd verschwunden, das hier vorhin vorbeigekommen ist?“ Link wich ängstlich zurück, unfähig zu antworten. Sogar Navi hatte es die Sprache verschlagen. Sie saß stocksteif in der langen, grünen Mütze. Ganondorf durchbohrte den verängstigten Jungen mit stechenden Blicken und wartete stumm. Mit zitternden Händen holte Link die Okarina hervor, die Salia ihm geschenkt hatte. Er wollte sich an etwas festhalten, das ihm vertraut war und Kraft gab. Was wäre da passender gewesen als sein Andenken an seine beste Freundin, die ihm so oft den Rücken gestärkt hatte? Ganondorf zog ungeduldig eine Augenbraue in die Höhe und kratzte sich an der imposanten Hakennase, während sein furchteinflößendes Reittier nervös mit den Hufen scharrte. „Was ist denn nun, Kleiner? Bist du stumm?“ Endlich schluckte Link seine lähmende Angst herunter und zog mit der freien linken Hand sein Schwert. Er musste um jeden Preis verhindern, dass dieser Dämon Zelda verfolgte. Der Gedanke, was er womöglich alles mit ihr anstellen würde, wenn er sie erwischte, machte Link rasend vor Wut und er wappnete sich innerlich für einen Kampf, den er vermutlich nicht würde gewinnen können. „Was hast du vor?!“ Navis Stimme klang panisch, doch sie ging in Ganondorfs lautem Gelächter unter. Seine roten Haare wurden von dem Sturm wild hin und her gerissen, sodass sie aussahen wie unbezähmbares Feuer. „Du bist wirklich mutig, Kleiner.“ Seine Lippen formten ein maliziöses Grinsen, das Link ein paar Schritte zurückweichen ließ. „Aber Mut kann manchmal… tödlich sein.“ Mit diesen Worten schleuderte der Gerudo dem Jungen einen Energieball entgegen, der diesen mit der Wucht eines gut gezielten Kinnhakens traf und von den Füßen schlug. Mit grimmig klingender Stimme fügte der gefährliche Reiter noch eine Drohung an: „Wenn du dich mir noch einmal in den Weg stellst, wirst du nicht so glimpflich davonkommen.“ Benommen rappelte Link sich wieder auf, aber Ganondorf galoppierte bereits in Richtung Hügelkette davon. Auf dem Weg lagen die Scherben der tönernen Okarina, die Link bei der Attacke verloren hatte und dann von einem gewaltigen Huf von Ganondorfs Rappen zertrümmert worden war. Kapitel 20: Das Zeitportal -------------------------- Lange Zeit blickte Link dem davon sprintenden Pferd hinterher, während der prasselnde Regen langsam abflaute. „Meinst du, er erwischt die Beiden noch?“ Navi kroch aus seiner Mütze und schaute besorgt zu ihm herab. Mit angespannt aufeinander gepressten Lippen schüttelte Link den Kopf, wobei ihm ein Wassertropfen von den Wimpern ins Auge lief. Blinzelnd sah er noch immer in Richtung Hügelkette. „Ich habe keine Ahnung. Ich hoffe wirklich, sie können ihm entkommen.“ Am weit entfernten Horizont riss die Wolkendecke allmählich auf und vereinzelte Sonnenstrahlen tanzten über die Steppe. Navi wandte sich in Richtung Hyrule-Stadt und deutete auf den breiten Graben. „Was hat Zelda dir eigentlich zugeworfen?“ Link drehte sich um und ging langsam auf das Gewässer zu. „Das lässt sich doch leicht herausfinden.“ Ohne zu Zögern sprang er in den Graben und tauchte nach dem kleinen, dunkelblauen Gegenstand, der mehrere Minuten zuvor an seinem Kopf vorbei geflogen war. Als er wieder auftauchte, tröpfelte der Regen nur noch zaghaft aus den Wolken und die Sonne kämpfte sich an immer mehr Stellen ihren Weg frei. „Was ist es? Was ist es?“ Die Fee schlug aufgeregt mit ihren schillernden Flügeln und musterte Link genau, der mit einem seltsamen Blick auf die kläglichen Überreste von Salias Okarina schaute, als er aus dem Graben krabbelte. Ein tiefer Schmerz machte sich auf seinem Gesicht breit und er schloss die Augen, als er den Arm ausstreckte und die Hand öffnete, um Navi sehen zu lassen, was Zelda ihm hatte zukommen lassen. Auf seiner Handfläche balancierte er eine nachtblau glasierte Okarina mit einem silbernen Mundstück und einem goldenen Triforce-Emblem. Sie war fast doppelt so groß wie das kleine Exemplar von Salia, das Ganondorfs Pferd zermalmt hatte, und das Sonnenlicht brachte ein sonderbares Funkeln in der Glasur hervor. Navi schlug sich die Hände vor den Mund und keuchte auf: „Die Okarina der Zeit!“ „Was?!“ Link blickte aus großen, rot geränderten Augen zu ihr hoch. „Das ist die Okarina der Zeit, Link!“, wiederholte die noch immer völlig verblüffte Fee. „Das ist das vermutlich mächtigste Artefakt im Besitz der Königsfamilie! Zelda muss dir wirklich sehr vertrauen.“ Nachdenklich drehte der Junge das edle Musikinstrument zwischen seinen Händen. „Das bedeutet, wir können das Portal zum Heiligen Reich öffnen!“ Navi nickte bedächtig und blickte in Richtig Stadtzentrum. „Ja. Ich bin mir sicher, genau deswegen hat Zelda dir die Okarina zugeworfen. Sie hofft darauf, dass du allein zu Ende bringst, was ihr angefangen habt.“ Dann richtete sie ihren Blick auf Link, dem noch immer vereinzelte Wassertropfen über die Arme liefen. „Du musst ins Heilige Reich gehen und das Triforce finden, um mit seiner Macht Ganondorf aufzuhalten.“ „Ich weiß. Zelda glaubt an mich, ich darf sie nicht enttäuschen. Aber hast du eine Ahnung, wo sich das Portal befindet?“ Die Fee wiegte grübelnd den Kopf hin und her. „Ja, ich glaube, ich weiß es. Man nennt den Zugang zum Heiligen Reich auch das Zeitportal und hier in Hyrule befindet sich die Zitadelle der Zeit. Möglicherweise finden wir dort, was wir suchen.“ „Alles klar.“ Link nickte und warf einen letzten wehmütigen Blick auf die Trümmer von Salias Okarina. Die Zitadelle der Zeit, eine Kirche am östlichen Rand der Stadt, war ein riesiges Gebäude aus hellem, cremefarbenem Stein mit schmalen, kunstvoll gehauenen Verzierungen. Ihr Inneres bestand aus einem einzigen, abwechselnd mit weißen und schwarzen Marmorplatten ausgelegten Raum. Wenige Schritte hinter dem Eingang war eine ähnliche Bodenplatte wie Link sie schon auf der Lichtung in den Verlorenen Wäldern gesehen hatte. Doch anstatt eines vierstrudeligen Zeichens war auf dieser ein rundes Ornament mit jeweils drei sich abwechselnden Dreiecken und Kreisen abgebildet. Auf der anderen Seite des langen Raumes ragte ein steinerner Altar in die Höhe. Links Schritte hallten von den Wänden wider, als er durch die totenstille Zitadelle bis an deren Ende ging. Auf dem Altar waren drei flache Vertiefungen und eine Inschrift zu finden: „Derjenige, der die drei Heiligen Steine in der Hand hält, nehme die Okarina der Zeit und spiele die Hymne der Zeit.“ Nachdenklich kratzte Link sich am Hinterkopf und sah Navi hilfesuchend an. „Die Hymne der Zeit? Ich hab gedacht, ich könnte einfach vor mich hin flöten.“ Die Fee zuckte die Schultern und machte ein ratloses Gesicht, woraufhin ihr Schützling seufzte: „Naja, ich fang einfach mal an. Vielleicht kommt mir die Erleuchtung ja noch.“ Geradezu zärtlich platzierte der Junge Kokiri-Smaragd, Goronen-Opal und Zora-Saphir in den dafür vorgesehenen Einbuchtungen und nahm die Okarina der Zeit zur Hand. „Vielleicht heißt das Wiegenlied ja eigentlich ‚Hymne der Zeit’?“, überlegte er und wollte die Flöte an die Lippen heben, als ihm ein gefaltetes Stück Papier auffiel, das im Mundstück des Musikinstruments steckte. Die Tinte darauf war durch das Wasser des Burggrabens verlaufen, aber wenn er sich konzentrierte, konnte der Knabe die Botschaft dennoch entziffern: „Wenn du das hier liest, dann bin ich schon weit weg an einem unbekannten Ort. Ich wollte auf dich warten, doch Impa drängte auf eine Flucht, denn Ganondorf scheint unsere Pläne zu erahnen. Gerne hätte ich dir dieses Lied selbst beigebracht, doch ich musste fort. Ich hoffe, du kannst Noten lesen. Zelda. P.S.: In Gedanken bin ich bei dir.“ Unter den handgeschriebenen Zeilen waren Notenlinien und eine kurze Notenabfolge aufgemalt. Mit einem knurrenden Laut ließ Link den Zettel sinken und sah Navi frustriert an. „Was hast du?“, fragte diese angesichts seines verstimmten Gesichtsausdruckes besorgt. Link seufzte und erklärte: „Die Hymne der Zeit ist ein anderes Lied. Zelda hat es hier aufgeschrieben, aber ich kann doch keine Noten lesen!“ Die Fee hob beschwichtigend die Hände und ließ sich auf dem Altar nieder. „Lass mich mal sehen.“ Nach ein paar Herzschlägen breitete sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus. „Was würdest du eigentlich ohne mich machen?“ Verwirrt zog Link die Augenbrauen zusammen, doch bevor er etwas sagen konnte, stimmte Navi eine wunderschöne, sakrale Melodie an. Nachdem er einen Moment staunend gelauscht hatte, schloss der Junge die Augen und prägte sich die Tonabfolge ein. Dann hob er die Okarina an die Lippen und ließ das geheiligte Instrument erklingen. Die Hymne der Zeit tönte durch die Zitadelle und hallte von den Wänden wider, bis die Melodie voll und satt klang, obwohl nur ein einziges Instrument benutzt wurde. Das gläserne Triforce in der Wand hinter dem Altar leuchtete golden auf und die steinernen Torflügel des Zeitportals begannen sich mit einem schleifenden Geräusch zur Seite zu bewegen. Link ließ die Okarina sinken und tauschte aufgeregte Blicke mit Navi aus, die zwischen Goronen-Opal und Zora-Saphir stand. Ohne darauf zu warten, dass sich die Türen ganz öffneten, verstaute der Junge das Instrument und quetschte sich zwischen den massiven Steinplatten hindurch. „Warte auf mich!“, rief Navi, die den Anschluss verpasst hatte, und vor lauter Eile beinah über ihre eigenen Füße stolperte, als sie über den Altar lief. Hinter dem Portal befand sich eine große, runde Halle, deren Boden treppenartig anstieg. Auf der obersten Stufe befand sich ein rechteckiger Stein mit Triforce-Emblem, in dem ein prächtiges Schwert mit einem lilaschimmernden Griff, der sich wie Flügel zu beiden Seiten ausstreckte, und glänzender Klinge steckte. Als Navi zu Link aufschloss, stockte ihr der Atem. „Ich glaub, ich werde verrückt! Link, weißt du, was das ist?“ Der Junge schüttelte den Kopf und ging langsam auf die edel wirkende Waffe zu. „Das ist das Master-Schwert!“ Navis Stimme überschlug sich vor Aufregung. „Der Legende nach wurde es von den Weisen höchstpersönlich geschmiedet und von den Göttinnen gesegnet und besitzt nun die Macht, Böses zu bannen. Außerdem heißt es in den Erzählungen, dass der Herr der Zeiten, der größte aller Helden, diese Waffe einst geführt hat.“ „Der Herr der Zeiten?“ Link betrachtete fasziniert sein verzerrtes Spiegelbild in der eleganten Schneide. „Ja.“ Navi nickte und fuhr dann in einem dozierenden Ton fort als würde sie eine Unterrichtsstunde halten: „Vor Äonen von Jahren soll Hyrule von tiefer Finsternis überrollt worden sein und nur der Herr der Zeiten war dazu in der Lage, es zu retten. Seitdem wird seine Seele angeblich beständig wiedergeboren, um permanent über das von den Göttinnen geschaffene Land zu wachen. Ich nehme an, deswegen nennt man ihn den Herrn der Zeiten.“ „Vermutlich ist sein Schwert das Letzte, was den Zugang zum Heiligen Reich sichert“, mutmaßte Link, der seine Hand über den glatten Griff gleiten ließ. „Gut möglich“, stimmte Navi zu. „Es heißt, nur ein Mensch, der reinen Herzens ist, könne das Master-Schwert aus dem Zeitfels ziehen. Also los. Sei nicht feige und versuch’s.“ Junge und Fee tauschten letzte Blicke aus, bevor Link sich vor die majestätische Klinge stellte, die fast genauso lang wie er groß war. Der Knabe stemmte die Füße gegen den massiven Stein und zog mit aller Kraft an dem polierten Griff der Waffe. Leichter als erwartet ließ diese sich aus dem sogenannten Zeitfels ziehen und Link grinste begeistert seine Fee an, als ihm plötzlich eine Art Stromstoß in die Glieder fuhr und ein helles Licht aus dem Schlitz im Stein drang. Das blendend weiße Licht hüllte Link ein, während er mit dem Master-Schwert in der Hand zusammenbrach. Alle seine Gliedmaßen schienen auf einmal vollkommen taub zu sein. Plötzlich hörte er hinter sich ein gespenstisches, dunkles Lachen. „Gut gemacht, Kleiner. Ich wusste, ich würde Prinzessin Zelda nicht brauchen. Es war viel einfacher, dir zu folgen. Ich war mir sicher, dass du den Zugang zum Heiligen Reich öffnen würdest. Ich muss dir danken.“ Wegen des grellen Lichts konnte der Junge nicht erkennen, wo der Mann stand, doch er hörte an der Stimme deutlich, wer ihm gefolgt war: Ganondorf! Er wollte aufstehen und sich mit einem wilden Kampfesschrei auf den Gerudo stürzen, aber er konnte sich kein Stück rühren. Es war als bestünde sein Körper plötzlich nur noch aus Watte. Trotzdem versuchte er mit aller Macht, sich auf die Füße zu stemmen, als seine Lider schwer wurden. Verzweifelt versuchte er dagegen anzukämpfen, doch sein Kopf fiel mit einem dumpfen Geräusch auf seinen ausgestreckten Arm. Unter halb geschlossenen Lidern hinweg sah er, wie Ganondorf noch immer lachend an ihm vorbei ging. Dann wurde die Welt um ihn herum schwarz. Kapitel 21: Teil 3 - Die sieben Weisen: Erwachen ------------------------------------------------ Wirre Bilder wirbelten unaufhaltsam durch Links Geist: Salia, die mit Panik in den Augen vor irgendetwas davon lief. Ganondorf, der mit blutigen Händen wahnsinnig lachend auf einem Balkon stand, unter dem ein wildes Feuer flackerte. Zelda, die in Ketten gelegt und blutend in einem Kerker lag. Und vieles mehr. Ein Teil seines Bewusstseins wusste, dass all dies lediglich ein Produkt seiner Phantasie war und er nur aufzuwachen brauchte, um die Bilder verschwinden zu lassen, doch er war vollkommen unfähig, sich zu bewegen oder die Augen aufzuschlagen. Nach einiger Zeit änderten sich die kurzen Filme, die ununterbrochen vor seinem geistigen Auge abliefen. Er sah zunehmend Personen, die er nicht kannte und von denen er trotzdem das Gefühl hatte, sie wiederzuerkennen. Immer wieder tauchten Filmfetzen von gewaltigen Schlachten auf, die er nie geschlagen hatte, in denen er sich aber trotzdem selbst sah, wie er mit dem Master-Schwert in der Hand wie ein Berserker eine Schneise durch die angreifenden Monster schlug. Das letzte Bild, das er sah, war Zelda, die über dem Körper eines kräftigen, jungen Mannes kniete und bitterlich weinte. Es war nicht wirklich Zelda – diese Frau war erwachsen und sah mit ihren katzengrünen Augen und den langen, blassroten Haaren völlig anders aus –, doch er erkannte sie dennoch als das Mädchen, in das er sich verliebt hatte. Verliebt? Ein anderer Teil seines Geistes zuckte bei diesem Gedanken kurz zusammen, wurde aber von dem immer weiter laufenden Film einfach zur Seite geschoben. Zelda strich dem jungen Mann in ihren Armen ein paar wirre, schwarze Strähnen aus dem Gesicht, das voller Blut war. Der Verletzte hustete und ein weiteres rotes Rinnsal lief seinen Mundwinkel hinab. Heftig schluchzend legte Zelda ihre Stirn an die des Mannes und flüsterte: „Oh bitte, verlass mich nicht. Du darfst mich nicht verlassen, hörst du? Verlass mich nicht, Link.“ Irritation schwappte durch den tauben Geist des Jungen, doch er war nicht fähig sein Bewusstsein auf etwas anderes zu richten als auf die Bilder vor seinem geistigen Auge. Der tödlich verwundete, schwarzhaarige Mann hob seine blutbefleckte Hand und strich der jungen Prinzessin über die Wange. „Weine nicht um mich, Zelda. Ich hab das Heilige Reich versiegelt. Hyrule ist wieder sicher. Und wir zwei...“ Er spuckte einen weiteren Schwall Blut und Zelda hatte deutliche Schwierigkeiten ein erneutes Schluchzen zu unterdrücken. „Wir zwei werden uns wiedersehen.“ Dann fielen ihm die Augen zu und er hauchte sein Leben aus. Die rothaarige Zelda biss sich mit schmerzerfülltem Gesicht auf die Unterlippe, bevor sie dem Toten in ihren Armen einen Kuss auf die Stirn hauchte und aufstand. An einem massiven steinernen Tor blieb sie stehen und sagte mit tränenerstickter Stimme: „Leb wohl, Herr der Zeiten.“ Sie warf einen letzten wehmütigen Blick auf das Master-Schwert im Zeitfels und eilte aus der Zitadelle, während sich hinter ihr das Portal zum Heiligen Reich schloss. „Wach auf, Link!“ Der Junge fühlte wie seine Augenlider zu flattern begannen und seine Finger unkontrolliert zuckten. Endlich! Er war wieder in der Lage sich zu bewegen! Blinzelnd schlug Link die Augen auf. Er lag auf einem kühlen, glatten Boden, der aussah als würde ein blaugefärbter Fluss unter Kristallglas hindurchfließen. Irgendwo in der Nähe meinte er sogar Wasser tropfen zu hören. Navi stand mit schwimmenden Augen vor seinem Gesicht und presste sich eine ihrer kleinen Fäuste gegen den Mund, um zu verhindern jeden Augenblick in Tränen auszubrechen. „Steh auf, junger Held.“ Langsam kam Link auf die Beine. Sein Kopf fühlte sich schwer an und seine Glieder waren noch immer ein wenig steif. Ein leichter Schwindel erfasste ihn und er schien nichts um sich herum scharf in den Fokus zu kriegen. Die ganze Welt war eine wabbelige, sich drehende Masse aus verschiedenen Blautönen, Grau und bedrohlich wirkendem Schwarz. Einzig der dicke orangegelbliche Fleck ihm gegenüber schien etwas Farbe an diesen seltsamen Ort zu bringen. Der Recke blinzelte und konzentrierte sich auf diesen Farbklecks, nur um festzustellen, dass es ein alter, in Orange gekleideter Mann mit weißem Haar und ebenso hellem Bart war. Langsam wurde Links Blick immer klarer und er erkannte, dass er sich in einer Halle befand, die so riesig war, dass er von seiner Position aus keine der Wände sehen konnte, sie lagen im Dunkeln. Rings um ihn herum waren verschiedenfarbige Bodenplatten mit seltsamen Emblemen. Auf der gelben Platte stand der alte Mann und musterte ihn genau. „Wie es aussieht, bist du jetzt wieder ganz bei dir“, sprach der Alte ihn an. Link nickte. Er war sich nicht sicher, ob ihm seine Stimme schon gehorcht hätte. Der Fremde räusperte sich leicht und fuhr dann fort: „Hör mir zu, junger Held. Die Zeit drängt. Als du das Zeitportal geöffnet hast, drang Ganondorf in das Heilige Reich ein und riss das Triforce an sich.“ Schamesröte machte sich auf Links Wangen breit und er blickte beschämt zu Boden. „Wir alle wissen, dass du das Portal nur mit besten Absichten geöffnet hast“, versicherte der Alte, „doch es macht keinen Sinn, die Tatsachen zu schönen. Aber noch ist nicht alles verloren! Ganondorf ist nicht der, dem es vorbestimmt ist, Träger des Triforce zu werden. Deswegen zerbrach es in seine drei Einzelteile. Ganondorf war nur in der Lage das Triforce-Fragment der Kraft an sich zu reißen. Dies hat ihn zwar zum Großmeister des Bösen gemacht, doch noch besteht Hoffnung.“ Link wagte ein schüchternes Lächeln und warf Navi, die neben seinem Kopf schwirrte, einen kurzen Seitenblick zu. Irgendwie wirkte sie auf einmal anders, weniger mädchenhaft... Unterdessen sprach der Unbekannte weiter: „Wenn wir Ganondorf schlagen wollen, brauchen wir die vereinte Kraft der sieben Weisen. Ich bin Rauru, der Weise des Lichts und Beschützer des Heiligen Reiches.“ Überrascht riss Link die Augen auf. Rauru? Das war doch der komische Kauz mit der riesigen Eule! „Jedoch werde ich als Einzelner im Kampf gegen Ganondorf nicht viel ausrichten können. Allein diese Halle der Weisen gegen seine dämonischen Mächte zu verteidigen, erschöpft mich schon gänzlich. Finde die anderen sechs Weisen und bring sie hierher. Dann können wir zusammen mit der Kraft des Herrn der Zeiten Ganondorf noch immer aufhalten.“ „Ihr wisst, wer der Herr der Zeiten ist?“ Link zuckte erschrocken zusammen. Das war nicht seine Stimme! Sie klang viel zu tief und voll. Das war die Stimme eines Mannes, nicht die eines Kindes! Er warf einen erschrockenen Blick auf Navi, die ihn ein wenig mitleidig anschaute. Rauru, der seine Verwirrung sah, lächelte nachsichtig. „Sieh dich an.“ Ein wenig ängstlich streckte Link die Arme nach vorn und erstarrte. Diese Arme waren viel zu lang und kräftig für einen Elfjährigen. Obwohl sie von einem enganliegenden, sehr feinmaschigen Kettenstoff aus feinstem Silber bedeckt waren, erkannte Link die festen Muskelstränge, die sich unter der Haut wölbten. Auch die Hände, die in ledernen, ellenbogenhohen Handschuhen steckten, waren viel zu groß für ihn. Zwar hatten sie die langen, schmalen Finger, die er an seinen Händen immer gemocht hatte, aber es waren eindeutig Männerhände. Mit wild pochendem Herzen wagte er den Blick an sich herunter. Er trug ein weißes, lose geschnürtes Hemd unter der vertrauten, grünen Tunika, doch der Brustkorb, der sich unter dem Stoff ein wenig zu schnell hob und senkte, war viel zu breit, um seiner zu sein. Aus den Augenwinkeln sah er die fein geschwungenen Wölbungen der kräftigen Schultern, die zu diesem seltsamen Körper gehörten. Er ließ seinen Blick weiter nach unten wandern, vorbei an der schmalen Hüfte und den langen, strammen Beinen, die in demselben eigenartigen Silberkettenstoff gekleidet waren wie die Arme, bis hin zu den großen Füßen, die in festen Stiefeln aus feinem Leder steckten. Ein leicht panischer Ausdruck hatte sich in seine Augen gestohlen, als er begann, sein Gesicht zu befühlen. Die Handschuhe an diesen seltsam großen Händen hatten zum Glück nur halblange Finger, sodass seine Fingerkuppen unbedeckt waren. Anstatt wie erhofft die samtige Haut eines Kindes zu fühlen, spürte er die leicht stoppelige Haut eines Mannes mit Bartwuchs. Auch sein Kinn war kräftiger als er es in Erinnerung hatte. Als er den Kopf zu Navi herumriss, damit sie ihm sagte, dass alles nur Einbildung war, fühlte er etwas an seinem Ohr hängen. Vorsichtig tastete er seine langen Ohrmuscheln ab und schluckte, als er in beiden kleine, stählerne Kreolen fühlte. In Hyrule durften nur erwachsene Männer und Frauen Ohrschmuck tragen… „Was... was ist mit mir passiert?“ Navi setzte sich auf seine Schulter und kuschelte sich in sein Haar, das noch immer die gleiche Länge hatte, aber bis auf ein paar eigenwillige Strähnen zu einem Pferdezopf zusammengebunden und unter einer ähnlichen Mütze, wie Link sie auch zuvor getragen hatte, versteckt waren. Offensichtlich hatte sich derjenige, der ihn eingekleidet hatte – wer auch immer das gewesen sein mochte –, Mühe gegeben, es nach Links Geschmack zu tun. Rauru räusperte sich und setzte zu einer Erklärung an: „Alle Ereignisse, an die du dich erinnerst, liegen mindestens sieben Jahre zurück.“ „Was?!“ Vor Entsetzen klang Links neue, samtige Stimme beinah schrill. „Versuch bitte, still zuzuhören“, forderte Rauru. „Ich werde mich bemühen, dir alles zu erklären. Navi sagt, sie hat dir bereits davon erzählt, die Seele des Herrn der Zeiten würde immer wiedergeboren, nicht wahr?“ Link nickte stumm. Was hatte das mit ihm zu tun? „Nun ja, in jeder Generation wird ein Junge geboren, in dessen Körper die Seele des Herrn der Zeiten ruht. Doch nicht immer wird diese Seele richtig wach. Meistens lebt der Junge sein Leben ohne etwas von dem bedeutenden Erbe zu ahnen, das in ihm schlummert. Ich glaube, du ahnst bereits, was ich dir sagen will: Du bist die Wiedergeburt des Herrn der Zeiten. Deswegen konntest du auch das Master-Schwert aus dem Zeitfels ziehen und deswegen hattest du während deines siebenjährigen Schlafes vermutlich auch Erinnerungen an ein Leben, das du nie geführt hast.“ Bilder des sterbenden, jungen Mannes und der seltsam rothaarigen Zelda blitzten in Links Geist auf und der junge Mann bewegte den Kopf zu einem angedeuteten Nicken. „Als du das Master-Schwert aus dem Stein gezogen hast, hast du die Seele des Herrn der Zeiten, die in dir steckt, vollständig erweckt“, erläuterte der Weise des Lichts. „Doch dein junger Körper war dafür noch nicht reif, deswegen hat dich die heilige Klinge so lange gebannt, bis du in der Lage sein würdest, sie zu führen. Wir hatten bereits befürchtet, dass du zu jung sein würdest, aber die Zeit drängte. Wir mussten es versuchen.“ Link nickte, als wäre ihm alles klar, doch in Wirklichkeit verstand er gar nichts mehr. Hieß das jetzt, dass er zwei Seelen hatte? Oder hatte die des Herrn der Zeiten seine Alte verdrängt? Und was war in den sieben Jahren, die er hier im Heiligen Reich selig vor sich hin geschlummert hatte, mit seinen Freunden passiert? Plötzlich wollte er das Heilige Reich so schnell wie möglich verlassen. Er musste sehen, wie es Salia, Hector, Darunia, Ruto, Mia, Kallaha, Malon und all den anderen ging. Daher fragte er: „Wie komme ich zurück nach Hyrule?“ „Bist du bereit, die Aufgaben, die vor dir liegen, anzunehmen?“, vergewisserte sich Rauru mit streng klingender Stimme. Link nickte. „Ich werde beenden, was ich angefangen habe. Also, wie komme ich zurück?“ So langsam gewöhnte Link sich an seine neue Stimme und erkannte sogar Ähnlichkeiten zu der, die er als Junge gehabt hatte. Anstatt zu antworten, forderte der Weise: „Schließ die Augen.“ Obwohl er sich nicht sicher war, warum Rauru dies von ihm verlangte, tat der junge Mann wie ihm geheißen und spürte plötzlich wie er von unsichtbaren Kräften ergriffen wurde. Hinter seinen Augenlidern wurde es so hell, dass er sich trotz der geschlossenen Lider geblendet fühlte, aber nach wenigen Sekunden ließ das intensive Licht wieder nach. Vorsichtig blinzelnd schlug Link die Augen wieder auf und fand sich in der Zitadelle der Zeit wieder, das Master-Schwert in der Hand. Navi, die in den vergangenen sieben Jahren ebenfalls gealtert und zu einer eleganten, jungen Feenfrau herangewachsen war, deutete auf den Lederbeutel, der noch immer an Links braunem Ledergürtel hing. „Schwertscheide und Schild sind da drin. Und... äh... schön, dass du endlich wieder wach bist. Ohne dich war es irgendwie ganz schön langweilig.“ Link grinste sie an und zog die genannten Objekte aus seinem Lederbeutel. „Hätte ich nicht geschlafen, hätte ich dich bestimmt auch vermisst.“ Die Schwertscheide war mit nachtblauer Seide bespannt und mit kunstvoll gehämmerten Goldverzierungen geschmückt. Der erwähnte Schild war der auf dem Friedhof ausgegrabene Hylia-Schild, den irgendjemand gründlich gereinigt hatte, sodass seine Farben jetzt wieder strahlten. „Ich fasse es nicht, dass ich jetzt groß genug bin, um so einen riesigen Schild zu benutzen...“ Link schüttelte ungläubig den Kopf, bevor er Schild und Schwertscheide hinter seinem Rücken befestigte und das Master-Schwert wegsteckte. „Ja, es ist alles ein bisschen wirr, da hast du Recht“, stimmte Navi ihm in mitfühlendem Ton zu. „Ich meine, für mich ist es ja schon komisch, aber für dich muss dein plötzlicher Alterswechsel echt unheimlich sein.“ „Das ist gar nicht das Schlimmste. Was mich wirklich beunruhigt, ist diese Seelengeschichte. Ich meine, wer bin ich denn jetzt?“ Navi lächelte ihn mild an. „Du bist immer noch der Link, der du früher warst. Du bist kein durchgeknallter Schizophrener, der zwei Seelen unter einen Hut kriegen muss, oder so. Alles, was sich geändert hat, ist, dass sich deine Seele jetzt daran erinnern kann, wer sie früher einmal war. Aber das ändert nichts an deiner Person. Du bist niemand, der du früher nicht auch schon warst.“ Erleichtert seufzte Link auf und schickte sich an, die Zitadelle zu verlassen, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung ausmachte. Mit einer geschmeidigen Drehung wirbelte er herum und zog Schwert und Schild. Hinter ihm stand ein junger Mann in engen, dunkelblauen Kleidern mit einem hellen, ledernen Brustschutz und einer Kopfbedeckung aus weißem Tuch, die bis ins Gesicht gezogen war. Lediglich ein rotbraunes Auge und ein paar blonde Strähnen waren unverdeckt geblieben. Auf seiner Brust prangte in auffälliger, roter Farbe das Zeichen der Shiekah. Der Fremde stand stumm da und musterte ihn aufmerksam, während Link innerlich jubelte. Er hatte gewusst, dass Impa nicht die letzte Shiekah war! Dennoch blieb er vorsichtig und suchte sich einen festen Stand, um für den Fall der Fälle kampfbereit zu sein. Dann rief er: „Wer bist du? Und was willst du?“ Zur Überraschung der beiden Abenteurer schien der Fremde hinter seiner Vermummung zu lächeln. Als er sprach war seine Stimme weich und erstaunlich hoch für einen Mann: „Stolz steht er da, das Master-Schwert in der Hand. Genauso wird er immer in den Legenden beschrieben. Willkommen zurück in Hyrule, Herr der Zeiten.“ Der andere Mann kam langsam auf Link zu, der ihn keine Sekunde aus den Augen ließ. „Es ist sehr nett von dir, mich zu begrüßen, doch das beantwortet nicht meine Fragen“, strich der junge Krieger heraus, was den Fremden leise in sich hineinlachen ließ. „Unnachgiebig und stur wie eh und je.“ Dann senkte der Unbekannte zum Zeichen der Ehrerbietung leicht das Haupt und antwortete: „Ich bin Shiek, einer der letzten Überlebenden der Shiekah. Ich bin hier, um dir zur Seite zu stehen, Herr der Zeiten.“ „Warum solltest du so etwas tun?“ Link war die unerwartete Freundlichkeit nicht geheuer. Auch Navi legte die Stirn in Falten und murmelte vor sich hin: „Mit dem Knaben stimmt irgendetwas nicht…“ „Warum ich so etwas tun sollte?“ Erneut lachte Shiek leise auf. Er hatte ein angenehmes, melodisches Lachen – selbst wenn es, wie in diesem Moment, ein wenig abschätzig war. „Ich bitte dich, mein junger Freund. Hast du die Aufgabe der Shiekah vergessen? Wir müssen die königliche Familie von Hyrule beschützen. Verrate mir, wie könnte ich ein besserer Schutz für Zelda sein, als wenn ich dem Herrn der Zeiten dabei helfe, Ganondorf zu vernichten?“ Link kaute nachdenklich auf der Unterlippe und blickte Shiek in sein geheimnisvoll wirkendes Auge. An der Argumentation war tatsächlich etwas dran. „Also gut“, lenkte der Recke zaghaft ein. „Wie glaubst du, mir helfen zu können? Willst du etwa an meiner Seite kämpfen?“ „Nein“, Shiek schüttelte den Kopf, „dabei stünde ich vermutlich nur im Wege. Ich bin kein großer Kämpfer.“ Navi zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe. Ein Shiekah, der nicht im Kampf bewandert sein sollte? „Aber ich habe nützliche Informationen für dich“, erklärte der Fremde aus, bevor Link oder Navi nachhaken konnten. „Ich weiß, wo sich fünf der fehlenden Weisen aufhalten. Einer befindet sich in den Tiefen der Wälder, ein anderer im feurigen Inneren eines Berges. Den Dritten findest du im kühlen Nass, den Nächsten bei der Ruhestätte meines Volkes und den Letzten in der Göttin des Sandes. Doch bevor du aufbrichst, solltest du nach Kakariko gehen, denn so wie du momentan ausgerüstet bist, wirst du den ersten Tempel nicht betreten können. Beeile dich. Das Mädchen, das dort auf dich wartet, ist jemand, den du kennst.“ Mit diesen Worten warf der Shiekah eines der Beutelchen, wie sie auch Impa benutzt hatte, zu Boden und verschwand in einem gleißenden Lichtblitz. Link blieb irritiert blinzelnd zurück. Navi verschränkte die Arme vor der Brust und verzog den Mund. „Ich trau dem Kerl nicht.“ Mit den Schultern zuckend drehte Link sich um. „Ich auch nicht, aber ich werde trotzdem tun, was er gesagt hat. Es ist die einzige Spur, die wir haben. Außerdem will ich sehen, wie es Salia und den anderen geht.“ Als der Recke aus der Zitadelle trat, traf ihn der Schlag. Dort, wo einst liebevoll gepflegte Hecken und Blumenbeete gewesen waren, fand man nun nur noch verdorrte, braune Pflanzen und von den Ruinen der einstmals prächtigen Hyrule-Stadt wehte ein erstickender Gestank nach totem Fleisch herüber. Panisch stürzte Link davon, nur um wie angewurzelt auf dem Marktplatz stehen zu bleiben. Anstatt von Ständen und einkaufenden Massen war der Platz nun von dumpf durch die Gegend schlurfenden Zombies bevölkert. Navi schlug sich die Hände vor den Mund und würgte, während Link den Kopf schüttelte. „Das ist grauenvoll, einfach nur grauenvoll…“ Obwohl er nicht viel Hoffnung hatte, dass es dort viel besser aussah, rannte der junge Mann zum einstigen Schloss von Hyrule und stöhnte auf. Früher war dies ein friedlicher Ort mit weiten Parkanlagen gewesen, doch diese hatten einem riesigen Lavagraben und leblosen Sandflächen weichen müssen. Auch das Schloss an sich hatte sich verwandelt. Es war nicht mehr das majestätisch wirkende Gebäude aus weißem Stein, sondern eine bedrohliche, tiefschwarz gefärbte Festung. Link wischte sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln und starrte zu dem einschüchternden Bauwerk hinauf. Dann hob er die Faust und schwor sich erneut, Ganondorf so schnell wie möglich aufzuhalten – koste es, was es wolle. Kapitel 22: Des Recken edles Ross --------------------------------- Selbst die hylianische Steppe wirkte vollkommen verändert. Zwar hatte Link sie sieben Jahre zuvor auf Grund der frühsommerlichen Hitze auch ziemlich vertrocknet gesehen, doch nun erschien sie einfach nur tot, so als könnten selbst heftige Regenfälle kein Leben in die verdorrten Pflanzen zurückbringen. „Alles wirkt so traurig...“ Navi blickte mit einem leidenden Gesichtsausdruck umher, doch Link marschierte schnurstracks auf die Lon-Lon-Farm zu. „Wo willst du hin? Ich dachte, wir wollten nach Kakariko.“ Die Fee musste sich beeilen, um zu ihm aufzuschließen. Die längeren Beine machten ihn ein ganzes Stück schneller als früher. „Ich leih mir ein Pferd.“ Links Tonfall klang als wunderte er sich, warum Navi überhaupt nach seinem Vorhaben fragen musste. „Was?“ Die Feenfrau blinzelte ihn irritiert an. Mit einem genervten Gesichtsausdruck blieb Link stehen und deutete hoch zur Ranch. „Malon und ihr Vater besitzen mehrere Pferde, erinnerst du dich?“ Navi zog verwirrt eine Augenbraue in die Höhe. „Ja, das ist mir bewusst. Aber was willst du mit einem Gaul?“ „Äh… Reiten?“ Link hob einen Nasenflügel an und richtete die Handflächen nach oben, als ob er seiner Fee das Offensichtliche auf einem Tablett servieren wollte. „Ich hätte mir schon bei unserem letzten Besuch gerne eins ausgeliehen, aber ich war für die Pferde zu klein. Aber das Problem hat sich ja jetzt gelöst. Ich meine, wie groß bin ich? Ein Meter achtzig? Ein Meter fünfundachtzig? Das dürfte mehr als ausreichend sein. Also leih ich mir endlich ein Pferd, dann muss ich nicht mehr stundenlang laufen. Reiten geht einfach schneller.“ Navi zuckte resigniert mit den Schultern und folgte Link den steilen Anstieg zur Farm hinauf. Anders als an den Orten, die Link bisher von Hyrule wiedergesehen hatte, schien sich hier glücklicherweise nicht viel verändert zu haben. Freudestrahlend lief er auf die Koppel zu, in der Hoffnung Malon zu entdecken und sie fragen zu können, wie es ihr in den letzten sieben Jahren ergangen war. Doch vor der Weide stand statt einer jungen Frau ein Mann mittleren Alters, der fürchterlich albern herausgeputzt war und Link mit einem schlechtgelaunten Gesichtsausdruck musterte. „Kann ich Ihnen helfen, junger Mann?“ Die Stimme des Fremden klang ebenso mürrisch und ablehnend wie seine Miene wirkte. Die Frage nach Malon lag Link bereits auf der Zunge, doch er erinnerte sich daran, dass die Zeit mal wieder drängte – wie eigentlich immer seit er den Kokiri-Wald verlassen hatte. Also antwortete er stattdessen: „Ich möchte mir ein Pferd leihen, wenn das möglich ist, Sir.“ „Können Sie denn reiten?“ Der andere Mann musterte Link mit einem derart abfälligen Blick, dass Link das Gefühl hatte, vor seinen Augen wieder zu einem Kind zu schrumpfen. Verlegen biss sich der junge Recke auf die Unterlippe und gestand: „Wenn ich ehrlich sein soll, hab ich noch nie auf einem Pferd gesessen. Aber so schwierig kann das ja nicht sein, oder?“ Link versuchte sich an einem einnehmenden Lächeln, das jedoch seine Wirkung zu verfehlen schien. Der Fremde machte ein noch schlechter gelauntes Gesicht als zuvor und machte für einen Moment den Eindruck als erwöge er den Besuch eigenhändig wieder in die hylianische Steppe hinauszubefördern. Überraschenderweise erklärte er nach einem Moment Bedenkzeit dennoch mit Engelsgeduld, auf was Link auf dem Rücken eines Pferdes zu achten hatte. „So, ich glaube, jetzt wissen Sie alles, was sie brauchen, um mit einem unserer bestens trainierten Reitpferde zurechtzukommen.“ Mit diesen Worten führte ihn der Mann, den Link endlich als Basil, den früheren Stallknecht, erkannte, zu einem der friedlich grasenden Pferde. Basil wollte es gerade aufzäumen, als Link etwas ins Auge stach. Epona? „Was ist mit diesem Pferd dort?“ Er deutete auf einen kräftigen, rotbraunen Kaltblüter, der die beiden Menschen aufmerksam im Auge behielt. Der andere Mann hob den Kopf und schaute, welches Tier sein Kunde meinte. „Das? Oh, eine wirklich fabelhafte Stute, vermutlich das beste Exemplar meiner Züchtung. Doch leider kann niemand ihr aggressives Temperament zähmen.“ Mit einem entschuldigenden Lächeln nahm Link Basil das Zaumzeug aus der Hand. „Ich möchte es versuchen.“ Während er auf den imposanten Vierbeiner zuging, hörte er den ehemaligen Stallknecht aufgebracht rufen: „Bitte, lassen Sie das. Das ist glatter Selbstmord!“ Auch Navi, die auf Links Schulter saß, betrachte das aufgeregt wiehernde Pferd nachdenklich. „Also, ich bin mir nicht sicher, ob dieser Teufel das richtige Pferd für einen Anfänger ist...“ Als Link sich der Stute näherte, blähten sich ihre Nüstern und sie legte bedrohlich die Ohren zurück, während sie laut schnaubte. „Ganz ruhig. Ich bin es, Link. Erkennst du mich nicht?“ Bei dem Klang seiner Stimme, wackelte eines ihrer Ohren, aber sie machte dennoch Anstalten, ihn mit den Vorderhufen zu zermalmen, sollte er näherkommen. Beschwichtigend hob der junge Mann die Hände und begann das Lied zu summen, das Malon ihm beigebracht hatte. Die Ohren der Stute zuckten und sie beruhigte sich zusehends, während Link vor sich hin summte. Nach einiger Zeit stieß sie ein kleines Wiehern aus und kam langsam auf den jungen Mann zu, der ihr eine Hand entgegenstreckte. Geradezu liebevoll legte sie ihre Schnauze in seine Handfläche und ließ sich über die samtweichen Nüstern streicheln, während sich ein breites Grinsen auf des Recken Gesicht stahl. „Epona. Ich wusste, dass du es bist.“ Link tätschelte ihr sanft den Hals und zäumte sie vorsichtig auf, während er Basils verblüfften Blick im Rücken spürte. Dann wandte er sich halb um und machte eine auffordernde Geste. „Gibt es hier vielleicht auch so etwas wie Sättel?“ Für ein paar Sekunden starrte der ehemalige Stallknecht noch immer vollkommen erstaunt auf Epona, die sich von Link hinter den Ohren kraulen ließ. Normalerweise ließ sie sich von keinem Mann anfassen. Dann drehte er sich in Richtung Ställe und brüllte: „Malon! Bring Eponas Sattel her.“ Nach nur ein paar Minuten erschien eine bildschöne, junge Frau mit einem schwer aussehenden Sattel in den Armen. Malon trug ihr kastanienbraunes Haar noch immer lang, doch ihr Gesicht hatte die kindlichen Rundungen abgelegt und diese gegen ein fein geschwungenes Profil eingetauscht. Sie trug eine weite, weiße Bluse und einen knöchellangen, rosafarbenen Rock mit Schärpe, aber auch die unglücklich gewählte Kleidung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich darunter eine verführerische Figur verbarg. Für einen kurzen Moment stockte Link der Atem, doch dann beeilte er sich zu ihr zu kommen, wobei Epona folgsam hinter ihm her trottete, was Basil dazu veranlasste, erst recht ungläubig zu glotzen. „Warte, lass mich dir helfen.“ Link griff unter den Sattel, hob ihn aus Malons Armen und war erstaunt, dass er bei weitem nicht so schwer war wie gedacht. Einen erwachsenen Körper zu haben, hatte definitiv seine Vorteile. Die junge Frau schob sich eine dicke Strähne aus der Stirn und sah ihn aus leicht zusammengekniffenen Augen an. „Feen-Junge? Bist du das?“ Ein breites Grinsen schlich sich auf Links Gesicht, während er nickte. Er hatte nicht erwartet, dass sie sich noch an ihn erinnern konnte, schließlich waren für sie sieben Jahre vergangen. Mit einem erfreuten Strahlen in den sommerhimmelblauen Augen warf Malon sich an seinen Hals. „Tatsächlich, du bist es… Unglaublich! Wo kommst du denn nach all der Zeit her? Und lass dich ansehen... Gut siehst du aus. Ein richtiger Mann. Ich bin sprachlos!“ „Dafür redest du ganz schön viel.“ Link lächelte sie warm an, während sie ein wenig rot anlief und Epona sich mit sanftem Stupsen bemerkbar machte. „Ja, ist ja gut. Ich sehe es ja ein. Du bist zuerst dran.“ Mit diesen Worten warf Link der prächtigen Stute die reichverzierte, dunkelblaue Satteldecke und den ledernen Reitsattel auf den Rücken, gürtete ihn fest, stieg in den linken Steigbügel und schwang das rechte Bein auf die andere Seite. Link hatte das Gefühl, ihm seien Flügel gewachsen, als er auf Eponas Rücken über die weitläufige Weide preschte. Die gewaltigen Hufe der Stute trommelten wie Donnergrollen über den Boden und rissen Grasfetzen mit dicken Erdklumpen heraus. „Das ist großartig!“, jubelte der junge Mann, während Navi sich mit blassem Gesicht am Kragen seiner Tunika festhielt und sich die andere Hand vor den Mund presste. „Ich glaub, ich muss mich übergeben. Dieses Gehoppel ist ja furchtbar!“ Malon klatschte begeistert, als Pferd und Reiter über ein hohes Hindernis sprangen, doch Basil verschränkte missmutig die Arme vor der Brust. Link ließ Epona langsam in einen lockeren Trab fallen und lenkte sie neben die Beiden. „Wenn es möglich ist, würde ich mir gerne dieses Pferd leihen.“ Malon warf einen schüchternen Seitenblick auf den ehemaligen Stallburschen, der die Augenbrauen ärgerlich zusammenschob und brummte: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich jetzt schon auf eigene Faust losreiten lassen kann. Lass uns ein Wettrennen rund um die Koppel machen. Wenn du gewinnst, schenke ich dir das Pferd sogar.“ Überrascht riss Link die Augen auf und schlug dann grinsend in die ihm dargebotene Hand ein, während Navi sich zu Malon flüchtete, die ängstlich von Basil zu Link und zurück blickte. Nachdem der Herausforderer sich ein Pferd geholt hatte, stellten sich die beiden Kontrahenten an der Startlinie, die in der Mitte des Koppeltores lag, auf und warteten angespannt auf das Startsignal. „Auf die Plätze... fertig...“, fing Malon an, aber bevor sie enden konnte, hieb Basil seinem Pferd die Sporen in die Flanken. Der Vierbeiner machte einen Satz nach vorne und galoppierte in einem atemberaubenden Tempo davon. Eine Staubwolke wurde aufgewirbelt und brachte Link zum Husten, was ihm zusätzliche Sekunden raubte. Doch noch bevor sich seine Sicht wieder geklärt hatte und er seinem Pferd ein Zeichen hatte geben können, stob Epona nach vorn. Vor Schreck wäre Link beinah von ihrem Rücken gefallen und er klammerte sich krampfhaft in ihrer langen, seidigen Mähne fest. Mit langen Schritten und kämpferisch nach vorn gelegtem Kopf sauste die Stute über die Rennstrecke. Link beugte sich nach vorn und versuchte, sich so flach wie möglich gegen ihren Hals zu pressen, um weniger Luftwiderstand zu leisten. Eponas Hufe donnerten über den sandigen Untergrund und sie holte immer mehr auf. Wenige Meter vorm Ziel warf Basil einen ängstlichen Blick über die Schulter, als ein rotbrauner Blitz mit einem grün gewandeten Reiter an ihm vorbeischoss und das Rennen gewann. Jubelnd sprang Link aus dem Sattel und grinste zu Malon herüber, die besorgt zu Basil blickte, der vor lauter Wut auf den ledernen Zügel in seinen Händen biss. Davon unbeeindruckt ging Link auf ihn zu. „Ich glaube, Epona gehört nun mir.“ Der ehemalige Stallknecht raufte sich die wenigen Haare auf seinem Kopf und jammerte: „Das kann nicht sein! Du kannst Epona nicht haben. Ich wollte sie Ganondorf zum Geschenk machen!“ „Was?!“ Bei diesen Worten packte der junge Mann den älteren am Kragen und zog ihn vom Pferd. Seine Augen funkelten bedrohlich und er verengte sie zu Funken sprühenden Schlitzen, als er zischte: „Du machst gemeinsame Sache mit Ganondorf? Wie kannst du nur?!“ Angewidert spukte er auf den Boden, dicht an Basils Gesicht vorbei. „Aber ich sag dir eines: Ich werde Ganondorf vernichten und seine Schreckensherrschaft beenden und dann werde ich dafür sorgen, dass jeder, der ihn unterstützt hat, vor Gericht gestellt wird!“ Er schubste den wimmernden Mann, der hart auf den Boden aufschlug, von sich und ging zurück zu Malon und seinem Pferd. „Ich werde Epona mitnehmen. Ich habe sie bei einer ehrlichen Wette gewonnen. Sie gehört mir.“ Link tätschelte der Stute den Hals und schickte sich an, wieder in den Sattel zu steigen, als Malon auf ihn zukam. Sie legte eine Hand auf seine, die den Sattelknauf umklammert hielt, und sah ihn flehend an. „Wenn du meinen Vater findest, sag ihm, er solle zurückkommen. Ich glaube, Basil hat seine Lektion gelernt.“ Die Beiden warfen einen Blick auf den ehemaligen Stallknecht, der wie ein Häufchen Elend auf dem Boden kauerte und stumpf vor sich hin starrte. Lächelnd nickte Link der jungen Frau zu. „Versprochen, das wird gemacht.“ Kapitel 23: Der Schatz des Totengräbers --------------------------------------- „Du bleibst schön hier. Ich bin bald wieder da.“ Epona rieb ihre Schnauze an Links Schulter, während dieser ihre Zügel an einem in der Nähe stehenden Baum festband, bevor er die unzähligen Stufen hinaufstieg, die nach Kakariko führten. Oben angekommen, staunten er und Navi nicht schlecht. Sie hatten erwartet, Kakariko in einem ähnlich schlechten Zustand wie Hyrule-Stadt vorzufinden, doch offensichtlich hatte das kleine Dorf vom Untergang der Hauptstadt profitiert. An einigen Stellen waren neue Gebäude hochgezogen worden und neben vielen Privatpersonen waren auch die Ladenbesitzer von Hyrule-Stadt hierher gezogen. Langsamen Schrittes ging Link auf die Stadtmitte zu, denn genau das war Kakariko inzwischen – eine Stadt –, und entdeckte hier und da ein paar bekannte Gesichter, die er schon sieben Jahre zuvor auf dem Markt in Hyrule-Stadt gesehen hatte. In der Nähe des hinter Impas Haus gelegenen Hühnergeheges blieb er jedoch stehen und blickte sich fragend um. „Hast du eine Ahnung, nach was wir überhaupt suchen sollen? Was könnte Shiek gemeint haben?“, wandte er sich an seine Fee, die noch immer ein wenig blass um die Nase war. Offenbar löste reiten bei ihr eine Art Seekrankheit aus… Navi zuckte die Schultern und machte ein brummiges Gesicht. „Ehrlich gestanden, ist mir das im Moment egal. Ich wüsste einfach nur zu gerne, wer dieser Shiek wirklich ist.“ „Du meinst, er ist nicht der, der er vorgibt zu sein?“ „Ich bitte dich!“ Navi rollte theatralisch mit den Augen und schüttelte den Kopf. „Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ‚Shiek‘ überhaupt ein Name für einen Shiekah ist. Ich meine, das ist doch als würde ich ‚Feeda, die Fee‘ heißen!“ Link prustete los und biss sich auf die Unterlippe, um weiteres Lachen zu unterdrücken, als Navi ihn giftig ansah. „Ich schlage vor“, fuhr sie fort, „wir sehen mal auf dem Friedhof nach, ob wir da einen Gedenkstein mit dem Namen ‚Shiek‘ drauf finden. Ist dem so, bin ich geneigt, ihm für den Moment zu vertrauen.“ Mit einem bedauernden Gesichtsausdruck schüttelte Link den Kopf. „Der Plan klingt ja gut, aber du vergisst leider eine Kleinigkeit: Auf den Grabsteinen der Shiekah stehen keine Namen. Das hat uns doch letztens... damals der Totengräber erklärt.“ Auf Navis Gesicht schlich sich ein schelmisches Grinsen, als sie unter ihren langen, goldig schimmernden Wimpern hindurch zu Link hochsah. „Nicht auf Hylianisch, stimmt...“ Als sie den Friedhof betraten, kroch ein Schauer über Links Rücken und er zog unwohl die Schultern nach vorne. „Irgendetwas ist hier anders als früher.“ Navi nickte bloß und schwirrte von einem Grabstein zum nächsten, auf der Suche nach dem Namen «Shiek». Link las sich gerade eine Gedenktafel für die im Kampf gefallenen Shiekah durch, als Navis aufgeregte Stimme an seine Ohren drang: „Link! Komm mal her!“ „Hast du den Namen gefunden?“ Die Fee schüttelte den Kopf und deutete auf das Grab vor ihr. „Nein. Aber sieh mal: Hier liegt der Totengräber von damals begraben. Erschreckend, was in sieben Jahren alles passieren kann. Aus dir haben diese Jahre einen jungen, kräftigen Mann gemacht, während ein älterer Mann wie Boris sein Lebensende erreicht hat.“ „Ich hoffe nur, er ist eines natürlichen Todes gestorben und nicht Ganondorf zum Opfer gefallen.“ „Das bin ich, mein Junge.“ Hinter ihnen erklang plötzlich die milde Stimme des Totengräbers und ließ Mann und Fee zu Salzsäulen erstarren. Mit panischen, sehr großen Augen drehte Link sich langsam um und verlor das letzte bisschen Farbe im Gesicht, als er Boris’ schimmernde, leicht transparente Gestalt hinter sich entdeckte. Navi wagte ebenfalls einen Blick über die Schulter und quiekte auf: „Ein Geist!“ Schnell verschwand sie unter Links Mütze, wo sie sich zitternd wie Espenlaub zusammenkauerte. Link versuchte seine Angst hinunterzuschlucken und befeuchtete seine schrecktrockenen Lippen mit der Zunge. „B-B-Boris?“ So sehr er sich auch anstrengte, das Zittern seiner Stimme konnte er nicht verhindern. Der Geist grinste und entblößte dabei zwei unvollständige, schiefe Zahnreihen. „Es ist schön zu sehen, was aus dir geworden ist. Du bist doch der kleine Junge, der sich damals so für die Shiekah interessiert hat.“ Ein wenig verunsichert nickte Link mit dem Kopf und wollte gerade zu der Frage ansetzen, ob der Totengräber ihnen vielleicht mit ihrem Namensproblem weiterhelfen konnte, als dieser ihm eine Hand an die Schulter legte. Sofort machte sich Eiseskälte in Links Körper breit und er wollte zurückweichen, doch er war starr vor Angst. „Ich habe auf dich gewartet, junger Held.“ Ungläubig blinzelte Link den Geist an, der noch immer ein wenig dümmlich grinste. „Man hat mir gesagt, dass du kommen würdest. Das, was du suchst, liegt in meiner Hütte unter meinem Bett. Du musst eine der Bodendielen hochheben. Es war mein Schatz, weißt du? Aber ich kann nichts mehr damit anfangen und dir wird es gute Dienste leisten.“ Irritiert blickte Link zu der windschiefen Holzhütte und zurück zu Boris, der ihn endlich losgelassen hatte. „Äh... Danke. Aber wer hat dir gesagt, dass ich kommen würde?“ „Das wird dir die Person selber sagen, wenn die Zeit gekommen ist, mein junger Freund. Aber ich habe eine Bitte an dich. Es heißt, du seiest in Besitz der Okarina der Zeit. Ihre Macht verbunden mit dem eigenartigen Zauber der Gebrüder Bramstein dürfte in der Lage sein, meiner Seele endlich Frieden zu geben. Bitte, Link, spiel mir die Hymne der Sonne.“ Für einige Sekunden zögerte der junge Mann – Vielleicht war das alles ja nur eine Falle Ganondorfs? –, aber als er in die Augen des Geistes sah, erweichte der flehende Ausdruck darin sein Herz. Mit einem Seufzen holte er das wertvolle Musikinstrument heraus und begann die Noten zu flöten, die er auf dem Grabstein des jüngeren Bramstein-Bruders gefunden hatte. War ihm Navi damals mit ihrem penetranten Gesumme auf die Nerven gegangen, so war er nun froh, dass sie ihm dadurch die stummen Noten in Töne übersetzt hatte. Boris weinte Tränen der Freude, als sein nichtmaterieller Körper sich langsam auflöste, und Navi wiegte tief in Links Mütze ihren Kopf im Rhythmus der Musik. Die Gebrüder Bramstein waren wahrhaftige Künstler gewesen. Mit einem Ächzen stemmte Link die festgehämmerten Bodendielen unter Boris’ zerlumpten Bett auf. Eine dicke Staub- und Dreckwolke stob in die Höhe und ließ den jungen Mann wiederholt niesen. Als sich die Wolke endlich gelegt hatte, gab sie den Blick auf eine kleine, hölzerne Schatulle frei. „Na, dann wollen wir mal sehen, was der Schatz des Totengräbers war.“ Vorsichtig hob Link das Kistchen aus dem Loch und schob den Deckel nach hinten. Im Inneren lag ein seltsam geformtes Metallgehäuse, in dem sich eine aufgewickelte Kette befand. Vorne war eine Art scharfkantiges Dreieck befestigt, das mit der Kette verbunden zu sein schien. Link drehte und wendete das seltsame Teil und begutachtete es von allen Seiten, bevor er verwirrt zu Navi blickte, die neben ihm in der Luft stand. „Was ist das?“ „Ein Fanghaken. Ein in der Tat sehr nützlicher Ausrüstungsgegenstand. Damit kannst du Gegenstände zu dir heranziehen oder dich sogar selbst über Abgründe schwingen, wenn du auf der anderen Seite etwas findest, in dem sich die Spitze verhaken kann – Holz zum Beispiel. Du schießt die Spitze rüber und betätigst dann den Einrollmechanismus hier und – schwupp – schon wirst du über den Abgrund gezogen. Wirklich sehr praktisch.“ Links Grinsen wurde immer breiter, während er lauschte. „Das klingt in der Tat sehr nützlich. Ich glaube, wir haben gefunden, was wir gesucht haben. Also auf! Retten wir den ersten Weisen.“ Kapitel 24: Entschuldigung, kenne ich Sie? ------------------------------------------ Link saß stocksteif im Sattel, während Epona langsam durch die letzten Baumreihen schritt. Navi beobachtete besorgt, wie sich seine Hände vor Nervosität tief in die Mähne des Pferdes gruben. Jetzt hatte er schon so vielen Monstern gegenübergestanden und hatte so viele Gefahren gemeistert, doch der Gedanke an Mido und die anderen ließen ihm noch immer kalte Schauer über den Rücken laufen. Als er die ersten Häuser zwischen den Bäumen erspähte, warf er Navi einen ängstlichen Seitenblick zu: „Meinst du, sie sind immer noch sauer auf mich?“ „Ich glaube nicht. Die Sache mit dem Deku-Baum liegt sieben Jahre zurück und außerdem –“ Navi verstummte mitten im Satz, als Epona sich plötzlich aufbäumte und ein erschrockenes Wiehern ausstieß. Link hatte große Mühe, sich im Sattel zu halten, und blickte sich irritiert um, was seine Stute so erschreckt hatte. Neben ihrem Huf war plötzlich der Kopf einer riesigen Dekuranha aufgetaucht, aber anstatt ängstlich davon zu galoppieren, zermalmte Epona die angriffslustige Pflanze mit ihren Vorderhufen. Schnell sprang Link von ihrem Rücken und ließ seinen Blick schweifen. Sie standen am äußersten Rand des Kokiri-Dorfes, doch anstatt geschäftige oder faulenzende Kokiri zu sehen, erblickte Link nur weitere Deku-Piranias und ein paar vorwitzige Laubkerle. Mit großen, schmerzerfüllten Augen sah er zu Navi auf, die genauso erschüttert wirkte, wie er sich fühlte. „Was ist hier passiert?“ Mit dem Master-Schwert in der Hand kämpfte Link sich durch sein einstiges Heimatdorf in Richtung von Salias Haus. Seine treue Stute folgte ihm dabei auf Schritt und Tritt und zeigte sich mit Angriffen auf die fleischfressenden Dekuranhas als erstaunlich wehrhaft. Atemlos stieß er durch Salias Haustür, doch in dem kleinen Wohnschlafraum saß nur ein braunhaariges Mädchen von höchstens dreizehn Jahren, das überrascht aufblickte, als es ihn in den Raum stürmen sah. Das Mädchen, das erstaunliche Ähnlichkeit mit einer damaligen Freundin Salias hatte, stand langsam auf und kam auf ihn zu. „Kann ich etwas für Sie tun, der Herr?“ „Ich suche Salia. Sie lebt doch immer noch hier, nicht wahr?“ Zaghaft lächelnd nickte das Mädchen. „Sind Sie ein Freund von Salia?“ Link dachte an die vielen Tage und Nächte, die er und seine beste Freundin gemeinsam verbracht hatten. „Ja, wir standen uns früher sehr nah.“ Das Mädchen sah ihn ein wenig nachdenklich an. „Sie erinnern mich an jemanden...“ Dann zuckte es die Schultern und deutete in Richtung Tür. „Es tut mir leid. Salia ist nicht hier. Sie wollte in den Waldtempel in den Verlorenen Wäldern gehen und nach dem Rechten sehen. Etwas muss den Schutzgeistern zugestoßen sein, sonst würde es hier nicht so von Monstern wimmeln.“ „Verlorene Wälder sagtest du?“, vergewisserte sich der Herr der Zeiten mit angespannt klingender Stimme. Als das Mädchen nickte, sah Link den seltsamen Gebäudevorbau vor sich, den er auf der Heiligen Lichtung entdeckt hatte, als er Salia unbedingt hatte besuchen müssen. Schnell bedankte er sich bei dem Mädchen und eilte in Richtung Wälder davon. Am Eingang der Verlorenen Wälder drehte der junge Mann sich zu seiner folgsamen Stute um. „Du bleibst hier, Epona. Dort drinnen ist der Weg viel zu unbegehbar für dich und ich will nicht, dass du dich an irgendwelchen Dornenbüschen verletzt oder so. Schön im Dorf bleiben, hörst du?“ Das Pferd schnaubte, als habe es ihn verstanden, und blieb tatsächlich stehen, als Link sich umdrehte und in die dunklen Wälder stapfte. In den vergangenen sieben Jahren waren diese noch unwegsamer geworden und Link stolperte alle paar Meter über Wurzeln oder bekam tiefhängende Zweige ins Gesicht geschlagen. „Dort vorne ist der Durchgang, der hoch zur Lichtung führt.“ Navi deutete auf eine schmale Lücke zwischen der grünen Blätterwand. Link folgte ihrem ausgestreckten Arm mit den Augen und erstarrte. Vor dem Gang stand ein grüngewandeter Junge, der genauso aussah wie Mido damals. Sogar der Schnitt der rotblonden Haare war derselbe. Mit einem beklemmenden Gefühl in der Magengegend ging der Recke auf den jungen Kokiri zu und bat ihn höflich, zur Seite zu treten. Doch dieser holte nur eine bedrohlich wirkende Keule hinter dem Rücken hervor und sah Link skeptisch an. „Tut mir leid, edler Herr, aber ich habe einer Freundin versprochen, niemanden passieren zu lassen.“ Link zog es schmerzhaft den Magen zusammen, als er bemerkte, dass auch die Stimme des Jungen der Midos zum Verwechseln ähnlich war. Das seltsame Gefühl, etwas Wichtiges verpasst zu haben, beiseite schiebend insistierte der junge Mann: „Aber ich muss wirklich dringend auf die Lichtung. Ich habe dort etwas Wichtiges zu erledigen.“ „Nein, tut mir leid. Ich habe es versprochen und werde Salia nicht enttäuschen.“ Link zuckte ein wenig zusammen. Salia war also tatsächlich auf der Heiligen Lichtung. Wie würde sie wohl reagieren, wenn sie ihn wiedersehen würde? Die Ungeduld, seine beste Freundin so schnell wie möglich wiederzusehen, ließ Links Stimme gereizter klingen als beabsichtigt: „Jetzt komm schon, Kleiner, mach Platz. Ich hab wirklich keine Zeit für solche Spielchen!“ Der vorwitzige Junge lief dunkelrot an. „Spielchen? Ich, Mido, Anführer der Kokiri, spiele keine Spielchen. Das hier ist mein vollkommener Ernst!“ Link war wie vom Blitz getroffen. Mido?! Zaghaft befeuchtete der Herr der Zeiten seine plötzlich trockenen Lippen und fragte ein wenig zögerlich: „Sag mal, wie lange bist du schon Anführer der Kokiri?“ „Seit Ewigkeiten.“ „Auch schon vor sieben Jahren?“ „Was geht Sie das an?“ Link haderte mit sich. Konnte das tatsächlich der Mido sein, den er kannte? Und wenn ja, warum war er kein Stück gealtert? Hieß das etwa, dass das Mädchen aus dem Dorf tatsächlich Salias Freundin war, die er schon von früher kannte? Aber warum war er selbst dann erwachsen geworden? Weil er den Wald verlassen hatte? Die Gedanken wirbelten wie Herbstlaub durch seinen Geist und entzogen sich ihm immer wieder, bevor er sie wirklich zu fassen bekam. Er hatte das Gefühl, ihm würde jeden Augenblick der Schädel platzen. Link atmete tief ein und versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Vielleicht war es ja sogar besser, wenn Mido nicht wusste, wer er wirklich war… „Ich hab vor sieben Jahren in Hyrule-Stadt einen anderen Kokiri getroffen. Er hat mir von seinem kompetenten und klugen Anführer erzählt“, log er in der Hoffnung, dem Kokiri-Anführer mehr Informationen entlocken zu können. Mido blinzelte ihn irritiert an und ließ die Keule sinken. „Hat er? Das kann doch eigentlich nur Link gewesen sein... Aber… Ich hab immer gedacht, er hätte mich gehasst... Grund genug hätte er jedenfalls gehabt – und alles nur, weil ich neidisch auf sein enges Verhältnis zu Salia gewesen bin.“ Der rotblonde Junge stieß einen langgezogenen Seufzer aus. „Ich war so verdammt eifersüchtig damals und heute fehlt er mir...“ Link legte seinem früheren Rivalen eine Hand auf die Schulter und lächelte ihn warm an. „Ich bin mir sicher, das hat er immer gewusst.“ „Meinen Sie?“ „Bestimmt.“ „Danke. Aber passieren lassen kann ich Sie trotzdem nicht.“ „Würdest du Salias Wohl diesem Link anvertrauen?“ Für einen Moment zögerte Mido, doch dann nickte er mit auf den Boden gerichteten Blick. „Ja. Er hätte alles für sie getan, sogar sein Leben gegeben.“ „Dann vertrau das Mädchen auch mir an. Link hat es bereits getan. Als ich ihn damals getroffen habe, hat er mir ein Lied beigebracht, mit der Bitte, Salia an seiner statt zu beschützen, wenn er es irgendwann einmal nicht können sollte.“ Schnell zog Link die Okarina aus seinem Beutel und begann Salias Lied zu spielen. Midos Augen wurden groß und er starrte den jungen Mann vor sich mit offen stehendem Mund an. Als er sich endlich wieder gefasst hatte, trat er langsam zur Seite. „Offensichtlich hat er Ihnen wirklich vertraut – also werde ich das auch tun. Stehen Sie Salia bei, für Link und für mich.“ „Das werde ich. Versprochen.“ Der Herr der Zeiten wollte gerade an Mido vorbei gehen, als dieser ihn ein letztes Mal zurückhielt. „Wissen Sie eigentlich, dass Sie Link erstaunlich ähnlich sehen? Sie haben die gleichen Augen.“ Kapitel 25: Ärger mit den Irrlichtschwestern -------------------------------------------- Schweigend schritt Link über die Lichtung. Seine Gedanken kreisten immer wieder um dieselben Fragen: Warum waren die anderen Kokiri anscheinend nicht gealtert? Hieß das, dass etwas mit ihm nicht stimmte? Hatte er sich deswegen nie wirklich zugehörig gefühlt? Oder hatte sein Alterungsprozess mit Verlassen des Waldes eingesetzt? Oder durch das Master-Schwert? Langsam näherte er sich dem Eingang zum Waldtempel, als sein Blick auf den Baumstumpf fiel, auf dem Salia bei ihrer letzten Begegnung gesessen hatte. Gedankenversunken kniete er sich neben den moosbewachsenen Stumpf und ließ seine Hand über die raue Oberfläche streichen, während Navi ihn nachdenklich beobachtete. Ob Salia ihn überhaupt erkennen würde? Würde sie sich vielleicht von ihm im Stich gelassen fühlen, weil er sich Jahre lang nicht gemeldet hatte? Mit einem Stich in seinem Herzen dachte er an ihr letztes Gespräch, das so abrupt geendet hatte. Plötzlich wünschte er sich, er hätte damals doch gehört, was sie ihm noch hatte sagen wollen… Bei dem Gedanken an die mögliche Enttäuschung seiner besten Freundin breitete sich ein bitterer Geschmack in seinem Mund aus und er richtete sich seufzend auf, als Navi plötzlich erschrocken keuchte. Der Recke wirbelte herum, in Erwartung einen Wolf oder ein Monster zu sehen, doch stattdessen sah er sich Shiek gegenüber, der langsam aus der Hocke wieder aufstand und auf ihn zukam. Seine Stimme klang als rezitiere er ein Gedichte, als er ohne jemand Bestimmtes anzusprechen sagte: „Der Fluss der Zeit ist grausam... Seine Geschwindigkeit scheint für jede Person vorbestimmt. Niemand hat die Möglichkeit, sie zu ändern. Doch etwas, das sich nie ändern wird, sind Erinnerungen an vergangene Tage.“ Dann legte der junge Shiekah Link eine Hand auf die Schulter und sah ihn mit einem fast liebevollen Ausdruck in seinem unverhüllten Auge an. „Ich kann mir vorstellen, wie einsam du dich fühlen musst, weil dich keiner deiner ehemaligen Freunde wiedererkennt. Doch versuche, deinen Geist davon zu befreien. Auf dich warten schwierige Aufgaben, die deine volle Konzentration erfordern.“ Mit einem seltsam leeren Gesichtsausdruck blickte Link zu dem anderen Mann herunter, der gute fünfzehn Zentimeter kleiner war. „Keine Angst. Ich werde mein Bestes geben. Es ist nicht so, dass ich besonders viele echte Freunde unter den Kokiri gehabt hätte. Eigentlich war Salia mein einziger Freund.“ „Sie und Prinzessin Zelda, nicht wahr?“, hakte Shiek nach und fixierte den Herrn der Zeiten mit einem forschenden Blick. Sofort machte sich eine tiefrote Farbe auf Links Gesicht breit und er wandte verlegen den Blick ab. „Ja... Aber das ... äh... das tut eigentlich auch gar nichts zur Sache. Was wichtig ist, ist die Tatsache, dass meine beste Freundin da drin ist.“ Shieks Auge verengte sich kaum merklich, doch Link sprach weiter als hätte er es nicht bemerkt. „Ich werde sie retten. Ich werde nicht versagen.“ Der Shiekah nickte und wandte seinen Blick dann auf den Waldtempel. „Ich bin mir sicher, das wirst du, schließlich bist du der Herr der Zeiten. Vergiss das nie.“ Mit diesen Worten wandte Shiek sich um und deutete auf die seltsame Felsplatte am anderen Ende der Lichtung. „Siehst du das dort hinten? Das ist eine Teleportierplattform.“ Link zog die Augenbrauen zusammen und betrachtete den sechseckigen, flachen Stein. „Was soll das sein, eine ‚Teleportierplattform‘?“ „Ein magisches Artefakt, das vor Urzeiten von den sieben Weisen geschaffen worden ist. Es heißt, es gäbe insgesamt sechs davon. Doch leider sind die Lieder, die sie aktivieren, im Laufe der Jahre in Vergessenheit geraten und die Schriftrollen, auf denen sie aufgezeichnet sind, sind nur sehr schwer wiederzubeschaffen.“ Gleichgültig zuckte Link mit den Schultern und wandte sich wieder dem Waldtempel zu. „Das ist schade, diese Dinger wären sicherlich praktisch gewesen. Aber ich hab keine Zeit, um hier rumzustehen und mich deswegen zu bedauern.“ Unterdessen balancierte Navi auf dem abgebrochenen Treppenrest am Fuß des Waldtempels und blickte ungeduldig zu den beiden Männern herunter. Shiek lachte dunkel in sich hinein. „Ich sehe ein, die Sehnsucht nach Salia macht dich ungeduldig, aber höre mir dennoch für einen weiteren kurzen Moment zu. Es ist zwar schwer, die Schriftrollen zu finden, doch nicht unmöglich. Ich bin im Besitz der Noten für das Menuett des Waldes, das diese Teleportierplattform aktiviert und dich augenblicklich hierherbringt – egal, wo du es spielst.“ Mit einer geschmeidigen Bewegung holte der Shiekah eine Lyra hervor, die er wohl unter dem ledernden Brustschutz versteckt hatte. „Vielleicht wirst du eines Tages so schnell wie nur irgendwie möglich hierher zurückkommen müssen. Also lausche dem Menuett des Waldes und präge es dir gut ein.“ Geschwind begann er ein paar Saiten zu zupfen und die Töne sprangen auf und ab, während Link aufmerksam lauschte. Dann summte er die Melodie fehlerfrei nach, während der Shiekah ihn weiterhin auf der Handharfe begleitete. Nachdem sie geendet hatten, bedachte Shiek ihn mit einem zufriedenen Blick. „Du bist wahrlich ein Mann mit vielen Talenten. Link, mein Lieber, wir werden uns wiedersehen.“ Mit diesen Worten warf der Shiekah wie erwartet eines seiner eigenartigen Säckchen und verschwand. Ohne sich noch weiter Gedanken darum zu machen, wie der andere so schnell verschwinden konnte, ging Link auf Navi zu, die genervt mit den Augen rollte. „Na endlich! Ich hab schon gedacht, das würde heute gar nichts mehr. Wenn er uns wirklich helfen will, sollte er uns nicht so lange aufhalten. Lass uns endlich sehen, was wir in diesem Tempel finden.“ Link legte den Kopf in den Nacken und blickte zum Tempeleingang hinauf, während Navi es sich wie so oft auf seiner Schulter gemütlich machte. „Ah, ich glaube, ich sehe, warum Shiek der Meinung war, dass ich ohne Fanghaken nicht in der Lage sein würde, den Tempel zu betreten.“ Er streckte sich und versuchte, den über ihm in der Luft schwebenden, abgebrochenen Treppenrest durch Springen zu erreichen. „Nicht mal annähernd, kleiner Mann“, spottete Navi mit amüsiert funkelnden Augen. Link streckte ihr die Zunge heraus, wie er es schon als Kind oft getan hatte. Zwar schien auch sein Geist rasend zu altern, bis er sich dem körperlichen Alter angepasst hatte, doch momentan steckte noch immer der kleine Junge in ihm. Und wer weiß? Vielleicht würde das immer so bleiben. Mit noch immer in den Nacken gelegtem Kopf ging Link ein paar Schritte rückwärts und hielt Ausschau nach einer Gelegenheit, seinen Fanghaken ins Spiel zu bringen. Ein in der Nähe stehender, toter Baum, dessen einziger verbliebener Ast über dem Tempeleingang hing, schien dafür wie geschaffen zu sein. Schnell suchte er sich einen festen Stand, denn er hatte Angst, vom Rückstoß von den Füßen gestoßen zu werden. Dann zielte er sorgfältig und schoss die scharfkantige Spitze ab, die sich tief in das trockene Holz bohrte. Er holte kräftig Luft und biss die Zähne aufeinander – so richtig überzeugt davon, dass dieses Unterfangen gelingen würde, war er nicht. „Din, Nayru, Farore... bitte lasst diesen Wahnsinn klappen, ohne dass ich mir irgendetwas breche.“ Er kniff ängstlich die Augen zusammen, tastete nach dem Haken für den Aufrollmechanismus und schob vorsichtig den Bolzen zur Seite. Sofort spürte er einen heftigen Ruck, der ihm beinah die Schulter aus dem Gelenk riss, und schon im nächsten Moment verloren seine Füße die Bodenhaftung. Mit einem erschrockenen Aufschrei sauste er durch die Luft, bis er am Ast baumelnd zum Stehen kam. Mit zitternden Fingern betätigte er den anderen Schalter, der die Kette zum Abrollen brachte und ließ sich langsam auf den Boden nieder, bevor er so kräftig er konnte an dem Fanghaken riss, um die Spitze aus dem Holz zu ziehen. Navi ließ sich kichernd auf seiner Schulter nieder und neckte ihn liebevoll: „Na, das sah doch schon recht elegant aus. Wenn du jetzt noch beim nächsten Mal das Geschrei weglässt, ist es perfekt.” Link ließ die Kette sich wieder aufwickeln und verstaute den Haken in seinem Lederbeutel. „Alles klar. Beim nächsten Mal kein Geschrei und beide Hände benutzen...“ Mit säuerlichem Gesichtsausdruck rieb er sich über die schmerzende Schulter und wandte sich dem Tempeleingang zu. „Auf geht’s.“ Das Innere des Tempels ließ Link staunen, denn es war vollkommen anders als er es sich vorgestellt hatte. Anstatt in einem kühlen, feuchtklammen Raum zu stehen, dessen graue Wandverputzung an manchen Stellen schon aufplatzte, fand er sich in einer Art Garten wieder. Der steinerne Boden war dermaßen von Moos bewachsen, dass er wie eine Rasenfläche wirkte, die Decke war so hoch, dass selbst Bäume Platz in dieser seltsamen Halle fanden und der Putz der Wände war vor lauter Kletterpflanzen kaum zu sehen. Alles in allem wirkte es, als hätte sich der Wald den Platz, den die Baumeister dieses Tempels ihm abgetrotzt hatten, nach jahrelangen Kämpfen mühsam wieder zurückerobert. Der junge Mann hatte jedoch kaum Zeit, die morbide Schönheit um sich herum zu bewundern, denn kaum, dass er den Raum betreten hatte, wurde er auch schon von zwei laut heulenden Wölfen angegriffen. Mit einer Drehung, auf die jeder Tänzer neidisch gewesen wäre, wand Link sich aus der Angriffslinie der Graupelze und beförderte sie durch leichtes Schubsen mit seinem Schild über die abgebrochene Treppenkante. Die Tiere quiekten kurz auf, als sie hart auf dem Boden aufschlugen, und humpelten so schnell sie konnten davon. Zwar wandte eines von ihnen nach wenigen Metern noch einmal den Kopf und warf einen feindseligen Blick zum Tempel herauf, aber ein paar Sekunden später folgte es seinem Kumpan. Navi sah Link ein wenig verwirrt an, doch er zuckte nur die Schultern. „Was? Ich mag Wölfe nun mal und möchte sie nicht unnötig verletzen.“ Mit langen Schritten durchquerte er den Raum, als seine Fee plötzlich neben ihm erschauderte. Besorgt warf er ihr einen Seitenblick zu. „Was hast du?“ Stumm deutete Navi auf eine der Pflanzen, die sich in Richtung Decke rankten, und brachte Link zum Schmunzeln – Spinnen! Am anderen Ende des Raumes schien ein zweiter Eingang zu sein, ganz so als hätte diese Halle tatsächlich einmal als eine Art Vorraum oder Vorgarten gedient. Als Link an dem Türknopf drehte, quietschte dieser bedenklich und eine Prise Rost rieselte herab, doch die Tür ließ sich ohne weitere Anstrengungen öffnen. Der Korridor dahinter war lang und schlecht beleuchtet, aber Navi brachte auch in die dunkelste Hütte Glanz. Sie grinste Link triumphierend an und verkündete mit ihrer windspielgleichen Stimme: „Während du außer Gefecht warst, hab ich fleißig geübt. Mir war klar, dass wir das Feenlicht noch öfter würden gebrauchen können.“ Vorsichtig strich Link ein paar trockene, von der Decke hängende Kletterpflanzen zur Seite, als er in der Ferne vier verschiedenfarbige Lichter entdeckte. Wie hypnotisiert eilte er darauf zu und wurde fast von einer unglaublich großen Spinne überrumpelt, die sich aus einer dunklen Ecke auf ihn stürzte. Navi stieß ein ersticktes Keuchen aus, doch Link schaffte es gerade noch rechtzeitig, das Master-Schwert nach oben zu reißen. Mit einem leicht angewiderten Gesichtsausdruck wischte er den gelblichen Lebenssaft der Angreiferin von seiner Klinge und trat in die vor ihm liegende Halle. In der Mitte des riesigen, runden Raumes befand sich eine Art hölzerner Fahrstuhl, der von den bunten Flammen, die in goldenen Fackeln brannten, gesäumt war. Während die beiden Abenteurer noch die Schönheit der bunten Lichter bewunderten, tauchten plötzlich vier Geister auf. Navi stieß einen knurrenden Laut aus und Link, der an seine Begegnung mit Boris’ Geist denken musste, begann merklich zu zittern. „Nicht schon wieder Geister...“ Mit einem noch immer angespannt wirkenden Unterton in der Stimme flüsterte die Fee zurück: „Das sind keine Geister, sondern Irrlichter – die vier Irrlichtschwestern Etti, Betti, Netti und Hetti, um genau zu sein.“ „Macht das einen Unterschied?“ Navi nickte grimmig. „Oh ja. Irrlichter mögen sich durch ihre Verbindungen mit Dämonen zwar gewisse Eigenschaften von Geistern erschlichen haben, doch ihr Körper ist und bleibt materiell. Das heißt, sie sind nicht nur verwundbar, sondern auch sterblich. Ich sage dir: Sei froh, dass diese Vier da keine echten Geister sind. Sie sind so schon boshaft genug. Ich will gar nicht wissen, wie viel grausamer sie wären, wären sie unsterblich.“ „Ich würde mal sagen, dann räum ich da unten ganz geschwind auf.“ Link wollte gerade die Treppe heruntereilen, die zum Fahrstuhl führte, als die Irrlichtschwestern begannen, einen eigenartigen Tanz rund um die Fackeln aufzuführen. Irritiert blieb der junge Held stehen und beobachtete wie die Flammen zu flackern begannen, bis sie sich für einen kurzen Augenblick ganz auflösten, nur um dann in den Laternen der Schwestern wieder aufzutauchen. Die vier Irrlichter, deren Kleidung dieselben Farben hatten wie die gestohlenen Feuer – rot, blau, grün und violett – drehten sich in Links Richtung und grinsten diabolisch, bevor sie mit einem gruseligen Lachen in alle vier Himmelsrichtungen verschwanden. Entsetzt bemerkte Link wie sich der Fahrstuhl senkte und im Loch stecken blieb, sodass der Weg nach unten blockiert war. Navi gesellte sich mit einem säuerlichen Gesichtsausdruck zu ihm und durchbohrte ihn mit wütenden Blicken. „Sauber aufgeräumt, Herr der Zeiten...“ Ein wenig verlegen schob Link eine Hand unter den Saum seiner Mütze und kratzte sich am Hinterkopf, während er mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck zu seiner Fee hochsah. „Woher hätte ich denn wissen sollen, dass sie es auf die Lichter abgesehen hatten?“ Navi rollte die Augen und schüttelte leicht den Kopf. „Ungebildeter Dummkopf...“ „Hey!“ Verärgert schob Link die Augenbrauen zusammen und stupste seine Fee mit dem Zeigefinger an. „Sei nicht immer so frech.“ Doch Navi wandte sich einfach mit einem noch immer wütenden Gesichtsausdruck ab und deutete auf eine der Türen, die aus dem Raum hinausführten. „Wir sollten uns beeilen und diese Irrlichter einfangen.“ Ihre Stimme war vor lauter Gereiztheit rau wie Schmirgelpapier und Link hatte das Gefühl, gleich um mehrere Zentimeter zu schrumpfen. Mit trotzig vorgerecktem Kinn öffnete er die Tür, auf die Navi gedeutet hatte, und betrat einen riesigen Garten, der von so hohen Mauern gesäumt war, dass man den Himmel kaum sehen konnte. Obwohl es inzwischen später Nachmittag sein musste, schwebte ein sanfter Nebel über dem grasbewachsenen Boden und umspielte den steinernen Überbau eines sich in der Nähe befindlichen Brunnens. Auf der ihm gegenübergelegenen Seite entdeckte Link hinter einem leise gurgelnden Fluss ein paar nackt dastehende Säulen, so als hätte dort einst eine Art Pavillon entstehen sollen, der nie beendet worden war. Langsam schlich Link um eine in der Nähe schlafende Dekuranha herum und ging auf eine mit Ranken bewachsene Wand zu, vor der Navi schon ungeduldig mit den Flügeln schlagend wartete. Als er an sie herantrat, deutete sie wortlos auf ein breites Loch über sich und sauste nach oben. Link seufzte und holte seine Schleuder aus dem Lederbeutel, um die in den Pflanzen krabbelnden Spinnen abzuschießen. Doch leider musste er feststellen, dass seine Hände für die zierliche Waffe viel zu groß und kräftig geworden waren. Umständlich fasste er um den Griff herum und begann wie gewohnt mit voller Kraft am Gummiband zu ziehen, als zwei Dinge fast gleichzeitig passierten: Das Holz der Schleuder brach laut krachend kurz über dem Griff und das Gummi löste sich auf einer Seite aus seiner Befestigung. Mit einem zischenden Laut sauste es durch die Luft und traf Link genau unter dem rechten Auge. Mit einem Schmerzensschrei ließ er die ruinierte Waffe fallen und hielt sich das Gesicht. Navi eilte mit einer panischen Miene zu ihm, ihr Ärger schien schlagartig verflogen zu sein. „Alles okay?“ Link stöhnte noch immer, zog aber langsam die Hand weg, damit seine Fee das Ausmaß der Verletzung in Augenschein nehmen konnte. Mit einem besorgten Glänzen in den Iriden studierte sie sein Gesicht, doch als sie die sich langsam von Rot zu Dunkelblau verfärbende Schwellung unter seinem Auge sah, stahl sich ein Grinsen auf ihre Lippen. „Held Null, Schleuder Eins.“ „Vielen Dank fürs Mitleid.“ Mit einem knurrenden Geräusch holte Link seinen Bumerang aus dem Beutel, doch auch dieser war für seine erwachsenen Männerhände zu klein und ließ sich nicht mehr zielgenau werfen. Frustriert steckte Link ihn zurück und blickte zu den Spinnen hinauf. „Und nun?“ Nachdem er mehrere Herzschläge lang auf den Knochenpanzer der am weitesten unten krabbelnden Spinne gestarrt hatte, kam ihm plötzlich die Erleuchtung. Geschwind zog er den Fanghaken aus dem Beutel und zielte. Der Haken sauste durch die Luft und durchschlug mit einem lauten, splitternden Geräusch den weißlichen Panzer. Schnell zog Link die Spitze aus der toten Spinne und holte auch die anderen auf die gleiche Weise hinab. Doch um die Letzte zu erreichen, war die Kette des Fanghakens zu kurz. Grübelnd kaute der junge Mann auf der Unterlippe, nur um wenige Sekunden später mit den Schultern zu zucken. „Wahrscheinlich erreich ich das Loch, bevor sie mich da oben bemerkt... zumindest hoffe ich das...“ Mit diesen Worten ergriff er die sich rau anfühlenden Pflanzen und kletterte an der Wand empor, während Navi vor der Spinne in der Luft schwebte und sie mit bösartig wirkenden Grimassen ablenkte. Langsam ging Link durch die schummerigen, lediglich von Navis silbernem Licht erhellten Räume, die von geisterhaften Wesen nur so wimmelten. Besonders die in ein blaues Feuer gehüllten Totenköpfe jagten dem jungen Helden immer wieder aufs Neue eiskalte Schauer über den Rücken. Als sie an einen Gang gelangten, dessen Decke und Boden in einer langen Spirale gegeneinander verdreht waren, schaute Navi sich mit besorgter Miene um. „Es fängt bereits an. Die Ordnung des Tempels gerät völlig aus den Fugen. Verfluchte Schwestern!“ Link blickte sie fragend an in der Hoffnung, sie würde erklären wie Korridor und Irrlichter zusammenhingen, aber seine Fee ignorierte ihn. Resigniert zuckte er die Schultern und ging stumm neben ihr her, bis sie an einen Raum gelangten, dessen Treppen mehrere Stockwerke hinabführten. „Hey, sieh mal. Da hinten hängt ein Bild von einer der Schwestern.“ Mit einem ausgestreckten Arm deutete Link auf ein Gemälde vor ihnen, das mit Öl gemalt zu sein schien und die rot gewandete Irrlichtschwester zeigte. Ihr feuerrotes Kleid und die orangerot leuchtende Fackel in ihren Händen stachen vor dem schwarzen Hintergrund deutlich hervor, fast als kämen sie aus dem Bild heraus. Navi betrachtete das blonde Haar, den kleinen, grünen Hut aus Bast und das fiese Grinsen, das selbst die schmalen Augen erfasst hatte. „Das ist Hetti, eine der beiden Zwillinge. Ein fürchterliches Weib...“ Link ging näher an das Gemälde heran, um es genauer betrachten zu können, doch plötzlich löste sich das Irrlicht darauf mit einem gespenstischen Lachen auf. Zurück blieb lediglich der goldgerahmte, schwarze Hintergrund. Erschrocken riss Link, der alle Farbe im Gesicht verloren hatte, weswegen das Hämatom unter seinem rechten Auge noch deutlicher hervortrat, den Kopf herum und starrte Navi an, die genauso verblüfft wirkte, ihre Fassung aber schneller wieder erlangte. „Offensichtlich war das kein Bild von Hetti. Das war sie höchstpersönlich.“ Die Fee ließ ihren Blick schweifen und deutete auf den rückwärtigen Absatz der ersten Treppe, wo ein weiteres, identisches Gemälde hing. Doch auch dieses Mal verschwand Hetti, als einer der Beiden ihr zu nahe kam. Insgesamt waren im Raum drei Bilderrahmen verteilt zwischen denen das Irrlicht hin und her sprang. Eine Zeit lang hetzte Link wie ein Wahnsinniger umher und versuchte, schneller als Hetti zu sein, bis ihm der Schweiß in den Augen brannte und er entnervt aufgab. „Wie soll ich sie treffen, wenn ich nicht nah genug an sie heran komme?! Selbst die Kette des Fanghakens ist zu kurz.“ Navi deutete auf eine Tür, die tiefer in den Tempel hineinführte. „Vielleicht finden wir ja noch etwas, das uns weiter helfen kann.“ Ein wenig demotiviert öffnete Link die Tür und trat in einen großen, runden Raum mit einem riesigen Loch in der Mitte, um das, wie es aussah, sämtliche Einzelteile eines Skelettes verteilt lagen. Vorsichtig näherte sich der junge Held dem Abgrund, um hinabzusehen, als die Knochen sich plötzlich rührten. Mit einem leisen Klappern rutschten sie über den Boden und fügten sich wieder zusammen, bis ein erschreckend großer Skelettkrieger vor Link stand. Mit einem schaurigen Lachen nahm er einen alten, verbeulten Rundschild und ein rostig aussehendes, gezacktes Schwert aus ihrer Wandhalterung und wandte sich dem jungen Herrn der Zeiten zu. Dieser wich schwer schluckend ein paar Schritte zurück und konnte gerade noch rechtzeitig sein Schwert ziehen, um eine Attacke zu parieren. Immer und immer wieder krachte die imposante Waffe des Skelettkriegers auf den jungen Mann nieder, während er sich zurückweichend verteidigte. Navi umkreiste den Angreifer und klopfte hier und da an ein paar Knochen, was dieser gar nicht zu bemerken schien. Link schwang unablässig seine heilige Klinge, doch sie rutschte an den glatten Knochen immer wieder ab. Hilfesuchend blickte er zu seiner Fee empor, die ein zufriedenes Gesicht machte. Als sie seinen flehenden Blick sah, grinste sie leicht und deutete auf das Skelett. „Der dritte Halswirbel von oben ist seine Schwachstelle.“ Reflexartig schaute Link zu dem genannten Knochen hinauf und peilte ihn an. Mit einer schwungvollen Wirbelattacke durchschlug er dem Krieger sein Genick, das mit einem lauten Knirschen brach. Der Körper des Angreifers fiel klappernd in sich zusammen, während der Schädel im hohen Bogen durch den Raum sauste, um anschließend an einer Wand zu zerschellen, wo er einen fast unsichtbaren Schalter hineindrückte. Sofort begann die Decke zu wackeln und eine an armdicken Ketten befestigte Plattform wurde heruntergelassen. Zwar passte sie genau in das klaffende Bodenloch, doch leider brachte sie neben einer verlockend aussehenden Holztruhe auch zwei weitere bewaffnete Skelettkrieger mit. Schnell stürzte Link sich in den Kampf, aber gegen zwei von dieser Sorte zu bestehen, gestaltete sich ungleich schwieriger. Wann immer er einem von Beiden den Schädel von den Schultern schlagen wollte, schickte der andere sich an, ihn anzugreifen und er musste die eigene Attacke zu Gunsten seiner Abwehr abbrechen. Irgendwann gelang es ihm jedoch endlich auch diese zwei Skelettkrieger zu besiegen. Mit säuerlicher Miene rieb er sich den schmerzenden Schildarm und blickte zu Navi, die neugierig die Truhe fixiert hatte. „Für Wesen, denen sämtliche Muskelmasse fehlt, sind diese Skelette ganz schön stark“, murrte der junge Held, ohne dass seine Fee ihn beachtete. Dann holte er tief Luft, versuchte, seinen rasenden Atem unter Kontrolle zu bekommen und ging langsam auf die Kiste zu. Vorsichtig hob Link den unverschlossenen Deckel an und grinste breit, als er den auf roter Seide liegenden Schatz sah. Im Inneren der Holztruhe lagen ein mit Schafsfell ausgekleideter Lederköcher und ein polierter Eibenholzbogen mit einer daneben liegenden, goldglänzenden Sehne aus echtem Byssus. Die dreißig Pfeile, die in dem Köcher steckten, waren ebenfalls aus glattem Eibenholz geschnitzt und hatten kunstvoll geschmiedete Silberspitzen und reinweiße Gänsefedern. Geradezu ehrfürchtig nahm Link den edlen Bogen in die Hand und bestaunte ihn genau wie die Pfeile von allen Seiten. Dann blickte er zu Navi hinauf, deren Gesicht ein fast furchteinflößendes Grinsen zierte, als sie mit einem grausam klingenden Unterton in der Stimme sagte: „Ich glaube, ich weiß, wie wir dieses Irrlichtmiststück in seinen Bildern festnageln.“ „Argh!“ Schon seit mehreren Minuten bemühte Link sich vergebens, den Bogen zu bespannen, doch die schlüpfrige Sehne rutschte immer wieder ab. Navi beobachtete ihn amüsiert und fragte sich, ob sie ihm einen Tipp geben sollte oder ob er alleine auf des Rätsels Lösung kommen würde. Schließlich zuckte sie die Schultern und deutete auf seinen Lederbeutel. „Warum lässt du die Sehne nicht von Mächten aufziehen, die etwas davon verstehen?“ Irritiert blickte er sie unter einer dicken Haarsträhne hinweg an. „Was meinst du?“ „Steck ihn in deinen Beutel, stell ihn dir bespannt vor und staune.“ Link tat wie ihm geheißen und riss tatsächlich überrascht die Augen auf. Als er den Bogen wieder hinauszog, saß die Sehne perfekt und schimmerte angriffslustig im Feenlicht. „Dieser Zauber verblüfft mich wirklich immer wieder. Ich bin schwer beeindruckt.“ Leise, so als könnte er Hetti überraschen, schlich Link auf die Gemälde zu. Kaum, dass das Irrlicht in Sichtweite kam, holte er einen Pfeil aus seinem Beutel und legte an. „Wohl bekommt’s!“ Mit einem schadenfreudigen Grinsen ließ der junge Mann die Sehne los und der Pfeil sauste zischend durch die Luft. Anders als erwartet hielt das Geschoss das geisterhafte Wesen jedoch nicht in dem Bilderrahmen fest. Stattdessen konnte man Hettis schauriges Lachen vernehmen und das Gemälde ging in Flammen auf. „Eins weg, bleiben zwei“, knurrte Link, der sich von der kleinen Irritation nicht beeindrucken ließ. Unbeirrt schoss er weitere Pfeile in die beiden anderen Bilder und jubelte triumphierend, als Hetti nach der Zerstörung ihres dritten Verstecks mit einem wütenden Fauchen erschien. Sofort begann sie sich in einer atemberaubenden Geschwindigkeit um die eigene Achse zu drehen und griff Link an. Das orangerote Feuer in ihrer Laterne flackerte gefährlich und drohte den jungen Helden zu verbrennen, doch er verteidigte sich geschickt mit dem metallenen Schild und schubste das Irrlicht von sich weg. Nach einiger Zeit kam Hetti ins Trudeln und musste ihre wahnwitzigen Drehungen für ein paar Momente aussetzen. Link reagierte sofort und durchbohrte ihren leicht kugelförmigen Körper mit dem Master-Schwert, sodass die Klinge auf der anderen Seite wieder herausguckte. Das Irrlicht stieß einen spitzen Schrei aus und versuchte, ihrem Mörder das Gesicht zu zerkratzen, doch sie löste sich bereits in dicke, schwarze Rauchschwaden auf. Ihre Laterne fiel klappernd zu Boden, wo ihr Glas klirrend zersplitterte. Navi schlug sich die Hände vor den Mund und beobachtete nervös, wie die rote Flamme kreiselnd durch die Luft tanzte, bis sie sich in einer in der Nähe stehenden, goldenen Fackel wieder vollständig entzündete. Link runzelte nachdenklich die Stirn und fragte sich, weshalb seine Fee sich so viele Gedanken um ein seltsam leuchtendes Feuer machte, als er hinter sich ein leises Wispern vernahm, das wie rauschende Blätter im Wind klang: „Ich danke dir, Herr der Zeiten, dass du mich befreit hast. Rette bitte auch die anderen.“ Erschrocken riss der junge Mann die Augen auf und starrte die Fackel an. „W-W-Was ist das?“ „Nicht was, du Depp, sondern wer!“ Verwirrt blinzelte er Navi an, die genervt mit den Augen rollte. „Du hast echt keine Ahnung, oder?“ Zaghaft schüttelte er mit dem Kopf und betrachtete rätselnd das seltsame Feuer. Das sollte ein Wer sein? „Diese Lichter aus der Haupthalle, die die Irrlichtschwestern gestohlen haben, sind die Seelen der Schutzgeister dieser Wälder.“ „Schutzgeister?“ Link blinzelte seine Fee irritiert an. Von was redete sie? Der junge Mann kratzte sich nachdenklich an der Stirn, während er sich dunkel an das letzte Gespräch mit Salia erinnerte. Hatte sie damals nicht auch die Schutzgeister der Wälder erwähnt? Unterdessen atmete Navi tief durch und rieb sich über die Stirn. „Wie lange hast du im Kokiri-Wald gelebt? Elf Jahre? Und die ganze Zeit hast du nicht gewusst, wer über diese Wälder wacht?“ Betreten schaute Link auf seine Stiefelspitzen. „Ich hab halt gedacht, das macht der Deku-Baum...“ Theatralisch seufzend legte die Fee den Kopf schief. „Der Deku-Baum war doch nur der Wächter über das Kokiri-Dorf und Beschützer von Farores Kettenanhänger. Die eigentlichen Wälder rund um das Dorf beschützen diese vier Geister. Also beweg deinen Hintern und befrei sie alle!“ Eiligen Schrittes hastete Link durch den runden Raum, in dem er den Bogen gefunden hatte. Auf der anderen Seite hatte er noch eine Tür gesehen, die aus der Halle herausführte, und da er weiter vorne schon alles untersucht hatte, wollte er seinen Weg tiefer in den Tempel dort fortsetzen. Die aufwändig gearbeitete Holztür führte in ein weiteres Treppenhaus, ähnlich dem, wo Hetti ihr Unwesen getrieben hatte. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend stieg Link die Treppen hinauf, als er an der Wand gegenüber ein Ölgemälde entdeckte, das die blaugewandete Irrlichtschwester zeigte. Navi betrachtete es schaudernd und bleckte mit einem stechenden Blick die Zähne. „Das ist Netti, der zweite Zwilling. Aber lass dich von dem Namen nicht täuschen. Nett ist sie bestimmt nicht.“ Link grinste ob der intensiven, offenen Feindseligkeit seiner Fee ein wenig in sich hinein und legte einen Pfeil an. Der linke Arm zitterte leicht, als er den Bogen spannte, doch das Geschoss fand dennoch treffsicher sein Ziel und brachte das Gemälde dazu, in blauen Flammen aufzugehen. Schnell waren auch die anderen zwei Bilderrahmen entdeckt und Netti, die der junge Mann in einem nur kurzen Kampf niederstreckte, aus ihrem Versteck gelockt. „Irgendwie hätte mir klar sein müssen, dass sie dieselbe Strategie anwendet wie ihre Zwillingsschwester“, murmelte Navi, während sie Link beobachtete, der hustend in den blauschwarzen Rauchschwaden stand und sein Schwert zurück in die Scheide steckte. Die wasserblaue Flamme, die in Nettis Laterne gefangen gewesen war, wirbelte durch die Luft und fand eine weitere goldverkleidete Fackel. Unsicher verneigte Link sich vor dem Feuer, so wie er es bei Navi sah, und beeilte sich dann, weiter voranzuschreiten. Der Gedanke, dass diese Lichter in Wirklichkeit Schutzgeister sein sollten, war ihm nicht geheuer. Ob sie ihn verzaubern könnten, wenn er sie versehentlich beleidigen würde? Einige Zeit wanderte er stumm neben Navi her, die in Gedanken versunken zu sein schien, und beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Irgendwie wirkte sie angespannt und gereizt, seit die Irrlichtschwestern aufgetaucht waren. Ob alles in Ordnung mit ihr war? Zögerlich befeuchtete er seine trockenen Lippen mit der Zunge und holte tief Luft. „Was ist eigentlich mit dir los?“ Die Fee warf ihm einen schnellen Seitenblick zu und blinzelte irritiert. „Nichts, alles bestens.“ Mit einem schnaubenden Geräusch stieß Link Luft aus der Nase aus. „Das kannst du mir nicht erzählen. Denk dran, ich kenn dich jetzt schon eine Weile. Und ich sehe dir an deinem zierlichen Stupsnäschen an, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Etwas, das mit den Irrlichtschwestern zusammenhängt, nicht wahr?“ Ein paar Minuten lang sagte Navi kein Wort und kaute stattdessen mit in Falten gelegter Stirn auf ihrer Unterlippe herum. Als sie wieder zu sprechen begann, war ihre Stimme rau und belegt. „Vor einigen Jahren – noch bevor du und ich uns getroffen haben – gab es einen heftigen Streit zwischen dem Irrlichterclan und uns Feen. Es schaukelte sich immer mehr hoch und irgendwann kam es zu tätlichen Übergriffen. Aber dass wir Feen keine Kämpfer sind, weißt du selbst. Ich war an dem Tag unterwegs, etwas für den Deku-Baum erledigen, doch als ich zurückkam, merkte ich gleich, dass irgendetwas nicht stimmte. Ich rief nach meinen Eltern, aber ich bekam keine Antwort... nie mehr... weder von meinen Eltern noch von meinen beiden jüngeren Schwestern…“ Links Augen wurden groß, während er ihr zuhörte, und ein trauriger Ausdruck legte sich auf sein Gesicht. „Oh, Navi, das tut mir so leid.“ Die Fee wehrte seine Beileidsbekundungen mit einer unwirschen Handbewegung ab. „Nicht! Es ist... Ich... Davon, dass ich mich selbst bemitleide wird es nicht besser. Außerdem ist es lange her. Ich bin drüber weg... glaub ich. Aber wenn ich daran denke, dass diese vermaledeiten Miststücke jetzt auch noch gewagt haben, die Waldgeister zu entführen... Ich will sie einfach nur noch sterben sehen.“ Mit hart aufeinander gepressten Lippen starrte Navi in die Ferne und Link zuckte angesichts ihres Hasses ein wenig zusammen. Zwar konnte er ihr Gefühl nachvollziehen, doch die Intensität ihrer Zerstörungswut, die sie wie eine unsichtbare Wolke umwehte, erschreckte ihn. Gerade, als er zu der Frage ansetzen wollte, ob sie nicht der Meinung sei, ein wenig überzureagieren, drang ein dumpfes Krachen an seine Ohren. Schnell wechselte er einen Blick mit Navi und hastete los, auf der Suche nach dem Ursprung des Geräusches. In dem fraglichen Raum angekommen, staunten die Beiden nicht schlecht: Das Krachen stammte von der Decke des länglichen Ganges, die immer wieder herunterfiel und von einem offensichtlich defekten Mechanismus wieder hochgezogen wurde, bevor sie wieder hinabsauste, anstatt oben einzuhaken. Grübelnd stand Link in der Eingangstür und fragte sich, wie er den Raum durchqueren sollte. Der Ausgang war zu weit weg, selbst wenn er rannte als wäre ihm Ganondorf persönlich auf den Fersen, würde er ihn nicht rechtzeitig erreichen, bevor er von der Decke zerquetscht würde. Gerade, als er überlegte, ob er einen anderen Weg suchen sollte, stieß Navi ihn leicht an. „Sieh mal, da sind Löcher in der Decke. Wenn du von Loch zu Loch flitzt, solltest du die Tür dort hinten erreichen können. Ich fliege vor und zeige dir, wo sich die Löcher befinden.“ Bevor Link protestieren konnte, das sei viel zu gefährlich, schoss sie schon davon. Mit ihrer Hilfe schaffte er es, den eigenartigen Raum zu durchqueren. Dennoch war er froh, als er ihn hinter sich lassen konnte. Erleichtert drehte er den Türknopf herum und trat in einen großen, viereckigen Raum, der bis auf ein Gemälde an der Wand vollkommen leer zu sein schien. Navi deutete auf das grüne Irrlicht, das auf dem Bild zu sehen war. „Das ist Etti, die Jüngste und wahrscheinlich Harmloseste der Vier.“ Etti hatte genau wie Netti die Kapuze ihres Gewands bis in die Stirn gezogen, nur dass ihres nicht blau, sondern grasgrün war. Der Ausdruck in ihren runden, gelben Augen hatte etwas Unschuldiges, doch Link zückte dennoch Pfeil und Bogen, denn die Schutzgeister des Kokiri-Waldes brauchten ihn. Außerdem wollte er Navi bei ihrer Rache helfen, auch wenn er sich nicht sicher war, ob dies tatsächlich der richtige Weg war. Anders als erwartet, ging das Gemälde jedoch nicht in Flammen auf, als der Pfeil es durchbohrte. Stattdessen fielen fünf große, bemalte Blöcke von der Decke. Link blickte fragend zu Navi, die sich das Ganze von einem höheren Standpunkt aus ansah. „Das ist ein Puzzle. Ich schätze mal, du musst das Bild von Etti zusammensetzen. Der Klotz rechts neben dir gehört allerdings zu einem Bild von Netti, den kannst du vernachlässigen.“ Der junge Mann nickte und machte sich an die anstrengende Arbeit. „Nein, noch ein Stückchen nach links... Links sagte ich, links! .... Das andere Links! ... Und jetzt noch ein Stück nach vorne und du hast es.“ Mit Navis Hilfe schaffte Link es, alle Blöcke richtig zusammenzuschieben. Kaum, dass die letzte Kante richtig angelegt war, lösten sich die Klötze mit einem leisen „Puff!“ auf und Etti erschien. Zunächst schien sie ein wenig zögerlich, aber dann stürzte sie sich genau wie ihre Schwestern auf Link, der mit einem beherzten Sprung zur Seite sprang und seinerseits zu einer Attacke ansetzte, die das junge Irrlicht sein Leben kostete. Für einen Moment sah Navi ein wenig bedrückt aus, doch dann deutete sie mit grimmiger Entschlossenheit auf eine Tür neben der goldenen Fackel, in der nun das apfelgrüne Feuer aus Ettis Laterne brannte. „Da drüben geht es weiter.“ Link trat durch die Tür und stellte fest, dass er sich erneut in der großen Haupthalle befand, in der drei der Fackeln wieder brannten – die Blaue, die Grüne und die Rote. Auf der Stelle, wo der Fahrstuhl in den Boden versunken war, saß ein kleines, lila gekleidetes Häufchen Elend und weinte bitterlich. Navi stieß einen verächtlichen Laut aus. „Ja, heul ruhig, Betti. Jetzt weißt du, wie es sich anfühlt, wenn man diejenigen verliert, die man liebt...“ Ihre Stimme war ein scharfes Zischen und Link warf ihr einen erschrockenen Seitenblick zu, aber er hatte keine Zeit irgendetwas zu sagen, denn die Älteste der Irrlichtschwestern hatte ihn entdeckt und durchbohrte ihn mit Augen, die vor lauter Feindseligkeit geradezu Funken versprühten. Link rechnete damit, dass sie ihn jeden Augenblick angreifen würde, und zog sein Schwert. Doch anstatt sich Hals über Kopf in einen Kampf zu stürzen, stieß Betti einen langgezogenen Schrei aus und vervierfachte sich plötzlich. Überrascht riss Link die Augen auf und beobachte mit sich langsam ausbreitender Gänsehaut auf Armen und Beinen wie die vier Bettis ihn einkreisten. Schnell machte er einen Ausfallschritt nach vorn und ließ das Master-Schwert, dessen Klinge in dem dreifarbigen Licht, das die Halle erhellte, bunt schillerte, auf eines der Wesen hinabsausen, jedoch ohne Erfolg. Die scharfe Schneide schnitt durch die Illusion wie durch Luft. Panisch ließ Link seinen Blick zwischen den Bettis hin und her huschen. Welche war bloß die Echte? Alle Vier sahen absolut identisch aus! Plötzlich sah er Navi, die sich mit einem Pfeil in ihren kleinen Händen und einer hassverzerrten Fratze einer der Bettis von hinten näherte. Sofort holte er aus und schlug dem Irrlicht den Kopf von den Schultern. Während der dicke, schwarze Rauch sie einhüllte und die violette Flamme zurück zu ihrer Fackel tanzte, blickte Link seine Fee wütend an. „Was zum Henker glaubst du da zu tun?“ „Ich... ich...“ „Hast du wirklich geglaubt, dir ginge es besser, wenn du sie selbst umbrächtest?“ Betreten sah Navi zu Boden. „Ich weiß es nicht.“ Der Fahrstuhl fuhr quietschend wieder nach oben, sodass Link ihn hätte besteigen können, aber der junge Mann ignorierte ihn. „Dann lass es mich für dich beantworten: Nein, hättest du nicht. Du hast keine Ahnung, wie es sich anfühlt, eine andere Kreatur mit eigenen Händen zu töten – und das ist gut so. Mach so etwas nie wieder, hörst du? Ich kann deinen Hass ja verstehen, aber...“ Er schüttelte den Kopf und setzte neu an: „Bring dich bitte einfach nie wieder so in Gefahr und lass mich die Drecksarbeit machen. Okay? Dafür sind Helden schließlich da. Und jetzt lass uns sehen, was uns dort unten erwartet.“ Kapitel 26: Phantom-Ganons Bildergalerie ---------------------------------------- Der Aufzug ratterte und quietschte, während er langsam nach unten fuhr. Link starrte stur geradeaus und zählte geistesabwesend die Risse in dem immer dunkler werdenden Stein vor ihm. Navis hasserfüllte Augen, als sie hinter Betti geschwebt hatte und dem Irrlicht einen Pfeil zwischen die Schulterblätter hatte rammen wollen, gingen ihm einfach nicht aus dem Kopf. War es das, was Liebe aus einem machte? Wie würde er reagieren, wenn jemand Salia, Navi oder Zelda etwas tun würde? Er stellte sich vor, Ganondorf hätte vor sieben Jahren Impas Schimmel eingeholt und Zelda in seine Fänge bekommen. Vor seinem geistigen Auge sah er die junge Prinzessin panisch um Hilfe rufen, während der teuflische Gerudo dämonisch lachend über ihrem geschundenen Körper stand. Eine unbändige Wut wallte in ihm auf und er schlug mit voller Kraft gegen den hölzernen Rahmen des Fahrstuhls, wodurch ein knirschendes Geräusch entstand und Navi, die bisher stumm und traurig auf dem Boden gesessen hatte, erschreckt aufblickte. Doch der junge Mann beachtete sie gar nicht. Er sah auf seine zitternde Faust und schwor sich, Ganondorf bitter dafür bezahlen zu lassen, wenn er Zelda oder einem seiner anderen Freunde etwas angetan haben sollte. Navi legte ihm plötzlich besorgt guckend eine Hand an die Wange, an der sich eine einzige Träne der Verzweiflung ihren Weg bahnte, und sah ihm tief in seine königsblauen Augen. „Was ist los? Wenn es meinetwegen ist... Es tut mir wirklich leid. Ich... Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich schwöre dir, dass ich so etwas Dummes nie wieder tun werde. Großes Ehrenwort!“ Mit einem traurigen Seufzen wandte Link seinen Blick ab. „Dafür weiß ich genau, was mit dir los war. Glaub mir, ich kann es nur zu gut verstehen...“ Der Fahrstuhl verlangsamte seine Fahrt merklich und kam mit einem nach Husten klingenden Ächzen zum Stehen. Mit einem verloren wirkenden Blick strich Link über das glatte Holz des Fahrstuhlrahmens, während seine Gedanken noch immer um die hylianische Prinzessin kreisten. Zelda... Wo sie wohl steckte? Der Kellerraum war ein riesiges, fast rundes Gewölbe mit zwei hervorstehenden Steinquadern, die in der Wand befestigt zu sein schienen, und zwei quadratischen Durchgängen. Während der eine ins Nichts führte und man in der Ferne den gleichen grauen Stein sah, aus dem auch die anderen Wände bestanden, entdeckte Navi am hinteren Ende des anderen Gangs eine prunkvolle Holztür. „Link, sieh mal. Findest du nicht auch, dass diese Tür wichtig aussieht? Vielleicht finden wir dahinter endlich den Weisen des Waldes!“ Der junge Mann trat neben seine Fee und betrachtete die sorgsam gearbeiteten Goldapplikationen und die kunstvolle Malerei auf dem edel aussehenden Holz. „In der Tat…“, murmelte er und ging mit nachdenklichem Gesicht einen Schritt zurück. „Schade nur, dass sie außer Reichweite ist.“ Er klopfte mit dem Fingerknöchel gegen das Eisengitter, welches weiteres Vordringen unmöglich machte, und blickte sich fragend im Raum um, auf der Suche nach einem Schalter, der das Gitter verschwinden lassen würde. Nachdem er mehrere Male erfolglos den Raum umrundet hatte, trat er frustriert gegen die breiten Gitterstäbe und fluchte leise vor sich hin. Navi kam ihrerseits ebenfalls von einem Rundflug zurück und balancierte über einen der großen, vorstehenden Steinquader. „Jetzt mach nicht so ein Gesicht. Wir werden die Lösung schon noch finden. Das haben wir doch immer.“ Sie versuchte zuversichtlich zu klingen, doch als sie Links bohrenden Blick sah, wurde ihre Stimme immer dünner. „Vielleicht haben wir aber nicht die Zeit, hier ewig und drei Tage herum zu suchen?! Hast du das Kokiri-Dorf etwa schon vergessen? Und was ist mit Salia? Mido hat gesagt, sie sei hier, aber wir haben schon so ziemlich jeden Stein in diesem verdammten Tempel umgedreht. Hast du sie etwa gesehen? Ich nicht! Was, wenn sie hinter dieser Tür da ist und ihr die Zeit davonläuft, während wir hier reden? Entschuldige, aber mein Frohsinn und meine Zuversicht sind mir für den Moment abhandengekommen.“ Wütend griff er unter eine Querstrebe des Gitters und versuchte mit aller Kraft, es hochzustemmen. Er hatte das Gefühl, seine Füße müssten durch die Bodenplatten brechen, so sehr wie er sich bemühte, doch das Eisengeflecht in seinen Händen bewegte sich keinen Millimeter. Navi ließ sich am Rand des Steinquaders nieder und überschlug die Beine, während sie Link bei seinem unmöglichen Unterfangen beobachtete. Unter seinen Achseln bildeten sich große, dunkle Flecken und der Schweiß tropfte ihm von Stirn, Kinn und Nase, doch er dachte nicht ans Aufgeben. Mit grimmig aufeinander gepressten Lippen und angespannten Kiefermuskeln zog und zerrte er an dem Gitter, bis seine schweißnassen Hände abrutschten und er schwungvoll nach hinten stolperte. Mit einem lauten Knurren trat er erneut gegen die Eisenstäbe. „Verfluchtes seist du, verdammtes Mistding!“ Navi kratzte sich nachdenklich mit einem Zeigefinger an der rechten Schläfe. „Irgendwie wirkst du ziemlich gestresst und aggressiv, seit du in der Halle der Weisen wieder aufgewacht bist.“ Link warf ihr einen warnenden Seitenblick zu und die junge Fee fürchtete bereits, sie sei dieses Mal mit ihren Sticheleien zu weit gegangen, als er resigniert aufseufzte und sich über die müden Augen rieb. „Ich weiß. Es ist einfach, dass ich das Gefühl hab, an allem schuld zu sein. Ich habe das Master-Schwert aus dem Zeitfels gezogen, ich habe Ganondorf ins Heilige Reich gelassen... An all dem Leid, das du da draußen siehst, trage ich Mitschuld.“ Navi wollte protestieren, dass er ja nicht hatte ahnen können, dass das Master-Schwert ihn bannen würde, doch als sie die Tränen in seinen Augen sah, blieb sie stumm. Vielleicht war es ja ganz gut, wenn er sich alles von der Seele reden konnte. Langsam und mit gesenktem Blick kam er auf sie zu, bis er vor dem Steinquader stand. „Ohne mich hätte Ganondorf niemals das Triforce in seine Hände bekommen und wäre nie der Großmeister des Bösen geworden. Und jetzt ist auch noch Salia in Gefahr und ich schaff es nicht einmal so ein popeliges Gitter zu bewegen. Es ist alles meine Schuld! Meine Schuld! Meine Schuld!“ Schluchzend schlug er immer wieder auf den Steinquader ein, der ihn um mehrere Meter überragte, aber dennoch die hohe Decke nicht berührte. Dicke Tränen der Wut und der Verzweiflung kullerten über seine Wangen und tropften von seinem Kinn auf die grüne Tunika, wo sie dunkle Flecken hinterließen, während er sich mit schmerzenden Händen an dem harten Stein abreagierte. Navi sah mit gequältem Blick zu ihm hinunter. Sie konnte gut nachvollziehen, wie er sich fühlte. Auch sie hatte sich damals schreckliche Selbstvorwürfe gemacht und sich gefragt, ob ihre Familie noch leben könnte, wäre sie an jenem schicksalhaften Tag zu Hause gewesen. Sie richtete sich gerade auf und wollte sich in Links volles Haar kuscheln, um ihn ein wenig zu beruhigen, als der Quader unter den kräftigen Schlägen nachgab und ein Stück verrutschte. Erschrocken riss Link den Kopf hoch und blickte verwirrt aus vom Weinen geröteten Augen zu Navi auf, die durch die plötzliche Bewegung ins Straucheln geraten und auf dem Hintern gelandet war. Sein Gesicht war blass, was seine Haut in dem silbrigen Feenlicht fast grau und das Hämatom unter dem rechten Auge tiefschwarz wirken ließ, und tränennass. Unstet schwirrte sein noch immer leicht verschleierter Blick durch den Raum, als ihm plötzlich etwas auffiel. Überrascht schnappte er nach Luft und deutete auf den Gang, der durch das Eisengitter versperrt war. „Navi, sieh mal!“ Neugierig folgte die Fee seinem Blick und klatschte freudig in die Hände. „Das ist es! Offensichtlich ist das hier“, sie klopfte an die Steinwand hinter ihr, „nicht die äußerste Wand dieses Raumes. Scheinbar ist das alles, was wir hier sehen eine Art steinerner Gürtel. Vielleicht entdecken wir den Schalter für das Gitter, wenn wir den Gürtel drehen.“ Sofort stürzte Link sich mit neuer Kraft und neuem Elan an die kraftaufwändige Arbeit, den schweren Steinkreis zu verschieben. Er stemmte sich mit seinem gesamten Körpergewicht gegen den Steinquader, während Navi in der Mitte der Halle schwebte und die beiden Durchgänge im Auge behielt. „Stopp! In dem Durchgang links von dir ist ein Bodenschalter.“ Schnell rannte der junge Mann auf den viereckigen, bronzeschimmernden Schalter zu und sprang mit einem kurzen Hopser auf die flache Oberfläche. Kaum, dass der Schalter zu Boden gedrückt war, hörte man, wie ein Gitter rappelnd hochgezogen wurde, aber Navi schüttelte den Kopf. „Das kam aus der falschen Richtung. Das heißt wohl, wir müssen weitersuchen.“ Insgesamt fanden sie noch zwei weitere Druckschalter und erst beim Betätigen des Letzten kam das Geräusch endlich aus dem richtigen Gang. Schnell schmiss Link sich wieder gegen den Steinquader und schob mit voller Kraft, bis die kunstvoll verzierte Tür wieder in Sicht kam – dieses Mal ohne störendes Eisengitter. Er atmete keuchend und das Haar, das ihm ins Gesicht hing, war schweißverklebt, doch der junge Held gönnte sich keine Pause. Stattdessen winkte er Navi zu sich heran und trabte eiligen Schrittes auf die geheimnisvolle Tür zu. Würde er dahinter endlich Salia oder den Weisen der Wälder finden? Der Raum hinter der breiten Tür war ebenfalls kreisrund und wurde von geheimnisvoll wirkendem, blauem Licht erhellt. Eine kurze Treppe führte hinauf zu einem niedrigen Steinpodest, das fast den gesamten Raum ausfüllte und von einem aus goldener Kordel und Messingstäben bestehenden Zaun umgrenzt war. Lediglich am Treppenabsatz befand sich ein schmaler Durchgang. Entschlossen stieg Link die wenigen Stufen hinauf, obwohl irgendetwas in diesem Raum die Haare in seinem Nacken und auf seinen Unterarmen zum Stehen brachte. Auch Navi blickte unruhig hin und her und fragte mit piepsiger Stimme: „Findest du es nicht auch unglaublich kalt hier drin?“ Link zuckte mit den Schultern und trat durch den Durchgang. Er wollte Navi nicht zusätzlich beängstigen und verschwieg ihr deshalb, dass auch ihm ein Schauer nach dem anderen über den Rücken lief. Das Podest war mit dickem blaugrauem Teppich ausgelegt, der die Schritte des jungen Mannes schluckte, während er sich langsam um die eigene Achse drehend im Raum umsah. Die Wände waren in einem immer gleich bleibenden Abstand mit mehreren Gemälden geschmückt, die alle dasselbe Motiv zeigten: Ein verloren wirkender Landweg bei Nacht, der sich durch eine trostlose Gegend mit mehreren kahlen Bäumen schlängelte. Link schauderte und schaute weg. Diese Bilder hatten etwas Gruseliges, doch sie waren das Einzige, das sich neben den beiden Abenteurern, dem Kordelzaun und dem ausgetreten wirkenden Teppich mit aufgestickten, goldenen Triforce-Symbolen im Raum befand. Resigniert schaute Link zu Navi auf, die ihn mit ähnlich müdem Gesichtsausdruck ansah. „All die Mühe für nichts...“ Er spürte einen dicken Kloß im Hals und neue Tränen brannten in seinen Augen, dennoch versuchte er tapfer, die Ruhe zu bewahren. „Lass uns woanders suchen. Vielleicht haben wir irgendwo etwas übersehen.“ Mit schnellen Schritten näherte er sich der Treppe, als plötzlich mehrere Messingstangen aus dem Boden nach oben sausten und den Durchgang versperrten. „Was zum –“, setzte Link überrascht an, als er hinter sich plötzlich ein bedrohliches Schnauben vernahm. Erschrocken wirbelte er herum und erstarrte augenblicklich. Navi, die sich in demselben Moment umschaute, schnappte hörbar nach Luft und begann heftig zu zittern. Vor den Beiden stand ein imposanter Rappe mit rotglühenden Augen und einem hünenhaften, dunkel gekleideten Reiter mit rotem Haar und stechendem Blick. Unsicher machte Link einen Schritt zurück, wobei er gegen die Messingstäbe stieß, und zog sein Schwert. „G-Ganondorf...“ Die Stimme des jungen Helden zitterte ein wenig, doch er versuchte seine Angst hinunter zu schlucken, während sein Gegenüber herzhaft lachte. Navi presste sich flach an die Wand, um in dem plötzlich zu eng wirkenden Raum so weit weg von Pferd und Reiter zu kommen wie nur irgendwie möglich. Der rothaarige Mann lachte noch immer diabolisch und Link standen sämtliche Haare zu Berge, als Ganondorf sich mit einer Hand übers Gesicht fuhr, wobei ein dunkel wirkendes Licht von seiner Handfläche auszugehen schien. Als er den Arm wieder senkte, hatte sich sein Kopf in einen fratzenhaften Knochenschädel verwandelt. Vor Überraschung sog Link scharf Luft ein und fasste mit verschwitzten Händen den Griff seines Schwertes fester. Navi jedoch entspannte sich bei diesem Anblick wieder ein wenig und schoss in Windeseile auf ihren Begleiter zu. Sie kroch ihm fast in die längliche Ohrmuschel, so nah rückte sie an ihn heran, als sie ihm ins Ohr flüsterte: „Das ist nicht Ganondorf. Das ist Phantom-Ganon, nichts weiter als Ganondorfs Schatten, der mit Dämonenmagie zum Leben erweckt wurde.“ Mit großen Augen sah Link zu dem Reiter hinüber, dessen Pferd sich von seinem schaurigen Lachen begleitet in die Luft erhob und geradewegs in eines der Gemälde galoppierte. Mit vor Überraschung offen stehendem Mund starrte der junge Held noch lange auf den gemalten Landweg, auf dem das dämonische Gespann verschwunden war. Plötzlich stieß Navi ihn an und brüllte: „Vorsicht, hinter dir!“ Reflexartig vollführte der überraschte Kämpfer eine halbe Drehung zur Seite und entging nur knapp einer Attacke Phantom-Ganons, der wieder in einem anderen Gemälde verschwand. „Du übernimmst die Hälfte der Bilder und ich diese hier“, dirigierte Navi in harschem Ton und ließ ihren Blick umher huschen. „Hab ihn!“ Irritiert blickten die beiden Abenteurer sich über die Schulter hinweg an, als sie Beide gleichzeitig den Angreifer entdeckt zu haben glaubten. Verwirrt behielten Mann und Fee ihren jeweiligen Reiter im Auge, bis Navi ärgerlich knurrte. „Ein Illusionsdoppelgänger. Mein Phantom-Ganon hat gerade gewendet, deiner ist der echte.“ Konzentriert wich Link einer weiteren Attacke aus, als der Angreifer sich aus dem Bild stürzte, und schlug mit dem Schwert nach ihm, doch er durchschnitt lediglich die Luft. „Verdammt! Er ist zu weit weg. Ich komme nicht an ihn ran!“ „Wozu hast du denn einen Bogen, wenn du ihn nicht benutzt, du Held?“, schimpfte Navi, während sie verzweifelt herauszufinden versuchte, welcher der beiden Reiter, die durch zwei nebeneinander hängende Gemälde ritten, der Echte war. Schnell zückte Link seine edle Schusswaffe und zielte auf gut Glück auf den Linken der beiden Angreifer. „Bingo!“, murmelte er jubelnd, als Phantom-Ganon aus dem Bild brach, und ließ die Sehne los. Der Pfeil sauste durch die Luft und bohrte sich tief in die Schulter des Reiters, was ihn zu Fall brachte. Kaum, dass er aus dem Sattel gekippt war, löste sich sein Ross auch schon in dünne, schwarze Rauchfäden auf und verschwand. Dennoch war dem noch immer in der Luft schwebenden Phantom das Lachen noch nicht vergangen, was Link grimmig knurren ließ: „Ich werde dir deine gute Laune schon noch austreiben. Mach dich auf was gefasst!“ Erneut spannte er den Bogen mit voller Kraft und schoss einen Pfeil auf die amüsiert lachende Gestalt los. Doch anstatt getroffen zu Boden zu gehen, zückte diese ihren langen, silbernen Stab, mit der sie zuvor Link angegriffen hatte, und wehrte den Pfeil ab, indem sie eine kopfgroße Energiekugel auf Link schleuderte, welche die Flugbahn des Pfeils ablenkte. Die scharfe Spitze bohrte sich tief in die steinerne Wand, gleich neben Navis Kopf, die erschrocken zusammenzuckte und erbost rief: „Pass doch auf, du Idiot!“ Ob sie damit die Phantomgestalt oder ihren Begleiter meinte, war diesem nicht ganz klar… Ein Energieball nach dem anderen prasselte auf den jungen Mann nieder, der gehetzt hin und her sprang, um ihnen zu entgehen. Navi beobachtete nervös, wie er immer mehr außer Atem geriet und langsamer wurde, als ihr eine Idee kam. „Benutz das Master-Schwert!“ „Wie denn?“, keuchte Link, der nur knapp einer grell leuchtenden Kugel ausweichen konnte. „Ich erwisch ihn da oben niemals.“ „Schleuder damit die Energiebälle zurück. Seine Klinge wurde gesegnet, damit sie Böses abwehren kann – das gilt bestimmt auch für Dämonenenergie.“ Schnell zückte der junge Herr der Zeiten seine heilige Waffe und schlug kräftig auf einen der heranfliegenden Bälle. Die Kugel glitt über das kühle Eisen, änderte plötzlich ihre Flugrichtung und sauste mit atemberaubender Geschwindigkeit auf Phantom-Ganon zu, der nicht in der Lage dazu war, schnell genug zu reagieren. Der Energieball explodierte auf seinem Körper und riss ihn zu Boden, wo Link bereits mit dem Master-Schwert in der Hand wartete und ihm die Klinge tief in die Brust rammte. Das Phantom wand sich wie unter Schmerzen, röchelte und spuckte eine dunkle Flüssigkeit aus, als Link sein Schwert aus seinem Körper zog. Die Messingstäbe sanken langsam zurück in den Boden und gaben den Ausgang endlich wieder frei. Navi setzte sich auf die Schulter des jungen Mannes und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Gut gemacht.“ Die Beiden warfen einen letzten Blick auf den toten Angreifer und wollten gerade den Raum verlassen, als sich das Phantom noch einmal in die Lüfte erhob. Schnell zog Link sein Schwert, das er bereits weg gesteckt hatte, wieder aus der Scheide und betrachtete den sich auflösenden Körper argwöhnisch. Als Ganondorfs Stimme durch den Raum hallte, lief es dem Recken eiskalt den Rücken hinunter: „Du magst meinen Schatten besiegt haben, Herr der Zeiten, aber wenn du mir persönlich gegenüber stehst, wirst du keine Chance haben. Komm zu meinem Schloss und fordere mich heraus, falls du dich traust.“ Ein letztes Lachen hallte von den Wänden wider und dann war es still. Kapitel 27: Hylianisches Blut ----------------------------- Die letzten Reste des Phantomkörpers lösten sich in feinen, grauschwarzen Rauch auf und Link wollte gerade über den Treppenansatz treten, als ein seltsames, moosgrünes Licht in der Mitte des Raumes erstrahlte. Überrascht wandte der junge Mann sich erneut um, während Navi mit großen Augen auf seiner Schulter saß und sich an einer seiner Haarsträhnen festhielt. Das dunkelgrüne Licht war trotz seiner gedeckten Farbe so intensiv, dass Link blinzeln musste und versuchte, die Augen mit einer Hand zu schützen. Als der helle Schein plötzlich die Konturen eines jungen Mädchens annahm, dachte der junge Held zunächst, er würde sich täuschen, bis eine allzu bekannte Stimme an seine Ohren drang: „Lange nicht gesehen, Link.“ Der Angesprochene verengte die Augen und konzentrierte sich auf das intensiv leuchtende Mädchen vor sich. Wenn er genau hinsah, konnte er sogar ihre vertrauten Gesichtszüge ausmachen. „Salia!“ Er stürzte auf sie zu und wollte sie in die Arme schließen, doch er fasste durch sie hindurch, als wäre sie nicht mehr als Luft. „Du... Was... Was ist mit dir passiert?!“ Sein Magen verhärtete sich zu einem kleinen Knoten und sein Herz schmerzte bei jedem Schlag. Navi strich ihm zärtlich über die Wange. Salia dämmte ihr grelles Licht ein wenig, sodass Link ihren eigenartig durchsichtigen Körper besser erkennen konnte. Er schluckte an einem Kloß im Hals und streckte eine Hand nach ihr aus, obwohl er es nicht fühlte, als seine beste Freundin sie ergriff. „Mach dir keine Vorwürfe, Link“, tröstete Salia ihn und er hörte das Lächeln in ihrer Stimme. „Das hier ist nicht deine Schuld – im Gegenteil. Dank deines mutigen Einsatzes ist der Bann, der mich hier festgehalten hat, endlich gebrochen und ich kann meinen Platz in der Halle der Weisen einnehmen.“ Dem jungen Mann kippte die Kinnlade herunter und Navi schnappte überrascht nach Luft. Wie aus einem Mund stießen sie hervor: „Du bist die Weise des Waldes?!“ Salia kicherte leicht und nickte. „Ja, das bin ich – und ich bin froh darüber. Zwar kann ich nicht mehr in derselben Welt leben wie du, aber ich kann dich in deinem Kampf unterstützen. Ich werde immer an deiner Seite sein.“ Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und verwandelte sich wieder in einen grellen Lichtball. „Ich bin stolz auf dich, Link. Ich habe immer gewusst, dass du zu Höherem bestimmt bist.“ Mit diesen Worten erhob sich die grüne Salia-Lichtkugel in die Höhe und verschwand durch die steinerne Decke, während Link versuchte, nach ihr zu greifen. „Warte! Ich habe noch eine Frage: Was wolltest du mir vor sieben Jahren eigentlich noch sagen?“ Doch die Weise des Waldes war bereits verschwunden und hatte die beiden Abenteurer allein gelassen. Navi strich ihrem Schützling, der sie aus großen, traurigen Augen ansah, ein paar Haare aus dem Gesicht und lächelte ihn aufmunternd an. „Wer wird hier denn so ein Gesicht machen? Du hast sie befreit. Du hast sie nicht enttäuscht. Es war schon immer ihr Schicksal als Weise des Waldes an deiner Seite zu stehen. Nicht nur du trägst eine uralte Seele in deiner Brust. Alle Weisen sind Reinkarnationen der legendären ersten Weisen.“ Etwas durchzuckte Link und ließ sein Herz rasen. Während er die Stimme des sterbenden, schwarzhaarigen Helden hörte, der seiner Zelda versprach, sie würden sich wiedersehen, stieg ihm aus unerfindlichen Gründen die Schamesröte ins Gesicht und er wandte sich schnell ab. Er ging derart zügig auf den Fahrstuhl zu, dass Navi Schwierigkeiten hatte, wieder zu ihm aufzuschließen. Als sie die roten Flecken auf seinen Wangen sah, musste sie grinsen und fragte süffisant: „Dir brennt doch eine Frage unter den Nägeln, nicht wahr?“ Link starrte stur auf den vorbeisausenden Stein, während der Fahrstuhl quietschend nach oben fuhr. Navi, die seine Gedanken erriet, entfernte ein wenig Dreck unter ihren Fingernägeln und sagte leichthin, so als würde sie lediglich über das Wetter reden: „Prinzessin Zelda, die Verlobte des ersten Herrn der Zeiten, war die siebte Weise, die Weise der Harmonie. Folglich wird auch sie immer wiedergeboren und es heißt, die Seelen von Held und Prinzessin lieben sich noch immer. Aber ich kann dir nicht sagen, ob ihre Wiedergeburt die Zelda ist, die du kennst. In der Hoffnung, eine der Königstöchter würde in die Fußstapfen der ersten Zelda treten, wurden fast alle Prinzessinnen nach ihr benannt – ebenso wie viele andere, gewöhnliche Mädchen.” „Hm-mh“, Link tat als hätte es ihn überhaupt nicht interessiert und trat aus dem Fahrstuhl, während er Navis breites Grinsen in seinem Rücken spürte. Doch anders als er erwartete, blieb sie stumm und ersparte ihm weitere Sticheleien. Mido stand noch immer vor dem schmalen Durchgang und sah aus großen Augen zu Link auf. „Schön, dass Sie wieder wohlbehalten zurück sind, Sir, aber erlauben Sie mir eine Frage: Wo ist Salia?“ Unwohl trat der junge Mann von einem Bein aufs andere und biss sich auf die Unterlippe. Dann atmete er tief durch und blickte dem Jungen vor sich fest in die Augen: „Salia wird nicht mehr kommen.“ Midos Augen wurden groß, aber er blieb stumm, während Link weitersprach: „Sie ist die Weise des Waldes. Ich habe selbst mit ihr gesprochen. Sie hat ihre Bestimmung akzeptiert und ist ins Heilige Reich aufgebrochen.“ Mehrere Herzschläge lang starrte Mido ihn wortlos an, doch dann stürzte er sich plötzlich auf ihn und prügelte mit seinen schmalen Fäusten gegen Links muskulöse Brust. „Das ist doch nur eine Ausrede, weil Sie versagt haben. Sie haben Salia im Stich gelassen! Und ich hab Ihnen vertraut! Mir hätte klar sein müssen, dass dem Urteil dieses feenlosen Versagers nicht zu trauen ist!“ Link wich ein paar Schritte zurück, mehr durch die Worte als durch die Schläge getroffen. Navi warf ihm einen besorgten Blick zu, als plötzlich mehrere Kokiri durch das Unterholz brachen. „Mido! Du musst schnell zurück ins Dorf kommen. Es ist etwas passiert. Der Deku-Baum...“ Den Rest des Satzes verstand Link nicht mehr, da die Kokiri schon wieder zwischen den Büschen und Bäumen verschwunden waren. Mit einem letzten bitterbösen Blick ließ der Anführer der Kokiri Links Tunika los und rannte davon, während Navi ein bestürztes Gesicht machte. Was konnte nur beim Deku-Baum passiert sein? Als sie durch das dichte Blätterwerk der Verlorenen Wälder brachen, stand Epona noch immer an derselben Stelle, an der sie zurückgelassen worden war, doch Link beachtete das treue Tier kaum. Stattdessen hetzte er mit keuchendem Atem hinter Navi her, die geradezu panisch auf den Deku-Baum zuhielt. Epona schnaubte missbilligend und trabte wie ein Hund hinter ihrem Herrn her. Völlig außer Atem kam Link schließlich auf der Lichtung des toten Deku-Baums an, wo die Kokiri mit bunten Blütenkränzen geschmückt umhertanzten oder vor einem knollenartigen Gewächs knieten, das zwischen zwei gewaltigen Wurzeln des Deku-Baumes aus der Erde ragte. Freudig lachend wirbelten die Waldkinder um ihren Besuch herum und schmückten Eponas Sattel und Zaumzeug mit kleinen Blüten, die in Rosa, Hellblau, Weiß und einem zarten Orangerot leuchteten. Vorsichtig kämpfte Link sich durch die feiernde Masse und ging langsam auf das Knollengewächs zu, wo er neben Mido auch Navi entdeckt hatte. Mit einem eigenartigen Gefühl tief in seinem Herzen schob er ein Kokiri-Mädchen sanft aus dem Weg. All seine früheren Bekannten wirkten plötzlich so klein, zart und verletzlich. Selbst die Größten unter ihnen reichten ihm kaum bis zur Brust. Er hatte sich noch nie in seinem Leben so fehl am Platz gefühlt. Als er sich neben Mido kniete und einen Blick zu Navi heraufwarf, die über dem eigenartigen Gewächs in der Luft schwebte und sich beide Hände flach an die Nasenwurzel presste, so als würde sie weinen, warf der Anführer der Kokiri ihm einen hasserfüllten Blick zu. Mido hatte bereits den Mund geöffnet, um etwas sagen, das vermutlich ziemlich gemein war, als das Knollengewächs ihm zuvorkam: „Herr der Zeiten, ich bin froh, dass du endlich eingetroffen bist.“ Alle umstehenden Kokiri musterten Link neugierig, der unwohl an dem Kragen seines Hemdes zupfte, als wäre ihm unter all den Blicken plötzlich zu warm. „Und ich bin froh, euch zu sehen, meine Kinder“, fuhr das Gewächs fort und Link erkannte endlich, warum ihm die Stimme so bekannt vorkam. Überrascht streckte er eine Hand nach dem kugelrunden Bäumchen aus, ließ sie jedoch unverrichteter Dinge in der Luft hängen. „Ehrwürdiger Deku-Baum! Ihr seid es!“, murmelte er leise und ließ langsam die ausgestreckte Hand wieder auf seinen Schoß sinken. Der Wächterbaum klang amüsiert, als er wieder sprach: „Ja, edler Held, der bin ich. Noch bin ich zwar nur ein Spross, doch da du den Bann, der auf dem Waldtempel lag, gebrochen und die Weise des Waldes befreit hast, kann ich nun wieder wachsen und meine schützende Aura über das Dorf ausbreiten. Bereits jetzt sind alle Monster verschwunden und das alles dank dir.“ Mido musterte Link mit feindseligen Blicken von der Seite, aber der glühende Hass war aus seinen Augen verschwunden. Dennoch fühlte der junge Mann sich unbehaglich und in seine Kindheit versetzt, wo der Anführer der Kokiri ihm allein mit diesem Blick Albträume hatte bescheren können. Der Deku-Baum lachte und tadelte den Kokiri-Anführer leicht. „Mido, Mido... Du solltest diesem Mann etwas mehr Respekt entgegenbringen, schließlich hat er uns alle gerettet.“ „Und was ist mit Salia?!“ Die Stimme des Jungen klang gepresst und Link blickte mit leicht vorgezogenen Schultern auf das lange Gras neben seinen Knien. Noch immer konnte er die nagenden Schuldgefühle und den Gedanken, er hätte Salia wohlbehalten ins Dorf zurückbringen können, wenn er nur schneller gewesen wäre, nicht abschütteln. „Salia wird ihre Aufgaben als Weise des Waldes hervorragend meistern“, prophezeite der Deku-Baum. Mido riss überrascht die Augen auf und starrte geradezu entsetzt auf den jungen Mann neben ihm, der gedankenverloren an einem Grashalm fummelte. „Dann ist es also wahr? Salia ist tatsächlich die Weise des Waldes?“ „Ja, das war ihr schon immer vorherbestimmt und dieser mutige Held hat sein Leben riskiert, um sie ihrer Bestimmung zuzuführen. Wir sind ihm alle zu großem Dank verpflichtet.“ Sämtliche Kokiri begannen herzhaft zu applaudieren, nur Mido blickte starr auf Links Gesicht und musterte mit gerunzelter Stirn seine Gesichtszüge. Doch dann schickte der Deku-Baum seine Schützlinge überraschend zurück in ihr Dorf: „Geht, meine Kinder. Ich will mit dem Herrn der Zeiten sprechen, ungestört.“ Navi, die inzwischen ihre Fassung wiedererlangt hatte, schwebte auf Links Oberschenkel herab. „Gilt das auch für mich, weiser Deku-Baum?“ „Nein, meine liebe Fee. Du kannst bleiben. Aber den Rest bitte ich, zu gehen.“ Sofort verließen die Kokiri die Lichtung und ließen Epona mit einer halb in die Mähne geflochtenen Blumengirlande zurück. Nur Mido schien einen Moment zu zögern. Als die anderen Waldkinder außer Hörweite waren, legte er dem Herrn der Zeiten eine Hand auf die Schulter und drückte sacht zu, bevor er ihm zuzwinkerte. „Danke für alles... Link.“ Bevor der völlig überrumpelte Mann einen Ton herausbringen konnte, rannte der Anführer der Kokiri auch schon davon. Irritiert starrte Link dem kleinen, grünen Blitz hinterher, der in Richtung Kokiri-Dorf davonschoss, als der Deku-Baum seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zog. „Du scheinst überrascht, dass dich einer von ihnen erkannt hat.“ „Ist das ein Wunder? Für sie selbst scheint kein Tag vergangen zu sein. Wahrscheinlich erwarten sie, dass ich noch immer der Junge von damals bin.“ „Ja, das ist bei den Meisten von ihnen vermutlich tatsächlich der Fall. Die Kokiri sind eine Rasse, die niemals erwachsen wird. Sie bleiben für alle Ewigkeit Kinder und da wegen des Fluchs nur selten jemand von außerhalb des Waldes hierherkommt, ist vielen von ihnen nicht klar, dass andere Wesen sehr wohl älter werden.“ „Kokiri bleiben für alle Ewigkeit Kinder...“, murmelte Link leise vor sich hin, während Navi stumm mit einem beinah mütterlichen Blick zu ihm hinaufsah. Der junge Mann schluckte hart und richtete dann seinen Blick entschlossen auf den Deku-Baum-Spross vor ihm. „Das bedeutet, ich bin kein Kokiri. Ich bin keiner von ihnen und war es nie.“ „Das stimmt. Du bist –“ Doch bevor der Deku-Baum seinen Satz beenden konnte, sprang Link auf die Füße. Navi rollte von seinem Oberschenkel und knallte unsanft gegen das harte Holz des Baumsprösslings. Mit energischen Schritten ging Link auf und ab und ballte die Hände immer wieder zu Fäusten. „Link, hör mir zu“, setzt der Deku-Baum an, aber der junge Mann wirbelte herum und brüllte wütend: „Mein ganzes Leben war eine Lüge, die du mir aufgetischt hast! Alle im Dorf haben es gewusst, nicht wahr? Deswegen haben sie mir auch immer so deutlich gezeigt, dass ich nicht dazu gehöre, dass ich keiner von ihnen bin. Alle haben es gewusst – nur ich nicht! Und warum nicht? Weil ich dir vertraut und geglaubt habe, wenn du mir gesagt hast, ich sei ein Kokiri. Mein Gefühl hat mir immer etwas anderes gesagt. Immer!“ Erneut lief er vor dem Deku-Baum-Sprössling auf und ab, während Navi ihn besorgt beobachtete und er mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand seine Nasenwurzel massierte, um sich zu beruhigen und dem zornigen Gefühlssturm in seinem Innern Herr zu werden. Schließlich blieb er ein paar Meter vom Deku-Baum entfernt stehen und presste zwischen den Zähnen hervor: „Also gut. Sag mir, was du zu sagen hast. Aber beantworte mir zuerst ein paar Fragen: Wenn ich kein Kokiri bin, was bin ich dann? Und warum bin ich hier aufgewachsen und nicht bei meinen Eltern?“ „Das wollte ich dir gerade alles erklären, bevor du zu schreien begonnen hast. Also, komm, setzt dich und hör zu.“ Langsamen Schrittes ging der junge Mann wieder auf den Deku-Baum zu und ließ sich ins weiche Gras fallen. Navi kletterte flink zurück auf seinen Schoß und kuschelte sich in seine leblos auf seinen Oberschenkeln liegenden Hände. „Vor inzwischen fast zwei Jahrzehnten tobte in Hyrule ein schrecklicher Bürgerkrieg, der unzählige Opfer forderte. Schon damals hieß es, Ganondorf habe seine Hände im Spiel, doch nachzuweisen war ihm nie etwas. Jedenfalls standen sich in besagtem Krieg die Befürworter und Gegner eines Handelsabkommens mit den Gerudos gegenüber. Viele von denen, die gegen das Abkommen waren, nahmen besonders an dem skrupellosen Verhalten Ganondorfs Anstoß, weniger an den Gerudo selbst. Nun, jedenfalls wurden die Auseinandersetzungen immer heftiger, bis eine Gruppe der Befürworter soweit ging, dass sie den König, der durch die Nachdrücklichkeit der Abkommensgegner verunsichert war, stürzen wollten. Eines Nachts drangen sie schwer bewaffnet bis ins Schloss vor, aber ihr Angriff konnte abgewehrt werden. Jedoch wurden in jener Nacht viele Leben beendet. Unter den Gefallenen war ein junger, sehr talentierter Hauptmann der königlichen Garde, kaum älter als fünfundzwanzig Jahre. Als seine Gattin von seinem viel zu frühen Tod erfuhr, fasste sie einen Entschluss. Sie wollte nicht, dass ihr Sohn, der zu diesem Zeitpunkt nur wenige Monate alt war, inmitten eines Krieges aufwuchs. Deshalb floh sie eines Nachts mit ihrem Baby auf dem Arm, immer auf der Suche nach einem sicheren Ort, der so weit weg von Hyrule war wie nur irgend möglich. Sie muss eine lange Zeit unterwegs gewesen sein. Als sie hier ankam, waren ihre Kleider zerlumpt und ihr Körper schwach und ausgemergelt, ihr Sohn jedoch war kerngesund. Mit letzter Kraft übergab sie das kleine Bündel, in das sie ihr Kind eingeschlagen hatte, ein paar Kokiri-Mädchen, die zufällig ihren Weg kreuzten, sagte, der Junge heiße Link, und bat sie, gut für den Kleinen zu sorgen. Dann übermannte sie der Fluch und sie wurde zu einem wunderschönen Strauch mit süß duftenden, weißen Blüten. Der Strauch steht noch heute am Rand des Dorfes, du kennst ihn. Die Kokiri-Mädchen, eines von ihnen war Salia, nahmen das Baby mit zu mir und fragten mich, was mit ihm geschehen solle. In diesem Moment erschien die Eule des Rauru, die mir erzählte, in dem jungen Körper schlummere die Seele des Herrn der Zeiten, und mir im Namen der Weisen auftrug, über den Jungen zu wachen. Den Rest kennst du. Du wuchst als ein Kokiri auf, doch in Wirklichkeit entstammst du einem alten, hylianischen Fürstenhaus. Du bist Hylianer, Link.” Besorgt musterte Navi den jungen Mann, der mit ausdruckslosen Augen ins Nichts starrte und versuchte, die Geschichte seiner Familie zu verdauen. Plötzlich erinnerte er sich an ein Gespräch, das er mit seiner Fee geführt hatte, als sie unterwegs zum Schloss gewesen waren. Er sah wieder ihren eigentümlichen Blick vor sich, den sie ihm zugeworfen hatte, als sie erzählt hatte «normale Hylianer» würden von einem Fluch befallen, wenn sie den Kokiri-Wald betraten. Sie hatte versucht, ihm die Wahrheit zu sagen… Mit der Zungenspitze befeuchtete er seine trockenen Lippen, die sich ein wenig rissig anfühlten, und lächelte Navi zaghaft an, bevor er sich an den Deku-Baum wandte. „Danke, dass du mir das alles erzählt hast. Es tut gut, zu wissen, wer man ist. Ich werde jetzt ein wenig schlafen und mich dann wieder auf den Weg machen. Leb wohl, Deku-Baum.“ Mit diesen Worten hob er Navi auf seine Schulter, sprang auf die Füße und trabte zu Epona, die in der Nähe graste. Das leise „Pass auf dich auf, Link“ des Deku-Baums überhörte er fast. Liebevoll tätschelte er seiner Stute, deren Schweif und Mähne voller kleiner Sternblüten waren, den Hals und führte sie am Zügel zurück ins Dorf, wo er lange Zeit gedankenversunken vor dem weißblühenden Busch stand. Navi musterte seine angespannten Gesichtszüge, doch sie konnte sich nicht vorstellen, was in ihm vorging. Was mochte jemand denken, der zum ersten Mal im Leben bewusst seiner Mutter gegenüberstand, die noch dazu ein Busch war? Die Abendsonne war schon beinah vollständig hinter den Baumwipfeln im Westen verschwunden, als Link sich endlich abwandte und tief durchatmete. Sogar zu einem kleinen Lächeln konnte er sich durchringen. „Ich bin hundemüde. Lass uns schlafen gehen.“ Fasziniert beobachtete Navi, wie Link sich in sein viel zu kleines Kinderbett zwängte und sofort in Tiefschlaf verfiel. Als sie ihn das letzte Mal in diesem Bett gesehen hatte, hatte er es kaum ausgefüllt und nun hätten seine langen Beine über den Rand hinausgeragt, hätte er sich nicht zu einem Ball zusammengerollt. Die Fee warf einen letzten Blick aus dem Fenster und sah Epona, deren helle Mähne im Mondlicht wie Silber schimmerte, im Gras liegen. Zufrieden kuschelte sie sich in Links Mütze, die auf dem kleinen Tisch lag, und schlief ein. Kapitel 28: Feuer der Freundschaft ---------------------------------- „Ich frage mich, warum ich von dem Fluch verschont geblieben bin.“ Link saß gemütlich mit leicht hängenden Schultern in Eponas Sattel und ließ sich in gemächlichem Tempo aus dem Wald tragen. Die Morgensonne fiel in silbergoldenen Strahlen durch die Blätter der umstehenden Bäume und malte dunkle Muster auf den mit altem Herbstlaub übersäten Boden. „Hm?“ Navi, die auf der Kruppe der Stute saß und ihren eigenen Gedanken nachgehangen hatte, wandte sich dem jungen Mann zu, der über die Schulter mit ihr sprach. „Tut mir leid, ich hab dir nicht zugehört. Was hast du gesagt?“ „Ich habe überlegt, warum ich offenbar vor dem Fluch geschützt bin. Ich kann in den Kokiri-Wald kommen und gehen, wie es mir passt. Dabei bin ich kein Waldwesen so wie du oder ein Tier wie Epona. Der Fluch bezieht sich nur auf die humanuiden Rassen, nicht wahr? Hylianer, Gerudo und auch die Kokiri – nur dass bei ihnen der Fluch andersherum wirkt, sie können den Wald nicht verlassen.“ Epona riss im Laufen einen Büschel saftig aussehenden Waldgrases aus und schnaubte zufrieden. Navi legte den Kopf schief und überlegte. „Ich glaube, er bezieht sich auf alle Rassen, die sich aus den Urhylianern entwickelt haben. Wusstest du, dass du dieselben Vorfahren hast wie ein Gorone?“ Die Fee kicherte, als sie an einem leichten Muskelzucken in Links Wange erkannte, dass er das Gesicht verzog. „Nein, das wusste ich nicht…“ Navi nickte eifrig, obwohl Link es nicht sehen konnte, und strich ein paar lose Haare aus Eponas Fell. „Ist aber so. Als die drei Göttinnen die Welt schufen, kreierten sie auch ihre Bewohner: die Tiere, fast genauso wie du sie heute noch kennst, uns Feen und eine Gattung, die euch heutigen Hylianern nicht unähnlich war. Doch eine Gruppe Jugendlicher geriet in erbitterten Streit miteinander, worunter ganz besonders ihr jüngstes Mitglied schwer zu leiden hatte.“ Gedankenverloren knetete Navi den Saum von Eponas Satteldecke zwischen ihren Fingern, während sie weitererzählte: „Irgendwann wurde es so schlimm, dass die Göttinnen sie und ihre inzwischen ebenfalls heftig zerstrittenen Familien getrennt haben. Eine sollte von nun an in der Wüste leben, eine im Wasser, die Dritte im Gebirge, eine andere im Wald und die Letzte in der Steppe.“ Link nickte nachdenklich. „Gerudos, Zoras, Goronen, Kokiri und Hylianer.“ „Richtig. Diese Rassen haben sich im Laufe der Jahrtausende aus den verschiedenen Familien entwickelt.“ „Aber das erklärt noch nicht den Fluch.“ Vor ihnen schimmerte das leicht gelbliche Gras der hylianischen Steppe durch die letzten Baumreihen. „Farore hatte den Kleinsten der Gruppe sehr ins Herz geschlossen und kochte vor Wut, weil die anderen ihn so schikaniert hatten. Also sprach sie einen Fluch über die anderen Familien aus, sodass sie nie wieder den Wald betreten konnten. Sie nicht und ihre Nachkommen auch nicht.“ „Und warum hat sie ihre Lieblingsfamilie ebenfalls mit einem Fluch belegt?“ Navi zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht genau. Vielleicht ist der Fluch der Kokiri nur die Kehrseite des eigentlichen Fluchs, die Farore nicht bedacht hat oder, was ich für wahrscheinlicher halte, sie hat ihn absichtlich ausgesprochen, um ihren Liebling doppelt zu schützen. So konnten die anderen nicht zu ihm zurück und er konnte sich nicht aus Sehnsucht wieder in ihre Fänge begeben. Oder Farore wollte ihn einfach immer in ihrem Bereich halten. Der Wald ist Farores Hoheitsgebiet, musst du wissen.“ „Meinst du, die Kokiri bleiben deswegen immer Kinder, damit sie Farore an den Jungen von damals erinnern?“ Navi kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. „Kann gut sein.“ Plötzlich schoss Link bei einem Gedanken die Schamesröte ins Gesicht und er starrte stur geradeaus, als er fragte: „Wie pflanzen sich die Kokiri eigentlich fort, wenn sie immer alle Kinder bleiben?“ „Sie schlüpfen aus Eiern“, kam die trockene und vollkommen ernstgemeint klingende Entgegnung von hinten. Überrascht riss Link die Augen auf. „Im Ernst?!“ Navi kicherte mit einem fiesen Grinsen auf den Lippen vor sich hin, blieb aber eine Antwort schuldig. Epona und ihre Reiter brachen aus dem Wald hervor und trotteten gemütlich über die Steppe, während die gelbgoldene Vormittagssonne langsam Richtung Süden wanderte. Link streckte seinen langen Rücken und genoss die Freiheit eines unbedeckten Himmels über ihm. Das dichte Blätterdach des Waldes hatte er schon immer als seltsam erdrückend empfunden. „Was meinst du, weshalb ich nicht von dem Fluch betroffen bin? Warum bin ich nicht genauso zu einer Pflanze geworden wie... wie meine Mutter?“, griff er seine Ausgangsfrage wieder auf. Navi stieß geräuschvoll Luft aus der Nase aus. „Ich habe keine Ahnung. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass du der Herr der Zeiten bist. Oder der Deku-Baum war in der Lage einen Schutzzauber über dich auszusprechen. Oder... Ich hab wirklich keine Ahnung.“ Für einige Zeit ritten sie stumm dahin, wobei Eponas gewaltige Hufe dicke Staub- und Dreckwolken aufwirbelten, wann immer die Stute auftrat. Doch nach etwa einer Stunde krabbelte Navi über Links Rücken auf seine Schulter und blickte ihn von der Seite an. „Wohin reiten wir eigentlich?“ Der junge Mann drückte ein wenig den Rücken durch, um seine vom langen Ritt leicht steifen Muskeln zu dehnen. „Wir besuchen die Goronen. Nach dem, was ich im Kokiri-Dorf gesehen habe, mache ich mir ein wenig Sorgen um meine anderen Freunde. Ich will sehen, wie es Darunia und Hector geht.“ Navi nickte verständnisvoll, als er mit grimmiger Miene hinzufügte: „Außerdem macht mir das da Gedanken.“ Er streckte den Arm aus und deutete hoch zum Gipfel des Todesberges. Die Fee blickte auf und schnappte hörbar nach Luft. „Das... das ist grauenvoll!“ Die einstmals schneeweiße Ringwolke, die sich um den Gipfel des Vulkans wand, hatte sich in ein bedrohlich wirkendes Lilarotschwarz verfärbt und grellgelbe Blitze zuckten in unregelmäßigen Abständen durch die dunkle Wolkenmasse. Navi biss sich auf die Unterlippe. „In den Geschichten des Deku-Baums hieß es immer, wenn der Ring des Todesberges sich verdunkelt, stünde die Welt am Rande der Apokalypse...“ Link presste die Lippen aufeinander und nickte mit einem finsteren Gesichtsausdruck. „Ich weiß. Und das da sieht irgendwie aus, als wäre der Weltuntergang schon da gewesen. Wir sollten uns beeilen. Halt dich gut fest.“ Mit diesen Worten drückte er Epona seine Hacken in die Flanken, was die Stute in einen wilden Galopp verfallen ließ. Wenige Stunden später kamen Link und Navi müde und mit schmerzenden Füßen an den Stadttoren Goronias an. Epona hatte der junge Mann absichtlich zurückgelassen, da er befürchtet hatte, die vielen Stufen der steilen Treppe Kakarikos könnten ihrem Rücken schaden. „Hier stimmt etwas nicht.“ Link war sich sicher, dass früher etwas anders gewesen war, auch wenn er nicht genau sagen konnte, was. Er zog die Augenbrauen zusammen, sodass zwischen ihnen zwei tiefe Falten entstanden, und ließ seinen Blick durch die Goronenstadt schweifen. Unter ihm erstreckten sich die vier tiefergelegenen Stockwerke, die noch immer genauso aussahen wie vor sieben Jahren. Langsam schritt der junge Held durch die kühlen, steinernen Gänge, vorbei an buntbemalten Wegweisern und vereinzelten Donnerblumen, während er sich weiter suchend umsah. „Eigenartig, dass ein so friedlicher und stiller Ort so beklemmend wirken kann. Nicht wahr?“ Er warf seiner Fee, die grimmig nickte und den Mund verzog, einen schnellen Seitenblick zu. „Es ist ein wenig zu still. Alles wirkt total ausgestorben.“ Link trat einen kleinen Stein vor sich her, während er auf ein tieferes Stockwerk wechselte, und überlegte laut: „Ich frage mich, wo die Goronen sind. Ob sie Goronia freiwillig verlassen haben? Es sieht nicht aus, als hätte es Kämpfe gegeben.“ „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie gegangen sind. Das würde einfach nicht zu ihnen passen.“ Navis Stimme klang angespannt. „Vermutlich nicht“, stimmte Link zu. „Ich nehme an, Darunia wäre zu stolz, um seine Heimatstadt kampflos aufzugeben.“ Gedankenverloren blickte der junge Mann zu der verschlossenen Tür zum Thronsaal des Goronenregenten hinab, als die erschrockene Navi ihm plötzlich etwas zurief. Überrascht warf Link seiner Fee, die warnend mit den Armen durch die Luft fuchtelte und nach oben deutete, einen Blick zu. Doch noch bevor es in sein Bewusstsein drang, was sie meinte, spürte er einen harten Schlag ins Kreuz, der ihm weißleuchtende Sterne vor den Augen tanzen ließ. Sofort stürzte er wie ein gefällter Baum zu Boden und schrie vor Schmerzen laut auf. Sein Schrei hallte durch die gespenstische Stille der verlassenen Stadt und brach sich an den kahlen Steinwänden, während ein tonnenschweres Gewicht auf seinem Rücken ruhte und ihn flach auf den Boden drückte. Der bittere Geschmack von Panik breitete sich in seinem Mund aus und Link versuchte, sich auf alle Viere zu stemmen, aber er bekam wegen der Last auf seinem Oberkörper nicht einmal Luft. Er hatte das Gefühl, seine Rippen müssten jeden Augenblick brechen, so fest wurde er auf den Stein gepresst. Navi brüllte und schimpfte wie eine Furie: „Geh von ihm runter, du verblödeter Steinfresser! Was fällt dir überhaupt ein, uns von da oben einfach anzuspringen? Geröll im Hirn, oder was?!“ Ein Gorone? Auf seinem Rücken war ein Gorone gelandet?! Link gab vor Überraschung einen erstickten Laut von sich, während sich die Stimme seiner Fee immer mehr in die Höhe schraubte: „Beweg deinen fetten Felsenhintern! Link läuft schon blau an!“ Einen Herzschlag später fühlte der junge Mann, wie das erdrückende Gewicht von seinen Knochen genommen wurde, und er holte reflexartig tief Luft, wobei er staubigen Dreck schluckte und husten musste. Mit einem besorgten Ausdruck in dem fein geschnittenen Gesicht landete Navi vor ihm und musterte ihn eingehend. „Wie fühlst du dich?“ „Als wäre das komplette Hylia-Massiv über mir zusammengebrochen...“ Doch bevor die beiden Abenteurer tiefgreifende Gespräche über den Zusammenhang zwischen zusammenbrechenden Gebirgsketten und Knochenbrüchen führen konnten, ergriff der plötzlich aufgetauchte Gorone das Wort. „Du bist Link, der Dodongo-Töter?“ „Na, jedenfalls bin ich nicht Link, die Marktplatztänzerin...“, antwortete der Herr der Zeiten grimmig, während er sich aufrappelte und vorsichtig seinen Körper nach Knochenbrüchen abtastete. Navi warf einen Blick auf seine kurze Tunika, die ihm seit seinem plötzlichen Eintritt ins Erwachsenenalter nur noch bis knapp über den Po reichte, und grinste fies: „Bist du dir da sicher? Also, dass du keine Tänzerin bist.“ Giftig funkelte der junge Held sie an. „Sehr witzig...“ Der Gorone gab einen genervten Laut von sich und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf seinem Oberarm, während Link seinen schmerzenden Rücken dehnte. Missmutig guckend klopfte der junge Mann Staub aus seinen Kleidern und musterte den Goronen aus den Augenwinkeln. Das Felswesen war wesentlich kleiner als erwartet und reichte Link kaum bis zu den Schultern. Außerdem wirkte es zierlicher und irgendwie zerbrechlicher als der Held die Goronen in Erinnerung hatte. „Ein Kind...“, murmelte er, während sein Blick über die großen, schwarzen Knopfaugen schweifen ließ. Trotzig schob das Goronenkind das Kinn vor und beäugte den hochgeschossenen Mann vor sich mit skeptischer Miene. „Ich bin vielleicht noch jung, doch ich bin schon jetzt mehr Krieger als es braucht, um mit euch Witzfiguren fertig zu werden!“ Link blickte fragend zu Navi, die ihre Unterlippe vorschob und mit den Schultern zuckte, als wollte sie sagen: „Frag nicht mich.“ Der Gorone drückte den Rücken durch und richtete sich zu seiner vollen Größe auf, während Link sein Gewicht auf das linke Bein verlagerte und sich leicht nach hinten lehnte. Mit zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen legte das junge Felsenwesen all die Autorität, die es aufbringen konnte, in seine dunkle Stimme: „Hört meinen Namen und erzittert, Eindringlinge. Ich bin Link, der Goronenkrieger!“ Der Herr der Zeiten biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut zu lachen, und auch aus Navis Richtung kam ein seltsam prustendes Geräusch, das nach unterdrücktem Gelächter klang. Langsam ballte der Goronen-Link seine flächige Hand zu einer Faust, während ihm die Zornesröte ins Gesicht stieg. „Ihr werdet mich schon noch ernst nehmen!“ Ohne weitere Vorwarnung ließ der Gorone seine felsenharte Faust auf Links Nase zu sausen, doch der junge Mann wand sich spielendleicht aus der Schlaglinie, ließ sich blitzschnell in die Knie fallen und holte das angriffslustige Steinwesen mit einem einzigen gezielten Tritt von den Füßen. Laut krachend landete das Goronenkind auf seinem gepanzerten Rücken und blinzelte überrascht. „Wie konntest du so schnell ausweichen?“ Breit grinsend streckte Link ihm seine Hand entgegen und half ihm auf. „Viel Übung und gutes körperliches Erbe. Mein Vater war auch schon ein talentierter Kämpfer.“ Es war das erste Mal, dass er an den Hauptmann aus der Geschichte des Deku-Baums wirklich als seinen Vater dachte und es fühlte sich merkwürdig, wenn auch richtig an. Nachdenklich wiegte der junge Gorone den Kopf hin und her. „Das habe ich genauso gut, also werde ich wohl mehr üben müssen.“ Mit einem aufmunternden Lächeln tätschelte Link seinem felsigen Gegenüber die Schulter, deren Haut sich kühl und glatt unter seinen Fingerkuppen anfühlte. „Das wirst du schon hin kriegen. Frag doch mal Darunia oder Hector, ob sie mit dir trainieren.“ Plötzlich füllten sich die großen Knopfaugen des Kindes mit schimmernden Tränen. „Falls Papa, Hector und all die anderen je wiederkommen...“ Mit weit aufgerissenen Augen wirbelte Navi zu dem Goronen herum. „Du bist Darunias Sohn?!“ Vernehmlich schniefend nickte der junge Goronenprinz und strich sich mit einer zitternden Hand die ersten Tränen von der Wange. „Ja. Ich bin Link I., Kronprinz der Goronen.“ Navi warf ihrem Begleiter, der grübelnd auf der Unterlippe kaute, einen nachdenklichen Blick zu, bevor sie sich wieder an den Prinzen wandte. „Das ist ein ziemlich ungewöhnlicher Name für Goronen, nicht wahr?“ Dieser nickte langsam und holte tief Luft. „Ich glaube, ich bin der Erste von uns, der je diesen Namen getragen hat. Normalerweise ist es ja ein hylianischer Name. Aber Papa hat mich nach einem guten Freund benannt, der viel für unser Volk getan hat. Link, der Dodongo-Töter und Retter der Goronen – ein echter Held!“ Link zog die rechte Augenbraue in die Höhe und kratzte sich mit einem Finger am Hinterkopf. „Ich wusste gar nicht, dass ich Patenonkel bin.“ Sofort schnellte der Kopf des Prinzen in die Höhe und er blickte aus großen Augen zu Link auf. „Also bist du doch der Dodongo-Töter! Ich wusste es! Papa hat immer gesagt, dass du kommen würdest, wenn unser Volk in Gefahr wäre.“ Unwillkürlich wanderte Links rechter Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen in die Höhe. „Stets zu Diensten. Womit kann ich dienen?“ Die Arme des Goronenprinzes begannen unkontrolliert zu zittern, als er mit gebrochener Stimme zu erzählen begann: „Ganondorf fordert von allen Völkern Hyrules bedingungslosen Gehorsam, doch Papa hat ihm diesen immer verweigert. Er sagt, Ganondorf sei größenwahnsinnig und gehöre gestoppt – womit er wahrscheinlich Recht hat. Aber seine Sturheit hat uns nur Ärger gebracht und Schwierigkeiten gemacht. Und vor ein paar Tagen...“ Inzwischen schluchzte der junge Gorone so sehr, dass Link sich anstrengen musste, um ihn zu verstehen. Beruhigend legte er ihm eine Hand auf die Schulter und ließ den Daumen in kleinen Bewegungen über seine steinharte, glatte Haut kreisen. „Was ist vor ein paar Tagen passiert?“ Seine Stimme war ein sanftes, streichelndes Flüstern und er fürchtete fast, seine Worte seien in dem lauten Schluchzen untergegangen. Doch nach endlos erscheinenden Sekunden holte der Kleine tief Luft und fuhr fort: „Vor ein paar Tagen fielen Ganondorf und seine Schergen hier ein und haben alle Goronen verschleppt. Ich konnte mich gerade eben noch verstecken.“ Mit einem kurzen Kopfnicken deutete der Prinz in Richtung einer riesigen Vase mit aufgemalten Goronenköpfen und Link dachte schaudernd an die Ängste, die das Goronenkind in den Tiefen des Steingefäßes ausgestanden haben musste. Mit einem tiefen Seufzen sprach das junge Felsenwesen weiter: „Wir Goronen sind ein friedliches Volk. Wir sind vielleicht stark und können uns einigermaßen gut verteidigen, aber wir sind keine Krieger und die anderen hatten gegen Ganondorfs Kämpfer keine Chance – zumal Papa gerade nicht da war.“ Wütend ballte Link die Hände zu Fäusten zusammen und stieß schnaubend Luft aus der Nase aus. „Was hat er mit den Goronen gemacht?“ „Sie sind in den Feuertempel verschleppt worden und sollen dem heiligen Drachen Volvagia geopfert werden.“ Ein heftiger Schluchzer drückte sich Goronen-Links Hals hinauf und neue Tränen strömten heiß über seine Wangen. „Als Papa davon erfahren hat, ist er sofort aufgebrochen, um die anderen zu retten. Aber... Link? Ich... Ich habe Angst, dass er nicht wiederkommt. Versprich mir, dass du mir zumindest Papa zurückbringst. Versprich es mir!“ Der junge Held legte dem Goronenprinzen beide Hände auf die Schultern und blickte ihm fest in die Augen. „Keine Angst. Ich werde deinen Vater und die anderen Goronen retten – so wahr ich hier stehe!“ Navi lächelte zu ihm herunter und strich sich eine ihrer langen Strähnen aus dem Gesicht. „Wie kommen wir denn am schnellsten zum Feuertempel?“ Das zierliche Steinwesen deutete mit einem lang ausgestreckten Arm auf die Tür zu Darunias Thronsaal, doch ein seltsamer Ausdruck huschte über sein Gesicht, so als ob ihm gerade etwas Schreckliches eingefallen wäre. „Hinter Papas Thron gibt es einen Durchgang. Aber ich fürchte fast, du wirst den Tempel nicht betreten können.” Niedergeschlagen blickte der Prinz auf seine Füße und zog geräuschvoll die Nase hoch. „Aber die Tür wird doch zu öffnen sein.“ „Ja, das ist kein Problem, aber der Eingang zum Feuertempel liegt im Inneren des Todesberges. Uns Goronen macht die Hitze nichts aus, doch Hylianer wie du würden augenblicklich dehydrieren.“ Plötzlich meldete sich eine tiefe Stimme aus den Schatten hinter den beiden Links zu Wort: „Vielleicht kann ich in diesem Fall weiterhelfen.“ Erschrocken wirbelten Hylianer und Gorone herum, nur um in die schwarzblauen Augen des Besitzers des einzigen Ladens in ganz Goronia zu blicken. Der junge Prinz schnappte hörbar nach Luft und streckte einen Arm nach dem unerwarteten Besuch aus. „Du bist noch hier?!“ Der Verkäufer nickte langsam und lächelte zaghaft. „Ich konnte mich schnell genug in meinem Laden verschanzen.“ Navi setzte sich auf Links Schulter und musterte den erwachsenen Goronen mit neugierigen Blicken. „Es freut mich, dass zumindest einer von euch noch hier ist. Aber wie glaubst du uns helfen zu können?“ „Hiermit.“ Erst jetzt bemerkte Link, dass der Ladenbesitzer etwas in der Hand hielt – ein rotes Stück Stoff, das er ihm nun entgegen hielt. Irritiert zog Navi ihre goldenen Augenbrauen in die Höhe und blinzelte verwirrt. „Äh... und was ist das?“ Ein wenig zögernd nahm Link dem Goronen das Tuch ab, das sich kühl auf seiner Haut anfühlte, und ließ es sich entfalten. Staunend musste er feststellen, dass es sich dabei um eine fein gewebte Tunika handelte. „Das ist eine Goronen-Rüstung, sie wird dich vor der Hitze des Vulkans schützen“, erklärte der Ladenbesitzer. Langsam ließ der junge Mann seine Fingerkuppen über den leicht steifen Stoff gleiten. Die Tunika schien nahezu identisch zu sein mit derjenigen, die Link am Leib trug, aber der verwendete Faden fühlte sich vollkommen anders an. Während die Kokiri-Tunika aus weichem Leinen gewebt war, das die Körperwärme absorbierte und sogar ein wenig speicherte, erwärmte der rote Stoff sich auch nach mehreren Minuten zwischen Links warmen Händen kein Stück. Tatsächlich wirkte sie sogar noch ein wenig kälter als zuvor. Der Ladenbetreiber fing Links verwirrten Blick auf und deutete auf das rote Tuch. „Sie ist aus den Fasern von Donnerblumenblüten gewebt und wandelt Wärme in eine angenehme Kühle um. Ich kann dir leider nicht erklären, warum dem so ist, aber das ist auch unwichtig. Bedeutend ist nur, dass du so die Möglichkeit hast, den Todesberg zu durchqueren.“ Link verzog skeptisch das Gesicht und tauschte zweifelnde Blicke mit Navi, doch der Goronenprinz nickte begeistert. „Ich habe von den besonderen Kräften der Goronen-Rüstung gehört. Dass mir das nicht selbst eingefallen ist!“ „Halt mal, bitte.“ Seufzend drückte Link Navi den roten Stoff in die Hand, zog sich sein vertrautes, grünes Gewand über den Kopf und ließ es zu Boden fallen. Ein wenig unsicher trat er von einem Bein aufs andere, während er die Blicke der anderen zentnerschwer auf sich fühlte. Zwar verdeckte die Kokiri-Tunika nicht viel von seinem schlanken, muskulösen Körper, doch er fühlte sich dennoch nur in seiner silbernen Kettenkleidung merkwürdig nackt. Dankbar nahm er das Goronen-Gewand wieder entgegen und zog es schnell über den Kopf. „Das passt nicht!“ Irritiert blinzelte der junge Mann zu Navi herauf, während sie ihn mit einem missbilligenden Gesichtsausdruck musterte. Langsam ließ Link seinen Blick an sich herunterwandern, doch die Tunika saß perfekt, so als wäre sie extra für ihn geschneidert worden. „Was hast du denn daran auszusetzen?“ „Deine Mütze. Du kannst keine grüne Mütze dazu tragen. Das sieht lächerlich aus.“ Stöhnend verdrehte Link die tiefblauen Augen. „Ist das nicht völlig egal? Ich will doch keinen Schönheitswettbewerb gewinnen!“ Die zierliche Fee rümpfte ihre schmale Nase und verschränkte die Arme vor der flachen Brust. „Mag sein, aber mich stört es. Nimm sie ab.“ Link schüttelte schnaubend den Kopf und zog sich seufzend die lange Mütze ab, sodass seine zum Zopf gebunden Haare freilagen, was Navi ein breites Grinsen entlockte. „Viel besser!“ Der junge Mann rollte erneut genervt mit den Augen und stopfte seine abgelegte Kleidung in seinen Lederbeutel, bevor er sich dem Goronenprinzen zuwandte: „Wie komme ich in den Thronsaal deines Vaters?“ Mit einem dankbaren Glänzen in den Augen nahm der Gorone Links Hände in seine und drückte sie sacht. „Geh schon mal runter. Um das Öffnen der Tür kümmere ich mich.“ Wenig später standen Held und Fee vor der massiven Steintür, die zu Darunias Thronsaal führte. Mit einem wehmütigen Stich im Herzen dachte Link daran, wie er das letzte Mal hier gestanden hatte. Damals war ihm alles irgendwie fröhlicher und leichter erschienen. Zwar hatte schon damals Ganondorf im Hintergrund gelauert, aber er hatte dennoch immer das Gefühl gehabt, dass bald alles vorbei sein und dass er auf ein glückliches Ende zuarbeiten würde. Doch jetzt nagte die permanente Angst an ihm, zu spät zu kommen. Er fühlte sich, als würde er einem großen Käse hinterher jagen, den Ganondorf an eine Schnur gebunden hatte und immer wieder wegzog, wenn Link in dessen Nähe kam. Gerne hätte er mit Navi über seine Empfindungen gesprochen, zu seiner eigenen Überraschung kamen jedoch ganz andere Worte über seine Lippen: „Ich habe Hunger.“ Irritiert blinzelnd wandte Navi ihm ihr Gesicht zu. „Äh...In deinem Beutel sind einige Speisen aus dem Heiligen Reich. Rauru meinte, schon ein Bissen davon wäre sehr sättigend und nahrhaft. Außerdem sollen Lebensmittel aus dem Heiligen Reich sehr lange frisch und genießbar bleiben.“ Sie zuckte kurz mit den Schultern. „Ich konnte es leider nicht für dich testen, also wirst du dem Weisen des Lichts wohl einfach vertrauen müssen.“ Gerade, als Link seine Hand in sein Ledersäckchen gleiten ließ und an etwas Essbares dachte, wurde die große Steintür, die mit roten Goronenemblemen und Zeichnungen von Feuer verziert war, mit einem lauten, schleifenden Geräusch zur Seite gezogen. Der junge Held holte tief Luft und rief dem Goronenprinzen Dankesbekundungen zu, bevor er sich eine Handvoll säuerlich schmeckender Beeren aus dem Heiligen Reich in den Mund steckte. Mit langen Schritten durchmaß er den kleinen Saal und stellte zu seiner Überraschung fest, dass die Beeren zwar ein wenig widerlich schmeckten, aber sein Hunger tatsächlich einem wohligen Sättigungsgefühl Platz machte. Mit nachdenklich zur Seite gelegtem Kopf schwebte Navi vor dem großen Steinthron in der Luft und ließ ihren Blick mit einem zweifelnden Gesichtsausdruck zwischen Mann und Thron hin und her huschen. Auch Link wurde bei dem Gedanken daran, diesen gewaltigen Stein zur Seite zu schieben, ein wenig anders, doch er dehnte seine Finger, so als ob er keinen Zweifel daran hatte, den Thron bewegen zu können. Langsam brachte er sich neben dem schweren Sitz, der die Form eines kubistischen Goronen hatte, in Position und stützte seine Hände, sowie den linken Oberarm gegen den kühlen Stein, bevor er sich mit seinem vollen Gewicht dagegen lehnte. Mehrere Herzschläge lang hatte er eher das Gefühl, sich lediglich den Arm zu zerquetschen, doch gerade, als er schon aufgeben wollte, bewegte der Thron sich ein winziges Stückchen zur Seite. Erfreut atmete Link tief durch und warf sich mit neuem Elan gegen die glatte Seite des Steins. Sogar Navi, die bisher stumm zugesehen hatte, versuchte, beim Schieben zu helfen. Dicke Schweißtropfen kullerten über Links Stirn und fielen von seinem Kinn klatschend zu Boden, aber schlussendlich hatte er es geschafft und einen Spalt freigelegt, der breit genug war, damit er hindurch schlüpfen konnte. Kaum, dass er durch den Durchgang gekrochen war, schlug ihm eine unglaubliche Hitze entgegen, die ihm die Luft aus den Lungen presste und augenblicklich seinen Mund austrocknete. Seine Augen schmerzten und tränten, während er versuchte, durch die schwirrende Luft etwas zu erkennen. Jetzt verstand er, was der Goronenprinz gemeint hatte, als er davon gesprochen hatte, Hylianer würden im Todesberg sofort dehydrieren. Besorgt warf er Navi einen Seitenblick zu, doch die Fee schien völlig unbeeinträchtigt. Lediglich ihr silberner Glanz hätte eine rotfunkelnde Note angenommen. Als Link versuchte, etwas zu sagen, spürte er wie seine trockenen Lippen sofort aufplatzten und schmerzende Risse bekamen. Die Goronen-Rüstung an seinem Leib schien für einen Moment zu schimmern und entfaltete dann endlich ihre volle Wirkung. Von seinem Rücken ausgehend schoss eine Eiseskälte durch Links Körper, die ihn unter normalen Umständen hätte zittern lassen, aber mit der unwirklichen Hitze um ihn herum entstand ein angenehmer Kontrast und Links angespannte Muskeln lockerten sich zusehends. „Wie fühlst du dich?“ Navi schwebte neben ihrem Schützling in der Luft, während er eine wackelig aussehende Hängebrücke, unter der kochend heißes Magma brodelte, eingehend inspizierte. Auf jedem freien Quadratzentimeter seiner Haut standen dicke Schweißtropfen und seine Haare klebten ihm an Stirn und Nacken, doch seine Fingernägel schimmerten bläulich. Er warf ihr einen kurzen Blick zu und wagte sich dann auf die Brücke. „Als ob mich jemand in einen mit Eis gefüllten Sack gesteckt hätte, während drum herum ein heftiges Feuer wütet.“ Die junge Fee wollte gerade einen spitzen Spruch in seine Richtung schleudern, um ihn ein wenig zu necken, als Link wie angewurzelt stehen blieb und vor sich starrte, als ob er einen Geist gesehen hätte. Irritiert drehte Navi ihren Kopf und musste ungläubig und mit offen stehendem Mund blinzeln. Am unteren Ende der Brücke, nur wenige Zentimeter von dem brodelnden Magma entfernt, stand Shiek und wirkte seelenruhig, so als stünde er auf einer weiten Grasfläche und nicht in der schier unermesslichen Hitze eines Vulkans. Langsam kam der geheimnisvolle Mann auf Link zu, wobei er ihn mit seinem rotbraunen Auge fixierte, als könnte er ihm direkt in die Seele blicken. Unwillkürlich machte der Hylianer einen Schritt zurück, doch der Shiekah war ihm inzwischen so nah, dass Link dessen gesenkte Stimme trotz des Gebrodels um sie herum verstehen konnte. „Wahre Freundschaft wächst, je länger sie besteht. Sie wächst im Herzen und wird mit jeder Minute stärker... Die leidenschaftliche Blüte der Freundschaft, die jetzt schon in dir reift, wird dir den richtigen Weg weisen.“ Link zog zweifelnd die rechte Augenbraue in die Höhe und stützte sein Gewicht auf sein linkes Bein. Was zum Henker glaubte Shiek über seine Freundschaft zu den Goronen zu wissen? Und wie schaffte er es, sich trotz der Hitze ohne Goronen-Rüstung scheinbar mühelos durch den Vulkan zu bewegen? Für einen kurzen Moment spielte Link mit dem Gedanken, Shiek von der Brücke zu schubsen, nur um zu testen, ob er sogar im Magma schwimmen konnte. Der Shiekah tat als würde er den skeptischen Blick seines Gegenübers gar nicht sehen und deutete auf eine flache, helle Steinplatte schräg hinter ihm. „Diese Teleportierplattformen kennst du ja bereits. Diese hier wird durch den Bolero des Feuers aktiviert. Man sagt, der Komponist habe dieses Lied dem Feuer der Freundschaft gewidmet. Passend, findest du nicht?“ In dem Auge des vermummten Mannes blitzte kurz etwas auf, doch bevor Link das seltsame Funkeln deuten konnte, war es auch schon wieder verschwunden. Mit einer fließenden Bewegung zog Shiek seine goldene Lyra hervor und stimmte die wild wirbelnde Melodie des Boleros an. Nachdem Link das Lied fehlerfrei nachgesummt hatte, nickte Shiek ihm zu und machte ein paar Schritte zurück. Gerade, als er den Kopf abwandte, hatte der junge Held plötzlich ein starkes Gefühl des Wiedererkennens, auch wenn er nicht sagen konnte, an wen Shiek ihn erinnerte. Schnell versuchte er, den Shiekah am Ärmel zu erwischen, doch dieser funkelte ihn aus seinem rotbraunen Auge erzürnt an und warf etwas ins Magma, das eine hohe Feuerwand entstehen ließ. Überrascht riss Link die Arme hoch und Navi, die sich fast einen ihrer Flügel versenkt hätte, wich mit einem erschrockenen Quietschen zurück. Als das Feuer langsam abflaute, wirbelte sie mit einem wütenden Funkeln in den Augen herum, aber Shiek war verschwunden. Vor ihnen lag nur der dunkle, gähnende Eingang zum Feuertempel. Kapitel 29: Wiedersehen macht Freude ------------------------------------ „Also, irgendetwas an diesem Shiek ist merkwürdig.“ Link stieg die schier endlos erscheinende Leiter zur Eingangshalle des Feuertempels hinab und warf Navi, die über seinem Kopf schwebte, einen neidischen Blick zu. Er wollte auch fliegen können! „Das fällt dir erst jetzt auf?“ Die Fee ordnete ihr langes, goldenes Haar und bedachte ihren Begleiter mit einem amüsierten Blick. „Ich meine nicht ‚merkwürdig‘ im Sinne von ‚er führt etwas im Schilde‘.“ „Sondern?“ Unter ihnen kamen endlich die rötlichen Sandsteinplatten der Tempelhalle in Sichtweite und Link seufzte erleichtert auf. Bald hatte er es geschafft. „Ich meinte damit, dass ich glaube, ihn zu kennen.“ Irritiert blinzelte Navi ihren Begleiter an und kratzte sich mit dem rechten Zeigefinger am Hals. „Ich werde einfach das Gefühl nicht los, ihn schon mal gesehen zu haben, aber ich komm einfach nicht drauf, wann und wo.” Mutig lockerte Link seinen Griff um die Leiter und ließ sich die letzten Sprossen nach unten fallen. Als er auf dem gefliesten Boden aufkam, wurde sein Skelett unsanft zusammengestaucht, doch glücklicherweise verletzte er sich nicht weiter. „Vielleicht erinnert er dich einfach an Impa, schließlich sind sie beide Shiekah“, überlegte Navi, aber der junge Held schüttelte energisch den Kopf, während er in Richtung Haupthalle schritt. „Nein, das ist es nicht. Impa und Shiek mögen beide Shiekah sein, aber sie sehen sich in keiner Weise ähnlich.“ Navi kicherte leise und warf ihr langes Haar zurück. „Stimmt. Impa ist wesentlich größer und kräftiger als diese halbe Portion Shiek.“ Link grinste ein wenig schief und trat aus dem schummerigen Gang in die hell beleuchtete Halle. „Da hast du wohl Recht. Shiek ist schon extrem schmächtig. Aber ich habe wirklich keine Ahnung, an wen er mich erinnert. Ich sehe es fast vor mir, aber wenn ich mich darauf konzentriere, entgleitet mir das Bild.“ Er schüttelte den Kopf, wobei ihm ein paar lose Strähnen über die Stirn strichen. „Es ist ausgesprochen frustrierend! Ich habe das Gefühl, dass ich etwas wirklich Wichtiges übersehe, aber ich hab keine Ahnung, was.“ „Dafür weiß ich, was!“ Überrascht riss Link den Kopf herum und entdeckte gerade noch rechtzeitig, dass seine Fee wild mit den Armen fuchtelnd auf drei brennende Fledermäuse deutete, die sich auf ihn stürzen wollten. Für einen kurzen Moment dachte er voll Schrecken an seinen Schild, doch dann fiel ihm wieder ein, dass Feuer seinem eisernen Hylia-Schild nichts anhaben konnte und riss seinen Schutz herum, sodass eine der Fledermäuse, die dagegen prallte, ohnmächtig zu Boden ging. Schnell zog er das Master-Schwert aus der Scheide und streckte die beiden anderen Angreifer nieder, bevor sie in Angriffsnähe kommen konnten. Zufrieden lächelnd nickte Navi, während sie beobachtete, wie Link seine Waffe aus der ohnmächtig zu Boden gegangenen Fledermaus zog. „Schnell reagiert.“ Der junge Held grinste breit und wischte die blitzende Klinge des Master-Schwerts an seiner silbrigen Kettenhose ab. „Du wirst schon sehen, bald mach ich dem Titel ‚Herr der Zeiten’ alle Ehre.“ Suchend blickte er sich in dem großen, von zwei flackernden Fackeln erhellten Raum um. Vor ihm lag eine breite, von wuchtigen Sandsteinbüsten gesäumte Treppe, die zu einer höher gelegenen Ebene führte, und links neben der Treppe befand sich eine mit dunkelgrünem und braunem Stoff bespannte Tür. Auf der oberen Ebene führten zwei weitere Türen aus der Halle heraus. „Wohin jetzt?“ Fragend schaute er zu Navi herüber, die mit schief gelegtem Kopf eine kunstvoll bemalte Steinstatue rechts neben der Treppe betrachtete. Die Fee zog die Augenbrauen in die Höhe und drehte sich zu ihrem Schützling um. „Ich weiß nicht. Warum versuchen wir’s nicht einfach mit der Tür da drüben?“ Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend drehte Link den Türknopf herum und drückte die Tür auf. Von Innen schlug ihm ein muffiger Geruch nach nassem Stein entgegen und er rümpfte angewidert die Nase. Hinter der Tür befand sich ein schlauchartiges Gewölbe aus grobbehauenen, feuchtschimmernden Steinen, die sich in der Hitze des Vulkans unglaublich aufgeheizt hatten und Link den Ellenbogen verbrannten, als er versehentlich eine Wand streifte. Doch das Auffälligste an diesem Raum war etwas anderes. Ungefähr in der Mitte verlief ein massives Eisengitter, dessen Stäbe an manchen Stellen rostige Flecken aufwiesen. In einem Abstand von circa drei Metern erkannte Link ein weiteres Gitter und in der engen Zelle dazwischen lag ein zusammengerollter Gorone, der leicht vor und zurück wippte. Link sog scharf Luft ein und stürzte ohne weiteres Nachdenken auf das Gitter zu und riss energisch an den Eisenstäben, doch ohne Erfolg. Während dem jungen Hylianer der Schweiß in breiten Bahnen über den Rücken lief, richtete sich der gefangene Gorone langsam auf und betrachtete neugierig seinen vermeintlichen Retter. Plötzlich wurden die Augen des Goronen groß und er trat an das Gitter heran, das sich noch immer keinen Millimeter bewegt hatte. „Link? Bist du das?“ Überrascht ließ der junge Mann von den Eisenstäben ab und musterte seinen Gegenüber, während Navi ihm mit einem kleinen Stofffetzen Schweiß von der Stirn tupfte, bevor er ihm in die Augen laufen konnte. Ein wenig verwirrt legte der Hylianer den Kopf schief, was die Augen des Goronen amüsiert aufblitzen ließ. „Du hast mich doch nicht etwa vergessen?“ Vor Überraschung fiel Link der Unterkiefer herunter, als er die Stimme erkannte. „Hector!“ Der Gorone nickte lächelnd und legte seine steinerne Pranke gegen das Gitter, sodass Link seine Hand dagegen lehnen konnte. Hector ließ seinen Blick an seinem jungen Freund herab gleiten. „Du bist ganz schön in die Höhe geschossen, Kleiner. Sag, was hast du in den letzten Jahren gemacht?“ Navi verschränkte die Arme vor der Brust, während Link tief Luft holte. „So gerne ich mit dir darüber reden würde, was wir so erlebt haben – ich fürchte, dafür haben wir keine Zeit.“ Mit einem betrübten Gesichtsausdruck nickte der Gorone und machte einen Schritt zurück. „Du hast ja Recht. Aber ich neige einfach dazu, sinnlos drauf los zu plaudern, wenn ich nervös bin.“ Mit aller Kraft umklammerte Link zwei der stabilen Eisenstangen und beugte sich leicht vor. „Hab keine Angst. Ich hole dich und die anderen hier raus!“ Suchend ließ er seinen Blick wandern, bis er wieder an Hector hängen blieb. „Hast du eine Ahnung, wie man deine Zelle öffnet?“ „Ja, von der anderen Seite, da ist ein Bodenschalter. Leider weiß ich nicht, wie du dorthin kommst. Das ist aber auch nicht so wichtig.“ Hectors Blick brannte sich mit einer solchen Intensität in Links Augen, dass dieser gerne zurückgewichen wäre, doch er zwang sich dazu, stehen zu bleiben. „Hör mir zu, Link. Finde Darunia. Ich weiß, dass er hier ist. Finde ihn und besiege mit ihm zusammen den Drachen Volvagia. Wenn er erst mal erledigt ist, habt ihr alle Zeit der Welt, um die anderen und mich aus unseren Zellen zu holen. Also los, beeile dich!“ Langsam nickend machte Link ein paar Schritte zurück, wandte sich um und hastete aus dem Raum. Mit einer eleganten Bewegung ließ Navi sich auf seiner Schulter nieder und deutete die Treppe hinauf. „Sieht aus, als würde es dort oben weiter gehen.“ Der Boden des Raums auf der linken Seite war fast vollständig mit dampfender, brodelnder Lava bedeckt, die das Passieren nahezu unmöglich machte. Lediglich ein schmaler Weg führte auf ein Podest auf der linken Seite, wo Link das Schimmern von Gitterstäben entdeckte. Unerreichbar hingegen war eine breite, mit rötlicher Bronze beschlagene Tür, die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Raums befand. Mit einem überraschten Keuchen erkannte Link den imposanten Goronen, der vor jener Tür stand und ihn aufmerksam musterte. „Darunia!“ Der Anführer der Goronen lächelte zu ihm herüber und bedachte ihn mit einem stolzen Blick. „Link, mein Bruder! Sieh dich an: Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, warst du nur ein kleiner Junge mit einem großen Herzen. Jetzt bist du zu einem stolzen, jungen Mann geworden – du siehst fast aus wie der Held aus unseren Legenden.“ Verlegen biss Link sich auf die Unterlippe und verspürte plötzlich das dringende Bedürfnis, sich dem väterlichen Goronen in die Arme zu werfen und für einen Moment all seine Verantwortung zu vergessen. Schon im nächsten Augenblick tauchte jedoch Zelda vor seinem geistigen Auge auf, wie sie ihn angesehen hatte, kurz bevor sie ihn auf die Wange geküsst hatte, und er bekam ein schlechtes Gewissen wegen seines schwachen Moments. Auch Darunia wirkte für ein paar Sekunden hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis, seinen Aufgaben als Regent nachzukommen, und dem Wunsch, Link nach all den Jahren angemessen zu begrüßen. Doch dann siegte sein Verantwortungsbewusstsein und er räusperte sich gründlich. „Leider haben wir jetzt keine Zeit, unsere Wiedervereinigung zu feiern. Mein Volk ist in Gefahr! Hinter diesen Türen wartet der Feuerdrache Volvagia darauf, dass meine Goronen an ihn verfüttert werden.“ Schluckend verzog Link den Mund und dachte schaudernd an Hector, der tapfer in seiner Zelle auf seine Exekution wartete. Bevor er etwas sagen konnte, fuhr Darunia jedoch schon fort: „Bereits in den Legenden meines Volks wird Volvagia als der Erzfeind der Goronen erwähnt. Angeblich haben meine Vorfahren gegen ihn gekämpft und ihn für Jahrtausende vertrieben, bis er vor wenigen Jahren wieder aufgetaucht ist – vermutlich wurde er von Ganondorf persönlich wieder zurückgebracht.“ Darunia blickte Link über den Lavateich hinweg fest in die Augen. „Bruder, ich habe eine Bitte an dich. In den Legenden meines Volkes wird erzählt, dass Volvagia nur mit dem Goronenhammer besiegt werden kann. Angeblich soll er in den Tiefen dieses Tempels versteckt sein. Link, mein Bruder, finde den Hammer! Ich werde solange versuchen, Volvagia hinzuhalten.“ Mit diesen Worten verschwand der Gorone durch die massive Tür und ließ Link mit einem tiefen Gefühl der Hilflosigkeit zurück. Er konnte Darunia doch nicht in den sicheren Tod gehen lassen! Aber es gab für ihn keine Möglichkeit die Blasen werfende Lava am Boden zu überqueren und er konnte seinem Freund nur mit einem wütenden Gefühl der Ohnmacht hinterherblicken. Navi legte ihm eine ihrer winzigen Hände an die Wange und sah ihm in die Augen. „Du musst ihm vertrauen, Link. Er weiß, was er tut.“ Traurig schlug der junge Hylianer die Augen nieder und seufzte laut. „Ich fühle mich einfach so... nutzlos.“ Die Fee nickte verstehend und knuffte ihm dann sanft gegen sein Kinn. „Anstatt uns hier die Beine in den Bauch zu stehen, sollten wir versuchen, den Hammer zu finden. Dann machen wir uns Gedanken darum, wie wir da rüber kommen.“ Link nickte zaghaft und warf einen letzten Blick auf die bronzebeschlagene Tür mit der aufgemalten Flamme, durch die Darunia verschwunden war. Dann holte er tief Luft und deutete zu dem kleinen Podest auf der linken Seite. „Lass uns mal sehen, ob ein weiterer Gorone in der Zelle dort drüben ist. Wenn wir eh den ganzen Tempel auf der Suche nach dem Hammer durchkämmen, sollten wir währenddessen auch so viele Goronen wie möglich freilassen. Es wäre brutal, sie unnötig lange in ihren Zellen schmoren zu lassen.“ Navi nickte zustimmend und kaute nervös auf ihrem Daumennagel, während sie beobachtete, wie Link über den schmalen Steg balancierte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ihn bereits abrutschen und unter lauten Schmerzensschreien in der Lava versinken, doch Link erreichte beinah leichtfüßig und ohne Probleme die breite Plattform. Erleichtert lächelte die Fee ihrem Schützling zu, der sich gleich aufmachte, um die Zelle zu inspizieren. Anders als Hectors Gefängnis bestand dieses aus nur einem Gitter und drei steinernen Wänden. Doch der wohl bedeutendste Unterschied bestand in dem Bodenschalter, der quadratisch und golden vor der Zelle aufblitzte. Schnell trat Link an das Gitter heran und spähte durch die rostigen Eisenstäbe. In der hintersten Ecke, fast von tiefschwarzen Schatten versteckt, saß ein junger Gorone, der mit einem neugierigen Funkeln in den Augen zu seinem Besucher aufblickte. „Hey Kleiner“, sprach Link den Gefangenen an, wobei er sich bemühte, so beruhigend zu klingen wie möglich. „Hab keine Angst. Ich bin –“ Navi räusperte sich geräuschvoll und unterbrach damit ihren Schützling, der sie kurz verwirrt ansah, bevor er neu ansetzte: „Wir sind hier, um dich und die anderen zu retten.“ Schwerfällig hievte sich das Felsenwesen auf die Beine und kam ans Gitter, wobei es seinen Blick an Links schlankem Körper auf und ab wandern ließ. „Du bist Link, nicht wahr? Ich habe Darunia und dich gehört.“ Der Hylianer nickte, während Navi gedankenverloren mit seinen losen Haarsträhnen spielte. Anscheinend gefiel es ihr, ihn mal ohne Mütze zu sehen. „Irgendwie hab ich immer gedacht, du wärst größer... beeindruckender“, gestand der Gorone und maß den jungen Mann vor sich mit kritischen Blicken. Link riss die Augen auf und hatte das Gefühl, hintenüber zu kippen. „Äh, wie bitte?!“ „Naja, in unserem Volk gibt es so viele Geschichten und Lieder, die deinen Sieg über die Dodongos rühmen“, erklärte der Gefangene. „Irgendwie hab ich mir da immer einen großen, kräftigen Mann mit Vollbart vorgestellt. Und du wirkst schon ein bisschen mickrig. Wie ein zahnloser Berglöwe.“ Navi gab schnaufende Laute von sich, während sie sich auf die Lippe biss und versuchte, ein Lachen zu unterdrücken. Doch der Ausdruck, der sich auf Links Gesicht und in seinen weit aufgerissenen Augen breit machte, trug nicht gerade dazu dabei, dass dieser Versuch mit viel Erfolg gekrönt war. Ungläubig blinzelnd betrachtete Link den Goronen, der ihn wiederum mit einem leicht enttäuschten Zug um die Lippen musterte. „Dürfte ich dich daran erinnern, dass ich damals ein Kind war?“, fragte der Herr der Zeiten pikiert. „Also entweder lügen eure Geschichten und Lieder oder du hast eine merkwürdige Vorstellung von hylianischen Kindern. Aber wie auch immer... ich hol dich mal hier raus.“ Kopfschüttelnd ging der junge Hylianer auf den Schalter zu, den er mit mehr Kraft als nötig in den Boden rammte, wobei er mit säuerlicher Stimme leise vor sich hin murmelte: „Außerdem bin ich nicht klein...“ Mit einem amüsierten Grinsen auf den fein geschwungenen Lippen, wickelte Navi eine von Links Strähnen um ihren Zeigefinger und beobachtete, wie das Gitter unter lautem Quietschen und Kratzen in dem steinernen Boden versank. Der befreite Gorone schlenderte seelenruhig aus seiner Zelle und streckte seine Glieder, so als hätte er gerade eine lange Fahrt in einem zu engen Wagen und keinen Gefängnisaufenthalt hinter sich, an dessen Ende sein Tod gewartet hätte, wäre nicht jemand zu seiner Rettung geeilt. Mit einem völlig entspannten Gesichtsausdruck klopfte das Steinwesen seinem Befreier auf die Schulter und grinste ihn an. „Ich danke dir, mein Freund.“ Erstaunlich ruhig schickte es sich an, vom Podest in die Lava zu springen, wandte sich jedoch noch ein letztes Mal um: „Und du bist dir sicher, dass du dir keinen Vollbart wachsen lassen willst?“ Dann rollte es sich mit einem lauten Platschen über die Kante in die kochendheiße, flüssige Gesteinsmasse und ließ Link mit vor Überraschung offen stehendem Mund einfach zurück. „Ich glaub das nicht...“ „Goronen macht Hitze nichts aus. Für sie ist das, als würden sie durch Wasser schwimmen – wobei sie streng genommen gar nicht schwimmen können. Aber sieh mal, die Lava reicht ihm nur knapp bis zu den Achseln.“ Mit einem lang ausgestreckten Arm deutete Navi auf den Goronen, der schon die Hälfte des Raumes durchquert hatte, doch Link schüttelte den Kopf. „Das meinte ich gar nicht...“ Auch als Link durch die rechte Tür der Eingangshalle in einen riesigen Raum mit Hängebrücke trat, hatte er seinen Schock über das merkwürdige Verhalten des Goronen noch nicht überwunden. Navi tätschelte ihm mitfühlend die Wange, obwohl sie sich innerlich noch immer am liebsten vor Lachen gewunden hätte. „Gräm dich nicht. Vielleicht hatte er Donnerblumentee getrunken.“ Irritiert zog Link die rechte Augenbraue in die Höhe und sah seine Fee fragend an. „Donnerblumentee wird aus getrockneten Donnerblumenblättern gewonnen und soll eine stark beruhigende Wirkung haben“, erklärte diese, froh darüber mal wieder mit ihrem Wissen glänzen zu können. „Allerdings heißt es auch, dass der Genuss des Tees zu Verhaltensauffälligkeiten führen kann. Angeblich kann es zum Beispiel vorkommen, dass man Dinge sieht, die gar nicht da sind. Soweit ich weiß, ist der Konsum von Donnerblumentee Hylianern wegen seiner halluzinogenen Wirkung verboten.“ Link legte den Kopf schief und betrachtete nachdenklich die ausgefranst aussehenden Seile der Hängebrücke, die über einen gewaltigen Lavasee führte, aus dem nur wenige steinerne Inseln hervorragten. „Das klingt ein wenig nach Opiaten.“ Schaudernd dachte er an die Geschichten des Deku-Baums, der manchmal von Hylianern erzählt hatte, die unter Lebensgefahr und in vollem Wissen um den Fluch in den äußeren Bereichen des Kokiri-Waldes nach Mohnblüten suchten, um daraus Drogen und Schmerzmittel herzustellen. Link hatte nie verstanden, was toll daran sein sollte, sich das Bewusstsein zu vernebeln. Navi balancierte auf einem der unterarmdicken Seile und nickte bedächtig, während sie ein wenig ängstlich dem lauten Knarren lauschte, das bei jedem von Links Schritten entstand. „Ja, ich glaube, die Wirkung ist ähnlich. Allerdings hab ich weder das eine noch das andere je ausprobiert. Ich war nur mal betrunken...“ Eine tiefe, rote Farbe machte sich auf ihrem Gesicht breit, als sie Links geschockten Gesichtsausdruck sah. „Du... warst mal betrunken?“ Reflexartig streckte sie ihrem Schützling die Zunge heraus und verteidigte sich schwach: „Es war das erste Fest, an dem ich teilnehmen durfte, und mir war nicht bewusst, wie hochkonzentriert die Getränke waren. Wir Feen feiern selten, aber wenn, dann wild!“ „Ich kann mir das richtig gut vorstellen, wie du lallend über die Zweige des Deku-Baums getorkelt bist und die anderen Feen und Tiere übel angepöbelt hast.“ „Das ist überhaupt nicht wahr! Du hast doch gar keine Ahnung!“ Sie funkelte ihn wütend an, doch Link brach in schallendes Gelächter aus, als plötzlich eines der Brückenseile riss. Mit einem erschrockenen Aufschrei stieß die Fee sich von ihrem Seil ab und dachte mit Schrecken daran, dass Link keine Flügel hatte. Mochte er sie auch manchmal in den Wahnsinn treiben, so hatte sie ihn doch ins Herz geschlossen. Panisch beobachtete sie seinen Versuch, über das noch intakte Seil auf eine in der Nähe gelegene Insel zu springen. Link spürte den heftigen Adrenalinausstoß bis in den kleinen Zeh und atmete tief durch. Hinter sich hörte er Navi leise wimmern und er sah aus den Augenwinkeln, wie die ersten Bretter langsam in die Lava sackten und Feuer fingen. Er hatte nicht mehr viel Zeit, bis die Flammen auch ihn erreichen würden. Ein letztes Mal peilte er die kleine, geschwärzte Steinplatte an, hielt den Atem an und sprang. Noch immer hatte er sich nicht ganz an die Kräfte seines neuen, erwachsenen Körpers gewöhnt und wäre fast übers Ziel hinaus geschossen. Mit etwas zu viel Schwung kam er auf dem heißen Stein auf und rollte beinah auf der anderen Seite wieder herab. Navi keuchte ängstlich auf, aber Link schaffte es gerade noch seinen Überschlag zu bremsen, bevor er über die Kante in die brodelnde Lava schießen konnte. Langsam und mit schmerzenden Gliedern richtete er sich wieder auf und blickte an sich herunter. An einem Finger der rechten Hand, wo er eine zu heiße Stelle des Steins gestreift hatte, war eine große, sich rötlich verfärbende Brandwunde und seine Kleidung war voller schwarzer Rußflecken, doch ansonsten war er erstaunlicherweise unverletzt. „Mach so was nie wieder!“ Navi blitzte ihn aus wütend verengten Augen an, aber Link konnte ihre Erleichterung hinter der Aufgebrachtheit durchscheinen sehen wie einen festen Gegenstand hinter dünnem Papier, auf das Licht fällt. Link hob mit einem entschuldigenden Lächeln die Schultern und zuckte vor Schmerz zusammen, was Navi sofort besorgt drein blicken ließ. „Was hast du?“ „Nichts, schon gut. Ich glaub, ich hab mir nur die Schulter geprellt, als ich gelandet bin. Vermutlich wird’s besser, wenn ich sie ein wenig bewege.“ Mit diesen Worten drehte er sich um die eigene Achse und suchte einen Weg über die flachen Inseln hinweg Richtung Ausgang. Behände sprang er von Platte zu Platte, bis er den gefliesten Platz erreichte. Doch als er vor die Tür trat, war die Ernüchterung groß. Quer über das dunkle Holz zogen sich vier schwere Eisenketten, die in der umlaufenden Wand verankert waren und in der Mitte von einem massiven Schloss zusammengehalten wurden. Verzweifelt riss Link an dem Türknopf, wobei seine Schulter protestierend schmerzte, aber es hatte keinen Sinn. Die Tür war nicht einen Zentimeter zu öffnen. „Sieht so aus, als bräuchten wir wohl einen Schlüssel“, stellte der junge Hylianer missmutig fest. Mit einem brummigen Gesichtsausdruck blickte er zu Navi auf, die sich im Raum umschaute. „Irgendwelche Ideen?“ Die Fee ließ ihren Blick langsam wandern und versuchte, jedes Detail aufzunehmen, bevor sie nickte. „An den beiden Querseiten des Raums scheint jeweils ein Durchgang zu sein. Welche Seite willst du zuerst untersuchen?“ Nach einigen weiteren gefährlichen Sprüngen von einer Steinplatte zur nächsten, erreichte Link endlich das Podest auf der rechten Seite und wischte sich mit dem Handrücken ein paar Schweißtropfen von der Stirn. „Verdammt, schon wieder alles umsonst.“ Mit säuerlicher Miene betrachtete der junge Hylianer die glatte, hellbraune Backsteinmauer vor sich. Weit und breit waren keine Tür und auch kein Durchgang zu erblicken. „Dann versuchen wir’s einfach auf der anderen Seite.“ Enthusiastisch deutete Navi quer durch den Raum und machte sich schon auf den Weg, doch Link stieß schnaubend Luft aus der Nase und schüttelte den Kopf. „Vergiss es! Für dich mag das ja einfach sein, aber ich kann nun mal nicht fliegen. Außerdem hab ich das Gefühl, mir platze der Schädel. Die Goronen-Rüstung mag meinen Körper schützen, aber auf die Dauer wird dieses Ungleichgewicht zwischen Hitze an Kopf und Extremitäten und Eiseskälte am Rumpf echt unangenehm.“ „Nur noch ein Grund mehr, sich zu beeilen!“, strich Navi mit einem breiten Lächeln heraus, von dem sie hoffte, es wirke anspornend auf ihren Schützling. Link bedachte seine übermotivierte Fee jedoch mit einem genervten Blick und seufzte dann auf, als sich die Gesichter von Darunia und Hector, sowie Zelda vor sein geistiges Auge schoben. Er musste sich zusammenreißen, schließlich hatte er eine verantwortungsvolle Aufgabe zu erfüllen! Resigniert hob er die Hände, wobei ein dumpfer Schmerz durch seine Schulter pulsierte. „Du hast ja Recht, ich weiß. Aber lass mich einen Moment ausruhen.“ Müde rieb er sich über das rechte Auge und lehnte sich gegen die erhitzte Wand, wobei sein metallener Schild gegen die Steine schlug. Plötzlich spitzte Navi die Ohren und wirbelte mit großen Augen zu ihrem Schützling herum. „Hast du das gehört?“ Irritiert zog Link die Augenbrauen zusammen und sah zu seiner Fee hinauf. „Nein. Was denn?“ „Als dein Schild gegen die Wand gestoßen ist, klang es total hohl. So als wäre Luft hinter der Mauer.“ Überrascht sprang Link wieder auf die Füße und wandte sich der Steinwand zu. Schnell holte er eine Bombe aus seinem Lederbeutel, entzündete sie an der blubbernden Lava, die den Boden des Raums bedeckte, und platzierte sie vor der Mauer. Nach wenigen Sekunden detonierte das Schwarzpulver mit einem lauten Knall und riss die Steine der Wand auseinander. Mit einem leisen Klacken fielen die letzten Steine und Mörtelreste herunter, während Link hustend unter seinem schützend erhobenen Arm hindurch blinzelte. Hinter dem freigelegten Loch befand sich ein feuchtklammer Gang, der von mehreren orangebrennenden Fackeln notdürftig beleuchtet wurde. Zufrieden grinsten Hylianer und Fee sich an, bevor Link sich durch den engen Eingang zwängte. Im Inneren des Gangs herrschte eine drückende Schwüle, die Links Haar wie nassen Seetang an seine Stirn klebte und ihm die Luft aus den Lungen zog. Obwohl er relativ langsam durch den schummerigen Korridor ging, keuchte er, als hätte er gerade einen Dauerlauf hinter sich. Auch Navi rümpfte die Nase und stieß einen unwilligen Laut aus. „Hier stinkt es. Fast so, als würde etwas verrotten.“ Ängstlich schluckend warf Link seiner Fee einen Seitenblick zu und verfiel in leichten Trab. „Meinst du, es könnte ein Gorone sein?“ Doch bevor Navi antworten konnte, bog Link um eine Kurve und blieb wie angewurzelt stehen. Mit einem protestierenden Aufschrei knallte Navi gegen seine Schulter und musste sich an dem eisigen Stoff seiner Tunika festhalten, um nicht so Boden zu trudeln. Nur wenige Meter vor ihnen lag ein großes, echsenartiges Wesen, das sich anscheinend früher einmal auf zwei Beinen fortbewegt und es offenbar vorgezogen hatte, Waffen statt seiner Zähne zu benutzen, um Eindringlinge anzugreifen. Jedenfalls lagen ein kleiner Eisenschild und ein verbogenes, leicht rostiges Schwert neben seinem leblosen Körper und wurden von dem im Dämmerlicht schwarz wirkenden Blut getränkt, das aus der aufgeschlitzten Kehle der Echse lief. Ein paar Schritte neben der Leiche stand Shiek und blickte sich fragend um. Überrascht starrte Link für einige Zeit auf den schmalen Rücken des mysteriösen Mannes, bis sein Blick fast selbstständig ein wenig an dem in hautenger Kleidung steckenden Körper nach unten wanderte. „Für einen Mann hat er einen ganz schön runden Po“, schoss es ihm plötzlich durch den Sinn was ihm die Schamesröte ins Gesicht trieb. Schnell riss er den Kopf wieder hoch und versuchte zu verdrängen, dass er einem anderen Mann auf den Hintern geguckt hatte. Als hätte der Shiekah Links Anwesenheit gespürt, wirbelte er mit einer geschmeidigen Drehung herum und bedachte ihn mit einem verwirrten Blick aus seinem unverdeckten Auge. Auch dieses Mal schien die Hitze diesem geheimnisvollen Mann nichts anhaben zu können. Anstatt ihm an der Stirn zu kleben, wurden seine Haare von einem zarten Lufthauch sanft bewegt und gaben den Blick auf eine kleine Narbe knapp über der rechten Augenbraue frei. Navi gab einen überraschten Laut von sich, doch bevor sie etwas sagen konnte, begann Shiek zu sprechen. In seiner hohen, melodischen Stimme schwang ein deutlich verstimmter Unterton mit: „Herr der Zeiten, was machst du hier? Ich dachte, du würdest mit Darunia den Drachen Volvagia bekämpfen.“ Angesichts des harschen Tons, den Shiek anschlug, verschränkte Link unwillkürlich die Arme vor der Brust und machte einen halben Schritt nach hinten, wobei er sein Gewicht aufs linke Bein verlagerte. „Dasselbe könnte ich dich fragen, Shiekah.“ Er genoss es beinah, jedes Quäntchen Zweifel an Shieks Identität in dieses eine Wort einfließen zu lassen und weidete sich an dem überraschten Flackern in Shieks Auge. Doch nur eine Sekunde später hatte dieser sich wieder gefangen und steckte seelenruhig einen langen, blutbefleckten Krummdolch hinter seinen Rückenschutz. Link hatte gar nicht gesehen, dass der andere eine Waffe in der Hand gehalten hatte. Er musste sich besser konzentrieren, auch wenn ihn dieser Mann mehr durcheinander brachte als er zugeben wollte… „Wie ich höre, zweifelst du an mir, junger Held.“ Shieks Stimme klang nicht länger anklagend, eher amüsiert, aber Link konnte sich dennoch nur zaghaft dazu durchringen, zu nicken. „Sag mir, womit habe ich das verdient?“, hakte der mysteriöse Mann nach, wobei er überraschend neutral klang, ganz so als tangiere Links Misstrauen ihn überhaupt nicht. Navi machte ein missbilligendes Geräusch und zog so versehentlich die Aufmerksamkeit der beiden Männer auf sich. Als sie bemerkte, dass die Beiden sie irritiert ansahen, lief sie ein wenig rot an. „Anscheinend hältst du es für ausgesprochen amüsant, dass ich Links Zweifel nicht verstehen kann. Wie wäre es, wenn du mir erklärst, warum dem so ist?“ Shiek musterte die Fee mit einem neugierigen Ausdruck in seinem unverhüllten Auge. Navi zog ein trotziges Gesicht und versuchte, sich zu verteidigen: „Ich weiß ja nicht, wie es da ist, wo du her kommst, aber hier wirkt es einfach nicht besonders vertrauenserweckend, wenn jemand plötzlich und unerwartet auftaucht, so als hätte er auf den anderen gewartet, obwohl man ihn gar nicht kennt – und das auch noch in Zeiten, in denen das Böse regiert.“ Shiek seufzte leise auf und zog sich ein loses Haar aus seinem langen, blonden Pony. „Ich gebe zu, das war kein allzu gelungener Start. Aber habe ich in der Zwischenzeit nicht genug getan, um euer Vertrauen zu gewinnen?“ Navi zog die Augenbrauen hoch und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. „Du meinst diese komischen Liedchen? Pff... Wir wissen nicht einmal, ob sie funktionieren, geschweige denn, ob sie uns von Nutzen sind.“ Der Shiekah verengte sein Auge zu einem schmalen Schlitz und sah Navi mit einem Blick an, der pures Gift war. Doch bevor er womöglich noch auf die Idee kommen konnte, die Fee zu erwürgen, schaltete Link sich wieder ein: „Nein, Navi. Er hat mehr für uns getan. Denk doch mal an den Tipp mit dem Fanghaken.“ Shiek bedachte den anderen Mann mit einem strahlenden, fast liebevollen Blick aus seinem rotbraunen Auge, der Link verlegen zu Boden schauen ließ. „Stimmt. Außerdem war ich gerade dabei, die hier gefangenen Goronen zu befreien, bevor ihr aufgetaucht seid. Aber nun sagt endlich: Was macht ihr hier? Warum kämpft ihr nicht an Darunias Seite?“ Bevor der Hylianer antworten konnte, stemmte Navi ihre kleinen Fäuste in die Hüfte und durchbohrte Shiek mit einem Blick, der sich bis in die tiefsten Winkel seiner Seele ätzen sollte. „Ja, und wir sollten auch nicht vergessen, dass er und so wertvolle Tipps gegeben hat, wo sich fünf der Weisen befinden.“ Ein wenig irritiert durch den Widerspruch zwischen ihrem Gesichtsausdruck und ihren Worten nickte Shiek der Fee zaghaft zu. „Ich hoffe, meine Informationen waren euch bisher eine Hilfe und –“ Mit vor Gift triefender Stimme unterbrach Navi den Shiekah und schnitt ihm das Wort ab: „Weißt du, was ich finde, Link? Das stinkt zum Himmel!“ Der junge Hylianer warf ihr einen warnenden Blick zu, der besagte, sie solle endlich still sein, aber es sprudelte dennoch weiter aus der argwöhnischen Fee heraus: „Und warum zeigt er uns nie sein Gesicht, wenn er doch ach so vertrauenswürdig ist? Vermutlich weil er in Wirklichkeit für Ganondorf arbeitet und Angst hat, wir würden ihn erkennen!“ „Navi, halt jetzt endlich den Mund!“ Link funkelte seine Begleiterin wütend an und warf dann einen besorgten Blick auf Shiek, dessen Gesichtsfarbe an den sichtbaren Stellen ein derart helles Weiß angenommen hatte, dass man die blauen Äderchen sehen konnte, die unter der Haut pulsierten. „Shiek... es... Navi ist manchmal etwas ungestüm und ehrlicher als gut für sie ist. Bitte, nimm uns das nicht übel. Ich... Mir... Es tut mir wirklich aufrichtig leid.“ Link wusste selbst nicht, warum seine Stimme einen derartig flehenden Ton annahm, doch der Gedanke daran, dass der Shiekah gehen und nicht wieder auftauchen würde, bevor er die Chance gehabt hatte, herauszufinden, an wen er ihn erinnerte, drehte dem Herrn der Zeiten den Magen um und ließ seine Hände unkontrolliert zittern. Bis Shiek seine Stimme wiederfand, dauerte es eine ganze Zeit, in der Link immer wieder mit ätzenden Schuldgefühlen an Darunia dachte, der sein Leben riskierte, während er hier stand und plauderte und sich einfach nicht losreißen konnte. „Ist... Ist schon in Ordnung, Link“, antwortete der Shiekah schließlich. Man hörte seiner Stimme deutlich an, dass ihn die Vorwürfe der Fee hart getroffen hatten. „Vermutlich ist es ganz gut, dass Navi so skeptisch ist. Aber eines musst du mir glauben!“ Plötzlich nahm Shiek Links Hände in seine, wobei der Hylianer überrascht feststellte wie schmal die Hände des Shiekahs waren. „Ich arbeite nicht für Ganondorf, ich habe einen anderen Grund, mein Gesicht zu verbergen. Ich arbeite für Prinzessin Zelda und jede Unvorsichtigkeit könnte den Großmeister des Bösen zu ihr führen. Das darf ich nicht riskieren. Das verstehst du, oder?“ „Zelda?!“ Überrascht riss Link den Shiekah dichter an sich und blickte ihm so intensiv wie möglich in sein Auge, in der Hoffnung eine Lüge in der rötlichbraunen Iris ablesen zu können. Er würde es nicht ertragen können, wenn Shiek ihn in diesem Fall austricksen würde. „Wo ist sie? Bitte! Ich muss es wissen!“ Obwohl Link ihn beinah anschrie, wurde der Ausdruck in Shieks Auge weich wie warme Butter und er schien hinter seiner Vermummung zu lächeln. So standen sie einige Herzschläge lang, bis Navi sich räusperte und Link ein wenig verlegen die Oberarme des Shiekah losließ. Dieser rieb sich über die schmerzenden Muskeln, wo Link zu heftig zugedrückt hatte, und schob sich an dem Hylianer vorbei Richtung Ausgang. Nach einigen Schritten blieb er jedoch noch einmal stehen und rief Link über die Schulter hinweg etwas zu: „Das wirst du erfahren, wenn die Zeit reif ist. Komm mich in der Zitadelle der Zeit besuchen, wenn du hier fertig bist.“ Dann schickte er sich an, den Raum zu verlassen, stoppte aber ein weiteres Mal. „Bevor ich es vergesse: Nimm dich in Acht. In diesem Tempel gibt es Monster, die sich als Türen tarnen. Öffne nicht alles, nur weil es einen Türknopf hat.“ Mit diesen Worten ließ der Shiekah einen völlig aufgewühlten und verwirrten Link zurück. Tatsächlich befand sich in einigen Metern Entfernung eine weitere Zelle mit einem gefangenen Goronen – genau wie Shiek es gesagt hatte. Schnell war der Bodenschalter entdeckt und das unglückliche Steinwesen befreit. Ohne ein Wort des Dankes schoss es an Link vorbei und strebte davon in Richtung Freiheit. Als sie aus dem steinernen Korridor traten und Link sich einen Weg über die Steinplatten zur anderen Seite des riesigen Raums ausguckte, wandte er sich mit leiser Stimme an Navi, die vor ihm in der Luft schwebte und die Abstände zwischen den Platten schätzte: „Weißt du, was ich mich frage?“ Sie hob den Blick und betrachtete sein nachdenkliches Gesicht mit den großen, traurigen Augen. „Warum Zelda sich über Shiek noch nicht bei dir gemeldet hat?“ Ein dunkler Schatten huschte über sein Gesicht, aber Link schob den Gedanken, auf den er selbst bisher noch nicht gekommen war, energisch beiseite. „Nein. Ich frage mich, wie Shiek in den Gang gekommen ist. Ich meine, ich musste ihn erst freisprengen. Wie ist er durch die Mauer gekommen?“ Fast gelangweilt zuckte die Fee mit den Schultern und deutete auf eine nahegelegene Steinplatte. „Spring hierher, das müsstest du ohne Probleme schaffen.“ Während sie Links Sprung beobachtete, spielte sie gedankenverloren mit ihrem Haar und seufzte dann auf, als sie den unnachgiebigen Blick ihres Begleiters sah. Er wollte eine Antwort und würde nicht Ruhe geben, bis er sie hatte. „So genau weiß ich es selbst nicht, aber es gibt Gerüchte, dass Shiekah über magische Kräfte verfügen“, versuchte Navi sich an einer Erklärung. Link stieß sich von den steinernen Fliesen unter seinen Füßen ab und sprang zu einer weiteren Plattform. „So wie Dins Feuerinferno oder Farores Donnersturm?“ Navi schüttelte den Kopf und stellte erleichtert fest, dass sie nicht mehr weit von ihrem Ziel entfernt waren. Diese riskante Form der Fortbewegung machte sie ganz nervös. „Nein. Deine Zauber sind die eingeschlossene Essenz von Göttinnenkraft, etwas, das nicht von dieser Welt ist. Die Magie der Shiekah funktioniert anders. Sie kommt direkt aus dem Geist des Anwenders. Es soll Shiekah gegeben haben, die allein durch ihre Willenskraft mächtige Schutzmauern um Schloss Hyrule errichtet und so eine komplette Armee abgewehrt haben.“ „Und du glaubst, Shiek ist der Shiekah-Magie ebenfalls mächtig?“ Mit einem letzten Sprung katapultierte Link sich auf die breite Plattform an der linken Wand des Raumes. „Ja, ich denke schon. Als wir vorhin in diesem Korridor waren, hatte er eine ganz leicht silbrige Aura um sich, die von Magie durchwirkt war. Erinnerst du dich an den Luftstoß? Magie hat ihren ganz eigenen Geruch. Als der Windhauch kam, habe ich es gerochen. Vermutlich konnte ihm wegen der magischen Aura auch die Hitze nichts anhaben – das ist bei uns Feen ähnlich.“ „Hm-mh, klingt logisch.“ Noch verwirrter als vorher und mit der Frage im Geist, wie Magie wohl riechen mochte, näherte der junge Held sich dem großen, bläulichen Granitblock, der den Durchgang auf dieser Seite blockierte, und betrachtete die aufwendige Verzierung, die in den Stein gemeißelt war. „Ich glaube nicht, dass ich den hier einfach wegsprengen kann.“ Nachdenklich klopfte Link mit dem Fingerknöchel gegen den harten, glatten Stein. „Vielleicht musst du das auch gar nicht. Da oben ist noch eine Tür.“ Navi deutete auf einen vorstehenden Vorbau über dem Granitblock und legte den Kopf schief, während sie die Höhe schätzte. „Meinst du, du kommst da hoch?“ Mit einem beherzten Sprung katapultierte der junge Hylianer sich in die Höhe und bekam den oberen Rand des Blocks zu fassen. Keuchend zog er seinen restlichen Körper hoch, wobei der Schmerz in seiner geprellten Schulter dumpf pulsierte und er sich das Knie hart anstieß. Als er sich auf dem Granitblock wieder aufrichtete, tropften ihm dicke Schweißperlen von Schläfen und Kinn, doch er schritt fast beschwingt auf die Holztür vor ihm zu. Jedoch hielt die gute Laune über den greifbaren Fortschritt nicht an, denn der grün geflieste Raum hinter der Tür war vollkommen leer. „Das ist doch zum... Argh!“ Frustriert trat Link gegen die Wand, wobei eine Fliese brach und ein knirschendes Geräusch von sich gab. Mit einem missmutigen Gesichtsausdruck durchschritt der junge Hylianer den Raum auf der Suche nach irgendetwas, das ihm weiterhelfen konnte. Navi stolzierte mit umfasstem Kinn hinter ihm her und grübelte vor sich hin. „Also, wir haben folgendes Problem: Jeder Raum, den wir bisher untersucht haben, ist eine Sackgasse und die einzige Tür, die uns vielleicht weiterbringen könnte, ist verschlossen. Richtig?“ Link verzog grimmig das Gesicht und drehte sich zu ihr um. „Richtig.“ „Vielleicht ist der Schlüssel in dem Raum hinter dem Granitblock – falls da ein Raum ist.“ „Möglicherweise.“ „Also Kommando zurück und den Block untersucht!“ Beinah zärtlich strich der junge Mann über die glatte Oberfläche des Granitblocks. Wäre sein brummiger Gesichtsausdruck nicht gewesen, hätte er fast verzückt gewirkt. So erschien er jedoch eher konzentriert als begeistert, während er mit halb geschlossenen Augen die Gravur mit den Fingern nachfuhr. Navi musterte ihn fasziniert und fragte sich, was in seinem Kopf vorgehen mochte. „Siehst du das hier?“ Link tippte mit dem Zeigefinger gegen die eingemeißelte Sonne mit mehreren langen Lichtstrahlen. Die Fee legte ihren Kopf schief, wobei ihr das lange Haar über die Schulter fiel, und begutachtete die kunstvolle Verzierung. „Ja, klar. Aber was ist damit?“ „Erinnerst du dich, wo du das schon mal gesehen hast? Ich bin mir sicher, dass mir das Zeichen schon mal aufgefallen ist, aber ich komm einfach nicht drauf, wo.“ Navi zog die Augenbrauen zusammen und studierte die sorgfältige Gravur genauer, während Link grübelnd auf und ab ging. Schon wieder glaubte er, etwas wiederzuerkennen, konnte sich aber nicht daran erinnern, wo er es schon einmal gesehen hatte – genau wie bei Shiek. Die Frustration perlte wie kleine Luftbläschen durch seine Adern und ballte sich zu einem harten Knoten in seiner Brust zusammen. Doch bevor er völlig verzweifeln konnte, rief Navi plötzlich aufgeregt: „Ich hab’s!“ Erwartungsvoll wirbelte Link zu ihr herum und betrachtete sie aus großen Augen wie sie mit überschlagenen Beinen an der Kante des Granitblocks saß. „Das Zeichen war auch auf dem Zeitportal.“ Für einen kurzen Moment blinzelte der Hylianer verwirrt, aber dann tauchte das Bild des großen Steinportals aus der Zitadelle der Zeit vor seinem geistigen Auge auf. In seiner Erinnerung waren Teile des mächtigen Tors von den Heiligen Steinen auf dem Altar vor ihm verdeckt, doch wenn er sich konzentrierte, konnte er sich wieder an die eingemeißelte Sonne erinnern, die ihre Strahlen über das komplette Portal schickte. „Stimmt, du hast Recht!“ Erfreut lächelte Link Navi zu, wobei seine spröden Lippen erneut aufrissen und ein kleines Rinnsal Blut sein Kinn hinablief, wo es fast augenblicklich trocknete. Nachdenklich starrte die zierliche Fee auf die rostrote Blutspur zwischen Links kurzen, weichen Bartstoppeln, die sein Gesicht kantiger wirken ließen als noch vor ein paar Tagen. „Schön, jetzt wissen wir, wo wir das Zeichen schon mal gesehen haben. Aber bringt uns das weiter?“ Einen Moment lang wiegte der junge Held den Kopf hin und her, wobei sich eine Strähne aus seinem Zopf löste und locker neben seinem Kinn baumelte. „Vielleicht. Ich hab zumindest eine Idee. Komm mal her.“ Sofort stieß Navi sich von der Kante ab und nahm ihren Lieblingsplatz auf Links rechter Schulter ein. Kaum, dass sie sich gesetzt hatte, holte der junge Hylianer die Okarina der Zeit aus seinem Lederbeutel und befeuchtete seine trockenen Lippen, bevor er das Mundstück ansetzte. Nur einen Atemzug später erklang die sakrale Melodie der Hymne der Zeit und verwob sich mit der heißen, stehenden Luft des Raums. Langsam ließ Link das wertvolle Instrument sinken und wartete angespannt darauf, dass irgendetwas passierte. Navi fummelte ein bisschen Dreck unter einem Fingernagel hervor und bedachte den Granitblock mit einem enttäuschten Blick. „Ich glaube, das hat nichts gebracht.“ Vorsichtig zuckte Link mit den Schultern, um seine Fee nicht herunter zu schubsen. „Scheint so. Naja, hätte sein können.“ Enttäuscht wandte er sich ab, um über eine andere Lösung nachzudenken, als Navi ihm plötzlich mit einem überraschten Quietschen an den Haaren zog. „Aua! Was im Namen der Göttinnen soll das?!“ „Sieh doch!“ Irritiert zog der junge Mann die Augenbrauen zusammen und drehte sich wieder um, nur um überrascht mehrere Schritte zurück zu stolpern. Dort, wo noch wenige Sekunden zuvor ein massiver Granitblock gewesen war, schoss nun eine mehrere Meter hohe, blaue Feuerfontäne in die Höhe. Schützend riss Link den Arm hoch und blinzelte gegen das helle Licht der Flammen an, während Navi aufgeregt an ihrem langen Haar fummelte. Nach mehreren Minuten verkümmerte das Feuer endlich und gab den Weg zu einer massiven Stahltür frei. Überrascht zeigte Link auf den breiten Vorbau, den er mehrere Minuten zuvor erklommen hatte. Jetzt stand dort der blaugraue Granitblock, der zuvor die Tür blockiert hatte, als wäre er dort hinauf teleportiert worden. Navi zuckte lächelnd mit den Schultern, als wäre das überhaupt nicht verwunderlich, und deutete ungeduldig auf die stählerne Tür. Wie erwartet herrschte auch in dem dämmrigen Korridor hinter dieser Tür eine feuchtklamme, drückende Wärme, die noch unerträglicher war als die stehende, trockene Hitze im großen Lavaraum. Bei jedem Schritt hallte das Klacken von Links massiven Sohlen von den hohen Wänden wider und ließ Navi kalte Schauer über den Rücken laufen. Irgendwie hatte sie immer schon gefunden, dass hallende Schritte in leeren Gängen oder Räumen eine gespenstische Atmosphäre verbreiteten. Sie wollte gerade etwas sagen, um die Stille zu durchbrechen, als Links lange Ohren zuckten. Er verengte die Augen zu Schlitzen und versuchte, in dem Dämmerlicht etwas zu erkennen, während er angestrengt lauschte. „Hast du das vorhin gehört?“ Seine Stimme war ein scharfes Flüstern, das Navi schaudern ließ. Was immer er gehört hatte, er schien es als mögliche Gefahr einzuordnen. Langsam und mit gezücktem Schwert schlich er durch den steinernen Gang, von dessen grob behauenen Steinen ein zarter Wasserdampf aufstieg, bis das Geräusch wieder erklang. Der Recke presste die rissigen Lippen aufeinander und spitzte die leicht wackelnden Ohren. Navi klammerte sich an seine Tunika und lauschte mit angehaltenem Atem ins Halbdunkel. „Das... Das klingt wie ein Gorone!“, platzte es plötzlich aus ihr heraus, als sie das seltsame Wimmern endlich erkannte. Sofort stürzte Link davon und rannte laut schnaufend den schwülen Gang hinab, auf der Suche nach dem gefangenen Felsenwesen. Als er die Zelle endlich entdeckte, wollte er seine Geschwindigkeit drosseln, rutschte aber auf einer kleinen Wasserpfütze aus und schlidderte ungebremst gegen das Eisengitter. Aus der Ecke der Zelle ertönte ein erschreckter Aufschrei, als der Hylianer unter lautem Gepolter mit den dicken Gitterstangen kollidierte. „Alles in Ordnung?“ Navi, die sich reflexartig von seiner Schulter abgestoßen hatte, bevor er gegen das Eisen geknallt war, schwebte über ihm und musterte ihn mit einem besorgten Gesichtsausdruck. Stöhnend hievte Link sich wieder auf die Füße und hielt sich den schmerzenden Kopf. Über seinem rechten Auge klaffte eine stark blutende Platzwunde von ungefähr einem Zentimeter Länge. Das Blut, das in breiten Bahnen über sein Gesicht lief, bildete einen schaurigen Kontrast zu dem schwarzvioletten Hämatom, das er sich im Waldtempel zugezogen hatte. „Autsch...“ Mit vor Schmerz verzogenem Mund befühlte Link seine Verletzung, während Navi ein leicht steifes Stück weißen Tuchs aus seinem Lederbeutel zog. Dankbar nickend nahm der junge Mann das Taschentuch entgegen und presste es zur Blutungsstillung auf seine Wunde, wobei er aus ängstlich blickenden Knopfaugen gemustert wurde. Navi lächelte dem Goronen ermutigend zu und winkte ihn ans Gitter. „Alles in Ordnung. Link und ich sind hier, um dich hier raus zu holen.“ Sofort weiteten sich die runden, schwarzen Augen des Steinwesens und es kam so nah wie möglich an die Eisenstäbe heran. Durch einen roten Schleier stellte der Hylianer fest, dass die Wangen des Felsentiers tränennass waren. Mit zitternden Händen umfasste der Gefangene die Gitterstäbe und fixierte Navi mit einem durchdringenden Blick. „Sagtest du gerade, Link sei hier? Der Link?“ „Stets zu Diensten.“ Der junge Held stopfte das weiße Tüchlein, das inzwischen voller dunkelroter Flecken war, zurück in den unglaublichen Lederbeutel und lächelte in Richtung Zelle. Sein blutverkrustetes Gesicht wirkte mit der blassen Haut, den dunklen Bartstoppeln und dem lilaschimmernden Hämatom gespenstisch. Der Gorone blinzelte überrascht und starrte ihn mit offen stehendem Mund an. „Du bist Link, der Dodongo-Töter?“ Seufzend rollte Link mit den Augen. „Ja. Und ja, ich weiß... ich wirke mickrig.“ Der Gorone lächelte ihn mild an und schüttelte den Kopf. „Nein, das meinte ich nicht. Ich war nur überrascht. Dein Auftritt wirkte ein wenig... tollpatschig.“ Link tauschte ungläubige Blicke mit Navi, während er auf den Bodenschalter zuging, der wenige Meter entfernt aus dem Boden ragte. „Super... Jetzt bin ich mickrig und tollpatschig. Langsam frage ich mich, warum ich diese Steinfresser überhaupt rette...“ „Weil du der Held bist, mein Lieber.“ Mit einem amüsierten Funkeln in den Augen stupste die Fee ihrem Schützling gegen die Nase, als er den Schalter hinunterdrückte. Der befreite Gorone trottete langsam auf Link zu und legte ihm die schwere Pranke auf die schmerzende Schulter. Doch anstatt zurückzuzucken, biss der Hylianer die Zähne zusammen und wandte sich dem Felsenwesen zu, das ihn freundlich anstrahlte. „Hab Dank, mein Freund.“ „Gern geschehen. Und jetzt sollten wir von hier verschwinden.“ Link drückte die kühle Steinhand ein wenig und machte dann einen Schritt zur Seite, um seine dumpf pochende Schulter zu befreien. Seite an Seite schritten Hylianer und Gorone den Gang hinab, als das Steinwesen plötzlich herumwirbelte und zur Zelle zurücklief. Irritiert zog Link die Stirn kraus und starrte angestrengt ins Dämmerlicht. Nach wenigen Minuten kam der Gorone mit einem verschwörerischen Grinsen zurück und streckte seinem Retter die Hand entgegen, in der etwas kleines Silbernes glitzerte. „Das hätte ich beinah vergessen! Diesen Schlüssel haben meine Gefängniswärter verloren, als sie mich letztens... besucht haben. Ich habe ihn in einer hohlen Fuge versteckt, ohne genau zu wissen, warum. Vielleicht kannst du damit etwas anfangen.“ Vor Freude wäre Link dem Goronen am liebsten um den Hals gefallen, doch stattdessen grinste er nur zu Navi hoch und nahm den filigranen Generalschlüssel an sich. „Woah!“ Erschrocken sprang Link zur Seite, als vor ihm plötzlich eine riesige Feuerfontäne in die Höhe schoss. Kaum, dass der junge Hylianer durch die verschlossene Tür getreten war, war er auch schon auf dem abschüssigen Boden herabgerutscht – geradewegs in Richtung eines riesigen Bodenlochs, aus dem nun die Flammen schlugen. Navi beobachtete mit vor Schreck riesig geweiteten Augen, wie Link zwei brennende Härchen ausdrückte, die offensichtlich durch den Luftzug zu nah an das Feuer heran gekommen waren. Mit einem entschuldigenden Grinsen drehte der junge Held sich zu seiner Fee um und blickte sie wie ein unschuldiges Lämmchen an. „Wäre fast schief gegangen...“ Bevor Navi etwas Bissiges entgegnen konnte, das seine Fähigkeiten als Held in Frage stellen würde, wandte er sich von ihr ab und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Wie Link mit Erstaunen feststellte, befanden sie sich in einer Art Käfig aus silbrig schimmerndem Draht. Langsam richtete er seine Augen auf die über ihm schwebende Plattform, die mit massiven Trägern an der einzigen Steinwand befestigt war, als ihm etwas auffiel. Schnell machte er ein paar Schritte zurück, legte den Kopf in den Nacken und verengte die Augen zu Schlitzen, um besser erkennen zu können, was er dort oben sah. „Sag mal, Navi, ist das da oben ein Steinblock?“ Mit lang ausgestrecktem Arm deutete der Hylianer nach oben, während seine Fee sich das Ganze aus der Nähe ansah. „Ja, du hast Recht. Das ist ein ziemlich massiver Steinquader. Aber warum fragst du?“ „Meinst du, ich könnte ihn von da oben runterschubsen?“ Irritiert blinzelte Navi ihren Begleiter an. „Möglich. Aber weshalb solltest du das tun wollen?“ Stumm deutete Link auf die noch immer lodernde Feuerfontäne schräg hinter ihm. Mit verwirrt in Falten gelegter Stirn starrte die zierliche Fee auf seinen Rücken, während er prüfend am Drahtgerüst zog, um sicherzugehen, dass es sein Gewicht halten würde. „Das bringt dir doch überhaupt nichts, wenn du den Klotz von da oben runterschubst. Lass uns lieber einen Weg hier raus suchen.“ „Es bringt mir sehr wohl etwas“, widersprach der Herr der Zeiten und schob prüfend eine Stiefelspitze in ein Loch des Drahtgeflechts. „Dieses Ding da macht mich nervös, wenn es hinter mir zischt und faucht. So kann ich nicht denken!“ Behände erklomm Link die Drahtwand, bis er mit dem Kopf beinah an die Decke stieß. Glücklicherweise hatten sich die Maschen als groß genug erwiesen, dass er seine Stiefelspitzen bequem hindurch stecken konnte und so ein wenig mehr Halt fand. Dennoch taten ihm die Finger weh, als er oben ankam, und er war froh, dass er endlich auf die Plattform hinter sich springen konnte. Navi saß bereits grinsend auf dem Steinquader, als er mit einem dumpfen Geräusch auf der gefliesten Plattform aufsetzte. „Das hat aber ganz schön lange gedauert“, neckte sie ihn mit amüsierter Stimme, während der junge Mann missmutig die Stellen an seinen Fingern betrachtete, an denen der dünne Draht in sein Fleisch geschnitten hatte. Zaghaft trat er an den Klotz heran und warf einen Blick in die Tiefe, um sicherzugehen, dass der Block tatsächlich auf dem störenden Loch im Boden landen würde. Dann warf er sich mit seinem vollen Körpergewicht gegen den warmen Stein und schob ihn ächzend über die Kante, während Navi es sich auf seinem Kopf bequem machte. Mit einem lauten Krachen schlug der massive Quader auf dem Boden auf und begrub die Feuerfontäne unter sich. Grinsend blickte Link zu Navi herauf, die sich so weit nach vorne lehnte, dass er ihr lächelndes Gesicht sehen konnte. Sie wollte gerade zu einem „Gut gemacht“ ansetzen, als die Erde zu beben begann. Erschrocken krallte die winzige Fee sich an Links langen Haaren fest, während der junge Hylianer krampfhaft versuchte, das Gleichgewicht zu halten. „W-W-Was g-g-geht-t-t-t hier-r-r-r v-o-o-o-r?“, stammelte er, während er mit schreckgeweiteten Augen immer mehr auf den Abgrund zu torkelte. Bevor Navi die Chance zu einer Antwort hatte, schallte plötzlich ein lautes Dröhnen an ihre Ohren. Überrascht wollte Link den Kopf herumreißen, doch in dem Moment rutschte er von der Kante und stürzte mit einem gellenden Schrei in die Tiefe. Navi stieß ein markerschütterndes Kreischen aus, aber anstatt am Boden aufzuschlagen und sich sämtliche Knochen zu brechen, landete Link auf dem Steinquader, den er mehrere Minuten zuvor die Plattform hinabgeschubst hatte. Stöhnend setzte der junge Held sich auf und blickte sich verwirrt um. An den Rändern des Blocks züngelten sich heiße Flammen entlang und die Wände des Raums rauschten in einem unförmigen Gemisch aus Braun-, Rot- und Schwarztönen an ihm vorbei. Navi landete mit blassem Gesicht vor seinen Füßen und starrte ihn aus großen Augen an, bevor sie sich schluchzend gegen sein Schienbein warf und es fest umklammerte. „Ich... Ich dachte, ich hätte dich dieses Mal wirklich verloren.“ Dicke, bunt schillernde Tränen kullerten über ihre Wange, während Link ihr vorsichtig mit einem Zeigefinger über den Rücken strich. „Ja, das dachte ich auch. Was ist überhaupt passiert, dass ich immer noch lebe?“ Schniefend wischte die Fee sich über die Augen und holte tief Luft, bevor sie mit zitternder Stimme erklärte: „Unter diesem Raum muss eine Magmakammer sein, die unter unglaublichem Druck steht. Jedenfalls ist die Feuerfontäne wieder ausgebrochen und hat den Block einfach mit in die Höhe gedrückt.“ Erschrocken riss Link den Kopf hoch und starrte mit großen, panischen Augen auf die schnell näher kommende Decke des hohen Raums. Nur noch wenige Augenblicke und dann würde er zwischen Steinquader und Decke zerquetscht werden. Mit wilden, hektischen Schlägen pumpte sein Herz adrenalinhaltiges Blut durch seine Adern, während Link und Navi verzweifelt nach einem Ausweg aus dieser Situation suchten. Es waren nur noch weniger als ein halber Meter und der Herr der Zeiten versuchte bereits, sich mit seinem zu frühen Tod abzufinden, als seine Fee plötzlich jubelnd in die Hände klatschte und davon flog. „Spring, Link! Hier drüben ist ein Loch in der Decke. Du schaffst das!“ Mit einem beherzten Sprung katapultierte Link sich durch die Luft und bekam die Kante des rettenden Lochs zu fassen, gerade, als der Steinquader hinter ihm laut krachend gegen die Decke schlug und zerbrach. Ächzend zog der junge Hylianer sich auf den rettenden Boden und ließ sich lang auf den Rücken fallen, während Navi über seinen Brustkorb tänzelte. Sein Herz hämmerte wie wild und seine Knie waren derartig weich, dass sie weggeknickt wären, hätte er in diesem Moment versucht aufzustehen. Nachdem er mehrere Minuten auf den angenehm warmen, braunen Steinfliesen gelegen und darauf gelauscht hatte, wie sich sein unregelmäßiger Herzschlag langsam wieder beruhigte, rappelte Link sich wieder auf und öffnete die protestierend quietschende Stahltür, die weiter in den Tempel hinein führte. „Hier oben ist es um einiges kühler“, stellte Navi überrascht fest und musterte Link von der Seite, dessen Stirn zum ersten Mal seit sie den Tempel betreten hatten, nicht von Schweißperlen überzogen war. Der junge Mann streckte die Arme nach hinten und sog die angenehm temperierte Luft tief ein, bevor er in der Nähe eine weitere Zelle entdeckte. Schnell eilte er zu ihr herüber, nur um festzustellen, dass sie von dieser Seite aus nicht zu öffnen war. Frustriert trat er gegen das Gitter, was den gefangenen Goronen heftig zusammenzucken ließ, doch er wagte nicht, aufzublicken und nachzuschauen, wer vor seiner Zelle stand. „Ich glaube, wir sollten lieber weiter nach dem Hammer suchen, anstatt hier zu stehen und zu fluchen, nur weil eine der Zellen sich nicht öffnen lässt.” Navi zog ihrem Schützling leicht am Kragen seiner inzwischen wieder normal temperierten Tunika und richtete ihren Blick auf eine schmale, drahtbespannte Wand, an der man weiter nach oben klettern konnte. Geschwind erklomm Link die Mauer und fand sich in einer Art Irrgarten mit hohen Mauern aus hellem Stein wieder. Langsam schritt er durch die engen Gänge, während sich ein ungutes Gefühl in seiner Magengegend breitmachte, so als sei Gefahr im Verzug. Navi betrachtete nachdenklich seinen verkniffenen Gesichtsausdruck und stupste ihn mit ihrer kleinen Faust gegen die Schulter. „Hey, was ist los, Zwergenheld?“ Überrascht blinzelte er zu ihr herauf und starrte seine Fee mit offenstehendem Mund an. „So hast du mich ja ewig nicht mehr genannt.“ Sie kicherte amüsiert, wobei ihre Stimme klingelte wie kleine Glöckchen, und grinste. „Naja, eigentlich bist du inzwischen ja auch schon dem Zwergenalter entwachsen – zumindest körperlich.“ Bevor Link etwas entgegnen konnte, spürte er plötzlich immer stärker werdende Vibrationen in dem gestampften Lehmboden und hörte ein schleifendes Geräusch, so als zöge jemand etwas Schweres über Stein. Irritiert warf er einen Blick über die Schulter und erstarrte. Hinter ihm rollte eine riesige, mit rotbraunen Lehmbrocken befleckte Felskugel auf ihn zu und drohte ihn zu erfassen. Ohne ein weiteres Wort stürmte der junge Mann davon, in der Hoffnung irgendwo einen Spalt oder ein Loch zu entdecken, in dem er sich vor der rollenden Gefahr verstecken konnte. „Hey, was... Wo willst du hin?!“, brüllte Navi ihm hinterher, doch er drehte sich nicht um, um es ihr zu erklären. Sie würde ihm sicher folgen, um eine Antwort aus ihm heraus zu pressen. Ein erschrecktes Aufquieken hinter ihm verriet ihm jedoch, dass Navi bereits wusste, weshalb er rannte, als gelte es der Erste am beliebtesten Stand auf Hyrule-Stadts Marktplatz zu sein. Seine Lunge schmerzte und brannte bereits, als er um eine Ecke schoss und in ein paar Hundert Metern Entfernung eine kleine Nische entdeckte. Ein letztes Mal mobilisierte er all seine Kräfte und sprintete auf die rettende Ecke zu, während die bedrohliche Kugel immer mehr aufholte. Mit einem flinken Hechtsprung konnte der junge Hylianer sich gerade eben noch in die Nische retten, bevor der runde Fels gegen die nächste Wand donnerte, wo er mit einem schmatzenden Geräusch eine kleine Eidechse zermalmte, die über die warmen Steine gekrabbelt war. Heftig atmend lehnte Link sich gegen die gemauerte Wand der Nische und wartete darauf, dass sich seine Atmung wieder normalisierte. Navi saß mit abgespreizten Beinen vor ihm und schnappte ebenfalls atemlos nach Luft, als die belustigte Stimme eines Goronen an ihre Ohren drang: „Das war aber knapp, ihr Zwei.“ Überrascht rissen die beiden Abenteurer ihre Köpfe herum und entdeckten ein weiteres der gefangenen Steinwesen, das herzlich lächelnd am Gitter seiner Zelle stand und sie aufmerksam musterte. Langsam und mit noch immer heftig pochendem Herzen ging der Herr der Zeiten auf den wie frisch poliert blitzenden Bodenschalter zu, während er den Blick des Goronen in seinem Rücken spürte. Kaum, dass sich das Gitter schleifend zur Seite bewegt hatte, trat das noch immer lächelnde Felsentier an ihn heran und legte ihm seine riesige Hand auf die noch immer leicht schmerzende Schulter. „Hab Dank, Kleiner. Du bist Link, nicht wahr?“ „Du bist der Erste nach Darunia und Hector, der mich erkannt hat.“ Der junge Mann grinste leicht zu dem befreiten Goronen hoch, der ihn um mindestens einen Kopf überragte, und wand sich aus dessen Pranke heraus. Er konnte zwar nicht sagen, warum dem so war, doch er hatte es noch nie gemocht, wenn man ihn ungefragt angefasst hatte. Der Gorone ließ seinen Arm locker an seiner Seite herabfallen und zwinkerte Link zu. „Das war nicht so schwer. Ich bin der Gorone, der dich damals vor Darunias Thronsaal angesprochen hat. Die Meisten von uns haben dich jedoch nie wirklich zu Gesicht bekommen oder haben nicht auf dich geachtet, weil sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen waren.“ Link dachte an seinen kurzen Zwischenstopp in Goronia vor sieben Jahren, seine verzweifelten Versuche, Einlass in den Raum des Regenten zu erhalten, den Goronen, der ihm damals Hilfe angeboten und ihn auf die richtige Spur gebracht hatte – und daran, wie unhöflich er sich damals ihm gegenüber verhalten hatte. Mit brennenden Wangen starrte er auf seine Stiefelspitzen und entdeckte Navi, die es sich auf seinem rechten Fuß gemütlich gemacht hatte. „Ich... Ich hab mich nie dafür bedankt, dass du mich damals auf die entscheidende Idee gebracht hast, oder?“ Der Gorone lachte leise in sich hinein. „Nein, hast du nicht, aber das ist schon in Ordnung – und spätestens jetzt wären wir wohl quitt. Hab Dank, Link.“ Mit diesen Worten rollte das Steinwesen sich zusammen und schoss mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit durch die engen Gänge des Labyrinths davon. Auf der anderen Seite des Raumes fanden die beiden Abenteurer eine Tür, durch die sie in einen eigentümlichen Gang gelangten, dessen Boden zum Großteil weggebrochen war, sodass nur noch ein schmaler Steg zu der Tür in der gegenüberliegenden Wand führte. Als wäre das nicht genug gewesen, entdeckte Link, als er genauer hinsah, dass die stählerne Tür von dicken Eisenstäben blockiert war. Suchend blickte er im Raum umher, als Navi plötzlich einen Pfiff ausstieß. „Schau mal nach unten. Ist das nicht der Raum mit der eingestürzten Brücke?“ Prüfend warf Link einen Blick durch den kaputten Boden. In einiger Tiefe erkannte er die kleinen steinernen Inseln inmitten eines riesigen Sees aus brodelnder Lava. Schnell wandte er sich wieder ab, während ihm bei dem Gedanken daran, von dem schmalen Steg abzurutschen und in diesem Teich zu landen, ein Schauer über den Rücken lief. „Hier drüben ist ein Schalter.“ Navi schwebte vor einem aufwendig gearbeiteten Auge, das aussah als wäre es aus purem Gold. Link hob eine Hand mit ausgestrecktem Daumen in ihre Richtung, um ihr stumm für diesen Fund zu danken, und fragte: „Meinst du, du kannst ihn umlegen? Sonst muss ich’s mit dem Fanghaken oder Pfeil und Bogen versuchen.“ Die zierliche Fee machte ein lässiges Gesicht und stemmte ihre kleinen Fäuste in die Hüfte. „Du traust mir auch gar nichts zu, oder? Sieh her und staune, Ungläubiger.“ Mit einem breiten Grinsen lehnte Navi sich gegen den Schalter, der sich problemlos hineindrücken ließ. Fast augenblicklich wurden die Eisenstäbe hochgezogen und der Weg war frei. Als er durch die Tür trat, zitterten Links Beine noch immer. Der Balanceakt über den schmalen Steg hatte ihn mehr Nerven gekostet, als er sich eingestehen wollte. Dennoch sollte ihm keine Pause vergönnt sein. Kaum, dass er einen Fuß auf den festen, über einen Lavasee gespannten Drahtseilboden gesetzt hatte, loderte hinter ihm laut fauchend eine alles vernichtende Flammenwand auf. „Hört das denn nie auf?“, jammerte er, während er mit Navi auf der rechten Schulter durch den Raum hastete, wobei seine Schritte laute, dumpf dröhnende Geräusche auf den dicken Drahtfäden machten. „Da oben ist eine Tür!“, rief die Fee, doch ihre Stimme wurde immer leiser, als sie erkannte, dass der Ausweg von dicken Eisenketten blockiert war. „Na super...“, grummelte Link, während er schnaufend vor der immer näher rückenden Feuerwand davonlief. Dankbar dachte er an seinen nützlichen, verzauberten Beutel und strich unbewusst über das weiche Leder. Er wollte sich nicht einmal vorstellen, wie es wäre, mit all seinen schweren Ausrüstungsgegenständen bepackt vor Gefahren wie der Felsenkugel oder den züngelnden Feuer wegrennen zu müssen. „Da drüben ist noch eine Tür – und die ist offenen!“, jubelte Navi plötzlich und streckte einen Arm aus, um ihrem Schützling den richtigen Weg zu deuten. Link drehte seinen Kopf in die angezeigte Richtung und blickte sich fragend um. Tatsächlich! In der Nähe erstreckte sich eine kleine Treppe, die zu einer leicht offenstehenden Tür führte. Keuchend nahm der junge Hylianer die Beine in die Hand und spurtete so schnell er nur konnte auf den Ausgang zu. Anstatt sich mit der Treppe aufzuhalten, sprang er mit einem gewagten Sprung an den oberen Treppenabsatz und zog sich unter Aufbietung all seiner Kraft hoch. Gerade, als er die Füße über die Kante zog, loderte die Flammenwand an der Treppe vorbei. Mit großen Augen blickte der erschrockene Held zu seiner Fee auf. Wäre er nur wenige Sekunden langsamer gewesen, hätte er sich jetzt neue Stiefel kaufen müssen. „Langsam wird mir das echt zu viel. Dieser Tempel ist ja riesig!“ Link schlug laut krachend die verwittert wirkende Holztür ins Schloss, die daraufhin knirschend zersplitterte, was er jedoch kaum beachtete. Stattdessen ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen und stellte überrascht fest, dass er sich nun oberhalb des Steinirrgartens befand. Unter ihm rollten die bedrohlichen Felskugeln wie Murmeln durch die Gänge. „Wohin jetzt?“ Navi sah sich fragend um, während ihr Begleiter eine der Kugeln beobachtete und grübelte, wie sie auf dem ebenen Boden in Bewegung bleiben konnten. „Ist das da hinten eine weitere Zelle?“ Link versuchte trotz der Entfernung klar zu sehen, doch alles, was er erkannte, war ein metallenes Blitzen. Seine Fee zuckte geschmeidig mit ihren schmalen Schultern und richtete die Handflächen in Richtung Decke. „Keine Ahnung. Wollen wir nachsehen?“ Geschickt sprang der junge Mann von Mauer zu Mauer, wobei er darauf achtete, den riesigen Steinkugeln, welche die Wände des Labyrinths um mehrere Zentimeter überragten, aus dem Weg zu gehen. Nach einigen waghalsigen Sprüngen landete er auf einem etwas breiterem Podest, das dem engen Gefängnis gegenüber lag. Mit einem Schreck musste er feststellen, dass die Zelle ein vergittertes Loch in der Außenwand des Raums war. Es gab keinerlei Möglichkeiten, sich davor zu stellen und genauso wenig gab es Platz für einen Druckschalter. Navi überquerte den kleinen Graben zwischen Podest und Zelle ohne Probleme und zwängte sich durch die eng beieinander stehenden Gitterstäbe, während Link auf der anderen Seite ungeduldig von einem Fuß auf den nächsten trat. Der gefangene Gorone staunte nicht schlecht, als er die winzige, leuchtende Frau entdeckte, die sich zu ihm in die Zelle gestohlen hatte. Ungläubig rieb er sich immer wieder über die tiefschwarzen, runden Augen, was Navi ein wenig kichern ließ. „Du... Du bist eine Fee aus dem Kokiri-Wald, oder?“ Seine Stimme war selbst für einen Goronen sehr tief und hallte dröhnend von den nackten Wänden wider. Navi nickte und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als das Steintier so heftig in die Hände klatschte, dass sie erschrocken zusammenfuhr. „Du bist Navi, nicht wahr? Das bedeutet, dass Link hier ist! Den Göttinnen sei Dank!“ Mit großen Augen starrte die Fee den Gefangenen an. „Woher kennst du meinen Namen?“ „Du wirst in vielen unserer Geschichten erwähnt.“ Ein funkelndes Strahlen schlich sich in Navis grüngoldene Iriden und ihre Mundwinkel bogen sich zu einem ungläubigen Lächeln nach oben. „Ich… bin… Teil eurer Geschichten?“ Doch bevor der Gorone ihr ausbreiten konnte, wie groß die Rolle war, die sie in ihren Erzählungen spielte, gab Link ein schnaufendes Geräusch von sich. „Navi! Beeil dich!“ „Oh... ja, das hätte ich fast vergessen.“ Die Fee hüstelte leicht und mahnte sich selbst stumm, bei der Sache zu bleiben. „Hast du eine Ahnung, wo der Schalter für deine Zelle ist?“ Der Gorone legte den Kopf schief und überlegte. „Nein, tut mir leid. Aber er muss irgendwo auf einer dieser Mauern sein, denn ich hab bei den Fütterungen die Wächter springen hören, bevor sich das Gitter bewegt hat.“ „Alles klar. Wir werden uns draußen mal umsehen. Bald bist du wieder frei.“ Nach einigem Suchen entdeckte Link den Bodenschalter auf einem in der Nähe befindlichen Podest. Winkend standen die beiden Abenteurer an der Kante und blickten dem befreiten Goronen hinterher, der sich einen Weg aus dem Raum suchte. Langsam ging der junge Hylianer über einen breiten Vorbau auf die kaputte Tür zu, durch die er vor einigen Minuten in den Raum getreten war. „Ich glaube, hier ist nicht mehr viel zu entdecken.“ Navi warf die Stirn in Falten und überschlug die Beine. „Aber da hinten war doch nur noch eine verschlossene Tür.“ Link seufzte und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß. Aber mir ist wieder eingefallen, dass–“ Doch bevor er den Satz beenden konnte, brach plötzlich der Boden unter ihm weg und er stürzte mit einem überraschten Aufschrei in die Tiefe. Während er fiel, wurde sein Geist erstaunlich klar, wie er mit einer seltsamen Gleichgültigkeit feststellte. Er konnte sogar die dreckigen Fugen zwischen den Fliesen, die mit jedem Meter immer mehr von einem satten Baumrindenbraun zu einem zarten Blattgrün wechselten, erkennen. Dass eine der Wände von einem rautenförmigen Flechtwerk dicker Drahtseile überzogen war, registrierte er jedoch erst mit einiger Verzögerung. Mit einer Drehung um die eigene Achse, versuchte er näher an das rettende Gitter heran zu kommen, während Navi wie verzweifelt an seiner Tunika zog, als würde das seinen Fall bremsen. Dicke Tropfen Angstschweiß liefen über seine Schläfen, als er den Draht mit den Fingerspitzen berührte. Er zog die Unterlippe zwischen die Zähne und versuchte, seinen linken Arm noch länger zu machen, bis er endlich eine der vorbeisausenden Maschen zu fassen bekam. Er schlug hart gegen die Wand, wobei er sich die Unterlippe aufbiss, und kam ruckartig zum Stehen. Seine linke Schulter schmerzte höllisch, doch immerhin war er gerettet. Er lehnte seufzend seine Stirn gegen die Wand und atmete tief durch, bevor er sich keuchend an den nur noch kurzen Abstieg machte. Navi saß stocksteif auf seiner Schulter und fragte sich, wie oft sie noch Todesängste um ihn würde ausstehen müssen, bis es einmal zu spät war oder er seine Aufgaben endlich erledigt hatte, als Link vor ihnen die stabilen Eisenstäbe eines weiteren Gefängnisses entdeckte. Wie die Beiden überrascht feststellten, hatten sie diese Zelle schon einmal gesehen – allerdings von der anderen Seite. Zu Links Befriedigung mussten sie dieses Mal nicht wieder unverrichteter Dinge abziehen, sondern fanden stattdessen den Schalter, der zu dem Gittermechanismus gehörte. Der Gorone bedankte sich knapp und verschwand dann derart schnell, dass Link ihm ungläubig hinterher starrte. Er hatte gar nicht gewusst, dass sich diese schwerfällig wirkenden Wesen mit solch einer Geschwindigkeit bewegen konnten. „Und wohin jetzt?“, erkundigte sich Navi. „Zurück nach oben.“ Link stand schon wieder am Gitter und begann langsam und mit noch immer weichen Knien seine Kletterpartie. „Aber da kommen wir doch gar nicht weiter“, wandte seine Begleiterin ein und warf ihm mit in Falten gelegter Stirn einen zweifelnden Blick zu. „Die einzige, noch mögliche Tür ist verschlossen.“ Der junge Hylianer nickte und zog sich weiter hoch, während seine Fee ein grübelndes Gesicht zog. „Das ist mir klar. Aber ist dir schon mal aufgefallen, dass wir etwas Wichtiges vergessen haben?“ Navi starrte ihn verständnislos an und schüttelte leicht den Kopf. „Wir zwei Schlaumeier haben einen Generalschlüssel“, erinnerte Link sie. „Wir kommen durch jede Tür in diesem verfluchten Tempel.“ Vor Überraschung über ihre eigene Blödheit kippte Navi die Kinnlade herunter, doch sie schloss den Mund wieder tonlos, als ihr nichts Gescheites einfiel, das sie darauf hätte antworten können. Durch die verschlossene Tür gelangten sie in einen riesigen, runden Raum, der völlig friedlich wirkte. Doch wie Link schon bald eigenen Leib erfahren musste, trog dieser Schein. Zielsicher steuerte der junge Held auf eine weitere Stahltür zu, als Navi ihn plötzlich am Kragen seines Hemdes festhielt, das inzwischen völlig verdreckt war. Zwar spürte er das schwache Reißen kaum, aber er hatte während seiner Reise schon mehrfach bewiesen bekommen, dass es besser war, auf Navis Warnungen zu hören. „Was hast du?“ Er blickte sie ratlos an, doch sie verschob missbilligend den Mund. „Was ich habe? Die Frage ist eher, was du hast. Willst du dich rösten lassen?“ Irritiert blinzelte Link zu ihr hinab, während sie ein kleines Steinchen vom Boden aufhob und zwischen zwei vor ihnen stehende Eisensäulen warf. Sofort schossen orangerote Flammen aus den metallenen Zylindern und ließen den jungen Mann überrascht nach Luft schnappen. Navi setzte sich wieder auf seine Schulter und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Das ist ein Feuerlabyrinth. Du kannst da nicht einfach durchmarschieren.“ Schnell sammelte Link so viele Steinchen wie er mit einer Hand tragen konnte und trickste sich so durch die tückische Anlage. Hinter der Tür war ein weiterer Zellenblock, in dem ein gefangener Gorone saß. Er hatte die Arme um die angezogenen Beine geschlungen und weinte bitterlich. Mit einem mitleidigen Lächeln trat Link an die Gitterstäbe und versuchte das zitternde Wesen zu beruhigen. „Hey, hab keine Angst. Wir sind hier, um dich zu befreien.“ Der Gorone blickte auf und schniefte laut, beruhigte sich aber zusehends, als er erkannte, dass die beiden Gestalten vor seiner Zelle nicht zu Ganondorfs Schergen gehörten. Mit langen Schritten ging Link auf den rostbraunen Bodenschalter zu und trat ihn mit voller Kraft herunter, doch nichts passierte. Knurrend startete er noch weitere Versuche, die darin endeten, dass er mit vollem Körpereinsatz auf dem Schalter herum sprang. Jedoch sollte keine seiner Anstrengungen Früchte tragen. Keuchend und schwitzend gab er schlussendlich auf und sah den Goronen schulterzuckend an. „Das hat keinen Sinn. Der Schalter ist zu eingerostet. Aber ich lass mir etwas einfallen und komme dann zurück. Versprochen.“ „Finde den Goronenhammer. Damit sollte es gehen.“ Der Gorone stand schon seit geraumer Zeit am Gitter, umklammerte zwei der Eisenstangen und beobachtete seinen seltsamen Besuch. Link nickte ihm zu und verließ eiligen Schrittes den Raum. Hinter der Tür erwartete ihn ein weiteres Feuerlabyrinth, doch dank dem Trick mit den Steinchen stellte es keine große Herausforderung dar. Schnell wand Link sich durch die heißen Gänge und erreichte ein niedriges Podest, das zu einer mit edlen Stoffen bespannten Holztür führte. Zielsicher steuerte der junge Held auf diese zu und ergriff ohne zu zögern den Türknopf. Gerade, als er ihn drehen wollte, fiel ihm die seltsam weiche und warme Beschaffenheit auf, doch er hatte keine Chance, um reagieren zu können. Kaum, dass er seine Hand um den Knauf geschlossen hatte, schnellte die «Tür» auf und schlug ihn hart gegen die Wand. Augenblicklich schoss ihm heißes Blut aus der Nase und tropfte von seinem Kinn auf seinen Hemdkragen, während Navi ihn stumm, aber mit vor Schreck unglaublich riesigen Augen anstarrte. „Das muss eines dieser Monster sein, vor denen Shiek mich gewarnt hat“, murmelte Link, während er sein salziges Blut auf den Lippen schmeckte. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, wobei das aufgeraute Leder seiner Handschuhe über seinen Dreitagebart kratzte. Er nahm sich vor, sich auf dem Rückweg in Kakariko rasieren zu lassen, bevor er den mysteriösen Shiekah in der Zitadelle der Zeit aufsuchte. „Ich glaube, ich hab schon mal von diesen Wesen gehört“, überlegte Navi laut, während sie über Links breite Schultern schritt. „Dabei hast du nicht zufällig aufgeschnappt, wie man sie am besten kleinkriegt, oder?“ Der junge Hylianer spuckte einen Mundvoll blutigen, rötlichen Speichels aus und befühlte sein Nasenbein, das zum Glück nicht gebrochen war. „Lass mich kurz überlegen.“ Die zierliche Fee setzte sich grübelnd auf seinen Kopf und kaute auf der Unterlippe, während Link seinen Wunderbeutel nach etwas zu trinken durchforstete. Als er seine Hand wieder aus dem Säckchen zog, hielt er eine mit einer tiefroten Flüssigkeit gefüllte Flasche in den Händen und zog skeptisch die Stirn kraus. Trotz der wenig vertrauenerweckenden Farbe war Link mutig genug, einen Schluck zu nehmen und stellte überrascht fest, dass der nach Beeren duftende Saft nicht nur gut schmeckte, sondern auch sehr durstlöschend war. „Du könntest es mit einer Bombe versuchen.“ Navis Stimme klang nicht wirklich überzeugt, doch ihr Begleiter verkorkte dennoch schnell seine Flasche und tauschte sie gegen eine der schwarzen, explosiven Kugeln ein, die er an einer der flammenden Wände des Labyrinths entzündete. Mit einem schadenfrohen Grinsen beobachtete er, wie das heimtückische Türmonster von der Explosion in Fetzen gerissen wurde und den Blick auf die eigentliche Tür frei gab. „Was ist das denn?!“ Erschrocken wich Link vor einem riesigen Flammenwesen zurück, das den nächsten, hellbraun gefliesten Raum bevölkerte und mit seinen brennenden Armen nach ihm griff. Navi versteckte sich so gut wie sie konnte unter Links Zopf und schielte an seinem Hals vorbei. „Das ist ein Feuertänzer. Er sieht gefährlich aus, aber zum Glück ist er es nicht. Siehst du den dicken, dunklen Knubbel in seinem Inneren?“ Der junge Held nickte konzentriert, während er einer weiteren Attacke des feurigen Angreifers auswich und fasziniert feststellte, dass das Feuer des eigenartigen Wesens permanent die Farbe wechselte – von Rot zu Blau zu Grün und wieder zurück. „Diese kleine Knolle ist dein eigentlicher Gegner“, fuhr Navi fort, „alles andere dient nur zur Abschreckung. Wenn du es schaffst, ihn aus seinem Feuerkleid zu reißen, hast du leichtes Spiel.“ Ihn aus seinem Feuerkleid reißen? Link legte den Kopf schief, während Navis Worte durch seinen Kopf hallten. «Damit kannst du Gegenstände zu dir heranziehen» hatte sie vor wenigen Tagen in Boris’ Hütte zu ihm gesagt, als sie ihm die Funktionsweise des Fanghakens erklärt hatte. Ob das wohl auch für Lebewesen galt? Schnell zerrte er seinen Fanghaken aus seinem Lederbeutel, während Navi ihn aufmerksam von der Seite musterte. Als sie den Gegenstand in seiner Hand erkannte, machte sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht breit. „Ah! Das ist eine sehr gute Idee!“ Die Kette des Fanghakens rollte sich mit einem lauten Rasseln ab, während die Spitze durch die Luft sauste und den Körper des Feuertänzers durchschlug. Sofort betätigte Link den Schalter für den Aufrollmechanismus und das Innere des Angreifers wurde mit einem harten Ruck aus seiner feurigen Rüstung gerissen. Link ließ den Griff des Fanghakens los und zog blitzschnell sein Schwert, mit dem er die unglückselige Kreatur halbierte, bevor der fallengelassene Haken laut scheppernd auf den Fliesen aufschlug. Durch eine laut quietschende Stahltür betraten die beiden Abenteurer den nächsten, kreisrund angelegten Raum. Auch hier dominierten beigebraune Fliesen und Ziegelsteine das Bild und das laute Schlagen von Fledermausflügeln durchdrang die schwüle Luft, doch davon nahmen der Hylianer und seine Fee kaum etwas wahr. Wie gebannt starrten die Zwei auf eine Art Altar, den man über eine schmale Wendeltreppe erreichte. Auf dem wuchtigen, aber niedrigen Tisch lag silbern schimmernd ein imposant wirkender Hammer, der die Beiden erleichtert aufatmen ließ. Der Goronenhammer! Leider war der steinerne Altar von einer undurchdringlichen Flammenwand umgeben, die bedrohlich und heiß in Richtung Decke loderte… „Schnell Navi! Du fliegst rechtsrum, ich geh linksrum“, forderte Link. „Wir müssen den Schalter finden, der das Feuer abstellt. Schrei, wenn du etwas findest.“ Gehorsam schwang sich die Fee in die Luft, während Link in die andere Richtung davon hastete. Er war noch nicht weit, als Navis zarte Windspielstimme ihn zurück hielt. „Hier! Ich hab etwas!“ Mit einem gezielten Tritt stieß Link den Bodenschalter hinab und jubelte laut auf, als die Flammen rund um den Altar züngelnd erloschen. Doch kaum, dass er seinen Fuß ein wenig anhob, merkte der junge Held, dass der Schalter sich langsam wieder nach oben drückte. Fragend blickte er sich um, aber er fand nichts, das schwer genug gewesen wäre, um es auf den Schalter zu stellen. Er warf einen skeptischen Blick zum Altar hinauf und schätzte grob die Entfernung. „Hm... könnte knapp werden, aber ich versuch’s. Drück mir die Daumen, Navi.“ Mit vollem Körpergewicht drückte Link den Schalter so weit nach unten wie nur irgend möglich und sprintete so schnell wie er konnte los. Sein Herz trommelte hektisch in seiner Brust, während er die Treppenstufen hinaufhastete und sich gleichzeitig wild mit dem Schwert um sich schlagend vor den angriffslustigen Fledermäusen verteidigte, die sich mit lautem Fauchen auf ihn stürzen wollten. Als er endlich oben ankam, sah er die Flammen schon wieder langsam auflodern, doch er griff ohne weiter darüber nachzudenken auf den Altar und riss den schweren Goronenhammer an sich. Völlig außer Atem, aber glücklich, es geschafft zu haben, stützte Link die Hände auf die leicht gebeugten Knie und atmete tief durch, als Navi neben seinem Ohr auftauchte. „Ähm... ich will ja nicht meckern, aber dein Arm brennt.“ Erschrocken riss der junge Mann den Kopf herum und entdeckte eine kleine, sich langsam durch den Stoff fressende Flamme am Ärmel seines Hemdes, das ein wenig verrutscht war und unter der Tunika hervorguckte. Schnell schlug er das Flämmchen mit seiner behandschuhten Hand aus und schulterte den gewaltigen, silbernen Hammer, dessen Schlagfläche rund und in etwa so groß wie Links Handfläche war. „Lass uns zurück gehen, Navi. Wir haben einem Goronen versprochen, ihn aus seiner Zelle zu lassen.“ Der bahnbrechenden Gewalt des Goronenhammers hatte der verrostete Schalter nichts entgegenzusetzen. Mit einem lauten Knirschen bewegte sich das Zellengitter zur Seite und der gefangene Gorone trabte mit einem dankbaren Lächeln auf den Lippen auf Link zu. „Hab Dank, mein edler Retter.“ Ein wenig verlegen winkte der junge Mann ab, als sein Gegenüber ihn prüfend ansah. „Du suchst einen Weg in Volvagias Raum, nicht wahr?“ Überrascht nickten Link und Navi als wären sie zwei Köpfe von ein und derselben Person. Der Gorone lächelte wissend und bedeutete seinem Retter, ihm zu folgen. Eiligen Schrittes verließen die Drei den düsteren Zellenblock und traten zurück in den Raum mit den Feuerlabyrinthen. Vor ihnen ragte eine riesige, viereckige Säule in die Höhe, die Link auf gute fünfzehn Meter Höhe schätzte. Mit dem Zeigefinger seiner beeindruckend großen Pranke deutete der Gorone auf die Säule und lächele Link erneut an. „Mit dem Relikt der Goronen ist es kein Problem, in Volvagias Raum zu kommen.“ „Relikt der Goronen? Meinst du den Goronenhammer?“ Der Herr der Zeiten drehte den polierten Silberhammer zwischen den Händen und grinste, als er Navis seltsam verzerrtes Spiegelbild entdeckte. „Ja, genau.“ Der Gorone verschränkte die Hände, als wollte er dem Hylianer als Trittleiter dienen. „Mit dem Hammer kannst du bestimmt diese Säule hinabschlagen. Eigentlich müsste sie direkt vor der Tür zu Volvagias Reich in dem Raum unter uns aufkommen. Hier, ich helfe dir hoch.“ Schnell verstaute Link den wertvollen Hammer in seinem Beutel und trat ein wenig zögernd in die ihm dargebotenen Hände. Kaum hatte er seinen Fuß in die Hilfsstellung gesetzt, spürte er auch schon, wie er mit gewaltiger Kraft hochgeschleudert und durch die Luft geworfen wurde. Mit einem überraschten Keuchen kam der junge Held tatsächlich auf dem Kopf der Säule an. Lächelnd winkte er zu dem hilfreichen Goronen hinab und zog dann den Hammer, um mit voller Kraft auf die Säule zu schlagen. Navi hielt sich ob des lauten Dröhnens die Ohren zu, doch schon bald zeigten Links Schläge Erfolg. Zunächst wackelte die Säule nur ein wenig, aber dann stürzte sie gemeinsam mit dem jungen Mann auf ihr in die Tiefe. Für einen kurzen Moment verloren seine Füße die Bodenhaftung, doch als die hinabgestürzte Säule mit einem lauten Platschen in dem Lavateich landete, setzte Link sanft wieder auf ihrer glatten Oberfläche auf und sah sich der bronzebeschlagenen Tür gegenüber, durch die Darunia früher am Tag verschwunden war. Entschlossen fasste der Herr der Zeiten den Goronenhammer fester und sprang zu der Tür herüber. Endlich war seine Zeit gekommen, seinem Goronenbruder beizustehen. Kapitel 30: Der Feuerdrache Volvagia ------------------------------------ Die Hitze im Raum des Drachens war beinah unwirklich und Link hatte das Gefühl, seine Kettenkleidung würde ihm direkt auf dem Körper schmelzen. Der Schweiß brannte ihm in den Augen und er versuchte in der Ferne mehr als einen rotbraunen Fleck zu erkennen, obwohl die Luft so sehr hin und her waberte, dass ihm davon fast schwindelig wurde. Mit schweren Schritten und in der überhitzten Luft mühsam nach Atem ringend kämpfte der junge Hylianer sich weiter vor, während Navi auf seiner Schulter saß, tiefrot leuchtete und versuchte, sich mit den Händen einen kühlen Luftzug zuzufächeln. Keuchend setzte er einen Fuß vor den anderen, wobei er sich sicher war, dass jeden Moment die Sohlen seiner Stiefel in Flammen aufgehen müssten. Vor ihm erstreckte sich ein riesiger See zähflüssigen Magmas, aus dem dicke, gelbliche Schwefelschwaden aufstiegen, die das Atmen noch unerträglicher machten. Inmitten der roten, blubbernden Masse ragte eine fast perfekt runde Felseninsel auf, die an den Rändern wie abgebrochen wirkte. Doch weder Darunia, noch Volvagia waren zu sehen. Unruhig ließ Link seinen Blick schweifen, ohne etwas zu sehen, das er als seinen alten Freund oder den Drachen identifizieren konnte. „Warum ist es hier so verflucht ruhig? Hier sollte doch ein Kampf stattfinden…“ Sein Herz schlug wild und hektisch und pumpte das Adrenalin in unregelmäßigen Schüben durch seine Adern, während Panik ihre eisige Hand um seinen Brustkorb legte und fest zudrückte. Plötzlich schnappte Navi erschrocken nach Luft und deutete auf die Mitte der runden Insel. Ängstlich folgte der junge Mann ihrem ausgestreckten Arm mit den Augen und entdeckte zwischen zahlreichen Lavapfützen eine zusammengesackte, leblose Gestalt, die wie ein unförmiger Steinklotz dalag. „Nein!“, schrie es stumm in seinem Herzen, während er zu der Insel hinübersprang, obwohl er fast hätte schwören können, seine Füße würden an dem heißen Steinboden kleben bleiben. So schnell er konnte, stürzte er auf den Felsbrocken zu, während Navi sich mit zitternden Händen an seiner eiskalten Tunika festkrallte und auf ihrer vollen Unterlippe herumbiss. „Darunia! Komm zu dir!“ Link kniete neben dem leblosen, massigen Körper und schüttelte ihn hart. Den Goronenhammer, den er in der Hand gehalten hatte, hatte er einfach achtlos fallen lassen. „Darunia, bitte... Komm schon... Mach die Augen auf!“ Link hörte selbst wie weinerlich seine Stimme klang und erste Tränen, die in der mörderischen Hitze jedoch sofort trockneten, lösten sich aus seinen Augenwinkeln. Stumm ließ er den toten Goronen wieder zu Boden sinken und starrte mit einem dicken Kloß im Hals auf seinen verdrehten Körper. Der rechte Arm stand in einem unnatürlichen Winkel ab, so als wäre er gebrochen, und in dem steinernen Vollbart fehlten einige Zacken, was ihn wie gerupft wirken ließ. Die glasigen, schwarztrüben Augen des Toten standen weit offen und Link war sich sicher, dass sie ihn anklagend ansahen. Er war zu spät gekommen. Wieder einmal… Schuldgefühle ätzten sich durch sein Herz und ließen es bei jedem Schlag grausam schmerzen. Er hatte das Gefühl, ein tonnenschweres Gewicht läge auf seiner Brust und drücke sämtliche Luft aus seinen Lungen. Er fiel auf die Knie, umschlang seinen Oberkörper mit den Armen und rang hustend nach Luft. Navi schwebte vor ihm und beobachtete nervös und besorgt, wie sein Blick immer entrückter wurde. Er drohte an seinen Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen zu ersticken. Angestrengt suchte sie nach den richtigen Worten, als hinter ihnen plötzlich ein brodelndes Geräusch entstand. Link blinzelte mehrfach, um wieder einen klaren Blick zu bekommen, und wirbelte herum. Erschrocken stellte er fest, dass das, was er für Lavapfützen gehalten hatte, in Wirklichkeit enge Schächte waren, welche die Inseln in ihrer ganzen Tiefe durchbohrten. Aus einem dieser Löcher ragte ein riesiger Kopf mit unglaublich großen, giftgrünen Augen heraus, die den Hylianer vor sich durchdringend musterten. Mit einem lauten Fauchen kroch Volvagia ganz aus den Tiefen der Insel, schwang sich in die Lüfte und umkreiste seine Besucher einige Male, bevor er sich wieder in eines der Löcher stürzte. Fasziniert stellte Navi fest, dass die Schuppen der gefährlichen Echse aussahen als würden in ihrem Inneren viele kleine Flammen züngeln und dass der lange, kunstvoll gefiedert aussehende Stirnschmuck tatsächlich brannte. Der Drache hatte zwei kurze, unnütz wirkende Ärmchen und zwei winzige Flügel, die so zerbrechlich aussahen, dass die Fee nicht glauben konnte, dass sie Volvagia tatsächlich durch die Luft trugen. Alles in allem wirkte dieses Tier eher wie ein harmloser, brennender Regenwurm als wie ein Goronen fressendes Ungetüm. Navi fragte sich, warum Darunia nicht in der Lage gewesen war, es zu töten – schließlich konnte Feuer einem Goronen nichts anhaben – als sie die dicken, silbern schimmernden Schuppenplatten auf Kopf und Nacken des Drachens entdeckte. Offensichtlich wusste dieses Monster, wie es seine Schwachstellen schützen musste. Nervös blickte Link umher, während er darauf wartete, dass Volvagia sich wieder zeigte. Den Goronenhammer hatte er inzwischen wieder aufgehoben und drehte ihn jetzt langsam in seinen verschwitzten Händen. Das Metall hatte sich auf dem heißen Felsenboden unglaublich aufgeheizt und verbrannte ihm nun die unbedeckten Fingerkuppen, doch Link versuchte, den Schmerz so gut es ging zu ignorieren. Als es in einiger Entfernung wieder zu brodeln begann, wirbelte Link sofort herum, aber er war zu langsam. Bevor er das Loch erreichen konnte, hatte der Drache sich schon lange in die Lüfte geschwungen, von wo aus er Link mit Feuerbällen und Stalaktiten bewarf, die von der Höhlendecke hingen. Keuchend sprang der junge Hylianer hin und her und verfluchte die drückende Hitze, die seine Beine schwer machte, und das immense Gewicht des Goronenhammers, das ihn zusätzlich beim Laufen behinderte. Laut fauchend verschwand Volvagia wieder in einem seiner Löcher und Link blieb heftig schnaufend stehen, um darauf zu warten, dass der Drache wieder hervorkam. Navi kauerte ängstlich in seinem Kragen und flüsterte tonlos etwas in einer Sprache, die der Hylianer nicht verstand. Als es wieder verräterisch zu blubbern begann, jubelte der junge Herr der Zeiten innerlich, denn das entsprechende Loch war nicht weit entfernt. „Dieses Mal kriege ich dich!“, brummte er leise und stürzte mit hoch erhobenem Hammer auf den Drachen zu. Doch bevor er in Angriffsnähe kam, blieb er mit dem Fuß an etwas hängen und schlug lang hin, wobei er die Waffe in seiner Hand losließ und sie laut klappernd über den felsigen Untergrund schrammte. Wütend warf Link einen Blick hinter sich, um zu sehen, was ihn zu Fall gebracht hatte, und erstarrte, als er erkannte, dass er über Darunias Beine gestolpert war. Ein heftiger Schmerz durchzuckte sein Herz, doch er verlor keine Zeit mit Trauer und rappelte sich schnell wieder auf. Noch bevor Volvagia erneut in einem seiner Löcher verschwunden war, hatte der Hylianer seinen Goronenhammer schon wieder aufgehoben und war kampfbereit. Mit einem breiten Grinsen auf den rissigen und aufgeplatzten Lippen registrierte Link, dass der Drache sich für den folgenden Angriff einen Schacht gleich neben ihm ausgesucht hatte. Kaum, dass der silbrig schimmernde Kopf zu sehen war, hieb er ihm mit voller Wucht den schweren Hammer auf die Stirn. Volvagia fauchte überrascht auf, aber auch das konnte das laute, knackende Geräusch nicht übertönen, das verriet, dass die Panzerung des Monsters einen Riss bekommen hatte. Schnell wischte der Herr der Zeiten sich mit dem Handrücken über die Stirn, um den dort stehenden Schweiß daran zu hindern, ihm in die Augen zu laufen – doch ohne Erfolg. In dieser Hitze schwitzte er so stark, dass ununterbrochen dicke Tropfen seine Stirn hinabkullerten und in seinen langen Wimpern hängen blieben. Gerade, als er überlegte, ob er sich aus seiner grünen Mütze eine Art Schweißband würde basteln können, riss ihn erneutes Brodeln in der Nähe aus seinen Gedanken. Sofort stürzte er auf das Loch zu, doch nur um festzustellen, dass es eine Finte war. Nach nur wenigen Sekunden hörte das Blubbern auf und Volvagia schoss aus einem ganz anderen Schacht in die Höhe. Link stöhnte auf und wich so geschickt wie möglich den Angriffen des Drachens aus, obwohl ihm die Hitze langsam merklich zu schaffen machte. Navi betrachtete besorgt seine wächsern wirkende, blasse Haut und fragte leise: „Alles okay bei dir?“ Mit aufeinandergebissenen Zähnen schüttelte der Hylianer den Kopf, während er sich unter einem Feuerball wegduckte. „Nicht wirklich. Mir ist... total schwindelig. Ich hab das Gefühl, mir wird bald schwarz vor Augen, wenn ich diesen Feuerwurm nicht schnell besiege.“ Als hätte der Drache seine Worte verstanden, stieß er wieder in einen der insgesamt elf Schächte hinab und zeigte sich mehrere Minuten lang nicht. Link versuchte blinzelnd das Bild vor seinen Augen daran zu hindern, sich wie wild zu drehen, und atmete keuchend. Als er wenige Minuten später auf eine erneute Finte hereinfiel, gaben seine Knie nach und der junge Herr der Zeiten sank auf den unangenehm heißen Boden, während weißbunte Sternchen vor seinen Augen tanzten. Als wollte er ihn verhöhnen, schoss Volvagia mit einem amüsiert wirkendem Funkeln in den grünen Glubschaugen auf ihn zu und holte tief Luft, um den entkräfteten Hylianer zu rösten. Navi kreischte laut und riss panisch an Links Ohren, um ihn zu einer Reaktion zu bewegen, während dieser den heransausenden Drachen nur wie durch einen Schleier sah. Plötzlich hörte er jedoch eine tiefe, dröhnende Stimme, die ihn wütend anbrüllte: „Reiß dich zusammen, Bruder!“ Überrascht riss er den Kopf herum, doch Darunia lag noch immer reglos auf dem Boden. Link schüttelte sich, um wieder klar sehen zu können, und sammelte seine letzten Kräfte. Mit einem wilden Schrei schleuderte er Volvagia den Goronenhammer entgegen, der mit einem lauten Krachen gegen den harten Panzer der Echse traf und dann scheppernd zu Boden fiel – gefolgt von der Rüstung des Drachens, die auseinandergebrochen war. Vor Überraschung blieb diesem der Feuerball im Halse stecken und er raste mit vor Schreck geweiteten Augen auf Link zu, der sich schwerfällig auf die Beine stemmte und das Master-Schwert zog. Obwohl er so schwach war, dass er die schwere Klinge kaum halten konnte, ließ er die scharfe Schneide durch die Luft wirbeln und trennte Volvagias Kopf vom Rest des Körpers. Mit einem lauten Platschen landete Beides in der brodelnden Lava, als plötzlich jemand Link an der Schulter berührte. Erschrocken riss der junge Hylianer den Oberkörper herum, wobei ihn eine heftige Schwindelwelle überrollte und schwanken ließ. Er fühlte große Hände und einen kräftigen Arm, die sich unter seine Achseln schoben, konnte aber nichts erkennen, weil sich die Welt um ihn herum derart heftig drehte, dass er nur unförmige Farbkleckse sah. Doch dass Navi nicht panisch aufschrie, beruhigte ihn ein wenig. „Du hast es tatsächlich geschafft. Der Feuerdrache Volvagia ist tot. Dank dir sind wir endlich wieder sicher.“ Diese Stimme kannte er doch... Link wandte langsam den Kopf und blinzelte gegen den Schwindel, während sein Blick langsam wieder schärfer wurde. „Hector?“ Der Name kam ihm nur als gehauchtes Flüstern über die geschundenen Lippen, doch er konnte spüren, dass der Gorone lächelte. „Ja. Ich bin’s.“ „Wie... Wie...“, setzte der Hylianer stammelnd an, aber es war Navi, die den Satz für ihn beendete: „Wie bist du aus deiner Zelle gekommen?“ Link fühlte wie Hector sanft die Schultern hob. „Einige Zeit nachdem ihr bei mir gewesen ward, kam ein ziemlich mysteriös aussehender Mann zu mir und hat mich freigelassen, ohne auch nur ein Wort zu sagen.“ „Shiek...“ Obwohl er zu schwach war, um auf eigenen Beinen zu stehen, spürte Link wie bei dem Gedanken an den geheimnisvollen Mann eine Woge warmer Gefühle durch seinen Körper schwappte. „Dann bin ich sofort hierhergekommen, weil ich Darunia und dir helfen wollte und sah dich halb ohnmächtig auf dem Boden knien.“ „Du warst es also, der mir zugerufen hat, ich solle mich zusammenreißen!“ Zu sprechen kostete Link ungewöhnlich viel Kraft und er krampfte eine Hand gegen seine Brust, als er heftige Seitenstiche bekam. Hector nickte langsam, während er den Goronenhammer aufhob und es konzentriert vermied, Darunias toten Körper anzusehen. „Ja, das war ich. Aber jetzt bring ich dich erst mal hier raus, damit du dich ein wenig erholen kannst. Du siehst schrecklich aus.“ Die Drei hatten die breite, bronzebeschlagene Tür schon fast erreicht, als Navi, die auf Links Schulter saß und ihre Beine über sein Schulterblatt baumeln ließ, überrascht keuchte. Irritiert wandten die anderen beiden ihren Blick nach hinten und schnappten hörbar nach Luft. Über dem verdreht daliegenden Körper Darunias funkelte ein grelles, rotes Licht, das langsam die Form des Goronenanführers annahm. „G-Genau wie bei Salia…, murmelte Link, der an ihre Begegnung im Waldtempel dachte. Hector schien unter seiner granitenen Haut zu erbleichen, als aus der farbigen Lichtkugel die Stimme Darunias ertönte. „Ich danke dir, mein Bruder. Du hast es geschafft! Volvagia ist besiegt und der Bann auf dem Feuertempel gebrochen.“ Der Herr der Zeiten schlug traurig die Augen nieder. „Mag sein, aber ich war zu langsam. Ich habe es nicht geschafft, schnell genug hier zu sein, um dich zu retten.“ Die halbdurchsichtige Gestalt schüttelte den Kopf. „Gräme dich nicht, Bruder. Mein Leben war so oder so verwirkt, da ich woanders gebraucht werde. Du siehst es selbst: Ich bin der Weise des Feuers. Und gemeinsam werden wir diesem Ganondorf ordentlich in den Hintern treten!“ Darunia grinste und ballte angriffslustig seine transparente Hand zur Faust, was Link ein schwaches Lächeln aufs Gesicht zauberte. „Hector, mein Lieber, für dich habe ich noch einen allerletzten Befehl, bevor ich mich aufmache ins Heilige Reich.“ Der Gorone sah seinen ehemaligen Regenten aus großen Augen an. „Was immer du wünscht, Darunia.“ „Ich bitte dich, meinem Sohn an meiner statt beizustehen und mit ihm gemeinsam zu regieren, bis er alt genug ist, um meinen Thron alleine zu besetzen.“ Der Weise des Feuers lächelte den Dreien ein letztes Mal zu, bevor er sich wieder in eine rote Lichtkugel verwandelte und davonschwebte. Er war bereits verschwunden, als seine tiefe Stimme noch im Raum hing: „Link, mein Bruder, ich danke dir.“ Kapitel 31: Schloss und Schlüssel --------------------------------- Als Link am nächsten Morgen die Augen aufschlug, brauchte er ein paar Minuten, um sich zu orientieren. Er lag auf einem dicken Strohlager und blickte an eine niedrige Holzdecke aus kaum behandelten, dunkelbraunen Brettern. Navi hatte sich in einer Falte seiner grünen Tunika eingerollt und schlief leise schnarchend auf seiner Brust. Er schloss wieder die Augen und ließ sich zurück aufs Lager fallen, um zu rekapitulieren, wie er hierhergekommen war. Nach dem Kampf mit Volvagia hatte Hector ihm aus dem Tempel geholfen und ihn zu einer im Vulkan lebenden Feenkönigin gebracht, die Links Verletzungen geheilt hatte. Wieder in Goronia angekommen, hatte der junge Hylianer zuallererst das Goronengewand gegen seine geliebte Kokiri-Tunika eingetauscht und seine Mütze wieder aufgesetzt. Er konnte es zwar nicht erklären, aber ohne seine Kopfbedeckung fühlte der junge Mann sich stets ein wenig unwohl – fast so als würde ein Teil von ihm fehlen. Danach hatte er zusammen mit Hector Darunias Sohn aufgesucht, der fürchterlich geweint hatte, als er davon erfahren hatte, dass sein Vater von nun an als Weiser des Feuers im Heiligen Reich leben würde. Anschließend hatte Hector seinen hylianischen Freund bis nach Kakariko begleitet, wo dieser in Impas Haus ein Quartier bezogen hatte. Laut gähnend streckte der junge Held seine Glieder und kratzte sich an der Brust, wo Navi unwillige Laute von sich gab und darum bettelte noch ein wenig länger schlafen zu dürfen. Sanft nahm Link seine Fee in die Hände und legte sie vorsichtig aufs warme Stroh, bevor er aufstand und ans Waschbecken trat, um sich mit dem kalten Wasser zu waschen, das in einem dezent bemalten Porzellankrug bereitstand. Er stand gerade mit nacktem Oberkörper vor der Waschschüssel, als die Hausvorsteherin breit lächelnd an ihn herantrat. „Guten Morgen, Link. So früh schon wach?“ Der junge Mann griff nach einem bereitliegenden Handtuch und trocknete sich Gesicht, Nacken und Achseln ab, bevor er ein wenig schüchtern zurücklächelte. Obwohl er seine mit Silberketten durchwirkte Leinenhose trug, fühlte er sich ohne seine Tunika vollkommen nackt. „Ja, ich konnte nicht mehr schlafen. Ich glaube, so lange Ganondorf nicht besiegt ist, werde ich nie wieder ruhig schlafen können.“ Gähnend rieb er sich über die Augen mit den dunklen Ringen, während sein Gegenüber verstehend nickte. „Es ist sehr mutig von dir, dich gegen den Großmeister des Bösen zu stellen. Ich wünschte, dieses Land hätte mehr Helden wie dich. Du warst schon als Kind weniger ängstlich als viele dieser selbsternannten ‚Helden’. Aber wie auch immer... Du hast bestimmt Hunger, oder?“ Der junge Hylianer nickte zaghaft und die Hausvorsteherin lächelte ihn erneut an, bevor sie in ihrer schmalen Küche verschwand. Als Link sich seinem Lager zuwandte, um sich wieder anzukleiden, saß Navi aufrecht auf dem Stroh und strahlte ihn an. „Guten Morgen, Großer. Ausgeruht?“ Er grinste breit zurück und stupste sie leicht mit dem Zeigefinger an, als er sich nach seinem Kettenhemd bückte. „Dasselbe könnte ich dich fragen, Schlafmütze.“ Nachdem er sich wieder vollständig angezogen hatte, betrat der Herr der Zeiten gemeinsam mit seiner treuen Begleiterin das winzige Esszimmer, das nahezu vollständig von einem großen, rechteckigen Holztisch mit insgesamt acht Stühlen ausgefüllt wurde. Als er den fast kahlen Mann in blauer Latzhose und weißem Hemd erkannte, der am Kopfende des Tischs saß und eine große Portion Rührei in sich hineinschaufelte, schnappte Link überrascht nach Luft. „Talon!“ Der Besitzer der Lon-Lon-Farm blickte von seinem Frühstück auf und beobachtete Link, der sich auf einen benachbarten Stuhl setzte und ihn unverwandt ansah. „Was machst du denn hier?“ Talon musterte ihn eingehend und legte dann die verbogene Metallgabel zur Seite. In seinem dichten Schnauzbart hingen einige Eierreste, die beim Sprechen auf und ab hüpften, was Link ziemlich ablenkte. „Bist du das, Link?“ Der junge Mann nickte und zwang sich, den Blick endlich von den weißgelben Eierresten abzuwenden. „Ja, ich bin’s. Lange nicht gesehen. Aber sag: Was machst du hier?“ Mit grimmiger Stimme erzählte Talon davon, wie er von Basil von der Farm vertrieben worden war und deswegen hier in Kakariko Zuflucht gesucht hatte, und unterbrach sich nur kurz, als die Hausvorsteherin Link sein aus goldgelbem Rührei, warmem Brot und knusperigem Speck bestehendes Frühstück brachte. Mit der Zunge schob der junge Held einen Bissen Brot in die Wangentasche und nickte, während er mit einer Holzgabel in seinem Rührei herumstocherte. „Davon hab ich bereits gehört, als ich vor kurzem auf der Farm war. Aber ich glaube, du kannst jetzt dorthin zurückkehren. Ich... habe ein ernstes Wort mit Basil gesprochen und glaube nicht, dass er noch einmal Probleme machen wird.“ Nachdem er sein Frühstück beendet hatte, suchte er einen in der Nähe ansässigen Barbier auf und ließ sich rasieren, bevor er seine Waffen, die noch neben seinem Lager lagen, wieder an sich nahm und sich auf den Weg zur Zitadelle der Zeit machte. Epona trank gerade aus dem klaren, in der Nähe fließenden Fluss, als Link und Navi die Treppe herabkamen, wandte sich aber sofort wiehernd um und begrüßte ihren Herrn, als sie seinen Geruch erkannte. Schnell schwang sich der junge Hylianer in den Sattel und lenkte seine treue Stute in Richtung Hyrule-Stadt. „Diese Viecher sind mir nicht geheuer.“ Argwöhnisch betrachtete Link zwei Zombies aus den Augenwinkeln, die über den heruntergekommenen Marktplatz der ehemaligen Hauptstadt schlurften, und fasste die Zügel fester. Navi machte ein schnaufendes Geräusch und betrachtete mit hochgezogenen Augenbrauen ihre schimmernden Fingernägel. „Du verwandelst dich noch in ein echtes Mädchen... Erst bist du plötzlich eitel und jetzt hast du auch noch Angst vor ein paar harmlosen Untoten.“ Errötend berührte Link die glatte Haut über seinen hohen Wangenknochen, schob beleidigt die Unterlippe vor und presste Epona die Unterschenkel gegen die Flanken, was sie in leichten Trab verfallen ließ. Er konnte selbst nicht erklären, warum ihm der Gedanke, Shiek unrasiert und dreckig gegenüberzutreten, unangenehm war, aber deswegen musste Navi noch lange nicht darauf herumreiten… Als er die Zitadelle betrat, dachte Link zunächst, sie sei leer und seufzte enttäuscht. Navi wollte bereits einen gemeinen Witz über seine geplatzte Verabredung machen, als sie Shiek auf den Treppen zum Zeitfels sitzen sahen. Mit einem seltsamen Gefühl in der Magengegend stellte Link fest, dass der Shiekah an genau derselben Stelle saß wie die rothaarige Zelda aus seiner Traumerinnerung. Wenn Link genauer darüber nachdachte, hockte Shiek sogar in der gleichen Position auf den flachen Stufen. Doch bevor er sich weitere Gedanken dazu machen konnte, wandte der Shiekah den Kopf und sah direkt zu ihm herüber. „Du bist endlich hier. Sehr schön.“ Link stemmte eine Faust in die Hüfte, verlagerte sein Gewicht auf das linke Bein und grüßte mit der anderen Hand, während Navi über seine Schulter spazierte. „Du wolltest, dass ich herkomme. Warum?“ Shiek erhob sich langsam und ging auf seinen Besucher zu. „Weil ich dir etwas zeigen wollte.“ Er musterte Link mit einem amüsiert wirkenden Glitzern in seinem Auge. „Hast du eine Ahnung, warum man den legendären Helden den ‚Herrn der Zeiten‘ nennt?“ Der Hylianer zuckte vorsichtig die Schultern, wobei er darauf achtete, seine Fee nicht versehentlich hinunter zu schubsen. „Ich nehme an, weil seine Seele die Zeiten überdauert.“ Shiek schüttelte den Kopf, wodurch seine seidig schimmernden Haare ihm zart über die helle Gesichtshaut strichen. „Nein, das ist nicht der Grund.“ Mit einer eleganten Bewegung deutete er auf den Zeitfels hinter sich. „Der Herr der Zeiten hat die Macht, der Zeit selbst zu gebieten.“ Überrascht riss Link die Augen auf, während Navi ein ungläubiges Gesicht machte. „Du meinst, unser Kleiner hier kann den Lauf der Zeit beeinflussen?“ Mit schief gelegtem Kopf blickte der Shiekah zu der zweifelnden Fee herauf. „Nicht direkt. Aber der Herr der Zeiten hat die Gabe, durch die Zeit zu reisen. Doch dafür braucht er zwei Dinge.“ Der zierliche Mann wandte sich halb um und zeigte wieder auf den kleinen, rechteckigen Stein in der Mitte des Podests. „Der Zeitfels ist das Schloss zum Tor der Zeit und“, er zog dem völlig verdutzten Link sein Schwert aus der Scheide und ließ die edle Klinge im hellen Sonnenlicht, das durch die Buntglasfenster fiel, aufblitzen, „das Master-Schwert ist der Schlüssel dazu.“ Link verschränkte die Arme vor der Brust, während Navi mit offenem Mund auf die heilige Waffe in Shieks Hand starrte. Sie konnte nicht glauben, dass der Shiekah das Master-Schwert anfassen konnte, ohne sich vor Schmerzen zu winden. Eigentlich hätte nur der Herr der Zeiten selbst in der Lage sein dürfen, es in die Hand zu nehmen… „Verstehst du, was ich damit sagen will?“ Shiek sah Link mit einem derartig durchdringenden Blick in seine Augen, dass der Hylianer das Gefühl hatte, der andere Mann würde in ihn hineinschauen. Zögerlich fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen, bevor er sein Schwert wieder an sich nahm, das Shiek ihm mit dem Heft zuerst entgegenhielt. „Wenn ich das Master-Schwert wieder in den Zeitfels stecke, kann ich beliebig durch die Zeit reisen?“ Wieder schüttelte der junge Shiekah den Kopf und bedachte Link mit einem seiner sonderbar liebevollen Blicke. „Nicht beliebig, nein. Durch Zeitfels und Master-Schwert kannst du zwar ein Tor zum Zeitfluss öffnen, doch es ist beschränkt. Du kannst nur zwischen zwei Knotenpunkten hin und her reisen. Steckst du deine heilige Klinge wieder in den Fels, wirst du dich an jenem Tag wiederfinden, an dem du das Zeitportal geöffnet hast. Ziehst du es wieder heraus, reist du zu dem Tag, an dem du es zuletzt hineingestoßen hast.“ „Ich... kann zu jenem Tag zurück?!“ Link starrte Shiek mit großen Augen an, während Navi unruhig mit dem Fuß wippte. „Du wirst Ganondorf nicht daran hindern können, das Heilige Reich zu betreten“, erriet Shiek Links Gedanken. „Selbst wenn du ihn in der Zitadelle entdecken solltest, als Kind bist du ihm nicht gewachsen. Er würde dich umbringen, wenn du ihn angreifen würdest – und dann wäre alles verloren.“ Navi umfasste ihr Kinn mit Daumen und Zeigefinger und legte die Stirn in Falten. „Aber was, wenn Ganondorf dann das Master-Schwert selbst aus dem Zeitfels zieht?“ Ihr Glauben an die Abwehrmechanismen des Schwerts war durch Shieks lockeren Umgang mit der geheiligten Klinge zutiefst erschüttert, aber der Shiekah schüttelte den Kopf. „Das könnte er nicht. Nur rechtschaffende Personen mit einem reinen Herzen sind in der Lage, das Schwert überhaupt zu berühren.“ Link nickte bedächtig und steckte seine Waffe wieder in die dafür vorgesehene Scheide. „Ich danke dir, dass du mir dies alles erzählt hast. Aber ich sollte mich jetzt langsam wieder auf den Weg machen und den nächsten Weisen suchen.“ Shiek legte ihm eine seiner zierlichen, mit schmalen Leinenbändern umwickelten Hände auf die Schulter, was Link zu seiner eigenen Verwunderung nicht unangenehm fand. „Bevor du das tust, solltest du Zoras Reich einen Besuch abstatten. König Zora hat etwas, das du brauchen wirst.“ „Hab Dank für all deine Hilfe.“ Der junge Hylianer wollte sich bereits abwenden und gehen, als der Shiekah den Druck auf seine Schulter erhöhte. „Warte. Ich habe noch einen letzten Rat. Es wird der Tag kommen, an dem du schnell hierher zurückkommen musst. Wie du gesehen hast, befindet sich auch hier eine Teleportierplattform. Höre genau zu und präge dir die Kantate des Lichts gut ein, dann wirst du jederzeit in Windeseile hierherkommen können.“ Mit diesen Worten zückte Shiek seine goldene Lyra und stimmte eine kurze, aber fröhliche Melodie an, in die Link schon bald laut summend miteinfiel. Kapitel 32: Winterwunderland ---------------------------- Epona schritt langsam den schmalen Pfad entlang, der sich neben dem Zora-Fluss durch die felsige Landschaft Hyrules schlängelte. Link saß aufrecht im Sattel und zog fröstelnd sein frisch gewaschenes Hemd fester zu. „Verdammt, ist das kalt hier!“ Sein Atem hinterließ kleine, weiße Wölkchen in der eisigen Luft und er schlang die Arme um die Brust, um sich selbst zu wärmen. Er war sich sicher, Epona würde den richtigen Weg auch ohne seine Anweisungen finden. „Ich frage mich, woher diese unnatürliche Kälte kommt.“ Navi blickte sich fragend um und machte große Augen, als sie plötzlich etwas am Himmel entdeckte. „Sieh nur!“ Zunächst sah Link nur die dicke, undurchdringlich wirkende Masse grauer Wolken, doch dann bemerkte er die kleinen, weißen Flöckchen, die leicht wie Daunenfedern Richtung Erde schwebten. „Schnee!“ Mit einem knurrenden Laut beobachtete Navi die langsam zu Boden tanzenden Schneeflocken. Sie hatten fast die Größe von Links kleinem Fingernagel und bedeckten die Welt um die beiden Abenteurer herum mit blendendweißem Puder. „Ich wüsste nicht, dass ich es schon je einmal so schneien gesehen hätte.“ „Doch, natürlich!“, protestierte der Hylianer. „Im Kokiri-Wald lag jedes Jahr ganz viel Schnee!“ „Ja, das ist schon richtig“, knurrte die Fee zurück, „aber nicht mitten im Sommer!“ Je mehr sich die beiden Abenteurer dem Wasserfall näherten, der den Zugang zu dem Reich der Zoras verdeckte, umso mehr kühlte sich die Luft um sie herum ab und desto dichter wurde der Schneefall. Link rieb sich mit den Händen, deren Fingerspitzen bereits leicht blau angelaufen waren, über die Oberarme und wünschte sich, er hätte so einen schönen, kuscheligen Winterumhang dabei wie jenen, den er in seiner Kindheit während der kalten Monate getragen hatte. „Diese Eiseskälte scheint tatsächlich aus der Zora-Höhle zu kommen“, murmelte Navi, während sie ihren Blick auf einen Fleck in weiter Ferne richtete. Im Gegensatz zu Link zitterte sie kein bisschen und hätte beinah entspannt gewirkt, wäre die tiefe Sorgenfalte zwischen ihren Augenbrauen nicht gewesen. „W-Was m-meinst d-du, w-woher d-d-dieser F-Frost k-k-o-ommt?“, fragte Link, der inzwischen so heftig fror, dass er ununterbrochen mit den Zähnen klapperte. Die kleine Feenfrau, die zwischen Eponas aufmerksam aufgestellten Ohren saß, legte den Kopf schief und schien einige Zeit über diese Frage nachzudenken. Doch als das tosende Donnergrollen des Wasserfalls an ihre Ohren drang, schüttelte sie den Kopf. „Ich habe keine Ahnung. Aber wir sollten es schnell herausfinden, bevor du mir noch erfrierst.“ Während Navi etwas besorgt das kältebedingte Rot seiner Nase und Ohrenspitzen betrachtete, ließ Link sich aus dem Sattel gleiten und bedeutete Epona, an dieser Stelle auf ihn zu warten. Die restlichen hundert Meter auf den glatten, mit einer dünnen Eisschicht überzogenen Felsausläufern waren zu gefährlich und der junge Mann fürchtete, seine wertvolle Stute könnte womöglich ausrutschen und sich ein Bein brechen. „Ich wünschte, ich hätte Dornen unter den Sohlen oder so.“ Ganz, ganz langsam setzte Link einen Fuß vor den anderen, wobei er die Arme ausbreitete, um das Gleichgewicht zu halten. Schon sieben Jahre zuvor war der schmale, sich windende Felsweg unwegsam und schwer begehbar gewesen, aber die unnatürliche Kälte hatte das Sprühwasser des Wasserfalls gefrieren lassen, sodass der glatte Fels nun tödlich und spiegelglatt war. Dennoch schaffte der junge Hylianer es irgendwie, das goldene Triforce-Emblem zu erreichen, ohne auch nur ein einziges Mal auszurutschen. Navi, die noch immer auf Eponas Kopf saß, atmete erleichtert auf und ließ die lange, seidige Mähne der Stute los, in die sie sich vor Nervosität hineingekrallt hatte. Link hatte gerade das Wiegenlied beendet, als seine Fee neben ihm erschien. Sie lächelte ihn an und setzte sich auf seine Schulter, bevor sie gemeinsam darauf warteten, dass das Vordach ausgefahren wurde. „Ich glaub das nicht!“ Link stand am Rand des riesigen Wasserbassins und ließ entsetzt seinen Blick schweifen. Auch Navi machte große Augen und schüttelte ungläubig mit dem Kopf, wobei ihr langes, goldenes Haar sanfte Wellen in der Luft warf. Alles in der Zora-Höhle war von einer dicken Schicht weißen Raureifs überzogen und das Wasserbassin, in dem sieben Jahre zuvor klares, leicht türkisenes Wasser geglitzert hatte, war komplett zugefroren. Sogar der kleine Wasserfall, der sich hier einst in die Tiefe gestürzt hatte, war vollständig zu Eis erstarrt. „Sieht aus, als wäre diese mörderische Kälte unglaublich plötzlich und schnell gekommen.“ „Wie kommst du darauf?“ Der Hylianer legte die Stirn in Falten und machte ein ratloses Gesicht, während seine Fee auf den Wasserfall deutete. „Deswegen. Wäre der Frost langsam gekommen, dann wäre das Wasser nach und nach zugefroren, was bedeutet hätte, dass der Wasserfall immer kleiner und dünner geworden wäre, bis er gänzlich verschwunden wäre. Hätte diese Eiseskälte nicht schlagartig eingesetzt, würdest du von dem Wasserfall höchstens ein paar Eiszapfen sehen. Aber so sieht er eher aus wie... schockgefrostet.“ Langsam und noch immer fassungslos vor Entsetzen wandte Link sich um und schritt in Richtung Thronsaal davon. Geistesabwesend registrierte Navi wie sich das Licht durch einen besonders dicken und klaren Eiszapfen in viele einzelne, bunte Farben brach. Gerne hätte sie ihren Schützling darauf aufmerksam gemacht, doch sie befürchtete, er könnte ungehalten reagieren. Denn obwohl sie sich eingestehen musste, dass sie das glitzernde und funkelnde Eis unglaublich bezaubernd fand, war sie sich sicher, dass Link angesichts der Situation diese Auffassung nicht geteilt hätte. Deswegen erfreute sie sich stumm an der stillen Schönheit der Eisblumen, die sich die grauen Felswände emporrankten. Im Thronsaal erwartete die Beiden jedoch schon der nächste Schock, als sie eine leblose Gestalt auf dem Thron sitzen sahen. Schnell stürzte Link zu dem imposanten Zora herüber und trommelte mit den Fäusten gegen das dicke, rot schimmernde Eis, das den Körper des alten Regenten einschloss. „Ich glaube, das ist sinnlos.“ Navis Stimme war kaum mehr als ein kleines, dünnes Flüstern und doch fielen ihre Worte tonnenschwer in die eisige Stille. Link wollte sie gerade anfahren, dass sie die Hoffnung viel zu früh aufgab, als plötzlich eine andere Stimme ertönte: „Du irrst dich, holde Fee. Dies ist kein gewöhnliches Eis.“ Erschrocken wirbelten Link und Navi herum und entdeckten Shiek, der in dem schmalen Durchgang stand, durch den Link sieben Jahre zuvor von den aufgebrachten Zoras getrieben worden war. Mit offen stehendem Mund beobachtete der Hylianer, wie sich der Shiekah eine Strähne aus dem Auge strich, und fragte sich, warum dieser sonderbare Mann ihn nicht einfach gleich begleitete, wenn er sowieso ständig dort auftauchte, wo er hin ging. „Dieses rote Eis ist nicht etwa Resultat der extremen Wetterverhältnisse, die hier zurzeit herrschen, sondern Ergebnis eines Schutzzaubers“, erklärte Shiek, während er gemäßigten Schrittes den beiden Abenteurern näherte. Navi zog zweifelnd die Augenbrauen zusammen, während Link schnell von einem Fuß auf den anderen trat, um seinen ausgekühlten Körper wieder ein wenig aufzuwärmen. „Besonders geschützt sieht er aber nicht aus.“ Die Fee deutete mit einem Kopfnicken in Richtung des Zora-Königs. Shiek zuckte mit den Schultern und entgegnete: „Das mag sein, aber auch wenn es schwer vorstellbar ist, im Inneren dieses roten Eiskristalls ist es schön warm und vermutlich sehr viel angenehmer als hier.“ „D-Dann hat sich Kö-König Z-Zora also n-noch re-retten kön-nen, be-bevor hier a-a-alles zu Ei-Eis ersta-starrte?“, schaltete sich Link ins Gespräch ein, aber Shiek schüttelte wieder einmal mit dem Kopf. „Nein. König Zora ist nicht in der Lage, Magie zu wirken. Lord Jabu-Jabu war derjenige, der den Schutzzauber ausgesprochen hat. Vermutlich sollte er die gesamte Zora-Höhle einschließen, doch ich muss wohl nicht erwähnen, dass das nicht gelungen ist.“ Navi umschwirrte den seltsamen, roten Eiskristall und versuchte, ein Lebenszeichen von dem eingefrorenen Regenten zu entdecken. Als dieser kurz blinzelte, zuckte sie dennoch heftig zusammen, weil sie trotz der Worte des Shiekahs nicht daran geglaubt hatte, dass der Zora-Regent noch lebte. Mit einem Lächeln in der Stimme fragte Shiek: „Siehst du? Ich spreche die Wahrheit.“ Die Fee brummte eine unverständliche Antwort und verzog sich in Links lange Mütze. Dieser Shiekah war ihr unheimlich, doch sie konnte nicht sagen, warum eigentlich, und kam sich lächerlich vor. Wenn er wenigstens gelogen hätte, hätte sie ihre Gefühle besser verstehen können, doch so war sie beinah beleidigt, dass Shiek auf ihrer Seite zu stehen schien. „H-Hast d-d-du ei-eine A-A-Ahn-n-n-nung-g, w-warum d-d-der Sch-Sch-Schutz-z-zaub-b-ber sch-schief gega-a-ng-g-gen i-i-ist?“ Jetzt, wo Link sich langsam an den Anblick des zugefrorenen Zora Reichs gewöhnte und das Adrenalin seinen Blutkreislauf verließ, schlich sich die Kälte wieder in seine Knochen und ließ ihn erneut heftig mit den Zähnen klappern. „Ich weiß es nicht genau“, räumte Shiek ein, „aber ich vermute, dass der Zauber außer Kontrolle geriet, als Lord Jabu-Jabu noch während der Anwendung erfror.“ Link machte große Augen und wollte etwas sagen, doch bevor er ein Wort über die zitternden Lippen bekommen konnte, fuhr Shiek fort: „In der Nähe der Quelle gibt es eine Höhle, in der schon seit Urzeiten das legendäre blaue Feuer brennt. Finde diese Höhle und bring ein wenig von diesem Feuer hierher, um damit König Zora aufzutauen.“ „Toller Plan!“, tönte es aus den Tiefen von Links Mütze und Navi krabbelte geschwind zurück auf seine Schulter. „Wenn wir ihn auftauen, erfriert er hier doch sofort!“ Mit einem unglücklichen Gesicht legte Link den Kopf schief. „D-D-Da h-ha-a-att s-s-sie w-w-w-wohl rech-ch-cht-t-t.“ „Nicht, wenn du ihm das hier gibst.“ Der Shiekah langte unter seinen Brustschutz und zog eine kleine Ampulle hervor, in der eine goldene Flüssigkeit hin und her schwappte. „Was ist das?“ Navi riss neugierig die Augen auf und beobachtete Links Versuche, die kleine Ampulle trotz der heftig zitternden Hände in seinem Lederbeutel zu verstauen. „Das sind wenige Milliliter Göttinnentränen. Sie schützen vor Hunger und Durst, aber auch vor extremer Hitze und Kälte.“ Shiek taxierte Link mit einem fast besorgten Ausdruck in seinem unverdeckten Auge. „Leider ist dieses Wundermittel nur sehr schwer zu beschaffen, deswegen kann ich dir bedauerlicherweise keine Ration für dich selbst geben. Du wirst dich hiermit begnügen müssen.“ Mit einer flinken Bewegung langte der junge Mann hinter seinen Rückenschutz und zog einen sorgfältig gefalteten Wollumhang hervor, der auf der Innenseite mit flauschigem Tierfell besetzt war. „Hier, nimm diesen Umhang. Er wird dich vor dem Erfrierungstod retten.“ Dankbar nahm Link das Kleidungsstück entgegen und warf es sich über die Schultern. Sofort breitete sich eine wohlige Wärme in seinem ausgekühlten Körper aus und er kuschelte sich tiefer in den weichen Stoff. Zwar würde er für den Moment ohne Schild auskommen und die Schwertscheide an seiner Hüfte befestigen müssen, doch für nichts auf der Welt hätte er in diesem Moment den Umhang wieder hergegeben. Als er Shiek danken wollte, kam dieser ihm jedoch abermals zuvor: „Finde das blaue Feuer. Ich muss noch etwas erledigen, bin aber bald wieder da.“ Mit diesen Worten wandte er sich um und rannte den Gang hinab. „Warte!“ Link, dem wieder bewusst wurde, dass dieser Weg zum Wasserfall führte, stürzte hinter dem Shiekah her, um ihn zu warnen, doch er war zu langsam. Er sah nur noch wie Shiek über die gefrorenen Wassermassen sprang und in die Tiefe stürzte. Erschrocken eilte Link bis zum Rand und staunte nicht schlecht, als er hinab blickte. Shiek war leichtfüßig wie eine Katze gelandet und lief offensichtlich ohne Verletzungen über die wie blankpoliert wirkende Eisfläche. Kapitel 33: Höhle des blauen Feuers ----------------------------------- Die Zora-Quelle bot einen traurigen Anblick und ließ Link bestürzt innehalten. Soweit er sehen konnte, war die komplette Quelle zugefroren und lag als glatte, weiße Platte vor ihm. Dort, wo vor sieben Jahren der gewaltige Lord Jabu-Jabu im Wasser gelegen hatte, befand sich nun ein seltsam geformter Schneeberg, der Link stutzen ließ. Es war unwahrscheinlich, dass sich an einer Stelle so viel Schnee angehäuft haben sollte, während die restliche Gegend von einer nur circa fünf Zentimeter dicken Schneeschicht überzogen war. Schaudernd wandte der junge Hylianer sich ab. Er wollte sich gar keine Gedanken darüber machen, wie es zu diesem Berg gekommen war oder ob der riesige Wal wohl noch immer an derselben Stelle lag wie bei seinem letzten Besuch. Navi flog vor ihm in der Luft und blickte sich suchend um, was sich wegen des heftigen Schneefalls ziemlich schwierig gestaltete. Link zog seinen Umhang fester und trat neben sie, um sie bei ihrer Suche nach der Höhle zu unterstützen. Die dicken Schneeflocken, die unermüdlich vom Himmel schwebten, setzten sich auf seinen Schultern, Haaren und Wimpern ab, wo sie nur zum Teil schmolzen. Etwas ungeduldig versuchte der junge Hylianer, eine dieser Flocken wegzublinzeln, die seine Sicht zusätzlich behinderte, als Navi plötzlich neben ihm ausrief: „Hab sie!“ Mit einer unwirschen Handbewegung strich Link sich sowohl den Schnee als auch eine seiner langen Strähnen aus den Augen und blickte in die Richtung, in die seine Fee deutete. Er musste sich stark konzentrieren, doch dann entdeckte er endlich den schmalen Höhleneingang in der Felswand, die sich wie eine natürliche Befestigungsanlage rund um die Quelle zog. Schnell strebte er auf die Höhle zu, wobei seine Schritte knarrende Geräusche auf dem frisch gefallenen Schnee machten. „Hörst du das?“ Navi spitzte ihre länglichen Ohren und lauschte in die einsetzende Dunkelheit. Link hatte seinen Blick stur auf den Höhleneingang gerichtet und marschierte weiter. „Nein. Was meinst du denn? Was soll ich gehört haben?“ „Da war so ein Knacken...“ Der junge Hylianer tat einen weiteren Schritt und drückte mehr Schnee mit seinem Körpergewicht zusammen. „Da! Da war es schon wieder!“ Navi sah sich alarmiert um, wobei sie sich um die eigene Achse drehte. Link musste unwillkürlich ein wenig lachen und warf seiner Fee einen amüsierten Seitenblick zu. „Ach, Navi. Das Geräusch entsteht doch immer, wenn man durch frischen Schnee läuft!“ „Das meinte ich doch gar nicht. Ich meinte–“ Navi kam nicht dazu, ihren Satz zu beenden, denn just in diesem Moment durchbrach ein sehr lautes Krachen die eisige Stille und der Boden unter Links Füßen begann zu schwanken. „Was zum–“ Plötzlich bemerkte der Herr der Zeiten, dass seine Füße in entgegengesetzte Richtungen glitten. Erschrocken warf er einen Blick auf den Boden und entdeckte endlich den großen Riss, der sich von hinten genähert hatte und immer weiter ausbreitete. Die dicke Eisdecke über dem tödlich kalten Wasser war gebrochen! „Link! Schnell!“ Navi biss sich vor lauter Angst um ihren Schützling, der nur wie gelähmt dastand und gebannt auf das schwarz wirkende Wasser im Riss starrte, auf die Unterlippe. Als er ihre Stimme hörte, schien der Hylianer endlich aus seinem Schockzustand aufzuwachen und brachte beide Füße auf dieselbe Seite, bevor er sich umsah. Inzwischen breitete der Riss sich wie ein fein gewebtes Spinnennetz aus und löste unterschiedlich große Platten aus der Eisdecke. Vereinzelte Brocken brachen ab und versanken in dem glitzernden Wasser, das aussah wie ein mit Silberfäden durchwirktes, schwarzes Seidentuch. Link suchte den Höhleneingang und machte sich bereit, so schnell wie er konnte, darauf zu zu rennen, aber es war bereits zu spät: Vor der Höhle war die Eisdecke in viele, kleine Einzelteile zersplittert, die leicht schwankend auf dem Wasser trieben. Der Recke stand noch ein wenig verunsichert da und starrte in Richtung Höhle, als Navi plötzlich neben seinem Ohr auftauchte und ihn anbrüllte: „Jetzt beweg endlich deinen Hintern! Spring von Scholle zu Scholle, dann müsstest du’s schaffen.“ „Aber was, wenn ich abrutsche?“ Link, der vor vielen Jahren dabei gewesen war, als ein Kokiri-Mädchen im Winter in dem kleinen Dorfteich eingebrochen und fast ertrunken wäre, schauderte, doch Navi bedachte ihn mit einem strengen Blick. Schließlich seufzte der junge Herr der Zeiten auf und atmete tief durch. Navi hatte Recht, er musste sich zusammenreißen, denn selbst wenn er nicht eine wichtige Aufgabe zu erfüllen gehabt hätte, hätte er sich einen Weg über die Schollen suchen müssen, schließlich war auch der Rückweg vollkommen zersplittert. Zum Glück trieben die Eisplatten nur selten mehr als eine Oberarmbreite auseinander, sodass er eigentlich gar nicht springen musste. Link war schon ein gutes Stück vorangekommen und sah den Höhleneingang, dessen Dunkelheit wenig einladend wirkte, trotz des dichten Schneefalls deutlich vor sich, als er das erste Mal zu einem Sprung ansetzen musste. „Spring hier her.“ Navi stand über einer besonders großen Scholle in der Luft und winkte ihn zu sich heran. Der junge Mann holte tief Luft und konzentrierte sich, bevor er sich sanft abstieß. Wie er befürchtet hatte, rutschte er bei der Landung auf dem glatten Eis aus und drohte in die tödliche Kälte des Wassers zu schlittern. Noch während er panisch überlegte, wie er seinen Schwung loswerden könnte, handelte sein Körper vollkommen automatisch. Bevor er wirklich wusste, wie ihm geschah, landete er auf dem Hintern. Er rutschte noch ein wenig, blieb dann aber sitzen, wobei sein Füße bereits über dem Wasser schwebten. Alle weiteren Sprünge absolvierte er mit derselben wenig eleganten, aber wirksamen Technik und er kam wenig später an der Höhle an. Er hatte sich sein Steißbein mehrfach schmerzhaft angestoßen und sein rechtes Knie war bei einer seiner Landungen in Mitleidenschaft gezogen worden und fühlte sich nun leicht geschwollen an, aber er hatte die Quelle hinter sich gelassen. Leise murmelnd schickte er ein Stoßgebet gen Himmel und bedankte sich bei den Göttinnen dafür, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Der sandige Boden knirschte laut unter Links harten Sohlen, während er langsam in die Höhle vordrang. In der eisigen Stille klang jeder seiner Schritte unwirklich laut und einsam. Der junge Held zog den dicken, pelzbesetzten Umhang aus brauner Schafswolle enger um sich und fühlte eine tiefe Dankbarkeit, dass er die mit Eisblumen bedeckten Felsgänge nicht allein erkunden musste. Navi trippelte mit vor der Brust verschränkten Armen über seine Schultern und machte ein grübelndes Gesicht. „Ich hoffe, wir finden das blaue Feuer tatsächlich in dieser Höhle“, murmelte sie leise, während sie den Blick auf die ferne Dunkelheit vor ihnen richtete. „Zweifelst du etwa daran?“ „Natürlich!“ Die Fee warf in einer übertriebenen Geste die Hände in die Höhe, um zu unterstreichen, wie unumgänglich ihre Bedenken waren. „Ich traue diesem Shiek noch immer nicht über den Weg – und das solltest du auch nicht. Was wissen wir denn schon von ihm?“ Link machte ein unwilliges Geräusch und verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust. Er war dieses Thema so was von leid… Seufzend antwortete der Herr der Zeiten: „Nicht viel. Nur, dass er uns bisher mehr als einmal geholfen hat. Aber darüber haben wir doch schon so oft diskutiert...” „Ich weiß und mir ist auch bewusst, dass deine Meinung über ihn feststeht. Trotzdem bleibe ich dabei: Irgendwas an dem Knaben ist faul.“ Navi setzte eine trotzige Miene auf und ließ sich ziemlich unelegant auf den Hintern fallen. Link presste die Lippen aufeinander und schluckte seine Antwort herunter. Es hatte keinen Sinn, Navis Misstrauen noch dadurch zu nähren, indem er zugab, dass er ebenfalls das Gefühl hatte, dass Shiek ihnen etwas Wichtiges verschwieg. Auch Navi blieb stumm und so gingen die beiden Abenteurer schweigend weiter durch die verschlungenen Gänge der Höhle. Lediglich das Knirschen des gefrorenen Sandes unter Links Sohlen durchbrach die unwirkliche Stille. Kein Tier war zu hören oder gar zu sehen. Es schien als hätte die unnatürliche Kälte dem Gebiet um das Zora-Reich herum jegliches Leben entzogen. Link lauschte dem Geräusch seiner gleichmäßigen Schritte und dachte an Ganondorf, den Großmeister des Bösen. Es wunderte ihn nicht, dass dieser Dämon eines der Völker Hyrules mit einem ewigen Winter gestraft hatte. Die Eiseskälte, die ein Blick Ganondorfs verbreiten konnte, stand den frostigen Temperaturen in dieser Höhle in nichts nach. Schaudernd dachte der junge Mann an sein erstes Aufeinandertreffen mit Ganondorf. Damals hatte er neben Zelda gestanden und durch ein Fenster in den Thronsaal geblickt, in dem der Gerudoführer dem König der Hylianer ewige Treue geschworen hatte. Link war sich sicher, dass Ganondorf in ihm zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als einen Spielkameraden der jungen Prinzessin gesehen hatte, als sich ihre Blicke getroffen hatten. Dennoch liefen ihm allein bei dem Gedanken an den Ausdruck in den Augen des Gerudos eiskalte Schauer über den Rücken, die eine breitflächige Gänsehaut auf Armen und Beinen hinterließen. Der junge Hylianer war derart in Gedanken versunken, dass er kaum noch darauf achtete, wohin ihn seine sich wie von selbst bewegenden Füße trugen. Erst, als Navi ihm plötzlich ihre langen Fingernägel in die Ohrmuschel schlug und panisch daran riss, kehrte er in die Realität zurück. „Was im Namen der Göttinnen hast du vor? Willst du uns Beide umbringen?!“ Die Stimme der Fee klang vor Panik ganz schrill und mindestens eine Oktave höher als üblich. Irritiert riss Link den Kopf hoch und entdeckte erst jetzt die riesige Sense aus schillerndem Eis, die sich wie ein tödlicher Kreisel in der Mitte des runden Raumes drehte, den der Herr der Zeiten betreten hatte, ohne es zu merken. Die rasiermesserscharfe Klinge der Sense sauste nur wenige Zentimeter vor ihm durch den Raum und zerteilte zischend die Luft. Mit wild pochendem Herzen stellte Link fest, dass nur ein Schritt zum sicheren Tod gefehlt hatte. Hätte Navi ihn nicht aus seinen Gedanken gerissen, hätte ihm die wild kreiselnde Eissense zumindest die Beine abgeschlagen, wenn nicht gar seinen Körper in der Mitte durchtrennt. Ein extrem schmerzhafter, langsamer Tod… „Wenn du weiterhin nur vor dich hinträumst, bringst du dich irgendwann noch versehentlich selbst um“, traf Navi den Nagel auf den Kopf. Doch anstatt sich durch den bissigen Ton der Fee gekränkt zu fühlen, riss der Seitenhieb Link endlich aus seiner Apathie. Sofort trat er einen Schritt zurück und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Ihm gegenüber führte ein düster wirkender Gang, dessen Eingang sich wie ein schwarzer Schlund in der grauweißen Felswand auftat, tiefer in die Höhle hinein. Das einzige Problem war die tödlich scharfe Eisschneide, die vor ihm durch die Luft wirbelte. Wie Link feststellen musste, war der Raum nicht perfekt rund, sondern viel mehr oval geformt und die Klinge der Eissense kratzte an den Längsseiten über die Wände, was es unmöglich machte, den nächsten Gang auf eine einfache Weise zu erreichen. „Ich frage mich, warum das Eis durch die Reibung nicht heiß wird und schmilzt…“, grübelte Navi, während Link versuchte, sich den Drehrhythmus der Sense einzuprägen. „Die Frage kann sich auch nur jemand stellen, der durch Magie geschützt ist und diese Eiseskälte nicht spürt…“ Obwohl Shiek ihm den Umhang gegeben hatte, setzte die frostige Luft ihm noch immer zu und er spürte, wie seine Finger und Zehen langsam taub wurden. Was hätte er in diesem Moment nicht alles für ein zusätzliches Paar dicker Wollsocken oder für Handschuhe mit geschlossenen Fingern gegeben! Der Herr der Zeiten wippte leicht auf dem Fußballen auf und ab, während die Eissense vor ihm bedrohlich durch die Luft zischte. Er hoffte inständig, dass er sich nicht überschätzte und sein Plan, den gegenüberliegenden Gang zu erreichen, nicht in einem Blutbad enden würde. Er schloss die Augen, lauschte dem gleichmäßigen «tschk, tschk» der Sense und holte tief Luft, bevor er plötzlich nach vorne stürzte und in Richtung Gang davonhetzte. Navi schwebte mit wild schlagendem Herzen über der Sensennarbe und beobachtete wie Link auf sein Ziel zu rannte. Hinter ihm holte die tödliche Eisklinge immer mehr auf und drohte, ihn aufzuschlitzen. Als die Schneide ihn fast eingeholt hatte, biss die vor ängstlicher Sorge zitternde Fee sich auf die Unterlippe und kniff die Augen fest zusammen. Sie rechnete jeden Augenblick mit einem fürchterlich gellenden Schrei des tödlich verwundeten Link, doch alles, was sie hörte, war seine amüsiert klingende Stimme, die sie fragte, ob sie da oben Wurzeln schlagen wolle. Zögernd schlug Navi die Lider auf und blickte sich um. Als sie Link entdeckte, der grinsend im Gang stand und sich offensichtlich bester Gesundheit erfreute, brannten Tränen der Erleichterung in ihren Augen. Sie atmete seufzend aus und schmeckte salziges Blut auf der Zunge – vor lauter Anspannung hatte sie sich die Lippe aufgebissen. Link, der sich mit einem beherzten Hechtsprung in den Gang gerettet hatte, bevor die eisige Klinge ihn hatte erreichen können, beobachtete fasziniert den goldbunt glitzernden Blutstropfen, der aus Navis voller Unterlippe quoll, als sie sich zu ihm gesellte. Er stupste sie leicht mit dem Zeigefinger und schickte sich dann an, dem Gang zu folgen. Die Fee lächelte, wobei die kleine Verletzung an ihrer Lippe stechend schmerzte, und folgte ihm tiefer in die Höhle hinein. Bei all den Rangeleien und Meinungsverschiedenheiten, die es zwischen ihnen gab, hatten sie sich doch gegenseitig ins Herz geschlossen. Der nächste Raum, den die Beiden betraten, war wesentlich größer als der mit der kreisenden Eissense und von Podesten und schmalen Stegen aus klarem Eis durchzogen. Zudem entdeckten die Zwei hier zum ersten Mal, seit sie das Reich der Zoras betreten hatten, ein Zeichen von Leben: von den hohen, mit Raureif überzogenen Felswänden hallte das leise Schlagen von Fledermausflügeln wider. Link blickte sich fragend um, doch er entdeckte weder das blaue Feuer noch einen Weg, der tiefer in die Höhle führte, was ihn zusehends frustrierte. „Vielleicht finde ich etwas, wenn ich da hoch klettere…“, überlegte er laut und deutete auf das höchste der vier Podeste. Geschwind packte er die Kante der niedrigsten Erhöhung und zog sich hoch. Dabei übersah er jedoch eine der schwarz bepelzten Fledermäuse, die sich mit gebleckten Zähnen auf ihn stürzte. Noch bevor der junge Hylianer registrieren konnte, dass das Geräusch der schlagenden Flügel direkt hinter ihm war, landete die Angreiferin auf seinem Rücken und schlug ihre spitzen Eckzähne in den wollenen Stoff seines Umhangs. Navi wirbelte überrascht herum und machte große Augen, als ihr Schützling plötzlich erschrocken aufschrie und die Podestkante losließ. Die Fledermaus war fuchsteufelswild und verbiss sich immer tiefer, während Link verzweifelt versuchte, sie abzuschütteln und Navi krampfhaft überlegte, wie sie ihm helfen konnte. Sie suchte fieberhaft nach einer Idee, doch als ihr nichts einfiel, musste sie hilflos mit ansehen, wie die Fledermaus ihre langen Zähne immer und immer wieder in Links Rücken hieb, während dieser versuchte, sie zu fassen zu kriegen und von sich zu ziehen. Als ihm bei diesen Versuchen der lederne Flügel der Angreiferin über die Wange streifte, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Die Haut der Fledermaus war so kalt, dass er das Gefühl hatte, sie könnte ihn an Ort und Stelle zu einem Eisklotz gefrieren. „Jetzt reicht’s aber! Ich habe es im Guten versucht, aber wenn du mich einfach nicht in Ruhe lassen willst, muss ich wohl andere Saiten aufziehen!“ Der junge Held wirbelte herum und warf sich mit vollem Gewicht mit dem Rücken zuerst gegen das Podest aus Fels und Eis. Die Fledermaus quiekte laut auf und versuchte, zu entkommen, doch es war zu spät. Als Link sich das zweite Mal gegen das Podest warf, brach es ihr das Genick. „Elendes Mistvieh“, brummte der laut schnaufende Hylianer mit einem letzten, angewiderten Blick auf die tote Angreiferin. Trotz der eisigen Kälte um ihn herum, standen ihm feine Schweißperlen auf der Stirn. „Alles in Ordnung mit dir?“ Navi musterte ihn ein wenig besorgt und warf dann einen Blick auf seinen Rücken, um sich das Ausmaß der Verletzung anzusehen. Doch zu ihrer Überraschung entdeckte sie zwar dort, wo die Fledermaus zugebissen hatte, feine Löcher im Umhang, doch keinen einzigen Blutstropfen. Als Link ihren verwirrten Gesichtsausdruck sah, klopfte er sich grinsend gegen den Rücken, wobei ein dumpfes, metallisches Geräusch entstand. „Das arme Tier hat sich an meinem Schild die Zähne ausgebissen“, erklärte er und grinste noch breiter als er Erkenntnis in Navis Augen aufflackern sah. Wenige Sekunden später stand Link auf dem mit einer dicken Eisschicht überzogenen Felspodest und blickte sich um. Obwohl er die Kälte verabscheute, konnte er nicht umhin, die bizarre Schönheit der Eishöhle zu bewundern. Alles sah aus, als wäre es mit durchsichtigem Zuckerguss übergossen und dann mit einer großen Prise Raureif-Puderzucker bestreut worden. Bei dem Gedanken an die süßen Leckereien, die er in einer Auslage in Kakariko gesehen hatte, lief ihm das Wasser im Mund zusammen und sein Magen meldete sich fordernd knurrend zu Wort, doch anstatt sich ein paar Beeren aus seinem Beutel zu genehmigen, balancierte er vorsichtig über den nächsten spiegelglatten Eissteg. Er würde eine ausgiebige Rast machen, sobald er raus aus dieser Kälte war. „Das kann doch nicht wahr sein!“ Frustriert stampfte Link mit dem linken Fuß auf und ließ seinen Blick ein weiteres Mal durch den Raum schweifen. Weit und breit war weder ein weiterer Gang noch das blaue Feuer zu entdecken. „Ich wusste doch, dass uns dieser Shiekah irgendwann reinlegen würde“, murmelte Navi, während ihr Schützling mit den Zähnen knirschend nachdachte. „Vielleicht haben wir irgendwo eine Abzweigung übersehen…“, überlegte der Herr der Zeiten, aber seine Fee hielt sofort dagegen: „Wo denn? Jeder Gang führte nur geradeaus und der Raum mit der Sense war ja wohl auch recht übersichtlich. Da war kein Winkel, hinter dem sich noch ein Weg hätte verstecken können.“ Link zuckte mit den Schultern und seufzte. „Lass uns trotzdem noch mal nachsehen.“ Irgendetwas sagte ihm, dass Shiek die Wahrheit gesagt hatte. Aber vielleicht wollte er das auch nur glauben... „Siehst du? Hier ist nichts. Absolut rein gar nichts.“ Navi saß auf seinem Kopf und machte ein brummiges Gesicht. Wieso vertraute Link einem daher gelaufenen Shiekah, der von Begegnung zu Begegnung nur mysteriöser wurde, mehr als ihr, mit der er schon so viel überstanden hatte? Eifersucht schwappte wie ätzendes Gift durch ihren Geist und sie schwor sich, bei ihrem nächsten Treffen herauszufinden, was Shiek hinter seinem Gesichtsschutz verbarg, als Link plötzlich den Arm hochriss. „Da! Sieh mal!“ Irritiert blickte Navi in die Richtung, in die ihr Freund deutete, und antwortete in sarkastischem Ton: „Eine Wand. Das ist ja unglaublich!“ Link stieß schnaubend Luft aus der Nase aus, wobei kleine weiße Wölkchen entstanden. „Jetzt schau doch mal genauer hin. Fällt dir gar nichts auf?“ Die Fee verengte ihre goldgrünen Augen zu Schlitzen und konzentrierte sich. Zunächst konnte sie nichts Ungewöhnliches entdecken, aber dann sah auch sie, was ihr hylianischer Begleiter zuvor bemerkt hatte. Bisher hatten die Beiden den gräulich schimmernden Sand hinter der Wand für ein Abbild des Bodens in diesem Raum gehalten, das sich in der Eisschicht auf dem Felsen spiegelte. Doch die sich noch immer unaufhaltsam drehende Eissense war nicht zu sehen, obwohl sie genauso hätte reflektiert werden müssen. Warum fehlte sie? „Das ist ja gar keine Wand, sondern nur Eis!“, rief Navi aus, als sie erkannte, dass sie durch die eisige Scheibe kein Spiegelbild sah, sondern in den Gang dahinter blicken konnte. „Bingo!“ Ihr Begleiter nickte und grinste breit vor Freude über seinen Fund. „Wenn ich es schaffe, sie zu durchbrechen, finden wir das blaue Feuer vielleicht doch noch.“ Kaum, dass die Sensenklinge die fragliche Wand passiert hatte, stürzte Link darauf zu und warf sich mit vollem Gewicht dagegen. Ein heißer Schmerz durchfuhr seine Schulter, als er gegen das harte Eis knallte, aber er beachtete es kaum. Viel wichtiger war, dass die Wand von einem Spinnennetz unterschiedlich dicker Risse durchzogen war. Er wollte gerade Anlauf nehmen und sich ein weiteres Mal dagegen werfen, als Navis panische Stimme an seine Ohren drang: „Link! Runter! Schnell!“ Verwirrt wandte er den Kopf und entdeckte im selben Moment, was seine Fee so in Furcht versetzt hatte: Die blitzende, tödlich scharfe Eissense war nur noch wenige Meter von ihm entfernt und kam unaufhaltsam näher. Obwohl er sofort reagierte und sich flach auf den Boden warf, wäre es fast zu spät gewesen. Die Kälte des gefrorenen Bodens kroch ihm in die Glieder und er war froh, als er nur wenige Sekunden später den scharfen Luftzug spürte, der ihm verkündete, dass die Sense über ihn hinweggefegt war. Sofort sprang er wieder auf die Füße und bearbeitete die Eiswand, die schließlich unter seinem Gewicht nachgab und klirrend zusammenbrach. Link stolperte über die aus dem Boden ragenden Eisreste und schlug lang hin, doch anstatt darüber zu fluchen, sah er mit einem strahlenden Lächeln zu Navi hoch, die über ihm in der Luft schwebte. „Weiter geht’s!“ Die Fee warf ihm jedoch einen merkwürdigen Blick zu und zog die Augenbrauen in die Höhe. „Warum hast du eigentlich nicht den Goronenhammer benutzt? Das wäre doch viel einfacher gewesen.“ Link, der sich langsam aufrichtete, blickte aus großen Augen zurück und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Doch als ihm bewusst wurde, dass er keine überzeugende Antwort hatte, sondern schlicht nicht an den mächtigen Silberhammer gedacht hatte, wandte er sich wortlos um und marschierte mit langen Schritten davon, während Navi leise vor sich hin kicherte. Der Gang hinter der Eiswand unterschied sich in keiner Weise von denen, die sie bereits durchschritten hatten. Der gefrorene Sandboden knirschte bei jedem Schritt und die dunkelgrauen Felswände waren mit einem komplizierten Muster aus Eisblumen verziert. „Unglaublich wie groß der ist!“ Navi landete auf Links Schulter und deutete nach oben. „Hast du so einen gigantischen Eiszapfen schon mal gesehen?“ Der Hylianer betrachtete kurz den Fund seiner Fee und schüttelte dann den Kopf. „Wäre das ein Eiszapfen, wäre er wirklich imposant. Aber ich muss dich enttäuschten. Das ist nur ein eingefrorener Stalaktit.“ Der Boden des nächsten Raumes bestand komplett aus Eis, so als wäre hier früher ein seichter Teich gewesen. Link lachte wie ein kleiner Junge, als er Anlauf nahm und über die spiegelnde Oberfläche schlitterte. Navi beobachtete ihn mit einem milden Lächeln auf den Lippen und fühlte einen tiefen Stich im Herzen, als ihr bewusst wurde, dass Link durch seine Bannung im Heiligen Reich viele seiner unbeschwerten Kindheitsjahre verloren hatte. Sie überlegte gerade, ob sie ihm irgendwann merklich fehlen würden, als seine Stimme sie zurück in die Gegenwart holte. „Sieh mal! Da oben scheint es weiter zu gehen. Hast du eine Idee, wie ich da hochkomme?“ Er deutete auf ein Loch, das ein wenig über seinem Kopf in der Wand klaffte und versuchte, es durch springen zu erreichen. Navi blickte sich suchend um und entdeckte in der gegenüberliegenden Ecke ein Stück von einem Stalaktiten, der von der Decke gefallen und dabei in zwei Stücke gebrochen sein musste. Das untere Stück lag auf der fast glatten Bruchseite und schien genau die richtige Höhe zu haben. Sofort rief sie ihrem Schützling zu: „Lass das Gehopse und sieh dir lieber das da an.“ Link folgte ihrem Blick und inspizierte kurze Zeit später das Felsstück, bevor er grinsend zu seiner Fee aufsah. „Perfekt!“ Der junge Mann stemmte sich mit voller Kraft gegen den kalten Fels, um ihn zu bewegen. Durch das Eis unter seinen Sohlen gestaltete sich das leider schwieriger als erwartet. Immer wieder rutschte er aus und schlug lang hin, doch er ließ sich nicht entmutigen. Er war bereits ein wenig außer Atem, als sich das Stalaktitbruchstück endlich bewegen ließ. „Es klappt! Es klappt!“, triumphierte der Hylianer, aber seine Freude währte nur kurz. Denn kaum, dass der schwere Fels an Fahrt gewann, wurde er unkontrollierbar und rutsche auf der spiegelglatten Oberfläche davon. „Halt! Das ist doch viel zu weit!“ Link rannte hinter dem Klotz her, doch dieser stoppte erst, als er gegen die gegenüberliegende Wand krachte. Missmutig lehnte der Herr der Zeiten sich gegen den Fels und grübelte. „So hat das keinen Sinn. Wenn ich weniger Kraft benutze, kann ich das schwere Teil nicht bewegen, aber wenn ich mit voller Kraft schiebe, rutscht der Brocken zu weit. Was mach ich denn jetzt?“ Navi balancierte über seine rechte Schulter und dachte angestrengt nach, als sich der junge Hylianer plötzlich mit der Faust auf die nach oben gerichtete Handfläche schlug. „Ich hab’s!“ Ohne weitere Erklärung sprang er auf und schlitterte so schnell er konnte zurück zu der Stalaktitfundstelle, wobei er die Arme weit ausbreitete, um die Balance zu halten. „Irgendwo hier muss es doch sein...“ Navi machte ein ratloses Gesicht und zupfte leicht an einer von Links Haarsträhnen, um sich bemerkbar zu machen. „Was suchst du denn?“ „Lass dich überraschen.“ Wenige Minuten später hatte Link endlich gefunden, was er gesucht hatte, und stemmte triumphierend den Rest des Stalaktiten in die Höhe. „Und was willst du damit? Das Teil ist zu kurz. Damit kommst du nicht hoch.“ „Will ich auch gar nicht.“ Schnell schlitterte er auf das Wandloch zu und platzierte das kleinere, aber trotzdem schwere Felsteil genau davor, bevor er zu dem anderen Bruchstück zurückkehrte. „Drück mir die Daumen, dass mein Plan klappt.“ Hylianer und Fee blickten sich für einen kurzen Moment tief in die Augen, dann lächelte sie und nickte. „Wird schon schief gehen.“ Link warf sich gegen das Stalaktitteil und beobachtete nervös, wie es auf sein Gegenstück zu schnellte. Als die beiden Teile aufeinandertrafen, krachte es laut und das kleinere Stück wurde gegen die nächste Wand geschleudert, wo es bröselnd zerbrach, doch der Aufprall hatte den großen Felsklotz gebremst. Der Weg nach oben war frei. „Das ist einfach wunderschön.“ Staunend blickten sich die zwei Abenteurer in dem kleinen Raum um und wussten doch nicht, wohin sie zuerst schauen sollten. Der feine Sand auf dem Boden war reinweiß und wirkte wie jungfräulicher Schnee und die Wände waren von dicken, glitzernden Eiskristallen überzogen und schimmerten fast genauso wie die der Quellen der großen Feen. Das Wichtigste und vielleicht Schönste im Raum war jedoch die im Zentrum errichtete, runde Feuerstelle, die mit weißen und dunkelblauen Mosaiksteinchen besetzt war. Die Flammen, die von dort in die Höhe schlugen, tauchten den Raum in ein unnatürliches, hellblau flackerndes Licht, das sich in den Eiskristallen der Wände brach und filigrane Muster auf den weißen Sand malte. „Hast du so etwas schon mal gesehen?“ Link wusste nicht, weshalb er flüsterte, doch irgendwie erschien es ihm unpassend angesichts so eines Naturschauspiels lauter zu sprechen. Navi schüttelte stumm den Kopf und betrachtete fasziniert die Flammenzungen des berühmten blauen Feuers. Es sah vollkommen anders aus, als sie es sich immer vorgestellt hatte. Sie hatte immer gedacht, dass es lediglich einen leichten Blaustich haben würde, doch diese Flammen brannten in vielen verschiedenen, aber klaren und intensiven Blautönen. „Hey, fühl mal! Das ist gar nicht heiß.“ Die Fee landete auf dem Rand der Feuerstelle und steckte ihre kleine Hand ins Feuer. Link schnappte hörbar nach Luft und trat näher heran. Ganz, ganz langsam senkte er die eigenen Hände und stutzte. „Du hast Recht. Es ist nicht einmal warm. Wie soll man denn damit das rote Eis schmelzen?“ Navi zuckte mit den Schultern und wandte sich ihrem Begleiter zu. „Ich habe keine Ahnung. Vielleicht ist das ja so eine magische Sa– Vorsicht! Hinter dir!“ Mit großen, panischen Augen deutete die Fee hinter Link, wo ein riesiger, weißer Schneewolf aufgetaucht war und sein gewaltiges Maul aufriss. Für einen kurzen Moment konnte Navi den bedrohlich roten Rachen des Tieres sehen, doch schon beim nächsten Atemzug hörte sie das laute Krachen der aufeinanderschlagenden Zähne. Link schrie überrascht auf und hechtete im letzten Moment zur Seite. Das laute Kreischen von reißendem Stoff hing in der Luft, als der Wolf den Umhang des Hylianers zu fassen bekam und einen Zipfel großzügig kaputt biss. „Pass bloß auf, du Fellknäuel. Ich mag euch Wölfe zwar, aber irgendwo hört’s auf!“ Der Herr der Zeiten funkelte den geduckten Schneewolf wütend an und wollte sein Schwert ziehen, bevor das Raubtier zur nächsten Attacke ansetzen konnte, jedoch war alles, was er zu fassen bekam, der pelzige Saum des Umhangs. „Du trägst dein Schwert an der Hüfte, du vergesslicher Dussel!“ Navis Stimme klang vor Panik ganz schrill und überschlug sich ein paar Mal, aber irgendwie schaffte die Fee es dennoch, verständlich zu sprechen. Der Wolf stieß ein kehliges Knurren aus und duckte sich noch tiefer in den schneeweißen Sand, bevor er sich abstieß und mit weit aufgerissenem Maul auf den Hylianer zu flog. Schnell griff Link nach seinem Schwertheft, aber er hatte kaum den Knauf berührt, als er plötzlich sah wie etwas Silbriges aufblitzte. Nur den Bruchteil einer Sekunde später stieß der Wolf ein lautes, schmerzerfülltes Quieken aus und schlug anschließend hart auf dem gefrorenen Boden auf. Mit großen Augen starrte der junge Mann auf das tote Tier, dessen Fell sich über dem Brustkorb langsam rot färbte. Zwischen den Rippen des Wolfs steckte ein kurzer, silberner Dolch mit einem dunkelgrauen Horngriff, in den kunstvolle Verzierungen geschnitzt waren. „Für einen legendären Helden bist du ziemlich unvorsichtig“, kam eine amüsiert klingende Stimme von der Seite. Überrascht wandte Link den Kopf und entdeckte Shiek, der am Ende des Gangs stand und ihn aus einem funkelnden Auge musterte. Link öffnete den Mund, um den Shiekah zu begrüßen, klappte ihn jedoch wieder zu, ohne etwas zu sagen, als dieser langsam auf ihn zukam. Shiek ließ seinen Blick an seinem Gegenüber hinabgleiten und verengte kaum merklich das sichtbare Auge, als er die Auswirkungen der Wolfattacke entdeckte. „Du hast meinen Umhang ruiniert.“ Obwohl seine Stimme eher belustigt als anklagend klang, begannen Links Wangen zu brennen und der Hylianer wandte verlegen das Gesicht ab. „Zum Glück ist das, was ich dir dieses Mal mitgebracht habe, ein wenig stabiler.“ Shieks unverdecktes Auge funkelte und Navi war sich sicher, trotz des hohen Mundschutzes ein klein wenig der rosafarbenen, zu einem breiten Grinsen verzogenen Lippen zu sehen. Für einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie ihre Pläne, dem Shiekah seinen Gesichtsschutz herunterzureißen, in die Tat umsetzen sollte, entschied sich dann aber doch dagegen. Immerhin hatte er ihnen bisher immer die Wahrheit gesagt, auch wenn sie das ungern zugab. Link blickte fragend zu Shiek herüber und bemerkte erst jetzt, dass dieser hohe Lederstiefel mit massiven Eisenbeschlägen in den Händen hielt. „Was soll ich damit?“ Am liebsten hätte der junge Hylianer sich sofort auf die Zunge gebissen. Zuerst hatte er wie ein alberner Stockfisch minutenlang geschwiegen und dann klang das Erste, was er sagte, wie die Anklage eines trotzigen Kleinkindes, das nicht das zum Geburtstag bekommen hatte, was es sich gewünscht hatte. Irgendwas an diesem Shiekah verhinderte, dass er klar denken konnte... Doch Shiek schien trotz Links undankbar wirkender Frage nicht gekränkt zu sein. Mit einer verwirrend geschmeidigen Bewegung stellte er die schweren Stiefel vor dem Hylianer ab und bedachte ihn mit einem milden Blick. „Du wirst sie brauchen. Vertrau mir.“ Navi machte ein abfälliges Geräusch. „Wenn Link mal vorhat, durch einen Orkan zu laufen oder sich im Hylia-See zu ertränken, sind die Dinger bestimmt nützlich, stimmt...“ Der Shiekah funkelte böse zu der Fee hoch, die nicht minder giftig zurückstarrte. Wenn Link es nicht besser gewusst hätte, hätte er geglaubt, die Beiden seien eifersüchtig aufeinander. Er seufzte leise und schüttelte dann mit dem Kopf, bevor er sich entschloss, sich da herauszuhalten, und die schweren Stiefel genauer betrachtete. Sie waren aus einem ähnlichen Leder gemacht wie die Exemplare, die er an den Füßen trug, doch sie hatten ein Innenfutter aus einem dunkelblau schimmernden, fein gewebten Stoff, der aussah wie Seide. Außerdem war unter die Sohle eine dicke Eisenplatte geschlagen worden, die zusammen mit einer Stahlkappe über dem Zehenbereich dafür sorgte, dass die Stiefel so schwer waren, dass Link sich fragte, ob er mit diesem Schuhwerk überhaupt einen Fuß vor den anderen würde setzen können. Schulterzuckend verstaute er die Eisenstiefel in seinem Wunderbeutel, als Shiek neben ihn trat. „Hast du dir schon überlegt, wie du das Feuer in die Zora-Höhle transportieren willst?“ „Ich habe einen getrockneten Hals einer Deku-Pirania dabei. Mit etwas Glück schaffe ich es zurück, bevor er abgebrannt ist.“ Der Shiekah schüttelte den Kopf und bedachte den Hylianer mit einem seiner irritierend liebevollen Seitenblicke. „Nein, das würde dir nicht gelingen. Sieh dir mal die Feuerstelle an. Fällt dir etwas auf?“ Link beugte sich über die flache Mosaikschale und starrte in das seltsam blaue Feuer, doch es war Navi, die erkannte, auf was Shiek aufmerksam machen wollte: „Das brennt ja vollkommen ohne Brennmaterial!“ Zur Belohnung für ihre Aufmerksamkeit erntete sie ein kurzes Nicken. „Stimmt. Das blaue Feuer brennt mit einer heiligen Flamme, die kein Holz oder ähnliches braucht, um sich zu nähren. Du hast nicht zufällig eine leere Flasche dabei?“ Obwohl Link sich nicht vorstellen konnte, dass man Feuer in einer Glasflasche transportieren konnte, reichte er Shiek die leere Flasche, die er vor sieben Jahren auf der Lon-Lon-Farm bekommen hatte. Mit einer schnellen Bewegung zog der Shiekah das Gefäß durch die flackernden Flammen und versetzte Navi und Link in Erstaunen. In der Mitte der Flasche, wenige Zentimeter über dem Glasboden, schwebte eine kleine, blaue Flamme. Shieks unverhülltes Auge funkelte amüsiert, als er die Überraschung in den Gesichtern der beiden Abenteurer sah. „Schütte dies auf das rote Eis, das König Zora einhüllt.“ Fasziniert nahm der Hylianer seine Flasche wieder entgegen und drehte sie zwischen seinen Fingern, während er noch immer ungläubig die züngelnde Flamme in ihrem Inneren betrachtete. Shiek beobachtete ihn einige Augenblicke lang und legte dann den Kopf schief. „Was hältst du eigentlich von Lyrik?“ Link war von dem abrupten Themenwechsel und dem unerwarteten Interesse des Shiekahs an seiner Person so überrascht, dass er die Flasche beinah fallen gelassen hätte. „Wie bitte?!“ „Ich habe dich gefragt, ob du Lyrik magst. Du weißt schon, Gedichte und dergleichen.“ Der junge Hylianer zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Ich hatte bisher nicht so viel Gelegenheit, mir darüber Gedanken zu machen.“ Shiek trat ein paar Schritte nach vorne, wobei Navi fasziniert bemerkte, dass der Shiekah sich trotz des gefrorenen Sands fast lautlos bewegen konnte. „Ich habe eine Schwäche für Lyrik. Sie fängt die Schönheit der Welt ein und verdoppelt sie mit kunstvollen Versen.“ Seine Stimme bekam einen verträumten Unterton, als er weiter sprach: „Ich habe vor Kurzem die Schriftrolle mit den Noten für die Serenade des Wassers gefunden. Diese Melodie bringt dich jeder Zeit zu der Teleportierplattform über dem Wassertempel. Allein für sich genommen, ist das schon ein enorm wichtiger Fund, doch den Noten lag auch noch ein kurzes Gedicht bei. Möchtest du es hören?“ Link lächelte und nickte. In seiner Begeisterung erinnerte Shiek ihn irgendwie an Salia, die sich mit ähnlichem Enthusiasmus an den Geschichten des Deku-Baums hatte erfreuen können. Shiek räusperte sich kurz und hob dann die Stimme, sodass sie in der Stille der Eishöhle geradezu majestätisch wirkte: „Zeit schwindet, Menschen scheiden – in ewig wie des Wassers Fluss. Zu königlichem Streben reift des Kindes Mut. Junger Liebe Knospen erblühen groß und stark. Des Wassers Kraft allein dies schafft! Lausche der Serenade des Wassers und trage sie in deinem Herzen.“ Mit diesen Worten holte der Shiekah seine Lyra hervor und begann die wenigen Noten zu zupfen, die sich zu einem langsam dahin fließenden Melodiefluss verwoben. Link schloss die Augen und prägte sich das kleine Meisterwerk genau ein. Als er geendet hatte, nickte Shiek, der Link inzwischen offenbar auch ohne Nachsummen glaubte, dass er sich die richtige Tonabfolge gemerkt hatte, seinem Gegenüber kurz zu und verschwand dann wie so oft in einem gleißenden Lichtblitz. Doch anders als die Male zuvor verspürte Link keine quälende Frustration. Zum ersten Mal seit sie sich kannten, hatte er das Gefühl, dem verschlossenen Shiekah ein wenig nähergekommen zu sein. Mit einem Lächeln auf den Lippen zog er den dicken Umhang fester um sich und beeilte sich, zu König Zora zurück zu gelangen. Kapitel 34: Auf dem Trockenen ----------------------------- „Shiek hat gesagt, ich solle es einfach draufkippen, oder?“ Link stand neben dem rot schimmernden Eisklotz, der den Regenten der Zoras einschloss, und warf Navi, die auf einem Ziergeländer hinter dem Thron balancierte, einen fragenden Blick zu. „Ja, das stimmt. Aber jetzt frag mich nicht, ob es einen Unterschied macht, ob du das Feuer von oben, mittig oder ganz unten drauf kippst. Ich habe keine Ahnung.“ Unschlüssig kaute der junge Hylianer auf der Unterlippe und grübelte weiter. Schon seit fast zehn Minuten dachte er darüber nach, wo er die mit der blauen Flamme gefüllte Flasche, die er in der Hand hielt, am besten entleerte. Vom Deku-Baum hatte er gelernt, dass Feuer immer von unten nach oben brannte und man deswegen ein Lagerfeuer immer am untersten Ende entzünden sollte. Doch wie verhielt es sich mit dieser blauen Flamme? Sie brauchte anscheinend gar nichts, um zu brennen. Würde es sich auch wider die Naturgesetze über das gesamte Eis ausbreiten, wenn er es einfach irgendwohin kippen würde? „Jetzt entscheid dich endlich! Wir haben nicht ewig Zeit!“ Navi klang allmählich ernsthaft ungehalten. Link seufzte und zuckte mit den Schultern. „Du hast ja Recht. Und wenn es schief geht, holen wir uns einfach neues blaues Feuer. Jetzt wissen wir ja, wo es ist.“ Als er die einfache Glasflasche entkorkte und sie auf etwa Schulterhöhe hielt, zitterten seine Hände. Ob dies Auswirkungen der Kälte oder der Nervosität waren, vermochte er jedoch selbst nicht zu sagen. Mit einer schnellen Drehung des Handgelenks, kippte er die Flasche auf den Kopf, während er leise vor sich hin murmelte und die Göttinnen darum bat, nicht wieder in die Eishöhle zurück zu müssen. Mehrere Herzschläge lang tat sich gar nichts und Link hatte bereits das Bedürfnis der Flamme durch kräftiges Klopfen auf den Flaschenboden ein wenig auf die Sprünge zu helfen, als es sich dann doch endlich in Bewegung setzte. Zäh und langsam wie klebriger Honig rollte das blaue Feuer durch den breiten Flaschenhals und hing für kurze Zeit wie süßer Ahornsirup am Ausguss, bevor es schwer auf das Gefängnis des Zoras tropfte. Als die Flamme das rote Eis berührte, begann es fast augenblicklich laut zu zischen und rötliche Dampfschwaden stiegen in feinen Säulen auf gen Saaldecke. Zu Links Erstaunen verbreitete sich das blaue Feuer mit einer Geschwindigkeit, als wäre König Zora lediglich in rotes Pergament eingeschlossen, aber nicht in mehrere Zentimeter dickes Eis. Nach nur wenigen Sekunden kündigte ein lautes Knacken davon, dass das Gefängnis des fischigen Regenten erste Risse bekam, und nur etwa einen Herzschlag später durchbrach der Gefangene das Eis mit dem rechten Arm. Danach dauerte es nur noch wenige Atemzüge, dann war das rote Feuer komplett geschmolzen und mit ihm hatte sich auch das blaue Feuer rückstandslos aufgelöst. Link war von diesem Naturschauspiel derart fasziniert, dass er völlig vergaß, dass gerade dies ein kritischer Moment war. Erst, als Navis gereizte Stimme an seine Ohren drang, erinnerte er sich an die kleine Phiole in seinem Beutel. „Willst du, dass der König der Zoras erfriert, du Trottel? Die Göttinnentränen, Link! Schnell!“ „Ja! Natürlich! Sofort...“ Schnell griff der Herr der Zeiten in seinen von den Feen verzauberten Lederbeutel und zog die kleine Ampulle aus dünnwandigem Glas heraus. Die goldene Flüssigkeit darin schwappte sachte hin und her, wobei sie karamellfarbene Schliere auf der Innenwand der Phiole hinterließ. „Hier, König Zora, trinkt dies. Es wird Euch vor der Kälte schützen.“ Link streckte den Arm aus und hielt dem wie Espenlaub zitternden Zora das kleine, kunstvoll gearbeitete Fläschchen entgegen, das wie ein Lilienkelch geformt war. Als das mächtige Fischwesen die kleine Phiole annahm und sie zu seinen Lippen führte, hielten Link und Navi ihre Hände schützend darunter, um die zerbrechliche Ampulle auffangen zu können, falls der Zora sie mit seinen zitternden Fingern fallenlassen würde. Doch wenige Augenblicke später war die kostbare Flüssigkeit gänzlich im Magen des Fischwesens verschwunden und das Zittern des Zora-Regenten nahm merklich ab, während er seine beiden Besucher mit einem dankbaren Blick bedachte. „Habt Dank, ihr edlen Recken. Es war sehr umsichtig von euch, an die Göttinnentränen zu denken. Wir Zoras reagieren äußerst empfindlich auf kalte Temperaturen.“ „Wer reagiert nicht empfindlich auf diese Schweinekälte?“, murmelte Link, doch dann blickte er dem König der Zoras fest in die Augen. „Euer Dank ehrt uns, doch er gebührt uns nicht. Ein junger Shiekah hat die Göttinnentränen für Euch besorgt.“ Bei der Erwähnung Shieks huschte ein eigenartig hintergründiges Lächeln über das aufgedunsen wirkende Gesicht des fettleibigen Regenten, was Navi missbilligend und verwirrt zur Kenntnis nahm. Was hatte König Zora mit Shiek zu schaffen? „Ja, dies ist mir bekannt. Das rote Eis mag mich zur Bewegungslosigkeit verdammt haben, doch ich habe dennoch alles um mich herum wahrgenommen“, erklärte der Regent. Schaudernd dachte Navi daran, wie sie gesehen hatte, dass der Zora im Eis geblinzelt und sie damit fast zu Tode erschreckt hatte. „Deshalb ist mir ebenfalls bekannt, dass Ihr Euch in die Eishöhle begeben habt, um mich von dem roten Eis zu befreien. Und auch wenn der Shiekah die Göttinnentränen beschafft haben mag, so ward doch Ihr es, die mich befreit und mir die wertvolle Flüssigkeit ausgehändigt habt.“ Verlegen kreiste Link mit den Schultern, so als müsste er den Dank des Zoras möglichst schnell wieder von sich schütteln. „Das war doch keine große Sache. Ich nehme mal an, das sind einfach die Dinge, die man als Herr der Zeiten zu erledigen hat.“ König Zora hob eine seiner schuppigen Augenbrauen, während Navi verschlagen grinste und Link ein wenig gegen die Wange knuffte. „Heißt es nicht immer, Helden würden alle Gefahren überstehen, die bösen Monster besiegen und dafür dann die wunderschöne, frisch gerettete Prinzessin heiraten? Also, wenn der da deine Prinzessin ist, bist du ganz schön angeschmiert.“ Link wurde angesichts der im Scherz implizierten Beleidigung gegen den Zora-Regenten kreidebleich und rechnete jeden Moment mit einem Wutausbruch des Zoras, aber dieser erblasste ebenfalls und patschte sich seine flossenartigen Hände ins schwabbelige Gesicht. „Prinzessin Ruto! Oh, meine geliebte, wunderschöne Tochter!“ Der Schmerz und die Trauer in seiner Stimme erweichten sogar Navi, die ihre forsche Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag, herunterschluckte. Link machte ein besorgtes Gesicht und blickte das riesige Fischwesen an, als wäre es ein kleiner Junge, dem sein liebstes Haustier entlaufen ist. „Vielleicht konnte Ruto auch von Lord Jabu-Jabus Zauber gerettet werden oder sie ist gar nicht hier gewe–“ Bevor der junge Hylianer seinen Satz beenden konnte, fiel ihm der tiefe Bass des Zora-Regenten ins Wort: „Natürlich war sie hier! Doch dieser Shiekah hat sie retten können. Ich bin mir sicher, meine tapfere Tochter ist in den Wassertempel geeilt, um unser Reich zu retten. Findet sie. Ich bitte Euch!“ Die Stimme des riesigen Fischwesens bebte vor Sorge und seine trübblauen Augen schienen bis zu den Grundfesten von Links Seele blicken zu wollen. Der junge Held kratzte sich am Hinterkopf und erinnerte sich mit einem Schmunzeln an Rutos dickköpfiges Verhalten, während ihres gemeinsamen Abenteuers vor sieben Jahren. Ja, sich kopfüber in Gefahr zu stürzen und wahrscheinlich völlig unbewaffnet durch einen vermutlich von wilden Monstern bevölkerten Tempel zu streifen, sah ihr definitiv ähnlich. Navi landete auf seiner Schulter und krabbelte so nah an sein Ohr heran, dass ihn ihre feinen Haare kitzelten, er sie jedoch auch verstehen konnte, wenn sie flüsterte. „Shiek hat doch vorhin auch etwas vom Wassertempel gesagt. Erinnerst du dich?“ Link nickte stumm, während er an den verträumten Blick des Shiekahs dachte, der mit so viel Leidenschaft das kleine Gedicht über die Macht des Wassers vorgetragen hatte. „Vielleicht“, fuhr die Fee fort, „sollten wir unserem Übervater hier den Gefallen tun und Ausschau nach seiner rebellischen Tochter halten, während wir im Tempel nach dem nächsten Weisen suchen, und ordentlich abkassieren…“ Link warf ihr einen entsetzten Seitenblick zu, den sie mit einem unschuldigen Lächeln beantwortete. Irgendeiner von ihnen musste doch praktisch denken und wenn sie sowieso vorhatten, in den Tempel zu gehen, wäre es blöd, eine mögliche Belohnung des Zora-Regenten auszuschlagen… Link hingegen schüttelte nur missbilligend den Kopf und wandte seine Aufmerksamkeit wieder König Zora zu, der ihn noch immer mit bangem Blick anstarrte. „Wir hatten eh geplant, in den Wassertempel zu gehen. Möglicherweise hält sich dort einer der sieben Weisen auf, deren Hilfe ich brauchen werde, wenn ich mich gegen Ganondorf stellen will. Die Suche nach dem Weisen wird also Vorrang haben, aber ich werde die Augen offen halten. Doch erlaubt mir eine Frage: Warum glaubt Ihr, dass Prinzessin Ruto in den Wasserpalast gegangen sein könnte?“ Etwa einen Herzschlag lang betrachtete König Zora den jungen Mann, als hätte er gefragt, ob es wehtue, wenn man den Kopf mit voller Wucht gegen die Wand schlägt. Doch dann fing der Regent sich wieder und erklärte mit ruhiger Stimme: „Ich bin mir sicher, unsere tapfere Prinzessin würde alles tun, um ihrem Volk zu helfen.“ Navi rollte mit den Augen. „Ja, blabla, das habt Ihr bereits gesagt. Aber warum sollte sie das ausgerechnet im Wassertempel versuchen?“ König Zora verengte die runden Augen zu schmalen Schlitzen und Link war sich sicher, dass der Regent Navi aus dem Raum hätte entfernen lassen, wären seine Wachen anwesend gewesen. Dieser Verdacht verstärkte sich noch, als der Zora bei seiner Antwort ausschließlich den jungen Hylianer vor sich ansah. „Der Tempel wurde zu Ehren unserer Schutzgötter errichtet und noch heute werden die großen Opferfeiern und Messen dort abgehalten. Und zu wem sollte man in einer solchen Krise beten, wenn nicht zu Nayru und ihrem Gefolge?“ Link zog die rechte Augenbraue in die Höhe und überlegte, ob der Zora-Regent gerade Din und Farore als Nayrus Gefolge bezeichnet hatte und wie die beiden Göttinnen darauf wohl reagieren mochten. Doch als er den Mund wieder aufmachte, kam etwas anderes heraus: „Alles klar. Wir werden nach Prinzessin Ruto Ausschau halten und sie aus dem Tempel begleiten, falls wir sie finden.“ Der Herr der Zeiten wollte sich bereits abwenden, als ihn König Zora noch einmal zurückhielt: „Habt Dank, edler Held. Doch so kann ich Euch noch nicht gehen lassen.“ Link blinzelte irritiert und zog verwirrt die Stirn kraus. „Warum nicht?“ „Der Tempel befindet sich im Hylia-See.“ „Ihr meint wohl am Hylia-See“, korrigierte Link lächelnd, der die Aussage des Zoras lediglich für eine Ortsangabe hielt, aber nicht als Hinweis verstand. Der Regent schüttelte seinen gewaltigen Kopf und verzog den Mund. Er konnte es nicht leiden, wenn man ihn verbesserte. „Nein, er befindet sich tatsächlich im Hylia-See. Deshalb sind große Teile des Gebäudes überflutet. Und darum könnt Ihr so noch nicht gehen. Eure Kleidung ist nicht angemessen.“ „Bitte?!“ Link, der glaubte, wieder einmal eine modische Lektion zu bekommen, riss ungläubig die Augen auf und fragte sich, was das eine mit dem anderen zu tun haben sollte. „Kehrt in unseren Laden ein, bevor Ihr geht. Ich bin mir sicher, dass Ihr dort in der Auslage eine Zora-Rüstung finden werdet, die Euch passt.“ „Öhm... danke...“ Die Verunsicherung in Links Stimme ließ den Zora-Regenten schmunzeln. „Sie erlaubt Euch, unter Wasser zu atmen und wird Euch deshalb im Wassertempel gute Dienste leisten.“ „Ich kann damit unter Wasser atmen?“ Link gab sich nicht einmal Mühe, seinen Unglauben zu verstecken. Auch Navi machte ein wenig überzeugtes Gesicht, obwohl sie einräumen musste, schon einmal etwas von den sagenhaften Fähigkeiten der Zora-Rüstung gehört zu haben. König Zora nickte mit einem stolzen Glänzen in den Augen. „Das ist korrekt. Doch ich kann Euch leider nicht verraten, wie dieses Wunder funktioniert. Das ist ein Geheimnis der Zoras.“ Link grübelte für einige Momente, ob er genauer nachhaken sollte, entschied sich aber dagegen. Wenn er Ganondorf erst einmal besiegt hatte, hatte er alle Zeit der Welt, um sich mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen. Also nickte er König Zora nur einmal kurz zu und wandte sich dann der Treppe zu, um den zuvor erwähnten Laden zu suchen. Als Link wenig später über die Schwelle zum Laden trat, der in der Nähe des künstlich angelegten Felsstrandes am Wasserbassin gelegen war, zerbrach laut knirschend ein etwas größerer Eiskristall unter seinen Sohlen, was Navi erschrocken zusammenzucken ließ. Ein wenig verstimmt deutete sie auf ein breites Holzregal, das sich hinter dem niedrigen Verkaufstresen an die Ladenwand schmiegte. „Vermutlich finden wir die Zora-Rüstung irgendwo unter diesem Gerümpel…“ Link verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln und stupste seine Fee mit dem Zeigefinger an. „Jetzt sei doch nicht immer so mies gelaunt...“ Sie streckte ihm die Zunge heraus und grinste frech zurück. „Na, irgendeiner muss doch aufpassen, dass du nicht noch irgendwann glaubst, auf einem Sonntagsausflug zu sein.“ Der junge Hylianer stöhnte leise auf und verdrehte die Augen, bevor er das Regal genauer in Augenschein nahm. Neben kleinen, blaugeschuppten Opferfischen, die nun in einem glitzernden, viereckigen Eisklotz steckten, lagen einige trockene Äste und Zweige, die man als Fackeln benutzen konnte, auf den Regalbrettern. Des Weiteren entdeckte Link die dicken, rosafarbenen Nüsse des Deku-Baums, aus deren Inneren angeblich das Pulver gewonnen wurde, das die Shiekah in ihre ominösen Lederbeutel füllten. Es hieß, schon eine einzelne, unbehandelte Nuss würde einen blendenden Lichtblitz erzeugen, wenn sie geöffnet wurde. Zwischen diesem mehr oder weniger nutzlosen Plunder fand Link aber außerdem noch einige Bomben und Pfeile, was ihn sich unsicher umblicken ließ. Navi zog die Augenbrauen zusammen und beobachtete ihn ein wenig irritiert, bis sie von ihrer Neugierde übermannt wurde. „Sag mal, hast du irgendwelche Krämpfe oder warum hampelst du hier so rum?“ Der verunsichert wirkende Herr der Zeiten schüttelte stumm den Kopf und beugte sich so nah zu seiner Fee herunter, dass sein Atem ihre Wange streifte, als er flüsterte: „Siehst du die Pfeile und Bomben da?“ Verwirrt schielte Navi um ihn herum und betrachtete die in den Regalfächern liegenden Waren. „Klar. Aber na und?“ „Psst! Nicht so laut!“ Link warf einen beunruhigten Blick über die Schulter und schien aus dem Raum hinauszuhorchen. Für einen Moment blickte Navi ihn aus großen Augen an, doch als der Groschen endlich fiel, breitete sich ein verschlagenes Grinsen auf ihrem Gesicht aus. „Steck sie einfach ein.“ Link wurde kalkweiß und schlug blind nach ihr in die Luft, während er sich geradezu panisch umguckte. „Nicht so laut, Navi!“ Die Fee rollte genervt mit den Augen und seufzte. „Warum nicht? Es kann uns eh niemand hören. Hier ist außer uns niemand, der nicht von meterdickem Eis bedeckt ist.“ Nach Luft schnappend ließ Link den Pfeil sinken, den er nervös zwischen den Fingern gedreht hatte. „Daran hab ich ja noch gar nicht gedacht!“ „Daran, dass wir hier theoretisch tun und lassen könnten, was wir wollen?“, versuchte Navi seine Gedanken zu erraten, aber der junge Hylianer blinzelte sie verwirrt an und verzog dann beinah ärgerlich das Gesicht. „Quatsch! Mir kam nur gerade der Gedanke, dass die Zoras diese Eishölle niemals überlebt haben können. Das ist schrecklich! Ein ganzes Volk ausgerottet, einfach so!“ Navi schüttelte den Kopf und betrachtete den Pfeil, der locker in Links Hand lag. Die Spitze war nicht aus Silber, sondern nur aus mehrfach geschmiedetem Stahl und auch die Feder am Ende des etwa unterarmlangen Geschosses war bei weitem nicht so edel wie bei den Pfeilen, die Link im Waldtempel gefunden hatte, aber dennoch war der Pfeil von ausgesuchter Qualität. „Ich würde die Zoras nicht so schnell aufgeben“, entgegnete die Fee bestimmt. „Sie sind extrem zäh und außerdem heißt es, sie könnten in eine Art Starre verfallen, in der sie zwar wie tot wirken, aber einige Zeit auch unter widrigsten Bedingungen überleben können.“ Link verstaute alle Bomben und Pfeile, die er finden konnte, in seinem Lederbeutel und machte sich dann daran, das restliche Sortiment zu sondieren. „Dann sollten wir hoffen, dass ich Ganondorf besiegen kann, bevor der letzte Zora erfroren ist“, murmelte er, während er an einer merkwürdig grünen, seltsamerweise nicht gefrorenen Flüssigkeit roch, die in einem kunstvoll bemalten Topf aufbewahrt wurde und eher giftig als genießbar wirkte. Navi zog die Unterlippe zwischen die Zähne und stolzierte grübelnd über die Ladentheke. „Vielleicht musst du Ganondorf gar nicht schlagen, um die Zoras zu retten.“ Link, der vor dem Regal gekniet hatte, stand bei dieser Überlegung ruckartig auf, wobei er sich den Kopf an einem der Bretter anstieß, und fluchte leise. „Vielleicht ist es wie bei den anderen Tempeln.“ Navi legte den Zeigefinger der rechten Hand über ihre Lippen und starrte in eine Ladenecke, ohne wirklich etwas zu sehen. Der Herr der Zeiten rieb sich über die schmerzende Beule und warf ihr einen kurzen Blick zu. „Was meinst du damit?“ „Nun ja, nachdem du den Fluch gebrochen hattest, der auf dem Waldtempel gelegen hatte, verschwanden die Monster aus dem Kokiri-Dorf. Und nach deinem Kampf gegen Volvagia hat sich auch etwas getan.“ Irritiert zog der junge Hylianer die Stirn kraus. „Ach ja? Was denn?“ Navi seufzte theatralisch und schüttelte den Kopf. „Das ist ja wieder mal so typisch, dass dir das nicht aufgefallen ist. Nach Volvagias Tod hat der Wolkenring um den Todesberg herum wieder seine typische weiße Farbe angenommen und der Vulkan steht nicht mehr kurz vor dem Ausbruch.“ „Der Todesberg stand kurz vor der Eruption? Und wir sind da reingegangen?!“ Links Augen waren vor Entsetzen kreisrund, doch Navi zuckte nur grinsend mit den Schultern. „Tja, du weißt doch: Held sein stinkt.“ Sprachlos wandte der Herr der Zeiten sich wieder dem Regal zu, während seine Fee laut weiterdachte. „Vielleicht legt sich diese Kälte ja, wenn wir den Fluch auf dem Wassertempel brechen.“ „Du meinst falls auf dem Wassertempel ein Fluch liegt. Das wissen wir schließlich nicht mit Gewissheit“, wandte Link ein, während er die Schubladen des Verkaufstresens durchwühlte. Navi rollte angesichts seines Einwands mit den Augen und rief: „Ich bitte dich! Ich gehe nicht davon aus, dass Ganondorf schlampig gearbeitet und auch nur einen der Tempel Hyrules ausgelassen hat.“ Link wollte gerade noch etwas dazu sagen, als ihm ein kleines, mit schwarzer Farbe beschriebenes Preisschild auffiel, das an einem Stück blauen Stoffs hing. „Puh! Fünfhundert Rubine für eine einfache Tunika. Das ist ja Wucher pur!“ Navi betrachtete ein wenig abwesend das dunkelblaue Kleidungsstück, das aus feinen Fäden gewebt war, bloß um dann überrascht die Augen aufzureißen. „Ich glaube, das ist die Zora-Rüstung!“ Bei dieser Eröffnung knallte Link die Kinnlade herunter und er starrte seine Fee ungläubig an. „Das soll die Zora-Rüstung sein?!“ Navi nickte mit leicht schief gelegtem Kopf. „Ja. Was wundert dich daran so sehr?“ „Der Name. Unter einer Rüstung hatte ich mir etwas Massiveres vorgestellt als eine einfache Tunika.“ „Bei der Goronen-Rüstung hat es dich doch auch nicht gestört.“ Navi schüttelte mit zusammengezogenen Augenbrauen den Kopf, so als würde ihr diese Namensdebatte gehörig auf die Nerven gehen. „Ist ja gut…“ Ein wenig murrend ließ Link seinen warmen Umhang von den Schultern rutschen, um die Tuniken zu wechseln. „Beim Goronengewand konnte ich mir den Alternativnamen ‚Rüstung‘ wenigstens noch erklären. Schließlich schützte es vor enormer Hitze.“ Seufzend beobachtete Navi wie Link sich seine grüne Tunika über den Kopf zog. „Und die Zora-Rüstung schützt dich vor dem Ertrinken. Das ist doch auch was.“ Nur wenig später stand Link in dem neuen Zoragewand vor seiner Fee, die begeistert applaudierte. „Toll! Das Teil steht dir richtig gut. Das bringt deine Augen so hübsch zum Leuchten.“ Angesichts des unerwarteten Komplimentes färbten sich die Wangen des jungen Mannes in einem zarten Rot und er wandte schnell das Gesicht ab, was Navi kichern ließ. „Ehrlich! Darin siehst du wirklich gut aus.“ Link verstaute sein Kokirigewand und die dazugehörige Mütze, die er aus Rücksicht auf Navis sensibles Modeempfinden abgenommen hatte, in seinen Lederbeutel und tat als erfordere dies seine volle Konzentration. Danach erst wandte er sich wieder seiner Fee zu und setzte eine entschlossene Miene auf. „Los geht’s! Der Wassertempel wartet.“ „Warum hast du eigentlich nicht die Serenade des Wassers ausprobiert?“ Navi saß rücklings zwischen Eponas Ohren und bewunderte das Lichtspiel auf Links fein gewebter Zora-Tunika, die aus seidig schimmernden Fäden bestand. Der junge Hylianer verzog den Mund und lenkte Epona in Richtung eines kleinen Eichenhains, neben dem der Zora-Fluss auf seinem Weg zum Hylia-See entlang floss. Die beiden Abenteurer hatten bereits ungefähr die Hälfte des Weges zurückgelegt und der erschöpfte Held wollte eine ausgiebige Rast einlegen. „Wir konnten doch Epona nicht in der Kälte stehen lassen.“ Jetzt, wo die Zwei den eisigen Klammergriff des Zora-Reichs hinter sich gelassen hatten, stand dem Herrn der Zeiten der Schweiß auf der Stirn und er stopfte seinen Umhang in seinen Lederbeutel, sobald er im Schatten einer besonders großen Eiche abgestiegen war. Navi rutschte Eponas Hals herab und grinste wissend. „Du traust Shiek auch nicht.“ Link, dem ihre Freude darüber missfiel, warf ihr einen bösen Blick zu und ging zum Fluss, um seine Flasche mit frischem Wasser zu füllen. „Das habe ich nicht gesagt. Mir behagt nur der Gedanke nicht, mich zu teleportieren. Das macht mir einfach Angst. Was, wenn dabei etwas schief läuft?“ Epona folgte ihrem Herrn und begann aus dem Fluss zu trinken, während Link ihr geistesabwesend den Hals tätschelte und mit kraus gezogener Stirn auf das feuchte Nass zu seinen Füßen blickte. „Früher führte der Zora-Fluss auch mal mehr Wasser, oder?“ Navi räkelte sich in der hoch am Himmel stehenden Mittagssonne und genoss das warme Prickeln auf der Haut. „Wundert dich das wirklich? Die Zora-Quelle, die den Fluss speist, ist doch vollständig zugefroren.“ Link machte große Augen und wandte seinen Blick auf seine bunt funkelnde Fee. „Daran hab ich gar nicht mehr gedacht, dass der Fluss und die Quelle im Zora-Reich zusammenhängen. Aber woher kommt dann dieses Wasser?“ Träge deutete Navi auf den hohen Felsengürtel, der ganz Hyrule einschloss und vom Rest der Welt trennte. „Dort oben gibt es zahlreiche Gletscher, deren Schmelzwasser in den Flüssen und Bächen Hyrules landet.“ Langsamen Schrittes ging Link zurück zu der großen Eiche und setzte sich gegen den Stamm gelehnt ins trockene Gras, wobei Epona ihm wie ein dressierter Hund folgte. Tief in Gedanken versunken holte der junge Hylianer eine Hand voll Beeren aus dem Heiligen Reich und einen Laib Brot, den er bei seinem letzten Aufenthalt in Kakariko gekauft hatte, aus seinem Beutel und begann zu essen. Navi ließ sich auf seinem angewinkelten Knie nieder und sah ihn aus ihren großen, goldgrünen Augen mit den langen, geschwungenen Wimpern aufmerksam an. „Worüber denkst du nach?“ Der junge Mann holte tief Luft und seufzte laut, bevor er antwortete: „Ist das so offensichtlich, dass ich über etwas nachdenke?“ Die quirlige Fee grinste breit und nickte, wobei ihr langes, glattes Haar sanfte Wellen in der Luft warf. „Ich kenne dich halt schon ein paar Tage lang. Also: Was ist los?“ Link zog sein Zopfband heraus und ließ sein etwas über kinnlanges Haar sich offen im Wind bewegen. Eine seiner langen Pony-Strähnen, die ihm bis zu den hohen Wangenknochen reichten, wurde über seine Nasenwurzel geweht und blieb hängen. Mit einer unwirschen Handbewegung strich er sie zurück und richtete seinen Blick auf die Felsenkette, die sich als schwarzer Strich in weiter Ferne abzeichnete. Erst dann setzte er zu einer Antwort an: „Mir ist nur gerade bewusst geworden, dass ich mir nie Gedanken gemacht habe, wie die anderen Länder neben Hyrule aussehen könnten. Ich kenne ja nicht einmal ganz Hyrule.“ Navi ließ sich im Schneidersitz nieder und legte den Kopf schief. „Und?“ „Und was?“ Links Stimme klang schroff und seine Wangen flammten in einem tiefen Rot auf, was Navi ein noch breiteres Grinsen als zuvor aufs Gesicht zauberte, weil es ihr zeigte, dass sie einen Nerv getroffen hatte. „Na, irgendwas muss doch noch sein. Du bekommst doch nicht nur wegen der fremden Länder so einen wehmütigen Blick“, bohrte sie unnachgiebig weiter. Unwillig knurrend wandte der junge Hylianer das Gesicht ab. „Noch nie etwas von Fernweh gehört?“ Doch dann gab er seufzend nach und riss geistesabwesend mehrere, lange Grashalme heraus. „Ich musste an Zelda denken. Ich habe mich einfach gefragt, ob sie in eines der Länder jenseits der Berge geflohen ist und irgendwo ein neues Leben angefangen hat.“ Navi wickelte eine Strähne ihres inzwischen fast hüftlangen, goldenen Haares um den Zeigefinger und musterte ihren Begleiter eingehend. „Du hast Angst, dass sie dich vergessen hat.“ Link presste die Kiefer fest zusammen und schwieg, den Blick stur in die Ferne gerichtet, während Navi verschlagen grinste und es sichtlich genoss, dass sie Link mit ihrem Wissen um seine Gefühle für Zelda piesacken konnte. Doch dann wechselte sie plötzlich scheinbar das Thema: „Weshalb kämpfst du eigentlich gegen Ganondorf? Also, mal abgesehen davon, dass es deine Bestimmung als Herr der Zeiten ist.“ Link blinzelte überrascht und sah sie verwirrt an. „Warum fragst du?“ Die zierliche Fee zuckte geschmeidig mit den Schultern und flötete mit unschuldiger Stimme: „Einfach nur so.“ Leise knurrend verdrehte Link die Augen. „Du tust nie irgendetwas einfach nur so.“ Anstatt weiter nachzuhaken, pulte er jedoch einen Hautfetzen von seinem Daumen und begann mit einer Erklärung: „Anfangs wollte ich nur den Deku-Baum rächen und dafür sorgen, dass er stolz auf mich gewesen wäre, hätte Gohma ihn nicht umgebracht. Doch seit meiner Bannung im Heiligen Reich hat sich meine Motivation verändert.“ Er wischte ein paar Krümel von seinem Schoß und verstaute das halb verzehrte Brot in seinem Beutel. „Seit ich erfahren habe, dass Ganondorf das Heilige Reich nur betreten konnte, weil ich das Siegel gebrochen habe, habe ich tiefe Schuldgefühle. Ich fühle mich dafür verantwortlich, dass er zum Großmeister des Bösen werden konnte, und will meinen Fehler wieder gutmachen.“ Gerne hätte Navi ihn daran erinnert, dass es nicht seine Schuld war – denn schließlich hatte nicht einmal der weise Deku-Baum gewusst, dass das Master-Schwert den Jungen bannen würde – doch da sie glaubte, dass das schlechte Gewissen ein mächtiger Antrieb war, den der eigentlich sehr sensible Mann brauchte, um genügend Kräfte für die kommenden Kämpfe zu mobilisieren, stichelte sie stattdessen weiter: „Und Prinzessin Zelda hatte nie etwas damit zu tun? Kämpfst du nicht auch, weil du hoffst, sie wiederzusehen?“ Link zuckte mit den Schultern und lief erneut ein wenig rot an. „Naja, vielleicht ein bisschen…“, setzte er an, aber dann stoppte er sich selbst und schubste seine Fee mit einem leichten Fingerschnippen von seinem Knie. „Oh, du… Du bist fürchterlich!“ Lachend krabbelte Navi wieder an seinem Hosenbein nach oben und grinste ihren Freund breit an. Obwohl er sich vorgenommen hatte, sie dieses Mal spüren zu lassen, dass sie zu weit gegangen war, konnte er nicht umhin, angesichts ihres freien, losgelösten Lachens zurück zu grinsen. Solch unbeschwerte Momente waren viel zu selten geworden in seinem Leben. Navi wandte ihren Blick auf die inzwischen stark gesunkene Sonne, die den Horizont im Westen brennen ließ. Der rosaorangerote Sonnenuntergang bildete einen wunderschönen Kontrast zu dem kobaltblauen Himmel und ließ den Abend unendlich friedlich wirken. Link gähnte herzhaft und warf Epona, die in der Nähe graste, einen liebevollen Blick zu. Dann streckte er mit einem knurrenden Geräusch, das tief aus seiner Brust kam, seine Arme, sprang auf die Füße und ging auf seine Stute zu, um sie abzusatteln. Er vertraute ihr so sehr, dass er ihr sogar das Zaumzeug abnahm und sie völlig frei umherlaufen ließ. Mit müden Gliedern ging er auf den Fluss zu, wo er sich seiner hohen Lederstiefel entledigte, seine Hose aufkrempelte, Tunika, Ketten- und Leinenhemd über den Kopf zog und ins Wasser stieg, um sich zu waschen. Navi betrachtete fasziniert die festen Muskeln, die sich an Brust, Bauch und Rücken unter der hellen Haut bewegten, und staunte, was aus dem kleinen, tollpatschigen Jungen geworden war, den sie sieben Jahre zuvor kennen gelernt hatte. Mit einem amüsierten Grinsen dachte sie an die merkwürdigen Muskelaufbauübungen, die Rauru im Heiligen Reich mit dem bewusstlosen Link gemacht hatte. Damals hatte sie sich darüber gewundert, doch als sie den halbnackten Mann vor sich sah, wurde ihr der Sinn der Anstrengungen des Weisen bewusst. Hätte sich sieben Jahre lang niemand um Links Körper gekümmert, wäre er mit schlaffen, verkümmerten Muskeln wieder erwacht und wäre kaum in der Lage gewesen zu stehen oder gar zu kämpfen – was nicht gerade heldenhaft gewesen wäre. Link selbst schien sich über seinen muskulösen Körper in keiner Weise zu wundern und ihn mit der Arroganz eines von Natur aus sportlichen Mannes zu betrachten. Epona ließ sich mit einem dumpfen Geräusch ins Gras fallen, wobei eine dicke, gräuliche Staubwolke aufgewirbelt wurde. Link wrang sich die frisch gewaschenen Haare aus, die so nass in einem tiefdunklen Braun glänzten, und kam danach mit Stiefeln und Oberbekleidung in der Hand auf Navi und seine Stute zu. Mit einer schnellen Handbewegung warf der junge Mann sein Schuhwerk, das krachend gegen den Stamm knallte, in Richtung der Eiche. Dann zog er sich sein weißes Leinenhemd und die blaue Zora-Tunika über den Kopf und holte seinen wollenen Umhang wieder aus dem Lederbeutel hervor. Gähnend streckte er sich unter dem hohen Baum aus, wobei ihm der Umhang als Decke und Eponas Sattel als Kopfkissen dienten. Navi ließ sich auf seiner Brust nieder und betrachtete die letzten Reste des Abendrots, die noch in der Luft hingen und die träge über den Himmel treibenden Wolken rötlich färbten. Im Osten ging bereits der Mond auf und die ersten Sterne wurden mit blassem Leuchten sichtbar. Link war schon fast ins Land der Träume abgedriftet, als Navi ihr vorheriges Gespräch wieder aufgriff: „Ich glaube nicht, dass sie Hyrule verlassen hat.“ „Was?“ Links Stimme klang brummig und er blinzelte mehrfach, während er krampfhaft versuchte, die Augen offen zu halten. „Zelda“, präzisierte Navi ihre vorherige Aussage. „Ich glaube, dass sie noch irgendwo hier ist.“ Sofort setzte sich der junge Herr der Zeiten ruckartig auf, sodass seine Fee unsanft auf seinen Schoß purzelte. „Wie kommst du darauf? Ist das wieder so eine Feensache á la ‚Der Baum hat’s mir verraten‘?“ Navi machte ein beleidigtes Gesicht und funkelte ihn aus zu Schlitzen verengten Augen böse an. „Jetzt mach dich nicht schon wieder darüber lustig. Unsere Fähigkeiten können sehr praktisch sein! Aber falls es dich beruhigt: Nein, meine Annahme hat nichts mit meinem Volk zu tun. Sich in ein anderes Land zu flüchten und alles hinter sich zu lassen, würde einfach nicht zu der jungen Prinzessin passen, die wir damals kennengelernt haben und die bereit war, für ihre Überzeugung zu kämpfen.“ Link kaute grübelnd auf der Unterlippe und starrte ins Nichts. „Und wenn Impa sie zur Flucht gezwungen hat?“ Navi schüttelte den Kopf und betrachtete den schwarzblauen Himmel der jungen Nacht. „Das glaube ich nicht. Shiekah sind ein Volk stolzer Krieger. Ich bin mir sicher, dass sie einen Ort hier in Hyrule gefunden hat, an dem sie Zelda verstecken konnte, sodass sie selbst zurückkommen und gegen Ganondorf kämpfen kann und die Prinzessin immer darüber informiert ist, was in ihrem Land vor sich geht.“ Link lehnte sich wieder zurück und sah hinauf zum funkelnden Sternenzelt. Er hatte das Gefühl, die glitzernden Sterne, die nicht von Wolken verhangen waren, würden Zeldas Gesicht an den Himmel malen, doch er war unfähig, es scharf zu sehen. Schon oft hatte er sich gefragt, wie sie inzwischen wohl aussehen mochte, aber jeder Versuch endete in einer verwässerten Überlappung der Bilder der jungen Zelda, die er kannte, und der rothaarigen Zelda aus seinem Traum. „Meinst du wirklich, dass sie noch hier ist?“, flüsterte er leise, während Navi sich auf seinem Bauch zusammenrollte und gähnend nickte. „Definitiv. Ich bin mir sicher, sie hat bereits von deinen Heldentaten gehört.“ Sofort schoss Link das Blut in die Wangen, doch auf Grund der Dunkelheit um ihn herum störte es ihn ausnahmsweise nicht. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief er ein. Nachdem auch Navi in einen tiefen Schlaf gesunken war, regte sich eine dunkle Gestalt, die die ganze Zeit über unbemerkt in einer der Baumkronen gesessen hatte, und ließ sich vollkommen lautlos auf den Boden fallen. Einige Herzschläge lang verharrte die Gestalt in zusammengekauerter Position nah über dem Boden und lauschte in die Dunkelheit, ob Link oder Navi sie trotz aller Vorsicht bemerkt hatte. Als sie sich vergewissert hatte, dass die Beiden noch tief und fest schliefen, richtete sich die schattenhafte Gestalt langsam wieder auf und schlich auf das kleine Lager zu. Lediglich Epona hob den Kopf und schnaubte, doch als der Schatten die Hand nach ihr ausstreckte, ließ die Stute sich über die leicht geblähten Nüstern streicheln und besänftigen. Sobald Epona beruhigt war und den Kopf wieder gesenkt hatte, schlich die dunkle Gestalt weiter, bis sie ganz nah vor Link stand, der ihr das Gesicht zugewandt hatte und selig schlummerte. Gerade, als sich der nächtliche Besucher zu dem schlafenden Herrn der Zeiten hinabbückte, zogen die Wolken, die bisher den Vollmond verhangen hatten, weiter und das helle, silberne Licht fiel in breiten Bahnen auf Shieks Gesicht. Mit flinken Fingern tastete der Shiekah nach dem verzauberten Wunderbeutel des Hylianers und zog ihn an sich. Mit einer schnellen Bewegung riss er das schmale Bändchen auf, welches das weiche Leder zusammenhielt, und fasste hinein. Wenn er überrascht war, es leer vorzufinden, so konnte man dies nicht in seinem unverhüllten Auge ablesen. Navi machte ein knurrendes Geräusch und warf sich auf die andere Seite, schien dort aber auch keine bequeme Position zu finden. Genau in dem Moment, in dem der Shiekah sich wieder aufrichtete und einen glänzenden Gegenstand in der Hand hielt, schlug die Fee ihre Augen auf. Ein wenig schlaftrunken rieb sie sich übers Gesicht und erstarrte dann, als sie die Gestalt neben Link entdeckte. „Was machst du denn hier?!“ Shiek starrte die winzige, geflügelte Frau auf Links Bauch einige Sekunden lang stumm an, dann warf er ihr den länglichen Gegenstand zu, den er in der Hand gehalten hatte – die Okarina der Zeit. „Ihr solltet in Zukunft ein wenig vorsichtiger sein. Man weiß nie, wo der Feind lauert.“ Mit diesen Worten drehte der mysteriöse Shiekah sich um und verschwand in der Dunkelheit, während Navi, die von dem schweren Musikinstrument beinah erschlagen worden wäre, sich frei kämpfte und ihm fassungslos hinterher starrte. Erst, als das dumpfe Leuchten seiner teilweise weißen Kleidung nicht mehr zu sehen war, fand die Fee ihre Stimme wieder und stapfte entschlossen auf Links Ohr zu, um ihn zu wecken. Dieses Mal musste er ihr einfach glauben, dass diesem Mann nicht zu trauen war! Wäre sie nicht zufällig aufgewacht, hätte er sie ganz sicher bestohlen! Aufgebracht wandte sie den Kopf in die Richtung, in die der Shiekah verschwunden war. Dass er offensichtlich wusste, wie man mit Feenzauber umgehen musste, gefiel ihr gar nicht. Doch bevor sie ihr Ziel erreicht hatte, drehte sich der Hylianer auf den Bauch, wobei er die wertvolle Okarina halb unter sich begrub. Unglücklicherweise rutschte auch Navi von seiner Brust und rollte über das trockene Gras, bis sie hart mit dem Kopf gegen den Stamm der großen Eiche stieß und ohnmächtig wurde. Die Sonne im Osten kroch langsam über die Felsenkette und breitete ihren goldenen Teppich über der hylianischen Steppe aus, während Link auf dem Rücken seiner rotbraunen Stute in Richtung Hylia-See ritt. Navi saß wieder einmal zwischen den aufgestellten Ohren des Pferdes und schimpfte wild gestikulierend: „Verdammt noch mal! Es war so! Warum glaubst du mir eigentlich nicht?!“ Der junge Held legte den Kopf schief und machte ein grübelndes Gesicht. „Weil es absurd klingt. Was sollte Shiek mit der Okarina wollen?“ Die kleine Fee zog die rechte Augenbraue in die Höhe und blickte ihn missbilligend an. „Vielleicht arbeitet dein supertoller Shiek ja doch für Ganondorf. Auf die Idee, dass ein mächtiges Relikt wie die Okarina der Zeit für immense Bedeutung für den Großmeister des Bösen sein könnte und er deswegen seine Schergen ausschickt, um es ihm zu beschaffen, bist du wohl noch nicht gekommen, oder?“ Link warf ihr einen giftigen Blick zu und schaffte es nur mit Not, seiner langjährigen Begleiterin nicht ihre offensichtliche Eifersucht vorzuwerfen. Stattdessen atmete er tief durch und starrte verbissen nach vorn, wo sich am Horizont die weißen Säulen eines riesigen Tores, durch das man zum Hylia-See gelangte, abzeichneten. „Doch, daran gedacht habe ich bereits, aber das würde absolut keinen Sinn machen. Weshalb hätte Shiek uns in der Vergangenheit helfen sollen, wenn er eigentlich auf der gegnerischen Seite steht?“ „Heiliger Deku, wie naiv bist du eigentlich?!“ Gekränkt verzog Link den Mund und krampfte die Hände fester um Eponas Zügel. Er wusste, dass Navi Recht hatte, auch wenn er es nicht glauben wollte. Dickköpfig klammerte er sich an seine Theorie, seine Fee habe sich den nächtlichen Besuch bloß eingebildet, und stellte sich blind und taub für ihre Argumente, obwohl es eigentlich keine andere Erklärung dafür gab, dass die Okarina an diesem Morgen im Gras gelegen hatte, anstatt in seinem Beutel zu stecken. Als er das teure Musikinstrument zwischen dem bereits herabgefallenen Laub der imposanten Eiche entdeckt hatte, hatten ihm seine Sinne einen Streich gespielt. Die Löcher der Flöte hatten sich plötzlich verändert und waren zu einer Vielzahl von Shieks rötlich glänzendem Auge geworden, das ihn mit einem amüsierten Glitzern und einer Spur Häme angesehen hatte. Und dennoch wollte er partout nicht glauben, dass der Shiekah gegen ihn arbeitete. Da war etwas zwischen ihnen, dass Link nicht erklären, aber deutlich spüren konnte – eine Art alte Freundschaft, wie aus vergessenen Kindertagen oder einem früheren Leben. „Hörst du mir eigentlich zu?!“ Navi funkelte ihn wütend an und stemmte die Fäuste in die Hüften, als Link blinzelnd aus dem Reich seiner Erinnerungen und Gedanken zurück in die Wirklichkeit kam. Entschuldigend hob er die Schultern und schenkte ihr ein schiefes Lächeln, was sie aufseufzend mit dem Kopf schütteln ließ. „Ich sagte, dass Shieks Hilfsbereitschaft möglicherweise eine clevere Finte war, um sich dein Vertrauen zu erschleichen – was ja auch gut geklappt zu haben scheint.“ „Navi!“ Link verlor sämtliche Gesichtsfarbe und riss erschrocken die Augen auf. Seine Fee legte den Kopf schief und kratzte sich verwirrt hinter dem linken Ohr. „Jetzt sag nicht, dass der Gedanke dir tatsächlich dermaßen fremd ist.“ „Was?“ Irritiert blinzelnd fokussierte der Hylianer seinen Blick auf die silberglänzende Frau vor sich. „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen“, erklärte diese. „Dabei hab ich doch nur gesagt, dass auch Shieks Unterstützung zu der Theorie passt, dass er zu den Feinden gehört…“ Geistesabwesend starrte Link mit riesigen Augen zum Horizont und winkte ab. „Das meinte ich doch gar nicht. Dreh dich mal um! Das gibt es nicht…“ Langsam wandte Navi sich um und schaute in die Richtung, in die Link deutete. Hinter den sanften, grasbewachsen Hügeln, die unter Eponas gewaltigen Hufen sanft vibrierten, sollte sich eigentlich die glitzernde, blaue Fläche des Hylia-Sees erstrecken, doch alles, was zu sehen war, war eine ausgetrocknete, erdbraune Mulde. „Was zum...“ Die restlichen Worte ihres Satzes blieben der Fee vor lauter Entsetzen im Halse stecken. Mit kreidebleichem Gesicht drehte sie sich wieder zu Link, der seine Stute inzwischen auf dem höchsten Hügel angehalten hatte, und mit fest aufeinander gepressten Lippen hinabblickte. Die kleine Insel in der Mitte des Sees ragte wie ein einzelner, fauliger Zahn im Mund einer alten Vettel aus dem Boden hervor, der von der sengenden Sonne dermaßen ausgetrocknet war, dass die Erde aufgeplatzt war und die Risse sich wie ein fein gewebtes Netz über die gesamte Fläche erstreckten. Lediglich an einem tieferen Bereich vor der Insel, auf der ein einzelner Baum ohne Blätter sich in den Himmel reckte, glitzerte ein letzter Rest silbrigen Wassers. „Ich frage mich, wie das passieren konnte.“ Navis Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und der Schock ließ ihre Glieder unkontrolliert zittern. „Die Antwort hast du doch gestern selbst gegeben“, erinnerte Link sie, „Zoras Quelle ist zugefroren…“ „Das ist einfach schrecklich!“ In den goldgrünen Augen der Fee schimmerten bunt glitzernde Tränen und sie zog geräuschvoll die Nase hoch, als sie plötzlich davon flog. „Wo willst du hin?“ Link blickte ihr irritiert hinterher und schwang sich mit einer geschmeidigen Bewegung aus dem Sattel, als er keine Antwort bekam. In wenigen hundert Metern Entfernung verlief das nahezu ausgetrocknete Bett des Zora-Flusses, durch das sich nun nur noch ein schmalbrüstiges Bächlein schlängelte, das sich auf seinem Weg immer mehr ausdünnte, bis es als kleines Rinnsal in der «Pfütze» vor der Insel endete. Navi schwebte über dem kühlen Nass, während stumme Tränen über ihre Wangen liefen. Ein wenig verlegen trat Link an sie heran und streckte die Hand aus. „Komm her. Ich weiß, dieser Anblick ist für dich unerträglich, aber wir werden das schon wieder gerade biegen. Versprochen.“ Schniefend wandte die Fee sich zu ihm um und warf sich zu seiner Überraschung hemmungslos weinend an seine Brust. Verunsichert legte Link seine Hand um sie und hielt sie fest, bis sie schließlich mit rotgeränderten Augen zu ihm aufblickte. „Naja, etwas Gutes hat die Sache ja: So dürfte es um einiges einfacher sein, den Eingang zum Wassertempel zu finden.“ Kleine Staubwolken wirbelten auf, als Link langsam auf den armseligen Rest Seewassers zuging, der sich in der Mulde vor der Insel gesammelt hatte. In einiger Entfernung trottete Epona über die hügeligen Wiesen und graste gemütlich, während Navi sich noch immer leicht zitternd an Links Haaren festkrallte. Mit einem kurzen Kopfnicken deutete der Hylianer in Richtung der Insel. „Und du bist dir sicher, dass der Eingang zum Wassertempel da ist?“ Die fürchterlich mitgenommen wirkende Fee schien in die Ferne zu lauschen und nickte dann zögerlich. „Ja, ich denke schon.“ Link warf ihr einen prüfenden Seitenblick zu. „Es fällt dir im Moment schwer, dich zu konzentrieren, oder?“ Unter ihrem silbernen Schimmer wurde Navi schlagartig ein wenig rot und sie schob beleidigt die Unterlippe vor, was ihren Begleiter zum Kichern brachte. „Ist schon in Ordnung“, versuchte der Herr der Zeiten seine Begleitung zu beruhigen. „Selbst wenn du dich irrst und die ‚Stimme‘ des Hylia-Sees missverstanden haben solltest, ist das ja auch kein Beinbruch.“ Navi stieß geräuschvoll Luft zwischen den Zähnen hervor. „Das wäre ja auch noch schöner, wenn nur du Mist bauen dürftest.“ „Ah, ich seh schon!“ In Links Augen blitzte der Schalk und er stupste seine Fee sanft mit dem Zeigefinger an. „Dir geht’s langsam wieder besser – deinen Sarkasmus hast du jedenfalls schon wiedergefunden.“ Grinsend kuschelte Navi sich in Links Halsbeuge und blickte lächelnd durch seine Haare hindurch auf die Landschaft vor ihnen. In Momenten wie diesem fiel ihr immer wieder auf, dass sie echtes Glück gehabt hatte, als der Deku-Baum ihr vor Jahren den kleinen, feenlosen Jungen anvertraut hatte. Zwar war er manchmal tollpatschig und ungeschickt, doch dafür verstand er ihre Art und ihren teilweise verletzenden Humor. Das einzige Thema, bei dem sie wirklich aneinander gerieten, war dieser elende Shiekah! Wieder einmal sah Navi die Ereignisse der letzten Nacht vor ihrem geistigen Auge. Sofort spürte sie wie ihr Puls in die Höhe schnellte, als sie daran dachte, wie knapp sie den Diebstahl verhindert hatte. Sie rief sich Shieks Gesicht wieder ins Gedächtnis und knirschte mit den Zähnen, denn obwohl sie sich sicher war, dass der Shiekah sie hatte beklauen wollen, passte etwas nicht ins Bild. Der Ausdruck, mit dem dieser mysteriöse Mann sie angesehen hatte, wollte sich einfach nicht mit Navis Vorstellung von einem fiesen, hinterhältigen Dieb in Übereinstimmung bringen lassen. In seinem Blick hatte derart viel Schmerz, Sehnsucht und Schwermut gelegen, dass es Navi ernsthaft verwirrte. Dennoch hätte sie Link niemals etwas von ihren Zweifeln erzählt! Er vertraute diesem dahergelaufenen Shiekah sowieso schon viel zu sehr… Die eifersüchtige Fee war so in Gedanken versunken, dass sie es gar nicht mitbekam, als Link plötzlich am Rand des erschreckend kleinen Wasserrestes stehen blieb und verkündete: „Du hattest Recht.“ Bei dem Klang seiner Stimme zuckte Navi zusammen und dachte im ersten Moment, sie habe womöglich laut gedacht und Link hätte ihr endlich bei diesem leidigen Thema zu gestimmt, aber dann bemerkte sie, dass er angestrengt auf die leicht bewegte Wasseroberfläche starrte, und folgte seinem Blick. Einige Meter unter dem Wasserspiegel war ein massives Eisentor zu erkennen, das den Zugang zu einer Höhle versperrte, die unter die Insel zu führen schien. „Meinst du wirklich, dass ist der Eingang zum Wassertempel?“, fragte Navi skeptisch. Link zog irritiert die Augenbrauen zusammen und warf seiner Begleiterin einen kurzen Seitenblick zu. „Natürlich. König Zora hat gesagt, der Tempel befände sich im Hylia-See und du hast doch selbst gesagt, deine Feensinne würden dir verraten, dass wir hier suchen sollten.“ „Hm.“ Navi kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. „Ich weiß nicht. Das sieht irgendwie so… billig aus.“ Link verdrehte die Augen und seufzte, bevor er sich ohne jedes weitere Wort ins Wasser stürzte. Kaum, dass er das kühle Nass berührt hatte, spürte er plötzlich ein starkes Kribbeln auf der Haut, so als drängen tausende Luftbläschen durch die Maschen seiner Zora-Kleidung. Im ersten Moment fühlte es sich extrem unangenehm an und Link konnte nur mit Mühe den Reflex unterdrücken, sich zu kratzen, doch dann machte sich eine seltsame Erfrischung breit und der Hylianer bemerkte, dass das Gewicht, das beim Luftanhalten normalerweise auf seine Lunge drückte, verschwand. Geschwind kehrte der junge Herr der Zeiten um und tauchte auf. Sobald er die Wasseroberfläche durchbrochen hatte, grinste er zu Navi herauf und strich sich ein paar nasse Strähnen aus der Stirn. „Dieses Zoragewand ist einfach klasse! Ich wollte es nicht glauben, aber damit kann ich tatsächlich unter Wasser atmen... in gewisser Weise.“ Doch anders als erwartet, machte die Fee kein begeistertes Gesicht, sondern kaute auf der Unterlippe und blickte ihren Begleiter aus großen, besorgt wirkenden Augen an. Irritiert legte Link die Stirn in Falten und paddelte ein wenig näher an sie heran. „Was hast du?“ „Nichts weiter“, wiegelte sie in barschem Ton ab. „Ich mache mir nur Gedanken, ob du ohne mich klar kommst.“ Link fiel die Kinnlade herunter und es dauerte einige Herzschläge lang, bis er seine Stimme wiederfand. „Wieso denn ohne dich? Du kommst doch mit, oder?“ Die kleiner silberne Fee sank zu ihm herab und schwebte kurz über der Wasseroberfläche, sodass es aussah, als würde sie über das glitzernde Nass laufen. „Ich würde dich wirklich gerne begleiten, aber ich kann nicht. Wir Feen sind nicht gerade die besten Schwimmer, musst du wissen.“ Der junge Held sah seine Begleiterin mit einem Gesichtsausdruck an, der zwischen Überraschung, Unglaube und Enttäuschung schwankte. „Aber als ich damals durch das Portal zum Hylia-See geschwemmt wurde, nachdem die Zoras mich den Wasserfall hinuntergestoßen hatten, warst du doch auch dabei.“ Navi machte ein abfälliges Geräusch und strich sich eine Strähne ihres langen Haares hinter das rechte Ohr. „Als wäre das freiwillig gewesen… Wenn ich ehrlich sein soll, war es reine Glückssache, dass ich nicht ertrunken bin. Wir Feen können nicht besonders lange die Luft anhalten.“ Langsam watete Link aus dem winzigen Seerest und ließ sich hart auf den rissigen Boden fallen, wo er die Beine anzog und plötzlich lustlos den Kopf auf die Knie stützte. Navi tapste weiter mit traurigem Gesichtsausdruck übers Wasser, wobei sie hübsche, gekringelte Muster auf der Oberfläche entstehen ließ. Während zwischen den Beiden für einige Zeit betretenes Schweigen herrschte, schoben sich dicke, schwarze Wolken vor die Vormittagssonne. Nur wenig später fielen auch schon die ersten, dicken Tropfen klatschend zu Boden und Link fröstelte. Navi wandte ihr Gesicht zum Himmel und schien den duftenden Sommerregen zu genießen. Da kam dem Herrn der Zeiten endlich eine Idee! „Ich hab’s!“ Mit leuchtenden Augen blickte er zu Navi herüber, die betrübt zurückschaute. „Was hast du?“ „Ich glaube, ich weiß, wie ich dich in den Wassertempel mitnehmen kann.“ Schnell griff er nach seinem Wunderbeutel und seine Fee kam neugierig guckend ein wenig näher, doch als sie sah, was er in der Hand hielt, schüttelte sie energisch den Kopf. „Vergiss es!“ „Aber warum denn?“, verteidigte der Hylianer seinen Einfall. „Da drin ist es trocken und –“ Aufgebracht und wild mit den Armen fuchtelnd fiel ihm die kleine Feenfrau ins Wort: „Ich habe gesagt, du sollst es vergessen. Ich lasse mich nicht in einer Flasche durch die Gegend tragen. Darin bekomme ich Platzangst!“ „Dann eben nicht“, blaffte Link zurück und stopfte seine Flasche wieder in den Beutel. „So wichtig kann es dir also gar nicht sein, mich zu begleiten. Denn du musst schließlich zugeben, dass dir das Wasser in der Flasche nichts anhaben könnte, wenn ich sie in den Beutel stecke…“ Plötzlich riss Navi, die verlegen an einem Fingernagel gepult hatte, den Kopf hoch und sah ihren Begleiter aus weit aufgerissenen Augen an. „Das ist es doch!“ „Was? Sind Eure Hoheit jetzt doch bereit, im Flaschenexpress zu reisen?“ Genervt winkte die Fee ab und deutete auf den kleinen Lederbeutel an Links Gürtel. „Nein, aber ich könnte mich direkt in den Beutel stecken lassen.“ Der zweifelnde Recke machte ein unwilliges Gesicht. „Meinst du wirklich, das ist eine gute Idee?“ „Klar. Und ich muss es wissen, schließlich war ich an dem Zauber beteiligt.“ Wieder im Wasser tauchte Link an dem eisernen Tor herab und suchte nach einem Mechanismus, um den Zugang zum Tempel öffnen zu können. Durch das Wasser um ihn herum war sein Blick verschwommen und seltsam verzerrt, weshalb er sich zum Großteil mit Hilfe seiner Hände orientierte. Langsam und behutsam tastete er den Torbogen und die restliche Außenfassade ab, doch ohne Erfolg. Nirgends konnte er einen Schalter oder eine Taste erfühlen. Erst, als er resigniert wieder auftauchen wollte, blieb er mit dem Gürtel an einem leicht hervorstehenden, diamantförmigen Ding hängen. Genervt versuchte Link, sich zu befreien, aber er hing fest! Obwohl er wusste, dass er nicht auftauchen musste, so lange er das Zoragewand trug, drückte sich bitter schmeckende Panik seinen Hals hinauf und schnürte seine Kehle zu. Wie wild strampelte er mit den Beinen und schlug mit den Armen um sich, doch nichts schien zu helfen. „Du musst ruhig bleiben. Ruhig, ganz ruhig…“, versuchte er sich selber zuzureden und bedauerte, dass er nicht einfach tief durchatmen konnte. Verzweifelt stemmte er die Füße gegen die Wand und stieß sich mit aller Kraft ab. Endlich rutschte der Gürtel unter der Kante des eigenartigen Dings hervor und Link kam wieder frei. Was jedoch viel wichtiger war: Bei Links verzweifelten Befreiungsversuchen hatte sich das Eisengitter vor dem Wassertempel ein wenig bewegt. Er hatte also endlich den gesuchten Schalter gefunden! Sofort stürzte der Herr der Zeiten sich auf das Ding, das wie er endlich feststellte aus türkisbemaltem Holz bestand, und zog und zerrte daran, doch egal wie sehr er sich auch anstrengte, es bewegte sich nur wenige Zentimeter. „Moment mal! Das Ding ist aus Holz! Warum benutze ich nicht einfach meinen Fanghaken?“ So schnell er konnte, tauchte der junge Hylianer auf, watete aus dem Wasser und suchte sich festen Stand. Dann zielte er gewissenhaft und feuerte den Haken ab, der sich tief in das Holz bohrte. Siegessicher grinsend löste er den Bolzen des Aufrollmechanismus – und wurde augenblicklich nach vorn gerissen. Mit einem lauten Klatschen schlug er hart auf der Wasseroberfläche auf, was ihm die Luft aus den Lungen presste, und sank in die Tiefe. Erst, als er bei seinem reflexartigen Einatmen Wasser schluckte, tauchte er hustend und spuckend wieder auf. „Verdammt! So geht’s also nicht. Ich bin viel zu leicht…“ Müde ließ er sich rücklings auf den Rücken fallen und trieb auf der Oberfläche dahin, während der dichte Regen auf sein Gesicht prasselte. Doch plötzlich setzte Link sich ruckartig wieder auf, wobei er für einen kurzen Moment wieder unterging. „Moment mal… zu leicht? Da war doch was… Shiek, du Fuchs! Du hast es gewusst…“ Mit einem tiefgründigen Lächeln auf den Lippen kehrte Link ans Ufer zurück und zog sich die schweren Eisenstiefel an, die der Shiekah ihm erst vor kurzem geschenkt hatte. Dieses Mal war der hölzerne Bolzen der vereinten Kraft von Links Gewicht und dem Fanghaken nicht gewachsen und er ließ sich gänzlich herausziehen. Als das Eisengitter ruckelnd hinabglitt, stiegen dicke Luftblasen an die Oberfläche und ein zufriedenes Lächeln machte sich auf Links Lippen breit. Der Weg in den Wassertempel war endlich frei. Kapitel 35: Wasserspiele ------------------------ Die Eingangshalle des Tempels war überwältigend und tief unter dem Hylia-See angelegt. Link stand am Rand des obersten Stockwerks und starrte in die Tiefe, wo sich zwei weitere, überflutete Ebenen erstreckten. Schnell holte der junge Hylianer seine Fee aus dem Lederbeutel, die mehr als froh zu sein schien, wieder in Freiheit zu sein. Tief Luft holend ließ sie sich wie so oft auf seiner Schulter nieder und murmelte leise: „Erinnere mich daran, dass ich mich nie wieder in die Nähe von Wasser begebe, wenn wir hier fertig sind.“ Link grinste und sprang wieder in die Fluten, um zu der imposanten Mittelsäule zu schwimmen, die in etwa so breit war wie ein kleines Wohnzimmer und auf allen drei Ebenen mit einer Balustrade bestückt war, die rund um die Säule führte. Navi folgte ihm in einigem Abstand und betrachtete schaudernd die schier unglaublichen Mengen an Wasser. Hätte man den Tempel leer gepumpt und anschließend dicht versiegelt, hätte dies gereicht, um den Hylia-See wieder vollständig zu füllen. „Hm... Scheint so als kämen wir von hier aus nicht weiter.“ Link hatte seinen Rundgang um die Säule beendet und machte ein wenig glückliches Gesicht. Die Tür auf der linken Seite war mit dicken Eisenketten verschlossen und der Gang gegenüber nicht zu erreichen. „Das heißt, ich muss zurück ins Säckchen?“ Navi verzog den Mund und seufzte, während ihr Begleiter entschuldigend lächelte und die Schultern hob. „Sieht so aus, tut mir leid. Aber sag mal, wie fühlt sich das eigentlich an?“ Die Fee zuckte mit den Achseln. „Nicht so schlimm. Es ist nur komisch, weil man das Gefühl hat, schwerelos im Raum zu schweben, und es nichts um einen herum gibt – nur endlose Weiten weißen Lichts. Das ist nicht wirklich angenehm, finde ich.“ Link legte den Kopf schief und nickte dann. „Ja, das kann ich nachvollziehen, aber das ist immer noch besser als zu ertrinken, oder?“ Seufzend nickte Navi und hüpfte in das Ledersäckchen, das er ihr geöffnet entgegen hielt. Dann warf der Recke einen Blick in die Tiefe, um sich einen Plan zurechtzulegen, in welcher Reihenfolge er die einzelnen Räume und Tunnel erkunden sollte. Er hatte sich gerade eine Tür auf der mittleren Ebene ausgespäht, als eine Bewegung ihn zusammenzucken ließ. Aus den Augenwinkeln hatte er deutlich gesehen, wie jemand oder etwas in einen Gang auf der untersten Ebene verschwunden war. Geschwind wechselte er sein Schuhwerk, in der Hoffnung, dass die Eisenstiefel ihn schneller in die Tiefe zogen als er tauchen konnte. Tatsächlich brauchte er für das Herabsinken nur wenige Augenblicke und er war sich sicher, er würde das Wesen, das er zuvor gesehen hatte, noch einholen können. So schnell wie er auf dem sandigen Boden konnte, stürzte er auf den hellblau gefliesten Gang zu. Erstaunlicherweise behinderten ihn die schweren Eisenstiefel dabei weit weniger als erwartet – im Gegenteil. Unter Wasser war ihnen ihr enormes Gewicht gar nicht mehr anzumerken und Link konnte sich mit ihnen bewegen als würde er seine gewohnten Lederstiefel tragen. Einzig die Tatsache, dass er nicht atmen konnte, störte ihn sehr. Obwohl er dank des Zoragewands nicht atmen musste, fühlte es sich extrem unangenehm an, nicht Luft holen zu können. Nach wenigen Metern öffnete sich der Gang zu einem kleinen Raum, der bis auf drei Fackelständer und ein paar brüchig aussehender Krüge vollkommen leer war. Auf der Rückseite führte eine grünlich bemalte Metalltür in ein weiteres Zimmer, doch was viel wichtiger war: Vor dieser Tür stand eine junge Zora mit wunderschönen, leicht gerüschten Flossen und einem Hammerhai ähnlichen Kopf. „Ruto!“, rief Link freudig aus, aber wegen des Wassers um ihn herum, kam nur ein undeutliches Gurgeln aus seinem Mund. Die Zora-Prinzessin lächelte zu ihm herüber und näherte sich ihm langsam. „Ich habe gewusst, dass du kommen würdest.“ Erstaunlicherweise schaffte sie es irgendwie, dass ihre Worte klar und verständlich waren. „Link, wir müssen mein Volk retten! Deswegen kam ich hierher, aber plötzlich sind unzählige Monster in unserem Heiligsten… Sogar Morpha hat sich in diesem Tempel eingenistet. Ich bin mir sicher, dass dieses widerliche Vieh hinter allem steckt. Du musst wissen, dass der Wassertempel und das Reich der Zoras durch einen Zauber sehr eng miteinander verknüpft sind. Eigentlich soll diese Verbindung unser Reich schützen, doch wie man momentan sieht, kann das Ganze auch ins Gegenteil umschlagen.“ Mit großen, bittenden Augen nahm Ruto Links Hände in ihre und drückte sie sacht. „Bestimmt ist Morpha schuld an all dem Eis in Zoras Reich. Link, ich bitte dich, hilf mir, dieses Monster zu besiegen.“ Der Hylianer nickte, ohne weiter darüber nachzudenken. Er hatte schließlich auch schon vorher vorgehabt, den Zoras zu helfen. Ruto lachte begeistert auf und drückte ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. „Ich habe gewusst, dass du mich nicht im Stich lassen würdest. Alles andere hätte auch nicht zu meinem Verlobten gepasst.“ Link klappte die Kinnlade herunter und er schluckte einen Schwall Wasser, was ihn unkontrolliert husten ließ. Verlobter?! Der junge Herr der Zeiten verstand die Welt nicht mehr. Wie im Namen der Göttinnen kam Ruto auf die Idee, dass er sie heiraten wollen würde?! „Es war übrigens ganz schön gemein von dir, mich sieben lange Jahre warten zu lassen. Ich dachte schon, du hättest dich aus dem Staub gemacht.“ Die Zora-Prinzessin kuschelte sich an ihn und betrachtete ihn aus wunderschönen, dunkelblauen Augen. Verlegen versuchte Link, Ruto von seinem Hals zu lösen, ohne allzu unhöflich zu wirken, doch plötzlich hielt er in der Bewegung inne, als ihm etwas einfiel. Vor seinem geistigen Auge sah er sich mit Ruto auf einem dicken Ast sitzen, unter ihnen das glitzernde Wasser der Zora-Quelle, und er hörte wieder ihre Worte, mit denen sie ihm damals den Heiligen Stein des Wassers überreicht hatte: „Wir nennen ihn den Königinnenstein, denn er ist eine Art Verlobungsring von uns Zoras…“ Der junge Held schluckte hart und ließ die Arme kraftlos an seinem Körper herab hängen. Verlobungsring… Damals war es ihm derart wichtig gewesen, an den Heiligen Stein des Wassers zu gelangen, dass er gar nicht wirklich zugehört hatte, was Ruto ihm erzählt hatte. Doch als nun in sein Bewusstsein drang, was es bedeutete, dass er den Ohrring der Nayru von Ruto angenommen hatte, fühlte er wie sich eine verzweifelte Kraftlosigkeit in ihm breitmachte. Vor sieben Jahren war offensichtlich so ziemlich alles schief gelaufen, was nur daneben hatte gehen können. Er hatte nicht nur dafür gesorgt, dass Ganondorf ins Heilige Reich gelangen konnte, er hatte sich auch noch versehentlich mit einer Zora-Prinzessin verlobt. Wie zum Henker kam er da nur wieder raus? Mit einem stöhnenden Geräusch sank er auf den Boden mit den teilweise gesprungenen Fliesen und vergrub das Gesicht in den Händen, während Ruto sich neben ihn hockte und ihm irritiert über den Kopf streichelte. „Ist schon in Ordnung. Ich nehme dir deine lange Abwesenheit nicht übel. Die Hauptsache ist, dass du wieder hier bist.“ Sie lächelte ihn kurz herzlich an, doch er sah es gar nicht. Vor seinem geistigen Auge sah er seine eigene Hochzeit mit Ruto, auf der ihm Zelda geradezu überschwänglich zu seiner hübschen Braut gratulierte. Allein bei dem Gedanken daran wurde ihm schlecht. Die Zora-Prinzessin zog ihn plötzlich mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck wieder auf die Beine. „Jetzt reiß dich zusammen, Liebster. Wir haben dafür keine Zeit. Hör mir zu: In diesem Tempel gibt es drei Platten, an denen man den Wasserstand regulieren kann. Angeblich reagieren sie auf ein bestimmtes Lied, aber leider kann ich dir nicht verraten, welches es ist. Aber ich bin mir sicher, du kannst es herausfinden.“ Link sah zu ihr herüber. Trotz des Wassers konnte er sie plötzlich erstaunlich klar erkennen, so als würden sich seine Augen langsam an die ständige Verzerrung gewöhnen. Mit einem fast traurigen Blick guckte die Prinzessin zur Decke hinauf. „Auch wenn wir uns gerade erst wiedergefunden haben, müssen sich unsere Wege hier bereits wieder trennen. Ich denke, wir spüren Morpha eher auf, wenn wir uns aufteilen.“ Dann hauchte Ruto ihm einen Kuss auf die Lippen und schwamm davon, bevor Link protestieren konnte. Sofort versuchte er, Ruto zu folgen, um sie zu bitten, den Tempel so schnell wie möglich zu verlassen und ihm die Sache zu überlassen, doch die Eisenstiefel hielten ihn am Boden. Zwar konnte er in ihnen problemlos unter Wasser laufen, aber schwimmen war unmöglich. Also beeilte er sich, sein Schuhwerk erneut zu wechseln, was sich im Wasser schwieriger gestaltete, als gedacht. Kaum war er mit den Füßen aus den Stiefeln geschlüpft, wurde er von der Auftriebskraft des Wassers erfasst. Nur mit Mühe schaffte er es, die Eisenstiefel zu fassen zu kriegen und sie in seinem Lederbeutel zu verstauen. Als dies endlich geschafft war, schnellte er mit kräftigen Armzügen durchs Wasser und suchte das Loch in der Raumdecke, durch das Ruto verschwunden war. Zwei Stockwerke später durchbrach er endlich wieder die Oberfläche und genoss es, einen tiefen Atemzug nach dem anderen tun zu können. Erleichtert setzte er sich an den Rand des Lochs, durch das er aufgetaucht war, und holte zuerst Navi und dann seine Lederstiefel aus dem verzauberten Beutel hervor. Während er seine klatschnassen Socken auswrang und sie anschließend zusammen mit den Stiefeln wieder anzog, betrachtete Navi eine kleine Metallplatte, die an die hell geflieste Wand geschraubt war. Doch anstatt ihren Begleiter auf das sorgfältig eingravierte Triforce aufmerksam zu machen, drehte sie sich mit einem süffisanten Grinsen zu Link um. „So… Du bist also mit der bezaubernden Prinzessin Ruto verlobt… Was wohl Prinzessin Zelda dazu sagen wird?“ Link machte ein knurrendes Geräusch und warf mit einem seiner Stiefel nach ihr. „Sei bloß ruhig!“ Navi kicherte ein wenig in sich hinein und beobachtete den Hylianer, wie er versuchte, an sein Schuhwerk zu kommen, ohne aufzustehen. Für einen kurzen Moment überlegte die Fee, ob sie weiter sticheln sollte, doch als sie den gequälten Gesichtsausdruck ihres Begleiters sah, verwarf sie diese Idee und deutete stattdessen wortlos auf die kleine graue Metallplatte. „Das scheint einer der Orte zu sein, an denen man den Wasserstand regeln kann“, überlegte Link, als er den Fund seiner Fee begutachtete. „Ich frage mich, wie man den Mechanismus aktiviert.“ Der junge Hylianer strich gedankenverloren über die Platte. Da war irgendetwas an der Art der Gravur und der Hintergrundgestaltung, das ihm seltsam vertraut erschien… Plötzlich schlug Link sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Dass ich da nicht eher drauf gekommen bin!“ Neugierig beobachtete Navi, wie ihr Gefährte die Okarina der Zeit aus seinem Beutel zog und das Mundstück an die Lippen setzte. Wenig später erklang das Wiegenlied der hylianischen Königsfamilie, das Impa Link damals bei seinem ersten Besuch im Schloss beigebracht hatte. Navi wiegte zweifelnd den Kopf hin und her, doch kaum, dass die letzten Töne verklungen waren, war ein lautes Rauschen zu hören und der Wasserspiegel sank und sank, bis nur noch wenige Zentimeter den Boden des tiefsten Stockwerks bedeckten. „Woher hast du das gewusst?“ Die Feenfrau blickte Link aus großen Augen an. „War geraten“, gestand Link grinsend. „Mir kam die Idee, weil Zeldas Siegelring genau die gleiche Gravur hat.“ Navi nickte geistesabwesend und blickte sich erneut in dem kleinen Raum um, während Link mit einem verträumten Gesichtsausdruck über die kleine Metallplatte strich und an den Tag dachte, an dem er Zelda kennengelernt hatte. Damals hatte sie ihm ihre schlanke Hand mit dem Siegelring am Ringfinger entgegen gestreckt, um ihn von ihrer Identität zu überzeugen. Auch wenn er nur einen kurzen Blick auf den Ring hatte werfen können, waren ihm die fein geschwungenen Linien der Tiefengravur sofort aufgefallen. Die Präzision dieser filigranen Arbeit hatte ihn zutiefst beeindruckt. Bei dem Gedanken an Zelda drückten unsichtbare Gewichte auf Links Brust und machten ihm das Atmen schwer. Wo konnte sie nur sein? Ob sie in Sicherheit war? Oder hatte Ganondorf sie geschnappt, so wie Link es während seines siebenjährigen Schlafs geträumt hatte? Besorgt knibbelte er an einem losen Fetzen Haut an seinem rechten Daumen, als Navi ihm plötzlich etwas grob an seiner langen Ohrmuschel zog. Link schrie überrascht auf und schlug reflexartig nach seiner Fee, die seiner Hand jedoch mit Leichtigkeit auswich. „Hab ich jetzt endlich deine ungeteilte Aufmerksamkeit?“ Die zierliche Feenfrau blickte ihren Begleiter, der sich beleidigt das Ohr rieb, genervt an und stemmte die Hände in die Hüfte. Mit einem murrenden Laut wandte Link sich zu ihr um. „Was willst du denn?“ „Ich glaub, wir haben ein Problem. … Das heißt, streng genommen hast du ein Problem.“ Irritiert blinzelnd sah der junge Held zu seiner Fee hoch. „Was meinst du?“ „Hast du dich hier mal umgesehen?“ Navi machte eine ausladende Armbewegung, die den gesamten Raum einschließen sollte. „Der einzige Weg hier raus ist der, auf dem wir hier hereingekommen sind.“ „Ja, na und?“ Noch immer verstand Link nicht, worauf seine Begleiterin hinaus wollte, und starrte sie verwirrt an. Anstatt zu antworten, rollte Navi einfach nur mit den Augen und deutete stumm auf das klaffende Loch am anderen Ende des Raumes. Auch jetzt verstand Link noch immer nicht, was los war, und warf irritiert die Stirn in Falten. Als er plötzlich doch noch begriff, was seine Fee ihm die ganze Zeit hatte mitteilen wollen, stürzte er entsetzt auf die gegenüberliegende Seite und starrte mit großen Augen in das Loch im Fußboden hinab. Der einzige Weg aus dem Raum heraus führte als freier Fall mehrere Meter in die Tiefe. Mit bleichem Gesicht sah Link zu Navi hinauf, die ihm langsam gefolgt war. „Du kannst mir nicht zufällig deine Flügel leihen, oder?“ „Es muss hier doch irgendwo eine versteckte Tür oder so etwas geben! Schließlich können auch Zoras nicht fliegen…“ Link krabbelte auf allen Vieren an der Wand entlang und suchte die mit Algen bewachsenen Fugen zwischen den großen, zartblauen Wandfliesen nach einem schwer sichtbaren Spalt oder einem versteckten Schalter ab. Doch alles, was er fand, waren scharfe Kanten und Spitzen, an denen er sich schon mehrfach in die unverdeckten Fingerkuppen geschnitten hatte. „Ich glaube, das ist sinnlos. Du wirst wohl doch springen müssen, wenn du hier oben nicht verrotten willst.“ Navi, die in angrenzenden Räumen nach einem Seil oder irgendetwas anderem Nützlichem gesucht hatte, kam von ihrem Rundflug zurück und setzte sich mit einer fließenden Bewegung in der Nähe des Lochs auf den Boden. „Aber dann breche ich mir alle Knochen…“ Ohne aufzustehen kroch der junge Herr der Zeit auf das Loch im Boden zu und warf erneut einen abschätzenden Blick in die Tiefe. Egal wie oft er sich einzureden versuchte, dass der Sprung damals in Dodongos-Höhle auch nicht gefährlicher gewesen war als dieser hier, er konnte ein ängstliches Zittern seiner Hände nicht unterdrücken. Während die metallenen Fäden in seinen Beinkleidern an den Knien unangenehm drückten, lehnte Link sich noch ein klein wenig weiter vor und mühte sich damit ab, die Entfernung bis zum Boden zu schätzen. „Das sind mindestens sieben Meter“, kam Navi ihm zuvor, wobei in ihrer Stimme ein resignierter Ton mitschwang, den Link noch nie bei ihr gehört hatte. Irgendwie entmutigte ihn dies sogar noch mehr als er es eh schon war. Egal wie aussichtslos die vor ihnen liegenden Aufgaben bisher gewirkt hatten, unter ihrer Bissigkeit und all ihrem Spott hatte die junge Fee stets optimistisch geklungen, so als hätte sie vollstes Vertrauen in die Fähigkeiten ihres Begleiters. Wütend auf die Situation und die ihm von seinem Körper auferlegten Beschränkungen seiner Möglichkeiten, krallte Link seine Finger fest um die Bruchkante des Lochs, wobei sich ein paar winzige Bröckchen Gestein lösten und in die Tiefe fielen, wo sie kaum hörbar aufschlugen. Während die scharfkantigen Reste der beschädigten Bodenfliesen in seine Haut ritzten, begann sich eine Idee in Links Hinterkopf auszuformen. Grübelnd zog der Recke die Stirn kraus und versuchte den Gedanken, der sich ihm immer wieder entzog, zu fassen zu kriegen. Navi, die sein Mienenspiel interessiert beobachtete, legte den Kopf schief und fragte: „An was denkst du?“ Auf der Unterlippe kauend, warf Link ihr einen kurzen Blick zu, bevor er antwortete: „Ich glaube, mir ist etwas eingefallen. Ich weiß nur nicht, ob es auch so funktioniert, wie ich mir das vorstelle. Aber sieh mal…“ Irritiert beobachtete Navi wie Link in seinen Wunderbeutel griff und den Fanghaken herausholte, den er im Haus des alten Totengräbers von Kakariko gefunden hatte. Was im Namen der drei Göttinnen wollte er jetzt damit? Hier war weit und breit nichts, um den Haken zu befestigen. Als der Hylianer ihren Blick auffing, hoben sich seine Mundwinkel fast automatisch, bis er ein wenig schief grinste. „Ich sag ja, ich weiß nicht, ob es funktioniert. Aber ich hab doch im Grunde keine andere Wahl, außer es auszuprobieren.“ Navi nickte stumm und schluckte hart an einem Sorgenkloß in ihrem Hals, während sie die Aktivitäten ihres Schützlings beobachtete und rätselte, was er vorhaben mochte. Dieser rückte so nah an den Abgrund wie es ihm möglich war, ohne bei einer unbedachten Bewegung in die Tiefe zu stürzen und richtete die Spitze des Fanghakens auf die Bruchkante. Dann atmete er tief durch und schickte ein kleines Stoßgebet zu den Göttinnen, bevor er den Haken abfeuerte. Das laute Rasseln der dicken Eisenkette hallte ohrenbetäubend laut durch den beengten, leeren Raum und wurde nur von dem Knirschen der berstenden Bodenfliesen unterbrochen. Langsam hob Navi, der gar nicht bewusst gewesen war, dass sie erschrocken die Augen zusammengekniffen hatte, die Lider und blinzelte zu Link herüber, der ein triumphierendes Grinsen im Gesicht trug. „Was zum Henker sollte das? Meinst du, du kommst irgendwie weiter, wenn du das Loch noch vergrößerst?“ Der Schreck, der ihr in die Glieder gefahren war, als Link den Fanghaken in den Boden geschossen hatte, war Navis Stimme noch immer anzuhören und machte sie ein wenig piepsig. „Jetzt guck es dir doch erst einmal an, bevor du gleich wieder drauf los meckerst“, forderte Link. Navis verschreckt-mürrischer Gesichtsausdruck ließ sein Grinsen noch eine Spur breiter werden, auch wenn er sich Mühe gab, nicht den Eindruck zu erwecken, dass er sie auslachte. An die Strafe für solch ein Vergehen wollte er gar nicht denken. Vermutlich hätte Navi ihm dafür einen Ohrring ausgerissen oder etwas dergleichen… Neugierig wandte die Fee den Kopf, um zu sehen, was ihr Schützling mit dem Fanghaken bewirkt hatte – jedoch nicht, ohne vorher noch einen bösen Blick auf seine gefährlich zuckenden Mundwinkel zu werfen. Zu ihrem großen Erstaunen hatte der Haken sich tief in den Bruch gebohrt und schien fest verankert zu sein. Mit vor Überraschung großen Augen sah Navi zu Link hinauf, der sie weiterhin breit anstrahlte. Gerade, als sie etwas sagen wollte, setzte er an: „Mir ist vorhin, als ich die Kante umklammert habe, aufgefallen, dass der Boden unter den Fliesen ziemlich fest, aber nicht zu hart für den Fanghaken ist.“ Navis Augen blitzen vor Begeisterung. „Das ist genial!“ „Hm-mh.“ Link nickte und machte ein nachdenkliches Gesicht. „Ich hoffe nur, dass es wirklich funktioniert, dass der Haken fest genug steckt, um mein Gewicht auszuhalten. Aber“, er klatsche unternehmungslustig einmal kurz in die Hände und wandte sich wieder dem Loch zu, „Probieren geht über Studieren. Also, nicht lange gezögert. Runter da!“ Kleine weißbunte Sternchen tanzten durch die Dunkelheit vor Navis Augen, als sie aus Angst um ihren Schützling die Augen so fest zusammenkniff wie sie nur konnte. Das Rasseln der Fanghakenkette hallte unnatürlich laut von den gefliesten Wänden wider und brachte die Nackenhaare der Fee dazu, sich aufzustellen. Link klammerte sich mit wild schlagendem Herzen an den Griff des Hakens und heftete seinen Blick stur auf den langsam immer näher kommenden Boden unter sich. Obwohl der gefährliche Abstieg noch nicht überstanden war, kribbelte ein leises Gefühl des Triumphs sein Rückgrat entlang. Er war stolz auf sich, dass er diese clevere Idee gehabt hatte. Wer wusste schon, was passiert wäre, wäre ihm diese Möglichkeit nicht eingefallen. Vielleicht hätte er noch Tage da oben verbracht, bevor er von Durst und Hunger getrieben doch noch in den sicheren Tod gesprungen wäre. Vorsichtig zog der junge Held sich ein klein wenig an dem Haken nach oben, um zumindest für einen kurzen Moment ein bisschen Gewicht von den schmerzenden Schultergelenken zu nehmen. Gerne hätte er sich schneller hinabgelassen, aber er fürchtete, dass der Haken dafür nicht fest genug im Stein saß. Wieder schätzte er die Entfernung bis nach unten und stellte erleichtert fest, dass er ein gutes Stück vorangekommen war. Inzwischen waren es nur noch zirka drei Meter, bis er wieder festen Boden unter den Füßen hätte. Gerade, als er erleichtert aufatmen wollte, rieselte ein wenig Gestein herab und streifte leicht Links Wange. Erschrocken hielt der Hylianer die Luft an und blickte nach oben. Augenblicklich schoss ihm das Adrenalin ins Blut, wo es seinen Magen brennen und seine Muskeln jucken ließ. Mit Horror in den Augen sah Link, dass die Bruchkante rund um seinen Fanghaken langsam, aber unaufhörlich, abbröckelte, wodurch der Haken immer lockerer saß – schon jetzt wackelte er bedrohlich. Schnell warf Link wieder einen Blick hinab und in genau diesem Moment passierte es… Durch den Schrecken unvorsichtig geworden, wandte der Herr der Zeiten den Kopf zu schnell. Die Vibration der Bewegung jagte die Kettenglieder bis zum Haken hinauf und löste ihn aus seiner Verankerung. Navi riss erschrocken die Augen auf, als Links gellender Schrei durch den Raum hallte. Noch bevor die Fee, die sich vor lauter Nervosität ein wenig von dem Loch entfernt hatte, die Kante wieder erreicht hatte, verstummte ihr Schützling abrupt und ein dumpfes Geräusch verriet, dass er auf dem Boden aufgeschlagen sein musste. Ein panischer Schluchzer drückte sich Navis Kehle hinauf, als von unten ein schlecht gelauntes „Au!“ an ihre Ohren drang. Die Fee blinzelte ungläubig. Hatte sie das gerade bloß eingebildet oder hatte Link diesen Sturz tatsächlich überstanden? Mit weichen Knien näherte sie sich langsam der Kante und warf einen ängstlichen Blick hinab, trotz des vermeintlichen Lebenszeichens damit rechnend Links zerschmetterten Körper auf dem Boden liegen zu sehen. Was sie jedoch tatsächlich erblickte, ließ sie überrascht die Augen aufreißen. Link hockte auf dem Boden und rieb sich den Hinterkopf, während er den Fanghaken, der neben seinen Füßen lag, mit säuerlicher Miene anzustarren schien. Navi atmete erleichtert auf und hatte das Gefühl, ein Stein von den Ausmaßen des Hylia-Massivs würde ihr vom Herzen fallen. Geschwind stürzte sie sich in das Loch hinab und landete leichtfüßig vor Link. Ohne darüber nachzudenken, sprang sie auf seinen Stiefel und umarmte stürmisch seinen Unterschenkel. „Den Göttinnen sei Dank! Du lebst! Ich hatte solche Angst um dich…“ Durch diese Zuneigungsbekundung ein wenig verlegen gemacht, errötete Link leicht. Vorsichtig strich er mit einem Zeigefinger über den Rücken seiner Fee, wobei er irritiert feststellte, dass ihre Flügel sich weich und samtig anfühlten. Bisher hatte er immer gedacht, sie wären von einer ähnlichen Beschaffenheit wie bei einer Libelle. „Du solltest doch eigentlich langsam wissen, dass ich nicht so leicht unterzukriegen bin.“ Der junge Held lächelte schief, während die Reste des Adrenalins durch seine Adern rauschten und seine Hände zittern ließen. „Wobei ich zugeben muss, dass ich dieses Mal auch dachte, es würde mich erwischen. Aber ich war zum Glück schon so weit unten, als der Haken seinen Halt verlor, dass ich den Sturz abfangen konnte.“ Navi sah aus großen, strahlenden Augen zu ihm herauf. „Also ist alles noch dran? Keine Verletzungen?“ Link schüttelte den Kopf und verzog dabei ein wenig das Gesicht, was seine Begleiterin skeptisch die Stirn runzeln ließ. „Alles okay. Mir ist nur dieses Mistding“, er deutete auf den Haken am Ende der langen Eisenkette, „auf den Kopf gefallen.“ Erleichtert grinsend schwebte Navi hinauf zu Links rechter Schulter und nahm ihren Lieblingsplatz dort ein. „Naja, Schläge auf den Hinterkopf sollen ja nicht das Schlechteste sein.“ Der Hylianer verengte unamüsiert die Augen und stieß ein trockenes „Ha… ha…“ aus, bevor er seinen Fanghaken einsammelte und sich aufrichtete. „Gut, erkunden wir endlich den Rest dieses verfluchten Tempels.“ Das Wasser, das bei ihrer Ankunft die riesige Eingangshalle fast vollständig ausgefüllt hatte, hatte sich nahezu gänzlich zurückgezogen. Von den imposanten Wassermassen war lediglich eine flache, etwa drei mal fünf Meter große Pfütze übrig geblieben. Während Link langsam über den nassen, knirschenden Sand schritt, der den Boden der Halle bedeckte, fragte er sich, ob das Wasser wohl zurück in den Hylia-See geflossen war oder wohin es verschwunden sein mochte. Genau wie in den zwei Stockwerken weiter oben zweigte auch hier unten ein Gang in jede Himmelsrichtung ab und führte tiefer in den Tempel hinein. Doch zu Links großer Frustration endete jeder von ihnen in einer Sackgasse. Entnervt trat er gegen einen fast perfekt runden, graubraunen Stein, der in der Nähe der Pfütze lag, und jaulte plötzlich vor Schmerz auf. Navi, die eine kunstvoll bemalte Metalltür in der Mittelsäule der Halle betrachtet hatte, riss erschrocken den Kopf herum. Link hüpfte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einem Bein und hielt den linken Fuß in den Händen. Die Fee verzog die Lippen zu einem abschätzigen, schiefen Grinsen und wollte gerade dazu ansetzen, ihren Begleiter zu necken und zu fragen, wie man so doof seien und gegen massiven Fels treten könne, als sich der Stein plötzlich bewegte. Fasziniert beobachtete Navi wie sich die kleine Kugel auf Link, der noch immer leidend aus der Wäsche guckend gegen die Mittelsäule lehnte, zubewegte und dabei immer wieder lange, spitz aussehende Stacheln ausfuhr. „Ein Hylia-Seeigel“, murmelte Navi geistesabwesend. Bisher hatte sie immer geglaubt, es handele sich bei den steinernen Wassertieren um Fabelwesen. „Bleib mir bloß fern, du Mistvieh!“ Link zog mit einer schnellen Bewegung das Master-Schwert aus seiner Scheide und ließ es auf den Seeigel niederschnellen. Doch anstatt tödlich getroffen zu sein, stieß der Angreifer nur einen bedrohlich klingendes Fauchen aus, während Link seine von dem harten Aufprall stark vibrierende Klinge beinah fallenließ. „Heiliger Deku…“ Der junge Held betrachtete halb fasziniert, halb erschrocken das steinharte Seetier, das seine nadelspitzen Waffen endlich in ihrer vollen, imposanten Länge zeigte. So hatte es in etwa den Durchmesser eines großen Wagenrads. Erneut fauchte der Igel und rollte ein weiteres Stück auf Link zu, wobei es mit seinen Stacheln den lockeren Boden durchfurchte und ein wenig Sand hoch in die Luft warf. Link wich humpelnd zurück und hielt sein Schwert abwehrend vor sich, während er fieberhaft überlegte, wie er diesen Angreifer loswerden wollte. Für die heilige Klinge in seinen Händen war dieses steinerne Wesen offensichtlich viel zu hart. Navi landete auf seiner Schulter und tätschelte ihm Mut machend den Hals. Link lächelte ein wenig und raunte ihr zu: „Hast du eine Idee?“ Triumphierend grinsend nickte die junge Fee und strich sich eine vorwitzige Strähne ihres langen, goldenen Haares aus dem Gesicht. „Die habe ich tatsächlich.“ Link machte einen weiteren Schritt zurück und atmete zischend ein, als er mit dem verletzten Fuß auftrat. Nur mit Mühe konnte er einen gequälten Unterton aus seiner Stimme verbannen: „Dann schieß mal los.“ Navi kicherte ein wenig und zeigte dabei ihre wie geschliffenes Glas funkelnden Zähne: „Losschießen trifft es eigentlich ganz gut. Probier’s doch einfach mal mit dem Fanghaken. Wenn er genug Durchschlagkraft hat, um sich in die Wände und Decken hier zu bohren, dann vielleicht auch, um diesen Seeigeln beizukommen.“ Ohne zu zögern griff der Hylianer in seinen verzauberten Lederbeutel und zog den Fanghaken heraus, achtete jedoch darauf, dabei sein Schwert nicht sinken zu lassen. Zwar mochte er seinem Angreifer damit nicht schaden können, doch er hatte das Gefühl, dass er ihn damit trotzdem ein wenig auf Abstand halten konnte. Kleine Schweißtropfen rollten Links Schläfen hinab, als er den Haken nur mit seiner schwächeren rechten Hand hielt und konzentriert zielte. Der Rückstoß des Geschosses warf den jungen Helden fast von den Füßen, während es sich laut rasselnd durch die Luft bewegte und schließlich auf den Seeigel traf. Der kreischende Laut, den das steinerne Tier von sich gab, als der Haken es genau in der Mitte durchschlug, brachte Links Nackenhaare dazu sich aufzurichten. Ein wenig mitleidig beobachteten der Hylianer und seine Fee wie sich der Seeigel hin und her warf, wobei er wie ein Wimmern klingelnde Geräusche machte, schließlich ergraute und mit einem leisen Knirschen auseinanderbrach. Seufzend ließ Link die Kette des Fanghakens sich wieder aufrollen. „Ich glaube, daran werde ich mich nie gewöhnen.“ Navi, die mit einem beinah wissenschaftlichen Interesse die Überreste des Igels begutachtete, sah nicht einmal zu ihm auf, als sie fragte: „Was meinst du?“ „Das ewige Töten. Das Leid, das ich verursache. An den Händen eines Helden klebt nicht weniger Blut als an den Händen derjenigen, die er bekämpft.“ Navi blickte zerknirscht auf ihre Hände – irgendwo hatte ihr Begleiter ja Recht – doch Link atmete geräuschvoll aus und wandte sich wieder seinem schmerzenden Fuß zu, bevor sie auch nur die Chance gehabt hatte, zu antworten. „Sind diese Seeigelviecher eigentlich giftig?“, fragte Link mit irgendwie knarzender Stimme. „Ich glaube nicht. Warum?“ „Ich hab ein Stück Stachel im Fuß stecken…“ Navi wandte sich um und betrachtete ihren Begleiter, der auf dem feuchten Sand saß und lustig aussehende Verrenkungen machte, um seine Fußsohle in Augenschein nehmen zu können. Den ausgezogenen Stiefel hatte er achtlos neben sich fallenlassen, sodass er umgekippt war und nun auf der Seite im Dreck lag. „Lass mal sehen.“ Navi umrundete Links angewinkeltes Bein und stellte sich auf seinen Oberschenkel, um die Verletzung in Augenschein zu nehmen. Was sie zu sehen bekam, ließ sie die Nase kraus ziehen und ein mitleidiges Gesicht machen. Tief in Links Fußballen, fast genau in der Mitte zwischen dem großen und dem nächstkleineren Zeh steckte ein schmales, abgebrochenes Stück Seeigelstachel. Rund um die Wunde, aus der ein dünnes Rinnsal Blut sickerte, war das Fleisch leicht geschwollen, heiß und rot verfärbt. Link drückte ein wenig auf seinem Fußballen herum und zog eine leidend aussehende Grimasse, während sich ein erneuter Schwall Blut um den Stachelrest herumdrückte. „Und du bist dir sicher, dass sie nicht giftig sind?“ „Ziemlich sicher“, nickte Navi, obwohl sie es nicht mit Bestimmtheit sagen konnte. Sie wollte Link einfach nicht beunruhigen. Dennoch musste sie zugeben, dass die Verletzung übel aussah und sich vermutlich entzünden würde. „Vielleicht sollten wir erst einmal versuchen, das Ding aus deinem Fuß zu ziehen, bevor du es dir noch ganz reintrittst.“ Navi strich vorsichtig über die Bruchstelle des Stachels, der nur noch wenige Zentimeter aus der Wunde hervorstand. „Das habe ich schon versucht, aber meine Finger sind zu dick…“ Link machte ein missmutiges Gesicht und schaute unglücklich zu seiner Fee hinunter. Navi betrachtete nachdenklich ihre winzigen, schmalen Hände, die nicht einmal ganz um die Stachelspitze herum fassen konnten. „Vielleicht kann ich dir ja helfen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, packte Navi das Stachelbruchstück und zog so fest sie konnte. Zunächst tat sich gar nichts, außer dass Link vor Schmerz unterdrückt aufstöhnte und die Finger in den feuchten Sand krallte. Doch gerade, als die Fee schon aufgeben wollte, lockerte sich der Stachel und glitt mit einem schmatzenden Geräusch aus der Wunde. Obwohl ein weiterer Schwall Blut aus dem zirka zwei Zentimeter breiten Loch quoll, atmete Link erleichtert auf. Navi, die ein paar Blutstropfen abbekommen hatte, macht ein unglückliches Gesicht. „Bah, das ist echt widerlich!“ Die Fee bewegte sich ruckartig und versuchte das Blut wieder abzuschütteln – wie ein Hund, der nach einem Bad versucht, sein Fell wieder zu trocknen. Unterdessen langte Link in seinen Beutel und holte seine lange, grüne Zipfelmütze hervor, mit der er seinen Fuß notdürftig verband. „Meinst du, du kannst damit laufen?“, fragte Navi, während sie ihren Schützling dabei beobachtete, wie er Socken und Stiefel wieder anzog. Link zuckte beinah gelangweilt mit den Schultern. „Es wird schon gehen. Außerdem ist es ja nicht so als hätte ich wirklich eine Wahl, nicht wahr?“ Unwillig musste Navi nicken. Es gefiel ihr nicht, wenn Link so resigniert und deprimiert klang, und sie hätte gerne etwas gesagt, um ihn wieder aufzuheitern, doch ihr wollte einfach nichts einfallen. Link atmete einmal tief durch und hievte sich langsam auf die Füße. Mit schmerzverzerrtem Gesicht machte er ein paar humpelnde Schritte, bevor er den Rücken durchdrückte und eine entschlossene Miene aufsetzte. Navi beobachtete ihn mit sorgenvoll gerunzelter Stirn, während sich das beißende Brennen eines schlechten Gewissens in ihr breit machte. Irgendwie fühlte sie sich plötzlich ein wenig schuldig Link gegenüber, weil sie diejenige gewesen war, die ihn zum Deku-Baum gebracht und so in die ganze Sache hineingezogen hatte. Das rationale Argument, dass sie nichts dafür konnte, dass ihr junger Begleiter die Wiedergeburt des Herrn der Zeiten war, drang nicht wirklich bis zu ihrem Bewusstsein durch. Um sich von ihren trüben Gedanken abzulenken, fragte sie: „Warum hast du den Seeigel eigentlich getreten?“ Link warf ihr einen kurzen Blick zu und grinste ein wenig schief, was ihm das Aussehen eines ertappten Lausbuben verlieh. „Ich war frustriert, weil ich nicht weiß, wo es weiter gehen soll. So langsam nervt mich dieser Tempel… Ich glaube, ich werde hier noch irre.“ Navi nickte verständnisvoll und deutete dann auf die Mittelsäule. „Bevor du noch den Verstand verlierst: Ich glaube, ich habe vorhin eine Tür entdeckt, die unverschlossen ist.“ Ungläubig riss Link die Augen auf. „Und das sagst du mir erst jetzt?!“ Mit einem amüsierten Grinsen hob die Fee ihre Schultern. „Du musstest ja unbedingt mit einem Hylia-Seeigel auf Tuchfühlung gehen.“ Link warf ihr einen bösen Blick zu, den sie jedoch geflissentlich ignorierte. Als hätte sie die Reaktion ihres Schützlings nicht gesehen, flötete sie zuckersüß: „Aber jetzt sollten wir uns wieder auf den Weg machen. Oder siehst du hier noch mehr Monster, mit denen du anbändeln möchtest?“ Sehr zum Erstaunen der beiden Abenteurer war die Mittelsäule, welche die gesamte Konstruktion des Tempels zu tragen schien, vollständig hohl. Link stand in der Mitte des viereckigen Inneren, legte den Kopf in den Nacken und pfiff leise durch die Schneidezähne. „Wie unglaublich hoch dieser Raum ist… Ich kann die Decke nicht einmal erahnen.“ Navi balancierte über die Kante eines in etwa fünf Metern Höhe aufragenden Vorsprungs und blickte zu ihrem Begleiter hinab. Von hier oben sah der etwa einen Meter fünfundachtzig große Hylianer so klein wie ein Kind aus und sogar die etwa mannshohen Stacheln, die abgesehen von einem schmalen Steg den gesamten Boden bedeckten, wirkten aus der Entfernung weniger bedrohlich. „Sehr beeindruckend, in der Tat.“ Mit einem leisen Seufzer stoppte sie sich selbst und hörte auf, unruhig hin und her zu wandern. „Aber leider geht’s hier auch nicht weiter.“ Das Grinsen, das sich daraufhin in Links Gesicht breit machte, hörte sie mehr als das sie es sah, obwohl das Weiß seiner Zähne bis zu ihr hinauf blitzte. „Da bin ich mir gar nicht so sicher. Kannst du mir mal bitte einen Gefallen tun und die graue Platte unter dem Vorsprung rechts neben dir untersuchen?“ Irritiert wandte Navi sich um und betrachtete mit nachdenklicher Miene die schmale steinerne Terrasse, die ein wenig zur Seite versetzt etwa anderthalb Meter über dem Standort der Fee in den Raum ragte. Auf der Unterseite war eine dicke, fast perfekt quadratische Scheibe massiv erscheinenden Holzes befestigt worden, auf die eine aus verschieden großen, roten Kreisen bestehende Zielscheibe gemalt worden war. Aufgeregt klatschte Navi in die Hände. „Ich glaube, du kannst deinen Fanghaken hier oben befestigen!“ Link nickte mit einem triumphierenden Grinsen und griff in seinen Lederbeutel. „Ganz wie ich’s mir dachte.“ Schnell zog er den gewünschten Gegenstand heraus und suchte sich einen festen Stand, um den Rückstoß abfangen zu können. Mit einem lauten Surren und Rasseln sauste der Haken durch die Luft und bohrte sich direkt in die Mitte der Zielscheibe. Navi lachte ein wenig in sich hinein und neckte Link, der sich von seinem Fanghaken nach oben ziehen ließ: „Der Kandidat gewinnt hundert Punkte. Herzlichen Glückwunsch!“ Ein wenig irritiert schwang Link sich zu ihr auf den etwas niedrigeren Vorsprung hinüber und blickte sie fragend an, doch seine Fee zuckte nur mit den Schultern und grinste. Der junge Herr der Zeiten blinzelte kurz und schüttelte dann den Kopf, bevor er sich erneut umsah. Er hatte sich inzwischen daran gewöhnt, dass seine Begleiterin manchmal Kommentare von sich gab, die er nicht verstand. Tatsächlich war er sich gar nicht so sicher, ob er immer wissen wollte, was sie wirklich meinte… Als er nichts entdecken konnte, das sein Interesse weckte, sprang Link mit einem entschlossenen Satz zu dem höher gelegenen Steinbalkon herüber. Navi biss sich besorgt auf die Unterlippe und beobachtete aus großen Augen wie ihr Schützling die Kante zu fassen bekam und sich langsam hochzog. Einmal mehr wünschte sie sich, sie wäre stark genug, um ihn tragen zu können. Das hätte einige seiner Aufgaben um so viel einfacher gemacht… Doch anstatt sich weiter in missmutigen Gedanken zu verlieren, schickte sie sich lieber an, Link zu folgen, der beständig weiter nach oben kletterte. Sie hatte ihn fast erreicht, als seine melodisch klingende Stimme an ihre Ohren drang: „Hey, Navi, sieh mal. Hier ist eine weitere von diesen Metallplatten.“ Die Fee umrundete einen letzten Vorsprung und schloss endlich zu ihrem Begleiter auf, der nicht lange fackelte und schon seine Okarina hervorholte. Während die sanften Töne vom königlichen Wiegenlied durch den hohen Raum wirbelten, betrachtete Navi eine kleine, fast vollständig verblasste Narbe auf Links Wange. Ob sie von einem seiner unzähligen Kämpfe stammte? Oder war sie schon früher entstanden, vielleicht bei einer Rauferei mit Mido oder einem anderen Kokiri? Kaum hatte Link sein Flötenspiel beendet, schien plötzlich die Erde zu beben. Der Boden unter den Füßen des jungen Helden schwankte bedrohlich und machte es ihm schwer, das Gleichgewicht zu halten. Mit den Armen rudernd machte Link ein paar Schritte zurück, um wieder festen Stand zu finden. Navi riss panisch die Augen auf und brüllte: „Link, pass auf!“ Doch es war zu spät… Mit einem beinah überraschten Ausdruck in den Augen trat der Hylianer über die Kante des schmalen Vorsprungs und stürzte in die Tiefe – zu perplex, um zu schreien. Dafür kreischte Navi umso lauter auf: „NEIN!“ Bei dem Gedanken an die scharfen, senkrecht stehenden Pfähle auf dem Boden zogen sich ihr Herz und Magen krampfhaft zusammen und vor ihrem geistigen Auge sah sie Link bereits durchbohrt und aufgespießt. Mit sonderbarer Klarheit dachte dieser daran, dass er die kostbare Okarina der Zeit noch immer in den Händen hielt. Er konnte nur hoffen, dass dieses bedeutende Musikinstrument den Sturz heil überstand und nicht zusammen mit seinem Körper auf dem harten Boden zerschellen würde. Während seine locker sitzende Tunika durch den Luftwiderstand laut knatterte, dachte Link daran, dass er Navi, den Deku-Baum und alle anderen, die so viel Hoffnung in ihn gesetzt hatten, bitter enttäuscht hatte, denn dieses Mal war endgültig alles vorbei. Wenn er doch nur ein bisschen mehr Zeit hätte, um den Fanghaken aus dem Beutel zu holen… aber der Boden konnte nicht mehr weit entfernt sein. Tatsächlich ließ der Aufprall nicht mehr lange auf sich warten. Link wurde augenblicklich schwarz vor Augen und ihm wurde die Luft aus den Lungen gepresst. Doch dann gab der Untergrund plötzlich nach und der Hylianer wurde von kühler Nässe umfangen, während er weiter hinabsank. Überrascht riss er die Augen auf und blickte in eine seltsam verzerrte Welt, in der klare Bläschen über ihm gen Decke strebten. Wasser! Anstatt in den sicheren Tod zu stürzen, war er von den langsam zurückkehrenden Wassermassen gerettet worden. So schnell er konnte, wandte er sich um und schwamm in Richtung Oberfläche. Navi stand am Rand des Steinbalkons auf dem Link die Metallplatte entdeckt hatte und starrte mit in buntglitzernden Tränen schwimmenden Augen auf die immer näher kommende Gestalt. Als Link die Wasseroberfläche endlich durchbrach, stahl sich ein leiser Schluchzer zwischen ihren fest aufeinander gepressten Lippen hindurch. Der Hylianer hievte sich mit noch immer leicht zitternden Gliedern aus dem Wasser und setzte sich neben seine Fee, wo er tief durchatmete, um seinen rasenden Puls wieder zu beruhigen. „Hui… dieses Mal dachte ich ehrlich, es wäre vorbei.“ Obwohl er mehr zu sich selbst gesprochen hatte, nickte Navi eifrig. „Ja, ich auch. Mach so etwas nie wieder!“ Sie funkelte ihn aus wütend zusammengekniffenen Augen an, aber Link kannte sie inzwischen gut genug, um ihre Erleichterung und Freude an dem sanften Funkeln in ihren Iriden ablesen zu können. Lächelnd stupste er die winzige Fee mit dem Zeigefinger an und verzichtete darauf, sie daran zu erinnern, dass er nicht freiwillig gesprungen war. Gerade, als sich sein Körper langsam wieder entspannte und der Adrenalingehalt seines Blutes allmählich wieder abflaute, fiel Link jedoch etwas auf. Etwas wirklich Wichtiges. Mit bleichem Gesucht sah er zu Navi herüber, die auf Grund seiner erschrocken wirkenden Miene mit großen, geweiteten Augen zurückstarrte. „Was hast du?“ Link schluckte hart, bevor er antwortete: „Ich hab die Okarina verloren.“ Entsetzt starrte Navi Link an, in dessen schreckgeweiteten, dunkelblauen Augen sich ihr eigenes geschocktes Gesicht mit dem ungläubig offen stehenden Mund spiegelte. „Du hast was?!“ Wie ein beschämter, schüchterner Schuljunge senkte Link den Kopf, wobei sich einige Wassertropfen aus seinen Ponysträhnen lösten und an der Außenkontur seines Gesichts entlangliefen. „I-Ich muss sie fallengelassen haben, als ich auf der Wasseroberfläche aufgeschlagen bin“, stammelte er verlegen und warf einen Blick auf die Wassermassen, die nun die hohle Tempelhauptsäule füllten und das Licht von vielen unter der Decke befestigten Fackeln reflektierten. Für einen kurzen Augenblick fragte sich der junge Hylianer, wer wohl dafür sorgte, dass diese einzige Lichtquelle innerhalb der Säule nie erlosch, doch dann schob er seine Überlegungen bestimmt zur Seite. Er hatte momentan dringlichere Sorgen und vermutlich hatte die Antwort auf diese Frage sowieso etwas mit Zauberei zu tun – und damit wollte er sich so wenig wie möglich auseinandersetzen. Alles Magische überstieg sein Fassungsvermögen und jagte ihm dadurch Angst ein, auch wenn es ihn gleichzeitig mit düsterer Faszination erfüllte. Seufzend wandte er sich wieder zu Navi um, der ihr Schrecken noch immer ins Gesicht geschrieben stand: „Ich werde mich dann besser mal auf die Suche machen.“ Für einen Moment beobachtete die Fee irritiert, wie Link seine Eisenstiefel hervorholte und sie gegen ihr leichteres Lederpendant austauschte, bevor ihr durch den Schock gelähmter Verstand begriff, was Link vorhatte. Doch dann nickte sie ihm aufmunternd zu: „Du hast recht. Vermutlich wird die Okarina einfach auf den Grund gesunken sein.“ Mit einer kraftvollen Bewegung zog Link den langen Schaft des zweiten Stiefels hoch. „Ja, das denke ich auch. Wenn wir Glück haben, finde ich sie schnell wieder. Also, bis gleich.“ Bevor Navi antworten konnte, sprang ihr Schützling auch schon über die Kante und ließ sich durch das Gewicht seines eisenbeschlagenen Schuhwerks immer weiter in die Tiefe ziehen. Um ihn herum perlten kleine Luftbläschen nach oben, was ein wenig unangenehm auf seiner Haut prickelte. Nach nur kurzer Zeit fanden seine Füße jedoch bereits wieder festen Halt, als er am Grund ankam und sich suchend umblickte. Das Wasser um ihn herum wirkte wie ein Prisma oder zu dicke Brillengläser und verzerrte die Welt für Link auf geradezu bizarre Art und Weise. Bei jeder kleinen Bewegung, die das kühle Nass ringsum aufwirbelte, schienen sich die Fugen zwischen den hellen Fliesen an Wand und Boden zu biegen und krümmen. Davon amüsiert wippte Link immer wieder mit dem Oberkörper vor und zurück, bis ihm ein wenig schwindelig wurde und er sich selbst zur Ordnung rief. Der Boden der hohlen Säule war abgesehen von einem Streifen gefährlich aussehender Stahlspitzen entlang der Seitenwände eben und leicht zu überblicken, doch die verzerrte Optik machte es schwer, etwas zu erkennen, das weiter als ein paar Meter entfernt war. Zudem war die einzige Lichtquelle unter der Decke weit weg und der Fackelschein wurde durch die Wassermassen immer wieder gebrochen, was das Sehen zusätzlich erschwerte. Links konzentriert aufgerissenen Augen brannten bereits, als ein leichtes Funkeln seine Aufmerksamkeit erregte. Direkt vor der Tür, durch die er das Innere der Säule betreten hatte, war eine der massiven Bodenplatten von der Gewalt des hereinströmenden Wassers hochgedrückt worden und gab nun den Blick frei auf eine kleine Ausbuchtung, die unter ihr versteckt gewesen war. Als Link näher trat, erkannte er, dass das Schimmern, das er gesehen hatte, nicht wie erhofft von der Okarina der Zeit, sondern von einem kleinen, silbernen Schlüssel stammte. Trotz seiner Enttäuschung hob Link seinen Fund auf und steckte ihn ein. Vielleicht würde er sich ja noch als nützlich erweisen. Weshalb sonst hätte ihn jemand so gut verstecken sollen, wenn dieser Schlüssel nicht irgendeine wichtige Funktion hatte? Die Suche nach der wertvollen Okarina dauerte noch weitere zehn Minuten, bevor Link sie endlich entdeckte, eingekeilt zwischen vier der gefährlich scharf aussehenden Stahlstacheln, die an zu sehr in die Höhe gezogene Pyramiden erinnerten. Missmutig betrachtete der junge Held ihre wie frisch geschliffen wirkenden Kanten und fluchte stumm. Es überraschte Link wenig, dass dieses verdammte Teil von einem Musikinstrument an einem Platz hatte landen müssen, wo er sich beim Wiederauflesen problemlos einen Arm würde absäbeln können – es brauchte dazu vermutlich nicht viel mehr als eine falsche Bewegung… Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn es einmal einfach gewesen wäre! Mit einem wehmütigen Ausdruck in den Augen sah Link hoch zu der weit entfernten Oberfläche und wünschte sich, Navi hätte in diesem Moment an seiner Seite sein können. Ihre schlanke Gestalt hätte problemlos zwischen die Stacheln gepasst und sie hätte die Okarina ohne Gefahr bergen können. Innerlich noch immer vor sich hin schimpfend und sein Schicksal verfluchend, näherte Link sich vorsichtig den bedrohlichen Stahlkonstruktionen soweit er konnte, dann hockte er sich hin und streckte die Hand nach der Okarina aus. Obwohl er sich große Mühe gab, konnte er ein leichtes, nervöses Zittern seines Arms nicht unterdrücken und er war sich sicher, dass seine Stirn, sowie sein Rücken schweißüberströmt gewesen wären, hätte er sich nicht im Wasser befunden. Obwohl er durch seine Körpergröße recht lange Arme hatte, schaffte Link es kaum das kostbare Musikinstrument zu berühren; er kratzte lediglich mit den Fingern über die glatte, harte Glasur. Hart schluckend und mit zwischen die Zähne gezogener Unterlippe lehnte er sich noch ein wenig näher an die gefährlichen Stacheln, wobei er instinktiv den Kopf zur Seite drehte. Schlimm genug, dass er sich vielleicht ernsthaft am Arm verletzen würde – sein Gesicht wollte er sich nicht auch noch zerschneiden. Zu Links Überraschung hatte sich die Okarina nicht so fest verkeilt wie er gedacht hatte. Das war gut… aber zugleich auch schlecht. Gut war es, weil Link weniger Kraft würde aufwenden müssen, um sie zu bergen, was das Verletzungsrisiko verringerte. Schlecht war es, weil die Okarina unter den zaghaften Berührungen seiner Finger umherrollte und ihm immer wieder entglitt. Link schmeckte eine ekelerregende Mischung aus Brackwasser und Blut auf der Zunge, weil er sich so verkrampft auf die Unterlippe gebissen hatte, dass sich seine Schneidezähne tief in die zarte, dünne Haut gegraben hatten. Doch er nahm weder den Geschmack, noch den Schmerz wirklich wahr. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, die Okarina endlich wieder an sich zu bringen. Mit geschlossenen Augen tastete er nach ihrem glatten, irgendwie eiförmigen Körper und konzentrierte sich dabei ausschließlich auf seine Fingerspitzen, damit er die wertvolle Flöte nicht versehentlich zu stark anstieß und so womöglich außer Reichweite schubste. Langsam, unendlich langsam gelang es ihm das störrische Musikinstrument in die richtige Richtung zu rollen. Unterdessen lief Navi unruhig auf der Steinterrasse auf und ab, wo Link sie zurückgelassen hatte. Immer wieder warf sie einen Blick hinab in die Tiefe, immer in der Hoffnung ihren Schützling zu entdecken, aber die Säule war zu hoch und das Wasser nicht klar genug, um bis auf den Grund blicken zu können. „Was treibt dieser Nichtsnutz denn so lange?!“, fuhr sie ihr eigenes Spiegelbild an und stemmte die Hände angriffslustig in die Hüften, so wie sie es immer tat, wenn sie Link eine Standpauke hielt. Doch trotz der Wut, die deutlich in ihrer Stimme zu hören war, war sie nicht wirklich sauer. Sie kam sich lediglich unnütz vor, was sie noch immer verärgerte und verstimmte, obwohl sie dieses Gefühl nicht zum ersten Mal seit Beginn ihrer Reise überkam. Zum vermutlich tausendsten Mal fragte sie sich, warum der weise Deku-Baum ausgerechnet sie für diese überaus wichtige Aufgabe ausgewählt hatte. Sie war Link nun wirklich keine große Hilfe und er hätte dieses Abenteuer vermutlich ebenso gut auch alleine bestreiten können. Warum nur war sie nach dem Tod des Deku-Baums nicht einfach im Kokiri-Dorf oder den Verlorenen Wäldern geblieben? Sie hätte es jetzt warm und gemütlich haben können, aber nein, sie hatte Link ja unbedingt begleiten müssen… Und was hatte sie jetzt davon? Sie saß in diesem verfluchten Tempel fest, fror bitterlich und wartete schon seit Ewigkeiten auf Link, während ihr die Wassermassen um sie herum Angst einflößten. Warum brauchte Link bloß so lange? Was im Namen der drei Göttinnen machte er da unten?! Wieder warf Navi einen Blick in die Tiefe, aber alles, was sie sah, war die Reflektion der Fackeln über ihr, ihr eigenes Spiegelbild und das nach unten immer dunkler werdende Blau des Wassers. Was, wenn Link genau in diesem Moment dort unten mit einem gefährlichen Wassermonster kämpfte? Woher sollte sie wissen, dass er in Sicherheit und nicht plötzlich von irgendeinem Wesen angegriffen worden war, wenn sie überhaupt nichts von ihm sehen konnte? Vielleicht war er inzwischen sogar schon tot und seine Leiche trieb irgendwo dort in der Tiefe umher… Gerade, als sich all die Sorge um Link, die Navi während seiner andauernden Abwesenheit unterdrückt hatte, zu einer ausgewachsenen Panik steigern wollte, durchbrach plötzlich ein brauner Haarschopf die Wasseroberfläche. Vor Erleichterung wurden Navis Knie weich und ihr traten Tränen in die Augen, doch anstatt ihm dies zu zeigen, fragte sie schroff: „Hast du sie?“ Link schwamm gemächlich zu ihr herüber, stemmte seinen sportlichen Körper aus dem Wasser und zog sich in aller Seelenruhe wieder seine Lederstiefel an, die er auf der Steinterrasse zurückgelassen hatte. Die ganze Zeit über sagte er keinen Ton und sein Gesicht blieb eine unbewegte, undurchdringliche Maske. Navi hatte allmählich das Gefühl, verrückt zu werden! Bedeutete sein Verhalten, dass er die Okarina nicht gefunden hatte und nun aufgab? Dann endlich verzog Link seine Lippen zu einem breiten Grinsen und strahlte seine Fee an: „Natürlich hab ich sie gefunden. Was denkst du denn?“ Navi fiel ein dermaßen riesiger Stein vom Herzen, dass sie sich sicher war, dass auch Link das Poltern hören konnte. Doch schon im nächsten Moment wich das Gefühl der Erleichterung schäumender Wut auf Link. Wie hatte er sie so verängstigen können?! Am liebsten hätte sie ihn für sein kleines Schauspiel geohrfeigt. Bevor sie jedoch ihrem Ärger Luft machen konnte, hielt Link ihr einen Gegenstand unter die Nase. „Das hier hab ich außerdem auch noch gefunden.“ Für einen Augenblick schwankte Navi zwischen dem Bedürfnis, ihren Schützling anzuschreien und der Neugierde bezüglich Links Fund. Schließlich siegte Letztere und die Fee betrachtete aufmerksam den Gegenstand auf Links Handfläche. Es war ein kleiner, silbern glänzender Schlüssel, dessen Kopf mit filigranen, verschlungenen Ornamenten verziert war. Navi überlegte, aus welchem Material er wohl gemacht war, dass er noch immer wie poliert wirkte, obwohl er vermutlich eine ganze Zeit im Wasser gelegen hatte, doch Link platzte in ihre Gedanken: „Ich frage mich, zu welcher Tür er wohl gehören mag.“ Nickend strich die Fee über die zierlichen Metallschlaufen des Schlüsselkopfs, als ihr plötzlich etwas einfiel: „Als wir den Tempel betreten haben, hab ich eine Tür mit einem ziemlich auffälligen Schloss gesehen und ich glaube, dessen Verzierungen passen genau zu diesen Ornamenten hier.“ Mit einem aufgeregten Funkeln in den Augen sah Link sie an: „Wirklich?“ Doch dann huschte ein dunkler Schatten über sein Gesicht. „Ich nehme an, das war im obersten Stockwerk, nicht wahr?“ Verwirrt blinzelte Navi ihn an. „Ja. Na und?“ „Wie sollen wir denn da hochkommen?“ Mit einem übertriebenen Seufzer rollte die Fee die Augen: „Also ehrlich, manchmal bist du wirklich ziemlich langsam. Vermutlich gibt es hier irgendwo noch eine Platte, die den Wasserstand kontrolliert. Schließlich muss das Wasser vor unserer Ankunft ja auch irgendwie in den Tempel gekommen sein.“ Blut schoss Link in die Wangen und ließ sie heiß brennen. Er war zutiefst beschämt darüber, dass er nicht selbst an diese Möglichkeit gedacht hatte. Um davon abzulenken, sprang er voller Tatendrang auf die Füße und deutete auf den Ausgang: „Dann sollten wir keine Zeit verlieren und die nächste Platte finden!“ „Wozu das wohl gut ist?“ Link kniete vor einem großen Loch mit fast einem Meter Durchmesser, durch das unablässig Wasser in den Raum gespült wurde, den sie nach einigem Suchen auf der Westseite des Tempels entdeckt hatten. Das laute Gurgeln hallte von den hohen Wänden wider und verwob sich zu einer sanften, beruhigenden Musik. Navi zuckte gelangweilt mit den Schultern und betrachtete angewidert den leblosen Körper eines blaugeschuppten Wasserläufermonsters, das den Fehler begangen hatte, Link anzugreifen, kaum, dass dieser durch die Tür getreten war. Mit den nun trüben, roten Augen und den vielen kleinen, aber spitzen Zähnen, die sich in einem lippenlosen, runden Maul drängten, sah die Kreatur wirklich furchteinflößend aus. Zum Glück trog dieser Schein jedoch und die Wasserläufer, von denen es im Tempel nur so wimmelte, waren keine wirklich ernstzunehmenden Gegner. „Warum sollte sich jemand die Mühe machen, ein Loch in den Boden zu schlagen, wenn es nicht irgendeinen Sinn erfüllt?“, überlegte Link weiter, wobei er seine Gedanken laut aussprach. „Vielleicht wollte dieser jemand einfach einen Springbrunnen haben…“, murmelte Navi genervt vor sich hin. Warum nur war Link so besessen von diesem blöden Loch? Langsam ging er ihr damit gehörig auf die Nerven. Sie wollte endlich raus aus diesen nassen Gemäuern! Link sollte also lieber die dritte Platte suchen, anstatt sich über ein simples Loch im Boden den Kopf zu zerbrechen… Suchend ließ der Herr der Zeiten seinen Blick durch den kleinen, gut überschaubaren Raum schweifen. Irgendwie hatte er das Gefühl, etwas Wichtiges übersehen zu haben. Er war sich sicher, dass ihn das Rätsel dieses Raumes weiter voran bringen würde, auch wenn er selbst nicht wusste, woher er diese Gewissheit nahm. Er fühlte es einfach – an dem Kribbeln in seinen Fingerspitzen, an dem wilden Schlagen seines rasenden Herzens, an dem nervösen Brennen in seinem Magen. In der entgegengesetzten Ecke stand ein merkwürdig aussehendes Gebilde. Es hatte die Form von zwei hohen, an den Grundflächen miteinander verschmolzener Pyramiden und bestand aus einem hellen Material, das aus der Ferne aussah wie Bergkristall: glasklar, aber an manchen Stellen durch Einschlüsse milchig getrübt. Im Inneren der Skulptur befand sich eine kleinere, silberne Replikation ihrer selbst. Als Link sie entdeckte, fühlte er sich als hätte ihn ein Blitz getroffen. Er konnte die elektrischen Impulse geradezu über seine Haut knistern hören. Dieses Ding war des Rätsels Lösung! Ganz sicher! Wie von der Tarantel gestochen sprang der junge Mann auf die Füße und strebte auf seine Entdeckung zu, wobei er in seiner Erregung beinah die auf dem Boden sitzende Navi niedergetrampelt hätte. Diese quietschte empört auf und brachte sich über dem Loch in Sicherheit. Obwohl die aufgebrachte Fee ihn mit einem Schwall Schimpfwörter bedachte, um ihrem Ärger Luft zu machen, beachtete Link sie gar nicht. Stattdessen strich er geradezu liebkosend über die glatte, sich kühl anfühlende Oberfläche der Skulptur. Er wusste nicht wirklich, was genau er eigentlich suchte, doch er war sich sicher, dass er es merken würde, sobald er es gefunden hätte. Navi beobachtete mit wütend vor der Brust verschränkten Armen wie Links Hände immer hektischer umherhuschten und immer tiefere Denkfalten seine Stirn zerfurchten. „Was im Namen der drei Göttinnen machst du da eigentlich?!“ Sie versuchte gar nicht erst, ihrer gereizten Stimme den genervten Unterton zu nehmen – schließlich hatte dieser Trottel sie beinah zu Tode getrampelt und sich noch nicht einmal entschuldigt! Link warf ihr über die Schulter hinweg einen undefinierbaren Blick zu, bevor er endlich von der Skulptur abließ und die Schultern hängen ließ. „Gar nichts.“ Die Worte kamen lediglich als leises, enttäuscht klingendes Flüstern. Er kam sich plötzlich ziemlich bescheuert vor. Warum hatte er sich so hinreißen lassen und hatte sich dermaßen auf seine fixe Idee versteift? Hatte er geglaubt, durch seine bisherigen Abenteuer so etwas wie einen sechsten Sinn für Rätsel entwickelt zu haben? Er hätte einfach auf Navi und ihre übernatürlichen Feen-Fähigkeiten hören sollen. In diesem Raum gab es nichts Besonderes und dieses dämliche Loch war nichts anderes als eben dies: ein einfaches, langweiliges Loch im Boden. Dabei war er sich doch so sicher gewesen… Heiße Wut auf sich selbst wallte in Link auf und er trat frustriert gegen die Skulptur, die dadurch ein wenig auf ihrem dunklen Marmorsockel hin und her wackelte. Für einen langen Moment passierte gar nichts, doch dann gab es plötzlich ein leises, knirschendes Geräusch, als sich das silberne Skulptureninnere goldgelb verfärbte. Link blieb jedoch nicht viel Zeit, sich darüber zu wundern, denn nur mit kurzer Verzögerung brauste ein lautes Tosen durch den Raum und Navi quietschte laut auf, aber ihr panischer Schrei riss fast augenblicklich ab. Erschrocken wirbelte Link herum und entdeckte die hohe Wassersäule, die mit enormem Druck durch das Loch in den Raum schoss. Einige grausame Sekunden lang dachte Link, Navi wäre von der Gewalt des Wassers an der Decke zerquetscht worden, doch dann erkannte er, dass dort oben ein weiteres Loch war, das in den Raum im oberen Stockwerk führte. Obwohl das wilde Rauschen des Wassers wie ein Schwarm wütender Hornissen in seinen Ohren dröhnte, bezweifelte Link, dass es das Loch in die Decke gerissen hatte. Das Loch musste also schon vorher dort gewesen sein. Vielleicht war Navi also in Sicherheit… Nach nur kurzer Zeit flaute das Gurgeln und Tosen langsam ab und die Wasserfontäne fiel in sich zusammen. Mit einem schnellen Blick über die Schulter stellte Link fest, dass auch das Skulptureninnere wieder silbern glänzte. Innerlich jubelte der junge Held auf, weil er nicht nur das Rätsel gelöst, sondern vor allem weil er Recht gehabt hatte! Doch das Gefühl des Triumphs wurde von der Sorge um seine Fee überschattet. Schnell trat Link so nah wie möglich an das Loch im Boden heran und verdrehte sich den Oberkörper, sodass er zumindest ein wenig von dem höher gelegenen Raum erkennen konnte, bevor er aus voller Lunge brüllte: „Navi? Alles in Ordnung mit dir? Geht’s dir gut?“ Die nächsten Sekunden zogen sich endlos hin, während Link mit wild schlagendem Herzen lauschte und versuchte, etwas anderes zu hören als das gurgelnde Rauschen des Wassers. „Oh, ihr Göttinnen, bitte lasst Navi nichts passiert sein!“, flehte er stumm, während Navi langsam wieder zu sich kam, nachdem sie von den Wassermassen gegen eine Wand geschleudert worden und ohnmächtig auf der Seite liegen geblieben war. Leise stöhnend schlug sie die Augen auf, nur um festzustellen, dass sie bis auf eine von weißen Lichtblitzen durchzuckte, schwarze Fläche nichts sehen konnte. Mit einer vorsichtigen Kopfbewegung versuchte sie, ihre Benommenheit abzuschütteln, während sie angestrengt gegen die vor ihren Augen tanzenden Sterne anblinzelte. In ihrem Kopf pulsierte ein stechender Schmerz und die Umgebungsgeräusche drangen nur undeutlich zu ihr durch, so als hätte sie Watte in den Ohren. Gerade, als Navi sich fragte, ob sie sich ernsthaft am Kopf verletzt hatte, erkannte sie endlich Links aufgeregte Stimme in dem dumpf klingenden Geräuschbrei. So schnell sie konnte, krabbelte sie auf allen Vieren auf das Loch im Boden zu, wobei das Stechen in ihrem Kopf an Intensität gewann und sich der dunkle Schleier vor ihren Augen immer mehr verdichtete. Obwohl der junge Hylianer sich so weit vorbeugte, dass sich sein Gesicht deutlich in ihrem Sichtfeld befand, konnte sie ihn kaum erkennen. Dennoch winkte sie in Richtung des helleren Farbkleckses, von dem sie annahm, dass es sich dabei um ihren Begleiter handelte, und bemühte sich, eine unbekümmerte Miene aufzusetzen. „Ich bin hier, Link! Es ist alles okay.“ Als der junge Held erleichtert aufseufzte und zu seiner Fee hinauf lächelte, nahm diese das nur als leichte Verschiebung unterschiedlich dunkler Flächen wahr. „Geh mal ein Stück zurück. Ich komm rauf zu dir.“ Suchend blickte Link sich in dem kleinen Raum um, in der Hoffnung, etwas entdecken zu können, das ihm bei der Erfüllung seiner Aufgabe behilflich sein würde. Da sich jedoch kein Brett oder ähnliches entdecken ließ, wandte der junge Held sich schließlich seufzend wieder der Wasserfontäne zu und berührte vorsichtig mit der Schuhsohle die sprudelnde Krone. Das Wasser wurde mit einem so immensen Druck durch das Bodenloch gepresst, dass seine Oberfläche genügend Spannung aufwies, um Links Fuß in die Höhe zu drücken, obwohl er sich dagegenstemmte. Ein letztes Mal atmete Link tief durch, bevor er sich einen Ruck gab und sich mit einem flauen Gefühl im Magen auf die Wassersäule stellte. Seine Stiefel sanken ein wenig in das sprudelnde Nass ein, doch es trug tatsächlich sein gesamtes Gewicht. Mit einem erleichterten Seufzer ließ Link, der gar nicht bemerkt hatte, dass er vor Anspannung den Atem angehalten hatte, die Luft aus seinen Lungen entweichen. Dann wandte er sich der Skulptur in der Ecke zu, wobei er sich so langsam wie möglich bewegte. Die Angst, doch noch in die Tiefe zu stürzen, machte ihn vorsichtig. „Wie betätige ich jetzt von hieraus den Schalter?“ Grübelnd kratzte Link sich mit einem seiner langen Zeigefinger oberhalb der Schläfe. „Versuchs doch mit dem Fanghaken“, ertönte von oben eine dünne, brüchig klingende Stimme, die Link überrascht den Kopf hochreißen ließ. Navi kauerte am Rand des Deckenlochs und blickte zu ihrem Schützling herunter, wobei sie jedoch unnatürlich blass wirkte. Auch der sie permanent umgebende, silbrig glitzernde Schein Feenlichts schien zu flackern wie eine erlöschende Kerze. Link zog besorgt die Augenbrauen zusammen und griff in seinen Wunderbeutel, ohne den Blick von seiner Fee zu nehmen. Auch nachdem er das gewünschte Objekt aus dem Beutel hervorgezogen hatte, richtete er die Augen nur kurz auf die mehrere Meter entfernte Skulptur und wandte seine Aufmerksamkeit dann wieder seiner Begleiterin zu, bevor er, mehr auf gut Glück anstatt wirklich gezielt, den Fanghaken abfeuerte. Klirrend und surrend zischte das scharfkantige Dreieck durch den Raum und schlug zu Links eigener Überraschung mit einem scheppernden Geräusch gegen die gläsern wirkende Hülle der oberen Pyramide. Noch bevor sich die Kette des Hakens wieder vollständig aufgewickelt hatte, begann es unter den Füßen des jungen Helden zu brodeln und zu tosen. Und dann schossen die Wassermassen rund um ihn herum auch schon in die Höhe, brachen über ihm zusammen, hüllten ihn ein und rissen an ihm, während er mit erstaunlicher Geschwindigkeit Richtung Decke gespült wurde. Eine unsauber abgebrochene Fliese riss dem jungen Helden den rechten Unterarm auf, was ihn mit einem zischenden Geräusch einatmen ließ, doch die Wasserfontäne beförderte ihn ansonsten tatsächlich sicher ins höher gelegene Stockwerk. Mit einer halbwegs eleganten Bewegung rollte Link sich auf dem Boden ab und blieb nur wenige Zentimeter von Navi entfernt liegen. Obwohl der wilde Ritt nach oben nur wenige Sekunden gedauert hatte, war Links Kleidung erneut völlig durchnässt und seine Haare hingen ihm in wirren Strähnen ins Gesicht. Sogar in seinen Schuhen fühlte er Wasser hin und her schwappen. Doch anstatt sich darum zu kümmern, wandte er seine Aufmerksamkeit sofort seiner Fee zu, die in sich zusammengesunken neben ihm kauerte und ins Nichts zu starren schien. Mit sorgenvoll zusammengeschobenen Augenbrauen hob Link seine Begleiterin auf und betrachtete mit wachsender Angst das unregelmäßige Flackern ihrer Aura, während er sie beschützend in seinen großen Händen barg. „Hey, Navi… Was hast du?“ Ein dicker Kloß schnürte dem sonst so unerschrockenen Abenteurer die Kehle zu und er brachte nur ein heiseres Flüstern zustande. Die zierliche Fee wandte ihm mit einem leisen Stöhnen das Gesicht zu, wobei ihr silbriges Licht beinah zu erlöschen drohte. „Ich glaub, … ich hab mir vorhin… den Kopf ziemlich… böse angeschlagen.“ Die Worte kamen nur schwerfällig über Navis Lippen und sie schien Schwierigkeiten zu haben, ihren Blick auf Link zu fokussieren. Dieser kratzte sich nachdenklich am Ohr und versuchte, sich daran zu erinnern, was der Deku-Baum ihm und den anderen Kokiri über Krankheiten und Heilkräuter beigebracht hatte. Stumm verfluchte er sich dafür, während der Lektionen lieber gedöst oder geschnitzt zu haben, anstatt so aufmerksam zuzuhören wie Salia. Nicht zum ersten Mal seit Beginn seiner Reise wünschte er sich, seine beste Freundin wäre bei ihm. Wieder warf er einen Blick auf die leidend wirkende Fee in seinen Händen. Er hatte einfach keine Zeit, sich hier den Kopf zu zerbrechen… Er musste weiter und nach Morpha suchen. Mit einem ärgerlichen Knurren donnerte Link seine Faust so heftig auf den Boden, dass ihm ein heißer Schmerz durch die Hand fuhr, wo er ein dumpfes Gefühl zurückließ. Obwohl sie kaum mehr von Link sah als eine Aneinanderreihung ineinander überfließender Farbflächen, legte Navi ihm beschwichtigend ihre Hände auf seinen Daumen. „Mach dir… Mach dir keine Sorgen um mich. Wir Feen haben… erstaunliche… Regenerations-… -fähigkeiten. Ich brauch… einfach ein bisschen… Ruhe. Dann bin ich bald wieder… die… Alte.“ Sie versuchte, ihm aufmunternd zuzulächeln, brachte jedoch nur eine gequält wirkende Grimasse zustande. Für einige Sekunden musterte Link sie mit nachdenklicher Miene, dann schien er seinen inneren Disput zu beenden und einen Entschluss zu fassen. Mit einem irgendwie angewidert wirkenden Zug um die Lippen, holte er seinen Wunderbeutel hervor und schnürte ihn auf. „Es gefällt mir nicht, mich jetzt nicht um dich kümmern zu können, aber es gibt leider Wichtigeres, das ich zuerst erledigen muss. Ist es für dich in Ordnung, wenn du im Beutel bleibst, bis ich Morpha gefunden und besiegt habe?“ Navi nickte leicht, bereute die Kopfbewegung aber sogleich. Alles um sie herum begann sich zu drehen und eine Übelkeitswelle brandete in ihr hoch, bis sie bittere Galle auf der Zunge schmeckte. Nur unter Aufbietung all ihrer Willenskraft konnte sie es verhindern, sich heftig zu erbrechen, während Link sie vorsichtig in den Lederbeutel schob. Im Inneren wurde sie sofort von der eigenartigen Schwerelosigkeit empfangen, die ihr sonst immer den Magen umdrehte. Nun jedoch empfand sie sie als seltsam angenehm und ließ sich auf dem Rücken liegend treiben, während sie die Augen schloss und darauf wartete, dass das wilde Stampfen in ihrem Kopf zu einem dumpfen Pulsieren abklingen würde. Link entledigte sich endlich seiner Stiefel, die mit einem schmatzenden Geräusch von seinen Füßen glitten. Im Inneren hatte sich jeweils gut ein halber Liter Wasser angesammelt, das Link nun mit lautem Plätschern durch das Loch wieder nach unten kippte. Anschließend betrachtete er etwas missmutig seine triefenden Wollsocken, die auch nach gründlichem Auswringen noch immer klatschnass waren. Nach einem kurzen Moment seufzte er tief auf und zog sich Socken und Schuhwerk wieder an. Das Gefühl völlig durchweichter Wolle an seinen Füßen und sogar zwischen seinen Zehen ließ den jungen Helden angeekelt die Nase kraus ziehen, doch er setzte seinen Weg dennoch mit entschiedenen Schritten weiter fort. Durch eine einfache Holztür, deren Bretter schon reichlich verfault und morsch wirkten, gelangte Link in eine Art Nische hoch oben in der großen Eingangshalle mit der hohlen Säule. Vorsichtig näherte er sich der Kante und wagte einen Blick in die Tiefe. Die unbewegte Oberfläche des Wassers weit unter ihm wirkte wie ein glänzender Spiegel aus tödlich hartem Glas, auf das jemand kleine Wasserläuferfiguren geklebt hatte. Link fragte sich, ob die kleinen, fiesen Monster auch dann noch so ruhig bleiben würden, wenn sie ihn wittern würden. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit der Wand zu seiner Linken zu. Etwa auf Augenhöhe hatte hier jemand eine weitere der feingravierten Metallplatten angebracht, die durch irgendeinen merkwürdigen Mechanismus den Wasserstand im Tempel regulierten. Schnell zückte er seine Okarina, wobei er sich unwillkürlich fragte, ob Navi es wohl mitbekam, dass er seine Hand in den Wunderbeutel steckte. Nachdem Link das königliche Wiegenlied gespielt hatte, drang schon bald das laute Gurgeln der zusätzlichen Wassermassen, die in das Gebäude strömten, an seine Ohren. Als er nun einen erneuten Blick in die Eingangshalle hinunter warf, war die Wasseroberfläche einige Meter angestiegen. Ohne zu zögern stieß der junge Held sich ab und sprang mit einem vollendeten Köpper ins kühle Nass. Ein friedlich in der Nähe hockendes Wasserläufermonster fauchte erschrocken auf und flüchtete. Feine Luftbläschen drangen durch die engen Maschen seiner Kleidung und prickelten auf seiner Haut, während Link mit kräftigen Armbewegungen wieder auftauchte. Kaum, dass er die Oberfläche durchstoßen hatte, machte er sich auch schon auf die Suche nach der Tür, die Navi zuvor erwähnt hatte. Während er langsam paddelnd um die Mittelsäule herumschwamm und dabei aufmerksam auf eventuelle Angreifer achtete, fragte er sich ob er die gesuchte Tür überhaupt so einfach erkennen würde. Doch nur wenige Minuten später stellte sich bereits heraus, dass diese Sorge völlig unberechtigt gewesen war. Das massive Eisenschloss, das die Tür blockierte, wirkte wie poliert und schimmerte und blitzte im Schein der in der Nähe brennenden Fackeln. Schnell hievte Link sich auf den schmalen, steinernen Tritt, der direkt aus der Wand zu wachsen schien, und fummelte den gefundenen Schlüssel hervor, ohne auf den Schwall Wasser zu achten, der an seinem Körper hinabströmte. Trotz der allgegenwärtigen Feuchtigkeit war das Schloss erstaunlicherweise nicht verrostet und es ließ sich mit Leichtigkeit aufschließen. Link stieß einen erleichterten Seufzer aus und trat in den angrenzenden Raum, der ihm die Sprache verschlug. Nur wenige Meter hinter der Eingangstür klaffte ein riesiger Abgrund, der mitten ins Nichts zu führen schien und von den hohen Wänden hallte ein wildes Tosen wider, das wie Donnergrollen klang und Link in den Ohren schmerzte. Ursprung des höllischen Lärms war ein gigantischer Wasserfall auf der gegenüberliegenden Seite. Weißschäumende Gischt verteilte sich wie feiner Sprühnebel im Raum und überzog die Wandfliesen mit schillernden Wassertröpfchen. Doch obwohl das Donnern der herabstürzenden Wassermassen in dem geschlossenen Raum fast unerträglich laut war, nahmen Links empfindlichen Ohren mit der länglichen, spitz zulaufenden Muschel noch etwas anderes wahr. Irgendein Laut mischte sich unter das gurgelnde Tosen, bis er kaum noch zu erkennen war. Obwohl er sich auf Grund der Lautstärke im Raum am liebsten die Hände auf die Ohren gepresst hätte, konzentrierte sich Link mit geschlossenen Augen auf das kaum wahrnehmbare Geräusch und versuchte, es aus dem Lärm herauszuschälen, bis es identifizierbar war. Zunächst machte es den Eindruck als sei dies ein unmögliches Unterfangen, doch langsam gelang es Link immer besser, das Wasserdonnern in den Hintergrund zu drängen, bis er es kaum noch wahrnahm. Und ja! Da war es! Ein leise quietschendes Schleifen wie von einer schlecht geölten Maschine. Doch woher mochte es wohl kommen? Interessiert sah Link sich im Raum um und suchte nach dem Ursprung des mysteriösen Geräuschs. Bewegte sich da hinten etwas oder ließ das herabstürzende Wasser es nur so aussehen? Als Link sich mit konzentriert zusammengekniffenen Augen dem Abgrund näherte, stürzten sich plötzlich zwei Schatten laut kreischend auf ihn. Ledrige Haut strich über Links Gesicht, während er überrascht aufschrie und versuchte, seine Angreifer abzuschütteln. Verzweifelt griff der junge Held nach seinem Schwert, doch die beiden Fledermäuse flatterten so wild um ihn herum, dass er anstatt des Schwertknaufs nur einen dünnhäutigen Flügel erwischte. Einem instinktiven Impuls folgend, fasste Link fest zu und schleuderte das überrumpelte Tier so kräftig gegen die nahe Wand, das es sich mit einem leisen Knacken das Genick brach. Unterdessen hatte sich jedoch die zweite Fledermaus in seiner Tunika festgekrallt und kroch von dem süßmetallischen Geruch geleitet auf die noch immer leicht blutende Wunde an Links Unterarm zu. Als ihre kurze, raue Zunge über sein rohes Fleisch glitt, keuchte Link vor Schmerz auf und er ließ reflexartig den noch immer umklammerten Flügel der toten Angreiferin los, um seine Hand auf die klaffende Reißwunde zu pressen und sie so zu schützen. Die noch lebende Fledermaus fauchte verärgert und schlug ihm ihre scharfen, spitzen Zähne in das dicke Leder seiner Handschuhe. „Mistvieh!“ Link schüttelte seinen Arm so heftig er konnte, aber das durstige Tier ließ einfach nicht locker, sondern gab nur bösartig klingende Laute von sich. Als er schließlich außer Atem war, starrte Link wütend auf die Fledermaus hinab, die noch immer versuchte, ihm in die Hand zu beißen. Während unter seinem Handschuh ein paar Blutstropfen hervor sickerten und an seinen Fingern entlang rollten, bevor sie zu Boden fielen, fasste er schließlich einen Entschluss. Er hasste, was er nun würde tun müssen, doch er konnte auch nicht hier herumstehen, bis die Fledermaus aufgeben würde. Mit einer schnellen Bewegung fasste Link dem überraschten Tier von oben an den Nacken und holte tief Luft, bevor er auch dieser Angreiferin das Genick brach. Während er die Krallen des Kadavers aus dem Stoff seiner Tunika zog, wunderte er sich darüber, warum es ihm so viel schwerer fiel mit bloßer Hand anstatt mit einer Waffe zu töten. Nachdem er sich der Fledermaus entledigt hatte, wischte Link sich geistesabwesend die Hände an seiner Tunika ab, wobei das frische Blut bräunlich wirkende Flecken auf dem blauen Stoff hinterließ. Kurz vor dem Abgrund blieb er stehen und starrte angestrengt auf den Wasserfall gegenüber. Tatsächlich! Unter den Wassermassen schien eine Art Förderband auf der Wand zu verlaufen, wodurch hölzerne Plattformen in einem trägen Rhythmus auf und ab befördert wurden. Ob die Kette des Fanghakens wohl lang genug war, um den Abgrund zu überbrücken? Vorsichtig ließ Link sich auf der Kante nieder und beugte sich so weit vor wie es ihm möglich war, ohne dass er das Gleichgewicht verlor. Das war das erste Mal, dass er mit dem Fanghaken ein bewegliches Ziel treffen wollte. Mit dem Bogen war dies kein Problem, aber ein Pfeil sauste auch sehr viel schneller durch die Luft als die Kette des Fanghakens. Es war also nicht weiter erstaunlich, dass die ersten Schüsse ins Leere gingen, doch schlussendlich bohrte sich das scharfkantige Dreieck tatsächlich in eine der Holzplanken. Mit einem flauen Gefühl im Magen atmete Link einmal tief durch und betätigte dann den Aufrollmechanismus, während er stumm zu den Göttinnen betete, dass das Holz durch den ständigen Kontakt mit Wasser nicht vermodert und morsch war. Er hatte keine große Lust herauszufinden, ob der Abgrund wirklich so bodenlos war wie er wirkte… Auf der gegenüberliegenden Seite krachte er ziemlich unsanft mit dem Brustkorb gegen die getroffene Plattform, was ihm die Luft aus den Lungen presste. Ächzend zog er sich hoch, wo er erst einmal für einen Moment inne hielt, um wieder Atem zu schöpfen. Die restlichen Plattformen zu erklimmen, war kein großes Problem. Link zog sich einfach mit Hilfe des Fanghakens von einer Planke zur nächsten, bis er auf der obersten angekommen war. Von dort aus setzte er mit einem beherzten Sprung zu der Nische mit der nächsten Tür über. Obwohl er gewartet hatte, bis die Plattform die höchste Stellung erreicht hatte, hatte er nur knapp die Kante zu fassen bekommen. „Heiliger Deku… Fast wär’s das gewesen“, murmelte er, während er mit wild schlagendem Herzen einen letzten Blick hinab warf. Anschließend machte er sich mit noch immer leicht zitternden Knien auf, den Tempel weiter zu erkunden. Der nächste Raum wirkte ein wenig wie eine kunstvoll gestaltete Badetherme. Das Wasser, das den gesamten Boden bedeckte, stand mehrere Meter hoch und glitzerte durch die bemalten Fliesen blaugrün wie Türkise. Schmale Stege, die mit riesigen Schlangenköpfen verziert waren, ragten stellenweise in das Bassin hinein, waren jedoch zu hoch um sie vom Wasser aus zu erreichen. Links Aufmerksamkeit galt allerdings nicht den imposanten Statuen, sondern wurde wie magisch von einem Gebilde angezogen, das auf einem hohen Podest in der Mitte des Raums stand. Die Skulptur hier sah fast genauso aus wie die in dem Raum mit der Wasserfontäne. Der einzige Unterschied war die Farbe des Inneren: Anstatt silbern zu glänzen, schimmerte diese Skulptur von innen heraus hellblau. „Ich frage mich, was passiert, wenn ich dieses Ding aktiviere…“, überlegte Link laut, während er auch schon seinen Fanghaken hervorholte. Ohne lange über mögliche Konsequenzen nachzudenken, feuerte er den Haken ab und wartete gespannt. Die Kette sauste mit einem lauten Rattern durch die Luft und der Haken schlug mit einem dumpfen Geräusch gegen die harte Oberfläche der Skulptur, bevor er abprallte und mit einem satten Platschen im Wasser landete. Einen langen Moment lang passierte gar nichts und Link war schon dabei, mit enttäuschter Miene seinen Fanghaken wieder zu verstauen, als sich das Skulptureninnere plötzlich doch noch verfärbte und auf einmal in einem tiefen Rubinrot funkelte. Fast zeitgleich begann die Erde zu beben und Link wäre beinah kopfüber ins Wasser gestürzt, als sich knapp unter der Decke angebrachte Schleusen öffneten. Sofort schossen silbrige Sturzbäche zusätzlichen Wassers aus den Öffnungen und ließen den Wasserpegel in die Höhe schnellen. Dies war jedoch nicht das Einzige, was sich veränderte… „Woa!“ Link machte einen überraschten Schritt nach hinten, als sich der steinerne Schlangenkopf, der ihm am nächsten war, mit einem leise schleifenden Geräusch als Erster in die Höhe schob. Als die Steinschlangen sich zu voller Größe aufgerichtet hatten, schlossen sich die Schleusen unter der Decke wie von selbst und stoppten den Wasserzufluss. Obwohl der Wasserstand sich um einige zusätzliche Meter gehoben hatte, ragten die Stege noch immer zu hoch auf, um sie vom Wasser aus erklimmen zu können. Damit schien auch die nächste Tür, die sich auf der Südseite des Raums befand, außer Reichweite zu sein. Grübelnd kaute Link auf dem Nagel seines linken Daumens, während er die Steinschlange ihm gegenüber musterte. Er konnte nicht genau sagen was, aber irgendetwas an dieser Statue kam ihm merkwürdig vor. Mit einem tiefen Anflug von Sorge und Angst dachte er daran, wie schön es wäre, wenn Navi zu der Schlange hinüberfliegen und sie aus der Nähe betrachten könnte, wenn es ihr besser ginge. Er hoffte inständig, dass sie sich bald wieder erholen würde! Was sollte er bloß machen, wenn seine kleine Freundin nicht wieder von allein gesunden würde und einen Arzt brauchte? Gab es in diesem gottverlassenen, von einem Dämon regierten Land überhaupt jemanden, der wusste, wie eine Fee zu behandeln war? Gerade, als sich seine Sorge zu einer regelrechten Panik auswachsen wollte, wurde ihm plötzlich bewusst, was ihn an der Statue gestört hatte: In ihre Brust war ein kleines Stück Holz eingelassen, das zwar in einem täuschendechten Steingrau gestrichen war, aber von der Struktur her nicht zu dem glatten Stein drum herum passte. Mit einem breiten Grinsen packte Link erneut seinen Fanghaken aus und zog sich auf den gegenüberliegenden Steg. Doch schon bei der nächsten Schlange verging ihm die gute Laune gleich wieder. Ihr leicht gewundener Körper war so massiv, dass sie die gesamte Breite des Stegs einnahm. Wenn Link hier genauso verfahren würde wie beim letzten Mal, liefe er Gefahr ins Wasser zu stürzen, wo er gefangen wäre und jämmerlich verhungern würde. Mit einem genervten Knurren blickte der junge Held sich um. Nur wenige Meter links von der Schlange war eine Holzfliese an der Wand, aber das half Link leider nicht weiter. Zöge er sich mit Hilfe seines Fanghakens dorthin, wäre er ebenfalls gefangen, da die riesige Schlange ihm den Weg versperren würde. Allein über ihren Kopf zu klettern, wäre eine Herausforderung. Bei diesem Gedanken kam Link plötzlich eine Idee! Mit einem listig wirkenden Grinsen wandte er sich wieder der Skulptur in der Mitte des Raums zu und schoss ein weiteres Mal seinen Fanghaken auf sie ab. Wieder verstrich einige Zeit, bevor sie sich erneut blau färbte, doch dann öffneten sich mehrere auf dem Boden verteilte Abflussrohre und das Wasser begann mit einem gurgelnden Geräusch abzufließen. Nach nur wenigen Minuten hatten sich die Steinschlagen wieder so weit herabgesenkt, dass ihre Unterkiefer auf den Stegen auflagen. Kaum hatte die letzte Schlange ihre Ausgangsposition eingenommen, schlossen sich die Rohre wieder. Für einen kurzen Moment fragte Link sich, wie dieser Mechanismus wohl funktionierte, setzte seinen Weg dann jedoch schnell wieder fort. Geschwind setzte er zum nächsten Steg über und kletterte vorsichtig über den Schlangenkopf. Der glatte Stein und die Tatsache, dass allein der Kopf fast so hoch war, dass Link kaum über ihn hinwegblicken konnte, gestalteten dieses Unterfangen ziemlich schwierig, doch glücklicherweise boten die erstaunlich naturgetreu wirkenden Zähne und die Rillen zwischen den einzelnen Schuppen ein wenig Halt. Dennoch atmete der junge Held erleichtert durch, als er das Hindernis endlich überwunden hatte. Glücklicherweise stellte sich heraus, dass die kurze Kletterpartie die schwierigste Aufgabe in diesem Raum gewesen war. Nur wenige Minuten später stand Link unterhalb der Nische, in der sich die nächste Tür befand, auf einem weiteren Schlangenkopf. Diesen zu erklimmen war wesentlich einfacher gewesen, da dieses Exemplar aus recht grobem Stein gehauen war, von dem man nicht so leicht abrutschte. Ein letztes Mal aktivierte Link die Skulptur in der Raummitte und ließ sich von der Schlange nach oben tragen, wo er sehr selbstzufrieden auf die Tür zustrebte. Doch kaum, dass der Türknopf in Reichweite war, stürzte sich plötzlich ein wie ein riesiger Schleimbrocken aussehendes Monster von der Decke auf ihn und saugte ihn in sich hinein. Der junge Held strampelte wie wild um sich, aber er hatte nicht das Gefühl, dass seine Bemühungen zu etwas führten. Der Angreifer hatte eine derartig breiige Konsistenz, dass er Links Tritte nicht einmal zu bemerken schien. Gerade, als der Herr der Zeiten glaubte, ersticken zu müssen, gab das Monster ihn endlich wieder frei und katapultierte ihn mit einem erstaunlich kraftvollen Würgen an die Wand. Link stieß sich ziemlich schmerzhaft den Kopf an und sah für einen kurzen Moment kleine Sternchen vor seinen Augen tanzen. Das Monster versuchte dies zur Flucht zu nutzen, doch Link war schon wieder auf den Beinen und rammte dem Schleimwesen sein Schwert in den Rücken, wo es beinah feststeckte. Nur unter Aufbietung all seiner Kraft konnte der junge Held die scharfe Schneide durch das wabbelige Fleisch ziehen und das Monster aufschlitzen. Als es in sich zusammensackte, gab es ein zischendes Geräusch von sich wie ein gut aufgeblasener Luftballon aus Tiergedärm. Aus der langen Schnittwunde ragte ein Stück blauen Stoffs hervor und weckte Links Neugierde. Mit einer schwungvollen Bewegung zog er seinen Fund aus dem Kadaver heraus und staunte nicht schlecht. Was er da in den Händen hielt, war eindeutig eine Zora-Rüstung. Erschrocken blickte Link an sich herunter und stellte erst jetzt fest, dass er über seinem Dress aus dem merkwürdigen, silbernen Kettenstoff, den er im Heiligen Reich erhalten hatte, nichts mehr trug. Auch sein Hylia-Schild war verschwunden, tauchte aber wieder auf, als Link mit angewidert krausgezogener Nase in dem schleimigen Kadaver zu seinen Füßen herumwühlte. So schnell er konnte, kleidete er sich wieder an und schickte sich dann an, die Tür zu öffnen, während er sich fragte, was das Monster wohl mit seinem Schild und seiner Rüstung hatte anfangen wollen. Kapitel 36: Doppelgänger ------------------------ Dicke Nebelschwaden waberten kurz über dem einige Zentimeter gefluteten Boden und verkürzten Links Sicht auf wenige Meter. Unbehaglich zog dieser die Schultern hoch und umfasste das Heft des Master-Schwerts fester, um bei einer möglichen Attacke bereits zum Zurückschlagen bereit zu sein. Das unregelmäßige Tropfen von herabfallendem Wasser erklang aus mehreren Ecken des Raums und verwob sich mit dem zögerlichen Patschen von Links Schritten zu einer schaurigen Hintergrundmusik. Unwillkürlich musste der junge Held an die Gruselgeschichten denken, die Mido früher so gerne am Lagerfeuer erzählt hatte. Ganz besonders eine Geschichte, die von aus dem Nichts auftauchenden Seelenräubern gehandelt hatte, wollte ihm nicht mehr aus dem Sinn gehen. Mit wild schlagendem Herzen starrte er noch angestrengter in die undurchdringlich wirkenden Schwaden und wischte sich mit der flachen Hand über die Stirn. Doch ob es sich bei den feinen Tröpfchen auf seiner Haut um kondensierten Nebel oder kalten Angstschweiß handelte, vermochte er nicht zu sagen. Nach mehreren Minuten, als Link schon befürchtete, er würde aus Orientierungslosigkeit im Kreis laufen, schimmerte in einiger Entfernung ein riesiger, dunkler Schemen durch die Tiefen der Nebelschwaden, fast so wie ein Taucher, der sich anschickte die Wasseroberfläche zu durchbrechen. Irgendwie wirkte der Schatten bedrohlich auf Link, doch seine Neugierde war größer als die warnende Stimme in seinem Hinterkopf. Zudem hegte er die Hoffnung, dort hinten endlich einen Weg aus diesem merkwürdigen Raum heraus zu finden. Während Link entschlossen voranschritt, wobei er seinen Blick fest auf seine Entdeckung geheftet hielt, um nicht die Orientierung zu verlieren, schälten sich immer mehr neue Einzelheiten aus dem Nebel. Bald schon wurde aus dem länglichen, hohen Schatten ein verdorrter, verkrüppelter Baum mit knorriger Rinde und kurzen, knotigen Ästen. Mit einem Schaudern bemerkte Link, dass die vereinzelten Blätter teilweise schon am Baum verrottet waren und nur noch als Gerippe an den dünnen Zweigen hingen. „Ein Geisterbaum…“, schoss es ihm unwillkürlich durch den Kopf und er wandte sich schnell von dem traurigen Anblick ab, um einen mit in verschiedenen Blautönen bemalten Fliesen geschmückten Vorbau zu betrachten, der von der reinweißen Wand in den Raum ragte. Der Nebel war auf dem kalten Porzellan der Fliesen zu feinen Wassertröpfchen kondensiert, was bei besseren Lichtverhältnissen sicherlich hübsch geglitzert hätte. So aber waren die im Raum verteilten Fackeln zu weit entfernt und ihr Feuer schimmerte lediglich wie eine fast vergessene Erinnerung als leicht zuckende Lichtpunkte durch die Nebelschwaden hindurch. Ein Teil von Links Unterbewusstsein beschäftigte sich schon länger mit der Frage, wie es möglich war, dass es trotzdem noch einigermaßen hell im Raum war. Wichtiger als solche Grübelfragen war jedoch die Tatsache, dass Link endlich die aus dem Raum herausführende Tür gefunden hatte. Das glatte Holz war wunderschön mit dunklen Rottönen bemalt und sogar mit Applikationen aus Blattgold verziert, aber die massiven Eisenstangen, die vor dem Türblatt in die Höhe ragten und ein Passieren unmöglich machten, dämpften Links Laune sehr. Nachdem er kräftig an den Stäben gerüttelt und sich vergewissert hatte, dass es ihm nicht möglich sein würde, sie mit Gewalt zu entfernen, begann er behutsam mit den Fingern über die bemalten Fliesen zu streichen. Irgendwo hier musste ein Schalter sein, der die Eisenstangen würde verschwinden lassen. Gerade, als er eine besonders aufwendig gemalte Blume, deren Kelch fast so groß war wie seine Daumenkuppe und irgendwie hervorzustehen schien, entdeckt hatte, ertönte direkt hinter ihm plötzlich ein bedrohlich klingendes Lachen. Erschrocken wirbelte der Herr der Zeit herum und blickte in… seine eigenen Augen! Erst nach einer unendlich langen Schrecksekunde, in der sein Herz aussetzte, wurde Link bewusst, dass dies nicht nur vollkommen unmöglich war, sondern dieses seinem eigenen so ähnliche Augenpaar ein rötliches Glimmen in den Iriden hatte, das bei ihm selbst fehlte. Der Augenbesitzer lachte erneut auf und Link bemerkte jetzt erst, dass der Fremde nicht nur beängstigend ähnliche Augen hatte, sondern ihm insgesamt fast bis aufs Haar glich. Er war genauso groß und von gleicher Statur, hatte die gleiche Gesichtsform und -züge und sein ebenfalls braunes Haupthaar wurde von den gleichen blassblonden Strähnen durchzogen und war ebenfalls in einem kurzen Zopf zurückgebunden, sodass die vorderen Strähnen locker vor den langen Ohren hingen. Sogar die Kleidung war beinahe identisch, nur dass die kostbar aussehende Tunika des Fremden aus schwarzem Samt geschneidert war. Für einen kurzen Moment fragte Link sich, ob er womöglich einen Zwillingsbruder hatte, von dem der Deku-Baum entweder nichts gewusst oder erwähnt hatte, aber dann fiel sein Blick auf die Waffe in der linken Hand seines Gegenübers und er erschrak noch heftiger als zuvor. Heft und Schneide waren absolut identisch, doch während Links Master-Schwert selbst bei schlechtem Licht immer glänzte als würde ein Sonnenstrahl über den polierten Stahl tanzen, schimmerte die Klinge des anderen schwarz und bedrohlich. Schaudernd dachte Link, das Schwert seines Gegenübers wirke als würde die Dunkelheit selbst in dem matten Metall pulsieren. Instinktiv wich der Herr der Zeiten einen Schritt zurück und stieß gegen die Eisenstangen hinter sich, wobei der Hylia-Schild, den er noch auf dem Rücken trug, ein schepperndes Geräusch erzeugte, das fast wie zwei aufeinander treffende Klingen klang. Der Fremde verzog einen Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen und das Rötliche in seinen Augen nahm an Intensität zu. Eiskalte Furcht kroch Link das Rückgrat entlang nach oben und griff nach seinem Herzen, das so heftig schlug als wolle es aus seinem knochigen Gefängnis ausbrechen. „W-Wer bist du?“ Obwohl Link sich große Mühe gab, unbeeindruckt zu klingen, konnte er nicht verhindern, dass seine Stimme brach und er neu ansetzen musste. Das Grinsen seines Gegenübers wurde noch eine Spur breiter, als er antwortete: „Ich bin du.“ Seine Stimme klang kräftig und voll und wies starke Ähnlichkeit zu der des Herrn der Zeiten auf, war jedoch ein wenig tiefer. Link interessierte dies jedoch nur noch herzlich wenig. Er wurde langsam wütend. Wütend auf sich selbst und seine lähmende Angst vor dem Fremden. Wütend auf diesen mysteriösen Mann und sein hämisches Grinsen. Wütend auf Ganondorf, der an allem schuld war. Wütend auf sein eigenes Schicksal, das ihn hierher gebracht hatte. Wütend auf die Göttinnen, die mit ihrem Triforce überhaupt erst dafür gesorgt hatten, dass eine solche Situation entstehen konnte! Um seinem Zorn Luft zu machen, schleuderte Link seinem Doppelgänger entgegen: „Ich würde niemals so ein lächerliches Samtröckchen anziehen. Du siehst aus als wärst du einer Travestie-Vorstellung eines Jahrmarkts entlaufen!“ Kaum hatten diese Worte seine Lippen verlassen, merkte Link wie sich seine innere Blockade löste so als würden die Flammen seines Zorns sie verbrennen und auch sein Herzschlag verlangsamte sich wieder. Wut war schon immer sehr nützlich gewesen, wenn es darum ging, Angst zu verdrängen… Der junge Krieger ließ das Master-Schwert mit einer lockeren Bewegung am Heft um seinen Finger kreisen und machte ein finsteres Gesicht, um dem Fremden zu drohen. Es sollte so viel heißen wie: Sieh, ich bin geschickt im Umgang mit Waffen und habe keine Angst vor dir – nimm dich in Acht. Doch der Andere schaute nur gelangweilt zu ihm herüber. „Ich glaube, du missverstehst mich. Ich bin deine dunkle Seite, dein Schatten.“ Link verengte die Augen zu Schlitzen und funkelte seinen Gegenüber an. Was sollte diese «Ich bin du»-Masche? Während die beiden Männer sich gegenseitig anstarrten, die Hefte ihrer Schwerter fest umklammert, nagte etwas an Link. Irgendetwas an den Augen des Fremden kam ihm merkwürdig vertraut vor und das hatte nichts damit zu tun, dass sie seinen eigenen derart ähnlich sahen. Der Fremde drehte die Schultern und wiegte den Kopf hin und her so als wolle er seine Muskeln vor einem Angriff gründlich lockern. Link beobachtete ihn ein wenig amüsiert, als ihm plötzlich ein Licht aufging. Jetzt wusste er, wo er solche Augen mit dem Rotschimmer in den Iriden schon mal gesehen hatte: bei Phantom-Ganon! Es waren Dämonenaugen! Als ihm bewusst wurde, was dies bedeutete, ließ er vor Überraschung beinah sein Schwert fallen: „Ganondorf hat eine Kopie von mir erschaffen?!“ In den Augen des dunklen Links flackerte etwas auf. „‚Kopie‘ ist das falsche Wort. Schließlich bin ich kein seelenloses Abbild von dir.“ Zorn flackerte in seiner Stimme auf. Offenbar konnte er es nicht ausstehen, als Kopie bezeichnet zu werden. Etwas ruhiger fuhr er fort: „Zudem habe ich meine eigenen Wünsche und Ziele, die auch nur bedingt mit denen Ganondorfs zusammenfallen. Sagen wir also lieber, ich bin dein Doppelgänger, bei dessen Auftauchen unser geschätzter Großmeister des Bösen ein wenig nachgeholfen hat. Aber ich bin keine seiner Kreaturen.“ Der Herr der Zeiten machte ein zweifelndes Gesicht. „Ach nein?“ „Natürlich nicht!“ „Weißt du, für mich klingt das aber sehr danach. Ganondorf hat dich geschaffen, also bist du seine Kreatur.“ Hass brandete über das Gesicht des Dunkelgekleideten. „Bin ich nicht! Ganondorf hat mich weder geschaffen, noch zum Leben erweckt. Er hat mich lediglich herübergeholt.“ Überrascht spitzte Link die Ohren. „Herübergeholt? Von wo?“ Sein Gegenüber schnaufte missbilligend so als hätte man ihn beleidigt. „Aus dem Schattenreich.“ Als Link ein ratloses Gesicht machte, fügte er bitter hinzu: „Ihr Mittelweltler seid so ignorant… Ihr lebt hier in dieser wundervollen Welt mit ihren grünen Wäldern, ihrem klaren Wasser, ihrer Artenvielfalt… Doch anstatt zu erkennen, wie gesegnet ihr seid, blickt ihr gedanklich immer nur zum Heiligen Reich, dem Lichtreich, herüber und sehnt euch nach Höherem. Dabei solltet ihr vielleicht einmal in die andere Richtung, aufs Schattenreich schauen. Dann würdet ihr vermutlich erkennen, wie gut ihr es habt.“ „Du meinst, es gibt neben unserer Welt und dem Heiligen Reich noch eine dritte Welt?“ Link konnte sich das kaum vorstellen, begriff er doch noch nicht einmal wirklich, was das Heilige Reich war. Doch nun stand angeblich ein Schattenweltler vor ihm und durchbohrte ihn mit dermaßen finsteren Blicken, dass er sich wegen seines Unwissens schuldig fühlte. Nickend fuhr dieser fort: „Das Schattenreich ist das Gegenstück zum Heiligen Reich. Diese beiden Welten bestehen schon seit dem Anbeginn der Zeit als zwei Seiten einer Medaille. Während das Lichtreich als Heimat der Göttinnen vor Leben nur so strotzt, darbt das Schattenreich, welchem die Dämonen und Schattenwesen entspringen. Das Land ist karg, der Himmel bleiern, das Wasser verschmutzt und Nahrung knapp. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie das ist, dort zu leben, wo jeder jedermanns Feind ist, wo Eltern ihre Kinder schlachten, um zu überleben.“ Als Link sich vorstellte, ihn verschlüge es an einen solchen Ort, lief ihm ein eisiger Schauer über den Rücken und er hätte gerne das Thema gewechselt, aber sein Gegenüber fuhr unerbittlich fort: „Eure Welt hingegen ist noch vergleichsweise jung. Din, Farore und Nayru schufen sie eines Tages als eine Art Schutzwall zwischen Licht- und Schattenreich. Ihr seid also sozusagen zwischen Licht und Schatten eingeklemmt, zwischen Gut und Böse.“ Er grinste irgendwie anzüglich, sprach jedoch unbeirrt fort: „Vermutlich waren die Lichtwesen die ständigen Übergriffe der Schattenweltler leid. Ist ja auch lästig, wenn bei einem Festbankett plötzlich ein paar Bettler auftauchen…“ Der Hass und die Verbitterung in der Stimme des Fremden erschreckten Link, doch irgendwie konnte er sie gut nachvollziehen. In einer dermaßen trostlosen Welt wie dem Schattenreich mit dem Wissen groß zu werden, dass es irgendwo anders so viel besser war, musste unsäglichen Zorn heraufbeschwören. Er fragte sich, warum die Göttinnen sich wohl so verhalten hatten. Oder wollte ihm sein Gegenüber einen Bären aufbinden, ihm Sand in die Augen streuen und ihn von seinem Weg abbringen? Der Fremde konnte ja nicht wissen, dass Links geheime Motivation vor allem die Sorge um Zelda und weniger die Rettung des heiligen Triforce war. Als hätte er seine Gedanken gelesen, fragte der Fremde: „Das klingt so gar nicht nach den edlen Göttinnen, die in euren Geschichten beschrieben werden, nicht wahr?“ „In der Tat.“ Link wusste selbst nicht warum, aber seine Stimme hatte einen traurigen Unterton. Anscheinend war ihm die Vorstellung, die Schöpferinnen seiner Heimat seien reine Wesen ohne jegliche Hintergedanken, die aus reiner Güte heraus handelten, wichtiger als er gedacht hatte. Gerne hätte er protestiert und dem Schattenweltler Lügen vorgeworfen, aber er musste plötzlich an die Feenköniginnen denken, die Din an ihre Quellen gefesselt hatte. Schon als Kind hatte er diese Strafe von einer angeblich gütigen Göttin für seltsam hart und rachsüchtig gehalten. Als wolle er Links Glauben vollständig zerschmettern fuhr der Fremde fort: „Auch das Triforce ist eigentlich kein Zeichen für göttliche Gnade. Tatsächlich wollten Din, Farore und Nayru euch Mittelwelter gänzlich schutzlos lassen, doch ein paar feinfühlige Lichtwesen hatten wohl Mitleid mit euch und überredeten die Drei dazu, euch mit dem Triforce zumindest die Möglichkeit zur Verteidigung gegen Dämonen zu geben. Dass daraus auch eine große Bedrohung für euch erwuchs, haben sie wohl nicht gesehen.“ Link massierte sich mit kleinen, kreisenden Bewegungen die Nasenwurzel. Sein gesamtes Weltbild war gerade auf den Kopf gestellt worden und er fühlte sich durcheinander und verletzlich. Dennoch durfte er sich nicht ablenken lassen. „Also gut“, stieß er schließlich aus, „möglicherweise ist unsere Schöpfung nicht so abgelaufen wie ich bislang glaubte. Aber was hat das mit dir und mir zu tun?“ Der andere Mann zuckte die Schultern. „Nahezu jedes Individuum hat in den anderen Welten ein Pendant damit das Gesamtgefüge im Gleichgewicht bleibt.“ Überrascht riss der junge Held die Augen auf. „Willst du damit sagen, dass im Heiligen Reich ein dritter Link herum läuft?“ „Nein.“ Der Schattenweltler zog das erste N in die Länge, was den Eindruck erweckte, er gäbe dies nur ungern zu. „Du gehörst zu den Ausnahmen, die nur ein dunkles Abbild haben.“ „Aber warum?“ Der Herr der Zeiten blinzelte irritiert. „Als die Mittelwelt erschaffen wurde, haben sieben Lichtwesen beschlossen, dort zu leben und diese Welt zu beschützen. Es waren übrigens dieselben Wesen, die bereits das Triforce durchgesetzt hatten. Eigentlich sind Lichtwesen unsterblich, aber in der Mittelwelt, die zur Hälfte dämonischen Ursprungs ist, war ihr Körper dem Verfall ausgesetzt. Ihre Seelen jedoch lebten weiter. Eine Seele kann allerdings nicht lange ohne Körper sein. Deswegen suchen sich die Lichtwesen immer wieder neue, geeignete Körper, in denen sie sich einnisten und schlafen, bis sie gebraucht werden oder der Körper stirbt. Zu diesen Menschen, in deren Körper ein solches Lichtwesen lebt, gibt es im Heiligen Reich kein Gegenstück, da dieses Pendant im Körper selbst lebt. Verstehst du? Du bist sozusagen Mittelwelt-Link und Lichtreich-Link in einem.“ Der Schattenweltler erzählte noch etwas von einem Dämonenfürsten, dem ähnliches gelungen war, doch Link hörte ihm kaum noch zu. Die anderen sechs Lichtwesen mussten die Weisen sein, die in dieser Welt lebten! Endlich kam ihm in der Erzählung des Fremden etwas bekannt vor. Zudem kannte er endlich den Grund, warum der Herr der Zeit und die Weisen immer wieder geboren wurden: ihre Seelen stammten aus dem Lichtreich und waren unsterblich, auf ewig gefangen in ihrer Mission Hyrule und den Rest der Mittelwelt zu beschützen. „Ich denke, ich verstehe es.“ Seine Stimme klang sogar in seinen eigenen Ohren weit entfernt. „Aber eine Frage habe ich noch: Du hast vorhin gesagt, du hättest deine eigenen Ziele. Welche?“ Das Rot in den Augen des dunklen Link loderte auf und verlieh ihm ein bedrohliches Aussehen. „Ich will nie wieder zurück in die Schattenwelt. Ich will einen Platz in diesem Reich – deinen Platz!“ Und mit diesen Worten riss er sein Schwert in die Höhe und ließ die mächtige Klinge mit atemberaubender Geschwindigkeit auf Link herabsausen. Beinah hätte der Herr der Zeiten der tödlichen Attacke nicht mehr ausweichen können. Die scharfe Klinge zischte nur Millimeter von Links Schulter entfernt durch die Luft. Wenn Link sich auch nur den Bruchteil einer Sekunde später bewegt hätte, hätte der Schattenweltler ihm vermutlich mit nur einem Schlag den Rumpf gespalten. So schnell er konnte holte Link seinen Hylia-Schild hervor, um bei einem weiteren Angriff nicht bloß dumm guckend und schutzlos dazustehen. Wie hatte er sich bloß so von den Erzählungen von diesem bedrohlich wirkenden Mann einwickeln lassen können? Solche Anfängerfehler durften ihm einfach nicht passieren – schließlich war er der Herr der Zeit, der Hoffnungsträger ganz Hyrules! Mit einem grimmigen Knurren, das direkt aus seiner Brust zu kommen schien, legte er all seine Wut auf sich selbst in seinen Eröffnungsstreich. Vermutlich hätte die Wucht des Schlags dem Schatten-Link das Schwert aus der Hand geschlagen, aber dieser sprang mit einem eleganten Rückwärtssalto aus der Gefahrenzone anstatt den Angriff zu parieren. Dunkel lachend holte auch er seinen Schild hervor und bedachte seinen Gegner mit spöttischen Blicken: „Du wirst dir mehr einfallen lassen müssen, wenn du mich besiegen willst. Schließlich bin ich das perfekte Gegenstück zu dir – in jeder Beziehung.“ Eine Zeit lang schien es dem Schattenweltler ungeheuren Spaß zu machen, genau dies unter Beweis zu stellen: Wann immer Link eine Bewegung machte, kopierte sein Gegenüber diese mit geradezu lächerlicher Perfektion. Der Herr der Zeit fühlte sich beinah so als würde er mit seinem eigenen Spiegelbild kämpfen. Resignation machte sich in dem jungen Held breit, als er erkannte was dies bedeutete: Der Schattenweltler kannte nicht nur seinen Kampfstil so genau, dass er jede Attacke im Voraus ahnen und abblocken konnte, sondern auch jede von Links Schwächen, da sie seine eigenen waren. Alles deutete darauf hin, dass sich dieser Kampf allein durch Ausdauer entscheiden würde. Doch konnte es überhaupt einen Sieger geben, wenn sich die zwei Kämpfenden dermaßen glichen? Dumpfe Taubheit, die sich langsam in Links rechtem Unterarm breit machte, erinnerte ihn allerdings schon bald daran, dass sein Gegner und er sich tatsächlich gar nicht so identisch waren, wie es den Anschein hatte. Durch das Gewicht des massiven Hylia-Schilds hatte die zuvor zugezogene Risswunde wieder zu bluten begonnen. Dicke rote Tropfen fielen mit leisem Platschen herab und malten filigrane, rosa Muster auf den Wasserfilm am Boden. Lange würde der Herr der Zeiten den Schild nicht mehr hochhalten können. Schon jetzt hatte er seine liebe Mühe die Schläge des Schattenweltlers, der wie ein Berserker auf ihn eindrosch, zu parieren. Der düster wirkende Mann grinste bereits siegesgewiss, was ihm zusammen mit dem roten Glimmen in seinen Augen das Aussehen eines Geisteskranken verlieh. „Wenn Navi doch bloß nicht außer Gefecht wäre…“, schoss es Link durch den Kopf, als er erneut nur knapp einer Attacke ausweichen konnte und mit schockgeweiteten Augen auf die Haare blickte, die vor ihm zu Boden segelten. Die mattschwarze, erschreckend scharfe Schneide war ihm derart nah gewesen, dass sie eine seiner Haarsträhnen gestreift und gekürzt hatte. Sehnsüchtig dachte Link daran, wie viel einfacher der Kampf sein könnte, wenn seine Fee in der Lage gewesen wäre, den Gegner zu irritieren oder sogar abzulenken. Den Gegner irritieren? Eine Idee kratzte an Links Bewusstsein, doch er war inzwischen so entkräftet, dass er sie nicht wirklich zu fassen bekam. Sein Schildarm wurde allmählich völlig taub und der Schattenweltler trieb ihn zum gefühlt tausendsten Mal um den toten Gespensterbaum. Während Link die Erschöpfung bereits ins Gesicht geschrieben stand, wirkte sein Doppelgänger noch immer frisch und von einer schier unmenschlichen Energie getrieben. Gerade, als dieser sein Schwert hoch über den Kopf hob, um einen mächtigen, vertikalen Hieb vorzubereiten, stolperte Link über eine Wurzel und schlug lang hin. Der Schattenweltler grinste noch breiter und entblößte dabei seine erstaunlich weißen Zähne. „Sieh es endlich ein, du bist mir nicht gewachsen – nicht in dieser Verfassung.“ Link funkelte zu seinem Doppelgänger hinauf, der seine Klinge noch immer drohend erhoben hatte und lachte: „Jetzt guck doch nicht so wütend. Der Wassertempel hätte vermutlich jedem einiges abverlangt. Außerdem bist du verletzt.“ Der Schattenwelter legte den Kopf schief, was ihn wie ein jagendes Raubtier wirken ließ. „Ich frage mich, ob das hier immer noch wehtut.“ Mit diesen Worten trat er Link heftig gegen die Schuhsohle, genau an die Stelle, wo der Seeigel ihm in den Fuß gestochen hatte. Heißer Schmerz schoss dem Herrn der Zeiten bis hinauf in den Unterschenkel und er stöhnte laut auf, was seinem Gegner diebische Freude zu bereiten schien. „Wie ich es mir gedacht habe… Ich muss gestehen, dass ich beeindruckt bin. Du hättest es fast geschafft, dein Humpeln vor mir zu verbergen.“ Der düstere Doppelgänger drehte sein Schwert leicht hin und her und betrachtete versonnen die unglaublich scharfe Schneide, während Link versuchte, die durch seinen Körper pulsierenden Schmerzwellen in sein Unterbewusstsein zu verdrängen. Er durfte nicht zulassen, dass es hier und jetzt zu Ende ging, dass sein Schattenpendant seinen Platz einnahm. Was sollte denn dann aus Hyrule werden? Schatten-Link, der sich seiner selbst sehr sicher war, ließ seinen Schild fallen, um das Schwertheft mit beiden Händen zu umfassen. Dann drehte er seine Waffe so, dass die Klinge nach unten zeigte und direkt auf das Herz des am Boden Liegenden zielte. Offenbar wollte er seinen Gegner auf die Fliesen heften wie einen Schmetterling. Doch in genau diesem Moment drang die Idee von vorher endlich in Links Bewusstsein durch: Seine einzige Chance war es, seinen Doppelgänger dadurch zu irritieren, dass er ganz anders kämpfte als er es normalerweise tat. Er musste genau das Gegenteil von dem machen, was er normalerweise tun würde! „Irgendwelche letzten Worte?“ Der Schattenweltler verstärkte seinen Griff um den Schwertgriff und machte sich bereit zuzustechen. Offenbar rechnete er nicht damit, dass Link sich noch einmal zu einer Gegenattacke aufraffen konnte. Doch anstatt ruhig liegen zu bleiben und seinen Tod zu akzeptieren, schleuderte dieser ihm mit aller Kraft den fallengelassenen Schild entgegen und rief: „Ein Kampf ist erst vorbei, wenn er vorbei ist!“ Der massive Hylia-Schild erwischte den Doppelgänger an der Stirn, direkt über der rechten Augenbraue. Sofort platzte die Haut auf und ein Schwall purpurnes Blut schoss aus der Wunde. In breiten Bahnen lief es dem Schattenweltler, dessen Gesichtsausdruck zwischen Unglauben, Überraschung und grenzenloser Wut schwankte, ins Auge, wo es wie Feuer brannte. Einzig der Tatsache, dass er durch und durch Krieger war, war es geschuldet, dass er sein Schwert nicht fallen ließ, um sich die Hand auf die Platzwunde zu pressen. Link nutzte das kurze Überraschungsmoment, um wieder auf die Füße zu kommen. Abwehrend hielt er das Master-Schwert vor sich, während er fieberhaft überlegte, was er nun tun sollte. Er konnte sich kopflos auf seinen Gegner stürzen und wild auf ihn einschlagen, damit hätte dieser sicherlich nicht gerechnet. Doch die Irritation würde vermutlich nicht lange genug anhalten, um daraus Profit zu ziehen und kräftemäßig war sein Schattendoppelgänger ihm noch immer überlegen, auch wenn jener mit dem Blut im Auge wahrscheinlich nicht mehr besonders gut sah. Nein, er musste sich etwas anderes einfallen lassen… „Das wirst du bereuen! Ich wollte dir die Gnade eines schnellen Todes gewähren, da wir uns so ähnlich sind, doch nun werde ich dir beibringen, was es heißt zu leiden!“ Mit einem wilden Brüllen stürzte sich der Schattenweltler auf Link, der etwas unbeholfen nach hinten tänzelte. Seit dem Tritt gegen die Wunde in seiner Fußsohle schmerzte das Auftreten wieder sehr. Er brauchte schnell eine zündende Idee, bevor ihn seine Kräfte endgültig verließen. Während er den wilden, unkoordiniert wirkenden Schlägen seines rasenden Gegners auswich, ging er in Gedanken seine Ausrüstung durch. Während er die einzelnen Gegenstände vor seinem geistigen Auge sah, formte sich beinah wie von selbst ein Plan heraus und ein breites Grinsen stahl sich in sein Gesicht. Ein letztes Mal blockte Link einen Angriff seines Doppelgängers mit der Parierstange des Master-Schwerts und schob dieses dann zurück in seine Scheide, bevor er sich mit einem Sprung direkt neben den Geisterbaum katapultierte. Während der Schattenweltler angestürmt kam, steckte Link schnell seine Hand in seinen Wunderbeutel, holte einen Gegenstand hervor und schob die andere Hand in den Beutel. Als sein Doppelgänger seine Klinge auf ihn zu sausen ließ, bückte Link sich geschickt unter dem Schlag weg, sodass sich die Schneide tief ins trockene Holz des Stamms bohrte, wo sie stecken blieb. Doch das schien den Schattenweltler nicht besonders zu tangieren. Zwar zerrte er mit wütendem Gesichtsausdruck kurz am Heft, aber als dies nicht den gewünschten Erfolg brachte, zog er einfach ein anderes Schwert. Link war es bislang gar nicht aufgefallen, dass sein Gegner noch eine weitere Waffe dabei hatte, doch das spielte auch gar keine Rolle. Es war Zeit, die nächste Phase seines Plans zu starten. „Hier, fang!“ Mit einer geschmeidigen Bewegung warf Link seinem Doppelgänger einen runden, dunkel glänzenden Gegenstand zu. Im ersten Moment zuckte der Schattenweltler mit panischem Gesichtsausdruck zurück und ließ die schwarze Kugel mit lautem Patschen vor sich ins Wasser fallen. Aber einen Atemzug später hob er sie dann doch auf, wobei sich seine Miene wieder deutlich aufhellte. „Dir ist bewusst, dass eine Bombe nicht explodiert, wenn man ihre Lunte nicht entzündet, oder?“ Die Stimme des Schattenweltlers troff vor Spott und Hohn, aber das prallte an Link einfach ab. Grinsend hob er die linke Hand und ließ seinen Gegner einen Blick auf den glitzernden Gegenstand werfen, den er zuerst aus seinem Wunderbeutel geholt hatte. „Ja, das ist mir vollkommen klar.“ Um seine Worte zu unterstreichen, nickte Link, während sein Schatten-Pendant alle Farbe im Gesicht verlor und die Bombe fallen ließ. Doch es war bereits zu spät… Link hatte Dins Feuersturm bereits aktiviert. In weniger als einer Sekunde barst eine gigantische Feuerfontäne aus der eigenartigen, kristallinen Hülle, wirbelte ohne ihn zu verbrennen um Link herum und breitete sich so rasend schnell im ganzen Raum aus, dass der Schattenweltler nicht einmal den Hauch einer Chance hatte, sich zu retten. Die fallengelassene Bombe hatte noch nicht einmal den Boden berührt, als die Feuerwand sie bereits erreichte und zur Detonation brachte. Der Schatten-Doppelgänger, der dem Explosionszentrum viel zu nah gewesen war, war augenblicklich tot – auseinandergerissen und verbrannt, sodass nur noch hauchfeine Asche von ihm übrigblieb. Link sank kraftlos in sich zusammen. Jetzt wusste er, was die Feenkönigin damit gemeint hatte, dass er vorsichtig im Umgang mit diesem mächtigen Zauber sein sollte. Er fühlte sich als wäre ihm jegliche Kraft entzogen worden. Sogar sein Herz, das während des Kampfes wild und heftig gehämmert hatte, schlug nun in einem langsamen, fast stotternden Rhythmus. Auch seine Augen offenzuhalten fiel ihm unnatürlich schwer, dabei war es durchaus lohnenswert. Der mächtige Feuersturm hatte sämtliches Wasser im Raum verdunsten lassen, sodass sich die undurchsichtigen Nebelschwaden vollständig aufgelöst hatten, und der Geisterbaum neben ihm brannte mit lautem Knacken, wodurch der gesamte Raum in ein warmes rotgoldenes Licht getaucht wurde. Obwohl er sich am liebsten zusammengerollt und an Ort und Stelle ein Nickerchen gehalten hätte, kämpfte Link sich auf die Füße. Er musste unbedingt weiter und Morpha finden, bevor Ruto es tat und sich in unsinnige Gefahr begab! Doch er hatte kaum zehn Schritte getan, als die Erschöpfung überhandnahm und sich tiefschwarze Ohnmacht über ihn senkte. Noch bevor er ganz registriert hatte, dass seine Beine unter ihm wegknickten, waren ihm die Sinne geschwunden und er stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden, wo er liegen blieb. Nur wenige Herzschläge später stieg das erste, leise Schnarchen in die noch immer aufgeheizte Luft empor. Kapitel 37: Lange Ketten und schleimige Tentakelwesen ----------------------------------------------------- Als Link wieder zu sich kam, war der Gespensterbaum bereits zu einem nur noch zart glimmenden Haufen herabgebrannt und auch die Luft im Raum hatte sich wieder merklich abgekühlt. Link schüttelte ein wenig benommen den Kopf und bemühte sich, die letzten Reste der Schlaftaubheit abzuschütteln. Auf seiner Wange verliefen dicke, rote Striemen – Abdrücke der Fugen zwischen den Fliesen, auf denen das Gesicht des jungen Helden stundenlang gelegen hatte. Seine Glieder fühlten sich noch immer steif an und Link hätte gerne noch ein wenig weitergeschlafen, aber dafür war keine Zeit. Es war ärgerlich genug, dass er sich überhaupt von seiner Erschöpfung hatte übermannen lassen! Also stemmte der Herr der Zeiten sich mühsam auf die Füße und dehnte seine schmerzenden Extremitäten. Wenigstens hatte der Schlaf den stechenden Schmerz in seinem Fuß wieder etwas abklingen lassen. Dennoch belastete Link dieses Bein so wenig wie möglich, als er zu der vergitterten Tür hinüberging. Die Blume, die er entdeckt hatte, bevor sein Schattendoppelgänger ihn überrascht hatte, war schnell wiedergefunden und erwies sich tatsächlich als der gesuchte Schalter. Kaum, dass Link den Blütenkelch in die Fliese hineingedrückt hatte, begannen die Eisenstäbe vor der Tür ein wenig zu wackeln und wurden dann mit einem schleifenden Geräusch in den Boden gezogen. Der nächste Raum war geradezu winzig. Wenn Link die Arme ausbreitete, konnte er beinah die sich gegenüberliegenden Wände gleichzeitig berühren. Wichtiger und interessanter war jedoch die große, hölzerne Truhe, die auf einem kleinen Podest in der Mitte des Raums stand. Mit nur einem kurzen Schritt war Link bei ihr und schob den unverschlossenen Deckel nach hinten. Im Inneren lag eine sauber aufgerollte Kette, die etwa fünf Meter lang war und an ihrem einen Ende ein scharfkantiges Dreieck befestigt war. Sein Fund erinnerte Link sofort an seinen Fanghaken, doch ohne ein entsprechendes Gehäuse war eine solche Kette relativ nutzlos. Er konnte damit höchstens wie mit einer Peitsche um sich schlagen, aber da hatte er wesentlich treffsichere und handlichere Waffen in seinem Repertoire. Sollte dies der erste Fund sein, mit dem er nichts würde anfangen können? Nachdenklich auf der Unterlippe kauend holte Link seinen Fanghaken hervor und inspizierte ihn gründlich. Im Inneren des Metallgehäuses waren noch Unmengen an Platz, sodass die soeben gefundene Kette auch noch hereinpasste. Sofort wandte Link seine Aufmerksamkeit dem vorderen Ende der Fanghakenkette zu und suchte nach einer Möglichkeit seinen Fund daran zu befestigen. So eine Verlängerung würde sich bestimmt als sehr nützlich erweisen. Tatsächlich ließ sich die Spitze vorne zumindest theoretisch problemlos entfernen. Dazu musste lediglich das Glied direkt dahinter aufgebogen werden. Doch obwohl dieser Ring dünner und nicht ganz so sorgfältig geschmiedet war wie die anderen Glieder der Kette, stand Link schon bald der Schweiß auf der Stirn, von wo aus er ihm in die Augen lief. Nach mehreren Minuten hatte der Herr der Zeiten es endlich geschafft, den Ring soweit aufzubiegen, dass er die Spitze vom Rest der Kette lösen konnte. Während er mit der linken Hand bereits nach dem Truheninhalt griff, wischte er sich mit der anderen über die schweißnasse Stirn. Mit einiger Erleichterung stellte er fest, dass sich die Verlängerung relativ einfach an der Hauptkette befestigen lassen würde: An ihrem hinteren Ende war eine Art Karabiner befestigt, der sich ganz unkompliziert einhaken ließ, wenn man ein wenig Kraft aufwand. Als Link den Aufrollmechanismus betätigte und beobachtete, wie sich die jetzt etwa doppelt so lange Kette problemlos um den Eisenstift im Inneren des Metallgehäuses wickelte, überkam ihn ein tiefes Gefühl der Genugtuung. Er hatte es tatsächlich ohne Hilfe geschafft, den Fanghaken zu verlängern und aufzubessern! Stolz und fast ein wenig liebevoll strich er über die neue Spitze, die noch vollkommen unbenutzt wirkte und ein wenig massiver war als das gerade abmontierte Exemplar. An einer Seite des scharfkantigen Dreiecks hielt er jedoch inne. Obwohl das glänzende Metall keinerlei Kratzer aufwies, fühlte es sich an dieser Stelle irgendwie komisch an. Link hob die Spitze so nah vor sein Gesicht wie er nur konnte und verengte die Augen zu Schlitzen, um besser erkennen zu können, was an dieser Seite so sonderbar war, und staunte nicht schlecht. Irgendjemand hatte mit sehr feiner, geschnörkelter Schrift die Worte „Ihr Göttinnen, segnet diesen Enterhaken“ in das Metall graviert. Mit einem Grinsen ließ Link das gute Stück in seinen Wunderbeutel gleiten. Jetzt hatte er statt eines Fanghakens einen ungefähr doppelt so langen, gesegneten Enterhaken – ein guter Tausch wie ihm schien. „So, wo geht es hier jetzt weiter?“ Fragend blickte Link sich in dem winzigen Raum um, ohne eine Tür zu entdecken, die ihn tiefer in den Tempel geführt hätte. Gerade, als er sich fragte, ob er womöglich umkehren, den ganzen Weg zurücklaufen und einen neuen Ansatz suchen sollte, fiel ihm endlich etwas auf. Von irgendwoher drang das sanfte Gurgeln fließenden Wassers an seine Trommelfelle. Irritiert lauschte er in den ansonsten stillen Raum und versuchte auszumachen, woher das Geräusch stammte. Die Ohren gespitzt krabbelte Link auf allen Vieren wieder auf die Truhe zu, da das Wasserplätschern direkt aus ihrem Inneren zu kommen schien. Der Herr der Zeiten stemmte sich mit vollem Gewicht gegen die leere Truhe, die sich erstaunlich leicht verschieben ließ. Darunter kam ein kleines, viereckiges Loch zum Vorschein, das gerade breit genug war, dass ein Mann von Links Statur knapp hindurch passte. Nach einem kurzen, prüfenden Blick wie tief der Sturz wäre, schwang Link sich hinunter. Der Boden, auf dem er landete, war sandig und uneben, doch das leichte Federn des Untergrunds kam Links verletztem Fuß durchaus entgegen. Neben der schmalen Sandbank, die direkt unter dem Loch lag, floss ein breiter, laut gurgelnder Fluss. Das glitzernde Wasser strömte einen leichten Abhang hinab und bildete stellenweise sogar wild wirbelnde Strudel. Einen Moment lang überlegte Link, ob er sich einfach in die Fluten stürzen und schwimmen sollte, zog sich dann allerdings doch seine Eisenstiefel an. Er war zwar ein ausgezeichneter Schwimmer, aber die Strudel stellten eine unberechenbare Herausforderung dar, der er sich lieber nicht aussetzen wollte. Deswegen erschien ihm die Alternative, zu Fuß zu gehen, wesentlich vernünftiger. Tatsächlich gestaltete es sich jedoch um einiges schwieriger als gedacht dem Flusslauf zu folgen. Der Grund war übersät mit Furchen und Bodenwellen, die das Vorankommen schon erheblich erschwerten. Die wahre Gefahr waren jedoch die tiefen Krater über denen sich die Strudel gebildet hatten. Ihre Ränder fielen derart steil ab, dass Link sich nicht sicher war, ob er sich mit den Eisenstiefeln an den Füßen wieder herauskämpfen könnte, sollte er in eines dieser Löcher abrutschen. Die Stiefel auszuziehen hätte jedoch womöglich bedeutet, von der heftigen Strömung erfasst und an der rauen Wand zerschmettert zu werden. So tastete Link sich vorsichtig voran, setzte langsam einen Fuß vor den anderen und wägte jeden Schritt genauestens ab. Nach einer Weile erreichte er endlich einen steinernen Vorbau, der aus der granitenen Wand heraus in den Fluss ragte. Allerdings gestaltete es sich mit den schweren Eisenstiefeln an den Füßen verdammt anstrengend, das Podest zu erklimmen. Diese Ochserei war Link jedoch immer noch lieber als die Quälerei, sich unter Wasser seines Schuhwerks zu entledigen und dieses auch noch in seinem Wunderbeutel zu verstauen. Mit den Stiefeln in der Hand auf den Vorsprung zu klettern, wäre ähnlich schwierig gewesen wie die Kletterei, mit der sich Link nun abmühte, und von daher keine wirkliche Alternative. Als sich der Krieger endlich auf den Vorsprung gehievt hatte, lehnte er sich zunächst schnaufend an die Wand, um wieder zu Atem zu kommen, bevor er sich neugierig umschaute. Gegenüber dem Podest führte in Sprungweite ein Gang aus dem Raum hinaus. Zu Links Unmut hinderte ihn jedoch ein golden schimmerndes Gitter, das vor dem Zugang zu diesem Weg im Fackellicht glänzte, am Vorankommen. Seufzend blickte sich der junge Held weiter um. So langsam zerrte dieser Tempel wirklich an seinen Nerven! Er wollte nur noch Morpha finden und ausschalten, jemanden finden, der Navi helfen würde, etwas Deftiges essen und sich endlich mal wieder richtig ausschlafen… An der Wand rechts von ihm entdeckte Link ein augenförmiges Gebilde, dessen Mittelteil ein Stück weit vorstand und das Link sehr bekannt vorkam. So etwas hatte er bereits im Deku-Baum gesehen. Leider hing der Druckschalter zu hoch und zu weit entfernt, um ihn per Hand zu betätigen, doch das konnte einen so erfahrenen Abenteurer natürlich nicht aufhalten! Schnell war der Bogen aus dem Wunderbeutel gezerrt und nur einen Pfeilschuss später wurde das störende Gatter vor dem Gang mit lautem Rattern in die Höhe gezogen. Durch den dahinter liegenden, unendlich lang wirkenden Gang gelangte Link an einen weiteren Fluss. Dieses Mal handelte es sich jedoch nicht um ein natürliches Gewässer, sondern um einen künstlich angelegten Wasserlauf. Der Herr der Zeiten blickte sich aufmerksam zu beiden Seiten um, ohne etwas Auffälliges zu entdecken. Doch kaum hatte er einen Fuß in das seichte Wasser gesetzt, rumpelte es plötzlich über ihm und eine gigantische Steinkugel stürzte auf ihn herab. Mit einem beherzten Sprung konnte der junge Held sich gerade noch retten, aber Zeit aufzuatmen und sich darüber zu freuen blieb ihm nicht. Noch bevor er wieder richtig auf den Füßen war, rollte die tonnenschwere Gefahr erneut auf ihn zu. Schäumendes Wasser spritzte an die blau gekachelten Wände, während Link den Flusslauf hinunterstürzte und die Kugel immer mehr aufholte. Der Herr der Zeiten hetzte so schnell durch den länglich angelegten Raum, dass er die schmale Nische mit der rettenden Tür beinahe übersehen hätte. Kaum hatte er die Hand auf den Türknopf gelegt, krachte die Steinkugel hinter ihm mit lautem Donnern gegen die Wand, wo sie knirschend in zwei Hälften brach. Aufatmend drehte Link den umklammerten Knauf und trat in einen weiteren kleinen Raum, der glücklicherweise nicht nur frei von bösen Überraschungen war, sondern auch zurück in die Eingangshalle führte. Nach nur kurzer Suche fand Link die imposante, reichhaltig verzierte Tür wieder, die schon bei seinem ersten Rundgang durch die Halle seine Aufmerksamkeit erregt, aber außer Reichweite gelegen hatte. Sie war fast doppelt so breit wie die restlichen Tempeltüren und mit schimmernden, goldenen Metallplatten beschlagen, sodass auf dem dunkelblau lackierten Holz ein kunstvolles Muster entstand. Riesige Steinschlangen flankierten den Durchgang an beiden Seiten und reckten ihre imposanten Köpfe bis unter die Decke. Link legte den Kopf schief und blickte mit einem fast grimmigen Grinsen zu der Tür hinüber. Als er das letzte Mal an dieser Stelle gestanden hatte, hatte er keine Idee gehabt, wie er jemals die andere Seite erreichen können sollte. Doch dank des Enterhakens standen ihm nun völlig neue Wege offen. Schnell kramte Link das gute Stück hervor und visierte die Holzplatte auf der Brust der rechten Schlange an. Die Hakenspitze sauste durch die Luft und bohrte sich tief in ihr Ziel. Link, der unbewusst den Atem angehalten hatte, ließ mit einem Seufzen der Erleichterung die Luft aus seiner Lunge entweichen. Für einen kurzen Moment hatte er befürchtet, durch das zusätzliche Gewicht der Verlängerung könnte die Kette zu schwer sein und nach nur wenigen Metern schlaff zu Boden fallen, da die Katapultkraft des Mechanismus‘ im Gehäuseinneren zu schwach sein könnte. Doch zu seinem Glück funktionierte alles einwandfrei. Als Link vor der breiten Tür stand, erkannte er, dass sie aus zwei Flügeln bestand, die nur durch einen langen, goldenen Riegel verbunden und verschlossen waren. Von einer seltsamen Vorfreude ergriffen, schob der Herr der Zeiten den nur etwa fingerdicken Bolzen zur Seite und zog einen Türflügel auf. Aus irgendeinem Grund war er sich sicher, dass er Morpha und damit dem Ende seiner derzeitigen Aufgabe ganz nah war. Doch zunächst wartete noch eine andere Herausforderung auf ihn: Der Weg vor ihm stieg dermaßem steil an, dass Link hinunterzurutschen drohte, sobald er seinen Schritt verlangsamen oder gar stehen bleiben würde. Als wäre ein solcher Aufstieg nicht so schon schwierig genug, hatte sich der Erbauer des Tempels eine weitere perfide Gemeinheit einfallen lassen: Scharfe, rotierende Messer wurden auf einer Art Fließband quer über den Weg gezogen – von rechts nach links, von links nach rechts und wieder von vorn. Mehrere Minuten lang stand Link unbewegt im Türrahmen, beobachtete die kreisenden Klingen und versuchte, sich ihren Rhythmus einzuprägen. Erst, als er glaubte, das schmale Zeitfenster, das ihm bei jedem Durchlauf blieb, um die Schräge zu erklimmen, ausgemacht zu haben, rannte er los. Obwohl er die Füße, kaum, dass sie den Boden berührt hatten, wieder hochriss, rutschte er bei jedem Schritt ein winziges Stück wieder herab. Dennoch schien er die silbern glänzende Tür, die am oberen Ende des Gangs wartete, ohne weitere Probleme erreichen zu können. Erst, als Link das letzte Messer passieren wollte, zeigte sich, dass er sich verschätzt hatte. Anstatt noch in der Nähe der Wand zu sein, kreiste die Klinge bereits wieder auf die Gangmitte zu. Der scharfkantige Stahl zerteilte zischend die Luft und hätte um ein Haar Links Oberschenkel durchtrennt, hätte der junge Held sich nicht mit einem Satz nach hinten gerettet. Dies hatte jedoch zur Folge, dass er den Halt verlor und unaufhaltsam nach unten rutschte. Dass er hierbei nicht von einem der anderen Messer in Stücke gehackt wurde, war reines Glück. Wieder unten angekommen beobachtete Link mit wild schlagendem Herzen erneut die rotierenden Klingen und versuchte herauszufinden, wo sein Fehler gelegen hatte. War er zu spät losgelaufen? Nein, dann hätte ihn gleich das erste Messer erwischt. Ob er es mal mit Zickzacklaufen probieren sollte? Lieber doch nicht… Er war sich nicht sicher, ob er dabei sein Gleichgewicht würde halten können oder bei einem Richtungswechsel hinabrutschen würde. Als er auch nach fast zehn Minuten noch immer nicht sah, wie er sicher oben ankommen würde, wechselte Link seine Strategie. Einer plötzlichen Eingebung folgend rannte er wieder am gleichen Zeitpunkt wie zuvor los – dieses Mal jedoch nicht in der Mitte des Weges, sondern am linken Rand. Der Ärmel seiner Tunika strich über die Wandfliesen, doch das behinderte Links Vorankommen nicht im Geringsten. Als er endlich das Ende der Stiege erreichte, schmerzten seine Unterschenkelmuskeln, aber das nahm er nur unterschwellig wahr. Seine innere Anspannung und die unerklärliche Gewissheit, Morpha hinter dieser silbernen Tür anzutreffen, waren viel zu groß, um Platz für derlei Nebensächlichkeiten zu lassen. Also machte er ohne zu zögern die paar Schritte zur Tür und drückte die quietschende Klinke herunter, um in den dahinter liegenden Saal zu treten. Ein riesiges, tiefes Bassin, in dem in regelmäßigen Abständen kleine, quadratische Plattformen aus dem Wasser lugten, nahm fast den gesamten Raum ein. Lediglich ganz am Rand verlief ein schmaler Steg, auf dem nur ein einzelner Mann auf einmal Platz hatte, um das Becken herum. Knapp über dem Boden ragten bedrohliche, spitz aussehende Eisenstacheln aus der Wand heraus als wollten sie jeden Besucher sogleich aufspießen. Doch ansonsten war der Raum scheinbar vollkommen leer… Link sprang auf eine der Plattformen, die der Raummitte am nächsten waren, und blickte sich suchend um. Leider konnte er nirgends ein Zeichen von Morpha oder eine weitere Tür entdecken, die ihn vielleicht weiter vorangebracht hätte. Sollten seine Mühen, hierher zu gelangen, tatsächlich umsonst gewesen sein? Hatte er sich von der pompösen Verzierung der Doppelflügeltür in die Irre leiten und in eine Sackgasse führen lassen? War er wirklich dumm genug gewesen, um auf ein solches Täuschungsmanöver hereinzufallen? Enttäuschung und Zorn machten sich in dem jungen Helden breit und er trat frustriert gegen einen kleinen Kieselstein, der neben seinem Fuß gelegen hatte. Der Stein ditschte über das leicht trübe Wasser, bis er nach mehreren Metern den Schwung verlor. Doch anstatt sofort unterzugehen, blieb der Kiesel für einen irritierend langen Moment auf der Oberfläche liegen und sank dann viel langsamer als es normal gewesen wäre zu Boden. Verwirrt warf Link die Stirn in Falten und wollte gerade das Wasser genauer in Augenschein nehmen, als ihm plötzlich ein eisiger Schauer über den Rücken lief und er das Gefühl hatte, jemand stünde hinter ihm. Unsinnigerweise befürchtete er, sein Schattendoppelgänger könnte die Explosion doch irgendwie überlebt haben und ihn erneut angreifen. Umso erstaunter war Link, als er hinter sich nicht einen vor Wut schäumenden Schattenweltler sondern eine Art Wassersäule mit einem pulsierenden, rötlich wirkenden Kern entdeckte. Noch bevor er sich darüber wundern konnte, stürzte sich die Säule, deren Konsistenz eher schleimig als wässrig war, auch schon auf ihn, wickelte ihn ein, hob ihn mehrere Meter in die Höhe und schleuderte ihn gezielt in Richtung der tödlichen Eisendornen. Link sah sich vor seinem geistigen Auge bereits aufgespießt wie einen Wurm auf einem Angelhaken, aber wie durch ein Wunder schaffte er es doch noch, sich zu retten. Anstatt mit dem Oberkörper auf die scharfen Spitzen zu prallen, gelang es ihm irgendwie den abgerundeten Hauptteil der Eisenstäbe mit den Händen zu umfassen und seinen Körper wie bei einem Handstand in die Höhe zu stemmen. Durch die Fluggeschwindigkeit war es ihm unmöglich, das Gleichgewicht zu halten, und seine Beine knallten unsanft gegen die Wand, aber die Hauptsache war, dass er dem Tod mal wieder ein Schnippchen geschlagen hatte. Bei all seinem Glück musste er wahrlich von den Göttinnen gesegnet sein. So schnell er konnte, rappelte sich der Herr der Zeiten wieder auf und blickte sich suchend um. Morpha, das schleimige Tentakelwesen, hatte sich drohend in der Raummitte aufgerichtet und kam langsam auf ihn zu. Sobald es nah genug war, um den vorwitzigen Hylianer, der es gewagt hatte, so tief in diesen Tempel zu dringen, zu packen, ließ Morpha seinen langen Tentakelarm auf Link herabsausen. Dieser wich allerdings mit einer geschickten Drehung aus, zog noch in der Bewegung sein Schwert und durchtrennte mit einem einzigen Schlag Morphas Arm. Dies schien seinen Angreifer jedoch in keiner Weise zu tangieren… Das abgeschlagene Stück fiel einfach in sich zusammen und hinterließ eine bläulich schimmernde Pfütze, während sich der Rest ins Wasserbassin zurückzog, wo es nach nicht mal einer Minute wieder vollkommen unbeschädigt auftauchte, so als wäre nie etwas gewesen. Grummelnd schob Link sein Schwert zurück in die Scheide. Offenbar konnte er Morpha auf diese Weise nicht besiegen. Doch was sollte er stattdessen tun? Als der pulsierende Kern wieder in dem Tentakelarm nach oben glitt, kam Link plötzlich eine Idee. Sofort zückte er seinen Bogen und feuerte einen Pfeil auf die zuckende, rote Kugel ab. Bange Sekunden vergingen, während das Geschoss quer durch den Raum sauste und endlich sein Ziel fand. Vor Überraschung und Schmerz aufjaulend stürzte Morpha in sich zusammen und verbarg sich in der Tiefe des Wasserbeckens. Einen Moment lang fragte Link sich, ob es das schon gewesen und der Kampf bereits beendet war, doch dann entdeckte er den Kern in der Nähe einer Plattform. Schnell schoss Link einen regelrechten Pfeilhagel ab, aber das durchaus intelligente Monster war nun vorgewarnt und so ging ein Schuss nach dem anderen ins Leere. Schon bald musste der junge Held die Erfahrung machen, dass einen Wunderbeutel mit unendlichem Fassungsvermögen zu besitzen nicht bedeutete, dass sich dessen Inhalt unbegrenzt vermehrte. Als Link nach dem etwa dreißigsten Schuss in den Beutel griff, um einen weiteren Pfeil hervorzuholen, blieb seine Hand leer. „Verdammt! Was mache ich denn jetzt? Ich bin so ein Idiot! Warum hab ich nicht daran gedacht, dass so etwas passieren muss, wenn ich blindlings drauflos schieße?!“, schimpfte Link stumm mit sich selbst, während er fieberhaft nach einer neuen Idee suchte. Schon bald würde Morpha merken, dass ihm die Munition ausgegangen war, und einen Gegenangriff starten. Tatsächlich sauste nur wenige Atemzüge später der glitschige Tentakelarm erneut auf Link zu. Zwar konnte dieser wieder problemlos ausweichen, aber das hinderte Morpha nicht daran, ihn zu verhöhnen, indem es seinen Kern durch den Arm wandern ließ – direkt an Link vorbei. Dieser konnte das hämische Lachen regelrecht hören und presste die Kiefer fest aufeinander, während er nur dastehen konnte wie ein zahnloser Löwe. Morpha wiederholte das Spielchen noch ein paar Mal und schien sich köstlich über seinen resigniert wirkenden Gegner zu amüsieren, als Link plötzlich doch noch eine zündende Idee kam. Geduldig wartete er, bis Morpha erneut nach ihm schlug. Aber anstatt wie bisher schon frühzeitig außer Reichweite zu springen, blieb er wie angewurzelt stehen, wobei er eine Hand in seinem Wunderbeutel verborgen hielt. Das Tentakelwesen, das Links Bewegungslosigkeit als Zeichen der Aufgabe deutete, ließ seinen Kern bis ganz nach vorne in seinen Arm gleiten – eine letzte Demütigung für den eh schon hoffnungslosen Gegner. Mit einem breiten, siegessicheren Grinsen, das Morpha irritiert innehalten ließ, riss Link plötzlich den Enterhaken aus dem Beutel hervor und feuerte ihn auf den Kern ab, bevor Morpha auch nur ansatzweise die Möglichkeit gehabt hatte, die Gefahr zu begreifen. Die Spitze durchschlug die pulsierende Kugel genau in der Mitte und riss sie aus dem schützenden Schleimmantel heraus. Zappelnd wie ein Fisch auf dem Trockenen versuchte der Kern, sich zu befreien, doch die Widerhaken der Enterhakenspitze und Links Fuß, mit dem er auf der Kette stand, ließen ihm keine Chance. Einen augenaufschlagkurzen Moment hatte Link das dringende Bedürfnis, das gefangene Monster sich noch eine Weile weiter winden und quälen zu lassen und es so für das zu bestrafen, was es den Zoras angetan hatte, indem es sich dieses Tempels bemächtigt hatte. Über sich selbst erschrocken zog der Herr der Zeiten jedoch schnell sein Schwert und beendete damit den Kampf. Die beiden Kernhälften verschrumpelten nach ihrer Trennung augenblicklich wie verdorrtes Obst und auch das schleimige Wasser im Bassin löste sich zu Links Erstaunen vollständig in Luft auf. Kurz darauf bebte die Erde ein wenig, als Morphas Fluch endgültig brach und der Tempel freigegeben wurde. Kapitel 38: Sonnenaufgang ------------------------- Mit einem erleichterten Seufzer sank Link auf den Boden und schloss die Augen, um tief durchzuatmen und sich langsam ins Bewusstsein zu rufen, dass er den verhassten Wassertempel tatsächlich geläutert hatte und ihn endlich wieder verlassen konnte. Er musste nur noch Prinzessin Ruto finden und ihr die frohe Kunde mitteilen. Gerade, als er sich aufraffen und seine Suche starten wollte, öffnete sich mit einem leisen Quietschen die Tür. Erschrocken riss Link in der schon bekannten, irrationalen Befürchtung, seinem Schattendoppelgänger wieder zu begegnen, den Kopf herum. Doch anstatt sich diesem Alptraum gegenüberzusehen, entdeckte er die Zora-Prinzessin, die mit langen Schritten auf ihn zueilte. Bei ihrem Anblick stahl sich ein erfreutes Grinsen auf sein Gesicht. Damit, dass seine Suche so einfach werden würde, hatte er nicht gerechnet. „Link!“ Mit einem glücklichen Jauchzen warf sich ihm die Zora um den Hals und zog ihn derart fest an ihre Brust, dass die Wangen des jungen Hylianers in einem dunklen Rot aufflammten. Er spürte deutlich wie sich ihre Brüste gegen seinen Oberkörper drückten, was ihm ein ungewohntes Kribbeln durch den Leib jagte. Die unbekannte Emotion jagte dem jungen Mann ein wenig Angst ein, fühlte sich aber gleichzeitig auch irgendwie gut an… Um sich selbst davon abzulenken, begrüßte er die Zora-Frau in seinen Armen geradezu überschwänglich: „Ruto, es geht dir gut! Welch ein Glück!“ Die Prinzessin sah ihn von unten herauf mit einem koketten Augenaufschlag an. „Hast du dir etwa Sorgen um mich gemacht, Liebster?“ Als Antwort brachte Link nur unzusammenhängendes Gestammel hervor, was Ruto vergnügt auflachen ließ. „Das ist süß von dir.“ Sie strich ihm zärtlich eine Haarsträhne aus der Stirn. „Und Morpha hast du auch besiegt. Aber ich hatte von dir auch gar nichts anderes erwartet.“ Sanft legte sie ihm beide Hände auf die Wangen und zog sein Gesicht zu ihrem. „Dafür bekommst du eine Belohnung.“ Obwohl Ruto nur flüsterte, dröhnten ihre Worte in Links Ohren wie Paukenschläge, als ihm bewusst wurde, was die Zora-Prinzessin vorhatte. Mit Zelda vor seinem geistigen Auge versuchte er, sich aus Rutos Griff zu lösen und dennoch nicht allzu verletzend zu sein. Verwundert zog diese die Augenbrauen zusammen, aber bevor sie etwas sagen konnte, schoss ihr plötzlich ein unsäglicher Schmerz in die Brust und nur Sekunden später sackte ihr Körper leblos in sich zusammen. „Ruto!“ Mit sich vor Panik überschlagender Stimme bemühte Link sich, der Zora doch noch ein Lebenszeichen zu entlocken. Als er nach ein paar erfolglosen Minuten aus purer Verzweiflung begann, sie zu schütteln, schoss ihm plötzlich die Redewendung «an gebrochenem Herzen gestorben» in den Sinn. War er etwa schuld an dieser Katastrophe? Doch gerade, als die hinter seinem Unterlid angesammelten Tränen hervorzubrechen drohten, begann Rutos Körper plötzlich von innen heraus zu leuchten. Erschrocken ließ Link ihre Schultern los und machte einen Satz nach hinten. Während der Herr der Zeiten noch mit schockgeweiteten Augen wie gelähmt dastand, konzentrierte sich das Licht im Bauch der Fischfrau, bevor es als leicht zuckende Kugel emporstieg. Einen Moment lang schwebte sie unbewegt vor Link, dessen Herzschlag sich langsam wieder normalisierte, auch wenn er noch immer verwirrt war, dann dehnte sich das bläuliche Licht aus und formte sich zu einer Licht-Ruto. Überrascht wich der Herr der Zeiten noch einen Schritt zurück, während er zu begreifen versuchte. Als er nach einer Schrecksekunde seine Stimme wiederfand, stieß er aus: „Ruto… Du… Du bist die Weise des Wassers!“ Das Lichtwesen blickte ihn für einen Moment verständnislos an, aber dann nickte es langsam und bedächtig. „Ja, ganz offensichtlich bin ich das.“ „Aber was ist mit dir geschehen?“ Die Weisen, die Link bislang außerhalb des Heiligen Reichs gesehen hatte, waren zwar ebenfalls nur Lichterscheinungen gewesen, doch er hatte immer angenommen, dass dies ihren gewaltsamen Toden geschuldet war. Ruto machte eine wegwerfende Handbewegung. „Nichts weiter. Meine Seele musste ihren Körper verlassen, um ins Heilige Reich reisen zu können. Der Herr der Zeiten ist der Einzige, der mit Hilfe des Master-Schwerts die Lichtwelt betreten kann, ohne seinen Körper zu opfern.“ Sofort zog Link verwundert die Augenbrauen zusammen. „Moment! Was war denn mit Ganondorf? Er hat seinen Körper doch auch behalten!“ Ein kleines, leicht trauriges Lächeln stahl sich auf Rutos Lippen, als sie antwortete: „Das ist richtig. Doch erinnere dich daran, dass er dazu nur in der Lage war, weil er durch das von dir geöffnete Portal getreten ist.“ Schuldgefühle brandeten in dem jungen Helden auf und er wandte verlegen das Gesicht ab. Ruto lachte glockenhell und streckte eine ihrer durchsichtigen Hände nach Link aus. „Gräm dich nicht deswegen. Es ist nicht deine Schuld, dass es so gekommen ist.“ „Hm.“ Link schien nicht überzeugt zu sein, aber Ruto wandte sich trotzdem einem anderen Thema zu, das ihr noch mehr unter den Nägeln brannte: „Du hast damals nicht wirklich begriffen, was es bedeutete, dass ich dir den Zora-Saphir überließ, nicht wahr?“ Ein wenig verlegen zupfte Link an seinem Ohrläppchen und schüttelte den Kopf, als er mit gesenkter Stimme entgegnete: „Selbst wenn ich es verstanden hätte, hätte es nichts geändert. Ich brauchte den Zora-Saphir.“ „Ich weiß.“ Auf Rutos Lippen breitete sich ein nachsichtiges, warmes Lächeln aus. „Deswegen entlasse ich dich auch aus diesem Versprechen. Uns ist es sowieso nicht vorherbestimmt in ein und derselben Welt zu leben. Außerdem gehört dein Herz sowieso einer anderen Person.“ Ruto sagte dies ganz ruhig und ohne einen Anflug von Zweifel, was Link innerlich zusammenzucken ließ. Sah man es ihm an, dass er viel zu oft an Zelda denken musste? Oder meinte Ruto womöglich die seltsame Verwirrung, die der mysteriöse Shiek bei jeder Begegnung in ihm auslöste? Als die Zora-Prinzessin das gequält wirkende Gesicht ihres Gegenübers sah, lachte sie erneut auf. „Es ist schon in Ordnung. Mach dir um mich keine Gedanken. Ich bin schon froh und dankbar, dass ich als Weise des Wassers Teil deines Schicksals sein darf. Ich werde alles tun, um dich zu unterstützen, Liebster.“ Sie küsste Link sanft auf die Stirn, was dieser nur als eine Art warmen Lufthauch spürte. „Und mach dir keine Sorgen, du wirst dein Herzblatt schon bald wiedersehen. Da bin ich mir sicher.“ Mit diesen Worten zog sich die Lichtfigur wieder zu einer Kugel zusammen und schwebte davon, bevor Link etwas entgegnen konnte. Einen Moment lang stand dieser noch grübelnd da und blickte dem Licht hinterher. Was wusste Ruto von seinem Liebesleben? Und woher nahm sie bloß diese Gewissheit? Doch dann streifte er seine Grübelei mit einem Schulterzucken ab und machte sich auf, den Tempel endlich wieder zu verlassen. Als Link nur wenige Minuten später aus dem breiten Eingangsportal hinaus in den Hylia-See tauchte, ging gerade die Sonne auf. Wie ein riesiger rotgoldener Ball stand sie hinter der Bergkette im Osten und schickte ihre Strahlen aufs Wasser hinab, wo sie mit einem geheimnisvollen Glitzern über die Oberfläche tanzten. Kaum, dass Link mit seiner Nase aus dem Wasser gestoßen war, atmete er tief ein. Aus irgendeinem Grund war die Luft in alten Gemäuern grundsätzlich abgestanden und in diesem Fall hatte sie sogar noch nach verdorbenem Fisch gerochen, was das Atmen mehr als unangenehm gemacht hatte. Nun genoss er die kühle Frische und die friedvolle Stille, die nur vom Gesang der erwachenden Vögel durchbrochen wurde. Gerade, als er sich auf den Rücken legen und ein wenig treiben lassen wollte, um die innere Anspannung von sich abfallen zu lassen, brach plötzlich ein lautes Tosen los, das ihn erschrocken zusammenzucken ließ. Mit nur einem kurzen Blick hatte Link jedoch bereits den Grund für den plötzlichen Lärm ausgemacht: Nachdem der Fluch gebrochen worden war, strömte nun das durch Magie gefangene Wasser zurück in die ausgetrocknete Mulde des Sees. Lachend ließ Link sich auf den Rücken fallen und sah mit einem glückseligen Lächeln in den heller werdenden Himmel hinauf, bis ihn plötzlich jemand an der Schulter berührte. Überrascht riss der junge Hylianer den Kopf herum und versank bei der unbedachten Bewegung sofort ein Stück weit im kühlen Nass, doch eine schlanke, weiß bandagierte Hand schnellte bereits zu ihm herab, packte ihn am Kragen seiner Tunika und zog ihn auf die kleine Insel inmitten des Hylia-Sees. Als Link Shiek erkannte, der am Ufer kniete und ihn mit einem warmen Strahlen in dem unverhüllten Auge ansah, stahl sich ein breites Lächeln auf seine Lippen. „Du hast es geschafft“, begrüßte der Shiekah den Herrn der Zeiten, wobei er hinter seiner Maskerade ebenfalls zu lächeln schien. „Jetzt, wo Morphas Fluch gebrochen ist, kehrt nicht nur das Wasser in den Hylia-See zurück – auch Zoras Reich wird langsam wieder auftauen. Du kannst stolz auf dich sein.“ Errötend blickte Link zu Boden, auf Shieks Hand, die nur wenige Zentimeter neben seinem Oberschenkel im ausgedorrten Gras lag. „Ich hoffe nur, dass ich nicht zu spät gekommen bin.“ Shiek sprang leichtfüßig auf und ging mit kleinen Schritten zum östlichen Ufer, wo er für einen langen Moment stumm in die aufgehende Sonne starrte. Als er endlich sprach, klang seine Stimme weit entfernt: „Mach dir keine Sorgen. Den Zoras geht es gut und sie haben noch genug Zeit, um auf die Eisschmelze zu warten.“ Geräuschlos folgte Link, dem noch immer Wasser aus Haaren und Kleidung tropfte, seinem Gesprächspartner und trat mit wild schlagendem Herzen an ihn heran. Wann immer er dem Shiekah so nah war, kribbelte es unter seiner Haut und er hatte das unbändige, verwirrende Verlangen, den anderen Mann zu berühren. Als hätte Shiek Links Nähe gespürt, warf er einen Blick über die Schulter, was den Hylianer wie eingefroren stehen bleiben ließ. Mehrere Herzschläge lang sahen die beiden Männer sich einfach nur an, während es Link heiß und kalt den Rücken hinunterlief und seine Gedanken sich zu einem unauflöslichen Knäul verknoteten. Schlussendlich war es Shiek, der das Schweigen und damit die fast knisternde Spannung zwischen ihnen brach: „Wo hast du eigentlich deine aufdringliche Fee gelassen?“ Heiße Schuldgefühle ätzten sich durch Links Magenwand. Für einen Augenblick hatte er doch tatsächlich Navi vergessen! Schnell griff er in seinen Beutel und holte seine Fee hervor. Obwohl sie schlief, wirkte Navi trotzdem wahnsinnig gequält und stöhnte leise. Vor Sorge schnürte sich Links Brustkorb zu und sein Atem vibrierte heftig, als er ausatmete. Sofort war Shiek an seiner Seite und warf einen besorgten Blick auf die nur noch schwach funkelnde Fee. „Das sieht übel aus.“ Die sichtbare Augenbraue bog sich heftig unter der grüblerisch kraus gezogenen Stirn. „Was ist passiert?“ Während Link das Geschehene schnell zusammenfasste, ruhte der intensive Blick des rotbraunen Auges ununterbrochen auf ihm, so als wolle Shiek in seinem Gesicht auch die Dinge lesen, die er nicht aussprach. Als der junge Held schließlich endete, nickte sein Gegenüber bloß und nahm die leidende Fee vorsichtig in seine Hände. Obwohl Shiek mit keiner Silbe erklärte, was er vorhatte, ließ Link ihn gewähren. Aus nicht einmal ihm selbst ganz klaren Gründen vertraute er ihm einfach. Langsam schloss Shiek die Hände über Navi und schloss konzentriert die Augen. Nur einen Augenblick später schoss lilafarbenes Licht zwischen seinen Fingern hervor und Link sprang überrascht zurück. Bevor der Herr der Zeiten begreifen konnte, was vor sich ging, schlug Shiek die Augen schon wieder auf und öffnete die Hände. Navi schlief noch immer auf der Hand des Shiekahs, aber anstatt wild zu flackern, leuchtete ihr Feenlicht wieder beständig und hell. „Ein Heilzauber“, erklärte Shiek, als er den überraschten und verwirrten Gesichtsausdruck seines Gegenübers sah. Bei dem abgespannten, erschöpften Unterton horchte Link auf, doch anstatt die feinen Schweißperlen auf der Stirn des Shiekahs zu sehen, behielt er die erwachende Navi im Auge. „W-Wo bin ich?“ Die Fee blickte sich verwirrt um und zuckte leicht zusammen, als sie erkannte, wer sie in den Händen hielt. Link ging ein wenig in die Knie, sodass er seiner Begleiterin auf Augenhöhe begegnete. „Wir sind wieder draußen. Morpha ist besiegt. Aber was viel wichtiger ist: Wie fühlst du dich?“ „Besser. Mein Kopf tut immer noch weh, aber mir ist nicht mehr schwindelig.“ „Das freut mich. Shiek hat dich übrigens geheilt.“ Warum er sich bei diesen Worten so stolz fühlte, wusste Link selbst nicht. Über das Gesicht der Fee huschte ein voller Blumenstrauß verschiedener Gefühle, als sie mit der Erkenntnis kämpfte, dass ihr ausgerechnet der Mann geholfen hatte, gegen den sie vor nicht allzu langer Zeit gewettert hatte und von dessen Niederträchtigkeit sie überzeugt gewesen war. Nach einiger Zeit rang sie sich dann allerdings doch ein Dankeschön ab, das Shiek nur mit einem knappen Nicken kommentierte. „Du solltest noch eine Zeit lang dafür sorgen, dass sie sich schont“, wandte der Shiekah sich schnell wieder an Link, der nickte und Navi vorsichtig auf seine Schulter setzte, wo sie sich zufrieden in eine Strähne seines weichen Haares kuschelte. Gerne hätte Link den Shiekah gefragt, wohin ihn dessen Weg nun führen würde, aber irgendwie wollten ihm diese Worte nicht über die Lippen kommen. Stattdessen wollte er den anderen Mann zum Dank umarmen, doch Shiek wand sich geschickt unter seinem Arm hindurch. Dann schien er Link erneut zuzulächeln und versprach: „Wir werden uns wiedersehen.“ Bevor der Hylianer antworten konnte, sprang der Shiekah auch schon mit einem eleganten Köpper ins Wasser und war verschwunden. Ein wenig verwirrt stand Link am Ufer und starrte auf die sich kräuselnde Wasseroberfläche. War Shiek etwa vor seiner Nähe geflohen oder gab es einen anderen Grund für dessen überhasteten Aufbruch? Mit einem Kopfschütteln wandte er sich der Brücke zu, die das Festland mit der kleinen Insel verband. Es war wichtiger, etwas zu essen und sich neue Pfeile zu besorgen, anstatt sich den Kopf über diesen verwirrenden Mann zu zerbrechen! Also pfiff er nach Epona, die sofort angaloppiert kam, und machte sich auf den Weg nach Kakariko. Kapitel 39: Flucht des Schattendämons ------------------------------------- Schon von weitem war der Rauch zu sehen, der sich als tiefschwarze Säule bedrohlich in den Himmel schraubte. Als Link endlich begriff, was dies bedeutete, gab er Epona die Sporen und jagte in wildem Galopp auf Kakariko zu, wo er vom Pferd sprang, ohne darauf zu warten, dass seine treue Stute stehen blieb. Auch die Treppe, die ihm als Kind so unendlich vorgekommen war, hastete er ohne Pause herauf. Das laute Knistern und Knacken brennenden Holzes übertönte jedes andere Geräusch und der beißende Rauch machte das Atmen schwer. Dennoch eilte der junge Held in der Hoffnung, einigen Bewohnern helfen zu können, unerschrocken auf die Stadtmitte zu. Als er eine kleinere Treppe hinaufrannte, brach neben ihm der Giebel eines prasselnd brennenden Hauses ein und ein glühendroter Funkenregen stob in die Luft hinauf. Obwohl ihm die Augen tränten und die Lungen schmerzten, rief Link mit rauer Stimme immer wieder: „Hallo?! Ist hier irgendjemand, der Hilfe braucht?“ Doch als er den Brunnen erreichte, der das Stadtzentrum markierte, erkannte er, dass er zu spät gekommen war. Mit vor der Brust verschränkten Armen und mürrischem Blick stand Shiek vor dem Steinring und starrte in die Tiefe. Die weißen Bandagen, die den Großteil seines Gesichts verhüllten, waren rußgeschwärzt und die Leinenwickel um seine Hände wiesen deutliche Brandspuren auf. Link, der sich während seines Ritts auf Eponas Rücken umgezogen hatte und nun wieder seine grüne Tunika trug, wollte erfreut neben den Shiekah treten und sich bei ihm für die Rettung der Stadtbewohner bedanken, aber der andere Mann hielt ihn mit einer Geste zurück. Verwirrt blickte Link auf den ausgestreckten Arm, dessen Hand ihm ziemlich unsanft gegen die Brust geschlagen war. Shiek warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu und murmelte dann: „Bleib zurück. Es ist hier nicht sicher.“ Aus dem Augenwinkel beobachtete Link wie das Feuer auf ein weiteres Haus übergriff und wollte angesichts dieser Warnung laut auflachen. Dass es momentan gefährlich war, sich in dieser Stadt aufzuhalten, musste ihm nun wirklich niemand mehr sagen. Doch noch bevor er etwas hatte sagen können, bebte plötzlich der Boden als hätte es unter der Erde eine Explosion gegeben. Shiek stieß einen bildgewaltigen Fluch aus und nur den Bruchteil einer Sekunde später flog das Holzgerüst über dem Brunnen in die Luft wie von einer Druckwelle oder einer unsichtbaren Hand hinweggefegt. „Was im Namen der Göttinnen…?“ Mit einem Gefühl von scharfkantigen Eiskristallen im Magen griff Link ohne sich dessen bewusst zu sein nach Shieks erstaunlich schmaler Hand, die noch immer auf seiner Brust ruhte. Er hatte sie kaum berührt, da schoss auf einmal eine nachtschwarze, seltsam fest wirkende Wolke aus dem Brunnen und hüllte den ununterbrochen fluchenden und um sich schlagenden Shiek ein. Hilflos musste Link mitansehen wie sein Bekannter von der merkwürdigen Wolke durch die Luft und gegen Hauswände geschleudert wurde, bis sie urplötzlich genug zu haben schien und von ihrem Opfer abließ. Mit einem unterdrückten Stöhnen prallte Shiek heftig gegen Links Brust, wodurch diesem die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Bunte Sternchen tanzten vor den Augen des Hylianers und er drohte das Gleichgewicht zu verlieren, trotzdem konnte er sich nicht dazu durchringen, den Shiekah einfach fallenzulassen. Also grub er seine Hacken tief in die trockene Erde, fing den bewusstlos wirkenden Shiek auf und torkelte ein paar Schritte zur Seite, um nicht zu stürzen. Unterbewusst registrierte er das erstaunlich geringe Gewicht des anderen Mannes, doch seine Aufmerksamkeit galt einzig und allein der seltsamen Wolke, die sich langsam mit dem Qualm der brennenden Häuser zu vermischen und ihn zu beobachten schien. Ganz vorsichtig, ja geradezu liebevoll, legte Link den leise wimmernden Shiek neben dem Brunnen ab und zog sein Schwert. Die heilige Klinge sah in dem flackernden Licht des Feuers ringsum aus als würde sie von innen heraus leuchten, doch davon ließ sich der rauchartige Angreifer nicht beeindrucken. Mit einem Fauchen, bei dem sich Link die Nackenhaare aufstellten, stürzte sich die Wolke auf den jungen Helden. Dieser ließ mit einer eleganten Bewegung seine Waffe wirbeln, aber seine Gegnerin wich nicht nur geschickt aus, sondern schaffte es auch noch ihn zu erreichen, bevor er Zeit für einen weiteren Schlag hatte. Auf einmal war alles um Link herum pechschwarz und in seinem Herzen ballten sich Einsamkeit und Verzweiflung zusammen, obwohl er sich größte Mühe gab, sich dagegen zu wehren. Nur kurz darauf rollte eine regelrechte Flutwelle verdrängter Erinnerungen auf ihn zu und die grausamen Bilder seines ganz eigenen Alptraums prasselten unaufhörlich auf ihn herab. Er sah sich selbst wie er von Mido und dessen Freunden gehänselt und ausgeschlossen wurde; wie er ganz allein abseits am Bach saß, während die anderen Kokiri ein Fest feierten und Salia krank im Bett lag und schlief; wie er von Furcht gelähmt vor Ganondorf stand. Und er sah den König der Gerudos wie er lauthals lachend durchs Heilige Reich schritt, wo er ein schreckliches Blutbad anrichtete und das Triforce an sich riss. Ob er geschrien hatte, bevor er von Ohnmacht übermannt worden war, wusste Link nicht. Doch als er wieder zu sich kam, gab er noch immer leise, gequälte Laute von sich. Navi, die zuvor in einer Tasche seines unter der Tunika getragenen Hemds geschlafen hatte, saß mit besorgtem Gesichtsausdruck auf seiner Brust und Shiek, dem es wieder gutzugehen schien, kniete neben ihm und beobachtete jede von Links Regungen genauestens. Starker Regenfall, der eingesetzt hatte, während Link außer Gefecht gesetzt gewesen war, löschte die brennenden Häuser und vertrieb den beißenden Qualm. „Was war das?!“ Langsam rappelte Link sich wieder auf, wobei er darauf achtete, dass Navi genug Zeit hatte, zu einem Platz auf seiner Schulter zu klettern, wo sie nicht herunterfiel. Der Ausdruck in Shieks unverdecktem Auge schwankte zwischen tiefer Sorge, Erleichterung, Angst und Hoffnungslosigkeit, was Links Herz schmerzhaft krampfen ließ. Was konnte dermaßen schlimm sein, dass der ansonsten so abgebrüht erscheinende Shiekah plötzlich derart erschüttert wirkte? „Du bist soeben einem Schattendämon begegnet und kannst wirklich von Glück reden, dass Navi während deines Kampfes aufgewacht ist. Ihr Feenlicht hat den Dämon verscheucht und zum Rückzug in den Schattentempel getrieben“, erklärte Shiek mit angespannt klingender Stimme. Statt die nach Anerkennung heischende Fee zu beachten, riss Link überrascht die Augen auf, als er Shieks Worte hörte, die den prasselnden Regen kaum übertönten. Sofort hatte er das Bild seines Doppelgängers vor sich und erschauderte leicht. Doch Shiek, der wieder einmal Links Gedanken lesen zu können schien, schüttelte den Kopf. „Dämonen wie der vorhin stammen zwar ebenfalls aus dem dunklen Reich, aber sie sind nicht mit den Schattenweltlern zu vergleichen. Schattenweltler sind denkende und fühlende Wesen, sie können sich ebenso gut rechtschaffen wie auch niederträchtig verhalten. Sie haben einen freien Willen. Doch Dämonen kennen nichts anderes als Verderben, Chaos, Zerstörung und Tod.“ Link hätte gerne gefragt, woher Shiek von seiner Begegnung mit einem Schattenwesen wusste oder ob für ihn das Wissen über die drei Reiche einfach zum Allgemeinwissen gehörte, aber er fand keine Möglichkeit seine Frage zu platzieren, denn Shiek fuhr bereits fort: „Dieser Dämon hat es vor Jahren irgendwie geschafft, die Grenzen zwischen den Reichen zu überwinden und in unsere Welt einzudringen. Sein Ziel war die totale Auslöschung allen Lebens. Deswegen hat Impa ihn mit einer List in die Falle gelockt und auf dem Grund dieses Brunnens versiegelt.“ Überrascht zog Link die Augenbrauen hoch, als er den Namen von Zeldas Gouvernante hörte. Er fand es allerdings nicht nur erstaunlich, dass Impa in einer solchen Geschichte überhaupt erwähnt wurde, sondern auch, dass Shiek sie beim Vornamen nannte und in einem überaus vertraut klingenden Ton von ihr sprach. Kannten die Beiden sich etwa? Sofort musste der Herr der Zeiten an seine halbherzige Theorie denken, Zelda könnte Shiek zu seiner Unterstützung geschickt haben. Noch während Link über eine mögliche Verbindung von seinem Gegenüber zu der Prinzessin grübelte, nahm der ansonsten so körperkontaktscheue Shiekah plötzlich seine Hand und umschloss sie fest. Auch der Blick aus dem rotbraunen Auge war ungewöhnlich intensiv und jagte dem jungen Hylianer Gänsehaut über den gesamten Körper. „Als wir bemerkten, dass der Bann schwächer wurde, ging Impa in den Schattentempel, um ihn zu erneuern – denn nur dort kann der Zauber wirksam ausgesprochen werden“, setzte Shiek mit drängender Stimme an. „Aber jetzt, wo das Siegel bereits ganz gebrochen und der Dämon frei ist, fürchte ich um ihr Leben!“ Tränen sammelten hinter Shieks Unterlid und drohten überzulaufen. In einer kameradschaftlichen Geste legte Link dem flehentlich aussehenden Mann seine freie Hand auf die Schulter. „Keine Angst. Ich schwöre, dass ich sie retten und den Dämon besiegen werde!“ Navi, die nach ihrer Missachtung durch Link stumm schmollend in dessen Halsbeuge gesessen hatte, machte ein unglückliches Gesicht. Anscheinend hatte sie die Hoffnung für Impa bereits aufgegeben. Oder ihr missfiel schlicht der Gedanke, sich in ein dermaßen düster klingendes Gebäude wie den Schattentempel zu begeben. Shiek nickte, aber der besorgte Ausdruck in seinem Auge blieb. „Leider gibt es da noch das ein oder andere Problem. Jemandem, der nicht dem Volk der Shiekah angehört, ist es ohne das ‚Auge der Wahrheit‘ unmöglich den Tempel zu erkunden. Blöderweise habe ich keine Ahnung, wo dieses alte Relikt zu finden ist.“ „Warum gehst du dann nicht selbst und hilfst Impa?“ Navi zog eine Augenbraue in die Höhe und bedachte Shiek mit einem herausfordernden Blick. Offenbar hatte seine Hilfe am Hylia-See nicht ausgereicht, um ihre Antipathie ihm gegenüber zu tilgen. Link seufzte und machte eine entschuldigende Geste, doch Shiek schien die Provokation schlicht zu überhören. „Ich habe euch schon einmal gesagt, dass ich kein allzu guter Kämpfer bin. Und außerdem bin ich nicht der Herr der Zeiten. Nur ihm allein ist es möglich den Dämon zu bezwingen. Man braucht nämlich eine Waffe des Lichts – so wie das Master-Schwert – um einen Schattendämon verletzen zu können.“ Navi sah nicht überzeugt aus, aber die beiden Männer beachteten sie nicht weiter. „Das Auge der Wahrheit wäre also ein Problem. Wie sehen die anderen aus?“, fragte Link, dem Schreckliches schwante. „Es gibt eigentlich nur noch ein weiteres: Der Eingang zum Tempel liegt außerhalb deiner Reichweite. Doch dafür habe ich eine Lösung parat.“ Mit einem halbherzigen Grinsen in der Stimme holte Shiek seine goldene Lyra hervor. „Die Nocturne der Schatten wird dich direkt zum Tempeleingang bringen.“ Aufmerksam lauschte Link den melancholischen, fast wehmütigen Tönen, die sich in die noch immer nach Asche schmeckende Luft erhoben und ein paar der Bewohner anlockten, die langsam in ihre vom Regen gelöschte Stadt zurückkehrten. Als er sich sicher war, sich das Lied genügend eingeprägt zu haben, nickte Link Shiek zu, der daraufhin sein Musikinstrument wieder hinter seinem Brustschutz verstaute. Noch immer ließ der Shiekah seine Schultern hängen und wirkte insgesamt extrem angespannt. „Mach dir keine Sorgen. Ich werde das Auge der Wahrheit schon finden und diesem Schattendämon dann ruckzuck den Garaus machen“, versicherte Link lächelnd in der Hoffnung, sein Gegenüber ein wenig aufmuntern zu können. Von der Wärme in Links Stimme bewegt, sah Shiek zu dem größeren Mann auf und wollte ihm gerade seinen Dank aussprechen, als die Beiden von einem älteren Herrn angesprochen wurden, der durch die Nocturne der Schatten angelockt worden war: „Ihr sucht das Auge der Wahrheit? Vielleicht kann ich euch helfen.“ Wie vom Donner gerührt starrten Shiekah und Hylianer den alten Mann an, der daraufhin amüsiert grinste und sagte: „Wie ihr sicherlich wisst, war dieses Städtchen hier früher einmal ein Shiekah-Dorf, bevor die große Impa es als Kakariko neugründete und für alle Rassen öffnete.“ Die beiden jungen Männer nickten und Navi machte ein konzentriertes Gesicht. Sie wollte sich jedes Detail des Gesagten einprägen, um das Wichtige herausfiltern zu können. „Einer alten Legende zufolge“, fuhr der alte Herr fort, „gab es unter den Shiekah einen Mann, der immer die Wahrheit erkannte – egal wie verschleiert sie daherkam. Man sagt, er habe das Auge der Wahrheit besessen.“ Navi warf nachdenklich die Stirn in Falten und fragte: „Und wie soll uns das jetzt helfen? Vielleicht ist das nur eine Metapher dafür, dass dieser Shiekah ein sehr feines Gespür dafür hatte, ob jemand log oder die Wahrheit sprach. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass diese Geschichte gar nichts mit dem von uns gesuchten Relikt zu tun hat.“ Link, der den Zweifeln seiner Fee nur zustimmen konnte, nickte bedächtig und warf einen kurzen Seitenblick auf Shiek, der ebenfalls wenig überzeugt aussah. Doch der alte Mann, dessen blauer Leinenumhang vom Regen so dunkel war, dass er schwarz wirkte, ließ sich nicht beirren. „Natürlich ist es möglich, dass die Wortwahl der Überlieferung nichts als purer Zufall ist, aber diese Legende ist der einzige Hinweis auf das Auge der Wahrheit, auf den ich in den langen Jahren als königlicher Bibliothekar je gestoßen bin.“ Shiek und Link wechselten einen schnellen Blick. Das klang gar nicht gut… Wenn sich das Auge der Wahrheit als unauffindbar erweisen sollte, stünden die Chancen für Impas Rettung mehr als schlecht. „Also gut“, setzte der Herr der Zeiten deswegen an, „sag uns, was du sonst noch weißt. Wir können jeden Tipp brauchen, den wir kriegen können.“ Der alte Mann nickte zufrieden. Endlich wurde sein Wissen gewürdigt und er konnte mit seinen Kenntnissen glänzen. „In der Legende heißt es, der Shiekah sei bei einem Ausbruch des Todesberges ums Leben gekommen“, fuhr der Alte fort, wobei sich seine Stimme vor Begeisterung darüber seine Kenntnisse weitergeben zu können, gleich mehrfach überschlug. „Er soll in seinem Haus von den herabstürzenden Geröllmassen erschlagen worden sein. Da er das Auge der Wahrheit stets bei sich getragen haben soll, ist davon auszugehen, dass es ebenfalls unter den Gesteinsbrocken begraben worden ist.“ Gespannt wie Flitzebögen hingen die drei Zuhörer an den Lippen des ehemaligen Bibliothekars, der die Aufmerksamkeit sichtlich genoss, während er fortfuhr: „Das Haus des Shiekahs soll übrigens…“, er machte eine wichtigtuerische Kunstpause, für die Link ihn gerne geohrfeigt hätte, „… genau dort gestanden haben, wo sich nun der Brunnen befindet.“ Wie magisch angezogen wanderten alle vier Augenpaare zu dem fast perfekt runden Steinkreis. Doch während die Männer geradezu andächtig schwiegen, war es wieder einmal Navi, die als Einzige Bedenken äußerte: „So wertvoll wie das Auge der Wahrheit ist, ist es mehr als unwahrscheinlich, dass es nicht schon lange von irgendwelchen Schatzjägern ausgegraben worden ist – sofern es sich wirklich je hier befunden haben sollte.“ Der alte Mann legte den Kopf schief und bedachte die winzige Fee mit einem Blick, der zwischen Bewunderung für ihren scharfen Verstand und Ärger über ihre offene Kritik schwankte. „Wir Shiekah glauben, dass Grabraub jeder Art mit einem schrecklichen Fluch belegt wird – es kann dich sogar dann treffen, wenn du nur zugelassen hast, dass die Ruhe der Toten gestört wird“, erklärte Shiek sehr zur Überraschung des Bibliothekars. Um sich nicht die Show stehlen zu lassen, beeilte er sich hinzuzufügen: „Ja, genau. Deswegen bewachten die Shiekah das verschüttete Haus wie einen kostbaren Schatz. Im Laufe der Zeit geriet das Auge der Wahrheit dann immer mehr in Vergessenheit und mit den Shiekah starb auch das Bewusstsein aus, dass es sich dabei um einen Gegenstand und nicht bloß um ein Sinnbild handelte.“ Angesichts dieses Seitenhiebs schürzte Navi missbilligend die Lippen und wollte zu einer spitzen Bemerkung ansetzen, doch Link kam ihr zuvor: „Na schön, das klingt ja alles schon reichlich abenteuerlich, aber wir können es uns nicht leisten, Hinweise zu ignorieren, bloß weil sie uns zu weit weggeholt erscheinen.“ Er nickte Shiek zu, der ebenfalls den Kopf neigte. „Ich steige runter in den Brunnen, ihr wartet hier.“ Mit diesen Worten schwang der Herr der Zeiten bereits seine langen Beine über den Brunnenrand und er stieg auf die nach unten führende Leiter. Zu seiner großen Überraschung war der Brunnen vollkommen leer und ausgetrocknet. Leider ließ sich trotz der dadurch erleichterten Suchbedingungen kein Hinweis auf das Haus finden, das angeblich mal an dieser Stelle gestanden haben sollte. Dennoch erregte ein Teil der Wand Links Aufmerksamkeit. Anders als der Rest bestand er nicht aus großen, grob behauenen Steinen, sondern war wie es schien vor nicht allzu langer Zeit fein säuberlich verputzt worden. Schnell klopfte Link die sonderbare Wand ab, aber es hatte nicht den Anschein als gäbe es eine Stelle, die dünn genug gewesen wäre, um sie zu durchbrechen. Wieder oben angekommen berichtete er den Wartenden von seinem Fund. Navis Gesicht sagte ihm deutlich, dass sie der Meinung war, das alles sei eine Schnapsidee und sie sollten besser einen neuen Ansatz suchen, die Augen des alten Bibliothekars leuchteten aufgeregt und Shiek wiegte nachdenklich den Kopf hin und her, bis er schließlich sagte: „Du solltest diese Spur weiter verfolgen, ich habe dabei ein gutes Gefühl. Frag doch mal den Müller, ob er etwas weiß – schließlich ist er für den Brunnen verantwortlich.“ Auch der alte Mann stimmte nickend zu: „Ja, das ist eine gute Idee!“ Sofort eilte Link auf die Treppe zu, die zu der großen Windmühle hinaufführte, doch als er bemerkte, dass Shiek nicht hinter ihm war, hielt er inne: „Kommst du nicht mit?“ Die Enttäuschung war seiner Stimme deutlich anzuhören. Irgendwie hatte er gehofft, dass sie Beide endlich ein richtiges Team bilden würden… Der Shiekah jedoch schüttelte nur den Kopf, wobei ihm eine blonde Strähne ins Auge fiel. „Ich habe noch einiges zu erledigen.“ Mit diesen Worten wandte er sich um und strebte davon, nur um sich nach wenigen Metern wieder umzudrehen: „Ich verlasse mich auf dich.“ Link nickte schief lächelnd und rannte die Treppe hinauf, ohne seinem mysteriösen Bekannten weiter nachzublicken oder auf den alten Mann zu warten. Im Inneren der Mühle, die vom Brandherd weit genug entfernt gewesen war, um ungefährdet zu sein, war es angenehm warm und es roch dezent nach Sägespänen, was Link an die glücklicheren Tage seiner Kindheit erinnerte, die er zusammen mit Salia beim Schnitzen und Tischlern verbracht hatte. Augenblicklich fühlte er sich auf seltsame Art heimisch in dem hohen Backsteingebäude, das von dem leisen Knarzen und Schaben der Schleifsteine erfüllt war. Der Müller, der im hinteren Bereich der Mühle gerade dabei war einen Mehlsack zu verschließen, war ein etwas schief gewachsener Mann in den mittleren Jahren. Bis Link an ihn herantrat, pfiff er fröhlich vor sich hin, doch als er des jungen Helden ansichtig wurde, verstummte er plötzlich und musterte seinen Besucher mit skeptischer Miene. „Dürfte ich Sie für einen kurzen Moment stören?“, fragte Link ein wenig zögerlich, wobei er sich über sich selbst ärgerte, weil ein böser Blick noch immer ausreichte, um ihn nervös zu machen. Der Müller richtete sich langsam auf, was die Schiefe seiner Wirbelsäule erst wirklich zum Vorschein brachte. „Was willste denn?“, blaffte er mit nasaler Stimme. Aus irgendeinem Grund wurde Link das Gefühl nicht los, dass sein Gegenüber kein genereller Misanthrop war, sondern eine spezielle Aversion gegen ihn hatte. War er dem Müller früher schon einmal begegnet und hatte sich etwas zuschulden kommen lassen? So sehr er sich auch bemühte, ihm wollte nichts einfallen, was diesen Mann gegen ihn hätte aufbringen können. „Ich habe nur eine Frage, von der ich hoffe, dass Sie mir bei der Beantwortung behilflich sein können: Seit wann ist der Brunnen eigentlich schon trocken und wann wurde die Wand ganz unten verputzt?“ „Das sind zwei Fragen.“ Der Müller strich sich die Hände an seiner braunen Schürze ab und hinterließ dabei weiße Schliere auf dem rauen Stoff, während Link ihn verdutzt anstarrte. Navi, die sich bislang zurückgehalten und stumm auf Links Schulter gesessen hatte, plusterte sich nun zu voller Größe auf. Doch anstatt sich wie von Link befürchtet lauthals zu echauffieren, säuselte sie in süßem Tonfall: „Sehen Sie es doch einfach so: Jeder von uns hat eine Frage.“ Anscheinend war der Müller jedoch gänzlich unempfänglich für ihren Charme, jedenfalls warf er ihr nur einen vernichtenden Blick aus seinen dunkelbraunen Augen zu. Allerdings begann er nach einem langen Augenblick doch noch zu erzählen, wobei er Link mit finsterem Gesicht anstarrte: „Vor etwa sieben Jahren kam ein Junge in meine Mühle und spielte mir dieses seltsame Lied vor, das alles durcheinanderbrachte.“ Link und Navi lehnten sich interessiert vor, während der Müller mit steigender Wut in der Stimme fortfuhr: „Ihr werdet es mir nicht glauben, aber dieses Lied hat einen schrecklichen Sturm heraufbeschworen, durch den sich die Windblätter draußen viel zu schnell gedreht haben. Ihr müsst wissen, dass sie nicht nur mit den Schleifsteinen hier, sondern auch mit einer Pumpe im Brunnen verbunden sind.“ Einen Moment lang sah er aus als wolle er sich in technischen Details über das ausgeklügelte Pumpsystem ergehen, das die Mühle beständig mit frischem Wasser versorgt und dem Hausherrn so den lästigen Gang zum Brunnen erspart hatte, besann sich dann jedoch eines Besseren: „Naja, ob ihr’s glaubt oder nicht: Das Lied oder vielmehr der entstandene Sturm hat dafür gesorgt, dass der Brunnen binnen Minuten leer gepumpt war und ich die ganze Bude unter Wasser stehen hatte. Nahezu das ganze Korn der damaligen Ernte war hinüber!“ Mit einem würgenden Geräusch spukte der Müller Link vor die Füße und funkelte den jungen Helden wütend an. Obwohl die Aufgebrachtheit seines Gegenübers ihn nervös machte, bohrte Link weiter nach: „Aber was ist mit der verputzten Wand? Und warum ist der Brunnen in den vergangenen sieben Jahren nie wieder neu gefüllt worden?“ Nun wandelte sich der von rasendem Zorn dominierte Gesichtsausdruck des Müllers in eine mürrische Miene. „Nachdem der Brunnen leergepumpt worden war, ertönten plötzlich Schreie aus seinem Inneren.“ Mit großen, neugierigen Augen lehnte Navi sich noch ein Stückchen vor, sodass sie leichte Schwierigkeiten hatte, auf Links Schlüsselbein das Gleichgewicht zu halten. „Was für Schreie?“, hakte sie nach. Link nickte kurz, um sein Interesse ebenfalls zum Ausdruck zu bringen. Der Müller zuckte abwehrend mit den Schultern. „Weiß nicht. Niemand weiß das. Sie klangen wie von Tieren, aber ich kenne kein Wesen, das solche Laute von sich gibt.“ Link und Navi wechselten einen aufgeregten Blick, während ihr Gegenüber fortfuhr: „Ist mir aber auch egal, was dieses Gekreische verursacht hat. Seit ich kurz danach das Loch da unten zugemacht hab, herrscht wieder Ruhe. Allerdings will seitdem niemand mehr Wasser aus dem Brunnen trinken, weswegen wir uns nie die Mühe gemacht haben, ihn wieder zu füllen.“ Mit einer knappen Bewegung wandte er sich wieder den offenen Mehlsäcken zu, warf dann aber noch einen Blick über die Schulter und blaffte: „War’s das? Oder wollt ihr noch was?“ Navi schüttelte den Kopf. Sie war geistig so sehr mit dem Ursprung des Brunnenspuks beschäftigt, dass sie etwas Wichtiges vergaß. Doch Link nickte und fragte: „Dieses Lied, das der Junge Ihnen vorgespielt hat… Erinnern Sie sich noch daran?“ Der Blick, den der Müller ihm daraufhin zuwarf, war dermaßen stechend und vernichtend, dass Link das Gefühl hatte auf Insektengröße zusammenzuschrumpfen. „Natürlich erinnere ich mich!“ Einen Moment lang war der Müller, dessen schütteres Haar in dem Licht eines durchs Fenster fallenden Sonnenstrahls glänzte wie poliertes Nussholz, in düsterer Grübelei versunken, dann murmelte er ein knappes «Warte hier» und strebte in den Wohnbereich davon. Nach nur fünf Minuten, in denen Link die Feinheit des reinweißen Mehls und die ausgeklügelte Technik der Mühle bewundert hatte, kam der grimmige Mann zurück. In der Hand hielt er einen Fetzen Stoff, den er nun dem Herrn der Zeiten reichte. Auf dem vergrauten Leinen prangten ein paar wenige Noten, die jemand hastig mit schwarzer Farbe darauf gepinselt hatte. Link nahm den Stoff mit einem dankbaren Nicken entgegen und hielt ihn Navi hin, damit sie die kryptischen Zeichen für ihn in Töne übersetzen konnte. „Hast Glück, dass mein Schwager Musiker ist“, brummte der Müller. „Vorgespielt hätte ich’s dir bestimmt nicht.“ Unwillkürlich versuchte Link, sich den Sturm von vor sieben Jahren vorzustellen, und versicherte: „Das verstehe ich.“ Dann nickte er dem Müller, der ihn noch immer mit eiskaltem Blick musterte, ein letztes Mal zum Abschied zu und schickte sich an, die Mühle wieder zu verlassen. Er hatte bereits die Hand auf die Türklinke gelegt, als ihm der Müller noch etwas hinterher rief, das ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte: „Das Rattengesicht von damals sah übrigens aus wie du!“ Wieder draußen entdeckte Link den auf der untersten Treppenstufe sitzenden, alten Bibliothekar, der enttäuscht darüber, von Link ausgeschlossen worden zu sein, mit traurigem Blick zu ihm heraufsah. Doch Link hatte keine Zeit für ein schlechtes Gewissen, da Navi bereits vor ihm in der Luft flog und ihn aus großen Augen ansah. „Denkst du dasselbe wie ich?“, fragte sie aufgeregt. Der junge Held nickte wage und holte tief Luft, um die aufkeimende Nervosität einzudämmen. „Ja. Ich glaube, es wird Zeit herauszufinden, ob es stimmt, was Shiek uns über meine Fähigkeit zu Zeitreisen gesagt hat.“ Kapitel 40: Das Geheimnis des Brunnens -------------------------------------- Einige Stunden später stand Link mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend vor dem Podest, aus dem er einst das Master-Schwert gezogen hatte, und drehte die heilige Waffe unschlüssig hin und her, sodass das durch die hohen Deckenfenster fallende Licht über die Klinge tanzte. Navi saß auf seiner Schulter und machte ebenfalls ein zweifelndes Gesicht. „Hast du Angst?“, wagte sie sich ein wenig zögerlich vor, nur um bei Links Antwort von einem Schulterzucken durchgeschüttelt zu werden. „Ich weiß nicht. Ich vertraue Shiek durchaus, doch dass ich gar keine Vorstellung von dem habe, was mich erwartet, macht mir Bauchgrimmen. Aber mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben als es einfach zu versuchen…“ Tief einatmend schloss der Herr der Zeiten die Augen und rammte das Master-Schwert tief in den Zeitfels. Einen augenaufschlaglangen Moment geschah rein gar nichts, doch dann schoss eine Fontäne blauen Lichts aus den Ritzen rund um die Klinge hervor und umhüllte Link, der noch immer das Heft umklammert hielt. Selbst durch die geschlossenen Lider war das Licht noch immer hell genug, um den jungen Mann zu blenden. Gerade, als er sich den Arm übers Gesicht legen wollte, um seine Augen zu schützen, schoss ein dermaßen schmerzhaftes Ziehen durch seinen Körper, dass er am liebsten laut aufgeschrien hätte. Doch bevor auch nur ein Ton Links Lippen verlassen hatte, hatte sich der Schmerz zusammen mit dem Licht bereits wieder verzogen und nur ein dumpfes Kribbeln in der Brust hinterlassen. Zögerlich öffnete Link die Augen und erschrak unweigerlich über das, was er sah. Das Master-Schwert reichte ihm plötzlich wieder bis knapp unter die Augen, seine Handschuhe rutschten ihm von den Händen, sein Kettenanzug hing lose um seinen schmalen Körper und seine Tunika hatte auf einmal die Ausmaße eines bodenlangen Kleids. Sogar das Licht, das durch die Bleiglasfenster fiel, schien einen goldeneren Ton als zuvor zu haben. Navi, die wieder mehr wie ein Mädchen als wie eine Frau aussah, sprang von seiner Schulter und flog vor ihren Begleiter, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen. Nachdem sie ihren Blick an ihm hatte herabgleiten lassen, grinste sie ihn breit an: „Sieht so aus als hätten wir’s geschafft! Wir sind tatsächlich durch die Zeit gereist!“ Während seine Fee aufgeregt um ihn herum kreiste, ließ der Junge langsam den Schwertgriff los. Es war ein merkwürdiges Gefühl, nach all der Zeit wieder in seinem Kinderkörper zu stecken… Obwohl er sich noch immer vertraut anfühlte, wirkte er irgendwie zu eng – so als wäre sein Geist in seinem erwachsenen Körper zu sehr gewachsen, um jetzt wieder in diese kleinere Version hineinzupassen. Für derlei Gedanken hatte der junge Held jedoch keine Zeit, also entledigte er sich flugs seiner zu großen Kleider, stopfte sie in seinen Wunderbeutel und holte seine Kindertunika und Stiefel hervor, die glücklicherweise ein kluger Kopf hereingetan hatte, während er in seinem merkwürdigen Tiefschlaf gefangen gewesen war. Anschließend warf er einen letzten Blick auf das Master-Schwert, das friedlich im Zeitfels ruhte und geduldig auf seine Rückkehr zu warten schien. Einen Moment lang machte er sich Sorgen, jemand könne es rauben, aber dann fiel ihm wieder ein, dass nur der Herr der Zeiten in der Lage dazu war, die heilige Waffe aus dem Stein zu ziehen. Als die beiden Abenteurer vor die Zitadelle traten, verschlug es Link ein wenig den Atem und er hielt einen Moment inne, um das sich ihm bietende Bild auf sich wirken zu lassen. Das Wasser in den flachen Bassins neben dem imposanten Eingangsportal glitzerte wie geschliffenes Glas und die bunten, in großen Kübeln wachsenden Blumen schwängerten die reine Luft mit ihrem dezenten, süßen Duft. Während all der Zeit in dem von Ganondorf geschundenen Hyrule der Zukunft hatte Link ganz vergessen wie traumhaft schön sein Heimatland eigentlich war. Oder hatte er es früher als Selbstverständlichkeit angesehen und nicht genügend beachtet? Mit einem Schulterzucken streifte der Junge seine Grübelei ab und schwor sich, diese Schönheit für die Zukunft zu bewahren und Ganondorf daran zu hindern, sie zu zerstören. Einige Stunden später stand Link bereits vor dem Brunnen in Kakariko und blickte in das fast schwarz wirkende Wasser hinab. Navi balancierte über den Rand und musterte mit sorgenvoller Miene die gräuliche Gesichtshaut und die dunklen Ringe unter den Augen ihres Begleiters. „Du siehst schrecklich erschöpft aus. Vielleicht sollten wir erst einmal eine Rast einlegen, damit du dich erholen kannst…“ Als Link mit einer kurzen Handbewegung abwinken wollte, insistierte die Fee: „Du hast dir schon seit Tagen keine Ruhe mehr gegönnt… Langsam wird es gefährlich. Wer sich in solche Gefahren begibt wie du sollte zumindest ausgeschlafen sein. Komm schon! Mir zu Liebe…“ Link seufzte und schubste einen kleinen Stein, der mit einem lauten, hallenden «Gluck» unterging, über den Brunnenrand ins Wasser. „Hab ich dafür überhaupt Zeit, während Impa im Schattentempel Hilfe braucht?“ Ein schelmisches Grinsen huschte über Navis Gesicht, als sie den übermüdeten Jungen erinnerte: „Hast du etwa vergessen, was Shiek gesagt hat? Egal, wie viel Zeit wir hier beziehungsweise im Jetzt brauchen – sobald du das Master-Schwert wieder aus dem Zeitfels ziehst, landen wir wieder genau bei dem Moment, an dem du es in der Zukunft hineingestoßen hast.“ Langsam erhellte Erkenntnis Links Züge und seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. „In Ordnung. Ich frage gleich mal in der Herberge, ob noch ein Bett frei ist. Aber zuerst kümmere ich mich um den Brunnen. Ist vielleicht sogar ganz gut, wenn wir uns danach erst mal für ein paar Stunden nicht blicken lassen. Im Morgengrauen schleichen wir uns dann raus und gehen der Sache auf den Grund.“ Mit diesen Worten wandte er sich vom Brunnen ab und strebte auf die Mühle zu. Das Innere des Gebäudes sah genauso aus wie Link es in Erinnerung hatte. Anscheinend hatte Ganondorf kein großes Interesse daran, Lebensmittellieferanten zu schikanieren. Link strich gedankenversunken über eine der holzvertäfelten Wände und blickte sich aufmerksam um. Es war ein merkwürdiges Gefühl, zu wissen wie dies alles in sieben Jahren aussehen und dass er gleich den Großteil der diesjährigen Kornernte ruinieren würde. Navi, die sein Unbehagen zu spüren schien, legte ihm eine Hand auf die Wange und versuchte, ihm tief in die Augen zu sehen. „Du musst das hier tun“, flüsterte sie. „Für Hyrule. Für Impa. Für Zelda.“ Der Junge seufzte und nickte bloß. Ihm war bewusst, dass er seinem Schicksal nicht entkommen konnte. Aber das hieß noch lange nicht, dass es ihm gefallen musste… Langsam schritt Link auf der Suche nach dem Hausherrn durch die Mühle. Als er ihn schließlich im Kornlager fand, zuckte der junge Held vor Überraschung ein wenig zusammen. Der Müller wirkte nicht nur wesentlich jünger, was logisch war, sondern auf seinem Kopf schimmerte auch noch ein voller, dichter Haarschopf im goldenen Nachmittagslicht. Ob seine Haare aus Ärger über den kommenden Zwischenfall so sehr ausdünnen würden? Oder war der schnelle, massive Haarausfall erblich bedingt? Noch bevor Link den erneuten Anflug eines schlechten Gewissens zur Seite hatte schieben können, hatte der Müller ihn bereits bemerkt. Ein Teil von Link erwartete eine ähnlich barsche Begrüßung wie bei seinem Besuch in sieben Jahren, doch der Müller lächelte ihn freundlich an und fragte mit warmer Stimme: „Nanu? Wer bist du denn und was machst du in meiner Mühle? Hast du dich verlaufen?“ Der Junge nickte stumm und warf einen hilfesuchenden Blick auf seine Fee, die neben ihm in der Luft schwebte und mit den Schultern zuckte. Am liebsten hätte Link sich dafür in den Hintern getreten, dass sie sich vorher keinen richtigen Plan zurechtgelegt hatten. Im Schauspielern und Improvisieren war er doch schon immer eine Niete gewesen! Mit einer langsamen, bedachten Bewegung kniete sich der Mann hin und lächelte seinen Besucher erneut breit an, fast so als wäre Link ein Kätzchen oder Kleinkind und nicht bereits ein Halbwüchsiger. Als sein Gegenüber auch nach anderthalb Minuten noch nicht geantwortet und nur nervös auf der Unterlippe gekaut hatte, wagte der braunhaarige Müller einen weiteren Anlauf: „Kannst du womöglich gar nicht sprechen?“ Von diesem Gedanken überrascht, riss Link die Augen auf. Das war eigentlich eine gute Idee! So lange er sich stumm stellte, konnte er nichts Verräterisches oder Merkwürdiges sagen, das womöglich den Argwohn des Müllers geweckt hätte. Vielleicht würde der Mann ihn sogar für einen Idioten halten und sich nicht darüber wundern, wenn Link ohne ersichtlichen Grund anfing auf seiner Okarina zu spielen. Ein wenig zögerlich nickte der Junge und legte den Kopf schief in der Hoffnung, er sähe dadurch beschämt oder beschränkt aus. „Oh, das tut mir Leid für dich.“ In der Stimme des Müllers schwang echtes Mitgefühl mit und er tätschelte Link tröstend die Schulter. „Und nun hast du dich auch noch verlaufen. Kannst du mir vielleicht irgendwie anders einen Tipp geben, wohin du eigentlich wolltest?“ So unauffällig wie möglich kniff Navi ihrem Begleiter fest in den Oberarm und sah ihn eindringlich an. Dies war eine super Gelegenheit, die sie nicht ungenutzt lassen sollten. Schnell holte der Junge seine Okarina hervor und sah aus großen Augen zu dem Müller auf, der nachdenklich auf das Musikinstrument blickte. „Hm… Wenn du etwas mit Musik oder Musikern zu tun hast, sollte ich dich wohl am besten nach Hyrule-Stadt bringen la–“ Ohne den Mann aussprechen zu lassen, setzte Link seine Flöte an die Lippen und spielte die Hymne des Sturms, wobei Navi mit der Notiz auf seiner Schulter saß und ihm die einzelnen Töne direkt ins Ohr summte. Einen Moment lang war der Müller sichtlich verdutzt, aber dann begann er wieder zu lächeln und nickte dem sonderbar wirkenden Jungen vor sich zu. „Ein sehr schönes Lied, wirklich. Der Rhythmus gefällt mir. Hast du es selbst geschrieben?“ Noch immer stumm schüttelte Link den Kopf, während er angespannt darauf wartete, dass etwas passierte. Wo blieb denn bloß der Sturm? Hatte er womöglich etwas falsch gemacht? Gerade, als er einen besorgten Blick mit Navi wechselte, rollte endlich der erste, gewaltige Donner über Kakariko hinweg. Überrascht sah der Müller auf und eilte zum nächstgelegenen Fenster, um sich das Spektakel draußen anzusehen. Riesige, tiefschwarze Wolken, in denen grellgelbe Blitze zuckten, türmten sich immer höher auf und wilde Orkanböen strichen pfeifend um Häuserecken. „Bei den Göttinnen!“, stieß der entsetzte Müller aus. „So einen Sturm hab ich ja noch nie gesehen! Wo kommt der denn so plötzlich her? Vorhin schien doch noch die Sonne…“ Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sich Angstschweiß von der Stirn. Vor den Mächten der Natur hatte er schon immer riesigen Respekt gehabt. „Vielleicht solltest du erst einmal eine Weile bei uns bleiben“, schlug der besorgte Mann vor. „Meine Frau hat bestimmt nichts dagegen einzuwenden. Bei diesem Wetter schickt man ja keinen Hund vor die Tür!“ Während er sprach, wandte sich der Müller wieder zu seinem Gast um, doch Link war längst verschwunden. Irritiert blickte der Mann sich um und suchte hinter Mehl- und Kornsäcken nach dem Jungen, aber die plötzlich hereinströmenden Brunnenwassermassen verdrängten seine Sorge um den verschollenen Besucher sehr schnell. Draußen hatte zeitgleich mit Links Verlassen der Mühle der unausweichliche Niederschlag eingesetzt. Doch anstatt dicker, wie Schnüre wirkender Regentropfen prasselten Hagelkörner vom Himmel herab. Manche der Eisklümpchen waren fast so groß wie Hühnereier. Den Hylia-Schild über den Kopf haltend rannte der junge Herr der Zeiten auf das riesige Haus zu, das einst Impa gehört hatte und nun die einzige Herberge im Dorf war. „Ich frage mich, ob es nicht besser gewesen wäre, das Lied einfach auf dem Brunnenplatz zu spielen.“ Obwohl der Junge laut brüllte und Navi sich schutzsuchend dicht an seinen Hals schmiegte, verstand die Fee ihn wegen des tosenden Sturms kaum. Es war als würde der wütende Wind Links Worte hinfort reißen, sobald sie seine Lippen verlassen hatten. „Nein“, schrie Navi zurück, „es musste so sein. Hättest du das Lied unbemerkt gespielt, hätte es in sieben Jahren keinen Zeugen gegeben, der dir das Lied hätte beibringen können. Also hättest du es nie gelernt und jetzt nicht spielen können – ein unmögliches Paradoxon. Es musste so sein.“ Link murrte unzufrieden, ließ das Thema aber auf sich beruhen. Er wusste ja, dass Navi Recht hatte, auch wenn es ihm noch immer falsch erschien. Als die Beiden völlig außer Atem die Herberge erreichten, wurden sie herzlich empfangen und sofort zu einem Platz am prasselnden Kaminfeuer geführt. Die hübsche Hausvorsteherin hatte Link sogleich wiedererkannt und versicherte ihm, er könne bleiben solange er wolle, und bot ihm an, zusammen mit ihr zu Abend zu essen, was der Junge dankbar annahm. Nach einem einfachen Mahl, das aus grauem Brot, Wurst, Käse und frischer Kuhmilch von der Lon-Lon-Farm bestanden hatte, ließ Link sich schlaff auf sein Lager fallen, während Navi es sich in seiner abgelegten Mütze gemütlich machte und sofort wegdämmerte. Doch obwohl ihm vor Erschöpfung und Müdigkeit jeder einzelne Muskel zu schmerzen schien, wollte sich bei dem jungen Helden kein Schlaf einstellen. Wann immer er die Augen schloss, hatte er das freundliche Gesicht des Müllers vor sich, das sich in die hassverzerrte Fratze verwandelte, die Link aus der Zukunft kannte. Das schlechte Gewissen brannte wie Feuer in seinen Adern und er warf sich genervt von einer Seite auf die andere. Als er endlich doch noch einschlief, war es bereits kurz vor Mitternacht. Die Morgenluft war noch klamm, als Link und Navi auf leisen Sohlen die Herberge verließen. Es roch nach feuchter Erde und die Morgendämmerung malte erste zarte, rosafarbene Streifen an den Horizont. Während sie stumm auf den Brunnen zumarschierten, betrachtete Navi sorgenvoll die dunklen Schatten unter den Augen ihres Begleiters. Irgendwie schienen sie trotz der Nachtruhe noch intensiver geworden zu sein als am Tag zuvor. Am Brunnen angekommen beugte Link sich über den ein wenig brüchig wirkenden Rand und sah in die Tiefe. Am Grund war noch eine kleine Pfütze, die im Dämmerlicht matt glänzte, aber ansonsten war der Brunnen tatsächlich vollkommen leer. Bei dem Anblick des tiefen, dunklen Schachtes überkam Link ein unbestimmtes Gefühl von Furcht, so als ob ihm seine innersten Instinkte zur Flucht rieten. Doch so wenig es ihm auch behagte, er hatte keine Wahl. Wenn er Impa zur Hilfe eilen wollte, brauchte er das Auge der Wahrheit! Gerade, als er Navi als Zeichen des Aufbruchs zunicken wollte, hörten die Beiden es: laute, schaurige Klagelaute drangen aus den Tiefen des Brunnens zu ihnen herauf. Sofort begann Links Puls zu rasen und eine Gänsehaut breitete sich auf seinem gesamten Körper aus. Über all seine Bedenken was die Hymne des Sturms und den Müller anging, hatte er ganz vergessen, was dieser ihm über den Grund der Wandversiegelung erzählt hatte. Mit einem ängstlichen Quieken verschwand Navi unter Links Mütze und krallte sich schlotternd in seinem Haar fest. Diese Geisterlaute, die zwischen wildem Brüllen, gequälten Schreien und schmerzerfülltem Stöhnen schwankten, waren das Schrecklichste, was die Fee in ihrem bisherigen Leben gehört hatte. „Was im Namen der Göttinnen ist das?“, flüsterte sie mit angespannter Stimme. Obwohl sie wusste, dass es lächerlich war, hoffte sie darauf, dass Link eine logische Erklärung für die Geräusche hatte und ihnen so den Schrecken würde nehmen können. Doch der Junge zuckte nur mit den Schultern, während er sich darum bemühte, seine Furcht so weit hinunterzuschlucken, dass seine Stimme nicht mehr zittern würde. „Ich weiß es nicht…“, murmelte er schließlich, als es ihm gelang. „Es klingt nach einem Tier, aber der Müller hatte Recht: Es scheint sich nicht um eine bekannte Art zu handeln. Vielleicht ist es ein Monster? Irgendwie erinnern mich diese Laute an Gohma. Dich nicht auch?“ Innerlich musste Link trotz der Anspannung über seinen Tonfall grinsen. Er hatte schon immer dazu geneigt, zu plappern, wenn er nervös war. Unterdessen spitzte Navi konzentriert die Ohren und schüttelte den Kopf. „Was auch immer es ist, es erinnert mich an nichts, das ich schon einmal gehört hätte. Ich kann diese Geräusche überhaupt nicht einordnen. Aber eines weiß ich ganz genau: Ich will, dass sie aufhören!“ Mit wild schlagendem Herzen nickte Link und wunderte sich selbst über seine scheinbare Sicherheit, als er sagte: „Dann werden wir der Sache mal auf den Grund gehen!“ Einen Moment lang wirkte die Fee so unglücklich über diesen Gedanken, dass man glauben konnte, sie würde ihren Begleiter zum Rückzug überreden wollen. Doch dann besann sie sich wieder auf die Wichtigkeit dieser Mission, krabbelte unter der Mütze hervor und feuerte ihren Schützling an: „Genau! Das wäre doch gelacht! Wir lassen uns von ein paar gruseligen Geräuschen nicht in die Flucht schlagen!“ „So sieht’s aus!“, bekräftigte auch Link noch einmal. Es war klar, dass sich die beiden Abenteurer mit diesem zur Schau gestellten Selbstvertrauen nur Mut machen wollten… Dann atmete Link tief durch, versuchte, die nervöse Übelkeit, die sich seiner bemächtigt hatte, hinunterzuschlucken und machte sich an den Abstieg. Durch einen Riss im Mauerwerk, der gerade groß genug war, dass Link sich knapp hindurchzwängen konnte, gelangten er und Navi in eine Art eingefallenes Gewölbe. Modrige, stechend nach verfaultem Fleisch riechende Luft schlug ihnen entgegen und ließ die Beiden würgen. „Uah! Hier stinkt’s!“ Navi presste sich eine Hand aufs Gesicht und auch Link zog angewidert die Nase kraus. „Du glaubst gar nicht, wie froh ich gerade bin, dass ich nie Wasser aus diesem Brunnen getrunken habe…“ „Das ist echt abartig!“ Diese Worte murmelnd verschwand Navi mal wieder unter Links Mütze und fragte sich, ob sie ihren Begleiter bitten sollte, sie wieder in den Wunderbeutel zu stecken. Zwar würde ihr dort durch das schwerelose Herumgeschaukel mit Sicherheit wieder übel werden, aber ihr erschien alles besser als diese bestialisch stinkende Luft atmen zu müssen! Mit einem Seufzen gestand sie sich jedoch ein, dass sie Link nicht alleine lassen konnte. Schon im Wassertempel war sie schier wahnsinnig geworden, während sie sich gefragt hatte, ob er wohl auch ohne ihren Rat zurechtkam. Dabei hatte er dort über den kräftigen Körper eines erwachsenen Mannes verfügt und hatte sich nicht in einer dermaßen gruseligen Umgebung befunden. Nein, ob sie wollte oder nicht, sie fühlte sich dazu verpflichtet, diesen Albtraum Seite an Seite mit ihrem Schützling durchzustehen. Also hielt sie sich die Nase zu und betete stumm darum, dass die engen Maschen des Mützenstoffes den Gestank zumindest ein wenig herausfiltern würden. Link zog sich in derselben Hoffnung den Kragen seiner Tunika schützend bis unter die Augen und atmete flach durch den Mund, während er langsam durch die unterirdische Höhle schritt. Hier und dort ragten Mauerreste wie faulige Zähne aus dem Boden und in einiger Entfernung ließen sich sogar noch die Überreste eines Türbogens erkennen. „Was glaubst du, wo wir hier sind?“ Wegen der erschwerten Atembedingungen schnaufte der Junge beim Sprechen als sei er bereits völlig aus der Puste. Navi zuckte ein wenig träge mit den Schultern, bis ihr einfiel, dass ihr Begleiter dies gar nicht sehen konnte. „Ich bin mir nicht sicher“, erklärte sie, „aber vielleicht war dies hier einstmals der Keller des Hauses, in dem der Shiekah aus der Geschichte des alten Bibliothekars gelebt hat.“ Mit einer Mischung aus Ekel und Faszination betrachtete Link die riesigen Moderpilze, die große Teile der Wandreste und des Boden überwucherten, während er nachdenklich nickte. Angesichts der Umgebung klang Navis Theorie durchaus plausibel. Der Raum nebenan war vollkommen zusammengestürzt. Wie gesplitterte Knochen ragten gebrochene Deckenbalken aus Geröll und Schutt hervor. Generell strahlte alles hier eine Atmosphäre von Tod und Zerfall aus, sodass es Link eiskalt den Rücken hinunterlief. „Was glaubst du, wo sollten wir mit dem Suchen anfangen?“, fragte der junge Recke, als er die Reste der Treppe entdeckte, die früher einmal ins Erdgeschoss geführt haben musste. Nun endeten die Stufen in einem undurchdringlichen Gemisch aus Gesteinsbrocken und verdichteter Erde. Allem Anschein nach blieb den beiden Abenteurern zum Erkunden nur der modrige Keller. Navi wagte einen kurzen Blick unter dem Mützensaum hervor, bevor sie sich schnell wieder verkroch. „Der Bibliothekar hat gesagt, der Shiekah sei vermutlich zusammen mit dem Auge der Wahrheit in seinem Bett von den Steinmassen begraben worden, nicht wahr?“ „Ja“, stimmte Link murrend zu, „aber wir können nicht in die höheren Stockwerke… Und irgendwie bezweifle ich, dass der Shiekah im Keller geschlafen hat.“ „Das ist in der Tat ein Problem“, stimmt Navi mit grüblerisch klingender Stimme zu. „Hm…“ Link setzte sich auf die unterste Treppenstufe und legte eine kurze Pause ein, um darüber nachzudenken, wie die klügste Vorgehensweise aussah. Die beiden Abenteurer waren noch immer am Überlegen, als das schaurige Geschrei von vorher, das ausgesetzt hatte, als Link den Keller betreten hatte, wieder erklang. Vor Schreck zuckte der Junge derart heftig zusammen, dass er einen kleinen Hopser zur Seite machte, wodurch Staub und Dreck aufgewirbelt wurden. Das stöhnende Gekreische war so lange verstummt und Link dermaßen auf die Suche nach dem Auge der Wahrheit fixiert gewesen, dass er den Spuk tatsächlich schon wieder vergessen hatte. Mit wild schlagendem Herzen lauschte Link den unnatürlich klingenden Geräuschen, die hier unten noch furchteinflößender klangen als zuvor. In das gequälte Stöhnen hatte sich nun zusätzlich ein eigentümliches Schleifen geschlichen, das dem Jungen die Haare zu Berge stehen ließ. Es klang als würde irgendjemand oder irgendetwas einen schweren Gegenstand über den Boden ziehen – wie zum Beispiel einen vollen Mehlsack oder… eine Leiche. Obwohl sein Magen immer mehr zu einem winzigen Eisklumpen zusammenschrumpfte, stemmte Link sich entschlossen auf die Füße und spitzte die Ohren, während er sich suchend in der durch Navis weitreichenden Glanz erhellten Dunkelheit umschaute. Als er schließlich zu wissen glaubte, aus welcher Richtung die Geräusche kamen, atmete er so tief durch wie es bei der nach Verwesung stinkenden Luft möglich war und verkündete: „Ich fürchte, das Auge der Wahrheit muss ein wenig warten. Vorher will ich wissen, woher diese Geräusche kommen!“ Navi schluckte hart. Obwohl sie auch durchaus neugierig war, erfüllte sie der Gedanke näher an den Ursprung des Spuks zu kommen vor allem mit Panik. Dennoch nickte sie stumm. Ihr war klar, dass ihre Antwort sowieso keine Rolle spielte – ob Link sie nun sah oder nicht – denn wenn der Junge sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ er sich sowieso nicht mehr umstimmen. Immer seinen Ohren folgend eilte Link durch den verfallenen Keller, wobei er gleich mehrfach über herumliegendes Geröll stolperte und mit dem Gesicht voran im Schmutz landete. Obwohl er sich dabei Hände und Arme aufschürfte, schob er den Schmerz bestimmt zur Seite und hastete weiter, ohne sich um den Staub an seinen Kleidern oder das Blut, das seine Unterarme entlang lief, zu kümmern. Je lauter die gruseligen Geräusche wurden, desto schwerer ließ sich die faulige Luft atmen. Als der Junge schließlich an einem weiteren Raum, wo die Decke eingebrochen war, stehen blieb, war der Geruch nach Zersetzung bereits so intensiv, dass Link bei jedem Atemzug mit seinem rebellierenden Magen kämpfen musste. Dunkle, schimmelfleckige Stofffetzen und pilzbewachsene Holzstücke ragten aus dem wie aufgeschüttet wirkenden Geröllhaufen hervor. Wichtiger war jedoch, dass es einen schmalen Schacht gab, durch den man anscheinend unter dem Haufen hindurchkriechen konnte. Als Link davor in die Hocke ging, schlug ihm ein Schwall fauliger Luft entgegen, deren Gestank so immens war, dass dem Jungen augenblicklich sein Mageninhalt im Mund stand. Würgend spuckte er neben den Schacht, während er dankbar daran dachte, dass er nicht gefrühstückt hatte und so fast ausschließlich Magen- und Gallensaft ausspie. Auch Navi hustete und kämpfte mit ihrem Brechreiz. Zu Links großem Glück verfügte seine Fee jedoch über mehr Körperkontrolle als er selbst. Ein lautes Kreischen drang durch die schmalen Ritzen zwischen dem Geröll und ließ Link nicken: „Sieht so aus als hätten wir den Ursprung des Spuks gefunden.“ Noch immer rebellierte sein Magen schmerzhaft, doch seit er sich erbrochen hatte, fühlte er sich ein klein bisschen besser. Navi, deren Stimme angespannt klang, murmelte: „Scheint so. Aber bist du dir wirklich ganz sicher, dass du dich da durchwagen willst?“ Mit nachdenklich kraus gezogener Stirn betrachtete Link zweifelnd den Schacht, der tatsächlich ziemlich einsturzgefährdet wirkte. Die Kiefer fest aufeinander beißend schob der Junge seine Sorgen jedoch bestimmt zur Seite. Man wurde kein Held, indem man ängstlich und zögerlich war! Dennoch konnte er nicht verhindern, dass sich ein mulmiges Gefühl in seinem Magen einnistete und sein Herz in einem wilden Stakkato schlug. Der Weg durch den Schacht hindurch war eine wahre Tortur. Zu dem fauligen Gestank, der immer intensiver wurde und alles zu durchdringen schien, erschwerten nun auch noch Staub und herabrieselnder Dreck das Atmen zusätzlich. Doch als Link das Ende des Schachts erreicht hatte, wäre er am liebsten gleich wieder hineingekrochen. Denn das, was er in dem dahinterliegenden, fast runden Raum entdeckte, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren! Kapitel 41: Der Fluch des Wächters ---------------------------------- In der Mitte des Raumes stand ein schrecklich abstoßend aussehendes Wesen mit hohem Buckel, einem schlangenartigen, langen Hals, dünnen Ärmchen und kleinem Kopf, dessen entfernt humanoid wirkendes Gesicht durch den leicht herunterhängenden, zu großen Unterkiefer fratzenhaft entstellt war. Doch die Abscheu, die Link langsam durch die Adern kroch und seinen Magen schmerzhaft krampfen ließ, lag weniger an dem schaurigen Aussehen des Monsters als vielmehr an dem, was es in den Händen hielt: einen menschlichen Kopf. Er war offenbar mit Gewalt vom Rumpf getrennt worden, denn am Hals ragte ein gesplittertes Stück Wirbelsäule heraus. Die fleckige Haut, die sich über den Schädel spannte, war erschreckend grau und wies an Wangen und Stirn klaffende Risswunden auf. Diese stammten vermutlich von den gebogenen Klauen, die sich anstelle von Fingern an den Händen des Monsters befanden. Im Leben hatte wohl schütteres, weißes Haar das Haupt bedeckt, doch nun war die Schädeldecke aufgebrochen und das Monster fuhr immer wieder mit der Zunge in das Kopfinnere hinein. Das schmatzende Geräusch erfüllte Link und seine Fee mit solchem Ekel und Horror, dass sie regelrecht erstarrten. Am liebsten wäre der junge Held davongelaufen oder hätte zumindest gerne die Augen abgewendet, aber das Grauen, dem er sich gegenübersah, hatte ihn dermaßen paralysiert, dass er nicht einmal das schaffte. Plötzlich riss das Monster seinen Kopf in die Höhe und schien zu wittern, wobei es Link langsam sein Gesicht mit den blind wirkenden, blassblauen Augen zuwandte. Dieser registrierte die Gefahr, in der er sich plötzlich befand, jedoch gar nicht und starrte stattdessen mit schneeweißen, vollkommen blutleeren Wangen auf den aufgebrochenen Schädel in den Klauenhänden des Monsters. Jetzt, wo das abscheuliche Wesen aufgehört hatte, sich an seinem Mahl zu laben, konnte der Junge direkt auf die zertrümmerte Schädeldecke und ins Innere blicken. Über die scharfkantig wirkenden Bruchstellen hingen dünne Fäden aus gräulichem Glibber, der auch im Schädel hin und her schwappte. Nur verzögert wurde Link klar, dass es sich hierbei um Hirnmasse handelte und dass sich das Monster zuvor daran gütlich getan hatte. Nun warf das sonderbare Wesen seine Mahlzeit jedoch weg und kam langsam auf den Jungen zu, wobei die gewaltige Fettschürze seines Bauches so tief hinabhing, dass es aussah als hätte es gar keine Füße. Die fast unhörbaren Schrittgeräusche verstärkten diesen Eindruck noch. Je näher das Monster kam, desto stärker wurde Links Widerwille ihm gegenüber, aber noch immer konnte der paralysierte Recke sich nicht rühren. Dicke Sabberfäden hingen dem Monster an den Seiten des gewaltigen Unterkiefers herab und glänzten matt im Schein von Navis Feenglanz, der gedämpft durch die Maschen von Links Kopfbedeckung strahlte. Jene saß stumm und starr unter Links Mütze und hatte sich tröstend die Arme um den Oberkörper gelegt. Sie wusste nicht, was Link am Ende des Schachts entdeckt hatte, doch seine plötzliche Unbewegtheit, bereitete ihr Kopfzerbrechen. Nur zu gerne hätte sie unter dem Mützensaum hervorgelugt und geschaut, was ihren Schützling so hatte versteinern lassen, aber sie fürchtete sich zu sehr vor dem, was sie womöglich zu sehen bekommen könnte. Link hatte sich zwar noch nie kopfüber in jede sich bietende Gefahr gestürzt, sondern hatte lieber erst in Ruhe über die sich ihm bietenden Möglichkeiten nachgedacht, doch bislang hatte er sich im Endeffekt jeder Herausforderung gestellt – egal wie einschüchternd sie gewirkt haben mochte. Dass er nun vor Schreck wie erstarrt war, bereitete Navi Panik. Dennoch zwang sie sich schließlich dazu über ihren Schatten zu springen und wagte sich aus ihrem Versteck. Der Anblick des Monsters, das mit seiner Abscheulichkeit bereits Link gebannt hatte, ließ die junge Fee entsetzt und erschrocken aufschreien und wieder unter der schützenden Mütze verschwinden. Obwohl ihr Auftritt nur etwa einen Herzschlang lang andauerte, riss ihr schriller Schrei Link endlich aus seiner Taubheit – keine Sekunde zu früh! Gerade noch rechtzeitig entdeckte der Junge den langen, krallenbewehrten Arm, der auf ihn zu schnellte. Nur seinen fixen Reflexen war es zu verdanken, dass er sich mit einem schnellen Sprung zur Seite retten konnte. Bei der plötzlichen Bewegung quiekte Navi erneut auf und krallte sich in Links Haar fest, was diesen unangenehm an der Kopfhaut ziepte. Doch anstatt darauf zu achten, riss er sein Schwert aus der Scheide und hielt es abwehrend vor sich. „Was ist das für ein Vieh?!“, wimmerte Navi, die noch nie zuvor etwas dermaßen Hässliches gesehen hatte. „Ich habe keine Ahnung“, kam die prompte, angespannt klingende Antwort, „aber ich glaube, es will mein Gehirn fressen!“ Obwohl Link immer wieder auswich und seine im Feenlicht bedrohlich funkelnde Klinge zischend durch die Luft sausen ließ, kam das Monster beständig weiter auf ihn zu, wobei es ihm seine geblähten Nüstern entgegen hielt. Der junge Held fragte sich inzwischen, ob sein Gegner nicht nur blind, sondern auch noch taub war. Navi machte ein würgendes Geräusch und kam vor Ekel gar nicht auf die Idee, einen gemeinen Witz zu machen, obwohl sich das Interesse des Monsters an Links Hirn dafür geradezu anbot. „Hör endlich auf, wegzulaufen und mach etwas gegen dieses Vieh!“ Die Worte kamen Navi patziger und schroffer über die Lippen als sie es eigentlich hatte klingen lassen wollen, doch da immer neue Übelkeitswellen ihr den Hals abschnürten, hatte sie kaum Zeit ein paar Sätze zwischen den Zähnen hindurch zu quetschen. Glücklicherweise widmete der Junge ihrem Tonfall kaum Aufmerksamkeit. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, darüber nachzudenken, wie ein Angriff am geschicktesten wäre. Der wabbelig wirkende Körper des Angreifers war mit einer schleimig aussehenden, leicht glänzenden Haut überzogen und erinnerte den jungen Helden an das räuberische Monster aus dem Wassertempel. Jenes zu töten, hatte all seine Kraft erfordert, was Link nun ernsthafte Sorgen machte. Bei der Begegnung mit dem glibberigen Dieb war er ein kräftiger, junger Mann gewesen und hatte über das unglaublich scharfe Master-Schwert verfügt. Nun aber war er nur ein Kind und seine kurze Waffe war kaum besser als ein Küchenmesser. Sollte sich das Fleisch des Gehirnfressers als ähnlich zäh erweisen wie bei dem Monster im Wassertempel, wäre er ziemlich aufgeschmissen. Zudem schnürte der allgegenwärtige Gestank ihm noch immer die Luft ab, was zusätzlich dazu beitrug, dass Link einem möglichen Kampf nicht gerade mit Zuversicht entgegenblickte. Doch als er plötzlich mit dem Rücken gegen eine Wand stieß, blieb ihm gar keine andere Wahl mehr. In die Ecke gedrängt umklammerte er das Schwertheft in seinen Händen und rammte die Füße in den Boden. Das Monster war inzwischen so nah, dass Link trotz der dürftigen Lichtverhältnisse erkennen konnte, dass die Haut des Gehirnfressers aus zahlreichen kleinen Schuppen bestand. Mit geblähten Nüstern und aufgesperrtem Maul fixierte der Angreifer seine vermeintliche Beute und streckte die Arme nach dem angewiderten Jungen aus. Link wollte gerade mit einem gezielten Hieb eine der Klauenhände abtrennen, als ihm etwas ins Auge stach. Um den schlangenartigen Hals trug der Gehirnfresser eine schmale Lederkette, an der ein erstaunlich großer Anhänger befestigt war. Das Schmuckstück schimmerte wie lilaeingefärbtes Glas und war in etwa so lang wie Links halber Unterarm. Das obere Stück war verdickt, fast rund und von drei wie Dornen aussehenden Ausläufern geschmückt. Der irritierende Schmuck war so unerwartet, dass er den jungen Helden vollkommen ablenkte. Ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein, ließ Link sein Schwert sinken und starrte auf den überdimensionierten, lupenförmigen Kettenanhänger. „Navi, was ist das da um seinen Hals?“ Die Fee seufzte tief auf, als sie ihren Namen hörte. Nach dem Schock, den sie durch den Anblick des Gehirnfressers erlitten hatte, hatte sie keine große Lust noch einmal den Kopf unter der Mütze hervorzustrecken, um sich anzusehen, was Link meinte. „Komm schon, Navi, altes Mädchen, du kannst das!“, sprach sie sich selbst Mut zu, bevor sie den Mützensaum ein wenig anhob und das Schmuckstück in Augenschein nahm. Der faulige Atem des Gehirnfressers, der Link inzwischen fast erreicht hatte, schlug der Fee ins Gesicht und ließ sie die Nase kraus ziehen, doch die Erkenntnis, die ihren Geist durchzuckte, täuschte über den üblen Gestank hinweg. Überrascht und ungläubig rief sie aus: „Ich glaube, das ist das Auge der Wahrheit!“ Link blinzelte ungläubig und besah sich den sonderbaren Schmuck erneut, wobei sich Erstaunen in ihm breit machte. Wenn man genau hinsah, fiel auf, dass das gefärbte Glas so geschliffen worden war, dass in der Mitte eine Rille entstanden war, die wie eine geschlitzte Pupille anmutete. Mit etwas Phantasie konnte man in dem Anhänger tatsächlich ein bedrohlich und monströs wirkendes Auge erkennen. Gerade, als der junge Recke seine Begeisterung darüber kundtun wollte, wurde er plötzlich von den eiskalten, klauenhaften Händen des Gehirnfressers gepackt. Augenblicklich schoss Link das Adrenalin ins Blut und er versuchte, seinen Schwertarm zu heben und um sich zu schlagen, aber der Griff des Monsters war viel zu fest und unerbittlich Verzweifelt wand der Junge sich hin und her und beobachtete mit panisch aufgerissenen Augen wie das Monster allmählich seinen kleinen Kopf senkte und sich mit einer lilafarbenen, schlangenartig gespaltenen Zunge über die wulstigen Lippen strich. Navi, die längst gemerkt hatte, dass ihr Schützling in Bedrängnis geraten war, wagte erneut einen Blick unter dem Mützensaum hinweg. Als sie das bedrohlich nahe, scheußliche Gesicht des Monsters entdeckte, fuhr ihr der Schreck in sämtliche Glieder und sie wich entsetzt zurück. Doch gleich im nächsten Moment brach ihr ausgeprägter Beschützerinstinkt hervor und sie kratzte all ihren Mut zusammen, um sich auf den abscheulichen Angreifer zu stürzen. Dieser zeigte sich von dem fuchsteufelswilden Lichtball, der ihm wie eine Schmeißfliege ums Gesicht surrte, jedoch gänzlich unbeeindruckt. Stattdessen riss er mit einem schmatzenden Geräusch das erbärmlich stinkende Maul auf, was Link vollständig erbleichen ließ. Wie hatte er nur so unvorsichtig sein können?! Jetzt wurde ihm womöglich der Schädel aufgeknackt und das nur, weil er sich von einem glitzernden Schmuckstück hatte ablenken lassen und seine Deckung vernachlässigt hatte… Während der Gehirnfresser seine schleimige Zunge langsam über die Schläfe des unglücklichen Jungen gleiten ließ, begann Navi mit aller Kraft an der Kette des Monsters zu ziehen. Vielleicht, so hoffte sie, würde das Monstrum von Link ablassen, wenn sie es würgte. Tatsächlich schien der Gehirnfresser von den Bemühungen der Fee jedoch nicht einmal etwas zu bemerken, während er seine Zunge weiter über Links Kopf wandern ließ, weshalb dieser das Gesicht zu einer von Angst und Ekel bestimmten Fratze verzog. Dennoch stemmte Navi ihre kleinen Füße in das wabbelige Nackenfleisch des Monsters und zog mit ihrem vollen Gewicht, bis ihr die Hände schmerzten und goldener Schweiß auf der Stirn stand. Sie war bereits vollkommen aus der Puste, als plötzlich etwas Unvorhergesehenes passierte: das Lederband riss. Wie in Zeitlupe löste sich das Auge der Wahrheit vom Hals des Gehirnfressers und fiel dann mit zunehmender Geschwindigkeit zu Boden, wo es mit einem scheppernden Geräusch aufschlug. Einen Herzschlag lang sorgte Link sich darum, ob das wichtige Relikt den Sturz wohl unbeschadet überstanden haben mochte, doch dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dringlicheren Problemen zu. Zu seiner großen Überraschung ließ der Gehirnfresser jedoch plötzlich von ihm ab, fasste sich mit einem gequält wirkenden Gesichtsausdruck an den Kopf und stieß einen markerschütternden, schrillen Schrei aus. Noch bevor Link registrieren konnte, was geschah, begannen feine, lilagraue Rauchsäulen von der Haut des Monsters aufzusteigen und die Gestalt des Gehirnfressers sackte mit grauenhaften, knackenden Geräuschen in sich zusammen. Der junge Held und seine Fee starrten mit weitaufgerissenen Augen auf das sich ihnen bietende Schauspiel, obwohl sie am liebsten so schnell wie möglich davon gelaufen wären, um dem Grauen zu entgehen. Ihre Herzen schlugen ihnen bis zum Hals, während sie beobachteten, wie der Gehirnfresser leblos zu Boden sank und ein durscheinender Schemen mit menschlicher Statur und Zügen aus dem Körper des Monsters erhob. Ein Geist! Link und Navi tauschten überraschte Seitenblicke und wichen ängstlich zurück, wobei der Junge das Auge der Wahrheit mit dem Fuß über den Boden zog. Erst in sicherer Entfernung bückte er sich nach dem mächtigen Relikt und stellte erleichtert fest, dass es unbeschadet war und nicht einmal einen Kratzer aufwies. Unterdessen beobachtete der plötzlich aufgetauchte Geist die beiden Abenteurer aus wachsamen Augen, doch erst, als Link sich anschickte einen ersten Blick durch das lilafarbene Glas zu werfen, sprach das Gespenst ihn an: „Du tätest gut daran, das Auge der Wahrheit nicht zu nutzen.“ Verblüfft ließ der Junge seinen neuen Schatz wieder sinken und fragte irritiert zurück: „Warum? Und wer bist du überhaupt?!“ Der Geist schien tief Luft zu holen, bevor er mit matter, traurig klingender Stimme erklärte: „Einst war ich ein reicher Handelsmann und gehörte dem Volke der Shiekah an. Auf einer meiner Reisen machte ich die Bekanntschaft einer Hexe aus der Gerudowüste, die mir das Auge der Wahrheit verkaufte. Zunächst war meine Freude grenzenlos, da ich glaubte, meinen Konkurrenten nun endgültig überlegen zu sein. Doch schon bald bemerkte ich, wie ich immer mehr in den Bann des Auges geriet und meine Persönlichkeit sich zu ändern begann. Selbst nach meinem Tod trieben mich die Sucht nach Allwissenheit und die Angst um, jemand könne mir mein wertvolles Relikt abnehmen, sodass ich zu jenem Monster wurde, dessen du ansichtig geworden bist. Dem Auge der Wahrheit haftet ein Fluch an, mein Kind. Wirf es weg, so lange du noch kannst.“ Während der kurzen Geschichte des ehemaligen Reliktbesitzers hatte Link aufmerksam gelauscht, doch nun schüttelte er heftig den Kopf, während Navi sich mal wieder auf seiner Schulter niederließ. „Ich weiß deine Warnung zu schätzen, aber ich brauche das Auge der Wahrheit, um in den Schattentempel vorzudringen. Eine Freundin braucht meine Hilfe.“ Der Geist betrachtete den jungen Helden mit neuem Interesse und schwebte ein wenig auf ihn zu, was Link skeptisch zurückweichen ließ. „Du hast kein Interesse daran, das Auge der Wahrheit zu nutzen, um deinen eigenen geistigen und weltlichen Besitz zu mehren?“ Wieder schüttelte der Recke nur verneinend den Kopf, was dem Gespenst eine nachdenkliche Miene aufs Gesicht zauberte. „Vielleicht ist das die einzige Möglichkeit, um dem Fluch zu entgehen: Edelmut und Selbstlosigkeit… Ich wünsche dir jedenfalls gutes Gelingen!“ Mit diesen Worten begann der Geist sich mit einem seligen Lächeln aufzulösen. Kurz bevor er gänzlich verschwunden und ins Jenseits hinüber gegangen war, flüsterte er noch: „Ich danke dir, dass du den Fluch von mir genommen hast, tapferer Recke!“ Nachdem der Geist sich vollständig aufgelöst hatte, verstaute Link das Auge der Wahrheit in seinem Wunderbeutel und machte sich mit einem unguten Gefühl im Magen auf den Rückweg. Was sollte er bloß tun, sollte er von dem Fluch erwischt werden? Er konnte nur hoffen, dass die Vermutung des Geistes zutreffend war und seine Gesinnung ihn tatsächlich retten würde. Kapitel 42: Im Schattentempel ----------------------------- Es kribbelte überall in Links Muskeln, nachdem er in die Zitadelle der Zeit zurückgekehrt war und das Master-Schwert erneut aus seinem Podest gezogen hatte. Langsam schlug der junge Held die Augen auf und blinzelte in die nur schummerig beleuchtete Halle. Ein Blick an seinem schlanken Körper herab bewies, dass die Zeitreise gelungen und er wieder zum Mann gealtert war. Mit einem müden Lächeln warf er einen Seitenblick auf Navi, die wie so oft auf seiner Schulter hockte, und murmelte: „Weißt du, was ich befremdlich finde? Obwohl mir die Zeit als Heranwachsender fehlt und ich deswegen den Großteil meines aktiv gelebten Seins als Kind verbracht habe, fühle ich mich in diesem Körper bedeutend wohler. Als wäre ich irgendwie mehr ich selbst. Kannst du mir folgen? Ergibt mein Gerede überhaupt irgendeinen Sinn?“ Entgegen seiner Erwartungen zog seine Fee diese Bemerkung nicht ins Lächerliche, sondern legte nachdenklich den Kopf schief und mutmaßte nach einer Weile: „Vielleicht hängt es damit zusammen, dass du in diesem Zustand ‚fertig‘ bist und nicht mehr so sehr das Gefühl hast, in deine Heldenrolle hineinwachsen zu müssen.“ „Ja, vielleicht…“ Von Navis philosophischen Gedanken beeindruckt verließ Link die Zitadelle und stahl sich von einem Schatten zum nächsten huschend ungesehen an den Zombies in den Ruinen von Hyrule-Stadt vorbei. Zu seiner großen Überraschung stand Epona noch immer vor dem verwitterten Stadttor und graste friedlich am Wegesrand. Erst mit deutlicher Verzögerung fiel dem jungen Helden wieder ein, dass während seines Aufenthalts in der Vergangenheit in dieser Gegenwart keine Zeit vergangen war. Für seine treue Stute war er nur wenige Minuten fort gewesen. Während er sich in den Sattel schwang, fragte Link sich, ob ihm dieses Mehr an Lebenszeit wohl am Ende abgezogen werden würde. Epona die Sporen gebend verwarf er diesen Gedanken jedoch wieder und gestand sich ein, dass er bei seinem Lebenswandel vermutlich sowieso nicht an Altersschwäche sterben würde. Als Link und Navi auf dem Friedhof von Kakariko angelangten, war es bereits Mittag und die hellgelbstrahlende Sonne befand sich in ihrem Zenit. Den Kopf in den Nacken gelegt stand der junge Abenteurer vor der massiven, das Gelände begrenzenden Felswand, die zu einem Ausläufer des Todesbergs gehörte, und blickte zu dem unerreichbar hoch gelegenen Schattentempeleingang hinauf. Wegen des blendenden Sonnenlichts musste er die Augen zusammenkneifen, um den breiten, an den Kanten glattgeschliffenen Spalt erkennen zu können. „Warum sind wir überhaupt hierher geritten?“, meckerte Navi. „Shiek hatte dir doch bereits gesagt, dass wir den Tempel so nicht betreten können!“ Link zog ein unglückliches Gesicht und gab zu: „Ich hatte gehofft, er hätte sich geirrt. Bei dem Gedanken, eines dieser Teleportlieder einzusetzen, wird mir immer noch ganz anders.“ „Tja, du wirst wohl nicht mehr drum herum kommen, mein Lieber“, entgegnete Navi mit einem Lächeln, das zwischen Unschuld und Boshaftigkeit zu schwanken schien. „Ich kann dich schweren Fleischklops jedenfalls nicht hochtragen.“ Seufzend ließ der sich sichtlich unwohl fühlende Mann den Kopf hängen und griff in seinen Lederbeutel, um die Okarina der Zeit herauszuholen. Mit einem etwas ängstlichen Seitenblick auf seine Fee setzte er sich das Mundstück an die Lippen und schluckte hart, bevor er begann die Nocturne der Schatten zu spielen. Navi rückte sicherheitshalber ein gutes Stück von ihrem Begleiter ab und wartete gespannt, während das irgendwie traurig wirkende Lied sich in die laue Luft erhob. Kaum, dass die letzte Note verklungen war, begann Links Körper transparent zu werden und seine Fee hielt erschrocken den Atem an. In Windeseile löste der Held sich komplett auf und er schwebte als kleiner Schwarm unterschiedlich großer, durchscheinender Kugeln aus lilafarbenem Licht zum Tempeleingang hinauf. Navi brauchte einen kurzen Moment, um diesen Anblick zu verdauen, doch dann schoss sie den leuchtenden Bällchen hinterher. Als sie die Teleportierplattform erreichte, setzten sich die kugelförmigen Lichter gerade wieder zusammen und nur Sekunden später stand Link vor ihr. Erleichtert stellte die Fee fest, dass es ihrem Schützling gut zu gehen schien und er anscheinend keine bleibenden Schäden davongetragen hatte. Auch wenn sie es vor Link niemals zugegeben hätte, hatte sie bis zuletzt daran gezweifelt, dass nicht irgendetwas Schlimmes passieren würde. „Wie geht es dir?“, fragte sie dennoch, um absolute Gewissheit zu haben, dass ihr Schützling wohlauf war. „Gut“, lautete die etwas zögerlich klingende Antwort, die den Eindruck erweckte als wäre der junge Held sich selbst nicht ganz sicher, wie es um ihn stand. „Und wie war die Reise?“, fragte Navi mit sanfter Stimme weiter, wobei sie Link sorgenvoll musterte. „Tatsächlich habe ich nichts davon mitbekommen“, erklärte dieser, wobei er noch immer einen latent verwirrten Eindruck machte. „Es war als hätte ich nur einmal kurz geblinzelt. Eben stand ich noch auf dem Friedhof, dann wurde es für den Bruchteil einer Sekunde schwarz um mich herum und schon war ich hier.“ Navi nickte erleichtert und atmete auf. Link ging es offenbar wirklich gut und Shieks Teleportlieder zu nutzen war wider Erwarten wohl doch eine akzeptable Form der Fortbewegung. Insgeheim hatte die Fee immer befürchtet, eine unangenehme Erfahrung zu machen, falls sie mal gezwungen sein sollte mit ihrem Schützling auf diese Art zu reisen. Seine Irritation abschüttelnd deutete der Herr der Zeiten mit dem Kopf auf eine nach unten führende Treppe über die man tiefer in die Felshöhle drang, in welcher der Schattentempel gelegen war. „Komm schon, Navi! Auf geht’s!“ Ohne auf seine Fee zu warten, stieg Link die Stufen herab und verschwand in der Dunkelheit. Seine Unternehmungslust wurde jedoch jäh gebremst, als er erkannte, dass die Halle am Ende der Treppe eine Sackgasse war. Der gewölbeartige Raum war nahezu kreisrund mit einem kleinen Podest in der Mitte und einer imposanten, festverschlossenen Tür, deren Blatt mit züngelnden Flammen bemalt worden war. Während Link nach einem Weg suchte, die schwere Holztür irgendwie aufstemmten zu können, machte Navi sich auf die Suche nach einem versteckten Schalter. Langsam und gründlich tastete die Fee sämtliche Wände ab, aber ihre Aufmerksamkeit wurde immer wieder von den vielen Fackelständern abgelenkt, die rund um den Sockel in der Mitte der Halle aufgestellt worden waren. In ihren Brennkörben lagen fein säuberlich aufgeschichtet trockenes Heu, dünne Zweige und kleine Holzscheite so als warteten sie nur darauf, entzündet zu werden. Gerade, als Link sich fragte, ob das Master-Schwert es wohl aushalten würde, wenn er es in den Spalt zwischen Wand und Tür rammte und so den Durchgang freihebelte, platzte Navi in seine Gedanken: „Ich frage mich, warum sich jemand die Mühe gemacht hat, hier so viele Fackelständer aufzubauen. Ein oder zwei hätten völlig ausgereicht, um die Halle zu beleuchten.“ Überrascht wandte der Herr der Zeiten ihr den Kopf zu. Über die eisernen Feuerständer hatte er noch gar nicht nachgedacht. Zu seiner Schande musste er sogar gestehen, dass er ihnen bislang kaum Beachtung geschenkt hatte. Er war so auf die Tür und deren Öffnung fixiert gewesen, dass er den Rest des Raumes völlig ausgeblendet hatte. Doch nun, nachdem Navi seine Aufmerksamkeit auf die ungewöhnlich vielen Feuerstellen gelenkt hatte, drängte sich ihm plötzlich ein Gedanke auf. Mit einem schiefen, listig wirkenden Grinsen besah er sich noch einmal die kunstvoll gestalteten Feuerzungen auf dem Türblatt und lief dann zu dem leicht erhöhten, von den Fackelständern umgebenen Podest. Als er die in den Stein gemeißelten Flammen entdeckte, blickte Link triumphierend zu seiner Fee auf und verkündete: „Ich glaube, ich habe eine Idee, wie wir diese Tür vielleicht dazu überreden können, sich zu öffnen.“ Während Navi noch ein überraschtes, neugieriges Gesicht machte, griff der Herr der Zeiten bereits in seinen Wunderbeutel und holte Dins Feuerinferno hervor. Als die Fee verstand, was Link vorhatte, sputete sie sich, unter seinem Hemdkragen Schutz zu suchen. Nur Sekunden später aktivierte der junge Held den mächtigen Zauber und eine gewaltige Feuerwand breitete sich zu allen Seiten hin aus. Nach und nach entzündeten sich immer mehr Fackeln und die Halle wurde von dem immer lauter werdenden Knacken brennenden Holzes erfüllt. Kurz nachdem auch der Inhalt des letzten Brennkorbs Feuer gefangen hatte, ertönte ein mechanisch klingendes Rumpeln und die große Holztür öffnete sich schleifend. Mit einem stolzen Lächeln nickte Navi, die wieder unter dem Kragen hervorgekrochen kam, ihrem zu ihr nach unten blickenden Schützling zu und forderte ihn mit sanfter Stimme auf: „Was stehst du hier noch rum? Los, lass uns Impa retten!“ Ohne länger zu zögern machte Link sich auf und begab sich geschwinden Schrittes in den Tempel. Schon nach wenigen Metern wurde dem jungen Helden und seiner Begleiterin klar, woher der Schattentempel seinen Namen hatte: der dunkle Stein, aus dem das Gebäude errichtet worden war, schien alles Licht zu absorbieren, sodass der schmale Gang, durch den die beiden Abenteurer schritten, in vollkommener Finsternis dalag. Dass auch Navis schimmerndes Feenlicht bei diesen Verhältnissen nur eine dürftige Hilfe war, zeigte sich spätestens, als Link eine breite Fallgrube übersah und beherzt ins Leere trat. Sein schriller Schreckensschrei hallte von den hohen Wänden wider und schien sich zu vervielfältigen, bis eine ganze Horde entsetzter, verzerrter Stimmen durch den Tempel hallte. Navi streckte reflexartig die Arme nach ihrem Schützling aus als könnte sie ihn auffangen und rief panisch seinen Namen. Als anstatt eines lauten Schmerzensschrei nur ein unterdrücktes Stöhnen an ihre Ohren drang, atmete die Fee jedoch erleichtert auf und ließ sich am Rand der Grube nieder, wo Link sich gerade damit abmühte, seinen Körper wieder auf den Weg zu hieven. Zum Glück hatte er noch knapp die rettende Kante ergreifen können, anstatt in den vermutlich sicheren Tod zu stürzen. Keuchend ließ er sich mit dem Hintern auf den feuchtklammen, aus groben Pflastersteinen bestehenden Bodenbelang des Gangs fallen und starrte missmutig auf die Grube. „Alles in Ordnung mit dir?“ Navi ließ sich auf seinem Oberschenkel nieder und musterte ihren Schützling besorgt. „Ja, alles gut.“ Nickend versuchte Link seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen, bevor er dann doch einräumte: „Ich hab nur verdammt weiche Knie. Das hätte böse ins Auge gehen können. Wer weiß, was mir widerfahren wäre, wäre ich tatsächlich gestürzt. Dieses Loch ist so tief, dass sich der Boden nicht einmal erahnen lässt.“ Während Navi sich schaudernd vorstellte, dass in der Tiefe womöglich scharfe Dornen oder angespitzte Spieße auf ihren Begleiter gewartet haben könnten, blickte der Herr der Zeiten sich suchend um. Da er auf Grund der schier undurchdringlich wirkenden Dunkelheit um ihn herum jedoch nicht viel von seiner Umgebung erkennen konnte, gab er seine Bemühungen schnell wieder auf und seufzte: „Ich frage mich, wie ich über diese Falle hinwegkommen soll. Ich fürchte, das Loch ist wesentlich weiter als ich springen kann.“ Navi wandte sich langsam zur Grube um und ließ die Mundwinkel hängen. Von ihrem Standpunkt aus konnte sie das andere Ende des Lochs, das in der Breite von einer Wand zur nächsten reichte, nicht erkennen – dabei hatte sie sich bislang immer eingebildet eine hervorragende Nachtsicht zu haben. Für einen kurzen Moment durchzuckte sie der Gedanke, ob ihre Erkundung des Schattentempels womöglich schon zu diesem frühen Zeitpunkt zum Scheitern verurteilt sein sollte, aber dann drückte die willensstarke Fee bestimmt den Rücken durch und wandte sich über die Schulter hinweg an ihren Schützling: „Warte hier. Ich flieg mal rüber und schau mich auf der anderen Seite um. Vielleicht finde ich ja etwas, das uns weiterhilft.“ Während Link dem immer kleiner werdenden Ball Feenlichts hinterherblickte, murmelte er verdrossen: „Natürlich bleib ich hier. Wohin sollte ich denn auch gehen?!“ Unterdessen näherte sich seine Fee dem gegenüberliegenden Ende der Fallgrube und blickte sich fragend um. Irgendwo hier musste es doch so etwas wie einen Schalter geben, der einen Steg über das Loch ausfahren würde oder so. Tastend strich Navi mit ihren kleinen Händen über die glatten, sich irgendwie weich anfühlenden Steine und fragte sich, ob Link so allein im Dunkeln wohl Angst hatte. Dieser saß noch immer am Rand der Grube, obwohl die Feuchte des Bodens allmählich durch die feinen Maschen seiner Kleidung drang, und ließ ein Bein frei in das Loch herabbaumeln. Auch wenn die stille Finsternis um ihn herum ihm ein unangenehmes Gefühl der Einsamkeit vermittelte, fürchtete er sich dennoch nicht. Zu oft hatte Mido ihn früher in eine dunkle Kammer gestoßen und dort für Stunden eingesperrt. Düsternis und Alleinsein waren zwei Dinge, die Link nur allzu gut vertraut waren. Trotzdem bemühte Navi sich um Eile und fuhr mit schnellen, flinken Fingern durch die Fugen zwischen den Steinen. Als sie nichts fand, das sich verdächtig anfühlte, runzelte sie frustriert die Stirn. Irgendwo hier musste doch ein Schalter versteckt sein! Geradezu panisch ließ die Fee ihre Handflächen über die kühlen Wände wandern und pustete sich genervt eine lange, immer wieder in die Stirn fallende Strähne aus dem Gesicht. Wieso nur konnte sie trotz all ihrer Anstrengungen nichts finden?! Gerade, als sie schon aufgeben und mit hängendem Kopf zu Link zurückkehren wollte, stach ihr endlich etwas ins Auge. Sofort nahm sie ihrem Fund genauer unter die Lupe und begann übers ganze Gesicht zu strahlen, als sie erkannte, was sie entdeckt hatte. So schnell sie konnte eilte sie zu ihrem wartenden Schützling zurück, der bei ihrer Rückkehr interessiert den Blick hob und sie abwartend ansah. „Ich hab etwas gefunden!“, verkündete die Fee stolz und grinste dabei wie ein Honigkuchenpferd. Einen prüfenden Seitenblick auf das noch immer klaffende Loch neben ihm antwortete Link missmutig: „Super… Was denn? Eine Bar für rosa Feen?“ „Ha… ha…“ Navi funkelte ihn aus zu Schlitzen verengten Augen verletzt an und motzte: „Ich kann nichts dafür, dass es in diesem Tempel so verflucht dunkel und ungemütlich ist. Lass deine schlechte Laune nicht immer an mir aus!“ Link, der nur ungern zugab, dass die Erinnerungen an Midos Gemeinheiten ihm noch immer aufs Gemüt schlagen konnten, murmelte zerknirscht: „Du hast Recht. Tut mir leid. Also… Was hast du entdeckt?“ „Eine Holzplatte. Du kannst dich mit dem Enterhaken über die Grube ziehen.“ Navis Stimme hörte man deutlich an, dass sie noch immer verstimmt war. Das enttäuschte Gesicht, das Link bei ihren Worten zog, trug auch nicht gerade dazu bei, dass sich die Stimmung der Fee wieder hob. „Das ist toll“, setzte der junge Held nach einem kurzen Moment an, „aber wie soll ich eine Platte treffen, die ich nicht einmal sehen kann?“ Navi seufzte theatralisch und stemmte sich ihre zierlichen Fäuste in die Hüften. „Hast du keinerlei Vertrauen in mich? Ich hab schon einen Plan, was dein Zielproblem angeht. Halte dich einfach schussbereit.“ Mit diesen Worten machte die Fee kehrt und flog wieder davon. Auch dieses Mal wurde ihr glänzendes Licht schon nach wenigen Metern vollständig von der Dunkelheit verschluckt, aber Link holte dennoch seinen Enterhaken hervor. Wenn Navi sagte, dass sie eine Idee hatte, glaubte er ihr. Also starrte der junge Held mit aufgeregt schlagendem Herzen in die Finsternis und wartete angespannt darauf, dass sich etwas tat. Minuten lang geschah jedoch gar nichts und er fragte sich bereits, ob seine Fee sich womöglich überschätzt hatte, als er in einiger Entfernung ein langsam aufglimmendes Schimmern entdeckte. Am anderen Ende der Grube schwebte Navi mit konzentriert zusammengekniffenen Augen vor der Holzplatte und ließ all ihre Kraft in ihr erstrahlendes Feenlicht fließen. Sie war sich sicher, dass Link das Leuchten sehen konnte, wenn sie sich nur genug anstrengte. Deswegen verringerte sie Bemühungen selbst dann nicht, als ihr schwindelig wurde und die Welt begann sich deutlich zu schnell zu drehen und zu schwanken. So fix wie möglich suchte Link sich einen festen Stand und zielte auf das leicht flackernde Licht am Horizont. Bevor er den Haltebolzen langsam zur Seite schob, schickte er ein Stoßgebet zu den Göttinnen und hoffte inständig darauf, dass Navi schnell genug sein würde, sich rechtzeitig aus der Schusslinie zu bringen. Diese kämpfte inzwischen sehr mit ihrer zunehmenden Erschöpfung und registrierte erst mit reichlich Verzögerung, dass das laut klirrende Rasseln bedeutete, dass Link den Enterhaken abgefeuert hatte. Dass sie es trotzdem noch schaffte, dem bedrohlich schnell auf sie zu rasenden, scharfkantigen Dreieck auszuweichen, war vermutlich nur Glück. Sobald sich die Spitze krachend ins Holz gebohrt hatte, legte Link sogleich den Schalter um und zog sich über den Abgrund. Als er ziemlich unsanft gegen die gegenüberliegende Grubenkante prallte, entwischte ihm ein abgehackt klingendes Stöhnen. Nachdem er sich auf den Weg hochgehievt und den Enterhaken wieder aus dem Holz befreit hatte, rieb er sich mit säuerlicher Miene das Knie und sah sich suchend nach Navi um. Diese stand etwa einen halben Meter von ihm entfernt auf dem Boden und erholte sich tief durchatmend von den Strapazen des hellen Leuchtens. Als sie Links Blick auf sich spürte, drehte sie sich langsam zu ihm um und errötete leicht, als er mit liebevoll klingender Stimme sagte: „Danke. Das war wirklich eine Spitzenidee von dir.“ Um ihre Verlegenheit zu überspielen, zuckte die Fee mit den Schultern und deutete dann den Gang herab. „Wir sollten uns beeilen.“ Nickend verstaute der Herr der Zeiten seinen Enterhaken wieder in dem ledernen Wunderbeutel und wartete darauf, dass Navi ihren Stammplatz auf seiner Schulter eingenommen hatte, bevor er sich wieder auf den Weg machte, wobei er dieses Mal konzentriert darauf achtete, wohin er trat. Die beiden Abenteurer freuten sich noch immer darüber, dass Link es dank Navis Hilfe geschafft hatte, die Falle zu überwinden, als sie schon auf das nächste Hindernis stießen. Zu ihrer großen Überraschung war der Gang scheinbar eine Sackgasse! Ungläubig sah der Herr der Zeiten zu seiner Fee und fragte irritiert: „Hast du eine Abzweigung gesehen?“ Mit dem Kopf schüttelnd betrachtete Navi die schaurige Bemalung auf der Wand vor ihr, die aus demselben schwarzen, lichtabsorbierenden Stein zu bestehen schien wie auch der Rest des düsteren Gemäuers. Irgendjemand hatte mit etwas schlampiger Pinselführung einen hämisch grinsenden, bleichen Knochenschädel auf die grob behauenen Steine gemalt, der die beiden rätselnden Abenteurer nun zu verhöhnen schien. Rund um den schaurigen Totenkopf war rostrote Farbe gesprenkelt worden, die wie getrocknete Blutspritzer anmutete. Link wandte sich angewidert von dem gruseligen Anblick ab und starrte zurück in die Finsternis. Wo hatte er etwas übersehen? Während ihr Schützling mit dem Gedanken spielte, den ganzen Weg noch einmal zurückzugehen und dabei die Wände nach einer Öffnung oder einem Schalter abzutasten, streckte Navi wie hypnotisiert eine Hand nach der bedrohlich wirkenden Malerei aus. Sie hatte die Steinmauer noch nicht ganz berührt, als sich plötzlich eine geisterhafte Stimme erhob und wisperte: „In diesem Tempel lauern die Schatten von Kakarikos größten Sünden. Bist du bereit, dich deinen schlimmsten Alpträumen zu stellen?“ Erschrocken aufschreiend flüchtete sich Navi verängstigt in die Arme ihres Begleiters, der nichts gehört zu haben schien. „Was hast du?“ Beschützend barg Link seine schlotternde Fee in seinen großen Händen und musterte sie besorgt. Für ihn war völlig unklar, was sie dermaßen erschüttert haben mochte. „Dieser… dieser Tempel ist verflucht!“, stieß Navi ein wenig atemlos hervor, wobei ihre Stimme gepresst und rau klang. Irritiert die Stirn in Falten legend blickte der junge Held zurück zu der bemalten Wand und wunderte sich: „Verflucht? Wie kommst du denn auf die Idee?“ Während er die erschreckend plastisch wirkende Malerei betrachtete, dachte Link, dass bedrohliche Flüche in letzter Zeit überhandnahmen. Reichte es nicht, dass er seine Seele womöglich größter Gefahr aussetzte, wenn er das Auge der Wahrheit benutzte?! „Als ich vorhin die Wand berühren wollte“, setzte Navi zu einer Erklärung an, „drang plötzlich eine gruselig klingende Stimme an mein Ohr und erzählte von schlimmen Sünden und grausigen Alpträumen.“ „Aber du hörst doch ständig irgendwelche Stimmen…“, gab der Herr der Zeiten zu bedenken, was seine Fee dazu veranlasste, ihn erbost anzufunkeln. „Das ist nicht dasselbe! Was ich dieses Mal gehört habe, war nicht die Seele des Tempels!“ „Was war es dann?“ Mit neu erwachtem Interesse drehte Link sich wieder um und machte einen Schritt auf die bemalte Wand zu, was Navi nervös die Hände ineinander krampfen ließ. „Ich weiß es nicht“, gab sie zu, „aber es hat mir Angst gemacht. Was auch immer es war, es klang nicht freundlich gesinnt.“ Als ein belustigtes Grinsen über Links Gesicht huschte, hätte seine noch immer verängstigte Fee ihn am liebsten geboxt. Wie konnte er es wagen, sich über ihre Angst zu amüsieren?! „Das ist nicht komisch!“, keifte sie ihn wütend an und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. Anstatt sich von ihrem giftigen Blick einschüchtern zu lassen, entgegnete ihr Schützling gutgelaunt: „Doch, ein bisschen schon. Ich glaube nämlich, dass du einer Abschreckungsmaßnahme auf den Leim gegangen bist und es in Wahrheit gar nichts gibt, vor dem man sich fürchten müsste.“ Vorsichtig setzte Link seine Begleiterin, die sich inzwischen dank ihrer aufwallenden Wut ein wenig von ihrem Schrecken erholt hatte, auf dem feuchtklammen Boden ab und stellte sich vor die abscheuliche Malerei. Kaum, dass er die Hand nach der Mauer ausgestreckt hatte, hörte auch er die kratzig klingende Stimme, was ihn die Lippen zu einem selbstgefälligen Grinsen verziehen ließ. Hatte er es doch gewusst! Am liebsten hätte er sich dafür in den Hintern gebissen, dass er nicht gleich erkannt hatte, dass der aufgemalte Totenschädel Bestandteil eines auf Abschreckung beruhenden Abwehrsystems war. Während Navi die Augen fest zusammenkniff und angespannt darauf wartete, dass etwas passierte, drückte der Herr der Zeiten seinen Ellenbogen durch und legte die Hand bestimmt auf die Wand vor sich. Was er dabei zu fühlen bekam, überraschte ihn jedoch sehr. Entgegen seiner Erwartungen spürte er keine glatten, kühlen Steine und trockene, krustige Farbe unter seinen nackten Fingerkuppen, sondern… nichts! Ihm war als griffe er lediglich in die Luft! Einen Moment lang blinzelte er irritiert, dann begann er laut zu lachen, was in dem gewölbeartigen Gang unnatürlich hallte. Navi riss überrascht die Augen wieder auf und starrte ihren Begleiter groß an. „Was hast du?“, fragte sie verwundert, als sie nichts entdecken konnte, das Links akuten Anflug von Amüsement erklärt hätte. Ob der Fluch ihn bereits ereilt hatte und er in Folge dessen den Verstand verloren hatte? Sein irres Lachen schien ein überdeutliches Indiz dafür zu sein und ließ die verängstigte Fee nervös schlucken. Doch als Link sich mit einem vergnügten Leuchten in den Augen zu seiner Begleiterin umdrehte, wirkte er mental vollkommen gesund. Auch die Worte, die aus seinem Mund kamen, klangen in keiner Weise geisteskrank: „Ich habe keine Ahnung, wie das funktioniert, aber diese Wand ist nicht echt! Sie ist nur eine Illusion, die uns irreleiten soll.“ Um seine Behauptung zu untermalen, lehnte sich der junge Held auf ein Bein und griff mit einer Hand durch die Wand hindurch. Bei diesem Anblick weiteten sich Navis Augen vor Unglauben noch eine Spur mehr und sie keuchte überrascht. „Wer auch immer diesen Tempel errichtet hat, er wollte sichergehen, dass ihn möglichst niemand betritt – schon gar nicht ohne triftigen Grund.“ Trotz der vorherigen Erheiterung klang Links Stimme wieder ernst und nachdenklich. „Ich frage mich, was wir hier wohl finden“, fuhr er fort. Dann machte er eine auffordernde Handgeste in Navis Richtung und verschwand hinter der Wandillusion. Durch die vermeintliche Wand gelangte Link in eine große, viereckige Halle mit hoher Decke und vielen lichtspendenden Fackeln. Angesichts der Helligkeit im Raum atmete der junge Held erleichtert auf. Endlich musste er nicht mehr halbblind durch die Dunkelheit irren! Auf der Rückseite der Halle schoben sich das weitaufgerissene, zahnlose Maul sowie zwei krallenbewehrte Hände eines echsenartigen Steinmonsters durch die Wand, die durch einen breiten Graben vom Rest des Raumes getrennt war. „Stell dir mal vor, dieses Vieh wäre echt!“ Navi erhob sich vom Boden und flog neugierig zu der steinernen Kreatur herüber. Wer auch immer der ausführende Steinmetz gewesen sein mochte, er hatte viel Wert auf die saubere Ausarbeitung von Details gelegt. An den toten Augen des Echsenwesens sah man deutlich die Nickhaut – ein drittes, schleimhautartiges Lid – und die Haut der Kreatur war originalgetreu von vielen, kleinen Schuppen überzogen. Anstatt eines feinausgearbeiteten Gaumens befand sich jedoch eine vergitterte Tür im Rachen des Monsters. „Dort hinten geht’s weiter!“, flötete Navi vergnügt, als sie zu ihrem Begleiter zurückkehrte, der sie allerdings kaum beachtete. Stattdessen fixierte Link eine in der Mitte der Halle aufgestellte Skulptur und kaute nachdenklich auf der Unterlippe. Die Statue hatte die Form eines sein Gefieder sträubenden, großen Vogels mit langem, spitzem Schnabel. Komplettiert wurde die bedrohliche und angsteinflößende Wirkung durch ausgebreitete Schwingen und kleine, angriffslustig wirkende Augen. Den Fuß der Statue bildete ein großes, schwarz gestrichenes Rondell, aus dem gefährlich aussehende Stahlnieten hervorstanden und das anscheinend mit Hilfe eines massiven Hebels gedreht werden konnte. Rund um das seltsame Konstrukt waren hohe Pfähle aufgebaut, auf deren Spitzen erschreckend echt wirkende Totenschädel thronten. „Schön!“, kommentierte Link schließlich den Fund seiner Fee und deutete dann auf das Objekt seiner Aufmerksamkeit. „Ich frage mich, was das ist.“ „Vielleicht ist es Dekoration“, mutmaßte Navi mit einer Stimme, der man deutlich anhörte, dass sie ein bisschen beleidigt war, weil der Herr der Zeiten ihre Entdeckung so wenig würdigte. „Ich hab gehört, dass einige Könige Skulpturen in ihren Schlossparks aufstellen lassen, um diese noch beeindruckender und schöner zu machen. Warum sollte ein Tempelerbauer nicht Ähnliches im Sinn gehabt haben?“ Link warf ihr einen missbilligenden Blick zu und machte ein grunzendes Geräusch der Abfälligkeit, das klarstellte, was er von Navis Theorie hielt. Statt auf die herausgestreckte Zunge seiner Fee zu achten, trat er näher an das Gebilde heran und besah sich den Vogel aus der Nähe. Bei seinem ungebrochenen Interesse für die Statue gab Navi seufzend zu: „Die Tür, die ich entdeckt habe, ist vergittert. Vielleicht hat dieses Ding irgendetwas mit dem Öffnungsmechanismus zu tun.“ Nickend strich der junge Held über den Skulpturensockel und runzelte irritiert die Stirn. Fühlte er da nicht etwas Verdächtiges unter seinen nackten Fingerkuppen? Sich auf die Zehenspitzen stellend pustete Link aus vollen Lungen auf die Stelle, kurz bevor die Statue in ihren ausladenden Unterbau überging. Dicke Flocken gräulichen Staubs stoben auf und brachten den Herrn der Zeiten und seine Fee, die sich wieder auf seiner Schulter niedergelassen hatte, zum Niesen. Doch sobald sich die aufgewirbelte Wolke wieder gelegt und das Jucken in seiner Nase endlich nachgelassen hatte, verzogen sich Links Lippen zu einem breiten Grinsen. Rund um den Sockel zogen sich kunstvoll verschlungene Schriftzeichen und Symbole! „Kannst du das lesen?“ Aufgeregt deutete der junge Held auf seine Entdeckung und warf seiner noch immer niesenden Fee einen erwartungsvollen Blick zu. Navi bemühte sich, das widerliche Jucken ihrer Nasenflügel zu unterdrücken, und warf einen blinzelnden Blick auf die eingemeißelten Zeichen. Die scharfen, harten Kanten der Konsonanten und die weichen, ineinanderfließenden Rundungen der Vokale waren ein eindeutiger Hinweis darauf, dass es sich hierbei um die Sprache der Shiekah handelte. „Lass mich mal sehen.“ Mit wichtigtuerischer Miene umrundete die Fee den Skulpturenfuß, während ihr Schützling ungeduldig das Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte und die Arme vor der Brust verschränkte. Als Navi ihre Runde beendet hatte, ließ sie sich mit einem hintergründigen Lächeln auf dem Sockel der Statue nieder und genoss den Anblick von Links sich langsam verdüsternder Miene. Oh, wie sie es liebte, wenn er auf sie angewiesen war! Ihr Schützling hingegen hasste diese Momente, in denen seine Fee ihre Macht auskostete, bis er kurz vor der Explosion stand, abgrundtief. Konzentriert einatmend knurrte er schließlich, als er ihre Verzögerungstaktik gar nicht mehr aushielt: „Und? Was ist jetzt? Kannst du es lesen oder nicht?“ Ein strahlendes Lächeln erhellte Navis Gesicht und sie flötete vergnügt: „Was würdest du bloß ohne mich machen? Natürlich kann ich das lesen.“ „Sehr schön…“ Man sah dem jungen Helden deutlich an, dass er am liebsten laut aufgeschrien hätte, weil seine Fee mit geradezu sadistischer Freude seine angespannten Nerven strapazierte. „Und was steht da nun?“ Navi räusperte sich vernehmlich und rezitierte dann mit gewichtiger Stimme: „Dort steht: Willst du weiterkommen im Leben, ehre deine Fee!“ In lautes Gelächter ausbrechend hielt sie sich den Bauch, aber als sie Links versteinerte, finstere Miene bemerkte, seufzte sie auf: „Du bist dermaßen humorlos! Verstehst du überhaupt irgendwelchen Spaß?“ „Muss ich dich wirklich daran erinnern, dass Impa unsere Hilfe braucht und wir keine Zeit zu verlieren haben?“ Die Eiseskälte in Links Stimme hätte ganze Ozeane zum Gefrieren bringen können und Navi machte ein zerknirschtes Gesicht, als ihr klar wurde, dass sie kein Recht dazu hatte, die dauerhafte, geradezu pathologische Ernsthaftigkeit ihres Schützlings zu kritisieren. Seit der Deku-Baum ihn in sein Heldenschicksal eingeführt hatte, stand der junge Mann permanent unter immensem Druck und die Verantwortung, die auf seinen Schultern lastete, war ein kaum stemmbares Gewicht. Zudem hatte die dauerhafte, von Gemeinheiten und Demütigungen begleitete Rivalität mit Mido sicherlich nicht zu einer glücklichen, unbeschwerten Kindheit und der Entwicklung eines gesunden Sinns für Humor beigetragen. Kleinlaut schüttelte die schuldbewusste Fee den Kopf und nahm den Faden wieder auf: „Der Spruch lautet: ‚Zeigt der Schnabel auf den Schädel der Wahrheit, öffnet sich ein neuer Weg‘. Außerdem steht hier noch eine Warnung, dass dich die Wahl des falschen Totenkopfs in die ‚ewigen Schatten‘ stürzen würde.“ Grübelnd zog Link die Unterlippe zwischen die Zähne und betrachtete mit nachdenklicher Miene die absolut identisch aussehenden, auf den mehrere Meter hohen Pfählen thronenden Knochenschädel. Wie sollte er den Richtigen, den «Wahren» erkennen? „Vielleicht ist es hier das Gleiche wie mit der Wand“, platzte Navi nach einer Weile in Links fruchtlose Überlegungen und sah gespannt zu ihm herab. Vielleicht vergaß der Herr der Zeiten ja seinen momentanen Groll gegen sie, wenn sie es schaffte, das Rätsel für ihn zu lösen… Aufmerkend hob Link den Kopf und murmelte: „Du meinst, dass die Schädel eine Illusion sind?“ Navi nickte heftig und bestätigte: „Ja. Alle bis auf einen. Und das ist dann der, den wir suchen.“ Das Gewicht wieder aufs linke Bein verlagernd lenkte der Herr der Zeiten seinen Blick erneut auf die in einem perfekten Ring stehenden Pfähle und seufzte: „Dieses Mal kann ich leider nicht einfach die Hand ausstrecken und austesten, welcher Schädel echt ist und welcher nicht. Sie befinden sich definitiv außerhalb meiner Reichweite.“ Das Herz schlug Navi bis zum Hals, während sie überlegte, ob sie anbieten sollte, von Knochenkopf zu Knochenkopf zu fliegen und die Probe aufs Exempel zu machen. Doch allein der Gedanke, mit einem der fratzenhaft grinsenden Schädel in Berührung zu kommen, drehte ihr den Magen um und schweißte ihre Lippen fest zusammen. Link, der ihren inneren Zwiespalt zu spüren schien, bedachte seine Fee mit einem sonderbaren Blick, der zwischen Tadel und Nachsicht schwankte. Dann holte er seufzend Luft und murmelte: „Sieht so aus als wäre es an der Zeit herauszufinden, was das Auge der Wahrheit alles kann.“ Navi machte ein bekümmertes, sorgenvolles Gesicht, während sie beobachtete wie ihr Schützling mit eiskalten, heftig zitternden Fingern das mächtige Relikt aus seinem Wunderbeutel zerrte. Beim Anblick des changierenden lila Glas mit der eingravierten Pupille machte sich sofort ein nervöses Brennen im Magen des jungen Helden breit und der Schweiß brach ihm aus. Was würde aus Impa, Zelda und Hyrule werden, sollte er dem Fluch des Artefakts erliegen? Ein Stoßgebet zu den Göttinnen schickend atmete Link tief durch und hielt sich zaghaft das Auge der Wahrheit wie eine Lupe vors Gesicht. Im ersten Moment schien es als schaue er schlicht durch einfaches, lilagefärbtes Glas und er fragte sich bereits, ob das Relikt bei dem Sturz vom Hals des Gehirnfressers womöglich doch beschädigt worden war. Dann schoss jedoch plötzlich eine Art weißer Blitz durch Links Sichtfeld und sein Blick wurde ungewohnt scharf und klar. Neugierig auf diese neue, verbesserte Wahrnehmung drehte der junge Mann sich um die eigene Achse und entdeckte, dass dort, wo sich eigentlich die Wandillusion von zuvor befand, nun ein großes, quadratisches Loch klaffte. Schnell wandte er sich den hohen Pfählen zu und machte den Knochenkopf auf der Rückseite der Vogelskulptur als den «Schädel der Wahrheit» aus. Befriedigt wollte er das Artefakt in seiner Hand wieder wegpacken, aber in diesem Moment setzte der Fluch ein: Leise wispernde Stimmen sprachen direkt zu Links Herzen und lockten ihn mit vollmundigen Versprechen von Allwissenheit und der daraus resultierenden Macht. Anstatt das Auge der Wahrheit zurück in den Lederbeutel zu stecken, begann Link mit einem entrückten Lächeln durch den Raum zu laufen und jede sich ihm offenbarende Kleinigkeit in sich aufzunehmen. So entdeckte er zum Beispiel, dass der Boden rund um die Vogelskulptur von starken, aber gut versteckten Scharnieren gehalten wurde. Mit einem schaurigen, irren Lachen gluckste er: „Das ist also mit den ‚ewigen Schatten‘ gemeint. Eine Fallgrube!“ Navi beobachtete mit wachsender Sorge wie ihr Schützling von einer Ecke zur nächsten huschte, sich dabei das Auge der Wahrheit vors Gesicht hielt und wie ein Geisteskranker dämonisch grinste. Als sie den Anblick nicht mehr ertrug, flog sie zu dem jungen Helden herüber, zog mit aller Kraft an einer seiner Kreolen und brüllte ihm aus vollen Lungen ins Ohr: „Komm wieder zu dir, Link! Du bist der Herr der Zeiten, du musst dich zusammenreißen! Impa braucht dich. Ganz Hyrule braucht dich!“ Obwohl die Fee aus Leibeskräften schrie, drangen ihre Worte nur undeutlich an den bereits stark umnebelten Geist ihres Schützlings. Anstatt das Auge der Wahrheit zu senken, legte er nur den Kopf schief und sah Navi mit den leeren Augen eines Idioten an. „Bei den Göttinnen! Du machst mir Angst, du dämlicher Trottel!“ Frustriert und schier wahnsinnig vor Angst und Sorge trat Navi mit einer so überraschenden Wucht gegen das lupenförmige Relikt, dass es Link aus der Hand geschleudert wurde. Dieser schüttelte daraufhin den Kopf und blinzelte als wäre er gerade erst aus einem tiefen Schlaf erwacht. Als er schließlich den Blick wieder hob, hatten seine Augen die beängstigende Trübe verloren und Link lächelte Navi herzlich an. „Ich danke dir. Ich danke dir von Herzen!“ Seine Stimme klang so warm, dass die Fee beinah ein wenig verlegen wurde. Das hinuntergefallene Artefakt wieder aufhebend und im Wunderbeutel verstauend gestand der Herr der Zeiten: „Dieser Fluch ist wirklich beängstigend. Ich wollte die ganze Zeit aufhören und das Auge der Wahrheit wegpacken, aber ich konnte nicht. Es war als wäre ich gar nicht mehr Herr meiner selbst… Gruselig!“ Dann bog er die Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln nach oben und versprach zwinkernd: „Aber jetzt weiß ich, mit was ich es zu tun habe. Ich glaube, beim nächsten Mal wird es besser klappen. Und im Notfall hab ich ja immer noch dich. Du wirst mich doch wieder retten, oder?“ Navi grinste und kuschelte sich in seine Halsbeuge, während sie versicherte: „Darauf kannst du Gift nehmen!“ Um nicht noch mehr wertvolle Zeit zu verschwenden, machte Link sich sogleich daran, die merkwürdige Vogelstatuenkonstruktion so zu drehen, dass der Schnabel auf den «Schädel der Wahrheit» zeigte. Obwohl das Gebilde größtenteils aus Holz bestand, musste der Herr der Zeiten sich mit seinem vollen Gewicht gegen den Hebel werfen und alles aus seiner Beinmuskulatur herausholen, um es zu bewegen. Der Schweiß lief dem jungen Helden bereits in Strömen über den Körper und er keuchte angestrengt, als endlich ein einrastendes Geräusch erklang, das von einem lauten Rattern abgelöst wurde. „Klingt so als hättest du das Rätsel gelöst.“ Navi lächelte ihren Schützling stolz an und knuffte ihm freundschaftlich gegen sein Kinn, bevor sie anfügte: „Ruh dich ein wenig aus. Ich mach einen kurzen Rundflug, um zu schauen, woher der Lärm gerade kam.“ Link nickte dankbar und ließ sich mit dem Rücken gegen die Statue gelehnt zu Boden sinken, um Luft zu schöpfen. Doch noch bevor sich seine schwere Atmung wieder normalisiert hatte, schoss Navi bereits wieder auf ihn zu und zog ein ganz und gar unglückliches Gesicht. „Wir haben ein Problem. Ein ziemlich großes sogar.“ Sofort war Link wieder auf den Beinen und stieß angespannt hervor: „Warum? Was ist passiert?“ Die Fee deutete in Richtung der riesigen Steinechse und erklärte: „Der Mechanismus hat nur dafür gesorgt, dass das Gitter vor der Tür dort drüben hochgezogen wurde.“ Einen Moment lang starrte der junge Held seine Begleiterin verständnislos an. Das klang doch super! Warum sollten sie deswegen ein Problem haben? Doch dann dämmerte ihm allmählich, auf was Navi herauswollte: Das Maul der Echse und die erwähnte Tür waren außerhalb seiner Reichweite, da der Graben davor viel zu weit war, um über ihn hinweg zu springen. Es nützte den beiden Abenteurern also überhaupt nichts, dass das Gitter verschwunden war. Links erster Impuls war es, wütend gegen die Vogelstatue zu treten und sich all seinen angestauten Frust von der Seele zu schreien. Stattdessen holte er jedoch nur tief Luft und kämpfte seine ohnmächtige Wut auf sein Schicksal mühsam nieder, bevor er seufzte: „Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn etwas mal einfach so geklappt hätte. Also gut: Suchen wir einen anderen Weg.“ Während Navi den Schädel der Steinechse nach einem verborgenen Schalter absuchte, tastete Link die Wände ab. Irgendwo musste es doch einen Mechanismus geben, der eine Brücke ausfahren würde oder so – schließlich musste es auch den Shiekah, die diesen Tempel erbaut hatten, möglich gewesen sein, in dessen Innerstes vorzudringen. Doch vielleicht hatten die Shiekah auch schlicht Fähigkeiten, die denen der Hylianer überlegen waren. Immerhin hatte Shiek ohne Goronen-Rüstung im Feuertempel überlebt und Impa schien sich über kurze Strecken teleportieren zu können. Link war so sehr in seine Gedanken vertieft, dass er zunächst gar nicht registrierte, dass seine Hand ins Leere griff. Erst, als er mehr Druck gegen den glatten, schwarzen Stein ausüben wollte und stattdessen kopfüber nach vorne stolperte, wurde ihm klar, dass er eine weitere Illusion enttarnt hatte. Sofort machte sich Aufregung in ihm breit und er rief nach seiner Fee: „Navi! Komm her! Ich hab etwas entdeckt!“ Hinter der vermeintlichen Wand erstreckte sich ein kleiner Irrgarten voller schmaler, verwinkelter Gänge und Sackgassen. Die mit verschlungenen Lettern beschriebenen Wände waren mit einer eigenartig rostroten Farbe besprenkelt, die aussah wie getrocknetes, jahrzehntealtes Blut, und von irgendwo erklang das rhythmische Klatschen von herabtropfendem Wasser. Navi, die wie so oft auf Links Schulter saß, schmiegte sich eng an seine Halsbeuge und sah sich mit geweiteten Augen um. „Irgendetwas hier ist anders.“ Ihre Stimme war nur ein dünnes Flüstern und sie krampfte die Hände um eine Strähne von Links Nackenhaaren. „Inwiefern?“ „Spürst du nicht den Hauch des Todes?“ Am liebsten hätte der junge Held über den theatralischen Ton seiner Begleiterin gelacht, doch er fürchtete, dass sie dies schwer gekränkt hätte. Also verzog er die Lippen lediglich zu einem schiefen Grinsen und deutete mit dem Kinn auf die schnörkeligen Zeichen auf den Wänden: „Ist das wieder Shiekah-Schrift?“ „Ja. Jemand hat hier die Geschichte Kakarikos aufgeschrieben. Wie es aussieht, hat dieses friedliche Städtchen eine sehr bewegte Vergangenheit voller Fehden, Intrigen und Blutvergießen. Wenn ich es richtig verstehe, gab es zwei Shiekah-Clans, die um das Land, auf dem Kakariko errichtet wurde, rivalisierten. Allem Anschein nach wurde die unterlegene Familie nahezu vollständig ausgelöscht und die Überlebenden gezwungen, diesen Tempel und damit ihr eigenes Grab zu errichten – sie durften diese Gemäuer nämlich nie wieder verlassen.“ „Das ist… eine grauenhafte Geschichte. Bist du dir sicher, dass sie wahr ist?“ „Ich fürchte, das ist sie. Ja.“ Obwohl der junge Held schon viel Schmerzen und Tod in seinem kurzen Leben gesehen hatte, lief ihm bei dem Gedanken an das Leid der Shiekah ein eisiger Schauer über den Rücken. Wie verzweifelt mochten diese armen Menschen wohl gewesen sein? Waren sie vor Trauer um ihre Angehörigen schier wahnsinnig geworden? Oder waren sie sehenden Auges ihrem Ende entgegen gegangen? Hatten sie sich gegenseitig angefallen, als der Hunger schließlich übermächtig geworden war? Mit einem Kopfschütteln versuchte Link, die schaurigen Bilder, die sich ungefragt in seinen Geist gestohlen hatten, wieder zu vertreiben. Er durfte sich von so etwas nicht ablenken lassen. Die Geschehnisse lagen Jahrzehnte zurück, er konnte nichts mehr daran ändern – egal, wie sehr er mit den Opfern fühlte. Impa hingegen konnte er noch helfen, wenn er sich beeilte. Er musste sich also aufs Hier und Jetzt konzentrieren und so bald wie möglich einen Weg ins Innere des Tempels finden. Die Lippen grimmig aufeinander gepresst beschleunigte er seine Schritte und hastete durch die Gänge, ohne auf das protestierende Brennen seiner unterversorgten Lungen zu achten. Mehrere Male bog er falsch ab und sah sich einer Wand gegenüber, aber dank Navis exzellentem Orientierungssinn fand Link schließlich doch noch den richtigen Weg durch das kleine Labyrinth, an dessen Ende sich ein gewölbeartiger Raum befand. „Was ist das hier?“ Angewidert starrte Link auf die auf dem Boden verstreut liegenden Knochen und widerstand dem Drang, die Skelette zu zählen. „Ich glaube, hierher haben sich die eingesperrten Shiekah zurückgezogen, um zu sterben.“ Navis Züge waren voller Anteilnahme und in ihren Augen standen Tränen. Einige Herzschläge lang sagte daraufhin keiner der Beiden ein Wort. Selbst ein Flüstern wirkte an diesem schrecklichen Ort unpassend und pietätslos. Doch dann fiel Links Blick auf ein Paar sonderbar aussehender Stiefel, in denen noch immer die knöchernen Füße eines ehemaligen Shiekahs steckten. Irgendwo hatte er solches Schuhwerk schon einmal gesehen… Aber wo? Während er auf seine Entdeckung zuging, achtete er sorgsam darauf, keinen der herumliegenden Knochen zu zertreten. Wenn diese armen Menschen schon kein anständiges Grab bekommen hatten, hatten sie es zumindest verdient, dass man respektvoll mit ihren Gebeinen umging. Langsam in die Hocke gehend betrachtete der junge Held seinen Fund genauer: Es waren kniehohe Stiefel aus feinem, glatten Leder, deren Sohle aus einer Art Metall gefertigt waren und sich in Form kleiner Flügel den Stiefelschaft hochzogen. „Pegasus-Stiefel!“ Navi schnappte überrascht nach Luft und sah ihren Begleiter dann aus aufgeregt funkelnden Augen an. „Erinnerst du dich?“ Trotz ihrer Erregung dämpfte sie ihre Stimme zu einem sehr leisen Flüstern, sodass ihr Schützling sich anstrengen musste, um sie zu verstehen. „Der Deku-Baum hat mal von ihnen erzählt.“ Daher kamen sie Link so vertraut vor! Der Deku-Baum musste sie in seiner Geschichte beschrieben haben. „Der Legende nach, kann man durch die Lüfte laufen, wenn man diese Schuhe trägt“, frischte Navi seine Erinnerung noch ein wenig mehr auf. „Weißt du, was das bedeutet?“, wisperte der Herr der Zeiten, als ihm klar geworden war, wie bedeutend sein Fund war. Seine Fee nickte erfreut. „Du kannst damit die Tür erreichen und der Weg ins Tempelinnere ist hoffentlich endlich frei.“ Nachdem Link die Pegasus-Stiefel so vorsichtig wie möglich von den skelettierten Füßen des toten Shiekahs gezogen und in seinem Wunderbeutel verstaut hatte, machten sich die beiden Abenteurer wieder auf den Rückweg zur großen Halle. Während sie durch die düsteren Gänge eilten, ließ der junge Held seinen Blick über die beschriebenen Wände gleiten und murmelte: „Irgendwie fühlt es sich falsch an, die Stiefel genommen zu haben. Ich komme mir vor wie ein räudiger Grabräuber.“ Obwohl der verzauberte Beutel das Gewicht der Pegasus-Stiefel genauso in Nichts auflöste wie das aller anderen Gegenstände, bildete Link sich nun ein, das kleine Ledersäckchen hinge plötzlich viel schwerer an seinem Gürtel, nur um ihn bei jedem Schritt an die vermeintliche Grabschändung zu erinnern. „Ich bin mir sicher, der Tote wird dir dafür nicht zürnen– schließlich hast du seine Stiefel nur deswegen an dich genommen, weil du es musstest. Außerdem sollte es etwas zählen, dass wir immerhin hier sind, um eine Shiekah zu retten.“ Navi lächelte ihren Schützling in der Hoffnung, ihre Worte würden seine Gewissensbisse abklingen lassen, warm an. Ihre Beruhigungsversuche schienen jedoch an Link effektlos abzuprallen. Anstatt ein wenig aufzuatmen, stieß der junge Mann hervor: „Ja, sicher… Das wird den Toten bestimmt ungemein freuen…“ Bei dem bitteren Klang seiner Worte zog die Fee irritiert die Augenbrauen zusammen und fragte verwirrt: „Siehst du das etwa anders?“ Als ihr Begleiter nur stumm nickte, sich jedoch nicht weiter zu seiner Meinung äußerte, hakte Navi nach: „Warum?“ Link, der inzwischen die Wandillusion erreicht hatte, stoppte ab und sah mit einem verschlossenen Gesichtsausdruck zu der neben ihm fliegenden Fee auf. „Hast du schon mal daran gedacht, dass Impa ein Nachkomme derjenigen sein muss, die den Kampf um Kakariko gewonnen und diese bedauernswerten Menschen hier eingesperrt haben?“ Mit diesen Worten trat der Herr der Zeiten durch die Illusion und ließ Navi sprachlos zurück. Die Bitterkeit und die Härte, die in der Stimme ihres Schützlings mitgeschwungen hatten, erschreckten die Fee und ließen sie in der Bewegung erstarren. Zweifelte Link womöglich plötzlich daran, auf der richtigen Seite zu stehen?! Das durfte nicht sein! Als Herr der Zeiten war es ihm nicht erlaubt unsicher zu werden – schließlich lag das Schicksal ganz Hyrules in seinen Händen! Jedes Zögern oder Zaudern seinerseits konnte andere das Leben kosten. Als Navi sich schließlich wieder gefasst hatte und zu ihrem Begleiter aufschloss, war dieser bereits dabei, sein Schuhwerk zu wechseln. Während die Fee sich nachdenklich auf der Unterlippe kauend dem aufgewühlt wirkenden Hylianer näherte, überlegte sie fieberhaft wie sie ihn auf seine eventuellen Zweifel ansprechen sollte. Sollte sie mit der Tür ins Haus fallen und ihn an seine vom Schicksal auferlegten Pflichten erinnern oder sollte sie lieber behutsam mit ihrem Schützling umgehen und ihm sagen, dass sie von der Vergangenheit Kakarikos ebenfalls schwer erschüttert war? Doch gerade in dem Moment, in dem sie sich dafür entschied, Link ihr Herz zu öffnen und ihm zu zeigen, dass sie wegen der schaurigen Geschichte der Shiekahs ebenfalls beinah vom Glauben abgefallen wäre, fiel ihr Blick auf sein Gesicht und sie schluckte die Worte, die ihr bereits auf der Zunge lagen, herunter. Obwohl brennender Schmerz und tiefe Trauer in seinen Augen standen, sah man dem jungen Mann deutlich an, dass er sich seiner Verantwortung bewusst und zu allem bereit war. Jedes weitere Wort zu diesem Thema hätte nur Salz in seine Wunden gerieben und seinen Zorn auf das Schicksal, das ihm dermaßen viel abverlangte und fast alle menschlichen Emotionen verbot, nur noch mehr geschürt. Also schwieg Navi und betete nur stumm zu den Göttinnen, sie mögen Erbarmen mit ihrem Schützling haben und ihn vor der vollständigen Verzweiflung bewahren. „Dann wollen wir mal sehen, was diese Stiefel so können.“ Link sprang schwungvoll auf die Beine und wäre beinah sofort wieder lang hingeschlagen. Wild mit den Armen rudernd und die Augen vor Schreck weit aufgerissen, stieß er hervor: „Heiliger Deku! Mit diesen Dingern hat man das Gefühl als stünde man auf spiegelglattem Eis!“ Navi versuchte, ihren Schützling am Kragen zu packen und irgendwie abzustützen, obwohl ihr klar war, dass sie sein Gewicht unmöglich halten konnte, wenn er stürzen sollte. Doch sie wollte lieber etwas Unsinniges tun als tatenlos zuzusehen wie ihr Freund sich womöglich verletzte. Nach einigem Wackeln und Schwanken fand Link jedoch sein Gleichgewicht endlich wieder und die beiden Abenteurer atmeten erleichtert auf. „Eines ist sicher“, der junge Held grinste ein wenig verschmitzt zu seiner Fee herüber, als er versuchte, die Situation mit Humor zu nehmen, „die Schuhmode von heute gefällt mir wesentlich besser. Diese Stiefel sind ja lebensgefährlich! Man hat wirklich überhaupt gar keine Bodenhaftung.“ „Ich frage mich, wieso dem so ist…“ Navi machte ein nachdenkliches Gesicht, aber Link stoppte ihren Forscherdrang: „Lass uns das herausfinden, wenn wir alle Weisen gefunden und Ganondorf besiegt haben. Momentan gibt es Wichtigeres, auf das wir uns konzentrieren sollten.“ Mit diesen Worten fixierte der Herr der Zeiten das steinerne Echsenmaul mit der herausragenden Zunge und atmete tief durch. Dann nahm er Anlauf, wobei er sich vorstellte, er wäre wieder ein Kind und würde im Winter über den zugefrorenen Teich im Kokiri-Dorf schliddern, und hielt direkt auf den Abgrund zu. Doch anstatt ins Leere zu treten ließ er sich plötzlich abrupt auf den Hintern fallen und starrte mit großen, panischen Augen in die bodenlos erscheinende Tiefe vor ihm. „Alles in Ordnung?“ Navi war sofort an seiner Seite und musterte ihn sorgenvoll. Was war passiert? Warum hatte er seinen Lauf so plötzlich abgebrochen? Ohne den Blick vom Abgrund zu nehmen, keuchte Link: „Ich kann das nicht, Navi. Ich kann es nicht!“ „Was kannst du nicht?“ „Über die Kante treten. Ich hab Angst, zu fallen. Was, wenn die Legenden nicht stimmen und man mit den Pegasus-Stiefeln doch nicht durch die Luft laufen kann?“ Zittern erfasste seinen gesamten Körper und feine Schweißperlen sammelten sich auf seiner Stirn. Im ersten Moment wusste die Fee nicht, was sie sagen sollte, doch dann streichelte sie ihrem Schützling sanft über die Wange und redete in beruhigendem Tonfall auf ihn ein: „Du musst Vertrauen in dich haben, Link. In dich und in den Deku-Baum. Wenn er gesagt hat, dass man mit den Pegasus-Stiefeln durch die Luft laufen kann, dann ist das auch so.“ „Vielleicht hat er sich ja geirrt.“ Der junge Hylianer sah seine Fee aus noch immer ängstlich geweiteten Augen an und erntete für seine Zweifel einen strengen Blick. Obwohl Navi seine Furcht gut verstehen konnte, durfte sie nicht zulassen, dass er sich davon kleinkriegen ließ. Die beiden Abenteurer starrten sich stumm an, bis Link nach etwa einer halben Minute schließlich aufseufzte und sich zu einem entschlossenen Gesichtsausdruck zwang. „Du hast Recht“, gab er zu, „ich darf meiner Angst nicht nachgeben. Aber…“ Plötzlich leuchtete etwas in seinen Augen auf und er brach mitten im Satz ab. Navi blinzelte ihn irritiert an und wartete darauf, dass ihr Freund seinen Gedanken zu Ende führte. Was Link hatte sagen wollen, bevor ihm offenbar eine Idee gekommen war, sollte sie jedoch nie erfahren. Denn anstatt seinen Satz fortzusetzen, krabbelte der Herr der Zeiten auf allen Vieren so nah an den Abgrund heran wie er konnte. Dann stellte er einen Fuß auf die Kante und schob ihn langsam darüber hinweg. „Ich… Man kann tatsächlich durch Luft laufen!“ Link riss den Kopf herum und strahlte seine Fee erleichtert an. „Sieh nur, Navi: Obwohl ich meinen Fuß belaste, steht er mitten in der Luft, als wäre dort ein unsichtbarer Boden!“ Die neugierige Fee umkreiste den schwebenden Fuß und staunte nicht schlecht, als sie die starken Windhauch spürte, der aus vielen kleinen Düsen unter der Sohle hinausgepustet wurde. Doch bevor sie ihrem Begleiter mitteilen konnte, dass das Rätsel um die Pegasus-Stiefel zumindest zum Teil geklärt war, sprang dieser bereits wieder auf die Beine und nahm erneut Anlauf. Obwohl sein Herz vor lauter Angst noch immer wie wild gegen seine Rippen hämmerte, zwang Link sich, dieses Mal über die Kante zu treten. Als er mit beiden Füßen den sicheren Boden verlassen hatte, sackte sein Körper ein Stück herab und der junge Held war sich im ersten Moment sicher, doch in die Tiefe zu stürzen. Sein Schwung ließ ihn jedoch wie auf einer Glasplatte durch die Luft schliddern und sicher auf der aus dem Steinmaul ragenden Zunge landen. Das durch seine Adern rauschende Adrenalin ließ Links Beine versagen und er sank mit schlotternden Knien zu Boden, während Navi ihm glücklich Beifall klatschte. Nach einer kurzen Verschnaufpause wechselte Link schnell seine Stiefel, da er sich nach festem Stand und Bodenhaftung sehnte. Dann wandte er sich der im Rachen eingelassenen Tür zu und sagte zu seiner Fee: „Ich bin gespannt, was wir dahinter finden werden.“ Navi ließ sich auf seiner Schulter nieder und forderte grinsend: „Lass es uns herausfinden!“ Durch die Tür gelangten die beiden Abenteurer in einen kurzen Gang, der in eine fast kreisrunde, anscheinend vollkommen leere Halle führte. Während Link schnurstracks zum Ausgang auf der gegenüberliegenden Seite marschieren wollte, beschlich Navi angesichts der unerwarteten Leere ein ungutes Gefühl. „Irgendetwas stimmt hier nicht!“ Die Fee lugte ängstlich um Links Hals herum und versuchte, die Ursache für ihre Nervosität auszumachen. „Was meinst du?“ „Ich weiß es selbst nicht genau. Aber kommt es dir nicht merkwürdig vor, mitten in einem Tempel einen absolut leeren Raum vorzufinden?“ Der junge Held zuckte unbeteiligt mit den Schultern und schüttelte seine Begleiterin damit heftig durch. „Weshalb sollte ich mich darüber wundern? Es ist doch nur ein leerer Raum.“ Navi machte ein seufzendes Geräusch als wüsste sie nicht, ob sie sich über die Gedankenlosigkeit ihres Schützlings aufregen oder sie besser ignorieren sollte. „Womöglich wimmelt es hier von Fallen?“ Von der Sorge seiner Fee genervt, blieb Link abrupt stehen und stöhnte leise auf. „Stell dir vor: Daran habe ich auch schon selbst gedacht. Hab also keine Angst. Ich bin vorsichtig.“ Er hatte jedoch kaum ausgesprochen, als ihm plötzlich ein scharfer Luftzug durchs Gesicht fuhr und von einem stechenden Schmerz auf der Brust abgelöst wurde. Erschrocken sprang der junge Mann zurück und blickte überrascht an sich herab. Seine Tunika war über die komplette Breite des Brustkorbs aufgeschlitzt und färbte sich allmählich rot. Verblüfft und mit aufkeimender Angst befühlte Link den langen, brennenden Schnitt in seinem Oberkörper und atmete erleichtert auf, als er feststellte, dass es nur eine oberflächliche Fleischwunde war. Navi, die bei Links plötzlichem Sprung nach hinten von seiner Schulter gefallen war, fluchte bildgewaltig vor sich hin, verstummte jedoch abrupt, als sie das glänzende Blut auf der Brust ihres Schützlings bemerkte. „Was ist passiert?!“ Ihre Stimme klang vor Sorge hoch und schrill und sie streckte unbewusst eine Hand nach der Wunde aus so als könnte sie die Verletzung durch Handauflegen heilen. „Ich weiß es nicht.“ Link wischte seine blutbefleckten Finger am unteren Ende seiner Tunika sauber und starrte angespannt in den Raum. Was hatte ihn bloß verletzt?! Vor ihm befand sich absolut nichts, das nach einer Falle aussah – nur abgestandene Luft. „Ich hatte dir doch gesagt, hier sei etwas faul!“ Trotz der harschen Worte klang die Fee nicht ernsthaft verärgert, ihre Erleichterung über Links relative Unversehrtheit war dafür viel zu groß. Der Herr der Zeiten machte ein knurrendes Geräusch, das seiner Begleiterin deutlich signalisierte, dass er ihre selbstgefällige Rechthaberei gerade nicht ertragen konnte. Dann murmelte er: „Ich frage mich, was mich verletzt hat.“ „Kann ich dir nicht sagen.“ Die Fee zuckte mit den Schultern, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne. „Warte! Hörst du das?“ Die beiden Abenteurer spitzten die Ohren und lauschten angestrengt in den Raum hinein. Es war kaum hörbar, aber da war eindeutig ein schleifendes Geräusch, dessen Ursprung nicht zu erkennen war. „Es klingt als würde etwas Metallisches über den Boden gezogen.“ Navis Stimme war die Irritation deutlich anzuhören und auch Link konnte sich keinen Reim auf die Geräusche machen. Einen Moment lang fragte sich der Herr der Zeiten, was er nun tun sollte, doch dann kam ihm endlich die zündende Idee. So schnell wie möglich holte er das Auge der Wahrheit aus seinem Wunderbeutel und hielt es sich vors Gesicht. Die Angst vor dem Fluch ließ ihm noch immer den Magen krampfen, aber er vertraute fest darauf, dass Navi ihm auch dieses Mal das gefährliche Relikt aus der Hand schlagen würde, bevor es zu spät wäre. Wie schon zuvor dauerte es einen kurzen Moment, bevor der magische Gegenstand seine volle Wirkung entfaltete. Doch anders als bisher enttarnte das Auge der Wahrheit nun keine Illusion, sondern machte bislang Unsichtbares sichtbar. Als Link die mächtige Maschine in der Mitte des Raumes erblickte, rutschte ihm das Herz in die Hose und ein bitterer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus. Er war nur Zentimeter von seinem sicheren Tod entfernt gewesen! Wäre er nur einen einzigen Schritt weitergegangen, hätten ihm die riesigen, rasiermesserscharfen Sensenblätter, die von der Maschine betrieben durch den Raum kreisten, glatt den Brustkorb gespalten. Vor Glück darüber, dass Navi ihn so lange mit ihrer Sorge behelligt hatte, bis er entnervt stehen geblieben war, traten ihm Tränen der Erleichterung in die Augen. Den Tränenschleier aus seinem Blick blinzelnd verstaute der junge Mann mit zitternden Fingern das Auge der Wahrheit wieder in seinem Beutel und versuchte, den eisigen Hauch des knapp vermiedenen Todes zu verdrängen. Warum sich der Fluch dieses Mal nicht bemerkbar gemacht hatte, war Link nicht klar. Möglicherweise war man davor gefeit, wenn man ihn einmal abgeblockt hatte. Oder der junge Held war schlicht zu geschockt und aufgewühlt gewesen, um die flüsternden Stimmen zu bemerken. „Was hast du gesehen?“ Navi musterte ihren Schützling aufmerksam und rätselte stumm über seine plötzliche Blässe. Was hatte ihn bloß dermaßen erschüttert, dass er sämtliche Farbe verloren hatte? Ohne auf den besorgten Ausdruck seiner Fee zu achten, fasste der Herr der Zeiten seine Erkenntnisse knapp zusammen und fügte dann an: „Ich glaube, wenn ich über den Boden robbe, erwischen mich die Messer nicht. Du bist zum Glück definitiv klein genug, um ungefährdet drunter durch laufen zu können.“ Mit diesen Worten legte Link sich flach auf den Bauch und verzog das Gesicht zu einer schmerzverkrampften Grimasse. Der Staub, der sich im Laufe der Jahrzehnte auf dem kalten Stein abgelagert hatte, brannte wie Feuer in der frischen Schnittwunde auf Links Brust. Dennoch biss der junge Mann tapfer die Zähne zusammen und kroch dicht auf den Boden gepresst auf den Ausgang zu. Als Link endlich im nächsten Gang angelangt und sich sicher war, außerhalb der Sensenreichweite zu sein, richtete er sich stöhnend wieder auf. Navi, die neben ihm her gelaufen war und sich nun wieder in die Lüfte erhob, um ihrem Schützling ins Gesicht sehen zu können, fragte besorgt: „Alles in Ordnung mit dir?“ „Ja, es ist alles gut.“ Link nickte und fügte dann in einem nachdenklichen Ton an: „Allerdings sollte ich die Wunde so schnell wie möglich reinigen, bevor sie sich noch entzündet.“ Nur zu gerne hätte der junge Held einen Abstecher zu der auf dem Todesberg lebenden Fee gemacht, um sich von all seinen großen und kleinen Blessuren heilen zu lassen. Das Loch im Fuß, das er sich im Wassertempel zugezogen hatte, schmerzte noch immer und die anhaltende Müdigkeit, die sich in seinen überbeanspruchten Muskeln eingenistet hatte, war kaum auszuhalten. Doch womöglich hätte der Besuch bei der Feenkönigin Zeit gekostet, die Link nicht hatte. Niemand wusste, was Ganondorf in diesem Moment ausheckte. Vielleicht verfolgte er gerade einen der verbliebenen Weisen, um dessen Kraft irgendwie unschädlich zu machen. Dann wäre alles verloren, wofür der Herr der Zeiten in den vergangenen Wochen gekämpft hatte! Also würde Link sich so lange weitervorantreiben, bis er vor Erschöpfung zusammenbrechen würde. Navi, die den Gedankengang ihres Freundes zu erraten schien, seufzte: „Es ist eine Schande, dass du nicht in die Vergangenheit reisen und dich dort in aller Ruhe heilen lassen kannst. „Tja…“ Link zuckte mit den Schultern und verzog den Mund zu einem ironischen Lächeln. „Dummerweise wird mein Körper nun mal in genau den Zustand zurücktransformiert, in dem er sich befand, als ich das Master-Schwert aus dem Zeitfels gezogen hab.“ Die Fee presste die Lippen fest aufeinander und verfiel in missmutiges Schweigen Der Gedanke, dass ihr Schützling sich für seine Aufgabe so sehr aufopfern und seine Gesundheit gleich auf mehrfache Weise riskieren musste, gefiel ihr ganz und gar nicht. Am liebsten hätte sie ihn bekniet, sich eine Auszeit zu gönnen, bis er sich wieder vollständig erholt hätte. Doch ihr war schmerzlich bewusst, dass die Zeit drängte und keine Ruhephasen zuließ. Da Link ebenfalls nicht nach Reden zumute war, bewegten sich die beiden Gefährten stumm durch den dunklen, verwinkelten Gang, der sich an die Sensenhalle anschloss. Für einige Minuten war der Widerhall von Links Schritten das einzige Geräusch, das die allgegenwärtige Grabesstille durchbrach. Umso überraschter waren die zwei Abenteurer, als plötzlich ein lautes Hacken an ihre Ohren drang. Von Neugier getrieben steuerten sie so schnell wie möglich auf die Geräuschquelle zu, nur um nach der nächsten Ecke verblüfft stehenzubleiben. An der Decke des Gangs hingen mehrere Messer, deren Schneiden in Navis Feenlicht bedrohlich glänzten. In regelmäßigen Abständen sausten die Beile Guillotinen gleich zu Boden und wurden kurz darauf von einem Seilwindenmechanismus wieder nach oben gezogen. Mit wild schlagendem Herzen zählte Navi die wenigen Sekunden, die zwischen den beiden Phasen lagen, und stellte besorgt fest: „Das erfordert genaues Timing, wenn du hier unbeschadet durch willst…“ Link nickte grimmig und verfolgte das vorderste Messer mit den Augen. Den richtigen Zeitpunkt abzupassen, gehörte leider nicht zu seinen Stärken – eher im Gegenteil. Bei dem Gedanken an sein miserables Rhythmusgefühl wurde dem jungen Mann ganz flau im Magen und Angstschweiß perlte in dicken Tropfen seine Schläfen hinab. „Du hast nicht zufällig irgendwo eine Abzweigung gesehen, oder?“ Obwohl er sich nichts sehnlicher wünschte als einen Guillotinen freien Alternativweg, hatte Link nicht viel Hoffnung, dass er die Gefahrenzone vor ihm tatsächlich umgehen konnte. Dementsprechend achtete er kaum auf Navis Antwort und sah ihr betretenes Kopfschütteln nur aus dem Augenwinkel. Doch anstatt enttäuscht zu reagieren, trat der Herr der Zeiten so nah an das vorderste Fallbeil heran wie er konnte, ohne sich in Gefahr zu bringen, und peilte die Lage. Zwischen den Messern war gerade genug Platz für einen einzelnen Menschen und Link war wohl zum ersten Mal in seinem Leben froh darüber, nicht allzu kräftig gebaut zu sein. Während er sich innerlich darauf vorbereitete, die erste Guillotine zu passieren, schlug sein Herz dermaßen heftig, dass er glaubte, es müsste ihm die Rippen brechen. Navi hingegen kaute unterdessen nervös auf den Fingernägeln und wünschte sich, sie wäre stärker und könnte ihren Schützling über die gefährlichen Messer hinwegtragen. Ein letztes Mal wartete Link darauf, dass das Fallbeil zu Boden sauste. Dann holte er tief Luft und machte einen großen Schritt nach vorne, sobald das Messer hoch genug war, um mit eingezogenem Kopf darunter durchtauchen zu können. Bevor er sich versichern konnte, dass er richtig stand, fiel vor ihm auch schon die nächste Guillotine herab und landete nur wenige Millimeter von seinen Stiefelspitzen entfernt. Sofort schoss Adrenalin in den Blutkreislauf des jungen Mannes und machte seine Knie weich. „Alles noch dran?!“ Navi klang genauso zittrig wie Link sich fühlte und biss sich vor Anspannung so fest auf die Unterlippe, dass sie blutete. Da er im ersten Moment seiner Stimme nicht traute, antwortete der Herr der Zeiten erst mit einiger Verzögerung: „Noch, ja. Kannst du von da oben erkennen, wie viele Messer es insgesamt sind?“ Augenblicklich flog die Fee bis unter die Decke hoch und versuchte, die Anzahl der tödlichen Fallbeile auszumachen. „Du kannst aufatmen! Nur noch drei Stück und du bist durch!“ Obwohl Navi sich Mühe gab, zuversichtlich und erfreut zu klingen, hörte man ihr ihre Besorgnis deutlich an. Immerhin konnte ein einziger falscher Schritt Link das Leben oder zumindest ein paar Zehen kosten! Von den aufbauenden Worten beflügelt, wagte sich der bis zum Zerreißen angespannte Held unter dem zweiten Messer hindurch. Kaum, dass er es geschafft hatte, presste er sich flach gegen die Wand zwischen den zwei Fallbeilen und schloss für einen Moment die Augen. Sein Atem kam stoßweise und er zitterte wie Espenlaub, während der Schweiß in Strömen über seinen Körper lief und in seiner Schnittwunde brannte. Um sich selbst von seiner Panik abzulenken, versuchte er sich an schwarzem Humor und rief: „Ein Glück, dass ich jede Falle einzeln umgehen kann. So fällt gar nicht so sehr auf, dass ich ein wirklich miserables Timing hab. Hätte ich den richtigen Zeitpunkt für alle Messer gleichzeitig abschätzen müssen, wäre ich wohl schon Geschnetzeltes.“ Navi rollte übertrieben mit den Augen und seufzte: „Hör auf rum zu flachsen und konzentrier dich!“ Tief durchatmend legte Link den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, um Mut für das Passieren der nächsten Falle zu sammeln. Nur noch zwei Guillotinen und er hätte es endlich geschafft! Sobald das tödlich scharfe Beil hoch genug gezogen worden war, wirbelte er mit einer schnellen Körperdrehung darunter hindurch. Doch als er auf der anderen Seite angekommen war, stellte der Herr der Zeiten mit Schrecken fest, dass der Raum zwischen den beiden Messern dieses Mal zu eng für eine Pause war. Eiskalte Panik kroch über Links Rücken und ließ sein Herz für einen Schlag aussetzen, während das Adrenalin seine Wahrnehmung schärfte. Das nächste Messer näherte sich wie in Zeitlupe der Decke, von wo aus es jeden Augenblick herabsausen und den jungen Helden spalten würde. Obwohl alles in ihm schrie, er müsse sich beeilen, konnte er sich nicht rühren. Die Furcht schien ihn vollständig versteinert zu haben. Erst Navis angstschrille Stimme riss ihn endlich wieder aus seiner Schockstarre: „Was machst du denn da?! Beweg deinen Hintern!“ Als hätte er von hinten einen Schubs bekommen, stürzte der Herr der Zeiten vorwärts – gerade noch rechtzeitig, um der tödlichen Falle zu entgehen. Der scharfe Luftzug in seinem Nacken verriet, wie knapp es tatsächlich gewesen war. Kaum, dass er außer Gefahr war, gaben Links weiche Knie nach und er sackte in sich zusammen wie ein einstürzender Turm. Sein Atem kam stoßweise und das Herz in seinem wie Espenlaub zitternden Körper trommelte heftig gegen seine Rippen. Navi flog über die Fallbeile hinweg auf ihn zu und ließ sich auf der Schulter ihres Schützlings nieder. Obwohl auch ihr die Sorge um ihn noch immer in den Knochen steckte, strich sie ihm mit ihrer winzigen Hand beruhigend über die Wange und flüsterte: „Shht, ganz ruhig. Du hast es geschafft. Es ist alles gut.“ Link stieß ein langgezogenes Seufzen aus und strich sich ein paar Strähnen aus der Stirn, die ihm bei seinem Sturz auf die Knie ins Gesicht gefallen waren. „Den Göttinnen sei Dank! Ich glaube, ich hatte noch nie so viel Angst wie gerade eben. Ich hab echt gedacht, mein letztes Stündlein hätte geschlagen.“ Seine Fee nickte stumm und kuschelte sich tief in seine Halsbeuge. Eigentlich hätte sie ihren Begleiter dazu anhalten müssen sich zu beeilen, doch sie brachte es nicht übers Herz. Nach dieser nervenaufreibenden Prüfung hatte eine kurze Rast bitter nötig. Doch da Link selbst wusste, dass die Zeit drängte, hievte er sich schnell wieder auf seine sich noch immer wie mit Watte ausgestopft anfühlenden Beine und schickte sich an, den Schattentempel weiter zu erkunden. Falls die beiden Abenteuer darauf gehofft hatten, bald das Innerste des Tempels zu erreichen, wurden sie bitter enttäuscht. Durch ein Gewirr langgezogener, düsterer Gänge gelangten sie in eine weitere große Halle, deren Anblick sie überrascht keuchen ließ. Nur wenige Zentimeter hinter der Türschwelle brach der geflieste Boden ab, sodass der junge Held sich einem unendlich tief wirkenden Loch gegenübersah. „Wie soll ich denn da rüber kommen?! Derart weit tragen mich die Pegasus-Stiefel bestimmt nicht…“ Link starrte zu dem nächsten Gang herüber, der sich am anderen Ende des Raumes in der Wand auftat, und beneidete wieder einmal seine Begleiterin. Wenn er genau wie sie in der Lage gewesen wäre zu fliegen, wäre seine Aufgabe so viel einfacher gewesen… Navi zog nachdenklich die Unterlippe zwischen die Zähne und überlegte laut: „Vielleicht ist der Boden ja unsichtbar – so wie die Sense vorhin.“ Von diesem Gedanken überrascht, riss Link die Augen auf und murmelte: „Gut möglich.“ Sofort ließ er die Finger in seinen Wunderbeutel gleiten, um das Auge der Wahrheit hervorzuholen und Navis Theorie zu überprüfen. Während sich das Relikt in seiner Hand manifestierte, fragte sich der junge Held, warum ihm diese Idee nicht selbst gekommen war. Manchmal war er wirklich wie vernagelt… Kaum hielt sich der Herr der Zeiten das Auge der Wahrheit vors Gesicht, wurden auch schon von einem grellen Lichtblitz begleitet mehrere freischwingende Plattformen sichtbar, die an massiven Eisenketten von der Decke hingen. Mit nervös pochendem Herzen verharrte Link einen Moment und lauschte angespannt auf die leise wispernden Stimmen, die beim ersten Gebrauch des Relikts dessen Fluch begleitet hatten. Doch schon wie beim letzten Mal blieb alles stumm. Offenbar war er tatsächlich immun seit er dank Navis Hilfe den Bann gebrochen hatte. Den Griff des lupenförmigen Gegenstands zwischen die Zähne geklemmt wechselte Link sein Schuhwerk, um mit den Pegasus-Stiefeln über die breiten Abgründe zwischen den Plattformen hinweggleiten zu können. Obwohl er dieses Mal auf das Fehlen jeglicher Bodenhaftung gefasst gewesen war, bereitete ihm das Gefühl der Schwerelosigkeit leichte Übelkeit. Zum Glück war die Halle nicht besonders breit, sodass er schon in wenigen Minuten wieder zu seinen Lederstiefeln wechseln könnte. Die ersten beiden Plattformen erreichte der tapfere Hylianer ohne Schwierigkeiten, aber bei der mittleren erlebte er eine unschöne Überraschung. Kaum, dass er sie betreten hatte, ertönte plötzlich ein lautes, kreischendes Schleifen. Irritiert blickte der junge Held sich um, doch als er endlich verstanden hatte, was vor sich ging, war es bereits zu spät. Die Flügel eines riesigen, in eine furchteinflößende Steinfratze eingelassenen Ventilators hatten begonnen sich zu drehen und auf Link kam ein gewaltiger Luftstoß zu. Normalerweise hätte er diesem problemlos trotzen können, aber mit den Pegasus-Stiefeln an den Füßen wurde er einfach weggeblasen – direkt auf die gegenüberliegende, mit langen, scharfkantigen Speeren bewehrte Wand zu. Von Navis ersticktem Schrei begleitet versuchte der Herr der Zeiten verzweifelt, gegen die Macht des Windes anzulaufen, doch er wurde immer wieder abgetrieben. Nur knapp gelang es ihm noch eine der Plattformketten zu fassen und sich krampfhaft daran festzuklammern. Bei dem Sturm, der an seinem Körper zerrte, würde er dies jedoch auch nicht ewig aushalten. Irgendwann würden seine überforderten Muskeln aufgeben und ihn abrutschen lassen. Als er den Mund aufmachte, um seiner Fee über das Tosen des Ventilators hinweg etwas zuzurufen, riss ihm der Wind die Worte sofort von den Lippen und ließ sie ungehört verklingen. Zu seinem Glück brauchte Navi jedoch gar keine Aufforderung, um nach einem Schalter zu suchen, der die Maschine ausschalten würde. Sobald sie ihren Schreck ein wenig verdaut hatte, stürzte sie auf die hässliche Fratze zu und begann damit, deren Oberfläche abzutasten. Während ihre Finger über den kühlen, glatten Stein flogen, warf sie immer wieder besorgte Blicke über die Schulter, um zu sehen, wie es ihrem Schützling erging. Sie musste sich beeilen! Lange würde er sich nicht mehr halten können… Gerade, als Links Finger von den Kettengliedern rutschten, fand Navi endlich den Schalter im Fratzenauge und warf sich mit voller Wucht dagegen. Obwohl die Flügel des Ventilators sich sofort merklich verlangsamten, wurde der hilflose Hylianer vom Restwind weiterhin unaufhaltsam auf die bedrohlichen Spitzen zugetrieben. Ängstlich kniff Navi die Augen zusammen und biss sich auf die Faust, um einen gequältes Wimmern zu ersticken. Sie war zu langsam gewesen! Sie hatte zu lange gezögert! Sie war schuld! Sie allein… Doch anstatt eines markerschütternden Todesschreis erklang plötzlich ein lautes, metallisches Scheppern und die Fee riss überrascht die Lider wieder auseinander. Zu ihrer großen Erleichterung war Link nicht aufgespießt worden, sondern lächelte mit bleichem Gesicht schwach zu ihr herauf. Als er sich vorsichtig zurück zur Plattform und von dort aus weiter zum nächsten Gang arbeitete, erkannte seine Fee, was ihren Schützling gerettet hatte: sein auf den Rücken geschnallter Hylia-Schild! Das massive Stück Metall hatte zwar einige Kratzer und Dellen abbekommen, hatte aber verhindert, dass die Spieße Links Oberkörper durchbohren konnten. Ein Dankesgebet an die Göttinnen schickend atmete Navi auf und folgte ihrem Begleiter so schnell sie konnte. Dem Herrn der Zeiten schlug das Herz noch immer wild gegen die Rippen, als er sich schon einige Meter von der Halle entfernt hatte. Um seinen rasenden Puls zu beruhigen, atmete er mehrmals konzentriert ein und aus. Dann seufzte er deutlich hörbar auf und murmelte: „Eines muss man den Shiekah lassen: Sie verstehen sich wirklich gut darauf, heimtückische Fallen zu bauen.“ Navi lächelte mild und wollte ihrem Schützling gerade für seine ungebrochene Tapferkeit loben, als ein leises Rauschen und Gurgeln an ihre Ohren drang. Aufgeregt legte sie ihrem Begleiter eine Hand auf den Kopf und fragte: „Hörst du das, Link? Was ist das?“ Zunächst hörte der Gefragte gar nichts und legte irritiert die Stirn in Falten, während er angestrengt lauschte. Mit gespitzten Ohren schloss er die Augen und konzentrierte sich ganz auf die Geräusche um ihn herum. Irgendwo tropfte Wasser von der Decke herab, Navis Libellenflügel strichen zart raschelnd übereinander und das Scharren seiner Stiefel hallte unnatürlich laut von den hohen Wänden wider, wann immer er das Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte. Gerade, als der junge Mann sich fragte, ob seine Fee sich nur eingebildet hatte, etwas Ungewöhnliches gehört zu haben, vernahm auch er endlich das seltsame Gluckern und Murmeln. Verblüfft riss der Hylianer die Augen wieder auf und stieß fast ungläubig aus: „Das klingt wie Wasser! Hier muss irgendwo ein unterirdischer Fluss verlaufen.“ Ohne Navis Antwort abzuwarten, trabte Link los, um dem Ursprung der Geräusche auf den Grund zu gehen. Bei jedem Schritt brannte die Verletzung in seiner Fußsohle wie Feuer, doch der tapfere Held nahm all seine Willenskraft zusammen und ignorierte den Schmerz. Dennoch standen ihm die Tränen in den Augen und er betete stumm zu den Göttinnen, dass er bald alles überstanden hätte. Viel länger würde sein geschundener Körper die Belastungen nicht mehr aushalten. Doch das heftige Pochen im Fußballen war sofort vergessen, als der Herr der Zeiten um die nächste Ecke bog und staunend zum Stehen kam. Wie vermutet hatte sich tatsächlich ein rauschender Fluss durch den Stein in das Innere des Tempels gegraben. Was Link jedoch wirklich überraschte, war nicht der Anblick des Fließgewässers, sondern das große wie eine alte Galeone aussehende Schiff, dessen schwarzgetünchtes Holz im Fackelschein samten schimmerte. „Was im Namen der Göttinnen macht ein Schiff hier?!“ Der Recke blickte irritiert zu seiner Fee herüber, die ebenso ein verblüfftes Gesicht machte. „Ich hab keine Ahnung. Aber es muss verdammt viel Arbeit gewesen sein, die Materialien dafür herzuschaffen und es hier zusammenzubauen.“ „Ich bezweifle, dass es hier gebaut wurde.“ Link betrachtete nachdenklich die Backbordseite, deren Planken mit feinen Ornamenten und dem Wappen der Shiekah verziert worden waren. „Wie ist es denn deiner Meinung nach hierhergekommen?“ Navi klang ein wenig eingeschnappt, weil ihr Schützling eine andere Theorie als sie hatte. Doch eigentlich ärgerte sie sich nur über sich selbst, weil sie womöglich etwas Offensichtliches übersehen hatte. „Ich vermute, dass es irgendwo noch einen Wasserweg in den Tempel hinein gibt, der im Laufe der Jahre in Vergessenheit geraten und deswegen nicht überliefert ist.“ „Hm. Möglich.“ Für einen kurzen Moment schwiegen die beiden Abenteurer und ärgerten sich stumm darüber, dass sie womöglich viel einfacher in das Tempelinnere hätten vordringen können. Es war Link, der den Faden wiederaufnahm: „Aber eigentlich ist es auch ganz egal, wie das Schiff hierhergekommen ist. Wichtiger ist die Frage, ob es uns irgendwie nutzen kann oder ob wir umkehren und einen anderen Weg suchen sollten. Was sagen denn deine supertollen Feensinne dazu?“ Bei dem spöttischen Ton in Links Stimme verengte Navi ihre Augen sofort zu schmalen Schlitzen und fauchte: „Mach dich nicht immer darüber lustig! Die Seelen der Umgebung sprechen hören zu können ist eine sehr nützliche Fähigkeit!“ Amüsiert glucksend antwortete der Herr der Zeiten: „Sicher… Aber anstatt die beleidigte Leberwurst zu mimen, solltest du mir lieber verraten, was dir der Tempel so an Klatsch und Tratsch erzählt.“ Die Fee warf ihrem Schützling einen letzten giftigen Blick zu und senkte dann die Lider, um sich besser konzentrieren zu können. Es hatte keinen Sinn, mit Link über ihre Fähigkeiten zu streiten. Er würde sie nie mit Ernsthaftigkeit betrachten. Vermutlich, so dachte Navi, war es schon eine große Ehre, dass er überhaupt von sich aus danach gefragt hatte. Während seine Fee den leise wispernden Geisterstimmen des Tempels lauschte, trat der junge Held unruhig von einem Bein aufs andere. Als er das Warten nicht mehr aushielt, bohrte er ungeduldig nach: „Und? Was ist jetzt? Nutzt uns der alte Kahn irgendwie?“ Navi zuckte ohne die Augen zu öffnen mit den Schultern und murmelte: „Ich bin mir nicht sicher. Es heißt, der Weg ins Innere sei ein nasser Pfad, doch wir werden auch gewarnt, der Fluss führe zu düsterem Verderben. Irgendwie werde ich aus diesem Widerspruch nicht ganz schlau. Anscheinend müssen wir mit dem Schiff fahren, um weiterzukommen, aber an unserem Ziel lauert offenbar große Gefahr.“ „Hm.“ Link legte sich unglücklich die Arme um den Oberkörper und fröstelte, als ihm ein Gedanke kam. „Meinst du, im Inneren wartet der Schattendämon auf uns?“ Mit Grauen dachte der Herr der Zeiten zurück an seine letzte Begegnung mit dem Monster. Wie leicht es für den Dämon gewesen war, ihn zu besiegen! Es war beschämend, überaus beschämend… „Gut möglich. Vermutlich will das verfluchte Mistvieh verhindern, dass jemand das Siegel erneuert.“ Navi hob die Lider und sah ihren Schützling eindringlich an. „Hast du Angst?“ Dieser kreiste mit den Schultern als wolle er ein unangenehmes Gewicht abschütteln und seufzte: „Spielt das denn eine Rolle? Shiek…, nein, ganz Hyrule vertraut darauf, dass ich meine Aufgabe erfülle. Da bleibt kein Platz für Zögern oder Angst.“ „Ich weiß.“ Die Fee lächelte ob seines gereizten Tons milde. Bei der immensen Last, die auf ihm lag, war es ein Wunder, dass er nicht viel öfter patzig war. „Aber behalte immer in Hinterkopf, dass der Schattendämon ein Wesen ist, das sich von Furcht ernährt“, rief sie ihm ins Gedächtnis. „Je besser du deine Gefühle im Griff hast, desto schwächer wird er sein. Also lass dich nicht von seinen Illusionen und Tricks ins Bockshorn jagen.“ Link nickte vage und deutete dann mit dem Kinn auf das ruhig auf dem Wasser liegende Schiff. „Anstatt uns Gedanken um mein Innenleben zu machen, sollten wir lieber in See stechen und Impa helfen.“ Ohne die Antwort seiner Fee abzuwarten, ging der Recke zu der am Schiffsbug herabhängenden Strickleiter und erklomm behände die wenigen Sprossen. Kaum, dass er sich über die Reling geschwungen hatte, erblickte er das riesige mit Goldfarbe aufs Deck gemalte Triforce und musste unwillkürlich grinsen. Die Geschichte von Hylianern und Shiekah war so eng miteinanderverwoben, dass man überall dort, wo man Hinterlassenschaften des einen Volkes fand, auch Hinweise auf das andere Geschlecht entdecken konnte. Während Navi noch zu ihm aufschloss, hastete Link bereits auf die gewaltige Drehwinde am Heck zu und lichtete den Anker. Das lange ungenutzte Schiff nahm sogleich Fahrt auf und die alten, von leichten Schaukelbewegungen übereinander geriebenen Planken knarrten leise. Obwohl der Kahn nur gemächlich dahinfuhr und der Fluss keine besonders starke Strömung hatte, wurde das vom spitzen Bug geteilte Wasser zu schaumiger Gischt aufgeschlagen. Der junge Held stellte sich an die Reling und genoss den kühlen Fahrtwind im Gesicht, während Navi vor ihm über das Geländer balancierte und ihn mit einem amüsierten Funkeln in den Augen musterte. Als ihm ihr Blick ein wenig unheimlich wurde, fragte er barsch: „Was ist? Hab ich plötzlich eine Warze auf der Nase oder warum starrst du mich so an?“ „Ich dachte nur gerade, dass du verblüffend glücklich aussiehst“, erklärte die Fee heiter. „So wie ein alter Seebär, der nach einem viel zu langen Landgang endlich wieder zu seinem Schiff zurückkehren durfte.“ Bei diesen Worten machte sich sofort ein strahlendes Lächeln auf den Lippen des Recken breit und er sagte: „In gewisser Weise ist da sogar etwas dran. Ich mochte die Geschichten des Deku-Baums immer dann besonders gern, wenn sie von Seefahrern und Piraten handelten. Seit ich ein kleines Kind war, habe ich davon geträumt auch mal Seeräuber zu werden, die Weltmeere zu befahren und die unendliche Freiheit der weiten Ozeane zu spüren. Dies hier ist zwar nur ein kleiner Fluss, aber ein Anfang.“ Navi lachte losgelöst und versuchte sich ihren Schützling als wilden Piraten mit Kopftuch und Vollbart vorzustellen, doch es wollte ihr partout nicht gelingen. Bevor sie ihn damit necken konnte, dass er viel zu gutherzig für einen gefürchteten Seeräuber war, erklangen jedoch plötzlich die am Heck angebrachten Glöckchen und Link wirbelte wie von der Tarantel gestochen herum. Zu seinem großen Schrecken hatte sich die Kajüten-Tür geöffnet und zwei Skelettkrieger traten nacheinander aufs Deck hinaus. Zusätzlich zu ihren üblichen Krummsäbeln hielten diese Exemplare große, brennende Öllampen in den Händen. Einen Moment lang war der Herr der Zeiten von den ungewöhnlichen Mitbringseln irritiert und betrachtete verwirrt das im Lampeninneren hin und her schwappende Petroleum. Doch dann verfielen die feindlichen Krieger in ein schauriges Lachen und Link begriff schlagartig, was sie vorhatten. Trotzdem nutzte ihm diese Erkenntnis herzlich wenig… Bevor er reagieren konnte, schmissen die Skelette die Lampen zu Boden, wo ihr gläserner Körper mit lautem Klirren zerbrach. Starr vor Entsetzen beobachtete Link wie sich das Brennöl ausbreitete und das Holz in Brand steckte. Binnen weniger Sekunden stand bereits ungefähr ein Viertel des Decks lichterloh in Flammen. Als wäre dies allein nicht schon besorgniserregend genug gewesen, hob nun der vordere Skelettritter auch noch seinen mächtigen Säbel über den Kopf und ging auf Link los. Das diabolische Funkeln in den rotglühenden Augen des Monster ließ erahnen, dass sich der Herr der Zeiten einem furchterregenden, unnachgiebigen Feind gegenübersah – und das auch noch im Doppelpack! Denn auch das zweite Skelett fasste seine Waffe fester und kam mit bedächtigen Schritten immer näher. Navi biss sich auf die Unterlippe, während ihr Blick unruhig zwischen ihrem Schützling und den Angreifern hin und her zuckte. Was hätte sie in diesem Moment nicht alles darum gegeben, ein wenig stärker zu sein! Sie hasste es, wenn sie tatenlos mitansehen musste wie Link mit einer gefährlichen Situation konfrontiert wurde. Nur zu gerne hätte sie ihn während seiner Kämpfe mehr unterstützt. Doch sie war sich noch nicht einmal sicher, ob sie in der Lage dazu war, eine ordinäre Stubenfliege zu erschlagen. Also blieb ihr nichts anderes übrig als für die Unversehrtheit ihres Begleiters zu beten. Dieser zog mit grimmigem Gesichtsausdruck das Master-Schwert und trat den Angreifern mutig entgegen, obwohl der Schweiß auf seiner Stirn nur zum Teil auf die Hitze des Feuers zurückzuführen war. Er konnte sich noch lebhaft an die Schwierigkeiten erinnern, die ihm die beiden Skelettkrieger im Waldtempel mit ihrer fein aufeinander abgestimmten Taktik bereitet hatten – und damals hatte er wenigstens noch über ein relativ großes Bewegungsfeld verfügt. Auf dem schmalen Schiff, das zu allem Überfluss auch noch von hungrigen Flammen verschlungen wurde, war die Herausforderung eine ungleich höhere. „Na, dann wollen wir mal sehen, ob ich inzwischen etwas dazu gelernt habe…“ Link drückte bestimmt den Rücken durch und ließ sein Schwert mit einem wilden Kampfschrei auf den ersten Angreifer hinabsausen. Als dieser den Streich mit der eigenen Klinge parierte, hallte ein ohrenbetäubendes Krachen von den hohen Tempelwänden wider und Navi bekam vor lauter Aufregung Schluckauf. Von ihrem Hicksen begleitet startete Link einen zweiten Anlauf, um den Skelettritter zurückzudrängen, doch auch dieser wurde problemlos abgeblockt. Ängstlich warf der junge Held einen Blick auf den zweiten Krieger, der zwar langsam und schleppend, aber unaufhaltsam näherkam. Wenn Link es nicht schaffte, das erste Monster zu erledigen, bevor das zweite ihn erreichte, würden seine Siegchancen schlagartig in den Keller sinken. Gelbrote Flammen leckten knisternd über das trockene Holz der Planken und verwandelten das Schiff in ein tödliches Meer aus wabernder Hitze. Der Schweiß rann dem verzweifelt kämpfenden Hylianer in Strömen über den Körper und ließ den Schnitt auf seiner Brust höllisch brennen. Die Zähne fest zusammengebissen hieb Link ein weiteres Mal nach seinem Angreifer. Dieses Mal erwischte er den Skelettkrieger und schlug ihm eine tiefe Kerbe in die Speiche. Doch dem Recken blieb nicht viel Zeit, um sich über diesen kleinen Erfolg zu freuen, denn der zweite Angreifer war inzwischen bis auf eine Schwertlänge herangekommen und hob mit einem klackernden Lachen seine Waffe. Link schluckte hart und überlegte fieberhaft, was er nun tun sollte. Vielleicht konnte er entkommen, wenn er einfach von Bord sprang. Langsam zurückweichend warf er einen kurzen Blick über die Reling und beschloss augenblicklich, dass diese Idee ein schlechter Plan war – ein verdammt schlechter. Nur knapp neben dem Schiff glitten die Körper von mehreren krokodilartigen Wesen durch das schwarz wirkende Wasser und präsentierten von Zeit zu Zeit ihre rasiermesserscharfen Fänge. Link hätte sich lieber mit fünf Skelettkrieger gleichzeitig herumgeplagt als Bekanntschaft mit einem dieser Räuber zu schließen. Navi beobachtete mit heftig schlagendem Herzen wie das zweite Monster zu ihrem Schützling aufschloss und sogleich zum Angriff überging. Gerade, als sie sich fragte, ob es etwas nutzen würde, wenn sie sich auf das Skelett stürzen würde, um es zu irritieren, jaulte das Wesen plötzlich wie unter Schmerzen auf und ließ den Krummsäbel fallen. Überrascht riss der Herr der Zeiten den Kopf zu ihm herum und staunte nicht schlecht, als er die kleinen Flammen entdeckte, die an dem Schienbeinknochen des Kriegers nach oben züngelten. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, wie er sich seinen Angreifern entledigen konnte. Von Navis ungläubigem Keuchen begleitet, steckte Link sein Schwert zurück in die Scheide und ging mit erhobenem Hylia-Schild auf die beiden Skelettritter zu. Sofort ließ das erste Monster seine Waffe auf den Recken hinabsausen, doch dieser blockte den Angriff vollständig unbeeindruckt ab und stieß die feindliche Klinge so kräftig zurück, dass es den Krieger aus dem Gleichgewicht brachte und ihn rückwärts taumeln ließ. Auf diese Weise trieb Link seinen Gegner immer weiter zurück, bis er ihn schließlich ins Feuer stieß. Sofort leckten die Flammen an den trockenen Knochen und das Skelett zerfiel laut kreischend zu Asche. Der zweite Angreifer erwies sich leider als wesentlich klüger. Anstatt Link zu attackieren, floh es humpelnd vor dem Hylianer und wich den Schildhieben geschickt aus. Zu seinem Leidwesen ließ der Herr der Zeiten sich davon jedoch nicht beeindrucken, sondern änderte bloß die Taktik. So schnallte er sich den Schild wieder auf den Rücken und näherte sich scheinbar wehrlos dem unbewaffneten Skelettkrieger. Als dieser verdutzt stehenblieb, trat Link ihm plötzlich gezielt gegen das Brustbein und katapultierte das Monster so ins Flammenmeer hinter ihm. Erleichtert aufatmend schwebte Navi zu ihrem Schützling herüber und klatschte stolz in die Hände. „Das hast du – hicks – wirklich super gemacht!“ Link lächelte schief und betrachtete seinen geschundenen Hylia-Schild, der inzwischen sehr verbeult war und große Teile der Lackierung eingebüßt hatte. „Ich fürchte, ich werde mir bald einen Neuen kaufen müssen.“ Seufzend warf der Recke seinen treuen Schild nach der kurzen Überprüfung wieder über die Schulter und schnallte ihn fest. Dann ließ er seinen düsteren Blick wieder zu den gierigen Flammen wandern, die inzwischen gute drei Viertel des Decks in Beschlag nahmen und vereinzelte Planken unter Funkenflug in sich zusammenfallen ließen, und stellte fest: „Aber im Moment haben wir ganz andere Sorgen…“ Während sich das Knistern und Knacken des Feuers zu einem laut tosenden Prasseln steigerte, blickte Link sich verzweifelt suchend nach einem Eimer oder Krug um. Ihm war klar, dass er damit nicht die Mengen an Wasser heranschaffen konnte, die von Nöten waren, um den Brand zu löschen. Doch vielleicht konnte er sie Flammen ein wenig eindämmen oder zumindest sich selbst mit dem kühlen Nass übergießen, um seine Körpertemperatur zu regulieren und der höllischen Hitze zu trotzen. Navi platzte plötzlich in seine Gedanken hinein und jammerte: „Wieso haben wir eigentlich nur einen Zauber, um Feuer zu entfachen? Eine Flutwelle wäre – hicks – momentan viel sinnvoller!“ Der Herr der Zeiten nickte nachdenklich und presste sich mit dem Hintern fest gegen die Reling, um soweit wie möglich vor den Flammen zurückzuweichen. Vielleicht, überlegte er, sollte er auf den Rücken der wie ein spitzschnabeliger Raubvogel geformten Galionsfigur klettern, um für noch mehr Abstand zu sorgen. Eines der krokodilartigen Wesen hob seinen breiten Kopf mit der langen, vorne abgeplätteten Schnauze aus dem Wasser und stieß ein lautes Fauchen aus. Auch die anderen Raubtiere wagten sich immer näher an den lichterloh brennenden Kahn heran und beobachteten Link aus hungrig funkelnden Augen. Vermutlich war das Nahrungsangebot hier im Tempel stark eingeschränkt und die Monster freuten sich schon diebisch darauf, endlich mal wieder eine fette Beute zu machen. Der junge Held wandte sich schaudernd ab, nur um vor Schreck heftig zusammenzufahren. Die Flammen hatten inzwischen so große Löcher in die Schiffsseiten gefressen, dass sich der Bauch der kleinen Galeone allmählich mit Wasser füllte. Auch Navi bemerkte das Unglück in diesem Moment und vergaß vor Entsetzen sogar ihren Schluckauf. Erschrocken riss sie die Augen auf und rief mit schriller Stimme: „Wir sinken! Bei den Göttinnen, wir sinken!“ Links Blick zuckte panisch umher, während der Recke verzweifelt nach einem Ausweg aus der Misere suchte. Zwar war ihm klar gewesen, dass das Schiff irgendwann untergehen würde, aber er hatte gehofft ein wenig mehr Zeit zu haben. Nun musste schnell eine Lösung her. Die Flammen ließen die Haut des Hylianers schmerzhaft glühen und verwandelten alles um sie herum in ein flirrendes Zerrbild. Um besser sehen zu können, kniff Link die Augen leicht zusammen, doch die Luft waberte so sehr, dass seine Umgebung zu tanzen schien. Schweiß trat ihm aus allen Poren, nur um sofort in der Hitze zu verdunsten. Wenn Link nicht bald die Erleuchtung kam, würde er sich um die Wasserräuber gar keine Gedanken mehr machen müssen, weil er bis dahin zu einem kümmerlichen Haufen Asche verbrannt wäre. Inzwischen war selbst sein Mund so trocken, dass seine sich wie geschwollen anfühlende Zunge am Gaumen klebte. Gerade, als dem Hylianer die Idee kam, seine Goronen-Rüstung anzulegen, um der brutalen Hitze zu entkommen, platzte Navi plötzlich heraus: „Sieh doch! Da hinten ist Land!“ Link lehnte sich soweit über die Reling wie er konnte ohne Gefahr zu laufen, vornüberzufallen und in die Fluten zu stürzen, und starrte konzentriert in die Richtung, die seine Fee ihm wies. Tatsächlich! In geschätzten hundert Metern war ein dünner Streifen Land zu sehen! Doch bevor der junge Held erleichtert aufatmen konnte, warf sich eines der Krokodilwesen mit voller Wucht gegen die Schiffsseite. Die Erschütterung ließ die Galeone erzittern und brachte den einzigen Passagier ins Taumeln. Navi schwebte vor ihm in der Luft und motzte wie ein Rohrspatz, wobei sie den Angreifer mit einem Schwall dermaßen unflätiger Schimpfworte eindeckte, dass ihr Begleiter vor Scham rot anlief. Ihre Schimpftirade unterbrechend rief Link über den Lärm des prasselnden Feuers hinweg: „Sie wollen uns offenbar vom Kurs abbringen, damit wir das Land nicht erreichen. Ich versuche zum Steuerrad zu gelangen und dagegen zu halten.“ Die Fee keuchte überrascht und schrie entsetzt: „Nein! Bleib hier! Du wirst noch verbrennen!“ Doch ihr Schützling zuckte gleichmütig tuend mit den Schultern und sagte: „Wenn ich es nicht mache, werden wir sinken und ich ende als Abendessen…“ Mit diesen Worten holte der Herr der Zeiten seine Goronen-Rüstung hervor, zog sie flugs über und seufzte auf, als sich wohltuende Kälte über seinen Körper verteilte. Dann strafte er die Schulten und schritt mutig auf das wogende Feuermeer zu. Navi kaute unterdessen auf einem Fingernagel und murmelte: „Das ist eine miserable Idee…“ Der Weg zum Steuerrad war mit Löchern übersät und Link musste sehr genau aufpassen, um nicht versehentlich auf eine der in sich zusammenfallenden Planken zu treten und in die Tiefe zu stürzen. Die Flammen schlugen nach ihm und verbrannten seine Haarspitzen, die sich nach innen kräuselten. Trotz der Goronen-Rüstung lief dem jungen Held der Schweiß in Strömen über den Körper und ließ seine trockenen Augen schmerzen. An seinem Ziel angekommen griff Link sofort nach dem wie durch ein Wunder noch unversehrten Lenkinstrument und jaulte laut auf. Ein zur Verstärkung des Rads eingezogener Eisenring hatte sich in der Feuersbrunst unbarmherzig aufgeheizt und dem Recken die nackten Fingerkuppen verbrannt. Augenblicklich bildeten sich dicke, rot umrandete Blasen auf seiner Haut und der Gestank nach verbranntem Fleisch vermischte sich mit dem Rauch des Feuers. „Ah! Vermaledeit!“ Fluchend hielt sich der Herr der Zeiten die verletzte Hand und presste sie jammernd gegen seine eiskalte Kleidung. Doch auch die prompte Kühlung verschaffte kaum Linderung und der Schmerz pochte nahezu ungemindert weiter. Zum Glück hatte der Recke nicht mit seiner Schwerthand nach dem Steuerrad gegriffen! Erneut warfen sich mehrere der Krokodilwesen gegen die Schiffswand und erinnerten Link an sein Vorhaben. Mit fest zusammengebissenen Zähnen schnappte er sich das Steuer. Dieses Mal achtete er jedoch konzentriert darauf, den Metallring nicht noch einmal zu berühren. So schnell er konnte riss er das Ruder auf die Backbordseite herum und ließ die Galeone direkt auf den Landstreifen zusteuern. Sollten sie doch ruhig auf Grund laufen – das Schiff war sowieso nicht mehr zu retten… Laut fauchend rempelten die empörten Wasserwesen den lichterloh brennenden Kahn und versuchten ihn wieder vom Kurs abzubringen. Link hielt das Steuerrad jedoch stur umklammert, bis das Schiff mit einigem Gerumpel gegen festen Untergrund stieß. „Schnell, Link! Du musst dich beeilen!“ Navis Stimme klang panisch und brach vor Aufregung gleich mehrfach. Für einen Moment fragte ihr Schützling sich, ob sie womöglich bedroht war, doch dann wurde ihm klar, dass ihre Sorge ihm galt. Die Kollision hatte ein großes Loch in den Schiffsbug gerissen, das den Untergang der Galeone um ein Vielfaches beschleunigte. Da das Wasser jetzt ungleichmäßig in den Schiffsbauch drang, bekam der Kahn vorne schnell Übergewicht und das Heck hob sich aus dem Wasser. Dadurch wurde der Weg über das nunmehr schräge Deck zu einer gefährlichen Rutschpartie. Angesichts der immer größer werdenden Löcher im Boden war Link sich sicher, dass der direkte Rückweg ein zu großes Risiko barg. Daher blickte er sich panisch suchend nach einer anderen Lösung um. Das Wasser drang laut gurgelnd in den Schiffsbauch und zog die Galeone unaufhaltsam in die Tiefe. Der dekorative Vogel am Bug war bereits kaum noch zu sehen. „Ob ich das wohl schaffe?“ Der Herr der Zeiten zog nachdenklich die spröde Unterlippe zwischen die Zähne und sah sehnsüchtig zum rettenden Ufer herüber. Es war nur noch wenige Meter entfernt und gleichzeitig unendlich weit weg. Die Krokodilwesen hatten sich in dem schmalen Wasserstreifen zwischen Schiff und Land versammelt und stießen bedrohliche Fauchlaute aus. Wenn Link nur wenige Zentimeter zu kurz springen würde, würden die hungrigen Räuber ihn augenblicklich zerfleischen. Das Feuer ließ einen weiteren Teil des Decks in sich zusammenbrechen, als dem verzweifelten Hylianer endlich eine Idee kam. Sofort wirbelte er herum und suchte sich einen Weg durch die Flammen zur Kajüte am Heck. Obwohl der Brand auch hier bereits wütete, kletterte der Held so schnell wie möglich aufs Dach der Kapitänskabine. Die Brandblasen an seiner rechten Hand protestierten heftig schmerzend und ließen den Recken gleich mehrfacht abrutschen. Sobald er oben angekommen war, hievte er sich flugs auf die Füße und begab sich ohne zu zögern ans hintere Dachende, um Anlauf zu nehmen. Glücklicherweise war das Kajütendach noch nahezu unversehrt, sodass Link einfach über die Bretter rennen konnte, ohne auf eventuelle Stolperfallen achten zu müssen. Am Rand stieß er sich so kraftvoll wie möglich ab und sprang zum Rettung verheißenden Land herüber. Als er über die Krokodilwesen hinwegflog, katapultierten diese sich ebenfalls in die Luft und schnappten nach seinen Beinen. Vermutlich war es nur Glück, dass sie es nicht hoch genug schafften, um seine Füße zu erwischen. Angesichts dieser Misserfolge breitete sich wütendes Knurren in der kleinen Gruppe aus und die Echsen bissen nacheinander, um Konkurrenten von dem erfolgversprechendsten Platz vor der Uferkante zu vertreiben. Navi war so angespannt, dass sie unbewusst den Atem anhielt und mit weit aufgerissenen Augen beobachtete wie ihr Schützling durch die Luft segelte. Nach unendlich lang wirkenden Sekunden des freien Falls kam dieser auf dem sandigen Untergrund auf und rollte sich geschickt ab. Erleichterung prickelte wie Kristallwasser durch den Körper der Fee und ihr zuvor leicht stotterndes Herz schlug einen schnellen Freudentakt an. Endlich war Link außer Gefahr! Doch kaum, dass ihr dieser Gedanke durch den Geist gezuckt war, kroch eines der Wasserraubtiere an Land und griff den Herrn der Zeiten mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit an, die man seinem behäbig wirkenden Leib gar nicht zugetraut hätte. Nur knapp gelang es dem Recken seinen Arm noch rechtzeitig zurückzuziehen und mit einer Körperrolle auf die Füße zu kommen. Noch im Aufrichten zog er seine heilige Klinge und versetzte dem Angreifer mit einem schnellen Streich eine klaffende Wunde direkt unter dem Auge. Dieser quiemte überrascht auf und bleckte seine imposanten Zähne. Die Größten von ihnen waren in etwa so lang wie Links Finger, aber um ein Vielfaches dicker. Einen Moment lang schien das Wesen zu überlegen, ob es eine zweite Attacke wagen sollte, zog sich dann jedoch fauchend zurück. Seine Artgenossen gaben zischelnde Laute von sich und warfen dem Herrn der Zeiten erboste Blicke zu. Doch als Link sein Schwert zur Warnung wiederholt durch die Luft wirbeln ließ, gaben sie auf, tauchten unter und verschwanden. Dem ausgelaugten Kämpfer fiel ein riesiger Stein vom Herzen und seine Knie wurden vor Erleichterung darüber, die tödlichen Gefahren überstanden zu haben, derart weich, dass sie einknickten und der junge Held seufzend auf den Boden sackte. Mit Tränen des Glücks in den Augen beobachtete er wie die Galeone vollständig versank. Das Zischen der vom Wasser gelöschten Flammen, das Plätschern des Flusses und die noch immer zu schnelle Atmung der beiden Abenteurer waren für lange Zeit die einzigen erklingenden Geräusche. Links verbrannte Hand schmerzte noch immer und er hatte das Gefühl, die Wundränder des Schnittes auf seiner Brust hätten sich durch die Hitze gekräuselt wie gebratener Speck. Auch das Loch in seinem Fuß hatte wieder zu pochen begonnen und ließ den Herrn der Zeiten allein bei dem Gedanken ans Auftreten erschaudern. Navi machte ob seiner gequält wirkenden Züge ein besorgtes Gesicht und fragte leise: „Wie geht’s dir? Meinst du, du kannst bald wieder aufstehen?“ Obwohl alles in ihm nach einer ausgedehnten Ruhepause verlangte, nickte der junge Mann und wollte sich sofort auf die Füße hieven. Er hatte keine Zeit zu verlieren! Impa war hier irgendwo und wartete auf seine Unterstützung. Er musste sie finden, bevor der Schattendämon es tat. Seine Begleiterin schüttelte jedoch den Kopf, als sie sein Vorhaben erkannte, und befahl: „Bleib sitzen! Wenn du dir nicht ein bisschen Erholung gönnst, kippst du gleich noch um. Dann bist du niemandem mehr eine Hilfe.“ Link wollte widersprechen, verstummte jedoch abrupt, als es in einem kleinen Busch neben ihm zu rascheln begann. Alarmiert griff der Held nach dem Master-Schwert und nahm vollkommen automatisch Kampfhaltung ein. Obwohl hochkonzentriertes Adrenalin durch seine Blutbahnen rauschte, schrie jede einzelne Muskelfaser protestierend auf. Allein die Klinge aufrecht zu halten erforderte eine enorme Anstrengung. Dabei war die Nervosität völlig unnötig… Nach wenigen Sekunden schimmerte ein weicher, rosafarbener Schein durch die sich teilenden Blätter und eine Fee streckte gähnen den Kopf ins Freie. Als sie die auf sie gerichtete Schwertspitze erblickte, blinzelte sie überrascht und blaffte den vollkommen konsternierten Hylianer verärgert an: „Nimm dieses Ding weg! Ich platze doch auch nicht in deine Gemächer und bedrohe dich. Unverschämter Flegel!“ Völlig perplex ließ der Herr der Zeiten seine Waffe sinken und starrte die Fee an. Sie hatte pudrig weich aussehende Schmetterlingsflügel und an Perlmutt erinnernde Haut. Außerdem schien sie wesentlich älter zu sein als Navi und wirkte mit ihren adrett frisierten, silbrigen Locken wie eine Miniaturausgabe einer geflügelten Bilderbuch-Großmutter. Lediglich das feurige Funkeln in ihren lila schimmernden Augen verriet, dass sie wesentlich mehr Temperament hatte als eine gutmütige Omi. Navi klatschte beim Anblick ihrer Artgenossin begeistert in die Hände und rief: „Den Göttinnen sei Dank!“ Link verstand ihre Begeisterung nicht und die Irritation in seinem Gesicht nahm deutlich zu. Warum es ihn so aus der Bahn warf eine Fee gefunden zu haben, wusste er selbst nicht so recht. Er wusste immerhin, dass diese geflügelten Wesen einen großen Volksstamm bildeten. Doch er hätte niemals erwartet, einer Fee an einem dermaßen düsteren Ort wie dem Schattentempel zu begegnen. Seine Begleiterin ignorierte seine offenkundige Verwirrung und stürzte auf ihre Artgenossin zu: „Wir brauchen dringend deine Hilfe. Bitte, heile meinen Schützling so schnell du kannst!“ Während der Recke überrascht aufhorchte, verschränkte die Angesprochene die Arme vor der Brust und fragte provozierend: „Warum sollte ich das tun?“ Man musste Navi nicht besonders gut kennen, um an ihrer anschwellenden Halsschlagader und dem harten Glanz ihrer Augen ablesen zu können, dass heiße Wut in ihr aufschäumte. „Weil Link der Herr der Zeiten und damit zufällig der Einzige ist, der Hyrule noch retten kann?! Ist das Grund genug für dich?! Dämliche Planschkuh…“ Wider Erwarten schnappte die ältere Fee bei dieser Beleidigung nicht ein, sondern ließ ein glockenhelles, perlendes Lachen erklingen. „Die Gerüchte um dich stimmen ja tatsächlich. Du bist wirklich sehr hitzköpfig, junge Navi.“ Vor Überraschung fielen Link und seiner Begleitung die Kinnladen herunter und sie gafften ihr Gegenüber verständnislos an. „Man redet über mich?!“ Navi bekam vor Staunen den Mund kaum wieder zu. „Allerdings. Seit der Deku-Baum dich dafür ausgesucht hat den auserwählten Jungen zu begleiten, ist dein Name jedem bekannt – erstrecht seit wir uns fragen, was schief gelaufen ist. Wo wart ihr, als Ganondorf das Triforce an sich riss? Am Hylia-See picknicken?“ Scham und Schuldgefühle ließen Links Wangen in einem beeindruckenden Rot aufflammen, während seine Fee sich angriffslustig vorbeugte und zischte: „Pass auf, was du sagst, Oma! Sonst reiß ich dir die Flügel aus!“ Bevor zwischen den beiden geflügelten Frauen tatsächlich ein Kampf entbrennen konnte, mischte Link sich schnell ein: „Hat Navi eigentlich Recht? Könntest du mich wirklich heilen?“ Die ältere Fee nickte ein wenig selbstgefällig und erklärte: „Unsere Feen-Fähigkeiten werden mit zunehmendem Alter immer stärker, bis wir irgendwann sogar einen Heilzauber erlernen. Um also deine Frage zu beantworten: Ja, das könnte ich.“ Ein wenig beeindruckt wandte der Herr der Zeiten sich an seine Begleiterin: „Woher hast du gewusst, dass sie in der Lage dazu ist?“ Ein listiges Grinsen schlich sich auf Navi Lippen, als sie behauptete: „Ich habe es an ihrem runzeligen Gesicht abgelesen.“ Die alte Feen-Dame verengte beleidigt die die Augen zu Schlitzen und stellte richtig: „Sie hat es an meinem gesunden rosa Schimmern erkannt. Nur die Ältesten von uns leuchten in dieser Farbe.“ „Also wird sich Navis Schein auch irgendwann verändern?“ Link versuchte sich seine silbergoldene Freundin mit einem rosafarbenen Glanz vorzustellen. „Ja“, bestätigte sein Gegenüber, „aber es werden noch viele, viele Jahre ins Land gehen, bis aus diesem unreifen Frischling eine Feen-Weise werden wird.“ „Pfft!“ Die beiden geflügelten Frauen lieferten sich ein Funken sprühendes Blickduell, das den Hylianer genervt aufseufzen ließ. Um die Zwei von ihrem Zickenkrieg abzulenken, bat er: „Hättest du dann freundlicherweise die Güte, mich zu heilen? Ich kann kaum noch aufrecht stehen, weil mir alles wehtut.“ „Sicher.“ Die alte Fee nickte, fügte dann jedoch an: „Allerdings sind meine Kräfte nicht so unbegrenzt wie die unserer Königinnen. Vielleicht bin ich nur in der Lage dazu, deine Schmerzen zu lindern. Aber lass es uns einfach ausprobieren – dein Zustand wird sich auf jeden Fall bessern. Das verspreche ich.“ Dann legte sie ihre winzigen Hände auf Links Kopf und schloss die Augen, um sich auf den Heilzauber zu konzentrieren. Langsam schwand die bleierne Müdigkeit aus den Gliedern des Recken und seine Wunden zogen sich kribbelnd zusammen. Das warme Gefühl in seinem Körper genießend blickte Link sich zum ersten Mal bewusst um. Vorher war er zu benommen gewesen, um seine Umgebung wirklich wahrzunehmen. Die kleine Gruppe befand sich auf einer schmalen Sandbank, die sich – den vereinzelten Büschen und Gräsern, die um den Recken herum wuchsen, nach zu schließen – schon vor langen Jahren angehäuft hatte. Die kleine Insel befand sich knappe fünf Meter vor einer gefliesten Steinterrasse, von wo aus ein Weg weiter in den Tempel hinein zu führen schien, und flussabwärts erhob sich die gefurchte Wand des Berges, in dem sie sich befanden. Glitzernder Schweiß rann über die Stirn der alten Fee, als plötzlich ein gellender, markerschütternder Schrei ertönte und die Stille zerriss. Erschrocken blickten alle Drei in die Richtung, aus der der Laut erklungen war, und lauschten angespannt auf weitere Rufe, die jedoch ausblieben. Der Herr der Zeiten verlor sämtliche Farbe im Gesicht, als er die Besitzerin der Stimme anhand seiner Erinnerungen identifizierte, blickte seine Fee aus riesigen, schockgeweiteten Augen an und keuchte tonlos vor Entsetzen: „Oh nein! Navi, das war Impa!“ Kapitel 43: Musizieren mit Bongo-Bongo -------------------------------------- Ohne darauf zu warten, dass die Feenweise die Heilung seines geschundenen Körpers abgeschlossen hatte, stürzte Link blindlings drauf los. Er musste Impa helfen – sofort! An etwas anderes konnte er gar nicht mehr denken. Zelda würde es ihm niemals verzeihen, sollte er ihre Gouvernante sterben lassen. Außerdem waren die Shiekah die Einzigen, die wussten wie man das Siegel des Schattendämons erneuerte. Ob auf den mysteriösen, flatterhaft wirkenden Shiek im Ernstfall tatsächlich Verlass wäre, konnte Link noch immer nicht sagen. Impas Leben zu retten war also aus verschiedenen Gründen sehr wichtig. Doch schon nach wenigen Metern wurde der Vorstoß des jungen Helden jäh gestoppt. Eigentlich hatte er vorgehabt einfach in den Fluss zu springen und schnell ans andere Ufer zu schwimmen. Der plötzlich aus den dunklen Fluten auftauchende Rücken eines Krokodilwesens erinnerte ihn jedoch daran, dass dieses Vorhaben eine verdammt dumme Idee war. Während Link noch fieberhaft überlegte wie er die gegenüberliegende Steinterrasse erreichen konnte, stritten sich die beiden geflügelten Frauen wild gestikulierend in seinem Rücken. „Das ist viel zu gefährlich! Außerdem würdet ihr mein Haus zerstören!“ Die alte Fee war völlig außer sich, doch Navi ließ sich nicht erweichen. Stattdessen keifte sie: „Man muss Prioritäten setzen! Und die liegen in diesem Fall sicher nicht bei deiner Unterkunft…“ Dann wandte sie sich abrupt ab und flog auf ihren Schützling zu, der bereits sichtlich am Verzweifeln war, weil er keinen Weg entdecken konnte, der zur anderen Seite führte. Ohne auf das Gezeter ihrer Artgenossin zu achten, deutete Navi auf etwas am gegenüberliegenden Ufer und fragte: „Siehst du das? Das könnte womöglich die Lösung sein.“ Link kniff die Augen zusammen und starrte angestrengt zu der gezeigten Stelle herüber. In dem schummerigen Licht der spärlich verteilten, schlecht brennenden Fackeln war es schwer kleine Details auszumachen. Doch nach einem unendlich lang wirkenden Moment erkannte der Hylianer endlich, auf was seine Fee hinauswollte. Am anderen Ufer waren zwei mehrere Meter hohe Säulen errichtet worden, die – wie schon so vieles andere im Schattentempel – an spitzschnabelige Raubvögel erinnerten. Sogar die ausgebreiteten Schwingen waren nicht vergessen worden und standen wie der Querbalken eines Kreuzes in einem fast rechten Winkel ab. Wesentlich wichtiger war jedoch, dass rund um die linke Säule ein knappes Dutzend Donnerblumen wuchs. Ihre schwarzen Körper glänzten matt in dem schwachen Licht und verschmolzen beinah mit den sie umgebenden Schatten. Bei dem Anblick der explosiven Gewächse schoss sogleich kribbelndes Adrenalin durch Links Blutbahnen und der Herr der Zeiten rief begeistert aus: „Du hast Recht!“ Seine Stimme klang vor Aufregung und Erleichterung ein gutes Stück höher als normal. „Das könnte tatsächlich unsere Rettung sein! Gepriesen seien deine guten Augen!“ Vor lauter Freude hätte er seine aufmerksame Begleiterin am liebsten geküsst. „Wagt es ja nicht! Ihr macht damit mein Haus kaputt, verdammt noch mal!“ Die alte Fee stemmte eine Faust in die Hüfte und erhob drohend den Zeigefinger der anderen Hand, während sie die beiden Abenteurer vor ihr mit wütenden Verwünschungen eindeckte. Der Herr der Zeiten ignorierte sie jedoch genauso wie seine Begleiterin zuvor. Anstatt die zeternde Feenweise zu beachten, schritt er zügig auf die in der Nähe brennende Fackel zu und zerrte seinen Bogen mitsamt einem Pfeil aus seinem Wunderbeutel. Während er Letzteren an den schwachen Flammen entzündete, dankte er stumm den Göttinnen für diese glückliche Fügung. Ohne diese Feuerquelle hätte er nicht gewusst, wie er die Donnerblumen hätte entzünden sollen. Sobald der Pfeilschafft brannte, legte der junge Held schnell an und zielte auf das am nächsten gelegene Gewächs. Bevor er die Sehne losließ und den Feuerpfeil auf seine kurze Reise schickte, murmelte der Hylianer eine leise Bitte an die Göttinnen: „Ich flehe euch an, lasst diese Donnerblumen reif sein!“ Kaum, dass der Pfeil abgeschossen worden war und mit einem kaum hörbaren Zischen durch die Luft sauste, ließ Link sich sofort auf den Boden fallen und erhob den Hylia-Schild, um sich vor der Explosion der vielen Fruchtkörper zu schützen. Navi eilte so schnell wie möglich zu ihm herüber und suchte ebenfalls Schutz hinter dem massiven Metallschild. Nur die alte Fee verschränkte mit einem beleidigten Gesichtsausdruck die Arme trotzig vor der Brust und starrte wütend zu den beiden Abenteurern herab. „In Deckung! Bring dich in Sicherheit!“ Panik schnürte Link die Kehle zu und ließ seine Stimme brüchig werden. Wenn die Feenweise nicht bald irgendwo Schutz suchte, würde sie von der Detonationswelle erwischt und womöglich zerrissen oder zumindest durch die Luft gewirbelt werden! Doch trotz der Aufforderung des besorgten Kriegers rührte die geflügelte Frau sich kein Stück, bis die erste Donnerblume laut krachend explodierte und die erhoffte Kettenreaktion auslöste. Ein ohrenbetäubender Knall hallte durch die Höhle und die entstehende Druckwelle wirbelte Staub, Dreck und Sand auf und ließ den Fluss schäumende Wellen schlagen, die bis zu Link und Navi herüberschwappten. Die alte Fee leistete beeindruckend lange Widerstand, aber dann drohte sie schließlich doch von der Wucht der Explosion fortgerissen zu werden. Ohne sich Gedanken um sein eigenes Wohl zu machen, ließ der mutige Recke seinen Schild fallen und stürzte zu der winzigen, geflügelten Frau herüber. Es war vermutlich nur Glück, dass er sie gerade noch rechtzeitig erreichte, bevor sie außer Reichweite geweht wurde. Der Druck der harten, auf ihn zukommenden Luftwand zog dem jungen Helden die Beine weg und drückte ihn tief in den Sand unter ihm, bevor sie ihn holpernd über den unebenen Untergrund rollen ließ. Kleine, spitze Steinchen rissen ihm die zarte Gesichtshaut auf und erneut fanden sich mehrere Krokodilwesen hungrig knurrend am Ufer zusammen. Als die Detonationswelle endlich über ihn hinweg gefegt war und abebbte, hatte sie Link bereits bis an den Rand der Sandbank geschoben. Sofort hob eines der wartenden Raubtiere seinen mächtigen Schädel aus dem Wasser und riss das imposante Maul auf, um nach dem benommenen Mann zu schnappen. Nur knapp gelang es dem Herrn der Zeiten noch rechtzeitig die Beine hochzureißen und dem Monster einen kräftigen Tritt gegen den Unterkiefer zu verpassen. Von der Gegenwehr überrascht hielt das Krokodilwesen für einen augenaufschlagkurzen Moment verdutzt inne, aber dann loderte Wut in seinen rötlich glimmenden Augen auf. Zornig knurrend kroch es an Land und schlug mit seinem langen, mit spitzen Panzerplatten bewehrten Schwanz nach dem rückwärtsstolpernden Hylianer. Dieser schob vorsichtig die ohnmächtige Fee in seine Hemdstasche und zog sein Schwert. Wenn dieses Krokodilvieh einen Kampf wollte, konnte es einen bekommen! Es würde noch bereuen, dass es sich mit ihm angelegt hatte! Doch noch bevor Link den ersten Streich ausführen konnte, erregte ein schleifendes Knirschen seine Aufmerksamkeit. Sogar der wütende Angreifer und seine Artgenossen wandten die Köpfe, um den Ursprung des Lauts ausfindig zu machen. Als Link erkannte, was das Geräusch ausgelöst hatte, hätte er sich am liebsten in den Hintern getreten. Vor lauter Aufregung hatte er ganz vergessen, warum er die Explosion überhaupt herbeigeführt hatte. Die Säule am gegenüberliegenden Ufer war von der Detonation aus ihrer Halterung gesprengt und von der Druckwelle ins Schwanken gebracht worden. Langsam, beinah wie in Zeitlupe, drehte sich die massive Steinrolle immer mehr zu einer Seite, bis sie schließlich von ihrem Sockel rutschte und zu Boden krachte. Die an ihr reißende Schwerkraft ließ sie rasend schnell fallen und Link verdankte es allein seinen fixen Reflexen, dass er es gerade noch schaffte sich mit einem Sprung nach hinten aus der Gefahrenzone zu bringen. Das angriffslustige Reptil vor ihm hatte nicht so viel Glück und wurde von der herabstürzenden Säule förmlich zermalmt. Erschrocken fauchend zogen sich die anderen Krokodilwesen vorerst in tiefere Gewässer zurück. Wesentlich wichtiger war jedoch die Tatsache, dass der Recke nun endlich in der Lage war das gegenüberliegende Ufer zu erreichen. Die umgestürzte Säule war so lang, dass sie den Fluss wie eine Brücke überspannte. Sofort holte Link die noch immer benommene Feenweise wieder aus seiner Tasche, um sie sanft neben ihrem Busch abzusetzen, der wie durch ein Wunder unbeschadet geblieben war. Dann hetzte der junge Held zu seinem Schild zurück, hob ihn mit einer geschmeidigen Bewegung wieder auf und befestigte ihn auf seinem Rücken. Navi, die sich unter dem leicht gebogenen Metallstück zusammengekauert und so die Explosion überstanden hatte, blinzelte ein wenig ängstlich zu ihrem Schützling herauf. Doch sobald sie sicher war, dass die Gefahr vorbei war, rappelte sie sich schnell auf und folgte Link zu der Säule. Während sie die neue Brücke genauer unter die Lupe nahm, fragte sie besorgt: „Meinst du, du schaffst es hierüber zur anderen Seite zu klettern?“ Die glatte Oberfläche des abgerundeten Steins machte der Fee Magenschmerzen. Eine falsche Bewegung und Link würde in den Fluss stürzen und womöglich doch noch von den Krokodilwesen zerfleischt werden. Die grimmige Miene, die der Herr der Zeiten zur Schau trug, ließ vermuten, dass ihn ähnliche Gedanken quälten, aber anstatt sich davon entmutigen zu lassen, wechselte er geschwind sein Schuhwerk und schwang ein Bein über die Säule, um sich breitbeinig darauf zu setzen. Dann nickte er Navi zu und murmelte: „Das werden wir gleich wissen.“ Anstatt über die Säule zu balancieren, ließ er die Beine zu beiden Seiten herabbaumeln und zog sich allein durch die Kraft seiner Arme vorwärts. So war es wesentlich einfacher das Gleichgewicht zu halten als wenn er es aufrecht gehend versucht hätte. Während er sich auf diese Weise langsam über den Fluss arbeitete, fragte Navi, die neben ihm schwebte, neugierig: „Warum hast du dir eigentlich die Pegasus-Stiefel angezogen?“ Die dicken Schweißperlen auf Links Stirn glänzten matt, als er ihr den Kopf zuwandte und keuchend ausstieß: „Aus Angst, abzurutschen. Ich dachte mir, sollte ich von der Säule fallen, könnte ich mich mit den Pegasus-Stiefeln vielleicht ans Ufer retten, bevor mich eines dieser Wassermonster erwischt.“ Als hätte es gespürt, dass über es gesprochen wurde, ließ eines der Reptilien sein knochiges Rückgrat die Wellen durchbrechen, während es unterhalb der Säule seine Runden zog und darauf hoffte, Link würde doch noch ins Wasser fallen. Schaudernd wandte dieser den Blick ab und zog sich erneut ein Stück nach vorn. Navi feuerte ihn unterdessen unermüdlich an: „Nur noch ein bisschen! Du hast es fast geschafft!“ Link lächelte dankbar zu ihr herüber, als plötzlich eine zweite, glockenhelle Stimme erklang: „Nicht nachlassen, Herr der Zeiten! Du bist fast da!“ Überrascht rissen die beiden Abenteurer die Köpfe herum und entdeckten die Feenweise, die wieder zu sich gekommen war und ihrem Retter zuwinkte. Anscheinend hatte er mit seinem mutigen Einsatz ihr Herz erobert. Dass ihr Haus zudem verschont geblieben war, tat sein Übriges zur guten Laune der Fee. Link lachte stumm in sich herein und zog sich mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen weiter vorwärts. Nur noch ein bisschen, dann konnte er sich endlich wieder auf die Suche nach Impa machen. Als er schließlich am anderen Ufer ankam, verlor er keine Zeit und trabte sogleich auf den Gang zu, der noch tiefer in den Tempel zu führen schien. Navi flog neben ihm und trug eine angespannte Miene zur Schau. Ihr Schützling vermochte jedoch nicht zu sagen, ob seine Begleiterin Angst um Impa hatte oder ob sie sich Sorgen um weitere Fallen machte. In dem Gang war es so dunkel, dass man kaum die eigene Hand vor Augen sah, und herabfallende Wassertropfen ließen eine schauerliche Melodie erklingen. Dennoch hielt Link unbeirrbar auf das flackernde Licht am anderen Ende zu. Impa brauchte ihn! Er hatte keine Zeit, um übervorsichtig zu sein. Glücklicherweise erwies sich der Korridor als vollkommen frei von jeglichen Stolpersteinen, sodass der junge Held schon nach wenigen Minuten wohlbehalten in dem nächsten Raum angelangte. Dieser war beinahe kreisrund und hatte hohe Decken, von denen jeder Schritt deutlich widerhallte. Das Auffälligste war jedoch das große Loch, das in seiner Mitte klaffte. Die beiden Abenteurer sahen sich aufmerksam um, konnten jedoch keinen weiteren Gang entdecken. Diese kleine Halle war anscheinend das innerste Zentrum des Schattentempels. „Ob Impa in dieses Loch gefallen ist?“ Navi schwebte über dem unendlich tief wirkenden Schacht und machte ein nachdenkliches Gesicht. Link trat ebenfalls an den Rand, ging in die Knie und zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne. „Hier ist sie jedenfalls ganz offensichtlich nicht.“ „Ob man so einen Sturz überleben kann?“ Die Stimme der Fee zitterte leicht, während sie erneut daran scheiterte die Fallhöhe zu schätzen. Ihr Schützling starrte stumm in die Tiefe und versuchte, den Boden unter ihm auszumachen. Hatte sich da gerade etwas bewegt? Ja, er war sich sicher einen vorbeihuschenden Schemen gesehen zu haben. Der Schattendämon! „Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.“ Ohne weiter darüber nachzudenken, was er da tat, ließ Link sich über die Kante fallen. Für ihn zählte in diesem Moment nur, dass er keine Sekunde verlieren durfte, sollte Impa sich tatsächlich hier unten beim Schattendämon befinden. Dass er sich soeben vielleicht in den sicheren Tod gestürzt hatte, war ihm kaum bewusst. Von Navis spitzem Schrei begleitet, raste er durch die Luft, wobei der Fallwind wütend an seinen Kleidern und Haaren riss. Der irgendwie pergamenten wirkende Boden kam rasend schnell näher und allmählich setzte sich bei dem Herrn der Zeiten die Erkenntnis durch, dass er ungebremst auf dem harten Untergrund aufschlagen würde. Das konnte niemand überleben! Panik ließ sein Herz in einem wilden Stakkato schlagen und er wünschte sich zum gefühlten tausendsten Mal, er könnte fliegen. Kurz bevor er auf dem Boden aufprallte, kniff er die Augen fest zusammen und verabschiedete sich in Gedanken von der Welt. Vor seinem geistigen Auge sah er noch einmal alle Personen, die ihm auf seiner langen Reise begegnet und wohlgesinnt gewesen waren. Als Letztes erschienen die Gesichter von Zelda und dem Deku-Baum und der Herr der Zeiten bat stumm: „Verzeiht mir, dass ich versagt habe.“ Kaum, dass er diesen Satz zu Ende gedacht hatte, berührten seine Füße auch schon den Boden. Sein ganzer Körper wurde schmerzhaft zusammengestaucht, sodass ihm die Luft aus den Lungen gedrückt wurde, doch dann gab der Untergrund plötzlich nach. Er bog sich weit nach unten, nur um sich dann schnell wieder gerade zu ziehen und den jungen Recken zurück in die Luft zu katapultieren. Dieser riss überrascht die Augen auf und staunte nicht schlecht, als er endlich verstand, was vor sich ging: Der vermeintliche Boden war nichts anderes als eine überraschend große Haut, die jemand über eine Art hohles Podest gespannt hatte, sodass eine überdimensionierte Trommel entstanden war. Rundherum ging es noch ein wenig in die Tiefe, aber der schwarzgeflieste, mit Wasser bedeckte Grund des Schachtes war bereits deutlich zu erkennen. Jedes Mal, wenn Link wieder auf das Trommelfell traf, ging ein wenig Energie auf das Instrument über, sodass der Rückstoß immer geringer wurde und der junge Held schließlich federnd zum Stehen kam. Wie aus dem Nichts tauchte Navi plötzlich neben ihm auf und ohrfeigte ihren Schützling mit aller Kraft, die sie ihren dünnen Armen abnötigen konnte. „Du dummer Idiot!“ Ihre Stimme überschlug sich vor Wut und klang ungewohnt schrill, während sie schimpfte wie ein Rohrspatz. „Was hast du dir bei dieser Aktion bloß gedacht?! Du hättest tot sein können!“ „Aber Impa–“ „Kein Aber! Wir hätten den Gang nach übersehenen Abzweigungen absuchen können! Aber nein! Du musst ja blindlings in das Loch springen! Bist du dir deiner Verantwortung überhaupt nicht bewusst, du… du… Kindskopf!?!“ Vermutlich hätte die aufgebrachte Fee noch mehrere Minuten lang gezetert, wenn nicht plötzlich das Trommelfell zu vibrieren begonnen hätte. Zunächst waren es nur leichte Schwingungen, doch schon bald wurden sie so stark, dass Link erneut in die Luft geschleudert wurde. „Was zum–“ Der Herr der Zeiten blickte sich irritiert um und auch seine Begleiterin verstummte abrupt und riss die Augen auf. In ihrer grüngoldenen Iriden spiegelten sich Überraschung und Angst. Zunächst konnte der Recke nichts erkennen, aber dann machte er endlich am Rand der Trommel ein seltsames Flackern in der Atmosphäre aus. Es erinnerte ihn irgendwie an die überhitzte, flirrende Luft über der sommerlichen Steppe und er kniff die Augen zusammen, um den Auslöser für dieses Phänomen besser erkennen zu können – jedoch ohne Erfolg. Navi, die das seltsame Schauspiel ebenfalls bemerkt hatte, legte nachdenklich die Stirn in Falten und versuchte, sich auf die Stimme des Tempels zu konzentrieren. Was konnten diese Luftverschiebungen nur bedeuten? Es war fast als würde man durch einen Vorhang aus Wasser gucken. „Das Auge der Wahrheit!“ Als ihr plötzlich die zündende Idee kam, platzte sie einfach damit heraus, ohne sich Gedanken darum zu machen, ob Link wohl verstand, auf was sie herauswollte. Glücklicherweise schaltete dieser sofort und zerrte das angesprochene Relikt so schnell wie möglich aus seinem Wunderbeutel. Kaum, dass er es sich vor Gesicht hielt, zuckte der schon bekannte weiße Blitz durch sein Sichtfeld, bevor sich seine Wahrnehmung schlagartig schärfte. Das Flirren klarte zunehmend auf, bis auf einmal ein riesiges Monster zu erkennen war. Es war in etwa so hoch wie ein Haus und seine Haut war von glänzenden, nachtschwarzen Schuppen überzogen. Sein Körper wirkte deformiert und bestand aus kaum mehr als einem langgezogenen, sich nach hinten verjüngenden Leib, kurzen Stummelarmen und einem riesigen, rotglühenden Augapfel, der wie ein Blütenkelch von spitzen, hervorstehenden Hautlappen umrahmt wurde. Was Link wirklich verstörte, waren jedoch die abgehackten Hände, die sich – obwohl sie offenbar jegliche Verbindung zu den Armen verloren hatten – noch immer bewegten als wären sie nie vom Körper abgetrennt worden. „Das muss die wahre Gestalt des Schattendämons sein!“ Der Herr der Zeiten stolperte rückwärts und wäre beinah gestürzt, als das Wesen eine seiner mächtigen Pranken auf das Trommelfell fallen ließ und dieses so heftig zum Schwingen brachte. Plötzlich wollte der junge Mann nur noch davonlaufen. Alles an diesem Monster strahlte etwas ungemein Gruseliges aus. Roch nicht sogar die Luft plötzlich nach Verwesung? „Schattendämon… Ihr Hylianer mit eurer beschränkten Sprache!“ Plötzlich hallte eine tiefe, schaurige Grabesstimme in Links Kopf wider. „Wer bist du? Was bist du?!“ Der verunsicherte Recke machte erneut einen Schritt zurück, obwohl ihm klar war, dass ihn das nicht vor der Stimme retten würde. Navi, die nichts gehört hatte, starrte ihn irritiert an und versuchte, sich einen Reim auf seinen Ausruf und sein knochenbleiches, verängstigtes Gesicht zu machen. Ein düster klingendes Lachen ertönte in Links Kopf. „Mein Name ist Bongo-Bongo. Aber weder dein Volk noch diese einfältigen Shiekah waren je in der Lage dazu seine wahre Bedeutung zu erfassen.“ „Was bedeutet er denn?“ Obwohl er sich nicht bewusst war, woher er diese Gewissheit nahm, war sich der Herr der Zeiten sicher, dass er dieses Wesen am besten so lange reden ließ wie möglich. Doch anstatt ihm eine brauchbare Antwort zu geben, lachte Bongo-Bongo nur erneut auf und versprach: „Ich werde es dir zeigen!“ Plötzlich wurde Links ganzer Körper von einer lähmenden Eiseskälte erfasst und all seine Muskeln krampften sich schmerzhaft zusammen. Selbst sein Herz machte ein paar stotternde Schläge und drohte stehenzubleiben, bevor es mit doppelter Intensität zu pochen begann. Der Herr der Zeiten war davon so abgelenkt, dass er beinah übersehen hätte, wie Bongo-Bongo mit einer seiner gigantischen Hände nach ihm schlug. Nur mit Glück schaffte der junge Mann es gerade noch, sich flach auf den Bauch fallen zu lassen, bevor ihn der Schlag treffen konnte. „Ich bin beeindruckt, kleiner Hylianer! Doch bilde dir nicht ein, dass du eine Chance gegen mich hast. Ich bin das Verderben, der Tod. Dein Tod!“ Mit einem weiteren, leicht irre klingenden Lachen ließ der Schattendämon seine geballte Faust auf Link hinabsausen. Dieser rollte sich geschwind aus der Gefahrenzone und rappelte sich fix wieder auf. Doch er stand kaum, als er bereits einen weiteren Sprung nach hinten machen musste, um einer erneuten Attacke auszuweichen. Er musste sich schnell etwas einfallen lassen, um Bongo-Bongo zu besiegen. Lange würde er dieses Tempo nicht durchhalten, so viel war sicher. „Sein Auge! Natürlich!“ Als der Held sich unter einem weiteren Schlag hinwegduckte und sein Blick auf die rotglühende Iris des Monsters fiel, wurde ihm schlagartig klar, wo der Schwachpunkt des Dämons lag. Ohne zu zögern riss er das Master-Schwert aus seiner Scheide und sprintete auf den gewaltigen Augapfel zu, wo er seine Klinge zischend durch die Luft wirbeln ließ. Anstatt Bongo-Bongo eine klaffende Wunde zuzufügen, traf die scharfe Schneide jedoch nur auf die mit dicken Schuppen verstärkten Hautlappen, die sich blitzschnell über dem Auge geschlossen hatten, und rutschte ab. Link presste grimmig die Lippen zusammen und dachte angestrengt nach, während das Schattenwesen ihn lachend verhöhnte: „Wozu machst du dir überhaupt die ganze Mühe, schwaches Menschlein? Du kannst mich nicht besiegen.“ Unterdessen schwebte Navi mit einem verwirrten Gesichtsausdruck in der Luft, rätselte über das scheinbar grundlose Herumspringen und Schwertfuchteln ihres Schützlings und fragte sich, ob er womöglich den Verstand verloren hatte. Als sie ihn schlussendlich darauf ansprach, ignorierte er sie völlig und holte stattdessen seinen Bogen hervor. Wollte er etwa auf sie schießen?! Erschrocken wich die Fee vor ihm zurück und starrte ihn panisch an. Mit einer schnellen, geübten Bewegung legte Link einen Pfeil ein und zielte – jedoch nicht auf seine Begleiterin, sondern scheinbar mitten ins Nichts. Navi runzelte noch irritierter als zuvor die Stirn. Ob sein merkwürdiges Verhalten mit etwas zusammenhing, das ihm das Auge der Wahrheit gezeigt hatte? Oder war es gar der Fluch, der nun doch noch zugeschlagen hatte? Sorge machte das Herz der Fee drückendschwer und ließ es ängstlich krampfen. Der Herr der Zeiten zog kraftvoll die Sehne zurück und betete stumm zu den Göttinnen, dass der Pfeil sein Ziel finden möge. Er war sich sicher, dass er hier mit derselben Taktik Erfolg haben würde wie damals bei Gohma. Bongo-Bongo würde sicherlich nicht in der Lage dazu sein, sein Auge vor einem derart schnell heransausenden Geschoss wie einem Pfeil zu schützen. Doch da er zum Spannen des Bogens beide Hände brauchte, konnte er sich nicht länger das Auge der Wahrheit vorhalten. Der Schattendämon war also wieder hinter der flirrenden Illusion verschwunden. Link konnte nur hoffen, dass er die Lage des Augapfels richtig schätzte und dass er den Pfeil auf seine Reise schicken konnte, bevor Bongo-Bongo ihn von den Beinen riss. Kaum, dass der Recke die Bogensehne losgelassen hatte, sauste der Pfeil zischend durch die Luft und durchschlug die Illusion, nur um dann im Nichts zu verschwinden. „Daneben!“, höhnte es keckernd hinter Links Stirn. Wütend über die Unverschämtheit des Monsters und fast wahnsinnig vor Angst schoss der am ganzen Leib zitternde Kämpfer eine ganze Schwadron Pfeile auf die flirrende Luft ab. Irgendein Pfeil musste doch sein Ziel treffen! Doch die einzige Reaktion, die Link für seinen Angriff erntete, waren Hohn und Spott: „Der Überlebenskampf von euch Sterblichen ist immer wieder überaus erheiternd. Nur zu, kleiner Hylianer, versuch ruhig noch einmal, mich zu treffen.“ Nein, so konnte es nicht klappen… Wenn Link weiterhin blind seine Pfeile verschoss, würde er bald keine mehr haben. Er musste sich etwas anderes einfallen lassen. Wenn es doch nur einen Weg gäbe, den Bogen zusammen mit dem Auge der Wahrheit einzusetzen… Da kam ihm plötzlich eine Idee! „Navi!“ Die Fee erschauerte leicht, als ihr Schützling ihren Namen rief. Hatte er sich in seinem vermeintlichen Wahnsinn nun doch noch an sie erinnert? Grübelnd auf der Unterlippe kauend musterte Navi den Herren der Zeiten aus sicherer Entfernung. Eigentlich wirkte er gar nicht irre. Sein Blick war klar und fest und er redete kein wirres Zeug. Ob er womöglich doch gegen einen für sie unsichtbaren Gegner kämpfte? „Ich bin hier oben. Was willst du denn?“ Zu ihrer eigenen Verärgerung zitterte ihre Stimme deutlich hörbar. Warum nur hatte sie plötzlich solch eine Angst vor Link? Sie kannte ihn seit er ein Kind war und hatte schon so vieles mit ihm zusammen erlebt. In all der Zeit hatte sie ihn stets nur sanftmütig und warmherzig kennen gelernt. Wieso nur glaubte sie plötzlich, er könnte ihr wehtun? „Komm her. Ich brauch deine Hilfe.“ Die Stimme des Hylianers klang aufrichtig und angespannt, so als wäre sein Anliegen wirklich dringlich. Dennoch zögerte seine Fee. Sie hatte das Gefühl an ihrem Aufenthaltsort festgeklebt oder erstarrt zu sein. Um ein wenig Zeit zu schinden, fragte sie: „Du wirst aber nicht auf mich schießen, oder?“ Der ängstliche Ton seiner Begleiterin ließ den Recken stutzen. Glaubte sie wirklich, er könnte ihr etwas antun wollen?! Wie konnte sie sich so etwas bloß vorstellen – nach allem, was sie gemeinsam durchgestanden hatten! Zornig rief er zurück: „Nur, wenn du nicht sofort hierherkommst!“ Ein gespenstisches Lachen jagte Link einen Schauer über den Rücken und er erinnerte sich daran, dass Navi ihn davor gewarnt hatte, die besondere Gefährlichkeit des Schattendämons ginge von seiner Fähigkeit aus, die Gedanken und Gefühle seiner Opfer manipulieren zu können. Hatte Bongo-Bongo von der Fee Besitz ergriffen und ihr eingeflüstert, ihr Schützling sei die Bedrohung? „Du Monster!“, fauchte der Kämpfer seinem Gegner entgegen und hielt sich wieder das Auge der Wahrheit vor, um sein Gegenüber klar zu sehen. Obwohl der Dämon keinen Mund und somit auch keine Lippen hatte, war Link sich sicher, das Schattenwesen würde ihn höhnisch angrinsen. Überhaupt schien alles an ihm sich über den Herrn der Zeiten lustig zu machen. Das Monster machte sich nicht einmal mehr die Mühe, nach ihm zu schlagen. Anscheinend wollte es ihm zeigen, dass es die von ihm ausgehende Bedrohung als so gering einstufte, dass es sie nicht ernst zu nehmen brauchte und ihn ausschalten musste. Ein zorniges Knurren drückte sich Links Kehle hinauf und er rief seiner Fee zu: „Lass dich von dem Schattendämon nicht ins Bockshorn jagen, Navi. Er manipuliert deine Gefühle! Ich werde dir nichts tun. Aber ich brauche deine Hilfe.“ Bongo-Bongo ließ erneut ein höhnisches Lachen erklingen und lobte ironisch: „Du bist klüger als du aussiehst. Das muss man dir lassen. Aber glaube ja nicht, dass dich das gegen mich bestehen lässt. Du kannst meinen Bann nicht brechen. Schwaches Menschlein.“ Während Link einen wütenden Blick auf das Monster warf und sich schwor, sich nicht von dessen Verunsicherungsversuchen beeindrucken zu lassen, blinzelte Navi irritiert und sah auf ihren Schützling herab. Er kämpfte dort unten mit dem Schattendämon?! Plötzlich ergab ihre merkwürdige Angst vor Link einen Sinn! Sie wollte sofort zu ihrem Begleiter hinabstürzen, aber neue Zweifel ließen sie erneut zögern. Was, wenn er log? Womöglich kämpfte er dort unten lediglich gegen Luft und wollte sie nur hereinlegen. Aber vielleicht sagte er ja doch die Wahrheit… Navis Gedanken überschlugen und verknoteten sich, bis die Fee das Gefühl hatte, ein riesiges, unentwirrbares Knäul in ihrem Kopf zu haben. Was sollte sie denken? Was glauben? Sie konnte auf einmal nicht mehr unterscheiden, was Wahrheit und was Lüge, was Gut und was Böse war. Licht und Schatten schienen ineinanderzulaufen, bis nur noch ein nichtssagendes Einheitsgrau zurückblieb. „Navi! Ich brauche dich!“ Link wurde von dem Zögern seiner Begleiterin zunehmend frustriert. Wie sollte er ihr bloß begreiflich machen, dass sie sich im Bann des Schattendämons befand? Vielleicht sollte er dem Monster gegen eine der gigantischen Hände treten, um ihr zu zeigen, dass er nicht halluzinierte und sich vor ihm wirklich ein Wesen aus Fleisch und Blut befand. Die Fee kämpfte unterdessen noch immer mit ihren Zweifeln. Sie hatte das Gefühl, allmählich selbst wahnsinnig zu werden, als Link auf einmal ausholte und gegen eine unsichtbare Wand zu treten schien. Im ersten Moment fragte Navi sich, ob er womöglich nur geschickt schauspielerte, doch dann wurde der junge Hylianer plötzlich von den Beinen gerissen und bis ans gegenüberliegende Ende der Trommel geschleudert. „Link!“ Schlagartig waren alle Zweifel und Befürchtungen vergessen. Alles, was die Fee in diesem Moment wahrnahm, war das hustende Keuchen und das gequälte Stöhnen ihres Schützlings, der sichtlich Mühe hatte, wieder auf die Füße zu kommen. Sofort eilte sie zu ihm herab und legte ihm eine Hand auf die Wange: „Alles in Ordnung?“ Dem Herrn der Zeiten lief ein dünnes Rinnsal Blut aus dem Mundwinkel und es fühlte sich an als wären ein paar Rippen gebrochen oder zumindest angeknackst. Bongo-Bongo hatte auf den Tritt mit einer fixen Handbewegung reagiert, die zu schnell für den Recken gewesen war. Er war von dem Schlag voll erwischt und durch die Luft geschleudert worden. Doch anscheinend hatte er sein Ziel dennoch erreicht: Navi war endlich wieder an seiner Seite und musterte ihn mit einem Blick, der völlig frei war von Angst oder Argwohn. In ihren glitzernden Iriden stand lediglich aufrichtige Sorge geschrieben, was Link ein schwaches Lächeln auf die Lippen zauberte. Der angeschlagene Recke quälte sich wieder auf die Füße und drückte seiner Fee das Auge der Wahrheit in die Hand. „Hier, halt mir das genau vors Gesicht. Ohne kann ich den Schattendämon nicht sehen, aber ich brauche beide Hände, um meinen Bogen zu spannen.“ Obwohl das Relikt so schwer war, dass es Navi beinah zu Boden zog, nickte diese nur. Sie wollte wieder gutmachen, dass sie an ihrem Freund gezweifelt hatte. Ein tiefes, durchdringendes Grollen erklang in Links Kopf: „Ich habe das Band zwischen euch unterschätzt, wie mir scheint. Aber das bedeutet gar nichts! Hörst du? Gar nichts!“ Bildete er es sich ein oder zitterte die Stimme des Monsters ein wenig? Hatte es nun womöglich doch Angst vor ihm? Mit einem kleinen Siegeslächeln legte Link einen weiteren Pfeil an, aber als er zielen wollte, schlug Bongo-Bongo hart auf das Trommelfell und katapultierte seinen Gegner so in die Luft. Doch anstatt sich davon beeindrucken zu lassen, ließ der Hylianer sein Geschoss von der Sehne schnellen. Zielsicher steuerte der Pfeil auf das dicke, rote Auge zu und bohrte sich tief in den Gelkörper. Der Schattendämon schrie heulend auf und schlug wild um sich, aber Link duckte sich geschickt unter den blind fuchtelnden Händen hinweg. Navi hatte unterdessen große Schwierigkeiten, ihm das Auge der Wahrheit vors Gesicht zu halten. Dennoch gelang es ihr irgendwie die Momente, in denen ihr Schützling auf die Kräfte des Relikts verzichten musste, gering zu halten. Trotz Bongo-Bongos Bemühungen, den Herrn der Zeiten zu erwischen, schoss dieser einen Pfeil nach dem anderen auf den inzwischen stark blutenden Augapfel des Monsters ab. Der Dämon versuchte immer wieder die schützenden Hautlappen zu schließen, doch die hervorstehenden Pfeilschafte ließen dies nicht zu. Als ihm schließlich die Munition ausging, ließ Link seinen Bogen achtlos fallen und zog erneut das Master-Schwert, um es seinem Gegner bis zum Heft in seine Schwachstelle zu treiben. Mit einem wilden Kampfschrei stürzte er sich auf das schon stark geschwächt wirkende Schattenwesen – nur um nach wenigen Metern abrupt anzuhalten. Wie aus dem Nichts war plötzlich Impa vor dem geschundenen Augapfel des Monsters aufgetaucht und herrschte den Recken wütend an: „Was tust du denn, Dummkopf?!“ Link, der sich angesichts des harschen Tons sofort wieder wie ein Kind fühlte, kam stolpernd zum Stehen und ließ die erhobene Klinge sinken, bevor er die Shiekah noch versehentlich verletzte. „Ich verstehe nicht, was du meinst. Der Schattendämon ist das Böse. Ich muss ihn bekämpfen.“ „Ahnungsloser Tor!“ Impas Stimme war schneidend und eisig und traf Link bis ins Mark – erinnerte sie ihn doch an den Tonfall, den Mido früher so oft angeschlagen hatte, wenn er den feenlosen Außenseiter des Dorfes vor allen anderen gedemütigt und für eine Kleinigkeit angeprangert hatte. Navi legte irritiert die Stirn in Falten und sah sich suchend um. Mit wem sprach Link bloß? Und warum hatte er seinen Angriff abgebrochen? Als ihr eine mögliche Erklärung einfiel, rief sie sofort: „Lass dich nicht in die Irre führen! Wen auch immer der Schattendämon dir zeigt, es ist nur eine Illusion!“ Doch ihre Warnung kam bereits zu spät. Bongo-Bongo erwischte den abgelenkten Kämpfer mit der Faust und schleuderte ihn mit solch einer Wucht durch die Luft, dass er auch nach dem Aufprall noch einige Meter über den Boden rollte und sich mehrfach überschlug. Das Master-Schwert schrammte über das Trommelfell, rutschte über die Kante und fiel mit einem leisen Platschen ins Wasser. „Au…“ Link wand sich stöhnend und würgte einen Schwall dickflüssigen Blutes hervor. Er war sich sicher, irgendeines seiner Organe musste beschädigt sein. Vielleicht hatte er einen Milzriss oder eine Zwerchfellquetschung. Jedenfalls waren die Schmerzen beinah unerträglich. Dass Bongo-Bongo zu allem Übel auch noch mit den Fingern auf dem Trommelrand einen schnellen Takt anschlug und ihn auf diese Weise durchschüttelte, machte es dem verletzten Kämpfer auch nicht einfacher wieder auf die Beine zu kommen. Navi ließ sich neben seinem Gesicht nieder und feuerte ihn an: „Du schaffst es, Link! Das Vieh ist doch schon fast besiegt. Beiß die Zähne zusammen und steh auf.“ Der Hylianer nickte und versuchte, sich aufzuraffen, aber ein reißender Schmerz in seinem Inneren ließ ihn wieder zusammenbrechen. „Ich kann nicht… Ich kann es wirklich nicht.“ „Aber du musst!“ Panik und Sorge ließen Navis Stimme schrill klingen und ihr Blick huschte unruhig hin und her. Sie musste sich etwas einfallen lassen, um ihrem Schützling etwas Zeit zu verschaffen. Dann würde er sicher wieder aufstehen können. Doch was konnte sie tun? Sie konnte Bongo-Bongo ja nicht einmal sehen. Womöglich schwebte seine Hand bereits über ihnen und würde sie jeden Moment zermalmen. Plötzlich schoss ein kleiner, rosafarbener Lichtball auf die beiden Abenteurer zu. Im ersten Moment wollte Link danach schlagen, um ihn abzuwehren, aber dann erkannte er die Feenweise von zuvor. Auch Navi wurde von plötzlicher Erkenntnis erfasst und keuchte überrascht: „Was machst du denn hier? Mach, dass du wegkommst. Hier ist es gefährlich!“ Ohne ihre Artgenossin zu beachten, wandte sich die alte Fee an Link: „Ich habe Kampfgeräusche gehört und dachte mir, ich könnte hier vielleicht gebraucht werden. Wie ich sehe, lag ich damit vollkommen richtig.“ Mit diesen Worten legte sie Link eine Hand auf die Stirn und senkte die Lider, um sich auf den Heilzauber zu konzentrieren. Sofort wurde das heftige Ziehen und Reißen im Oberkörper des jungen Helden merklich schwächer. „Navi, schnell, gib mir das Auge der Wahrheit.“ Der Herr der Zeiten streckte die Hand aus und ließ sich das mächtige Relikt aushändigen, um es sich sofort vors Gesicht zu halten. Bongo-Bongo kam langsam näher, wobei er eine rote Blutspur hinterließ. Offenbar war er wirklich schwer angeschlagen und machte nun bitteren Ernst. Kaum, dass er in Reichweite war, hob er eine Faust und ließ sie auf seinen Angreifer und die beiden Feen niedersausen. „Weg hier!“ Link stieß die Feenweise von sich und brachte sich mit einer Rolle aus der Gefahrenzone. Dank des Heilzaubers verspürte er dabei kaum noch Schmerzen, nur noch ein leichtes Stechen unter den rechten Rippenbögen. Leider war die zu seiner Rettung herbeigeeilte Fee nicht schnell genug gewesen… Die Hand des Schattendämons hatte sie erwischt und auf dem Trommelfell zerquetscht, wo ihr Glanz mit einigem Flackern erlosch. Ohnmächtige Wut stieg in dem Recken auf, doch ohne sein Schwert konnte er nichts ausrichten. Er musste zuerst seine heilige Waffe wiederfinden, bevor er Rache nehmen konnte. Das heftige Vibrieren der straff gespannten Haut unter seinen Füßen verriet, dass Bongo-Bongo immer näher kam. Link suchte den Bereich rund um die Trommel mit den Augen ab. Irgendwo hier musste das Schwert heruntergefallen sein! Sein Blick huschte geradezu panisch umher, bis er an einem im Wasser treibenden, menschlichen Körper hängenblieb. Obwohl die Person auf dem Bauch lag, erkannte der junge Held sofort, dass es sich um Impa handelte. Ohne zu zögern schwang sich der Herr der Zeiten über den Trommelrand und watete durchs kniehohe Wasser auf Zeldas Gouvernante zu. Zwar wusste er tief in sich drin, dass die Shiekah bereits tot war, aber er sich davon überzeugen, dass sie wirklich nicht mehr zu retten war. Ein schleimiger Film überzog Impas schneeweiße Haut und ihr Kopf hing in einem unnatürlichen Winkel nach hinten, als Link sie umdrehte und ihren Oberkörper anhob. Offenbar hatte der Schattendämon ihr das Genick gebrochen. Ein Schleier aus Tränen verhängte Links Sicht und er hätte am liebsten laut aufgeschrien, aber kein Laut wagte sich über seine zusammengenähten Lippen. Navi strich ihm tröstend über die Wange und murmelte beruhigende Worte in der Sprache der Feen. Ihr war bewusst, dass ihr Schützling nichts verstand, doch er hörte vermutlich sowieso nicht hin. Wahrscheinlich war er viel zu sehr damit beschäftigt, sich Vorwürfe zu machen, weil er nicht schnell genug gewesen war. Navi wünschte, sie hätte irgendwas tun können, um sein Gewissen zu erleichtern, doch in dieser Beziehung war Link sturer als ein Esel. Als er nach einem langen Moment seine feuchten Augen auf sie richtete, versuchte die Fee aufmunternd zu lächeln und sagte: „Ich hab dein Schwert gefunden.“ Nickend legte Link Impas Leiche ab und schritt wortlos in die gezeigte Richtung davon. Die Zärtlichkeit und Vorsicht, die er beim Umgang mit Impas totem Körper zeigte, schnürte Navi das Herz ab. Sobald er das Master-Schwert aufgehoben hatte, sprang der Recke an der Trommel nach oben und zog sich keuchend über den Rand. Das Auge der Wahrheit, das er noch immer mit der rechten Hand umklammerte, hielt er sich dabei stets vors Gesicht, um nicht von Bongo-Bongo überrascht zu werden. Dieser schlug sofort nach Link, als er bemerkte, dass der Hylianer wieder zum Angriff überging. Immer wieder sausten die mächtigen Fäuste durch die Luft, aber der Herr der Zeiten schaffte es stets, ihnen knapp auszuweichen, während er auf den Augapfel des Schattendämons zu rannte. Der Anblick von Impas Leiche hatte den jungen Mann mit Hass erfüllt und ihm neue Kraft verliehen. Alles, was er in diesem Moment wollte, war Bongo-Bongo zu töten. Kaum, dass er in Schlagweite war, riss Link seine heilige Waffe in die Höhe, stieß sich von dem federnden Untergrund ab und rammte dem Monster die Klinge mit der Wucht seines vollen Körpergewichts ins Auge. Der Dämon fauchte schmerzerfüllt auf und versuchte, seinen Angreifer abzuschütteln, aber dieser krallte sich an einem der hervorstehenden Hautlappen fest. „Verreck, du Biest!“ Von rasendem Zorn getrieben, schlug der Herr der Zeiten immer wieder zu. Blut und Gewebe spritzten aus den Wunden und bedeckten Links Gesicht, seine Hände und Arme, doch das nahm er kaum wahr. Nur ganz langsam registrierte er, dass der Schattendämon seine letzten, röchelnden Atemzüge tat und sich bereits aufzulösen begann. Seine Rachegelüste hatten ihn zu einem wilden Berserker gemacht! Als hätte er sich plötzlich verbrannt wich Link von dem sterbenden Monster zurück und beobachtete dessen Ende aus sicherer Entfernung. Der Schattendämon hatte sich bereits fast vollständig in eine Rauchsäule verwandelt, als plötzlich ein lilafarbenes Licht erstrahlte und den ganzen Raum mit seinem Glanz erfüllte. Geblendet blinzelten Link und Navi, die sich inzwischen auf seiner Schulter niedergelassen hatte, gegen die intensive Helligkeit an. „Du hast den Fluch auf dem Schattentempel gebrochen. Ich danke dir.“ Vor Überraschung klappte Link der Mund auf. Konnte das sein?! Oder hatte er sich verhört und glaubte nur, die Stimme wiederzuerkennen? „Impa? Bist du das?“ Mit zu Schlitzen verengten Augen versuchte der Hylianer, etwas im Inneren der auf ihn zu schwebenden Lichtkugel zu erkennen. „Allerdings. Überrascht dich das?“ Die Gouvernante klang amüsiert und überhaupt nicht ärgerlich darüber, dass Link sie hatte sterben lassen, was ihm einen Stein vom Herzen fallen ließ. Bevor er etwas antworten konnte, war es jedoch Navi, die das Wort ergriff: „Nein. Eigentlich war es total logisch!“ Verblüfft warf ihr Schützling ihr einen Seitenblick zu: „Ach ja? Warum?“ Das Gesicht der Fee glühte förmlich, als sie aufgeregt die ihr gerade gekommene Erkenntnis verkündete: „Denk doch mal nach! Rauru war Hylianer, Salia Kokiri, Darunia Gorone und Ruto Zora. Anscheinend ist jedes Volk im Kreis der Weisen vertreten.“ „Das bedeutet, einer der zwei noch fehlenden Weisen ist ein Gerudo“, schlussfolgerte Link. Impa, die inzwischen ihr Astral-Ich angenommen hatte, nickte wohlwollend und wollte etwas sagen, doch der Herr der Zeiten überlegte weiter: „Aber was ist mit dem Zweiten? Gibt es noch ein Volk, das vielleicht nur in Vergessenheit geraten ist?“ „Du wirst es früh genug herausfinden, Link. Jetzt ist nicht die Zeit, um darüber zu grübeln.“ Die Weise der Schatten deutete auf ein Loch in der Wand in etwa fünfzig Metern Entfernung. „Dort hinten wirst du einen Zugang zu dem unterirdischen Fluss finden, der das Wassersystem des Tempels speist. Mein Boot liegt dort vor Anker. Du kannst es nehmen, um nach draußen zu gelangen. Ich habe nun keine Verwendung mehr dafür.“ Link nickte folgsam und erntete dafür erneut ein breites Lächeln vom Impa. „Als du damals als Junge vor mir standst, hatte ich Zweifel, ob du deiner Aufgabe gewachsen sein würdest. Doch nun bist du zu einem stolzen Helden geworden, der den Beschreibungen in den Legenden in nichts nachsteht. Du solltest stolz auf dich sein.“ Mit diesen Worten wollte die Weise der Schatten sich auf den Weg ins Heilige Reich machen, aber Links Stimme hielt sie noch einmal zurück: „Wie geht es Zelda? Ist sie noch am Leben? Ist sie in Sicherheit?“ Wohlige Wärme breitete sich im Herzen der Shiekah aus, als sie antwortete: „Du wirst dich schon bald selbst davon überzeugen können.“ Im ersten Moment wirkte der junge Hylianer konsterniert, doch dann machte sich ein breites Lächeln auf seinen blassen Lippen breit und er wandte sich ohne ein weiteres Wort ab, um den Ausgang aus dem Schattentempel zu suchen. Impa blickte ihm noch ein wenig hinterher, dann zog auch sie sich zufrieden zurück. Kapitel 44: Des Zimmermanns Klage --------------------------------- Wie Impa vorausgesagt hatte, gelangten die beiden Abenteurer durch den Durchgang zu dem unterirdischen Fluss, der das Wassersystem des Tempels speiste. Das wenige Tageslicht, das in die Höhle drang, funkelte wie ein blasser Stern in weiter Ferne. Dennoch atmeten Link und Navi erleichtert auf: Allem Anschein nach würden sie den Schattentempel schon bald verlassen können, ohne sich noch einmal seinen gefährlichen Fallen stellen zu müssen. „Wo ist denn jetzt das Boot?“ Link blickte sich konzentriert um und versuchte, trotz der schlechten Lichtverhältnisse mehr als nur grobe Schemen zu erkennen. Selbst Navis Feenglanz schien sofort von dem dunklen Gestein der Höhle geschluckt zu werden und konnte kaum für Helligkeit sorgen. Suchend lief der junge Held am Ufer entlang und wäre beinah über das an Land gezogene Ruderboot gestolpert. Es war allein Navis Aufmerksamkeit zu verdanken, dass er nicht kopfüber in die kleine Scholle fiel. Mit einer sonderbar zweifelnden Miene ließ Link eine Hand über den Bootsrand gleiten und seufzte. „Was hast du?“ Seine Fee sah aus großen Augen zu ihm auf. Warum bloß zog er auf einmal ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter? „Nichts weiter. Ich fühle mich nur ein bisschen pietätslos, weil wir Impas Boot nehmen.“ Bevor Navi etwas entgegnen konnte, fügte der Hylianer schnell an: „Mir ist bewusst, dass es lächerlich ist. Erstens hat sie hierfür keine Verwendung mehr und zweitens hat sie es uns erlaubt. Trotzdem kann ich nicht anders.“ Navi lächelte ihren Schützling milde an und legte den Kopf schief: „Du hast ein zu weiches Herz.“ „Ich weiß…“ Nickend umfasste Link die niedrige Reling und schob das Boot in den Fluss. Sobald sich genügend Wasser zwischen Kiel und Grund befand, stieg der Recke geschwind über den Rand, ließ sich auf der schmalen Sitzbank nieder und legte sich in die Riemen. Es wurde Zeit, dass sie diesen düsteren Ort verließen. Navi machte es sich unterdessen auf der Reling gemütlich und betrachtete versonnen die sonderbaren Muster, die der Fluss über Jahrhunderte hinweg in den Fels der Höhle gegraben hatte. Je näher das Boot dem Ausgang kam, desto mehr Details schälten sich aus der Dunkelheit heraus und versetzten die Fee in Staunen. Es fiel ihr schwer zu glauben, dass Wasser tatsächlich die Macht hatte, sich so tief in hartes Gestein zu arbeiten. Wenn sie jedoch ehrlich zu sich selbst war, musste Navi gestehen, dass sie sich nur deswegen so sehr auf die Umgebung konzentrierte, weil sie sich vor dem unausweichlichen Gespräch mit Link scheute. Ob er sehr wütend auf sie war, weil sie ihn beinah im Stich gelassen hätte? Für einige Zeit war das einzige Geräusch, das die Grotte erfüllte, das rhythmische Schlagen der Ruder und das leise Schnauben, das Link ab und zu ausstieß. Doch irgendwann hielt Navi die von ihr als drückend empfundene Stille nicht mehr aus und sie platzte heraus: „Es tut mir leid, dass ich an dir gezweifelt habe und nicht sofort gekommen bin, als du mich gerufen hast.“ Im ersten Moment war Link von diesem Bekenntnis so konsterniert, dass er aus dem Takt kam. Dass seine Fee sich für irgendetwas entschuldigte, verblüffte ihn zutiefst – vor allem, weil er ihr in diesem Fall überhaupt keine Schuld gab. Dementsprechend beruhigte er sie: „Du standst unter dem Einfluss des Schattendämons. Du kannst nichts dafür.“ Obwohl ihr ein Stein vom Herzen fiel, weil ihr Schützling offenbar nicht sauer war, beharrte Navi: „Ich fühle mich trotzdem schuldig.“ Eigentlich hatte sie noch anfügen wollen, dass ihr Zögern Link unnötig in Gefahr gebracht hatte, doch der junge Mann schnitt ihr rigoros das Wort ab: „Papperlapapp! Jetzt hör auf dich zu grämen und sieh lieber nach vorne.“ Einen Augenblick lang sah Navi zweifelnd zu ihm herüber, aber dann stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen und sie nickte ihrem Begleiter zu. „Danke, dass du mir meine Fehler nicht übel nimmst.“ Link zuckte mit den Schultern und erinnerte sie grinsend: „So ist es nun mal unter Freunden.“ Wie sich herausstellte war die von ihnen befahrene Wasserstraße ein Nebenarm des Zora-Flusses, der sich in einem großen Bogen um Kakariko herumschlängelte. Bei dieser Erkenntnis holte Link die Ruder ein und lehnte sich mit einem Gähnen soweit zurück, dass er den Kopf auf der hinteren Reling ablegen konnte. „Was hast du vor?“ Navi starrte ihn irritiert an und fragte sich, ob dem jungen Mann womöglich die Puste ausgegangen war. Bei den deutlich sichtbaren Schweißflecken unter seinen Achseln und auf der Brust hätte es sie jedenfalls nicht gewundert. Doch ob es wirklich eine gute Idee war, mitten auf dem Wasser eine Pause einzulegen? Link, den der alarmierte Tonfall seiner Fee sichtlich amüsierte, antwortete seelenruhig: „Entspann dich, Navi. Die Strömung wird uns direkt nach Kakariko zurückbringen. Vertrau mir.“ Der geflügelten Frau war bei der Idee, sich einfach vom Fluss tragen zu lassen, ein wenig unwohl, aber sie wollte nicht schon wieder an ihrem Begleiter zweifeln. Also nickte sie nur und zog schützend die Beine vor die Brust. Es war bereits fast eine Stunde vergangen, als in der Ferne endlich die ersten Dächer Kakarikos über den schroff aufragenden, die Stadt umschließenden Felsformationen sichtbar wurden. Vor Erleichterung, dass ihr Schützling richtig gelegen hatte, sprang Navi auf die Füße und stieß einen leisen Jubelschrei aus. Am liebsten hätte sie in diesem Moment selbst nach den Rudern gegriffen, um das Boot schneller voranzubringen, aber dafür war sie viel zu klein. Also blieb ihr nichts anderes übrig als ihre Augen auf den Horizont zu heften und zu warten. Weitere quälend lange Minuten vergingen, bevor in einiger Entfernung ein rostbrauner Farbkleks auftauchte, der Navi jubeln ließ. „Sieh nur! Da hinten ist Epona!“ Langsam richtete Link sich wieder auf und blickte in die gezeigte Richtung. Die Abendsonne ging hinter den Felsriffen im Westen unter, tauchte alles in ein warmes, rotes Licht und ließ den jungen Helden blinzeln. Als er seine Stute entdeckte, die sich in der Nähe des Flusses ins Gras gelegt und lauschend die Ohren aufgestellt hatte, breitete sich ein seliges Lächeln auf seinem Gesicht aus. Epona hatte tatsächlich die ganze Zeit vor den Toren Kakarikos auf ihn gewartet! Ihre Treue rührte Link und erfüllte sein Herz mit wohliger Wärme. „Oh, na toll… Shiek ist auch da…“ Navi spie den Namen des Shiekah aus als würde er ein bitteres Brennen auf ihrer Zunge verursachen. Überrascht riss ihr Schützling die Augen weit auf und suchte die Umgebung mit den Blicken ab. Shiek hatte sich neben Epona ins Gras gesetzt und wirkte neben dem großen Kaltblüter dermaßen zierlich und unscheinbar, dass Link ihn beinah übersehen hätte. Der erfreute Ausdruck, der sich auf die Züge des Herrn der Zeiten stahl, ließ seine Fee genervt aufseufzen. Obwohl sie Shiek sehr dankbar dafür war, dass er sie geheilt hatte, traute sie ihm noch immer nicht über den Weg. Link hingegen war in der Gegenwart dieses geheimnisvollen Mannes jedes Mal wie benebelt und schien ihm aus der Hand zu fressen. Anstatt das Boot weiterhin von der Strömung treiben zu lassen, legte Link sich wieder in die Riemen und ruderte so schnell er konnte ans Ufer heran. Epona stieß zur Begrüßung ein freudiges Wiehern aus, als sie den Geruch ihres Herrn erkannte. Shiek hingegen summte weiterhin leise vor sich hin, ohne auch nur aufzusehen. Link schwang sich über den Bootsrand und zog die kleine Scholle an Land, bevor er mit schnellen, beschwingten Schritten auf den Mann und das Pferd zuhielt. Seine Sohlen wirbelten rötlichen Sand und Staub auf – ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Natur nach Regen verlangte. Nur ein schmaler Streifen Gras entlang des Flussufers leuchtete in einem gesunden, satten Grün. Die restlichen Pflanzen waren gelblich und verdorrt. Als der edle Recke an das Duo herantrat, peitschte Eponas langer Schweif durch die Luft, um ein paar lästige Fliegen zu vertreiben. Navi flog zu der Stute herüber und kuschelte sich mit einem breiten Lächeln in ihre Mähne, als Shiek sich mit in die Ferne gerichtetem Blick an Link wandte: „Du hast es geschafft, Herr der Zeiten. Der Fluch auf dem Schattentempel ist gebrochen.“ „Ja, aber…“, setzte Link an, musste jedoch abbrechen, um sich zu räuspern. Der Shiekah wandte ihm endlich das Gesicht zu und sah ihn so intensiv an, dass es dem jungen Mann eiskalt den Rücken herunterlief. Dieses durchdringende Rotbraun von Shieks Iris schien dem Herrn der Zeiten bis auf den Grund seiner Seele blicken zu können. „Aber was?“ Plötzlich fühlte sich die Kehle des Hylianers wie zugeschnürt an und er musste die folgenden Worte förmlich hervorwürgen: „Ich habe Impa nicht retten können.“ Rasender Schmerz schlug sich in Shieks Auge nieder und schien seine Retina in Scherben zu schlagen. „Es tut mir leid!“ Link hatte das Gefühl, die seelische Pein des anderen Mannes selbst zu spüren, und überlegte verzweifelt, wie er ihn trösten könnte. Doch als der Shiekah nach etwa einer halben Minute wieder zu sprechen begann, klang er gefasst und ruhig: „Ist sie die Weise der Schatten?“ Nickend ließ sich sein Gegenüber in den Schneidersitz sinken und musterte ihn aufmerksam. Obwohl der Hylianer es nicht sehen konnte, lächelte Shiek zu ihm herüber und verkündete: „Dann ist es gut so. Ich danke dir, dass du es mir gesagt hast.“ Bei dem warmen Klang in Shieks Stimme errötete Link leicht und stammelte verlegen: „G-Gern geschehen.“ Mit einem amüsierten Glitzern in dem sichtbaren Auge langte der Shiekah unter seinen Brustschutz und holte ein in Leinen geschlagenes Essenspaket hervor. Links Magen knurrte vernehmlich, als Shiek das Tuch auseinanderschlug und einen halben Laib Graubrot, Hartkäse und eine geräucherte Wurst zum Vorschein brachte. Lachend forderte der Shiekah sein Gegenüber auf: „Mach mir die Freude und sei heute Abend mein Gast.“ Die folgenden Stunden unterhielten die beiden Männer sich über Links Vergangenheit, seine Abenteuer, seine Wünsche, Träume und Ängste. Dass der Shiekah es durch interessierte Nachfragen immer wieder geschickt vermied, über sich selbst sprechen zu müssen, fiel dem Herrn der Zeiten gar nicht auf. Es war bereits weit nach Mitternacht und Navi schlief leise schnarchend zwischen Eponas Ohren, als Link sich gähnend erhob und seine vom langen Sitzen steifen Glieder streckte. „Ich werde in Impas Geburtshaus nach einem Nachtlager fragen. Kommst du mit?“ Bei dem hoffnungsvollen Klang seiner Stimme hätte der junge Held sich am liebsten selbst getreten. Warum nur war er so versessen darauf, dass Shiek in seiner Nähe blieb?! Dieser schüttelte jedoch mit dem Kopf, bevor er sich ebenfalls auf die Füße schwang. „Nein. Ich habe noch etwas vor.“ Enttäuschung machte sich auf Links Gesicht breit und er wandte sich schnell ab, damit sein Gegenüber es nicht sehen konnte. Es war erbärmlich, dass er seine verwirrenden Gefühle nicht besser verbergen konnte! Am liebsten wäre er im Erdboden versunken. Als Shieks Hand federleicht auf seine Schulter fiel, zuckte er heftig zusammen. „Wir sehen uns bald wieder, … mein Freund.“ Mit diesen Worten warf der Shiekah eines seiner Ledersäckchen auf den Boden und verschwand mit einem gleißenden Lichtblitz. Link stand noch eine Weile alleine in der Dunkelheit, starrte in die Ferne und wunderte sich darüber, mit welch intensiven Glücksgefühlen es ihn erfüllte, dass Shiek ihn seinen Freund genannt hatte. Erst, als ihm vor Müdigkeit die Augen zufielen, sammelte er Navi ein und machte sich an den langen Aufstieg nach Kakariko, wo er sich vollständig bekleidet aufs Bett warf und sofort wegdämmerte. Obwohl er bis spät in die Nacht mit Shiek zusammengesessen und geredet hatte, erwachte Link am nächsten Morgen bereits bei Sonnenaufgang. Die Last seiner Aufgabe drückte so schwer auf seine Nerven, dass an tiefen, erholsamen Schlaf nicht zu denken war. Sich müde knurrend auf dem Lager umherwälzend, verfluchte der ausgelaugte Recke sich dafür, am Vorabend nicht eher zu Bett gegangen zu sein. „Guten Morgen, oh, Herr der Augenringe.“ Navi, die mit überschlagenen Beinen wohlausgeruht und hellwach auf der Kante eines neben dem Bett stehenden Hockers saß, grinste verschlagen zu ihrem Schützling herüber. Dieser warf ihr aus kleinen, rotgeränderten Augen einen giftigen Blick zu und schleppte sich mit einem kaum verständlich dahingemurmelten «Dir auch einen guten Morgen, Nervensäge» zur Waschstätte, um sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen und so seine Lebensgeister endlich ein wenig wachzurütteln. Ohne zu beachten, dass Link ihr den Rücken zudrehte und nicht an einer Konversation interessiert zu sein schien, flötete die überaus vergnügt wirkende Fee: „Ach, entschuldige. Ich vergesse immer wieder, dass du ein furchtbarer Morgenmuffel bist. Vielleicht solltest du mehr schlafen. Du siehst fürchterlich aus, ehrlich!“ Mit einem tiefen Seufzer drückte der Herr der Zeiten sich ein latent muffig riechendes Handtuch aufs Gesicht und knurrte: „Danke für die Blumen. Aber komm zum Punkt. Was willst du von mir? Warum bist du so verflucht fröhlich?“ Der Stoff dämpfte seine Stimme und ließ sie seltsam verzerrt klingen, dennoch konnte man seine Gereiztheit deutlich heraushören. Die Schultern zuckend gestand Navi: „Es gibt keinen besonderen Grund. Während du dich stöhnend auf dem Bett hin und her geworfen hast, habe ich nur noch einmal über das nachgedacht, was uns im Schattentempel aufgefallen ist.“ Als Link auf diese Worte hin sein Handtuch sinken ließ und sie verständnislos ansah, präzisierte die Fee: „Dass offenbar jedes Volk unter den Weisen vertreten ist und es dementsprechend noch einen Gerudo mit der Seele eines Lichtwesens geben muss.“ Der Herr der Zeiten warf das nasse Tuch mit einer genervt erscheinenden, knappen Handbewegung achtlos auf den Waschtisch, besann sich dann allerdings doch anders und hängte es ordentlich auf den dafür vorgesehenen Haken. „Und zu welchem Schluss bist du gekommen? Dass wir uns geirrt haben und alles ganz anders ist als angenommen?“ „Nicht so pessimistisch, mein Lieber!“ Navi stützte eine Faust in die Hüfte und hob breit grinsend den Zeigefinger der anderen Hand, um ihren Schützling spielerisch zu tadeln. „Ich bin immer noch überzeugt davon, dass wir richtig liegen. Außerdem hat Impa die Theorie ja bestätigt. Ich musste nur an die Geschichten denken, die ich über die Gerudo gehört habe.“ „Erzähl sie mir auf dem Weg zu Epona. Die Gerudo-Wüste liegt im Westen, richtig?“ „Korrekt.“ Während Navi ihren angestammten Platz auf Links Schulter einnahm, verabschiedete dieser sich von der ihm inzwischen wohlvertrauten Hausvorsteherin, die ihm trotz halbherziger Proteste seinerseits ein kleines, in Tücher geschlagenes Paket Wegzehrung in die Hand drückte. Dann wandte der junge Held sich dem Ausgang zu. Das Loch in seinem Fuß protestierte gegen die erneute Belastung und sandte einen dumpf pochenden Schmerz durch den gesamten Fußballen, was Link deutlich sichtbar hinken ließ. Bei diesem Anblick zog die mütterliche Hausvorsteherin ein mitfühlendes Gesicht und sandte ein stummes Gebet an die Göttinnen, damit jene eine schützende Hand über den jungen Mann hielten, der ihr inzwischen ans Herz gewachsen war. Als die beiden Abenteurer durch die Tür der Herberge traten, bot sich ihnen ein fast unwirkliches Bild: Dicker Morgennebel trieb durch die Straßen des kleinen Städtchens und verlieh dem ansonsten eher beschaulich wirkenden Kakariko eine mysteriöse Ausstrahlung. Kaum, dass die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke brachen, brachten sie die feinen Wasserperlen im Nebel zum Funkeln und die ganze Gegend schien mit winzigen Regenbogenperlen geschmückt zu sein. Leider hatten der Herr der Zeiten und seine Fee keine Zeit, um sich an diesem Naturschauspiel zu erfreuen. Daher hastete Link durch die feuchtklamme Luft und forderte: „Jetzt sag mir, was erzählt man sich über die Gerudos?“ Die Beine zu einem Lotussitz übereinander faltend, sagte Navi: „Dass die Gerudos allesamt Diebe sein sollen, hast du ja bereits von Zelda erfahren. Außerdem heißt es, ihr Volk bestehe nur aus Frauen. Angeblich wird nur alle hundert Jahre ein männliches Kind geboren, das – egal, wie geeignet es für diese Position auch sein mag – dazu bestimmt ist, der König der Gerudos zu werden. Wenn du mich fragst, ist das völliger Mumpitz! Wie sollte sich ein Volksstamm dermaßen lange gehalten haben, wenn nur in jeder zweiten bis dritten Generation ein einziger Mann geboren wird?!“ „Vielleicht werden männliche Gerudos besonders alt“, schoss es Link durch den Kopf. Doch als ihm im nächsten Augenblick klar wurde, dass dies dennoch bedeuten würde, dass alle von diesem Mann gezeugten Kinder Halbgeschwister wären und bei dieser Erklärung schlimmste Inzest unter den Gerudos herrschen musste, schwieg er lieber. Die freudig wiehernde Epona begrüßend, mutmaßte er stattdessen: „Vielleicht pflanzen sich die Gerudo-Frauen mit Hylianern fort und Pi-mal-Daumen alle hundert Jahre wird ein Sohn geboren, bei dem das Gerudo-Blut dominant ist. Kinder, bei denen sich das hylianische Blut durchsetzt, könnten vor den Toren einer hylianischen Stadt ausgesetzt werden.“ Während ihr Begleiter sein Pferd sattelte, aufstieg und sein Reittier mit zwei kurzen Klick-Lauten antrieb, dachte Navi über seine Worte nach. Den Blick auf den langen, verzerrt wirkenden Schatten, der sich vor ihnen auf dem Boden erstreckte, gerichtet, murmelte sie: „Ja, das ist durchaus möglich.“ Anschließend erhob sie sich, um zum Scheitel der Stute zu fliegen und sich in Eponas seidenweiche Mähne zu kuscheln. Als ihre hauchzarten Flügel dabei leise raschelten, zuckten Links lange, spitzzulaufenden Ohrmuscheln, was seine Kreolen lustig auf und ab hüpfen ließ. „Fakt ist auf jeden Fall“, nahm die Fee, nachdem sie es sich bequem gemacht hatte, den Faden wieder auf, „dass die Gerudo-Frauen furchtlose Kriegerinnen und Meisterinnen des Kampfes sind. Vor allem im Umgang mit Piken und Säbeln sollen sie unschlagbar sein.“ Link, der sich meisterlich kämpfende Frauen nur schwer vorstellen konnte, verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln und murmelte mit ironischem Unterton: „Klingt als müsste ich ganz furchtbar auf der Hut sein…“ Seine Begleiterin funkelte ihn bei der fehlenden Ernsthaftigkeit in seiner Stimme zornig an. „Ja, das solltest du wirklich!“ „Navi, ich bitte dich! Das sind nur Frauen!“ Schwungvoll die Arme ausbreitend, erklärte der Recke: „Ich bin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein ganzes Stück größer als die meisten ihrer Kriegerinnen. Meine Arme und Beine sind länger, meine Muskeln stärker. Außerdem habe ich schon zahlreiche Monster besiegt – und da waren auch welche von der richtig fiesen Sorte dabei, wie du dich sicherlich erinnern wirst. Ich mach mir doch nicht ins Hemd, bloß weil mich ein paar Frauen mit ihren Stopfnadeln bedrohen…“ Im ersten Moment war Navi zu perplex, um etwas zu sagen, weswegen sie ihren Schützling einfach nur mit offen stehendem Mund anstarrte. Doch schon bald fand sie ihre Sprache wieder und giftete ihm entgegen: „Chauvinistisches Schwein! Wenn nicht das Schicksal Hyrules in deinen Händen liegen würde, würde ich dir Trottel eine vernichtende Niederlage gegen eine Gerudo-Kriegerin wünschen!“ Mit diesen Worten kehrte sie Link schleunigst den Rücken zu, reckte beleidigt die Nase in die Höhe und ignorierte ihren Schützling für den Rest der Reise – die trotz Eponas raschem Schritt mehrere Tage in Anspruch nahm, da die Gerudos am äußersten Westrand der bekannten Welt lebten. Während die Sonne am dritten Tag langsam über das Himmelszelt wanderte und das Schattengebilde der Reisegruppe stauchte, um es anschließend in ihrem Rücken wieder zu dehnen, wurde die Landschaft immer karger. Die flache, grasbewachsene Ebene der hylianischen Steppe ging allmählich in einen niedrigen Gebirgszug über, hinter dem sich die Gerudo-Wüste erstreckte. Eponas gewaltige Hufe wirbelten bei jedem Schritt kleine Wölkchen rötlichen Sandes auf und anstatt von blühenden Bodendeckern begrenzt zu werden, wurden die Wege nun von kleinen Geröllhaufen gesäumt. „Junge, Junge! Wenn die Leute hierzulande ‚Wüste‘ sagen, dann meinen sie es auch so, hm?“ Link legte sein Kinn gegen die eigene Schulter, um sich mit dem kurzen Ärmel seiner Tunika den Schweiß von der Stirn wischen zu können. Der Sommer hatte auch die hylianische Steppe fest im Griff gehabt, doch hier war die Hitze kaum auszuhalten. „Kein Wunder, dass hier nichts wächst. Unmenschliche Temperaturen sind das! Dabei ist es bereits Abend. Heute Mittag hab ich gedacht, ich würde bei lebendigem Leib gegrillt!“, versuchte der junge Recke erneut, seine Fee zu einer Reaktion zu bewegen. Doch wie an den zweieinhalb Tagen zuvor, ignorierte sie ihn und blieb ungerührt mit dem Rücken zu ihm auf Eponas Scheitel sitzen. Allmählich fragte Link sich, ob seine Begleiterin je wieder mit ihm sprechen würde. Zum wiederholten Male probierte er es mit einer Entschuldigung: „Hör mal, Navi, ich weiß, ich hab Mist gebaut. Ich hätte das letztens nicht sagen sollen. Männer sind nicht besser als Frauen. Aber du musst zugeben, dass der weibliche Körper nicht auf den Kampf ausgerichtet ist – im Gegensatz zu dem von uns Männern.“ Als seine Fee weiterhin eisern schwieg und starr geradeaus blickte, hätte der Herr der Zeiten am liebsten laut aufgeschrien. So sehr er sich früher manchmal gewünscht haben mochte, sie würde schweigen, in diesem Moment hätte er eine ganze Menge getan, um ihre Stimme zu hören. Sie konnte ihn doch nicht dafür bestrafen, dass er Recht hatte! Zornig die Finger um die Zügel krümmend, gab der Recke seiner Stute etwas zu grob die Sporen, was diese protestierend wiehern ließ. Der Mond stand bereits als bleicher Schemen am Himmel, als die missgelaunte Reisegruppe endlich an der breiten Schlucht ankam, die das Land der Gerudo vom Hoheitsgebiet der hylianischen Könige trennte. Eigentlich wäre dies ein Anlass zur Freude gewesen, doch der Anblick der Brücke drückte schwer auf Links Gemüt. „Oh nein!“ Mit einer geschmeidigen Bewegung schwang der junge Mann sich vom Rücken seines Pferdes und trat mit entsetztem Gesicht an den Rand der Schlucht. Anstatt die breite Kluft zu überspannen, baumelte die zerstörte Brücke auf beiden Seiten in die Tiefe. Irgendjemand musste die tragenden Seile durchtrennt haben. „Bleib ruhig, Link, und denk nach…“ Der Herr der Zeiten kniff sich leicht in die Nasenwurzel und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Dann warf er einen prüfenden Blick in die Tiefe, um abzuschätzen, ob er womöglich auf die andere Seite klettern könnte. Doch der unter ihm gurgelnde Zora-Fluss, der sich unweit von Links Standpunkt als tosender Wasserfall von einem Gebirgsausläufer in die Schlucht stürzte, war viel zu reißend, als dass er ihn hätte durchschwimmen können. „Aber vielleicht klappt es, wenn ich die Metallstiefel und das Zora-Gewand anziehe und durch den Fluss laufe… Oder vielleicht ist mein Enterhaken lang genug, um die Pfosten dahinten zu erreichen…“ Bevor der Recke seine Hand nach seinem verzauberten Lederbeutel ausstrecken konnte, platzte plötzlich Epona mit einem lauten Wiehern in seine Überlegungen. „Was hast du denn, mein Mädchen?“ Link streichelte seiner treuen Stute sanft über ihr samtenes Maul und erklärte: „Du wirst wohl hierbleiben müssen.“ Das Schnauben, das das Pferd daraufhin ausstieß, klang so menschlich, dass Link sich für einen kurzen Moment frage, ob sein Reittier ihn womöglich tatsächlich verstanden hatte. Von seinen eigenen Gedankengängen amüsiert, lachte der junge Mann auf und kraulte seine Stute hinter einem der aufgestellten Ohren. „Ich weiß, ich weiß. Das gefällt dir nicht. Aber du kannst leider nicht–“ Als ihm mitten im Satz eine Idee durch den Kopf schoss, brach der Recke abrupt ab und er maß die Breite der Schlucht erneut mit den Augen. Vielleicht konnte sie ja doch… Dann wandte er sich wieder seinem Pferd zu und sah ihm ernst in das ihm zugewandte Auge. „Das wird riskant. Bist du dir sicher, dass du das schaffst?“ Epona stieß daraufhin erneut ein kleines Wiehern aus, das Navi lächeln ließ. Doch sobald Link sie ansah, zeigte sie wieder den emotionslosen, kalten Ausdruck, den sie die vergangenen Tage ununterbrochen zur Schau getragen hatte. „Also gut – auf deine Verantwortung!“ Mit diesen Worten schwang der Herr der Zeiten sich wieder in den Sattel und ritt den Weg ein Stück zurück, damit Epona genügend Anlauf nehmen konnte. Links Herz schlug ihm bis zum Hals und er fragte sich immer wieder stumm, wie er so verrückt sein konnte, einem Pferd zu vertrauen, das ihn nicht einmal verstanden haben konnte. Dennoch schnalzte er laut mit der Zunge und trieb seine Stute zu einem schnellen Galopp, sobald er die Anlaufweite für ausreichend hielt. Das Trommeln von Eponas Hufen hallte von den hohen Gebirgswänden wider und grollte wie Donner durch die Schlucht. Je näher die Kluft kam, desto mehr krampfte der Reiter die Finger in die Mähne seiner Stute. Navi hingegen saß noch immer mit weit ausgebreiteten Armen auf dem Pferdescheitel und quietschte vergnügt: „Huuuuiiiiiii! Schneller, Epona, schneller!“ Als diese schließlich zum Sprung ansetzte, kniff Link die Augen fest zusammen und biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu schreien. Einen Moment lang schienen sie schwerelos durch die Luft zu sausen, doch dann wurden Pferd und Reiter von der Schwerkraft ergriffen. „Oh, bei den Göttinnen, wir stürzen ab!“, schoss es Link durch den Kopf, doch dann setzen die Hufe seiner Stute mit einem Poltern auf den noch stehenden Überresten der Brücke auf und Epona zog sich mit ihren starken Schultermuskeln vollständig über die Schlucht, bevor sie austrabte und nach ein paar Schritten zum Stehen kam. Ungläubig blinzelte Link unter seinen Lidern hindurch. Sie hatten es tatsächlich geschafft! Am liebsten wäre der Recke seiner Stute vor Dankbarkeit weinend um den Hals gefallen, doch bevor er auch nur einen Finger rühren konnte, ertönte von der Seite plötzlich eine raue, tiefe Stimme: „Ein Krieger! Wunderbar! Du bist genau der Mann, den ich jetzt brauche.“ Der dunkle Klang und die harsche Modulation der Worte waren dem Herrn der Zeiten ebenso vage vertraut wie die ohrenbetäubende Lautstärke, aber erst, als er den Kopf wandte und den neben seinem Pferd stehenden Mann ansah, erkannte er, um wen es sich handelte: Es war der Chef der Zimmerleute, der ihm vor langen Jahren in Kakariko die Herberge gezeigt und so eine kalte Nacht unter freiem Himmel erspart hatte. Obwohl Link wegen des aufregenden Sprungs über die Schlucht noch immer weiche Knie hatte, setzte er sofort eine geschäftige Miene auf und fragte: „Was kann ich für dich tun?“ Während er sich aus dem Sattel gleiten ließ, um nicht von oben herab mit dem Zimmermann sprechen zu müssen, beobachtete er aus den Augenwinkeln seine Fee. Navi umarmte eines von Eponas langen Ohren und murmelte mit einem Lächeln auf den Lippen fremdartig klingende Worte hinein. Auch wenn ihre Aufmerksamkeit nicht ihm galt, atmete der Recke bei diesem Anblick ein wenig auf. Allem Anschein nach taute seine Begleiterin allmählich wieder auf. Vielleicht würde sie bald schon auch wieder mit ihm reden. Mit diesem freudigen Gedanken im Herzen wandte Link sich dem stämmigen Mann neben ihm zu. Dieser streckte ihm eine prankenartige Hand entgegen und sagte: „Ich danke dir, dass du mich anhören willst. Ich bin Mutoh, Chef der Zimmerleute.“ „Ich weiß“, entgegnete Link mit einem milden Lächeln und schlug ohne zu Zögern ein. Obwohl der Herr der Zeiten sich bislang stets für einen Mann mit recht kräftigen Händen gehalten hatte, fühlten sich seine Finger im Gegensatz zu den fleischigen Exemplaren des Handwerkers filigran und zerbrechlich an. Link kam sich bei diesem Handschlag fast wieder wie ein Kind vor, das einen Erwachsenen begrüßte. Davon unangenehm berührt, zog er seine Hand so schnell er, ohne unhöflich zu wirken, konnte zurück. Mutoh runzelte deswegen die Stirn, kommentierte Links Reaktion jedoch nicht. Stattdessen fuhr er unbeirrt fort: „Ich habe ein Problem. Wie du bemerkt hast, ist die Brücke zerstört worden. Das waren Gerudo-Kriegerinnen. Niemand weiß, warum sie das getan haben, aber das tut auch nichts zur Sache. Wichtig ist nur, dass meine Jungs und ich hierher geschickt wurden, um die Brücke zu reparieren.“ Während Link versuchte, bei seinem irritierten Blick zurück zur Brücke möglichst unauffällig zu sein, prustete Navi laut los und spottete: „Ausgezeichnete Arbeit, Mutoh. Selten so ein schönes Exemplar gesehen. Wie nennst du dieses Modell? Die Luftbrücke?!“ Die Augen des Zimmermanns verdunkelten sich merklich und eine dicke Ader an seiner Schläfe begann bedrohlich zu pochen. Sogar sein Gesicht färbte sich allmählich dunkelrot, was den Herrn der Zeiten dazu veranlasste, seine Fee verfluchend einen Schritt zurück zu machen. Zwar hatte der Recke seit Beginn seiner Mission zahllose Monster erschlagen, aber der Gedanke an einen cholerischen Wutanfall dieses Mannes versetzte ihn dennoch in Sorge. Er wollte nicht gezwungen sein, ihm womöglich wehtun zu müssen. Doch entgegen Links Befürchtungen fing sich der Handwerkermeister schnell wieder und sprach unbeirrt weiter: „Das Problem sind meine faulen Gesellen! Anstatt ihre Arbeit zu machen, sind sie zur Gerudo-Festung gelaufen, um sich ihnen anzuschließen und Diebe zu werden. Pah!“ Mutoh spuckte neben seine Füße, bevor er fortfuhr: „Sie haben die ganze Zeit romantisches Zeug von Diebesehre und Freiheit gefaselt. Dabei wollten die lüsternen Mistkerle sich nur davon überzeugen, ob die Gerudo-Kriegerinnen tatsächlich so schön sind wie man ihnen nachsagt.“ „Das ist schlecht.“ Zu Links großer Überraschung klang Navi ehrlich besorgt. Sogar ihr hübsches Gesicht wirkte durch die in Falten gelegte Stirn plötzlich ungewohnt ernst und bekümmert. „Warum diese langen Gesichter?“ Der junge Mann schaute irritiert zwischen seiner Fee und dem Zimmermann hin und her. „Es dürfte nicht so schwierig sein, neue Gesellen anzuwerben.“ Der ironische Blick, den Mutoh ihm daraufhin zuwarf, und der sarkastische Unterton seiner Stimme, trieben dem Recken das Blut in die Wangen: „Genau. Ich spaziere einfach zurück nach Kakariko – aber, ach, halt! Die Brücke ist ja zerstört!!!“ Bevor Link sich rechtfertigen konnte, dass er dies bedacht und das Angebot, den Handwerker mit Epona auf die andere Seite zu bringen, im Hinterkopf gehabt hatte, schüttelte Navi den Kopf und mutmaßte: „Ich nehme an, das ist gar nicht das Hauptproblem. Nicht wahr?“ Mutoh verzog bei diesen Worten grimmig den Mund und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. Dennoch fuhr die Fee gnadenlos fort: „Du machst dir Sorgen um deine Gesellen, stimmt’s?“ Ohne seine verschlossene Haltung aufzugeben, nickte der Zimmermann und räumte ein: „Sie mögen furchtbare Faulpelze und Tunichtgute sein, daber wir arbeiten schon so lange zusammen, dass sie für mich inzwischen fast wie eigene Söhne sind.“ „Schön und gut. Aber ich verstehe das Problem immer noch nicht. Wenn es so ist wie du sagst, dass ihr in gewisser Weise eine kleine Familie seid, dann kommen deine Gesellen bestimmt bald von selbst wieder zurück, wenn sie merken, dass sie dich und das Handwerkerleben vermissen.“ Links Irritation wurde von Minute zu Minute größer und die Tatsache, dass er von der Hitze und dem langen Ritt todmüde und ausgelaugt war, machte seinen Geduldsfaden nicht belastbarer. „Wenn du in deinen Sichtweisen nicht so beschränkt wärst, würdest du’s kapieren, Trottel.“ Navi durchbohrte ihn mit einem dermaßen stechenden Blick, dass der Herr der Zeiten am liebsten zurückgewichen wäre. Da er diesen kleinen Rivalitätskampf mit seiner Fee jedoch nicht verlieren wollte, drückte er den Rücken durch und giftete zurück: „Ach ja?! Ich bin also derjenige, der ein Problem hat?!“ „Du bist das Problem!“ Navi war noch immer so zornig auf ihren Schützling, dass ihre Aura allein bei dem Gedanken an seine abfällige Äußerung vor drei Tagen in einem bedrohlichen Orangerot aufleuchtete. Mutoh stand stumm daneben und ließ seinen Blick zwischen dem jungen Mann und seiner Fee hin und her wandern, während Letztere sich lauthals echauffierte: „Wenn du nicht so sehr in deinem chauvinistischen Denken verhaftet wärst, würdest du erkennen, dass die Zimmerleute sich in große Gefahr begeben haben!“ Links irritiertes Blinzeln entlockte Navi ein genervtes Schnauben, bevor sie fortfuhr: „Ja, glaubst du denn, es wäre ein Zufall, dass die größte Gerudo-Siedlung von den Hylianern den Namen ‚Gerudo-Festung‘ bekommen hat?! Die Gerudo-Kriegerinnen leben nicht in einem beschaulichen Dörfchen, wo sie sich gegenseitig besuchen und Kochtipps austauschen! Vor uns liegt eines der größten Bollwerke der ganzen Welt! Es gilt als absolut uneinnehmbar. Auch wenn es nicht in deinen Macho-Kopf will: Die Gerudo verbringen mehr Zeit mit militärischem Drill und Exerzieren als mit Putzen und Handarbeit.“ Der Herr der Zeiten öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch seine Fee ließ ihm keinen Raum für eine Unterbrechung: „Erinnerst du dich an das, was Darunias Sohn uns erzählt hat? Dass die Goronen von Gerudo verschleppt wurden? Ja, auch das waren natürlich allesamt Frauen! Zwar sind die Goronen keine Kämpfer, aber sie sind extrem stark und wehrhaft. Kannst du dir jetzt vorstellen, mit welcher Güteklasse von Kriegerinnen du es zu tun hast?!“ Beschämt von sich selbst zog Link die Schultern hoch und ließ den Kopf hängen. „Glaubst du denn, sie haben den Zimmerleuten etwas angetan?“ „Keine Ahnung“, räumte Navi ein, „aber feststeht, dass die Gerudo Besuch nicht gerade schätzen.“ „Hör zu, Junge“, klinkte sich Mutoh wieder in das Gespräch ein, „es klingt als hättest du eine Mission von großer Wichtigkeit und ich will dir nicht zur Last fallen. Doch wenn du sowieso vorhast, in die Gerudo-Festung einzudringen, bitte ich dich inständig, Ausschau nach meinen Taugenichtsen zu halten.“ „Du kannst dich auf mich verlassen.“ Link nickte dem Handwerkermeister zu und packte anschließend Epona an den Zügeln. „Aber zuerst werde ich mir einen Platz zum Schlafen suchen. Ansonsten falle ich noch selbst den Gerudo in die Hände.“ „Ja, schlaf dich aus, Junge.“ Mutoh nickte kräftig und deutete dann in nördliche Richtung. „Dort hinten steht mein Zelt. Wenn du möchtest, kannst du die Nacht dort verbringen.“ „Gerne.“ Lächelnd zupfte der Recke an den Zügeln in seiner Hand, um seiner Stute sanft das Zeichen zum Aufbruch zu geben, und folgte dem Zimmermann zu dem großen, runden Zelt aus grobem Leinen, das von hohen Bergwänden geschützt in einer Felsnische stand. Kapitel 45: Amazonentanz ------------------------ Als Link und Navi am nächsten Morgen unter dem Zelteingang durchtauchten, funkelten noch vereinzelte Sterne am Firmament. Dennoch war bereits jetzt schon zu merken, dass es auch an diesem Tag erneut sehr heiß werden würde. Navi, die wieder mit ihrem Begleiter versöhnt war, seit er sich vor dem Zubettgehen noch einmal förmlich bei ihr entschuldigt und seinen Fehler eingestanden hatte, flog sogleich zu Epona herüber, die an den Zweigen eines Dornenbuschs kaute. „Na, mein Mädchen, hast du gut geschlafen?“ Der Herr der Zeiten tätschelte seiner Stute liebevoll den Hals, als er zu seiner Fee aufgeschlossen hatte. Dann hievte er den schweren Ledersattel, den er am Abend zuvor hinter dem Busch abgelegt hatte, auf den Rücken des Pferdes und zurrte den Gurt fest. Während er die kleinen Bolzen der Dornschnallen in die richtigen Löcher pfriemelte, fragte er Navi: „Hast du eine Idee, wie wir gleich am besten vorgehen?“ Die zierliche Fee flatterte vor dem Kaltblüter in der Luft und kraulte dem gutmütigen Tier die Schnauze. Ohne den Blick von Eponas zitternden Barthaaren zu nehmen, antwortete sie: „Ich würde vorschlagen, dass wir uns möglichst unauffällig verhalten sollten. Am besten lassen wir Epona auf halbem Weg zurück, damit die Gerudo ihr Hufgetrappel nicht hören.“ Unglücklich darüber, sein treues Reittier im feindlichen Gebiet allein lassen zu müssen, schwang Link sich in den Sattel und drückte seinem Pferd mit den Hacken leicht in die Flanken, damit es sich in Bewegung versetzte. Nach ein paar Metern nahm er das Gespräch wieder auf: „Du denkst also, wir sollten uns lieber hineinschleichen und jeglicher Konfrontation aus dem Weg gehen?“ „Fängst du jetzt wieder damit an, dass du ihren Kriegerinnen sowieso überlegen bist?!“ Navi, die erneut auf dem Pferdescheitel saß, warf ihrem Schützling einen zornigen Blick zu. Sollte seine Entschuldigung vom Vorabend trotz ihrer vermeintlichen Aufrichtigkeit nichts als heiße Luft gewesen sein?! Doch bevor sie sich vollständig in Rage denken konnte, stellte Link klar: „Nein, das habe ich nicht gemeint. Aber ich frage mich, warum wir überhaupt in die Festung eindringen müssen. Wieso gehen wir davon aus, dass mit den Gerudo nicht zu reden ist? Ich würde mich wohler fühlen, wenn ich ganz offen zu ihnen reiten und das Gespräch suchen könnte. Heimlich einzubrechen, fühlt sich falsch an.“ „Kann ich verstehen.“ Navi nickte besänftigt und zog eines von Eponas langen Haaren durch ihre Hände. „Aber denk daran: Ganondorf ist der König der Gerudo und wir wissen nicht, wie loyal sein Volk zu ihm steht. Was, wenn sie dich sofort töten, sobald sie dich erblicken? Du bist der Einzige, der dem Großmeister des Bösen die Stirn bieten kann.“ Seufzend ließ der Recke die Mundwinkel nach unten rutschen. Seine Fee hatte Recht. So wenig ihm dieses Vorgehen zusagen mochte, er durfte nicht riskieren, gefangen oder gar getötet zu werden. „Hast du eine Ahnung, an was wir den fehlenden Weisen erkennen?“, wechselte er nach wenigen Minuten das Thema. „Nein, keinen blassen Schimmer“, gab Navi etwas unwillig zu. „Aber erinnerst du dich an das, was Shiek sagte?“ „Was meinst du?“ „Damals, bei unserem ersten Aufeinandertreffen, als du gerade aus deinem siebenjährigen Schlaf aufgewacht warst, hat er uns gesagt, er habe herausgefunden, wo sich die Weisen befinden. Wie war das noch?“ Die Fee legte die Stirn in Falten und versuchte krampfhaft, die Erinnerung, die an ihrem Bewusstsein kratzte, festzuhalten und hervorzuziehen. Link betrachtete unterdessen die schroffen, sich steil nach oben erstreckenden Felswände, die den schmalen Bergpass, über den sie gerade ritten, säumten. Dieses Terrain war perfekt für einen Angriff aus dem Hinterhalt und machte ihn zunehmend nervös. Da! Hatte sich dort oben nicht gerade etwas bewegt?! Der junge Held kniff die Augen leicht zusammen, um besser erkennen zu können, und atmete erleichtert auf, als sich die vermeintliche Gefahr als Vogel entpuppte. Dennoch blieben seine Nerven bis zum Zerreißen gespannt, sodass er bei Navis triumphierendem Jubeln heftig zusammenzuckte. „Ich weiß es wieder!“ „Dann schieß mal los.“ „Einer befindet sich in den Tiefen der Wälder, ein anderer im feurigen Inneren eines Berges. Den Dritten findest du im kühlen Nass, den Nächsten bei der Ruhestätte meines Volkes und den Letzten in der Göttin des Sandes“, zitierte die Fee den Shiekah, wobei sie seine Stimme erstaunlich gut imitierte. „Wir müssen also nur herausfinden, was die ‚Göttin des Sandes‘ ist.“ „Ich dachte, du vertraust Shiek nicht“, strich Link mit einem nur halbherzig unterdrückten Grinsen heraus. Irgendwie bereitete es ihm diebische Freude, seine Fee mit ihrer irrationalen Abneigung dem Shiekah gegenüber aufzuziehen. „Tue ich auch nicht“, bestätigte diese prompt, „aber bislang hat er mit seinen Angaben über die Aufenthaltsorte der Weisen Recht behalten. Da wir keinen besseren Plan haben, würde ich vorschlagen, dass wir dort ansetzen.“ „Also gut.“ Link zügelte sein Pferd und schwang sich geschmeidig wie eine Katze aus dem Sattel. „Ich werde mich in die Festung schleichen und nach den Zimmerleuten suchen. Du“, er deutete mit dem Kinn auf Navi, „versuchst in der Zwischenzeit so viele Gespräche der Gerudo wie möglich zu belauschen. Vielleicht erfährst du etwas über die Göttin des Sandes.“ Dann drehte er Epona um und gab ihr einen leichten Klapps auf den Hintern. „Und du läufst zurück zu Mutoh, hörst du?“ Doch anstatt sich in Bewegung zu setzen, schnaubte die Stute nur und blieb wie angewurzelt stehen. Link seufzte gespielt, konnte sich ein Grinsen jedoch nicht verkneifen. „Na gut. Warte meinetwegen hier auf uns.“ Mit diesen Worten wandte er sich um und lief, immer dicht an eine der hohen Felswände gepresst, auf die noch nicht zu sehende Gerudo-Festung zu. Als die Festung schließlich in Sichtweite kam, staunte der Herr der Zeiten nicht schlecht. Seine Fee hatte tatsächlich nicht übertrieben, als sie den Bau der Gerudo als eines der größten Bollwerke der bekannten Welt bezeichnet hatte. Hohe, massiv aussehende Türme mit zahlreichen Schießscharten schraubten sich von Felsausläufern gesäumt in den inzwischen stahlblauen Himmel und bereits von Ferne war das laute Klirren von Metall auf Metall zu hören. Die Festung musste von mehreren Dutzend bewaffneten Kriegerinnen bewacht sein. „Warte!“ Navi riss ihrem Schützling plötzlich an einer seiner langen Ohrmuscheln und zwang ihn zum Stehenbleiben. „Aua!“, flüsterte dieser ihr entgegen. „Was sollte das?!“ „Ich hab eine Idee“, wisperte die Fee zurück. „Sieh dich mal um. Was ist die hier dominierende Farbe?“ Der Herr der Zeiten sah sich verständnislos um, bis seine Begleiterin ihm auf die Sprünge half: „Diese Felsen hier sind rötlich, der Boden ist über und über mit rotem Sand bedeckt und sämtliche Pflanzen hier sind so ausgedörrt, dass sie braun und vertrocknet sind.“ „Äh, ja. Na und?“ Die Verwirrung des jungen Abenteurers wurde immer größer, doch als Navi an seiner grünen Tunika zupfte, wurde ihm schlagartig klar, auf was sie hinauswollte. „Du stichst auf mehrere hundert Meter ins Auge. Ich würde vorschlagen, dass du dich deiner Kleider entledigst und nur die Goronen-Rüstung anziehst.“ Als Link zögerte, ihrer Aufforderung nachzukommen, und ihr mit einem Fingerzeig bedeutete, sie möge sich umdrehen, kicherte sie leise in sich hinein: „Ich guck dir schon nichts ab…“ Dennoch wandte sie ihrem Schützling ohne weiter zu zögern den Rücken zu und wartete geduldig, bis er sich umgezogen hatte. Seine nackten Arme und Beine ließen ihn ungewohnt schutzlos erscheinen und er zupfte mit deutlichem Unwohlsein an seiner kurzen Tunika. „Warum sollte ich meinen Kettenanzug auch ausziehen?“, fragte er missmutig und versuchte, sich Navis Blicken zu entziehen. „Weil ich mich endlich mal an dem Anblick deiner strammen Beine erfreuen wollte“, flötete ihm diese entgegen. Doch als sie seinen entsetzten Blick sah, erklärte sie: „Die Silberfäden reflektieren das Sonnenlicht und du willst doch nicht, dass die Gerudo auf dich aufmerksam werden, weil du schimmerst und funkelst wie kleine Lichtblitze. Am besten nimmst du auch Schwert und Schild ab und verstaust die beiden Sachen im Wunderbeutel.“ „Du willst mich unbewaffnet in die Gerudo-Festung schicken?! Bist du sicher, dass du auf meiner Seite bist?!“ Link klang vollkommen fassungslos, aber Navi versicherte ihm in ruhigem Ton: „Absolut.“ „Und warum soll ich meine Waffen ablegen?“ „Teilweise aus demselben Grund, aus dem du auch deinen Kettenanzug ausziehen solltest. Und zum anderen, weil dich das Aufeinanderschlagen von Schild und Schwertscheide verraten könnte.“ Obwohl ihm deutlich anzusehen war, dass er das Ganze für eine Schnapsidee hielt, schnallte der Recke seine Waffen ab und schob sie nacheinander in seinen verzauberten Lederbeutel, den er anschließend mit einem doppelten Knoten an seinem Gürtel befestigte. Das Master-Schwert auf diese Weise zu transportieren, gefiel ihm ganz und gar nicht. Was, wenn er das Säckchen in einem unachtsamen Moment verlieren sollte? Mit einem nagenden Gefühl des Unwohlseins in der Magengrube machte sich Link nach dieser kurzen Unterbrechung sofort wieder auf den Weg zur Festung. Navi stellte mit Erleichterung fest, dass ihr Schützling nun tatsächlich viel besser mit der Umgebung verschmolz. An der Festung angekommen, sank der Mut der beiden Abenteuer jedoch rapide. Der einzige Weg nach oben führte über eine schmale, steile Treppe, die von allen Seiten gut einsehbar war. „Wenn du da hochsteigst, kannst du dich gleich auf den Präsentierteller stellen“, wisperte Navi resigniert. Link hingegen zog ein nachdenkliches Gesicht und murmelte: „Ganondorf hat ein Pferd. Erinnerst du dich an seinen Rappen? Ein großes, gewaltiges Tier. Das würde niemals diese Treppe erklimmen können. Es muss einen anderen Weg geben. Hilf mir suchen.“ Ihre Herzen schlugen Krieger und Fee bis zu den Hälsen, während sie – jeder Zeit von der Gefahr der Entdeckung bedroht – die Umgebung sondierten. Wann immer ein trockener Zweig im Wind knarrte, ein Vogel sich mit lautem Federrascheln in die Lüfte schwang oder ein Wüstenfuchs bellte, zuckten die Beiden heftig zusammen. Links Adrenalinspiegel war so hoch, dass seine Hände deutlich sichtbar zitterten, während er eine Felswand nach einem geheimen Schalter abtastete. Als Navi ihm leicht auf die Schulter tippte, um ihn stumm auf ihre Entdeckung aufmerksam zu machen, hätte er vor Anspannung beinah aufgeschrien. „Shht! Ich bin’s doch nur!“ Die Fee presste ihm mit beiden Händen die Lippen aufeinander und sah ihm streng in die geweiteten Augen. Ein einziges lautes Geräusch hätte die ganze Mission zum Scheitern verurteilen können. „Du hast mich erschreckt! Was gibt’s denn?“ „Die beiden großen Dornenbüsche da drüben sind Attrappen. Sie sind an einem von dieser Seite aus unsichtbaren Tor befestigt.“ „Aber das Tor ist bewacht, nicht wahr?“ Link klang plötzlich sehr, sehr müde. In diesem Moment hätte er am liebsten aufgegeben. Er wollte sich nur noch in irgendeinem Bett zusammenrollen und die Decke über den Kopf ziehen. Er war es dermaßen leid, dass er immer nur von einem Problem zum nächsten kam. Vom Regen in die Traufe. Doch Navis Antwort vertrieb seine trüben Gedanken schnell wieder: „Stimmt, es gibt eine Wache für das Tor, aber… sie schläft – und zwar tief! Wenn wir uns ganz leise reinschleichen, dürfte sie kein Problem darstellen.“ Gesagt, getan. Link schob das Tor vorsichtig auf, gerade weit genug, dass er hindurchschlüpfen konnte, und tippelte auf Zehenspitzen an dem schnarchenden Knäul aus roten Haaren und lila Tuch vorbei, während seine Fee das Hindernis einfach überflog. Vom Tor aus gelangten die beiden Abenteurer auf einen breiten Weg, der in einer sanften Biegung bis zum Festungsvorplatz führte. Offenbar hatten die Gerudo kurz zuvor eine Waren- oder Lebensmittellieferung erhalten. Jedenfalls stapelten sich knapp hinter dem Scheitelpunkt der Kurve mehrere Kisten, die dem Herrn der Zeiten nun als Sichtschutz dienten. Auf leisen Sohlen huschte er zu den Truhen herüber und linste vorsichtig durch die Spalten zwischen den Kisten. Die Festung bestand aus vielen einzelnen, teilweise ineinander übergehenden, rechteckigen Häusern mit flachen Dächern, die aussahen als wären sie direkt aus der Felswand geschlagen worden. Wie mit bedrohlich spitzen Holzpfählen gespickte Schwalbennester schmiegten sich die Gebäude an den hinter ihnen aufragenden Berg. Auf dem Vorhof schoben drei Frauen Wache und auf einigen der Flachdächer konnte Link weitere Kriegerinnen ausmachen. Das kräftige Lila ihrer Uniformen stach deutlich aus dem Blau des Himmels und dem Rot der Felsen hervor. Im Gegensatz zu ihm war es den Gerudo wichtig, dass man sie schon von weitem sah. Sie wollten abschrecken. „Was das wohl soll?“ Der Herr der Zeiten kaute grübelnd auf der Unterlippe und betrachtete die ihm am nächsten stehende Wache mit nachdenklichem Blick. „Was meinst du?“, fragte Navi, die sich mit ihren zierlichen Händen am Rand einer Kiste festhielt und ebenfalls die patrouillierenden Frauen beobachtete. „Die Mundschutze.“ Link deutete mit einem knappen Fingerzeig auf die rechteckigen, lilafarbenen Tücher, die die Gesichter der Gerudo-Kriegerinnen verdeckten. „Ich weiß nicht“, gab seine Fee nach kurzer Überlegung zu, „aber vielleicht hat es etwas mit der trockenen Luft zu tun. Oder es ist ein Sonnenschutz. Oder sie wollen einfach nicht erkannt werden – schließlich sind sie Diebinnen.“ Der Recke nickte leicht und murmelte: „Kein Wunder, dass die Gerudo-Kriegerinnen als besonders schön gelten. Sie sind geheimnisvoll, rassig und exotisch – sieh dir nur mal diese feurigen Augen an!“ Dann fügte er mit einem verschlagenen Grinsen hinzu: „Und sollte eine von ihnen hässlich wie die Nacht sein, wird es niemandem auffallen.“ Navi verdrehte die Augen und lenkte die Aufmerksamkeit ihres Schützlings wieder auf wichtigere Dinge: „Ich bin begeistert, dass du dich mit den kleinen Modetricks der Damenwelt auskennst, aber wir sind nicht hier, damit du dein beeindruckendes Wissen unter Beweis stellen kannst. Wir wollen Informationen über die Göttin des Sandes sammeln und herausfinden, was aus den Zimmermanngesellen geworden ist.“ „Ich weiß, ich weiß!“ Abwehrend hob Link die Hände und presste die Kiefer fest zusammen. Er hasste es, wenn Navi ihn nicht ernst nahm oder wie ein Kind behandelte. Er war nicht der dumme, kleine Junge, für den ihn alle im Kokiri-Dorf gehalten hatten! Um sich selbst von seinen düsteren Erinnerungen abzulenken, fragte er in unbeabsichtigt schroffem Ton: „Hast du eine Idee, wie wir an den Wachen vorbeikommen?“ Angesichts der scharf ausgesprochenen Worte zog die Fee ihre fein geschwungenen Augenbrauen in die Höhe, verzichtete aber auf einen bissigen Kommentar. Stattdessen schlug sie vor: „Ich könnte um ihren“, Navi deutete auf die ihnen am nächsten stehende Frau, „Kopf schwirren, um sie ein wenig abzulenken, und du huschst dann schnell hinter ihrem Rücken entlang in den Eingang da drüben, während die Wachen dort hinten wegsehen.“ „Du meinst, falls sie wegsehen…“ Je länger Link die Gerudo-Kriegerinnen beobachtete, desto mehr sank sein Mut, weil ihm zunehmend klarer wurde, dass die Überwachung der Festung nahezu perfekt war. Es gab kaum einen Winkel, kaum eine Nische, die nicht jeder Zeit von einer Wache eingesehen werden konnte. Seine Fee jedoch zeigte ein gerissenes Grinsen und prophezeite: „Sie werden wegschauen. Vertrau mir!“ Obwohl der junge Mann keinerlei Ahnung hatte, was seine Begleiterin geplant hatte, nickte er ihr zu und machte sich sprintbereit, als sie sich in die Lüfte erhob und zu der nächsten Gerudo-Kriegerin herüberflog. Diese schlug mit der flachen Hand nach Navi als wäre sie nichts weiter als eine gewöhnliche Fliege, aber die Fee ließ sich davon nicht abschütteln. Geschickt wich sie den durch die Luft sausenden Fingern aus, nur um gleich darauf wieder vor dem Gesicht der Gerudo zu schweben. Noch immer hinter den Kisten verborgen, beobachtete Link mit bis zum Zerreißen gespannten Nerven die anderen Wachen. Wann würden sie endlich wegschauen? Dann bemerkte er aus den Augenwinkeln, wie Navi zum Boden herabschoss. Für einen kurzen Moment glaubte der Herr der Zeiten, seine Fee sei getroffen worden, doch nur Sekunden später änderte sie ihren Kurs wieder, um weiterhin die genervte Gerudo zu ärgern. „Was tut sie da bloß?! Wegen des Gehampels ihrer Freundin werden die anderen Frauen allmählich nervös! Sie schauen schon ständig her…“ Gerade, als Link sich fragte, ob Navis Taktik womöglich ein Schuss in den Ofen werden würde, sah er, wie die Fee noch weiter in die Höhe schwirrte und mit voller Kraft etwas davonschleuderte. Im ersten Augenblick wunderte der Recke sich darüber, doch als den Bruchteil einer Sekunde später in einiger Entfernung Steine aufeinanderschlugen und ein lautes Klacken verursachten, wurde ihm klar, was seine Begleiterin getan hatte: sie hatte einen kleinen Kiesel vom Boden aufgehoben, um ihn in einem günstigen Moment fortzuwerfen. Wie von der listigen Fee geplant, wirbelten alle Gerudo-Kriegerinnen herum und suchten mit den Augen die Gegend des Aufpralls nach einem vermeintlichen Eindringling ab. Sofort stürzte Link nach vorn und hastete so leise wie möglich an den Wachen vorbei in die Festung. Im Inneren war das Gebäude noch verwinkelter als es von außen erschienen war. Dies war zwar insofern von Vorteil, dass es Link einige Versteckmöglichkeiten bot, aber leider fiel dem jungen Mann die Orientierung dadurch ungleich schwerer. Dass sich die einzelnen Gänge optisch kaum voneinander unterschieden, trug auch nicht gerade dazu bei, dass Link sich besser zurechtfand. Dennoch pirschte der Herr der Zeiten sich tapfer durch die nur schummrig beleuchtete, wie ein Verließ anmutende Festung, wobei sein Herz wild gegen sein Knochengefängnis schlug. Gänzlich unbewaffnet fühlte Link sich schutzlos und ausgeliefert, doch er hatte noch immer Navis Warnung im Ohr, dass das Klappern von Metall ihn womöglich verraten könnte. Gerade, als er überlegte, dennoch sein Schwert oder zumindest den Bogen hervorzuholen, wurde ein Tuch, das er bislang für Wandschmuck gehalten hatte, zur Seite geschoben und zwei Gerudo traten in den Gang. Beim Anblick der beiden ins Gespräch vertieften Frauen riss Link die Augen auf und sah sich panisch nach einem Versteck um. Wenn die Zwei ihn jetzt erblickten und Alarm schlügen, wäre er verloren! Zum Glück entdeckte er nach kurzem Suchen eine Klappe in der Wand und schaffte es noch knapp im letzten Moment, sich durch die enge Öffnung zu zwängen. Zwar hatte er keine Ahnung, wohin er auf diese Weise gelangen würde, doch ihm erschien alles besser als hilflos im Gang stehen zu bleiben und sich gefangen nehmen zu lassen. Leider befand sich hinter der Luke lediglich ein klaffendes Loch, sodass Link zunächst gute anderthalb Meter in die Tiefe stürzte, nur um dann auf einer steilen Schräge zu landen. Mit einem leisen Ächzen prallte er auf dem harten Boden auf und rollte dann, sich mehrfach überschlagend, die klebrige Rutsche hinab. Nach einer gefühlten Ewigkeit kündigte der goldene Schimmer einer flackernden Fackel das Ende des Schachts an und nur Sekunden später stürzte der Herr der Zeiten kopfüber in einen großen Haufen Küchenabfälle. Offenbar hatte er sich in seiner Panik in den Müllschacht gerettet. Angewidert zog er eine lange, sich leicht ringelnde Kartoffelschale aus seinem Haar und betrachtete mit angeekeltem Gesichtsausdruck die verschiedenfarbigen Flecken auf seiner Tunika. „Na toll! Wenn die Gerudo mich nicht sehen oder hören, werden sie mich jetzt riechen…“ Missmutig stieg der junge Held aus dem Müllhaufen und blickte sich in dem menschenleeren Raum suchend nach einem Eimer Wasser um. Gerade, als er den Inhalt eines rostig aussehenden Blechbottichs, den er in der hintersten Ecke entdeckt hatte, inspizieren wollte, drang das schaurige Geräusch von klirrenden Ketten an seine Ohren. Wie vom Blitz getroffen wirbelte Link herum und lauschte angestrengt in das Halbdunkel. Da! Da war es wieder gewesen! Ohne sich weiter Gedanken um seine stinkenden Kleider zu machen, sprintete der Recke los und rannte seinem Gehör folgend die langen, schummerigen Kellergänge entlang. Unterdessen hatte Navi es aufgegeben, die Wachen im Vorhof zu ärgern und war durch einen anderen Eingang in die Festung eingedrungen. Um möglichst unauffällig zu sein, dimmte sie ihren verräterischen Feenglanz soweit wie möglich und wurde zum Dank von den Gerudo genauso wenig beachtet wie eine gewöhnliche Schmeißfliege. Entweder war die Verteidigung der Festung doch nicht so perfekt wie man sagte oder die Diebinnen fühlten sich auf Grund ihrer ausgefeilten Kampffähigkeiten dermaßen überlegen, dass sie sich von einer winzigen Fee nicht bedroht fühlten. Dennoch hielt Navi sich vorsichtshalber dicht unter der Decke, während sie ziellos durch die Gänge streifte und überlegte: „Wo fange ich am besten an, Informationen über die Göttin des Sandes zu sammeln? Vermutlich wäre es günstig, einen Ort zu finden, wo sich viele Gerudo versammeln…“ Eine Zeit lang folgte sie jeder Frau, derer sie ansichtig wurde, aber in den meisten Fällen handelte es sich lediglich um patrouillierende Wachen. Gerade, als sie sich fragte, ob sie ihre Taktik noch einmal überdenken und neu ansetzen sollte, stieg der Fee ein zarter, würziger Geruch in die Nase. „Aber natürlich! Die Küche und der Speisesaal! Warum bin ich da nicht eher drauf gekommen?“ Mit neuem Elan schoss die Fee den Flur herunter, immer der Nase nach. Nicht unweit der Stelle, an der Link sich wenige Minuten zuvor in den Müllschacht gestürzt hatte, stieß Navi auf einen Quergang und stoppte kurz ab, um sich zu orientieren. Schnuppernd wandte sie ihren Kopf immer wieder von einer Seite zur anderen. Der appetitanregende Duft nach Kartoffeleintopf war inzwischen so intensiv, dass er sämtliche Gänge erfüllte und es schwer auszumachen war, aus welcher Richtung er kam. Doch als Navi ihren Kopf erneut nach rechts drehte, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich links abbiegen musste, vergaß sie für einen Moment die Suche nach der Küche. Sie vergaß ihre Aufgabe, Informationen über die Göttin des Sandes zu sammeln. Sie vergaß ihre Angst, doch noch entdeckt zu werden. Sie vergaß sogar ihre allgegenwärtige Sorge um Link und die Frage, wie er sich auf sich allein gestellt wohl schlug. Anstatt um all diese Dinge zu kreisen, fokussierte sich ihre Aufmerksamkeit auf die schlanke Gestalt, die sie am Ende des Gangs entdeckt hatte. Dort, in einigen Metern Entfernung, stand eine Gerudo und blickte etwas unschlüssig wirkend den Flur herab. Doch nicht nur ihre scheinbare Orientierungslosigkeit kam der Fee merkwürdig vor, sondern auch der dicke, geflochtene Zopf, der aussah wie aus Goldwolle gesponnen. Sämtliche Gerudo, die Navi bislang gesehen hatte, hatten rotes Haar gehabt. Zwar hatte es Variationen von dunklem Rotbraun bis zu Rotblond gegeben, aber das Goldblond dieser Frau erschien Navi reichlich ungewöhnlich. Neugierig geworden, pirschte die Fee sich vorsichtig an die Gerudo heran. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Diebinnen trug diese hier nicht die übliche Uniform aus lilafarbener Baumwolle. Stattdessen war ihr schlanker, aber nichtsdestotrotz muskulöser Körper in einen festen, stählernen Brustharnisch und weite, blaue Pluderhosen aus Seide gehüllt. Navis Herz machte einen kurzen, stotternden Schlag, als ihr bewusst wurde, dass sie das erste Mal in ihrem Leben eine Elitekriegerin der Gerudo sah. Insgeheim hatte sie die im ganzen Land gefürchteten Kämpferinnen stets bewundert. In ihrer Kindheit hatte sie den Deku-Baum immer wieder dazu genötigt, ihr Geschichten über das wilde Diebesvolk zu erzählen, und sich dann ein Aufeinandertreffen mit einer Gerudo in den schaurigsten Farben ausgemalt. Sie hatte sich immer vorgestellt, starr vor Angst und Faszination zu werden. Diese Frau dort drüben löste jedoch nichts weiter als Verwirrung und Unbehagen in der Fee aus. Doch als die Gerudo den Kopf wandte, glaubte Navi vom Schlag getroffen worden zu sein. Unter dem tief ins Gesicht gekämmten Pony funkelte ein sehr bekannt wirkendes, rotbraunes Auge hervor. Dass die untere Gesichtshälfte der Kriegerin durch ein dünnes, vom Atem sanft bewegtes Tuch verhüllt war, verstärkte den Eindruck der Vertrautheit nur noch. Shiek?! Mit weit aufgerissenen Augen starrte Navi die sich schließlich in Bewegung setzende Frau an, während sich in ihr alles überschlug. Shiek war in Wirklichkeit eine Gerudo?! Doch, halt! Shiek war ein Mann! Die körperenge Kleidung, in der er sich normalerweise zeigte, ließ diesbezüglich wenig Raum für Spekulationen. So schnell wie sie konnte schoss die völlig verwirrte Fee den Gang herab, um die vermeintliche Kriegerin einzuholen. Doch als Navi um die nächste Ecke bog, fand sie den Gang leer vor. Unterdrückt fluchend ließ sie ihren Blick hin und her zucken und schaute in jedem noch so kleinen Winkel nach, aber ihre Suche blieb fruchtlos. Als hätte plötzlich alle Kraft ihren zierlichen Körper verlassen, trudelte Navi ermattet zu Boden und lehnte sich mit einem erschöpften Gesichtsausdruck gegen die kühle Steinwand. Was ging hier nur vor? Sich selbst zur Ruhe ermahnend, rief sie sich den Anblick von zuvor wieder ins Gedächtnis. Konnte es sich bei der vermeintlichen Gerudo tatsächlich um Shiek gehandelt haben? Fest stand, dass der hochgeschlossene, feste Brustharnisch keinerlei Aufschluss darüber zuließ, ob sich unter dem Metall tatsächlich eine weibliche Brust befand oder nicht. Ein weiterer Fakt war, dass Shiek über einen sehr androgynen Körperbau verfügte. Zudem wären eventuelle Bartstoppeln kein Problem gewesen, da diese verräterischen Anzeichen des männlichen Geschlechts unter dem Mundschutz verborgen gewesen wären. Rein theoretisch hätte Shiek sich also als Gerudo-Kriegerin verkleiden können. Doch warum? Was könnte er hier wollen? War er womöglich mit den Gerudo im Bunde und wollte Link in einen Hinterhalt locken? Oder verfolgte er ein ganz anderes, eigenes Ziel, das Navi nicht erkennen konnte? Wie auch immer, sie musste ihren Schützling dringend warnen, dass die Gerudo womöglich schon lange wussten, dass er hier war! Ohne auch nur die Spur einer Ahnung zu haben, wo Link sich befand, schwang Navi sich wieder in die Lüfte und sauste los, um ihn zu suchen. Der Herr der Zeiten hatte währenddessen den Ursprung des Kettenklirrens entdeckt und staunte nicht schlecht: Im Keller der Gerudo-Festung, tief unter der Erde, befand sich ein weitläufiges Verließ, in dem sich Zelle an Zelle reihte. Schaudernd zog Link die Schultern hoch und schlich leise den schmalen Mittelgang entlang. Doch schon nach wenigen Metern machte sich der unbändige Wunsch nach Flucht in ihm breit. In der ersten Zelle zu seiner Linken lag ein noch immer in Lumpen gehülltes Skelett auf dem Boden. Der Verstorbene war selbst im Tod noch durch eine kurze Kette mit einem Fuß an der rückwärtigen Wand befestigt und streckte in einer markerschütternd hilflos wirkenden Geste eine Hand nach einem umgestürzten Holzbecher aus, der knapp außerhalb der Reichweite seiner knöchernen Finger stand. „Ob er verdurstet ist?“, schoss es Link unwillkürlich durch den Kopf. Dann wandte er sich schaudernd von der skelettierten Leiche ab, die an Hand der Reste ihrer Kleidung als hylianischer Offizier zu identifizieren war. Glücklicherweise erfreuten sich die anderen vier Gefangenen noch bester Gesundheit und sprangen sofort auf, als sie den Recken bemerkten. Bevor dieser auch nur eine Silbe sagen konnte, rief der dem Gitter am nächsten Stehende: „Hey du! Schickt Mutoh dich? Bist du hier, um uns zu retten?“ „Shht! Leise!“ Der Herr der Zeiten legte sich einen seiner langen Zeigefinger an die Lippen und sah die vier stämmigen, teilweise recht korpulent wirkenden Männer zwischen den Eisenstäben hindurch an. Sie wirkten verängstigt und blass und ihre Kleider starrten vor Dreck, aber die Gerudo schienen ihnen kein Leid angetan zu haben. „Mein Name ist Link. Ich bin hier, um euch zu befreien“, bestätigte der junge Krieger schließlich, nachdem er einen prüfenden Blick den Gang herabgeworfen hatte, um sich zu versichern, dass keine Wache in der Nähe war. „Oh, den Göttinnen sei Dank!“ Die Zimmermanngesellen wirkten allesamt als könnten sie augenblicklich in Tränen ausbrechen und schlugen das Zeichen des Triforce über ihrer Brust. Als wären sie bereits frei, dankte der Dickste der Vier: „Wir stehen auf ewig in deiner Schuld, Junge! Das da ist übrigens John, hier drüben steht Ringo, hier haben wir–“ Link unterbrach den Mann mit einer unwirschen Handbewegung. „Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Lasst mich lieber herausfinden, wie ich dieses Schloss aufbrechen kann.“ Ohne eine Sekunde zu verlieren, ließ der Herr der Zeiten seine flinken, findigen Finger über das Zellenschloss wandern, um es auf seine Stabilität zu prüfen. In diesem Moment wünschte er sich, er hätte Navi an seiner Seite. Seine Fee war wesentlich gewitzter, was solche Dinge anging. Nach einigen Minuten kam er zu dem Schluss: „Ich glaube, ich kann es mit dem Goronenhammer zertrümmern, aber das wird einigen Lärm machen. Macht euch bereit, wie von der Tarantel gestochen loszulaufen, sobald die Tür offen ist.“ Link wusste zwar nicht genau, welche Reaktion er erwartet hatte, doch dass die Zimmerleute scharf Luft einsogen, irritierte ihn. Verwirrt hob er den Blick, um in vier blasse Gesichter mit ängstlich geweiteten Augen zu schauen. Bevor er witzeln konnte, dass Rennen so schlimm nun auch wieder nicht sei, legte sich die kalte, bedrohlich scharfe Klinge eines Krummschwerts an seine Kehle. Fast zeitgleich schlossen sich kräftige Finger um sein linkes Handgelenk und verdrehten ihm den Arm auf dem Rücken, sodass ihm ein stechender Schmerz durch den Oberkörper fuhr. Dennoch drückte er die Beine durch und blieb wie eine stolze Säule stehen, anstatt in die Knie zu gehen. Ein leises Lachen drang an seine Ohren, bevor ihn eine melodische Frauenstimme in fremdländischem Akzent fragte: „Hast du Hund wirklich geglaubt, du könntest unbemerkt in unsere Festung eindringen? Als würde eine Gerudo jemals im Dienst schlafen! Das ist der Fehler von euch Männern. Ihr unterschätzt uns immer wieder, bloß weil wir Frauen sind.“ Eiseskälte kroch Link das Rückgrat entlang. Er war in eine Falle gestolpert und hatte es nicht einmal geahnt, bis es zu spät gewesen war. Etwas atemlos fragte er: „Wie lange folgst du mir schon?“ Der Brustpanzer der Kriegerin drückte sich bei jedem Atemzug unangenehm in seinen Rücken und die Klinge an seinem Hals kratze ihm allmählich die dünne Haut auf. „Eine Weile“, gab die Gerudo zu und verdrehte seinen Arm noch ein bisschen mehr, was Link vor Schmerzen das Gesicht verziehen ließ. „Ich muss gestehen, ich war neugierig, was du vorhast. Du hast dich geschickter angestellt als die meisten Ratten, die meinten, sie könnten sich in unser Heim schleichen. Du hast mich ein wenig beeindruckt. Deswegen gebe ich dir eine Chance, mein Hübscher.“ Bei dem Kompliment jagte ein Schauer Gänsehaut über den Körper des jungen Mannes. Etwas an der vertraulichen Art wie die Kriegerin das Kosewort gebrauchte und ihre Lippen so dicht unter sein Ohr brachte, dass er sie fast spüren konnte, weckte in ihm den Drang, sie von sich zu stoßen. Sie kam ihm definitiv zu nah! Er wollte nicht wissen, wie sich ihre weichen Haare auf seiner Haut anfühlten oder dass sie nach Kaktusblüten roch. Und ihr Hübscher wollte er erst recht nicht sein! So wie sie sich an ihn drückte und ihm spielerisch mit der Zungenspitze gegen sein Ohrläppchen tippte, fühlte er sich als würde sie ihm das Bestimmungsrecht über seinen eigenen Körper nehmen, als gehörte er plötzlich ihr und nicht mehr sich selbst. Einen augenaufschlaglangen Moment fragte er sich, ob sich Frauen ähnlich fühlten, wenn sie beispielsweise auf einem Fest von betrunkenen Männern bedrängt wurden, doch dann zog die Gerudo ihn seitlich herum und stieß ihn plötzlich so heftig nach vorn, dass er das Gleichgewicht verlor und in den Dreck stürzte. Von ihrem Lachen begleitet, rappelte er sich schnell wieder auf und drehte sich um Die klaren, bernsteinfarbenen Augen über dem dunkelgrünen Mundtuch funkelten amüsiert – vor allem als Links Blick langsam über ihren recht spärlich bekleideten Körper glitt und ihm dabei die Schamesröte ins Gesicht stieg. Ihre grüne, mit verschlungenen Ornamenten bestickte Pluderhose hing tief auf ihren Hüften und ihr Harnisch war kaum mehr als eine stählerne Brusthebe. „Was… was hast du mit mir vor?“ Am liebsten hätte der Herr der Zeiten sich dafür in den Hintern gebissen, dass er es bei aller Anstrengung nicht schaffte, seine Stimme eben zu halten. Er war noch nie einer Frau begegnet, die ihre Weiblichkeit so gezielt und selbstbewusst einsetzte. Dies verwirrte und – das musste er zu seiner Schande gestehen – ängstigte ihn, weil er keine Ahnung hatte, was womöglich auf ihn zukam. Als sie daraufhin erneut lachte, blitzten ihre langen, goldenen Ohrringe im Fackelschein auf. „Hast du Angst, ich könnte beschließen, dich als meinen persönlichen Sklaven zu halten?“ Links Adamsapfel machte einen Satz, als der junge Recke kräftig schluckte. Bevor er etwas entgegnen konnte, verdrehte die Gerudo jedoch bereits die Augen. „Ihr Männer seid doch alle gleich…“ Dann warf sie ihm den Krummsäbel zu, der laut scheppernd vor ihm auf dem Boden landete. „Du scheinst mir ein passabler Krieger zu sein. Deswegen darfst du um deine Freiheit kämpfen. Nicht mehr und nicht weniger.“ Mit noch immer zitternden Fingern hob Link die Waffe auf und bemühte sich, seine Fassung schnell wiederzuerlangen. Dann umfasste er das Schwertheft fester und nahm Kampfposition ein. „Also gut, lass es uns hinter uns bringen.“ Ein wölfisches Grinsen huschte über die rotgeschminkten, durch das hauchdünne Tuch hindurch schimmernden Lippen der Gerudo, bevor sie ein weiteres Krummschwert aus seiner in ihrem Rücken baumelnden Scheide zog und es geschickt um den Zeigefinger wirbeln ließ. „Normalerweise kämpfen wir immer mit den Doppelschwertern, aber ich denke, mir reicht eine Klinge, um dich ein wenig Respekt zu lehren.“ Mit diesen Worten überbrückte sie den schmalen Zwischenraum zwischen Link und sich und ließ ihre Waffe so schnell auf ihn niedersausen, dass er kaum Zeit hatte, auszuweichen. Erschrocken sprang er zurück und stolperte einige Schritte rückwärts, bis er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Die Gerudo kam unterdessen schon wieder mit erhobenem Schwert auf ihn zu. Beim Anblick ihrer Bewegungen überkam den Herrn der Zeiten allmählich ein ungutes Gefühl. Langsam wurde ihm klar, dass er sich im Nachteil befand, obwohl er sie um mehr als einen Kopf überragte und über die größere Reichweite verfügte. Er hatte noch nie ohne Schild gekämpft und die gekrümmte Klinge des fremden, ungewohnt schwer in der Hand liegenden Schwertes stellte für ihn selbst eine fast ebenso große Gefahr dar wie für seine Gegnerin. Diese hingegen bewegte sich mit der Leichtigkeit einer Tänzerin, die eine lang einstudierte Choreografie zum Besten gibt. Link war klar, seine einzige Chance bestand darin, seine körperliche Stärke auszuspielen – und zwar möglichst bald. Wenn er der Gerudo auch nur eine winzige Möglichkeit gab, von ihrer technischen Überlegenheit zu profitieren, wäre dies sein Ende. Mit einem wilden Schrei stürzte er sich auf die Gerudo und drosch mit seinem Schwert so hart auf ihre schützend erhobene Klinge, dass die Vibrationen bis zu seinem Ellbogen hochstrahlten. Doch obwohl er sein gesamtes Körpergewicht in den Schlag legte, wich die Kriegerin kaum zurück. Stattdessen wand sie sich mit einer Körperdrehung geschickt aus der Gefahrenzone und ließ ihren Angreifer vorwärts taumeln. Noch bevor der Herr der Zeiten seinen Fehler wirklich registrieren konnte, wirbelte die Gerudo herum und schlug ihm mit dem Knauf ihres Krummschwerts so heftig gegen die Schläfe, dass ihm sofort schwarz vor Augen wurde und er in sich zusammenbrach. Wie aus weiter Ferne hörte er seine Gegnerin lachen und höhnen: „Das ging erbärmlich schnell – wie überaus langweilig. Aber Ganondorf wird sich sicherlich freuen zu hören, dass wir die kleine Kröte, die es immer wieder gewagt hat, ihn zu stören, gefangen haben.“ Kapitel 46: Einer von ihnen --------------------------- Allmählich verlor Navi die Geduld. Sie war sich sicher, bereits sämtliche Räume und Gänge nach Link abgesucht zu haben, aber weder er noch die geheimnisvolle, wie Shiek aussehende Person von zuvor waren zu finden. Irgendwo musste es einen weiteren Bereich der Festung geben, in dem sich die Beiden aufhielten. So hatte die Fee zum Beispiel keine Ahnung, wo sich die Privatgemächer der Gerudo befanden. „Was sollten Link und Shiek in den Schlafräumen suchen?“ Navi schüttelte über sich selbst den Kopf. Sie sollte weniger Zeit damit verschwenden, sich mögliche Erklärungen zurechtzulegen. Stattdessen sollte sie sich lieber darauf konzentrieren, die offenbar gut versteckten Zugänge zu finden. Geradezu verzweifelt ließ die Fee ihre winzigen Hände unter einen Wandteppich gleiten. Vielleicht verbarg sich darunter eine Tür oder ein Schalter zu einem Geheimgang. Bei ihrem Rundflug hatte Navi bereits mehrere Fallen bemerkt, so dass es sie nicht gewundert hätte, wenn die Festung über so etwas wie zwischen den Wänden versteckte Flure verfügt hätte. Schaudernd dachte die geflügelte Frau an die Waffenkammer, die sie auf ihrer Suche nach Link entdeckt hatte. Der große, gewölbeartige Raum war mit genügend Piken, Säbeln, Schwertern und Dolchen für eine ganze Armee gefüllt gewesen. Das Blitzen der durchs Dachfenster auf das polierte Metall fallenden Sonnenstrahlen hatte Navi so sehr geblendet, dass sie das Gesicht hatte abwenden und hinter einem Arm verbergen müssen. Was sie jedoch viel mehr erschreckt hatte als die beeindruckende Masse an Waffen, war das kleine Katapult am hinteren Ende der Kammer gewesen. Wer nicht genau wusste, wo er hintreten musste, und sich vom reflektierten Sonnenlicht blind gemacht in den Raum wagte, musste zwangsläufig über ein knapp über dem Boden gespanntes Seil stolpern. Dies hätte niemanden zu Fall gebracht, doch dadurch wäre ein Mechanismus ausgelöst worden, durch den dem Angreifer von einer der Tür gegenüberstehenden Maschine gleich ein ganzer Schwarm Messer entgegengeschleudert worden wäre. Bei der Erinnerung daran, wie knapp sie dieser perfiden Vorrichtung entgangen war, ging ein Schauer durch Navis Körper und sie dankte den Göttinnen stumm für ihre Flügel. Hätte sie nicht fliegen können, wäre sie den Gerudo vermutlich in die Falle gegangen. Plötzlich durchzuckte ein schauerlicher Gedanke die Fee und Panik drückte ihr mit stählernen Fingern die Kehle zu. Was, wenn Link Opfer einer Falle geworden war und nun blutend und sterbend in irgendeiner dunklen Ecke lag?! Sie hätten sich niemals trennen dürfen! Mit Tränen in den Augen und dem stechenden Brennen eines schlechten Gewissens hockte Navi sich auf den Boden. Obwohl sie sich immer wieder zur Ruhe rief, zitterte sie wie Espenlaub und die Schluchzer, die sich unaufhaltsam ihren Hals hinaufdrückten, klangen wie nur halbherzig unterdrückter Schluckauf. „Was ist denn bloß los mit mir?!“ Unwirsch wischte sich die Feenfrau die Wangen trocken und biss sich fest auf die Unterlippe, in der Hoffnung, der Schmerz würde sie ein wenig zur Besinnung bringen. Sie war doch sonst nicht so! Sie ließ sich nicht so einfach aus der Fassung bringen und vor allem verzweifelte sie nicht. Niemals! Doch von ihrem krampfenden Herzen aus breitete sich eine furchtbare Eiseskälte aus, die sie kaum noch klar denken ließ. Navi hatte keine Ahnung, woher sie diese Gewissheit nahm, aber sie war sich auf einmal vollkommen sicher, dass ihrem Schützling etwas zugestoßen war. Noch immer tränenblind zwang sie sich zurück in die Lüfte und flog weiter. Sie musste Link finden! Vielleicht war es noch nicht zu spät. Da logische Überlegungen sie bislang nicht vorangebracht hatten, verließ die Fee sich bei dieser erneuten Suche allein auf ihre Instinkte. „Uuuh…“ Grelle Blitze zuckten hinter Links Lidern und sein Kopf fühlte sich wie in einen Schraubstock gespannt an. Stöhnend wälzte der Herr der Zeiten sich auf seinem aus einer spärlichen Schicht Stroh bestehenden Lager herum und schlug zaghaft die Augen auf. „Ah!“ Kaum, dass er geblinzelt hatte, verbarg er das Gesicht schnell hinter einem Oberarm. Das helle Sonnenlicht ließ einen heißen Stich durch sein Hirn fahren und verstärkte das wilde Hämmern in seinem Schädel. Wie in Zeitlupe setzte der junge Mann sich auf und zwang sich, die Augen offen zu halten, obwohl er das Gefühl hatte, sein Kopf müsste explodieren. Nur langsam flachte das schmerzhafte Pulsieren hinter seiner Stirn ab und der Raum hörte auf, unkontrolliert zu schwanken. Noch immer von heftigem Schwindel geplagt, sah Link sich in der Kammer um. Die ungefähr zwei Stockwerke hohen Wände bestanden aus rauen, kaum behauenen Steine, deren Zwischenräume mit Lehm verspachtelt waren. In einer Ecke stand ein bestialisch nach Urin stinkender Eimer, doch ansonsten war das Zimmer leer. Was den Recken jedoch am meisten verblüffte, war die Tatsache, dass die kleine Kammer keine Tür hatte. Die einzige Öffnung war ein knapp unter der Decke befindliches Fenster, durch das er den dunkelblauen, wolkenlosen Himmel sowie ein paar Felsausläufer sehen konnte. Sein noch immer schmerzender Kopf arbeitete so langsam, dass er erst mit einigen Minuten Verspätung begriff, dass er sich in einer Gefängniszelle befand. Als hätte jemand einen vor seinen Erinnerungen befindlichen Theatervorhang fallen lassen, prasselten plötzlich die Bilder der Gerudo-Kriegerin und ihres kurzen Kampfes auf Links Geist ein. Er hatte verloren! Mit einem Mal war der junge Mann hellwach und er sprang wie von der Tarantel gestochen auf die Füße. Sofort schwankte der Boden erneut heftig und Link musste sich an der Wand abstützen, bis der Schwindel sich gelegt hatte. Dann trat er unter das glaslose Fenster und legte den Kopf in den Nacken, um heraufzusehen. Da sein Verließ keine Tür hatte, war dies seine einzige Fluchtmöglichkeit. Wie er mit Freuden feststellte, war es groß genug, um sich hindurchzuzwängen, und verfügte über eine Holzverkleidung. Offenbar verließen sich die Gerudo vollkommen darauf, dass die Öffnung zu hoch war, um von einem Inhaftierten erreicht zu werden. Der rechte Mundwinkel des Herrn der Zeiten verzog sich zu einem überlegenen Lächeln, als er daran dachte, wie einfach der Ausbruch für ihn werden würde. Alles, was er tun musste, war den Enterhaken hervorzuholen und sich auf den Fenstersims zu ziehen. Doch als er seine Hand an die vertraute Stelle an seinem Gürtel legte, durchfuhr ihn ein heftiger Schock: der Wunderbeutel war weg! Panisch tastete Link seinen Gürtel ab und durchsuchte mit immer fahriger werdenden Bewegungen die Zelle. Als ihm klar wurde, dass die Gerudo ihm das Ledersäckchen abgenommen haben mussten, wurde ihm das Atmen schwer und er sank kraftlos auf dem Boden zusammen. Er hatte das Master-Schwert verloren! Unterdessen hatte Navi sich auf ihrem Weg durch die Festung wieder ein wenig beruhigt und sie wischte im Flug die letzten Tränen ab. Sie hasste es, wenn sie weinen musste. Damals, lange vor ihrem gemeinsamen Aufbruch mit Link, war sie oft von ein paar anderen Feenkindern gehänselt worden, weil sie so nah am Wasser gebaut hatte. Die Häme ihrer Altersgenossen hatte Navi zynisch und zumindest nach außen hin hart werden lassen, sodass sie sich inzwischen von ihren eigenen Emotionen beschämt fühlte – vor allem, wenn sie überdeutlich zeigten, dass die junge Fee nicht so stark und abgeklärt war wie sie gerne tat. Während sich die spärlich beleuchteten Gänge bis zur Unendlichkeit in die Länge zu ziehen schienen, dachte Navi mit einem schiefen Lächeln daran wie ironisch das Leben manchmal war. Niemals hätte sie sich träumen lassen, dass sie den Erlebnissen ihrer Kindheit je etwas Positives würde abgewinnen können, doch nun kam es ihr zugute, dass sie schon früh gelernt hatte, ihre Gefühle weitestgehend zu kontrollieren. Obwohl ihr Herz sich vor Sorge um Link noch immer anfühlte wie ein zersplitterter, scharfkantiger Eisklumpen, konnte sie sich glücklicher Weise genügend zusammenreißen, um ihren aufgewühlten Geist auf die Suche zu fokussieren. Andernfalls hätte sie in ihrer Aufregung womöglich die leise wispernde Stimme, die sich plötzlich in ihrer Seele zu Wort gemeldet hatte, überhört. Navi konnte sich nicht erklären, wie es funktionierte, aber sie war sich sicher, das Band der Vertrautheit zwischen ihnen würde sie direkt zu Link führen. Ihr war fast als hätte sie blind auf seinen Aufenthaltsort deuten können, hätte man ihr eine Karte der Festung vorgelegt. Mit jedem Meter, den sie zurücklegte, wurde ihr wieder wärmer ums Herz, was sie als deutliches Anzeichen dafür deutete, dass sie ihrem Schützling immer näher kam. „Halte durch, Link! Ich bin bald bei dir!“ Sich unablässig gut zuredend eilte die Fee durch die labyrinthartigen Gänge. Dass sie inzwischen die Orientierung verloren und keinerlei Gespür mehr für ihre eigene Position hatte, störte sie dabei kein bisschen. Selbst die unermüdlich patrouillierenden Gerudo nahm sie kaum wahr. Alles, was für sie zählte, war, ihren Freund zu finden. Doch als sie am anderen Ende des Flurs eine vertraut wirkende Gestalt in blauen Pluderhosen und Brustpanzer entdeckte, blieb sie wie angewurzelt in der Luft stehen. Die Person bog hastig um die Ecke und bewegte sich mit einer katzengleichen Eleganz, die Navi bislang nur einmal gesehen hatte. Nun hatte sie keinerlei Zweifel mehr: Es war tatsächlich Shiek, der sich durch die Gerudo-Festung schlich. Aber was konnte er hier bloß wollen?! Obwohl sie sich bewusst war, dass sie eigentlich so schnell wie möglich zu ihrem Schützling eilen sollte, nahm die neugierige Fee sofort die Verfolgung des Shiekah auf. Die Versuchung, ihn womöglich auf frischer Tat ertappen und Link endlich von der Unaufrichtigkeit des ungeliebten Geheimniskrämers überzeugen zu können, war einfach zu groß. Kalter Schweiß klebte dem Gefangenen seine Tunika an den Leib und er fühlte sich als hätte jemand ein massives Eisenband um seine Brust gespannt. Bei jedem Luftholen schoss ein stechender Schmerz in seine Lunge und der Recke atmete noch flacher als zuvor. Er hatte das Master-Schwert verloren! Wie hatte das bloß passieren können?! Wie hatte er so unvorsichtig sein können? Er wusste doch, wie immanent wichtig diese heilige Klinge war! Jetzt, wo Ganondorf im Besitz des Triforce-Fragments der Kraft und zum Großmeister des Bösen geworden war, konnte nur noch das Master-Schwert ihm etwas anhaben. Und Link hatte es den Gerudo direkt in die Hände gespielt! Am liebsten hätte der verzweifelte Mann sich die Haare büschelweise ausgerissen. Doch als er seine Finger fest in seinen Schopf krallte und zog, ebbte der Panikanfall, der ihn in eisernem Griff hatte, allmählich ab. Offenbar half der physische Schmerz Link dabei, sich zu konzentrieren. Das Eisenband um seine Brust lockerte sich zunehmend und der Herr der Zeiten sog gierig Luft in seine unterversorgte Lunge. Dann stemmte er sich auf die Füße und sah sich zum wiederholten Mal in seiner Zelle um. „Reiß dich zusammen, Link“, ermahnte er sich selbst stumm. Dass seine innere Stimme wie Navi klang, amüsierte ihn trotz der Situation, in der er sich befand, königlich. Er war sich sicher, hätte er seiner Fee davon erzählt, sie hätte furchtbar genervt getan und ihn angeraunzt, dass sie so schlimm gar nicht sei. In Wirklichkeit hätte sie sich jedoch ungemein geschmeichelt gefühlt. „Das Wichtigste ist jetzt, dass du einen Weg aus diesem Loch findest. Dann kannst du dich auf die Suche nach deinem Schwert machen und diesen peinlichen Fauxpas wieder ausbügeln.“ Mit einem schwachen Anflug eines schlechten Gewissens dachte Link daran, dass er im Wassertempel bereits die Okarina der Zeit verloren und wiedergefunden hatte. Eigentlich hatte er sich mit dieser Erinnerung vor Augen führen wollen, dass der Verlust des Master-Schwerts vielleicht nicht endgültig war. Doch stattdessen bekam er das Gefühl, dass er zu nachlässig und nicht verantwortungsbewusst genug war. Dass er die Okarina verloren hatte, hätte ihn dafür sensibilisieren müssen, wie wichtig es war, auf seine wertvollen Relikte zu achten. Aber anstatt doppelt so vorsichtig zu sein, hatte er auch noch das Master-Schwert verloren und sich gefangen nehmen lassen. Vielleicht hatte Mido Recht gehabt und Link war ein Versager… Als ihn dieser Gedanke durchzuckte, war es wie ein Blitzschlag. Ihm war als hätte sich der Boden unter ihm aufgetan und er schien vollkommen haltlos in die Tiefe zu stürzen, während sich sein gesamtes Inneres um seine ätzenden Schuldgefühle krümmte. Er war der Aufgabe des Herrn der Zeiten nicht gewachsen! Warum bloß hatte ausgerechnet ihm eine solche Bürde aufgelastet werden müssen?! Er war ein Versager! Ein Nichts! Doch anstatt sich von seinem plötzlich aufwallenden Selbsthass übermannen zu lassen, klammerte sich sein Bewusstsein an die kleinen Funken Stolz und Kampfeswille, die in der tiefen Schwärze der Gewissensbisse glommen. Er war der Herr der Zeiten! Das mochte ihm vielleicht nicht gefallen, aber es war nicht zu ändern. Also hatte er Verantwortung zu übernehmen. Ganz Hyrule schaute hoffnungsvoll zu ihm auf. „So lange ich mich selbst als Nichtskönner sehe, werde ich nie etwas anderes sein. Ich darf nicht zulassen, dass meine Kindheitserinnerungen mich belasten.“ Gedankenversunken fuhr er mit den Fingerspitzen über sein bartstoppeliges Kinn und griff nach den Kreolen in seinen Ohrläppchen. Während er die Zeichen seines Erwachsenenstatus betastete, fingen die beiden Funken Feuer und ein heißes Feuer loderte in seiner Brust auf. Zeitgleich straffte Link unbewusst die Schultern und drückte den Rücken durch, bis er stolz und erhaben dastand als hätte er niemals den Hauch eines Selbstzweifels gehabt. In diesem Moment erst war ihm klar geworden, dass Navi sich damals, bei ihrer Rückkehr aus dem Heiligen Reich, geirrt hatte. Er war nicht mehr derselbe wie früher. Der Junge, der er einst gewesen war, war in dem Augenblick gestorben, in dem er das Master-Schwert aus dem Zeitfels gezogen hatte. Sieben Jahre später war er als Fremder wiedergeboren worden. Ein Fremder ohne jede Bindung an sein früheres Leben. Er war kein einfacher Mensch mehr, sondern vielmehr ein Sinnbild. Er war der Herr der Zeiten, ein Held, die Hoffnung Hyrules. Link wurde allmählich bewusst, dass es vollkommen irrelevant war, dass sich unter dieser Maske weiterhin ein menschliches Wesen verbarg. Sein Schicksal verlangte von ihm, dass er all diese Relikte seines früheren Ichs beiseiteschob. Ein Held verzweifelte nicht. Ein Held gab sich niemals geschlagen. Ein Held verlor nie den Mut. Der junge Mann wusste nicht, wie er dieser Rolle jemals gerecht werden sollte. Wenn er ehrlich war, wollte er seine Emotionen gar nicht aufgeben. Sie mochten ihm manchmal im Weg stehen, aber sie erinnerten ihn daran, wer er früher gewesen war und wer er im Grunde seines Herzens noch immer sein wollte. Vielleicht, so hoffte er, konnte der Junge von früher, der tief in Links Seele seinen Totenschlaf schlief, in ihm wiederauferstehen, wenn Ganondorf besiegt war. Für den Moment hielt der Recke jedoch an dem Gedanken fest, der Herr der Zeiten zu sein und funktionieren zu müssen. Obwohl er sich damit selbst seine Persönlichkeit absprach und ein Stück weit das Menschliche nahm, erfüllte es ihn mit der Stärke, die er brauchte, um weiterzumachen. Anstatt sich weiterhin für den Verlust des Master-Schwerts zu verdammen, machte er sich mit geschäftiger Miene auf sie Suche nach einem alternativen Ausweg aus seiner Zelle. Je weiter Navi Shiek folgte, desto tiefer wurde der Bruch, der durch ihr Innerstes ging. Hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis, Link zu helfen, und der Neugierde, was der Shiekah mit den Gerudo zu schaffen hatte, tendierte sie immer wieder mal mehr zum Umkehren und mal zum Weiterfolgen. Da sie sich nicht entscheiden konnte, fuhr sie mit dem fort, was sie getan hatte, bevor die beiden Seiten ihrer Selbst zu streiten begonnen hatten. So pirschte sie hinter Shiek her, wobei sie penibel darauf achtete, ihm nicht zu nah zu kommen und ihren Feenglanz gedimmt zu halten. Wie der Verfolgte reagieren würde, sollte er sie entdecken, vermochte Navi beim besten Willen nicht zu sagen. Bislang hatte er sich als ruhige, kultivierte Person gezeigt, doch die Fee spürte deutlich, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Er war nicht, was er vorgab zu sein. Da war Navi sich ganz sicher. Doch was verbarg sich hinter der Maske des mysteriösen Helfers? War er schlicht und ergreifend eine zurückhaltende Persönlichkeit, die ihr wahres Ich prinzipiell nicht gerne zeigte, oder war er womöglich ein Spion Ganondorfs? Immerhin schien er sich in der Festung frei bewegen zu können, auch wenn er direkte Aufeinandertreffen mit den Gerudo mied. Aber warum hätte er sich als Frau verkleiden sollen, wenn er mit Ganondorf im Bunde und von dem Diebesvolk akzeptiert war? Navi schwirrte der Kopf von all den Fragen, die durch ihren Geist wirbelten. Dass sie das Rätsel, das Shiek umgab, nicht lösen konnte, verursachte ihr regelrecht körperliche Schmerzen. Es ärgerte sie, dass sie im Schattentempel nicht daran gedacht hatte, Impa nach Shiek zu fragen. Die Fee konnte sich nicht vorstellen, dass die Beiden sich nicht gekannt hatten. Immerhin gab es kaum noch Angehörige ihres Volkes! Womöglich hatte die viele Grübelei Navi unaufmerksam gemacht oder Shiek hatte ein zu feines Gespür, das konnte die Fee nicht sagen. Jedenfalls führte er sie in eine Sackgasse, wirbelte blitzartig herum und fixierte sie mit einem so festen Blick, dass es keinen Zweifel daran gab, dass er schon vor der Kehrtwende gewusst hatte, dass sie sich hinter ihm befand. „Wieso verfolgst du mich?“ Bislang war Navi gar nicht aufgefallen, wie hell die Stimme des Shiekah wirklich klang. Wie sein androgyner Körperbau war auch sie nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuschreiben. Aber vielleicht bildete Navi sich das auch nur ein, weil er Frauenkleider trug und sogar geschminkt war, wie sie aus der Nähe nun erkennen konnte. „Ich wollte wissen, warum du dich in der Gerudo-Festung herumtreibst“, gab die kecke Fee ehrlich zu. Dabei fixierte sie trotzig Shieks unverdecktes Auge, das sie zornig anzufunkeln schien. „Ich suche etwas.“ Der Shiekah verschränkte abwehrend die Arme, wobei ihn die Brustausbeulungen seines Panzers ein wenig zu behindern schienen. Obwohl seine gesamte Körpersprache überdeutlich machte, dass er nicht mehr verraten würde, hätte Navi gerne nachgebohrt und ihm auf den Zahn gefühlt. Doch ihr Gegenüber kam ihr zuvor: „Aber sag mal: Wo hast du deinen Begleiter gelassen?“ Einen kurzen Moment lang zweifelte Navi, ob sie dem mysteriösen Mann erzählen sollte, warum Link nicht bei ihr war. Dann zuckte sie leicht mit den Schultern und fasste zusammen, wie die Beiden in die Festung eingedrungen waren und warum sie sich aufgeteilt hatten. Shiek schien mit den Zähnen an der Unterlippe zu zupfen, als er murmelte: „Die Göttin des Sandes ist ein uralter, längst verlassener Tempel tief in der Wüste.“ „Na, besten Dank auch, dass du uns so früh schon an deinem Wissen teilhaben lässt!“ Die Stimme der Fee troff vor Sarkasmus, aber der Shiekah hörte ihr offenbar kaum noch zu. Er wirkte auf einmal als wäre er mit den Gedanken ganz weit weg. Navi stemmte die Hände in die Hüften und musterte abwartend Shieks schwarzumrandetes Auge, das unruhig hin und her zuckte als würde es eine für sie unsichtbare Szenerie verfolgen. Bis ihr Gegenüber seine Aufmerksamkeit wieder auf Navi richtete, hatte sich deutliche Besorgnis in der rotbraunen Retina breit gemacht. Die Fee wusste nicht, warum, doch bei diesem Anblick war ihr als griffe eine eiskalte, mit scharfen Krallen bewehrte Hand nach ihrer Brust. Am liebsten hätte sie sich bei Shiek erkundigt, wieso er so ängstlich dreinsah, aber ihre Zunge verweigerte ihr den Dienst und sie bekam keinen Ton heraus. Sekunden später bekam sie trotzdem eine Antwort auf die unausgesprochene Frage: „Vielleicht ist Link der Gefangene, von dem alle hier reden…“ „Was?!“ Navi fühlte sich als hätte der Shiekah sie mit einer massiven Holzlatte geschlagen. Dieser erklärte in betont ruhigem Ton: „Ich habe vorhin einige Gespräche der Gerudo belauscht. Die Frauen unterhielten sich darüber, dass eine ihrer Kriegerinnen einen Eindringling niedergeschlagen und in das Dachverließ gebracht hätte. Wenn ich gewusst hätte, dass Link hier ist, hätte ich…“ Anstatt nachzuhaken, was Shiek dann getan hätte, legte die Fee ihre Handflächen an einander und presste die Zeigefinger gegen ihre zitternden Lippen. Der Hauch eines schlechten Gewissens legte sich über die geflügelte Frau und ein Wasserschleier verzerrte ihre Sicht. Ja, sie hatte ihrem Schützling eine Niederlage gegen eine Gerudo gewünscht. Aber doch nicht so! Die Tränen wegblinzelnd, wirbelte die Fee herum und wollte sich blindlings wieder in die Suche nach Link stürzen, aber Shiek hielt sie zurück: „Warte, Navi!“ Es war das erste Mal, dass er sie beim Namen nannte, und obwohl sie diese Vertraulichkeit hasste, musste sie gestehen, dass es ihr gefiel wie er die Laute der beiden Silben formte. Naviiii. Als sie ihn über die Schulter hinweg ansah, machte er einen Schritt auf sie zu und sagte erstaunlich sanft: „Ich weiß, du willst ihn retten. Aber ich bezweifle, dass du viel ausrichten kannst.“ Sein Blick glitt vielsagend über ihren zierlichen, schwachen Körper. Doch bevor sie sich darüber echauffieren konnte, fuhr er fort: „Möglicherweise gibt es jedoch trotzdem eine Möglichkeit, wie du Link helfen kannst. Ich hab da eine Idee.“ Er winkte sie mit einem knappen Fingerzeig zu sich herunter. Einen Herzschlag lang fragte Navi sich, ob er ihr womöglich eine Falle stellte. Was, wenn er sie schnappte und ebenfalls einsperrte, sobald sie sich in seine Reichweite wagte? Dann wäre Link vollends verloren. Doch nach einem letzten Blick in Shieks noch immer besorgt und aufrichtig wirkendes Auge schwebte die Fee zu dem Shiekah herab und fragte im Flüsterton: „Wie sieht dein Plan aus?“ Je näher die Sonne ihrem Zenit kam, desto heißer und stickiger wurde es in Links winziger Zelle. Trotz der Goronen-Rüstung stand ihm der Schweiß auf der Stirn und seine sich geschwollen anfühlende Zunge klebte an seinem ausgedörrten Gaumen. Was hätte er in diesem Moment nicht alles für ein Glas gekühlter Lon-Lon-Milch gegeben?! Missmutig dreinblickend lag er mit dem Gesicht zur Decke auf dem Strohlager, starrte durch die Dachluke zum Himmel herauf und beobachtete einen kreisenden Raubvogel. Obwohl er auch dann noch Wände und Boden abgetastet hatte, nachdem er sich an den scharfkantigen Steinen die Finger aufgerissen hatte, hatte er keinen Fluchtweg finden können. Anscheinend saß er tatsächlich in der Falle und musste abwarten, was die Gerudo nun mit ihm anstellen würden. Als der Vogel sein Blickfeld verlassen hatte, ließ der Herr der Zeiten seinen Kopf herumrollen und betrachtete müde das rostrote Muster, das seine blutigen Fingerkuppen auf den Zellenwänden hinterlassen hatten. Allmählich fragte er sich, ob die Diebinnen ihn in dieses Loch gesteckt hatten, um ihn jämmerlich verdursten zu lassen. Bilder des skelettierten Offiziers, der im Kellerverließ sein Leben gelassen hatte, tauchten vor Links geistigem Auge auf und er schauderte. Er brauchte dringend etwas, mit dem er sich ablenken konnte! Kaum, dass er sich auf die Füße gehievt hatte, schien der Boden wieder zu schwanken wie ein von Wellen bewegtes Boot. Ob die Kriegerin von zuvor ihm eine Gehirnerschütterung verpasst hatte? Oder kam der Schwindel durch die allmählich einsetzende Dehydrierung? Blinzelnd versuchte er, die taumelnde Welt zum Stillstand zu bewegen und seinen getrübten Blick wieder zu klären. Er konzentrierte sich so sehr darauf, die Kontrolle über seinen Körper zurückzuerlangen, dass er die Gerudo vor dem Fenster erst bemerkte, als sie ihn ansprach: „Wie ich sehe, bist du endlich wieder wach. Dinah scheint dir ja einen ganz schönen Schlag verpasst zu haben. Du hast da eine fiese Platzwunde an der Stirn.“ Erschrocken wirbelte der Recke herum und fasste sich unwillkürlich an die angesprochene Schläfe. Bislang war ihm gar nicht aufgefallen, dass er verletzt war, doch nun spürte er das angetrocknete Blut, das sich wie ein langes, bräunlich-rotes Band über seine linke Gesichtshälfte verteilt hatte. Zornig sah er zu der Frau auf, die auf einem vor dem Verließ verlaufenden Balkon stand und die Hände auf den Fenstersims stemmte. Niemals hatte er sich schutzloser und ausgelieferter gefühlt als in diesem Moment… Um seine Unsicherheit zu überspielen, fragte er in harschem Tonfall: „Bist du nur hier, um mich zu verhöhnen?“ Für das unbeschwerte Lachen, das aus ihrem verschleierten Mund perlte, hätte er sie am liebsten geschlagen. „Nein. Man hat mir aufgetragen, dir Essen zu bringen und zu sehen, ob du womöglich ärztliche Versorgung brauchst. Aber allem Anschein nach geht es dir ausgezeichnet.“ „So gut wie es einem gehen kann, wenn man niedergeschlagen und in einem Backofen eingekerkert wurde…“ Link verschränkte trotzig die Arme vor der Brust und kniff die Augen leicht zusammen, um seine Besucherin besser erkennen zu können. Doch da sie die Sonne im Rücken hatte, blieb sie für ihn ein dreidimensionaler Schatten. Die Gerudo lachte erneut auf und warf ihm etwas zu, das sich bei genauerer Betrachtung als ein faustgroßes Stück Gebäck erwies. „Etwas Zutrinken wäre mir lieber gewesen“, murrte der durstige Mann und drehte sein karges Mahl zwischen seinen vor Dreck starrenden Fingern. „Zu doof, dass wir keine Gaststätte sind“, flötete die noch sehr jung klingende Diebin. Dann nahm sie die Hände vom Fenstersims und wandte sich zum Gehen, bevor sie mit einem amüsiert klingenden Unterton anfügte: „Guten Appetit, der Herr. Ich hoffe, es mundet.“ Irritiert zog Link die Augenbrauen zusammen und betrachtete nachdenklich das ihm zugeworfene Gebäckstück. War es womöglich vergiftet? Wollten die Gerudo ihn auf diese Weise töten? Doch als er den unförmigen Klumpen an seine Nase hob und prüfend daran schnüffelte, wurde ihm klar, dass die Diebinnen noch viel perfider waren als er gedacht hatte. Anstatt eines kleinen Brotlaibs hatten sie ihm Salzgebäck gebracht. Ausgerechnet Salzgebäck! Als wäre er wegen der unerträglichen Hitze nicht bereits durstig genug! Etwa zur selben Zeit beendete Shiek zwei Stockwerke tiefer die Ausführungen zu seinem Plan. Navi blickte ein wenig skeptisch drein und fragte zweifelnd: „Und du glaubst wirklich, dass das etwas bringt?“ Der Shiekah zuckte mit einer dermaßen fließenden Bewegung die Schultern, dass die Fee ihn für seine Eleganz beneidete. „Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich keine Ahnung, aber mir fällt nichts Besseres ein. Dir etwa?“ Vor Überraschung blieb Navi der Mund offen stehen. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass Shiek sie um ihre Meinung fragen würde! Bislang hatte sie eher den Eindruck gehabt, dass er in ihr lediglich Links lästiges Anhängsel sah. Dass er sie offenbar als eigenständig denkende Person betrachtete, verblüffte sie so sehr, dass sie nur stumm mit dem Kopf schütteln konnte. Daraufhin leuchtete Shieks Auge auf als würde er hinter seiner Verschleierung lächeln. Wie seine Lippen wohl aussahen? Trotz der Sorge um ihren Schützling, juckte es der Fee plötzlich in den Fingern, das blaue Mundtuch zur Seite zu schieben und einen Blick auf das unverhüllte Gesicht ihres Gegenübers zu werfen. Ob er eine niedliche, kleine Lücke zwischen den Schneidezähnen hatte? Navi fand, dass es zu ihm passen würde. Um sich nicht vollends in dem Funkeln der ungewöhnlich gefärbten Iris zu verlieren, wandte sich die geflügelte Frau schnell ab und schaute den still daliegenden Flur hinab. „Wir sollten uns auf den Weg machen, bevor uns noch jemand entdeckt.“ Navi hatte erwartet, dass Shiek nur stumm nicken und dann auf den leisen Sohlen einer Katze im Halbdunkel verschwinden würde. Doch stattdessen hielt er ihr einen Zeigefinger entgegen und sagte: „Viel Glück,… Partnerin.“ Wie vom Donner gerührt starrte die Fee auf den ihr dargebotenen Finger. Er war lang und schlank mit einem kurzgeschnittenen, saubermanikürten Nagel. Langsam wanderten ihre Mundwinkel wie von selbst nach oben und sie umfasste die Fingerkuppe mit ihren winzigen Händen. „Danke, dir auch.“ Dann machte sie sich auf den Weg, ohne eine eventuelle Entgegnung abzuwarten. Mit ohnmächtiger Wut grub Link seine schmerzenden Finger in den harten Klumpen Salzgebäck, brach kleinere Brocken ab und warf sie in Richtung des nach Urin stinkenden Eimers. Wenn die Gerudo glaubten, ihn so leicht brechen zu können, hatten sie sich geschnitten! So lange er noch klar denken konnte, würde er Widerstand leisten. Da kam ihm diese primitive Zielübung gerade recht. Er hatte bereits gute drei Viertel des Klumpens zerbröselt und versenkt, als ein Schatten auf sein Gesicht fiel. Ohne aufzusehen, fragte er ironisch: „Was wollt ihr mir dieses Mal bringen? Einen Wintermantel?“ Zu seiner großen Überraschung war ihm das unterdrückte Lachen, das er als Antwort bekam, sehr bekannt. Ungläubig rappelte er sich auf und starrte aus großen Augen zum Fenster herauf. „Shiek?! Shiek, bist du das?!“ „Wie ich höre, bist du bei bester Gesundheit, Herr der Zeiten.“ Bildete Link es sich ein oder klang sein Besuchter tatsächlich erleichtert? „Naja, ich hab mich schon mal besser gefühlt“, gestand er leise. „Eines muss man den Gerudo lassen: sie wissen wie man Gefangene gefügig macht.“ „Du klingst nicht als hätten sie bei dir besonders großen Erfolg gehabt.“ Das Lächeln in Shieks Stimme rührte Link und er verfluchte die Sonne, weil sie verhinderte, dass er seinen Freund besser erkennen konnte. Nur zu gerne hätte er den warmen Glanz in den Augen des Shiekah bewundert. Als hätte dieser seinen Wunsch erraten, sagte er: „Warte. Ich komme runter.“ Für einen augenaufschlagkurzen Moment befürchtete der Herr der Zeiten, sein Besucher könnte einfach zu ihm in die Zelle springen. Doch dann bemerkte er das Seil, das wie eine dicke Schlange die Wand herunterglitt. Nur Sekunden später stand Shiek vor Link und der Recke staunte nicht schlecht. „Wie siehst du denn aus?!“ Der Shiekah blickte an seinem eigenen Körper herab als wisse er nicht, von was sein Gegenüber sprach, und zuckte mit einer verschlagen wirkenden Geste die Schultern. „Ich musste mich tarnen.“ Wie hypnotisiert streckte Link eine Hand nach dem Schleier aus, berührte ihn jedoch nicht. Stattdessen deutete er auf Shieks Haare und murmelte ein wenig fassungslos: „Das erklärt deine Kleidung. Aber wie hast du das hinbekommen?“ „Holunderbeerensaft.“ Der verkleidete Mann zog seinen Zopf nach vorn und betrachtete versonnen die Spitzen seiner eigentlich goldfarbenen, nun rötlich schimmernden Haare. „Blond hätte ich mich sofort als falsche Gerudo enttarnt.“ Shiek warf seinen Zopf zurück über die Schulter und fixierte Link mit einem eigentümlichen Blick, der zwischen Erleichterung und Tadel zu schwanken schien. „Du kannst von Glück reden, dass ich den Saft zufällig dabei hatte. Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, mich in derart belebte Teile der Festung zu begeben und hatte deswegen zunächst darauf verzichtet, mein Haar einzufärben.“ Ein kleiner Schauer ging durch seinen zierlichen Körper, als er sich an den kritischen Blick einer Wache erinnerte: „Es war so schon schwierig genug, nicht aufzufallen. Ohne diese Tarnung wäre ich niemals in die Nähe deiner Zelle gekommen.“ Noch immer vollkommen perplex nickte Link und ließ seinen Blick zum vermutlich hundertsten Mal über seinen Besucher gleiten. Er sah so… so anders aus! In den weiblich geschnittenen Kleidern einer Gerudo-Kriegerin und mit den dunkel geschminkten Augen wirkte er noch anziehender auf den Herrn der Zeiten als sonst. Um sich von dem plötzlich aufwallenden Bedürfnis, Shiek in die Arme zu schließen, abzulenken, fragte Link: „Aber sag mal: Was machst du eigentlich hier?“ Der Shiekah schien erneut hinter seinem Mundschutz zu lächeln, als er entgegnete: „Ich rette dir den Hintern.“ Obwohl er noch immer so durstig war, dass seine Kehle brannte und seine Sicht an den Rändern verschwamm, fühlte Link sich durch den kleinen Scherz gleich ein bisschen besser. Als er sein Gegenüber deswegen anlächelte, riss seine trockene Unterlippe auf und ein einzelner Blutstropfen quoll aus der winzigen Wunde hervor. Bei diesem Anblick schlug Shiek sich plötzlich mit der flachen Hand vor die Stirn und rief: „Oh, entschuldige! Das hatte ich dir sofort geben wollen. Ich hab dir etwas mitgebracht.“ Flink löste er einen Leinenbeutel von seinem Rücken und holte eine große, gefüllte Flasche hervor. „Ist das Wasser?“ Link beäugte gierig die klare Flüssigkeit, die im Inneren des Behältnisses hin und her schwappte. Der Shiekah nickte und reichte ihm das schlanke Gefäß. Als der Durstige ungeduldig den Korken herausriss und begann in großen, langen Schlucken zu trinken, mahnte sein Besucher: „Langsam! Langsam! Sonst bekommst du noch eine Kolik.“ Widerwillig löste Link seine Lippen vom Flaschenhals. Er wusste, dass Shiek Recht hatte, aber es war so schwer, diesen Rat zu befolgen… Um seinen Mund anderweitig zu beschäftigen, hakte der Herr der Zeiten nach: „Weswegen bist du nun eigentlich hier? Du bist wohl kaum in die Festung eingedrungen, weil die Möglichkeit bestand, dass ich hier im Gefängnis sitzen könnte.“ Sein Gegenüber legte den Kopf schief und antwortete mit warmer Stimme: „Ich habe gehört, die Gerudo seien im Besitz einer Pergamentrolle, auf der ein weiteres Teleportierlied überliefert ist. Ein Gefühl sagt mir, dass du diese Schrift gut gebrauchen könntest.“ Die Fürsorge des Shiekah rührte Link und er lächelte trotz des Risses in seiner Lippe noch breiter als zuvor, bis sein Besucher eine höchst unangenehme Frage stellte: „Aber eines musst du mir verraten: Der Fensterrahmen besteht komplett aus Holz. Warum hast du dich nicht mit Hilfe deines Fanghakens selbst befreit?“ Schlagartig verloren die Wangen des beschämten Mannes alle Farbe und er starrte den Shiekah mit einem latent panisch wirkenden Ausdruck an. Seinen Fauxpas gestehen zu müssen, war ihm unwahrscheinlich peinlich und er erwog für einen kurzen Moment, zu lügen. Vielleicht sollte er einfach behaupten, die Kette des Enterhakens sei zu kurz gewesen? Doch dann schluckte er seine Scham herunter und fasste knapp zusammen wie er vollkommen ausrüstungslos in der Zelle gelandet war. Als er geendet hatte, leuchteten seine Wangen in einem dunklen Rot und er blickte stur auf seine Stiefelspitzen hinab. Die Angst für sein Versagen verachtet zu werden, war derart groß, dass er sich nicht traute sein Gegenüber anzusehen. Also wartete er mit heftig schlagendem Herzen darauf, angeschrien und getadelt zu werden. Zu Links Überraschung blieb der große Ärger jedoch aus. Stattdessen klang Shiek lediglich nachdenklich, als er murmelte: „Das verkompliziert die Sache ein wenig. Du musst deinen Lederbeutel unbedingt zurückbekommen – vor allem, weil das Master-Schwert und die Okarina der Zeit darin sind.“ „Du glaubst also nicht, dass sie meine Waffen schon längst aussortiert und auf den Weg nach Kakariko geschickt haben, um sie dort zu verkaufen?“ Link hasste wie zittrig seine Stimme klang. Der Shiekah schüttelte geistesabwesend den Kopf. „Ich denke nicht, dass sie wissen, wie man mit dieser Art von Zauber umzugehen hat. Vermutlich halten sie das Säckchen für leer und wundern sich, warum du es überhaupt bei dir getragen hast.“ „Woher weißt du eigentlich, wie Feenzauber funktioniert?“, platzte Link ohne nachzudenken heraus. Seit Navi ihm erzählt hatte, dass sie Shiek dabei beobachtet haben wollte, wie er angeblich die Okarina der Zeit stehlen wollte, hatte er sich das Hirn darüber zermartert, ob der geheimnisvolle Mann überhaupt wissen konnte wie man mit dem Wunderbeutel umzugehen hatte. Dieser blickte bei der unerwarteten Frage überrascht auf, winkte dann aber mit einer knappen Geste ab. „Ich glaube, wir haben Wichtigeres zu besprechen.“ Mit diesen Worten wühlte er erneut in seinem Leinensack herum und zog eine kleine Flasche aus dunklem Glas hervor. Als er sie dem Herrn der Zeiten reichte, runzelte jener irritiert die Stirn. „Was ist das?“ „Walnussöl.“ „Und was soll ich damit?“ „Dich einreiben.“ Noch verwirrter als zuvor gaffte Link seinen Freund mit leicht offenstehendem Mund an. Dieser seufzte theatralisch auf, wodurch sich sein Gesichtsschleier blähte wie ein kleines Segel, und erklärte: „Es färbt die Haut dunkler und verleiht ihr einen natürlich wirkenden Braunton.“ Als Beleg streckte er seinen behandelten Arm vor. Erst auf den zweiten Blick fiel auf, dass die vermeintliche Sonnenbräune gar nicht echt war. „Durch das ewige Patrouillieren unter der Wüstensonne haben alle Gerudo dunkle Haut. Mit deinem hellen Teint fällst du in dieser Gegend sofort auf.“ „Du willst, dass ich mich als Frau verkleide?!“ Verblüfft starrte Link dem kleineren Mann in das verschleierte Gesicht. Zwar sah Shiek in seiner Tarnung einer Gerudo-Kriegerin wirklich verblüffend ähnlich, doch sich selbst konnte er sich beim besten Willen nicht in diesem Weiberfummel vorstellen. Entsprechend erleichtert war er, als der Shiekah verneinte: „Das können wir vergessen. Dein Körperbau ist viel zu männlich.“ „Warum soll ich mich dann mit diesem Öl einschmieren?“ „Damit du zumindest ein bisschen besser mit der Umgebung verschmilzt.“ Wenige Minuten später hatten die beiden Männer das gesamte Wallnussöl auf Links Körper verteilt. Irgendwie war es für den jungen Recken eine sehr merkwürdige Erfahrung gewesen, die Hände des Shiekah auf seiner Haut zu spüren. Die Sanftheit, mit der die fremden Finger über die Muskeln seiner Oberarme gestrichen waren, hatte ihn erstaunt. Noch verwirrender war allerdings, dass seine Haut dort, wo Shiek ihn berührt hatte, nicht aufhören wollte, auf eine angenehme Art zu kribbeln. Am liebsten hätte er die Hand des anderen genommen und sie sich auf die unbekleidete Brust gelegt. Stattdessen zog er seine Handschuhe wieder an und fragte: „Wie sieht der Plan aus?“ „Ich bezweifle, dass du dich noch einmal unerkannt in die Festung schleichen kannst. Die Wachen sind deinetwegen noch immer in Alarmbereitschaft. Deswegen habe ich uns ein wenig Unterstützung besorgt.“ Link musste das Gesicht seines Gegenübers nicht sehen, um zu wissen, dass er bis über beide Ohren grinste. Interessiert hakte der Recke nach: „Unterstützung?“ „Lass dich überraschen. Hör lieber weiter zu. Ich habe mir das Ganze so vorgestellt: Du kletterst an dem Seil nach draußen und springst vom Balkon. Der Fall ist tief, aber nichts, was du nicht bewältigen könntest. Unten wartet die Unterstützung auf dich. Dein Auftauchen ist für sie das Zeichen, ordentlich Krawall zu schlagen. Die entstehende Verwirrung nutzt du aus, um dich erneut in die Festung zu schmuggeln. Unterdessen schleiche ich mich über den Balkon davon, mische mich unter die Gerudo und suche deine Ausrüstung. Anschließend treffen wir uns im Kellerverließ und befreien gemeinsam die Zimmerleute.“ Obwohl ihn Shieks amüsierter Unterton bezüglich der Unterstützung irritierte, nickte Link zustimmend und schnappte sich seine auf dem Boden abgestellte Wasserflasche, um sie zu leeren. Dann klopfte er seinem Freund mit einer vertraulichen Geste auf die Schulter und wandte sich dem Seil zu. Doch gerade, als er den Aufstieg beginnen wollte, hielt Shiek ihn noch einmal zurück: „Warte! Mir ist nicht wohl dabei, dich unbewaffnet gehen zu lassen.“ Mit diesen Worten hob der Verkleidete das linke Bein seiner Pluderhose an und entblößte neben einem leicht behaarten Unterschenkel eine mit Lederriemen befestigte Dolchscheide. Bevor Link protestieren konnte, dass Shiek genauso gut eine Waffe brauchte, um sich im Ernstfall verteidigen zu können, hatte jener die kurze Klinge bereits hervorgezogen und hielt sie nun mit dem Heft voran dem Herrn der Zeiten entgegen. Dieser erkannte den silbernen Dolch als diejenige Waffe, mit der der Shiekah in der Eishöhle den Schneewolf erlegt hatte. „Du wirst es nicht akzeptieren, wenn ich ihn ablehne, oder?“ Link lächelte den kleineren Mann an und hielt prophylaktisch die Hand auf. „Niemals!“ Shiek schien hinter seiner Verschleierung zurückzugrinsen, als er die dargebotene Hand ignorierte und den gut ausbalancierten Dolch unter Links Gürtel schob. Dann trat er einen Schritt zurück und forderte in schon fast herrschaftlich klingendem Ton: „Und jetzt beeil dich. Ich will endlich raus aus diesen albernen Kleidern!“ Der Recke lachte stumm in sich herein, bevor er sich wieder umwandte und an den Aufstieg machte. Navi saß stocksteif zwischen Eponas aufmerksam aufgestellten Ohren und kaute nervös auf einem Fingernagel. Ob Shieks Plan aufgehen würde? Irgendwie hatte sie ihre Zweifel daran, aber etwas Besseres wollte ihr auch nicht einfallen. Mit einem aufgeregten Grummeln im Magen schaute sie zum gefühlten hundertsten Mal zu Links Zellenfester auf. Herrje, bei den Göttinnen! Warum dauerte das alles so lange?! Die unbarmherzig brennende Sonne zog sich bereits hinter den im Westen liegenden Gebirgsausläufern zurück, als endlich eine rotgekleidete Person im Fensterrahmen auftauchte. Angesichts der flüssigen, geschmeidigen Bewegungen des Mannes schwappte eine Welle der Erleichterung durch den Körper der wartenden Fee. Offenbar hatten die Gerudo ihrem Schützling nichts Schlimmes angetan. Vor Dankbarkeit hätte Navi fast ihren Einsatz verpasst. Erst mit Verzögerung wurde ihr wieder bewusst, dass Links Auftauchen das vereinbarte Zeichen war. Schnell packte sie Eponas Ohren und zog leicht an ihren langen, fellbewachsenen Muscheln, während sie mit der Zunge schnalzte. Hoffentlich würde die Stute sich dieses Mal einfacher bewegen lassen als auf dem Weg zur Festung! Schaudernd dachte Navi an die Schwierigkeiten, die sie damit gehabt hatte, das störrische Pferd zum Aufbruch zu überreden. Anstatt brav den Befehlen der Fee zu folgen, hatte Epona lange stur an genau der Stelle verharrt, an der Link sie zurückgelassen hatte. Navi hatte mit aller Kraft an den Zügeln zerren, an ihren Ohren reißen und ihr direkt in den Gehörgang schreien müssen, bevor die Stute sich dazu bequemt hatte, ihr zu folgen. Dieses Mal jedoch schien sie genau zu wissen, was von ihr erwartet wurde. Navi hatte kaum an den löffelförmigen Lauschern des Pferdes gezogen, als Epona auch schon nach vorn preschte. Mit donnernden Hufschlägen hastete sie die schmale, steile Treppe nach oben und schnaufte dabei vor Anstrengung. Doch anstatt nach dem Aufstieg innezuhalten und Kraft zu schöpfen, galoppierte das wild geworden wirkende Tier schnurstracks auf eine Gruppe Gerudo zu. Die Frauen stoben kreischend auseinander und blickten den Kaltblüter mit einer Mischung aus Überraschung, Ratlosigkeit und Angst an. Epona stieß ein lautes Wiehern aus, bevor sie sich aufbäumte, buckelte und auskeilte. Von einem durchdringenden Krachen begleitet, gingen mehrere der herumstehenden Kisten splitternd zu Bruch und sogar das nächststehende Gebäude wurde in Mitleidenschaft gezogen. Dort, wo die Hufe der Stute gegen die Wand schlugen, platze der Putz ab und fiel bröckelnd zu Boden. Die Gerudo sahen sich eine Weile hilflos an, doch dann zückten sie ihre Piken und gingen auf das anscheinend von Raserei befallene Pferd los. Die Stute schnaubte abfällig, legte drohend die Ohren zurück und bleckte angriffslustig die Zähne, bevor sie ihre Hufe knapp am Kopf einer besonders mutigen Frau vorbeisausen ließ. Die Diebin wich erschrocken zurück und fasste ihre Waffe fester. Link, der das Spektakel vom Balkon aus beobachtete, hielt vor Anspannung die Luft an. Was, wenn eine der Wachen Epona verletzte? Am liebsten hätte er sich eingemischt, um seine Stute zu beschützen. Doch was hätte er tun sollen? Die Gerudo waren in der Überzahl und die einzige Waffe, die er hatte, war Shieks Silberdolch. Der Dolch! Womöglich hätte er Epona die Flucht ermöglichen können, wenn er die geliehene Waffe gezückt und auf eine der Frauen geschleudert hätte. Das hätte die Wachen zumindest kurzfristig abgelenkt, da war er sich sicher. Stattdessen passierte jedoch etwas Unvorhergesehenes. Link hatte die Hand bereits am Dolchheft, als vom rückwärtigen Teil der Festung plötzlich lauter Tumult zu hören war. Irritiert wandten die Gerudo den Kopf und auch der Herr der Zeiten verharrte mitten in der Bewegung, um zu sehen, was hinter dem immer näher kommenden Krachen, Schaben und Trommeln steckte. Wenige Sekunden später wurde klar, was geschehen war: Mehrere mit buntem Zaumzeug geschmückte Pferde galoppierten einen hinter der Festung entlang auf eine Anhöhe führenden Pfad herab und hielten genau auf den Vorplatz zu. Eines der Reittiere zog an einem langen Strick ein abgebrochenes Stück Holzplanke hinter sich her. Offenbar war Eponas Aufstand bis zu den Ställen der Gerudo zu hören gewesen und hatte die dort untergestellten Artgenossen so sehr in Panik versetzt, dass sie sich von ihren Pflöcken losgerissen hatten. Als die Wachen ihre davonpreschenden Pferde bemerkten, brach Chaos aus. Einige der Frauen ließen sofort ihre Piken fallen und rannten ihren Reittieren hinterher, während die Verbliebenen einen unschlüssigen Eindruck machten. Sollten sie sich um die fremde, wilde Stute kümmern oder ihre Freundinnen beim Einfangen der entlaufenen Zossen unterstützen? Diese allgemeine Verwirrung ausnutzend ließ Link sich vom Balkon fallen. Obwohl der Sturz, wie von Shiek vorausgesagt, recht tief war, landete der Recke leichtfüßig und schlich sich flink in die Festung zurück. Dieses Mal gestaltete sich der Weg in den Keller wesentlich einfacher, da die meisten Wachen vom Lärm angelockt auf den Vorplatz geströmt waren. So bestand die größte Schwierigkeit vermutlich in der Überwindung, sich noch mal in den Müllschacht zu stürzen. Einen anderen Weg ins Kerkerverließ kannte Link jedoch nicht. Also atmete er tief durch und zwängte sich zähneknirschend durch die schmale Klappe. Als er schließlich vor der Zelle der Zimmerleute ankam, johlten diese begeistert auf. Ringo umfasste zwei Eisenstangen mit seinen großen Händen und zog sich so dicht an das Gitter wie es sein stattlicher Bauch zuließ. „Du bist tatsächlich wieder da! Unglaublich!“ Die Bewunderung war der Stimme des Handwerkergesellen deutlich anzuhören. „Ich hätte nie gedacht, dass es jemals jemand schaffen würde, aus einem Gerudo-Gefängnis auszubrechen!“ „Ich hatte Hilfe von einem guten Freund“, gestand Link mit einem warmen Lächeln und dachte mit einem sonderbar leichten Gefühl im Herzen an die intime Atmosphäre, die in der Zelle zwischen ihm und Shiek geherrscht hatte. Sofort begann seine Haut dort, wo der Shiekah ihn berührt hatte, wieder zu kribbeln und der Drang, den zierlichen Mann fest in die Arme zu schließen, kehrte mit neuer Intensität zurück. Von den Reaktionen seines Körpers beschämt, wandte der Recke sich schnell der Zellentür zu. „Leider habe ich meinen Hammer nicht dabei“, murmelte er entschuldigend, „aber vielleicht kann ich das Schloss anders knacken. Mit etwas Glück ist die Klinge meines Dolchs schmal genug…“ Ob dies der Fall war, sollte Link jedoch nie erfahren. Er hatte die Hand kaum nach dem Dolchheft ausgestreckt, als einer der Zimmerleute entsetzt rief: „Pass auf! Hinter dir!“ Blitzartig wirbelte der Herr der Zeiten herum und verzog bei dem sich ihm bietenden Anblick die Lippen zu einem schiefen Grinsen, während er spöttelte: „Ich glaube, ich habe ein Déjà-Vu.“ Eine Gerudo-Kriegerin stand mit gezückten Schwertern vor ihm und machte einen angriffslustigen Eindruck. „Da muss ich dich enttäuschen, mein Lieber. Beim letzten Mal hast du gegen meine große Schwester Dinah gekämpft.“ Tatsächlich! Beim genaueren Hinsehen fiel Link auf, dass die erste Kriegerin ein wenig anders ausgesehen hatte als die Kämpferin, die sich ihm nun genähert hatte. Diese hier war noch sehr jung – fünfzehn, sechszehn Jahre vielleicht – und trug ihr dunkelrotes Haar zu einem Zopf geflochten. Zudem war ihre cremefarbene Kleidung nicht ganz so offenherzig wie die ihrer Schwester. Anstatt ihren unbekleideten Bauch zu präsentieren, hatte sie mit Hilfe von kleinen Eisenringen einen etwa bis zur Hüfte reichenden, in der Mitte geschlitzten Schleier unter ihren gepanzerten Brustkörbchen befestigt. Grübelnd zog der Herr der Zeiten die noch immer leicht nach Blut schmeckende Unterlippe zwischen die Zähne. Er hätte schwören können, dass er das Mädchen noch nie zuvor gesehen hatte. Doch irgendwoher kannte er seine Stimme, da war er sich ganz sicher! Als er nicht antwortete und sie stattdessen nur nachdenklich ansah, rümpfte die Gerudo, die seine Miene missdeutete, die Nase und patzte: „Ich mag zwar noch jung sein, aber ich werde dich trotzdem besiegen! Mach dich auf die Niederlage deines Lebens gefasst!“ „Kunststück“, lachte Link höhnisch. „Ich bin vollkommen unbewaffnet.“ Er hob die Hände über den Kopf und hoffte, dass die Kriegerin beim Anschleichen den Dolch, der in seinem Rücken unter dem Gürtel steckte, nicht bemerkt hatte. Ein zartes Kichern perlte unter dem Gesichtsschleier der Kriegerin hervor und plötzlich fiel es dem Herrn der Zeiten wie Schuppen von den Augen. Anstatt sie nach dem Grund für ihr Amüsement zu fragen, platzte er heraus: „Du bist das Mädchen, das mir das Salzgebäck gebracht hat!“ Von einem Klirren ihrer Silberohrringe begleitet, nickte die Kämpferin: „Stimmt. Ich bin Zeherasade, die jüngste Gerudo, die es je in die kleine Gruppe unserer Elitekriegerinnen geschafft hat.“ Ihre Augen blitzten bedrohlich auf, als sie ihre Krummsäbel hob. Dann fügte sie in einem irritierend verlockenden Ton hinzu: „Und ich werde dich das Fürchten lehren.“ Man sah dem Mädchen deutlich an, dass es keinerlei Zweifel an seinem Sieg hatte. Doch Link ließ eine Hand zu seinem gut verborgenen Dolch schnellen und warf die hervorragend ausbalancierte Waffe so kraftvoll, dass Zeherasade ins Taumeln geriet, als sie die tödlich scharfe Klinge mit ihren Säbeln abwehrte. Dieser kleine Moment der Unachtsamkeit, war alles, was Link brauchte. Bevor die Gerudo reagieren konnte, war der erfahrene Recke schon um sie herum gesprintet, um sie von hinten zu packen und ihr die Hände so schmerzhaft zu verdrehen, dass sie die Schwerter fallenlassen musste. „Aua, du tust mir weh!“ Wild strampelnd versuchte die junge Kriegerin sich aus Links Klammergriff zu befreien. Doch selbst als sie ihm mit voller Wucht die Hacke in den Fuß rammte, ließ der Herr der Zeiten nicht locker. Für einen Moment erwog er, sich für ihren Spott beim Überbringen des Salzgebäcks zu rächen und sie damit aufzuziehen, wie es sein könnte, dass sie jetzt um Gnade bettelte, wo sie ihn doch das Fürchten lehren wollte. Stattdessen rief er sich jedoch ins Gedächtnis, dass sie noch ein halbes Kind war und von ihm mehr Reife zu erwarten war. Ein kleiner Schock ließ Stromimpulse durch seine Adern wandern, als ihm bewusst wurde, dass er sich selbst tatsächlich als Erwachsenen sah, obwohl er sieben Jahre im Heiligen Reich geschlafen hatte und eigentlich noch auf dem Erfahrungsstand eines Zwölfjährigen war. Den Gedanken flugs beiseite schiebend, herrschte er Zeherasade an: „Du wirst jetzt diese Zelle öffnen und die Zimmerleute freilassen. Dann werde ich dich verschonen.“ „Ich kann sie nicht gehen lassen! Dinah würde ausflippen!“ Um ihr zu zeigen, wie ernst ihm die Angelegenheit war, verdrehte Link ihr den Arm noch ein wenig mehr, was sie aufschreien ließ. Er hasste sich dafür, so brutal sein zu müssen, aber er wusste nicht, wie er sonst handeln sollte. „Aua! Aua! Schon gut!“ Der Stimme des Mädchens war seine Angst deutlich anzuhören. „Ich würde dir ja helfen, aber ich kann nicht. Ich hab den Zellenschlüssel nicht.“ „Wer hat ihn dann?“ „Meine Schwester. Sie leitet alles hier, solange Naboru fort ist.“ Dankbar für die anscheinende Informationsbereitschaft lockerte Link seinen Griff ein wenig und hakte nach: „Wer ist Naboru?“ „Unsere Anführerin.“ Irritiert zog der Herr der Zeiten die Augenbrauen zusammen. „Ich dachte, Ganondorf wäre euer König.“ „Ist er ja auch.“ „Sagtest du nicht gera–“ „Ja, ja“, fiel Zeherasade ihm ins Wort, „ich weiß, was ich sagte. Die Sache ist die: …“ Bevor die junge Gerudo ihm die Herrschaftsverhältnisse ihres Volkes erklären konnte, donnerte plötzlich eine laut hallende Stimme durch den Zellentrakt: „Lass sofort meine Schwester los, du dreckiger Hund!“ Dinah stand von zwei weiteren Kriegerinnen flankiert im Eingang des Zellentraktes und durchbohrte Link mit funkensprühenden Blicken. „Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, zieh ich dir bei lebendigem Leib die Haut vom Fleisch und nähe mir einen Mantel daraus!“ Unbändiger Zorn und Sorge machten Dinahs melodische Stimme schrill und disharmonisch. „Ich werde ihr nichts tun, wenn du die Zimmermanngesellen gehen lässt“, hielt der Herr der Zeiten in ruhigem Ton dagegen, obwohl er nicht daran glaubte, dass die Gerudo ihm zuhören würden. Er war vielmehr davon überzeugt, dass sie ihn zu dritt anfallen und in Stücke reißen würden. Wo blieb Shiek bloß? Wenn der Herr der Zeiten den Hauch einer Chance gegen drei vollausgebildete Kriegerinnen haben wollte, brauchte er dringend seinen Schild und das Master-Schwert! Doch entgegen Links Erwartungen gab Dinah keinen Angriffsbefehl, sondern stutzte: „Du bittest um das Leben dieser Würmer, anstatt deine eigene Freilassung zu fordern?“ „Ja.“ Link blickte herausfordernd zu der Gerudo herüber, die daraufhin in lautes Gelächter ausbrach. Nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte, sagte sie mit einem listigen Glitzern in den Augen: „Du hast mehr Mut als alle anderen Männer, die ich bislang getroffen habe, zusammen. Also gut, ich mache dir ein Angebot. Du darfst erneut um deine Freiheit kämpfen. Dieses Mal musst du jedoch nicht nur gegen mich antreten, sondern auch gegen Miccahia und Aveil.“ Bei diesen Worten deutete sie zunächst auf die Kämpferin zu ihrer Linken, dann auf die rechts neben ihr stehende Frau. Ein ironisches Lächeln huschte über Links Gesicht und er spottete: „Welch großzügiges Angebot! Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich unbewaffnet bin und du bereits bewiesen hast, dass ich dir zumindest im Umgang mit den Krummsäbeln unterlegen bin.“ Dinah legte den Kopf ein wenig schief und sah ihn für ein paar Sekunden mit dem Ausdruck einer lauernden Raubkatze an. Dann schien sie hinter ihrer Verschleierung zu lächeln und antwortete in honigsüßem Ton: „Ich gebe zu, die Anforderungen sind dieses Mal weitaus höher. Aber dafür steht dir auch ein größerer Preis in Aussicht. Solltest du uns wider Erwarten bezwingen, werde ich nicht nur dich gehen lassen, sondern auch die Zimmerleute und unseren neuesten Gefangenen.“ Mit diesen Worten zerrte sie eine weitere Person, die Link bisher nicht bemerkt hatte, hinter ihrem Rücken hinweg nach vorn und dem Herrn der Zeiten stockte der Atem. Shiek! Der Shiekah sah beschämt zu Boden und schien Links Blicken bewusst auszuweichen. Die Gerudo hingegen fragte süffisant: „Gehe ich bei deinem geschockten Gesichtsausdruck recht in der Annahme, dass ihr Beide euch kennt?“ Die Zeit schien um ihn herum stehen geblieben zu sein, als Link wie betäubt nickte. „Dachte ich’s mir doch“, murmelte Dinah. „Ich hätte es auch zu merkwürdig gefunden, wenn ein Fremder sich die Mühe gemacht hätte, in deine Zelle einzusteigen, um dir zur Flucht zu verhelfen.“ „Ihr… ihr habt davon gewusst?“ Der junge Held war von dieser Eröffnung dermaßen perplex, dass er seinen Griff um Zeherasade soweit lockerte, dass sie sich befreien und leichtfüßig zu ihrer Schwester laufen konnte. Diese nahm sie in einer fürsorglichen Geste an die Hand und nickte. „Nichts, das in dieser Festung geschieht, entzieht sich unseren wachsamen Augen.“ „Das stimmt so nicht ganz.“ Es war das erste Mal seit seinem Eintreten in den Zellentrakt, dass Shiek sich bemerkbar machte. „Halt den Mund!“ Aveil hob die Hand, um ihren Gefangenen zu schlagen, doch Dinah hielt sie zurück. „Wie meinst du das?“ Anstatt zu antworten, richtete der Shiekah sich auf und fixierte Links Augen. Dann nickte er ihm flüchtig zu und warf dermaßen schnell etwas zu ihm herüber, dass seine Wachen keine Gelegenheit zum Reagieren hatten. Zur Strafe wurde er von Miccahia niedergeschlagen, aber der Herr der Zeiten war trotzdem heilfroh, dass sein Freund so viel Mut bewiesen hatte. Denn das vor seinen Füßen gelandete Etwas entpuppte sich als sein Wunderbeutel. So schnell wie möglich hob er seinen schmerzlich vermissten Ledersack auf und knurrte den Gerudo entgegen: „Also gut. Ich nehme die Herausforderung an. Wer will die Erste sein?“ Es war die komplett in Braun gekleidete Aveil, die sich ihm daraufhin entgegenstellte. Die Goldstickereien ihrer Uniform schimmerten sanft im Fackelschein und bildeten einen skurrilen Kontrast zu den bedrohlich scharfen, blitzenden Schneiden ihrer Krummsäbel. Die Kriegerin machte einen selbstsicheren Eindruck und die feste Muskulatur ihrer gestählten Oberarme vermittelte Link einen leisen Eindruck dessen, was ihn erwarten würde, sollte er sie zu nah an sich heranlassen. Um sie gar nicht erst in Schlagweite kommen zu lassen, griff der listige Recke flink in seinen Wunderbeutel und holte den Bogen hervor. Aveils Gesicht zeigte bereits deutliche Verblüffung, als er die Waffe aus dem kleinen Säckchen zerrte. Doch erst, nachdem er sie mit mehreren geschickten Pfeilschüssen wie einen Schmetterling an die nächste Wand geheftet hatte, sah sie wirklich überrascht aus. „Das ist unlauterer Wettbewerb!“, kreischte sie und versuchte verzweifelt, sich loszumachen – jedoch ohne Erfolg. „Wir haben keinerlei Regeln abgesprochen“, wandte Link sich an Dinah. „Also bin ich dazu berechtigt, mein komplettes Waffenarsenal zu nutzen, wenn ich will!“ Zähneknirschend nickte die Angesprochene ihm zu. „Du bist klug. Das habe ich unterschätzt.“ Dann wandte sie sich an ihre Kämpferinnen: „Gesteh es dir ein, Aveil. Du bist besiegt. Jetzt bist du an der Reihe, Miccahia. Sei vorsichtig. Du hast gesehen, wozu er in der Lage ist.“ Miccahia, die für sich die Farbe Gelb gewählt hatte, war das genaue Gegenteil von Aveil. Sie war nicht nur wesentlich kleiner und zierlicher, auch ihr Kampfstil unterschied sich sehr. Anstatt ihn frontal anzugreifen, tänzelte sie um Link herum und versuchte, durch Schnelligkeit zu punkten. Immer wieder probierte sie, in seinem toten Winkel zu verschwinden und ihn unbemerkt von hinten anzugreifen. Zunächst bemühte der Herr der Zeiten sich auch ihr mit Pfeilen beizukommen, aber sie war so flink, dass sie die Geschosse mit Leichtigkeit abwehrte. Während er die Gerudo im Blick zu behalten versuchte, ging Link fieberhaft seine Ausrüstung durch. Womit könnte er Miccahia gefährlich werden? Einen Moment lang erwog er, Dins Feuerinferno einzusetzen. Doch da dadurch auch Shiek, Zeherasade und die Zimmerleute verletzt worden wären, nahm er von dieser Idee schnell Abstand. Auch der Einsatz von Bomben war indiskutabel – schließlich wollte er die Gerudo nicht töten, sondern nur außer Gefecht setzen. Allerdings brachte ihn der Gedanke an Bomben auf einen vielversprechenden Ansatz. Flugs steckte er die Hand in den Wunderbeutel und holte sie zusammen mit mehreren Deku-Nüssen wieder heraus. Bevor Miccahia ausmachen konnte, was er sich gegriffen hatte, schleuderte er die Nüsse direkt vor ihre Füße. Sofort brachen grelle Lichtblitze aus den geborstenen Schalen hervor und die geblendete Gerudo riss einen Arm hoch, um ihre Augen zu schützen. Link, der gewusst hatte, was passieren würde, und vorsorglich weggesehen hatte, nutzte diese Gelegenheit, um sich seiner Kontrahentin gefahrlos zu nähern und sie mit einem gezielten Schlag auszuknocken. Dinah applaudierte abfällig und zog dann ihre Klingen hervor. „Ich gratuliere dir, mein Hübscher. Du hast es tatsächlich geschafft, meine besten Kriegerinnen auszuschalten. Aber bilde dir nicht ein, dass du auch mich besiegen kannst. Bei mir ziehen deine Taschenspielertricks nicht.“ „Dann freue ich mich auf einen ehrlichen Kampf.“ Link bewaffnete sich geschwind mit Master-Schwert und Hylia-Schild, bevor er einen Schritt auf seine Gegnerin zu machte. Diese wich ihm geschickt aus und führte ihm deutlich vor Augen, warum sie das Kommando hatte. Ihre Technik war brillant, ihre Bewegungen hatten etwas Raubkatzenhaftes und auch in puncto Kraft konnte sie es vermutlich mit den meisten Männern aufnehmen. Obwohl Link seine vertraute Waffe in der Hand hielt und Dinahs Schläge mit dem Schild abblocken konnte, hatte er arge Probleme. Egal wie sehr er sich auch bemühte, er konnte keine Schwachstelle in der Verteidigung der Kriegerin entdecken. Jeden seiner Vorstöße parierte sie mit einer Leichtigkeit, die ihm Angst machte. Was, wenn sie ausdauernder war als er? Der Kampf zog sich bereits eine gute Dreiviertelstunde, als Link bei einem Ausweichmanöver auf Shieks Dolch trat und ausrutschte. Die kurze Waffe war nach dem Wurf auf Zeherasade auf den Boden gefallen und dort unbeachtet liegen geblieben. Nun kam sie dem Herrn der Zeiten wie gerufen. Anstatt seinen Sturz abzufangen, ließ der tapfere Recke sich fallen, rollte sich über den Boden und schnappte sich mit der rechten Hand den Dolch. Dass er den Hylia-Schild dafür fallenlassen musste, kam ihm zwar nicht gerade gelegen, aber er nahm den Verlust seiner Deckung dennoch in Kauf. Dieser Kampf dauerte schon zu lange und seine Kräfte schwanden zunehmend dahin. Dieses Gefecht musste schnell beendet werden. Obwohl er mit seinem Schildarm nicht so gut werfen konnte, schleuderte er Dinah ohne zu zögern den Dolch entgegen und betete zu Farore, der Göttin des Mutes, sie möge sein Wagnis mit einem Sieg belohnen. Als wäre sein Gebet erhört worden, sauste die Waffe in kerzengerader Linie auf die Gerudo zu und schlitzte ihr das Handgelenk auf, woraufhin einer ihrer Säbel scheppernd zu Boden fiel. Sofort kam Link wieder auf die Beine, packte Dinahs unverletzte Hand und zwang ihr das zweite Krummschwert aus den Fingern, während er sie gegen die nächste Wand warf und ihr drohend die Klinge des Master-Schwerts an die Kehle hielt. Panik machte sich in den Augen der Frau breit, doch in ihrer Stimme schwang Hohn und Spott mit, als sie Link lobte: „Glückwunsch, mein Hübscher. Du bist seit vielen Jahrzehnten der erste Hylianer, der es mit den besten unserer Kriegerinnen aufnehmen kann.“ Dann verdunkelten sich die Iriden der Gerudo und sie sah ihren Bezwinger mit unverhohlener Verachtung an. „Nur zu“; forderte sie ihn auf, „töte mich. Dann wird keine meiner Soldatinnen mehr wagen, dich und deine Gefolgschaft anzurühren.“ Als hätte er sich plötzlich an ihr verbrannt, wich Link schlagartig zwei Schritte zurück und starrte sie angewidert an. „Sind das die Gesetze von euch Gerudo? Wer im Kampf unterliegt, wird getötet oder gefoltert?“ Es war die wieder zu sich gekommene Miccahia, die ihm vor die Füße spuckte und dagegenhielt: „Es sind doch eure Gesetze! Ihr Männer ward es doch, die uns gelehrt haben, wie grausam Sieger sein können!“ Verständnislos blickte der Herr der Zeiten zu ihrer auf dem Boden kauernden Gestalt herunter, bis Aveil traurig erklärte: „Es ist noch gar nicht so lange her, ein paar Jahrhunderte vielleicht, da fielen hylianische Truppen in unserem Land ein. Sie warfen uns vor, wir hätten immer wieder Karawanen überfallen und so ganze Händlergilden in die Armut gestürzt. Der Angriff kam so überraschend, dass unsere Vorfahrinnen kaum Gelegenheit hatten, zu reagieren. Natürlich haben sie verloren. Die Soldaten plünderten ihre Heime und nahmen sogar Schätze mit, die schon seit Generationen im Familienbesitz gewesen waren. Doch damit nicht genug…“ Aveils Stimme verlor sich zu einem tonlosen Flüstern und Link winkte ab. Er wollte nicht mehr hören. Er konnte sich auch so gut genug vorstellen, was die Soldaten den niedergeworfenen Frauen angetan hatten. Der generationenalte Schmerz hatte sich so tief in die Züge der anwesenden Gerudo gegraben, dass es ihm das Herz schwer machte. Betont langsam steckte er sein Schwert zurück in die Scheide und versprach: „Es war ein schreckliches Unrecht, das euren Vorfahrinnen widerfahren ist. Aber ich versichere euch: Nicht alle Männer sind so. Ich zumindest will weder eure Körper, noch eure Leben. Ich beanspruche nur den mir versprochenen Preis: Freiheit für all eure Gefangenen.“ Shiek, der seit einigen Minuten wieder bei Bewusstsein war, hatte sich aufgesetzt und nickte dem Herrn der Zeiten mit einem stolzen Glänzen in dem sichtbaren Auge zu. Dinah musterte ihr Gegenüber zweifelnd, dann griff sie in die Tasche ihrer Pluderhose und holte einen kleinen eisernen Schlüssel hervor. Aveil, die inzwischen von Miccahia aus ihrer misslichen Lage befreit worden war, nahm ihn entgegen und trat an die Zellentür heran, um die Zimmermanngesellen freizulassen. Link verstaute unterdessen seinen fallengelassenen Bogen im Wunderbeutel und schnallte sich Schild und Schwert um. Zeherasade beobachtete ihn dabei aufmerksam und fragte wie aus dem Nichts: „Sag mal, gehört dieser Teufel von Pferd da draußen eigentlich dir?“ Überrascht aufsehend hob Link den Kopf und begegnete dem halb neugierigen, halb bewundernden Blick des Mädchens. „Meinst du Epona? Ja. Ich habe sie auf der Lon-Lon-Farm bei einem Rennen gewonnen.“ „Du bist wirklich mutiger als die meisten Männer!“ Miccahias Bemerkung brachte alle Anwesenden zum Lachen und plötzlich schien sich die angespannte Atmosphäre zu lösen. Nur Dinah hielt sich das verletzte Handgelenk und schien tief in Gedanken versunken zu sein. Als Link sich gemeinsam mit den Zimmerleuten und Shiek, der noch immer ein wenig wackelig auf den Beinen war, auf den Weg machen wollte, klärte sich ihre nachdenkliche Stimmung jedoch auf: „Ich möchte, dass du das hier bekommst.“ Sie griff erneut in ihre Hosentasche und zog ein etwa Hand großes Stück Pergament hervor, um es Link zu reichen. „Was ist das?“ Verwirrt blickte dieser auf die ihm dargebotene Urkunde. „Es ist ein Gerudo-Pass“, erklärte Zeherasade fröhlich. „Er macht dich zu einem Ehrenmitglied unseres Volkes.“ Link keuchte überrascht und auch Shiek, der sich vom Herrn der Zeiten stützen ließ, riss verblüfft die Augen auf. Die Zimmerleute hingegen schienen sich nicht für den ominösen Zettel zu interessieren und machten sich lieber schnell auf den Heimweg. „Eigentlich darf nur Naboru, unsere Anführerin, eine so wichtige Entscheidung treffen. Doch ich bin mir sicher, dass sie zustimmen würde.“ Dinah zog ihren Gesichtsschleier herab und schenkte dem Mann neben ihr ein scheues Lächeln ihrer schönen, vollen Lippen. Dieser nahm den Pass ein wenig zögerlich entgegen und verstaute ihn in seinem Wunderbeutel. Ehrenmitglied der Gerudo… Er wusste nicht, was er davon halten sollte, zukünftig zum Volk seines Erzfeindes zu gehören. „Danke.“ Er erwiderte Dinahs Schmunzeln, setzte sich zusammen mit den anderen in Bewegung und hakte nach: „Zeherasade hat diese Naboru vorhin schon erwähnt. Wer genau ist sie eigentlich? Ich meine, Ganondorf ist euer König. Wie kann Naboru eure Anführerin sein?“ Die vier Gerudo zogen bei der Erwähnung ihres Regenten unisono die Nasen kraus und stießen knurrende Laute aus. „Ganondorf ist nur deshalb unser König, weil ein uraltes Gesetz es vorschreibt und die schwachköpfigen Regenten der anderen Völker sich weigern, eine Frau als unser Oberhaupt zu akzeptieren“, murrte Zeherasade. „Aber wir wollen nicht seine Untertanen sein“, bestätigte Aveil. „Wenn es hart auf hart käme, würden wir Naboru folgen.“ „Aber als du mich niedergeschlagen hast, Dinah, sagtest du, Ganondorf würde sich über meine Gefangennahme sicherlich freuen.“ Link blieb kurz vor dem Ausgang in einem breiten Strahl rötlichen Lichts stehen und sah die Angesprochene neugierig an. „Ich weiß“, gab diese zerknirscht klingend zu. „Die Sache ist kompliziert. Früher war Naboru Ganondorfs schärfste Kritikerin. Sie war inspirierend! Niemals hat sie sich von ihm etwas vorschreiben lassen. Sie hat immer ihre Meinung gesagt und sich nie verbiegen lassen. Doch dann brach sie vor sieben Jahren zum Geistertempel auf, weil sie dort eine besondere Waffe vermutete. Sie hoffte, mit Hilfe dieses Relikts Ganondorf besiegen und seine Regentschaft vollends übernehmen zu können. Aber sie kam nie zurück und die Botschaften, die wir von ihr erhalten, sind erschreckend pro-Ganondorf. Wir fürchten, dass sie den Zwillingen in die Hände gefallen ist.“ „Den Zwillingen?“ Link lehnte sich gegen die raue Wand hinter ihm und nahm den Arm von Shieks Hüfte, als dieser von ihm abrückte, um wieder ohne Stütze auf eigenen Beinen zu stehen. „Im Geistertempel leben zwei alte Hexen, Koume und Kotake. Die Beiden haben Ganondorf großgezogen und sind ihm absolut loyal. Angeblich verstehen sie sich wie niemand sonst auf die Kunst der Geistmanipulation“, erklärte Miccahia, wobei sie ein leichtes Schauern in ihrer Stimme nicht verbergen konnte. Offenbar hatte die Gerudo Angst vor den Zwillingen. „Ich hatte gehofft, dass die Zwillinge Naboru gehen lassen würden, wenn wir dich an Ganondorf ausliefern.“ Obwohl Dinah bedauernd klang, sah sie nicht aus als täte ihr dieser Gedanke wirklich leid. Draußen schnaubte ein Pferd, als Shiek sich erkundigte: „Wo liegt der Geistertempel?“ „Weit draußen, noch hinter der Gespensterwüste.“ Zeherasade deutete in Richtung Westen, während Shiek und Link einen schnellen Blick tauschten. „In der Nähe der Göttin des Sandes?“, hakte der Shiekah nach. Ein mildes Lächeln huschte über Dinahs müde wirkende Züge, als sie antwortete: „Ich wusste nicht, dass außer uns noch jemand den alten Namen des Geistertempels kennt. Die Göttin des Sandes ist der Tempel.“ Ohne darüber nachzudenken, was er dort tat, schnappte Link sich Dinahs schmale Hände und versprach: „Ich werde Naboru finden und ihr helfen, zu ihrem wahren Ich zurückzufinden.“ Als er die große, schon fast erdrückende Dankbarkeit in den Augen der Frauen sah, fügte er mit einem verschmitzten Grinsen an: „Schließlich ist das meine Pflicht als guter Gerudo, oder nicht?“ Dinah drückte sachte seine Finger und flüsterte: „Danke.“ Anschließend fuhr sie in normalem Ton fort: „In die Wüste gelangst du durchs westliche Tor. Sprich mit der Turmwächterin, sie kann dir Tipps zur Durchquerung geben.“ Link nickte knapp und wandte sich dann zum Gehen, ohne sich noch einmal umzusehen oder sich zu vergewissern, ob Shiek ihm folgte. Kapitel 47: Nacht in der Fremde ------------------------------- Kaum, dass Link aus dem Gebäude heraustrat, schoss ein silbriger Lichtball auf ihn zu und warf sich gegen seinen Hals. Die Arme weit ausgestreckt kuschelte Navi sich an seinen Adamsapfel und frohlockte: „Du bist wieder da! Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht.“ Ein kleines Schluchzen drückte sich ihre Kehle hinauf und sie schmiegte ihre Wange gegen seine weiche Haut. Rührung breitete eine warme Decke über dem Herzen des Recken aus, bis die Fee plötzlich die Nase rümpfte und ihn mit einem angewiderten Blick ansah. „Bäh! Was hast du denn gemacht?! Du stinkst!“ Sofort schoss dem jungen Mann das Blut in die Wangen und ließ sie in einem samtigen Rot leuchten. „Ich… äh… bin in einen Haufen Küchenabfälle gefallen. Zweimal.“ Navi riss verblüfft die Augen auf und starrte ihren Schützling irritiert an. Wie konnte man denn so blöd sein und zweimal hintereinander in einen Müllhaufen fallen?! Doch bevor sie deswegen eine spitze Bemerkung machen konnte, tauchte Zeherasade auf und wandte sich an den Herrn der Zeiten: „Das Glühwürmchen hat Recht, du riechst wirklich etwas streng.“ „Ich bin eine Fee!!!“ Navi plusterte sich zu ihrer vollen Größe auf und warf der jugendlichen Gerudo einen erbosten Blick zu, den diese jedoch getrost ignorierte. „Wie auch immer… Ich wollte eigentlich nur sagen, dass du dich vor deinem Aufbruch in unserem Bad säubern kannst. Du darfst auch gern über Nacht bleiben und dich ausruhen. Nimm’s mir nicht übel, aber du siehst aus als könntest du das gebrauchen.“ Ein schiefes Lächeln zog einen seiner Mundwinkel in die Höhe, als Link zustimmte: „So fühle ich mich auch.“ „Wunderbar, dann sag ich Dinah Bescheid.“ „Warte!“ Der Abenteurer streckte die Hand nach der Kriegerin aus, um sie zurückzuhalten. Sie drehte sich ihm wieder zu und sah ihn aus großen Augen an. „Was ist denn noch? Ach, geht’s um deinen Freund?“ Amüsement blitzte in den Retinae des Mädchens auf. „Der kann natürlich auch hier schlafen. Der Gästesaal ist groß genug für euch Beide.“ Bei dem Gedanken, eine Nacht im selben Zimmer mit Shiek zu verbringen, lief es Link heiß und kalt den Rücken runter und er warf einen flüchtigen Seitenblick auf den Shiekah, der noch immer im Durchgang stand und sich mit Dinah unterhielt. In den geraubten Frauenkleidern wirkte er noch schmaler und zerbrechlicher als sonst und es juckte den Herrn der Zeiten in den Fingern, den anderen Mann zu berühren. Wie sollte er ruhig schlafen, wenn er Shiek neben sich wusste?! Doch vielleicht würde der einzelgängerische Eigenbrötler gar nicht zustimmen, bei den Gerudo zu übernachten. Womöglich machte Link sich zu viele Gedanken um ungelegte Eier. Seinen Geist wieder auf Konkretes lenkend fragte er Zeherasade: „Wo ist eigentlich Epona? Ich dachte, ich würde sie hier irgendwo auf dem Vorplatz entdecken, aber ich sehe sie nirgends.“ „Nach einigen Schwierigkeiten konnten wir sie einfangen und in unseren Stallungen festbinden.“ Es war die kräftige Aveil, die sich zu der kleinen Gruppe gesellte und zur Anhöhe hinter der Festung deutete. „Wenn du möchtest, bringe ich dich zu ihr. Dann beruhigt sie sich vielleicht ein wenig und lässt sich in einer unserer Boxen unterbringen.“ Link nickte und erwartete, dass seine Fee sich auf seiner Schulter niederlassen würde, damit sie Beide zu Epona gehen konnten. Stattdessen flog Navi zu Shiek herüber, der ihr nur einen kurzen Seitenblick zuwarf – so als wäre es das Normalste der Welt, dass die Fee sich auf sein Schlüsselbein setzte. Dem Herrn der Zeiten hingegen blieb vor Überraschung der Mund offenstehen. Was war bloß während seiner Gefangenschaft passiert?! Navi hasste Shiek, der ihr wiederum mit unterkühlter Ignoranz begegnete! Seit wann waren die Beiden Freunde?! Hätte Aveil sich nicht geräuspert, um die Aufmerksamkeit des Kriegers wieder auf sich zu ziehen, hätte er vermutlich den Rest des Tages damit verbracht, seine Fee und den Shiekah anzustarren. Stattdessen schüttelte er nur ungläubig den Kopf und wandte sich dann zu der wartenden Gerudo um, damit diese ihn zu seinem Pferd brachte. Der Weg hinauf zu den Stallungen verlief in einem weiten Bogen und stieg sanft an. Vom Scheitelpunkt der Kurve aus hatte man einen herrlichen Ausblick über das gesamte Tal. Link fragte sich, ob die Zimmermannsgesellen inzwischen bei Mutoh angekommen waren und wann die Hängebrücke über der Schlucht wohl repariert sein würde. „Wieso habt ihr eigentlich die Brücke zerstört?“ Der junge Recke sah zu Aveil herüber, deren Kleider mit den kleinen Einschusslöchern seiner Pfeilspitzen übersäht waren. Ohne ihn anzuschauen antwortete sie: „Um es Ganondorfs Schergen möglichst schwer zu machen, zu uns zu gelangen.“ Im ersten Moment blinzelte Link überrascht, doch je länger er darüber nachdachte, desto mehr Sinn machte dieses Bild für ihn. Die Gerudo waren durch ein altes Gesetz und die Übermacht Ganondorfs dazu verdammt, einem Mann zu folgen, dem sie nicht dienen wollten. Also suchten sie nach Wegen, um seinen Befehlen entgehen zu können. Wenn seine Boten niemals die Gerudo-Festung erreichten, kamen sie nicht in die Verlegenheit, ihrem König offen den Gehorsam verweigern oder gegen die eigenen Überzeugungen handeln zu müssen… Die Stallungen waren in einem langen, rechteckigen Gebäude untergebracht, neben dem sogar ein kleiner Trainingsparcours angelegt worden war. Fasziniert betrachtete der Recke eine Gerudo, die auf ihrem bunt aufgezäumten Pferd über die Rennstrecke galoppierte und dabei mit einem Kurzbogen auf mehrere, die Strecke säumende Zielscheiben schoss. Zu Links Überraschung trafen die meisten Pfeile genau ins Schwarze – und das, obwohl die Gerudo ohne Sattel ritt. Der Herr der Zeiten fragte sich, wie sie sich überhaupt auf dem Rücken ihres Zossen halten konnte! „Hier geht’s rein.“ Aveil legte ihm eine Hand auf den Rücken und schob ihn durch ein breites Tor. Das Innere war von dem goldenen Schein der Abendsonne erhellt und feine Staubpartikel schwebten durch die duftgeschwängerte Luft. Link atmete tief durch und versuchte, die unterschiedlichen Gerüche zu isolieren. Heu, Pferdeschweiß, Lederöl und Huffett. Aveil dirigierte den jungen Mann den Gang herab und begrüßte jedes Pferd, an dem sie vorbeikamen, mit Namen. Link lächelte in sich hinein und stellte sich die Gerudo beim Umgang mit ihrem Reittier vor. So liebevoll wie sie die anderen Zossen beim Namen nannte, musste sie einen guten Draht zu Tieren haben. Als hätte sie seinen Schritt erkannt, stieß Epona ein lautes Wiehern aus, noch bevor ihr Herr in Sichtweite kam. Dieser beschleunigte seine Schritte und eilte zu seiner Stute herüber, um ihr den Hals zu tätscheln und sie hinter den Ohren zu kraulen. „Da bist du ja.“ Er streichelte ihr über ihr samtiges Maul und drückte ihr einen Kuss auf die breite Stirn. „Danke, dass du mir geholfen hast.“ Unterdessen lehnte Aveil an der Wand und beobachtete die Beiden mit einem warmen Leuchten in den Augen. Dann, nachdem sie ihnen einen Moment zur Begrüßung gegeben hatte, deutete sie auf die massiven Eisenringe und die dicken Stricke, mit denen die Beine des Pferds am Boden befestigt waren. „Tut mir leid, dass wir dazu gezwungen waren. Doch anders war sie leider nicht ruhigzustellen. Wenn wir sie nicht festgebunden hätten, hätte sie womöglich sich selbst oder eine von uns verletzt.“ Link warf ihr über die Schulter hinweg ein Lächeln zu. „Schon in Ordnung. Ich bin mir sicher, sie trägt es euch nicht nach. Und ich verspreche, dass sie euch keinen Ärger mehr machen wird.“ Mit diesen Worten löste er die Seile und nahm Epona am Zügel, um sie zu der von Aveil ausgewiesenen Box zu bringen. Dort zäumte er sie ab, kraulte sie ein letztes Mal hinterm Ohr und versprach: „Ich hol dich morgen wieder ab.“ Die Gerudo, die Eponas Zaumzeug auf dafür vorgesehene Wandhaken gehängt hatte, schüttelte jedoch den Kopf. „Ich denke, es ist besser, wenn du sie hierlässt. Die Gespensterwüste ist von einem breiten Gürtel Treibsand umgeben. Kein Pferd der Welt kommt da durch.“ „Aber Epona hat es auch über die Schlucht geschafft“, wandte Link ein. Ihm missfiel der Gedanke, seine treue Stute zurücklassen zu müssen. Aveil zuckte mit den Schultern und fixierte ihn mit einem gezwungen gleichgültig wirkenden Blick. „Es ist dein Pferd. Wenn du es in den sicheren Tod schicken willst, kannst du gerne versuchen, mit ihm die Gespensterwüste zu durchqueren.“ Der Recke wusste selbst nicht genau, warum, doch seine Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. Irgendwie empfand er Aveils Versuch, ihre deutliche Sorge um Epona zu verstecken, als unsagbar süß. Grinsend knuffte er ihr in einer freundschaftlichen Geste gegen die Schulter und versicherte: „Ich werde Epona keiner unnötigen Gefahr aussetzen.“ Dann drehte er sich zu seiner Stute um und sagte: „Hörst du, mein Mädchen? Du wirst etwas länger hierbleiben müssen. Ich komm irgendwann und hol dich wieder ab. Mach den Gerudo bis dahin keinen Ärger, ja?“ Das Pferd schnaubte und warf den Kopf hin und her als wolle es verneinen. Link lachte leise, dann klopfte er ein letztes Mal mit den Fingerknöcheln gegen die Stalltür und folgte Aveil nach draußen. Dort wartete bereits Zeherasade auf ihn, um ihn in den Privatbereich der Festung zu führen. Die Gemächer der Kriegerinnen waren in einem rückwärtigen Teil untergebracht, dessen Gebäude nur aus Richtung Stallungen zu betreten waren. Wie der Herr der Zeiten feststellte, unterschieden sich diese Bauten deutlich von denen, die er bislang von der Festung gesehen hatte. Zum einen gab es wesentlich mehr Fenster, sodass die breiten Gänge von der Abendsonne in rotgoldenes Licht getaucht wurden. Zum anderen war der Boden mit dicken Webteppichen ausgelegt und die Wände mit unterschiedlichen Malereien verziert. Während die junge Gerudo Link durch die langen Flure führte, fragte sie ihm unermüdlich ein Loch in den Bauch. „Wo hast du eigentlich so kämpfen gelernt?“ Der Recke zuckte ein wenig beschämt die Schultern. „Ehrlich gestanden, bin ich nie ausgebildet worden. Dort, wo ich herkomme, war das nie nötig. Ich schätze mal, dass ich es trotzdem kann, liegt daran, dass es mir einfach im Blut liegt.“ „Wo kommst du denn her?“ Zeherasade sah ihn von unten herauf aus leuchtenden Augen an. Offenbar hatte er sie durch seinen Sieg über ihre Schwester stärker beeindruckt als er wollte. „Ich bin im Kokiri-Wald im Südosten aufgewachsen.“ Stutzend legte das Mädchen den Kopf schief. „Heißt es nicht, die Kokiri wären ein Volk von Kindern?“ Link kratzte sich verlegen am Hinterkopf und sah, Blickkontakt vermeidend, an die Wand als wolle er die angemalte Unterwasserlandschaft bewundern. „Das stimmt.“ „Du bist aber kein Kind mehr“, strich Zeherasade in ihrer unbarmherzigen Neugierde heraus. „Ich weiß...“ Der junge Mann kreiste mit den Schultern als wollte er eine störende Last abschütteln. Warum nur fiel es ihm dermaßen schwer, zu seiner wahren Herkunft zu stehen? Vielleicht, so sagte er sich, lag es nur daran, dass er so lange in dem Glauben, ein Kokiri zu sein, aufgewachsen war, dass die Wahrheit sich nun anfühlte wie ein Märchen, eine Lüge. Vermutlich hatte er sie selbst noch nicht ganz verdaut. Doch es war Zeit, sich ihr zu stellen. Tief Luft holend fügte er an: „Ich bin Hylianer.“ Wie an unsichtbaren Fäden gezogen riss die Gerudo den Kopf herum: „Ich dachte, niemand außer den Kokiri kann im Wald überleben! Die Verlorenen Wälder gelten als verflucht.“ Link wagte ein schüchternes Lächeln. „Ich schätze, ich bin anders als der Rest…“ Bevor er sagen konnte, dass er selbst nicht verstand, wie er den Fluch hatte überleben können, nahm Zeherasade seine Hand und drückte sie sachte. „Das stimmt allerdings.“ Dann warf sie einen schnellen Blick den Gang hinunter und presste sich anschließend an Link, der bis zur Wand zurückwich. In ihren funkelnden Augen stand eine Vernarrtheit geschrieben, die dem jungen Mann Angst machte und ihm die Kehle zuschnürte. „Du bist ganz anders als die Männer, die ich bislang getroffen habe“, nahm Zeherasade den Faden wieder auf. „Du bist mutig und edel und stark. Wusstest du, dass ich mir immer einen Gatten gewünscht habe, der mir ebenbürtig ist?“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, zog ihren Schleier herunter und öffnete erwartungsvoll die Lippen, während Link von Panik ergriffen wurde. Wie sollte er bloß reagieren? Ob die Gerudo ihm die Gastfreundschaft aufkündigen würden, sollte er ihr Nesthäkchen von sich stoßen? Doch er konnte sie auch nicht einfach küssen… Es war schlimm genug, dass er sich versehentlich mit Ruto verlobt hatte. Er würde sich sicher nicht kopflos in eine Liaison mit einer Gerudo stürzen, bloß weil sie sich in ihn verguckt hatte! Gerade, als er sich so sanft wie möglich aus Zeherasades Umklammerung lösen wollte, ertönte vom anderen Ende des Gangs Dinahs Stimme: „Was genau soll das werden, wenn es fertig ist?!“ Link blickte panisch zu der stellvertretenden Anführerin hinüber und rechnete fest damit für ungebührliches Betragen getadelt und hinausgeworfen zu werden. Zeherasade hingegen grinste ihn noch einmal an, schob ihren Mundschutz zurecht und murmelte: „Zu schade.“ Dann trabte sie beschwingt zu ihrer Schwester hinüber, drückte sich an ihr vorbei und verschwand. Vollkommen perplex starrte der Herr der Zeiten ihr hinterher, bis Dinah an ihn herantrat: „Das tut mir leid. Nimm es ihr nicht übel. Meine kleine Schwester hat ihr Temperament manchmal nicht im Griff.“ Erleichtert aufatmend löste Link sich von der Wand und hakte nach: „Du beschuldigst mich also nicht, sie verführt zu haben oder so?“ Die Gerudo winkte mit einer knappen Handbewegung ab. „Wir bekommen hier viel zu selten Männer zu Gesicht, die keine Halunken sind. Es war klar, dass Zeherasade sich in den Erstbesten verlieben würde. Aber mach dir deswegen keine Sorgen. Ich bin mir sicher, ihre Schwärmerei wird sich genauso schnell legen wie sie entflammt ist.“ Den Mund verziehend sah der Recke zu seinem Gegenüber hinunter. Er wusste nicht, ob er erleichtert oder verprellt sein sollte, weil Dinah glaubte, er sei für ihre Schwester nicht mehr als ein austauschbares Gesicht. Bevor er sich darüber Gedanken machen konnte, deutete Dinah jedoch auf die Tür neben ihm. „Das ist übrigens das Bad. Während du bei deinem Pferd warst, habe ich veranlasst, dass man dir Wasser einlässt. Fühl dich frei, so lange zu baden wie du möchtest. Handtücher liegen bereit und dein Zimmer ist genau gegenüber. Falls du später etwas essen willst, folge einfach diesem Gang, dann kommst du direkt in die Küche.“ Sie nickte ihm noch einmal zu und verschwand dann in einem der nahegelegenen Räume. Das heiße Wasser war ein Segen für Links geschundenen Muskeln und er schloss genießend die Augen. Er wusste nicht, wie lange er schon in der Kupferwanne lag, doch das war ihm auch vollkommen egal. Zwischenzeitlich war eine Gerudo-Wache hineingekommen und hatte, eine Hand beschämt vor die Augen gehalten, seine Goronen-Rüstung an sich genommen. Als er nachgefragt hatte, was sie mit seiner Tunika wollte, hatte sie geantwortet: „Dinah hat befohlen, dass wir deine verdreckten Kleider waschen.“ Dann war sie so schnell wie möglich verschwunden. Link grinste in sich herein und fragte sich, ob die Gerudo glaubten, er würde nackt durch die Festung laufen – immerhin konnten sie nicht ahnen, dass er Ersatzkleider dabei hatte. Oder hatten sie ihn bereits beobachtet, als er von der Kokiri- zur Goronen-Rüstung gewechselt hatte? Obwohl er sich von diesem Gedanken peinlich berührt fühlte, beschloss er schulterzuckend, dass es egal war. Hier im Wasser war es viel zu schön und entspannend, um sich wegen solcher Kleinigkeiten zu stressen. Ja, vielleicht hatten ihn Frauen beim Umziehen beobachtet. Na und? Als sich die Tür erneut öffnete, dachte der Herr der Zeiten sich nichts dabei. Möglicherweise brauchte eine der Gerudo ein Handtuch oder seine Tunika war bereits gewaschen und wurde zurückgebracht. Er hätte nicht einmal aufgeschaut, hätte nicht auf einmal eine wohlvertraute Stimme ausgerufen: „Oh, bei den Göttinnen! Das tut mir leid!“ Sofort schnellte Links Kopf herum und er riss erschrocken die Lider hoch. In der Tür stand Shiek und starrte mit geweiteten Augen seinen unbekleideten Körper an. Obwohl dem Herrn der Zeiten augenblicklich das Blut in die Wangen schoss, konnte er sich nicht rühren, um seinen Schoß mit den Händen zu bedecken. Stattdessen starrte er seinerseits den Shiekah an. Shiek trug noch immer die Gerudo-Kleider und hatte seinen Zopf gelöst, sodass seine rötlich eingefärbten Haare in einem seidigen Wasserfall über seine Schultern fielen. Dies war jedoch nicht das Einzige an ihm, das anders war als sonst. Er hatte den Mundschleier abgenommen und zeigte sein Gesicht zum ersten Mal unverhüllt. Irgendetwas an den feinen, delikaten Zügen des anderen Mannes kam Link vage vertraut vor, doch genau wie im Feuertempel entzog sich ihm die Erkenntnis, bevor er sie zu fassen bekam. Mit feuerroten Wangen wirbelte Shiek herum und beteuerte immer wieder: „Das tut mir leid! Ich wusste nicht, dass du immer noch hier drin bist!“ Link wollte ihm versichern, dass die Angelegenheit nicht schlimm und er nicht sauer sei, aber der Shiekah eilte beeindruckend schnell aus dem Raum und warf die Tür krachend ins Schloss. Link saß noch eine Weile im sich allmählich abkühlenden Wasser und starrte zum Ausgang herüber. Das Türblatt vibrierte schon lange nicht mehr, doch dem Recken kam es noch immer vor als wäre Shiek gerade erst aus dem Bad verschwunden. Warum nur hatte der Shiekah geradezu panikartig die Flucht ergriffen? Der Herr der Zeiten warf einen flüchtigen Blick über seinen nackten Körper und erinnerte sich daran, wie die anderen Kokiri früher zusammen im Fluss gebadet hatten – Jungen und Mädchen gemeinsam. Ihm selbst war es immer unangenehm gewesen, sich vor den anderen zu entblättern, aber der Anblick entblößter Leiber war ihm dennoch wohlvertraut. Ob es Shiek anders ging? Vielleicht, so überlegte Link, waren alle Angehörigen seines Volkes so verschlossen wie er und hatten immer sorgsam darauf geachtet, sich nie unbekleidet vor anderen zu zeigen. Womöglich war Nacktheit unter den Shiekah verpönt und galt als obszön und unanständig. War Impa auch dermaßen verklemmt gewesen? Obwohl er rational betrachtet wusste, dass ihn keine Schuld für das Geschehene traf, verspürte Link auf einmal den drängenden Impuls, sich bei seinem Freund zu entschuldigen. So schnell er konnte, stieg er aus der Kupferwanne, trocknete sich flüchtig ab und zog sich fix an. Mit seinem Kettenanzug und dem weißen Hemd unter der Kokiri-Tunika fühlte er sich endlich wieder vollständig bekleidet und wohl. Mit langen Schritten eilte er aus dem Bad und über den breiten Flur. Doch vor der Tür zum Gästesaal hielt er plötzlich inne und zögerte. Was sollte er bloß sagen? Würde Shiek überhaupt mit ihm darüber reden wollen? Oder wäre es das Beste, den Vorfall zu ignorieren und so zu tun als wäre nichts geschehen? Tief durchatmend schob der junge Krieger seine Bedenken beiseite. Shiek war sein Freund und kein Unmensch. Wenn er nicht über das unfreiwillige Aufeinandertreffen im Bad reden wollen sollte, würde er das einfach sagen, anstatt Link den Kopf abzureißen. Dennoch zitterte die Hand des Recken leicht, als er sie auf die Klinke legte und die Tür aufdrückte. Der saalartige Raum hatte eine runde Form und wurde von einer Feuerstelle in seiner Mitte dominiert. Noch lagen die Kohlen wie schwarze Eier auf dem engmaschigen Metallrost über der Aschewanne, aber schon bald würde vermutlich eine Gerudo kommen und sie entzünden. Wie Link in Mutohs Zelt hatte feststellen müssen, wurden die Nächte in der Wüste bitterkalt. Um die Feuerstelle herum waren bunte Webteppiche und gepolsterte Sitzkissen verteilt, die Gästen ein gemütliches Zusammensitzen ermöglichen sollten. Die bequem aussehenden Betten waren mit den Kopfenden an die Wände geschoben worden, sodass sie einen großen Kreis bildeten. Beim Anblick der aus dicken Stoffen bestehenden Himmel musste Link ein wenig grinsen. Die Gerudo hatten sich wirklich große Mühe gegeben, damit sich eventuelle Gäste bei ihnen wohlfühlen konnten – sogar an ein wenig Privatsphäre beim Schlafen hatten sie gedacht. Der Recke fragte sich, woher wohl das Gerücht stammte, die Gerudo würden Besuch nicht schätzen. Vielleicht waren die Hylianer, die bislang hergekommen waren, die Sache ganz falsch angegangen, überlegte er. Womöglich galten die Gerudo nur deswegen als feindselig, weil sie stets das Gefühl hatten, in dieser männerdominierten Welt nicht ernstgenommen zu werden und sich Respekt erkämpfen zu müssen. An einem der Betten waren die Kordeln, welche die Stoffbahnen des Himmels zusammenhielten, gelöst worden, sodass man keinen Blick auf die Liegestätte werfen konnte. Da der restliche Raum leer war, trat Link mit einem flauen Gefühl im Magen an das fragliche Bett heran und flüsterte: „Shiek, bist du da drin?“ Hinter dem Stoff war ein unwilliges Knurren zu hören und der Herr der Zeiten fürchtete, er habe einen unbekannten Gast geweckt. Doch dann drang die gereizt klingende Stimme des Shiekah an seine Ohren: „Was willst du?“ „Mit dir reden.“ Link schluckte an einem Kloß in seinem Hals. Vielleicht hätte er die Sache doch auf sich beruhen lassen sollen… Vom Bett aus erklang leises Getuschel und der junge Mann horchte auf. War das Navi, mit der Shiek sich da austauschte?! Link überlegte gerade, ob er seine Ohrmuschel gegen den Stoff lehnen sollte, um besser hören zu können, als der Himmel beiseite gerissen wurde und Shiek ihn grimmig ansah. Er hatte wieder den Schleier angelegt und in seinen Augen funkelte etwas, das Link nicht einordnen konnte. Am ehesten schien es eine Mischung aus ohnmächtiger Wut und brennender Scham zu sein, die sich zu akuter Ablehnung verbanden. Mit einer knappen Handbewegung forderte der Shiekah sein Gegenüber zum Reden auf, aber die Kehle des Herrn der Zeiten fühlte sich auf einmal wie zugeschnürt an. „Ich… äh…“, stammelte er, „… also… ähm… das vorhin im Bad tut mir leid.“ „Es war nicht deine Schuld. Ich hätte klopfen müssen.“ Shiek durchbohrte den anderen Mann vor sich mit einem stechenden Blick, ohne ihm dabei in die Augen zu schauen. Dann stand er ruckartig auf. „Aber da du jetzt hier bist, ist das Bad ja endlich frei.“ Mit diesen Worten drückte er sich an Link vorbei und verschwand flugs aus dem Zimmer. Der Recke blieb verwundert zurück und kratzte sich ratlos am Hinterkopf. Wie sollte er Shieks Verhalten interpretieren? Obwohl der Shiekah gesagt hatte, dass er Link keine Schuld gab, verhielt er sich dennoch so als würde er es tun. Der Herr der Zeiten war verwirrt. „Gib ihm ein bisschen Zeit. Der Anblick deines nackten Körpers hat den armen Jungen überfordert.“ Navi saß auf dem aufgeschüttelten Kopfkissen und lächelte ihren Schützling beruhigend an. „Aber wieso?“ Kraftlos ließ Link sich auf die Bettkante sinken, stützte die Ellbogen auf die Knie und ließ den Kopf hängen. Seine Fee zuckte elegant die Schultern und sagte: „Ich weiß es nicht genau. Vielleicht hat er ein Trauma oder ist einfach prüde.“ Als der Recke daraufhin langgezogen seufzte, flog seine Begleiterin zu ihm herüber und kuschelte sich in seine Halsbeuge. „Jetzt mach kein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Der Kleine kriegt sich wieder ein, ganz bestimmt.“ „Hm-mh.“ So saßen sie eine Weile, bis der Herr der Zeiten mit einer Frage herausplatzte, die ihm seit dem frühen Abend unter den Nägeln brannte: „Seit wann seid ihr Zwei eigentlich so gut befreundet?“ Falls er ein schlechtes Gewissen erwartet hatte, weil Navi zuvor Shieks Gesellschaft der seinen vorgezogen hatte, wurde er enttäuscht. Stattdessen erklärte die Fee heiter: „Seit wir zusammen einen Plan ausgeheckt haben, um dich aus deiner Zelle zu befreien.“ Als Shiek schließlich zurückkam, hatte Navi sich auf der Fensterbank in einem Strahl Mondlicht zusammengerollt und schnarchte leise. Link lag mit geschlossenen Augen langausgestreckt auf einem der Betten. Seine Stiefel hatte er sich achtlos von den Füßen getreten, sodass sie neben einem Pfosten auf dem Boden lagen anstatt ordentlich nebeneinander zu stehen. Eine Hand auf seine Brust gebettet, die andere unter die Decke geschoben, sah er aus als würde auch er schlafen. Doch kaum, dass der Shiekah den Raum betreten hatte, schnellte der Oberkörper des Recken hoch und er blickte aufmerksam zu seinem Freund herüber. Dieser hatte die Gerudo-Kleider abgelegt und wieder seinen Kampfanzug angezogen. Die weißen Bandagen an seinen Händen wirkten im roten Schein der zwischenzeitlich entzündeten Kohlen wie blutgetränkte Verbände. Einige Herzschläge lang sahen die beiden Männer sich bloß an, aber dann atmete Shiek tief durch und trat zögerlich an Links Bett heran. „Darf ich?“ Er deutete unsicher wirkend auf die Kante. „Sicher.“ Der Herr der Zeiten zog seine Beine an und machte seinem Freund, der sich sogleich niederließ, Platz. „Mein Ton vorhin tut mir leid. Ich weiß, dass es ganz allein meine Schuld war, dass ich in dein Bad geplatzt bin. Aber…“ Der Shiekah rang sichtlich nach Worten und knetete nervös einen besonders langen Streifen seiner Bandagen zwischen den Fingern. Link legte eine seiner Hände auf die des Shiekahs und lächelte. „Mach dir deswegen keinen Kopf. Vergessen und verziehen.“ Als Shiek daraufhin den Blick hob, war es hörte die Außenwelt auf zu existieren. Plötzlich gab es für den Herrn der Zeiten nur noch sie Beide und das Bett, auf dem sie saßen, während der Rest der Welt hinter einer Zauberwand oder einem Wasserfall zu verschwimmen schien. Der Shiekah verwob seine Finger mit Links und streichelte sanft mit dem Daumen über seinen Handrücken. Ihre ineinandergeschlungenen Blicke schienen die beiden Männer immer näher zueinander zu ziehen, wie an unsichtbaren Fäden. Der Herr der Zeiten streckte seine zweite, zitternde Hand nach dem Gesicht seines Gegenübers aus und legte sie ihm sanft gegen die Wange. Als Shiek daraufhin sein Gesicht dagegen lehnte, leuchteten seine Augen auf als würde er breit lächeln. Nur zu gerne hätte Link ihm den Mundschutz heruntergezogen, um seine Lippen zu sehen. Doch da sein Freund offenbar ein Problem mit nackter Haut hatte, unterdrückte er diesen Impuls vehement. Shiek rutschte ein wenig näher an ihn heran und langte seinerseits nach Links Gesicht. Seine Finger streichelten so sanft wie eine Feder über die Haut des Recken, als er mit einem verträumten Glänzen in den Augen dessen Konturen nachfuhr. Bei der zärtlichen Berührung ging ein wohliger Schauer durch Links Körper und er fragte sich, wie sich etwas gleichzeitig so richtig und dermaßen falsch anfühlen konnte. Während sein Kopf gegen Intimitäten mit einem Mann rebellierte, jubelte seine Seele und sein Herz schien vor Glück zerspringen zu wollen. Den Blick fest auf Links Augen geheftet, beugte Shiek sich leicht vor und schob einen Finger unter seinen Mundschutz, um ihn herabzuziehen. Die Atmung des Recken beschleunigte sich und seine Zunge schien an seinem Gaumen festgeklebt zu sein. Seine Aufregung ignorierend lehnte er sich seinem Freund entgegen und nahm sein Gesicht sachte in beide Hände. Doch gerade, als Shieks Zeigefinger sich krümmte und er zum Herabziehen der Vermummung ansetzen wollte, gähnte Navi laut auf. Als hätten sie sich aneinander verbrannt, stoben die beiden Männer auseinander und sahen mit schreckgeweiteten Augen abwechselnd sich und die selig weiterschlummernde Fee an. Was hatten sie da gerade bloß getan?! Während Shiek ans Fußende des Bettes robbte, versuchte Link sein inneres Chaos zu ordnen. Wieso nur fühlte er sich von diesem Shiekah dermaßen angezogen? Er war in Zelda verliebt, da war er sich sicher! Oder womöglich doch nicht…? Glaubte er bloß, in Zelda verliebt zu sein, weil sie die Prinzessin gewesen war? Hatte er sich Gefühle für dieses Mädchen eingebildet, obwohl er in Wirklichkeit nur davon geträumt hatte, später König zu werden? Die Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf und alles, das er früher als sicher und unumstößlich betrachtet hatte, geriet nun ins Schwanken. An was konnte er noch glauben, auf was bauen, wenn er sich selbst nicht mehr vertrauen konnte? Es war Shiek, der zuerst seine Stimme wiederfand und sein Gegenüber aus dem Irrgarten seiner eigenen Gedanken lockte. Sich vernehmlich räuspernd sagte der Shiekah: „Ich habe übrigens von einer Gerudo gehört, dass du in der Gespensterwüste das Auge der Wahrheit brauchen wirst.“ Link war beeindruckt von dem fast ungezwungen klingenden Ton, den der andere Mann anschlug. Nur die verkrampft in die Decke gekrallten Finger des Shiekah verrieten, dass er innerlich genauso angespannt war wie der Herr der Zeiten. Dankbar stieg der Recke in die Plauderei ein: „Wie praktisch, dass ich es dabei habe.“ Er warf seinem Gegenüber ein schüchternes Lächeln zu, ohne ihn direkt anzusehen. Dann fuhr er fort: „Was wirst du machen, wenn Navi und ich uns auf die Suche nach dem sechsten Weisen begeben?“ „Ich werde zusammen mit Dinah in der Bibliothek nach einer Schriftrolle suchen. Es heißt, die Gerudo besäßen eine Kopie des Requiems der Geister – das letzte, noch fehlende Teleportierlied. Danach werde ich dir zum Tempel folgen, um dich das Requiem zu lehren.“ Link zog die Beine an, legte die Arme um die Unterschenkel und stützte das Kinn auf die Knie. „Es gibt da etwas, das ich dich schon längere Zeit fragen wollte.“ Shiek hob eine Augenbraue und sah seinen Freund dermaßen skeptisch an, dass dieser grinsen musste. „Keine Bange, es ist nichts Schlimmes. Ich habe mich nur gefragt, warum du nie teleportiert wurdest, wenn du mir eines der Lieder vorgespielt hast.“ Die Stirn des Shiekahs glättete sich wieder und er erklärte: „Nur die Okarina der Zeit hat die Macht, die Wirkung der Lieder zu entfalten.“ Der Herr der Zeiten nickte und machte den Eindruck, noch etwas fragen zu wollen, aber in diesem Moment klopfte es an der Tür und Miccahia steckte ihren Kopf durch die Tür: „Hey, Jungs, das Essen ist fertig. Wollt ihr mich zum Speisesaal begleiten?“ Die beiden Männer wechselten einen fragenden Blick, nickten sich gegenseitig zu und standen – von Links lautem Magenknurren begleitet – auf, um der Gerudo zu folgen. Kapitel 48: Geisterhafter Fremdenführer --------------------------------------- Dinah und Aveil erwarteten Link bereits, als er zusammen mit Navi am nächsten Morgen aus der Festung ins Freie trat. Im Osten kroch die Sonne gerade über die Gipfel der Gebirgsausläufer und malte ihre Schatten als blasse, langgezogene Schemen auf den rötlichen Sandboden. Die stellvertretende Anführerin der Gerudo löste sich beim Anblick des Reckens von der Wand, an der sie gelehnt hatte, und kam mit federndem Schritt auf ihn zu. „Guten Morgen, mein Lieber. Hast du gut geschlafen?“ Link unterdrückte ein Gähnen und nickte, während er an die hinter ihm liegende, unruhige Nacht dachte. Obwohl Shiek und er vor den anderen beim Essen normal miteinander umgegangen waren, hatte sich die gemeinsame Nachtruhe sehr seltsam angefühlt. Um möglichst viel Abstand zwischen sich zu bringen, hatten die beiden Männer Betten gewählt, die sich genau gegenüberstanden. Doch trotz der herabgelassenen Himmel hatte Link die ganze Nacht über die Nähe des Shiekah gespürt. Immer wieder war er wach geworden, bloß um die ihn umgebenden Stoffbahnen auseinander zu schieben und einen flüchtigen Blick auf die gegenüberliegende Schlafstätte zu werfen. Irgendwann hatte der Herr der Zeiten seine innere Anspannung nicht mehr ausgehalten und war bereits im Morgengrauen aufgestanden. Eigentlich hatte er sich sofort anziehen und aufbrechen wollen, doch stattdessen war er zum Bett des Shiekah hinübergehumpelt und hatte den Himmel ein wenig beiseitegeschoben. Das Loch in seinem Fuß hatte wie jeden Morgen höllisch geschmerzt, aber beim Anblick des schlafenden Shieks hatte der junge Mann dies sogleich vergessen. Der Shiekah hatte auf dem Bauch gelegen, das Gesicht halb unter dem eigenen Arm vergraben, und hatte leise geschnarcht. Sein langes, ihm wirr in die Stirn fallendes Haar hatte den Großteil seines Antlitz verdeckt und es hatte Link in den Fingern gejuckt, die Strähnen vorsichtig zur Seite zu schieben. Er hätte einiges für die Möglichkeit gegeben, die Züge des anderen in Ruhe betrachten zu können, wenigstens ein einziges Mal! Seit Shiek ins Bad geplatzt war, hatte der Recke gerätselt, weshalb ihm das Gesicht des anderen Mannes so vertraut vorkam, obwohl er es mit keiner Person aus seiner Erinnerung in Einklang bringen konnte. Trotzdem erinnerte er ihn an irgendjemanden… Aber an wen? Vielleicht an Impa? Link hatte an die anderen Völker der bekannten Welt gedacht und feststellen müssen, dass jedes körperliche Merkmale aufwies, die es von den anderen unterschied. Bei den Kokiri war es der dauerhaft kindliche Leib, der sich bei den Meisten mit einer recht pausbackigen Gesichtsform kombinierte. Gerudo hatten allesamt rötliches Haar und bernsteinfarbene oder braune Augen. Die Goronen waren riesige Wesen, die an zum Leben erwachte Felsbrocken erinnerten. Die fischartigen Körper der Zora waren ebenfalls ein eindeutiges Unterscheidungsmerkmal. Link hatte daran denken müssen, dass die Angehörigen dieser beiden Stämme für ihn genauso aussahen wie alle anderen ihrer Volksmitglieder. Als er sie auf seiner Reise kennen gelernt hatte, hatte es einige Zeit gedauert, bis er Details wahrgenommen hatte, die ihm dabei geholfen hatten, Individuen zu unterscheiden. Ob das auch im umgekehrten Fall galt? Sahen Hylianer für Zora und Goronen ebefalls alle gleich aus? Hylianer hatten besonders lange Ohren. Der Herr der Zeiten hatte sich daran erinnert, dass er auf dem Marktplatz von Hyrule-Stadt mal ein Gespräch mitbekommen hatte, in dem ein älterer Herr einem kleinen Mädchen erklärt hatte, die Göttinnen hätten den Hylianer diese Ohren geschenkt, damit sie ihr entferntes Flüstern hören könnten. Doch was unterschied die Shiekah von Hylianern? Soweit Link es hatte beurteilen können, ließen diese beiden Völker sich optisch nicht voneinander trennen. Der Recke hatte sich gefragt, woran Shiekah Angehörige ihres Volkes erkannt hatten und ob Impa sich vielleicht geirrt haben mochte. Womöglich gab es noch viel mehr Shiekah als sie angenommen hatte. Mit etwas Verzögerung war ihm jedoch etwas eingefallen, das Navi im Feuertempel gesagt hatte. Sie hatte erwähnt, dass Shiek von einer Art magischen Aura umgeben war, die nur jemand wahrnehmen konnte, der selbst ebenfalls zum Wirken von Magie fähig war. Das bedeutete, dass es ein Unterscheidungsmerkmal zwischen Shiekah und Hylianern gab, dieses jedoch nicht von jedem gesehen werden konnte. Für ihn gab es also keinerlei Möglichkeit, Shiekah und Hylianer auseinanderzudividieren. Womöglich erinnerte Shiek Link an einen Hylianer. Aber an wen? Gerade, als der Recke sich entschlossen hatte, dem anderen Mann die Haare aus dem Gesicht zu streichen, hatte er jedoch Schritte auf dem Flur gehört und stattdessen den Himmel sinken lassen. Den Kopf über sich selbst schüttelnd hatte er sich seine Mission ins Gedächtnis gerufen und sich eingebläut, dass er keine Zeit für solche Spielereien hatte. Auch wenn er unbedingt wissen wollte, an wen Shiek ihn erinnerte – dieses Rätsel musste erst einmal warten. Es gab Wichtigeres zu erledigen. Also hatte er auf dem Absatz kehrtgemacht und war zu seinem Bett zurückgehumpelt, wo er sich seine Stiefel angezogen und seine Waffen angelegt hatte, bevor er die noch immer schlafende Navi von der Fensterbank gehoben und sich auf den Weg gemacht hatte. Auf halbem Wege aus der Festung heraus war die Fee aufgewacht und hatte ihren Stammplatz auf der Schulter ihres Schützlings eingenommen. „Sehr schön.“ Dinah schien ihn hinter ihrem Schleier anzulächeln und der Herr der Zeiten blinzelte, um aus den Tiefen seiner Erinnerung wieder in die Realität aufzutauchen. Um nicht zu abwesend zu wirken, grinste er schwach zurück und fragte: „Die Gespensterwüste liegt hinter dem Westtor, richtig?“ Die Gerudo nickte. „Ja. Aveil und ich begleiten dich, wenn du magst.“ „Sicher.“ Obwohl Link überzeugt davon war, dass er das Tor auch alleine gefunden hätte, stimmte er dankbar zu. Er war sich nicht sicher, ob wirklich alle Gerudo darüber informiert worden waren, dass er sich in der Festung frei bewegen durfte, und hatte sich bereits in schauerlichsten Farben ausgemalt, was passieren könnte, wenn die Torwächterin ihn für einen Eindringling hielt. Dinah dabei zu haben war auf jeden Fall beruhigend. Wenn er eines ganz sicher nicht noch einmal erleben wollte, dann war es ein Aufenthalt in einem Gerudo-Gefängnis. Das Tor lag etwas tiefer als die Festung und war über einen kurzen, scharf abknickenden Pfad zu erreichen. Als Link das imposante Bauwerk erblickte, blieb ihm vor Staunen der Mund offenstehen. Er hatte eine Art größere Pforte erwartet, doch stattdessen sah er sich einer Vorrichtung gegenüber, die ihn stark an das Stadttor von Hyrule-Stadt erinnerte. Zu beiden Seiten waren hoch aufragende Wachtürme errichtet worden und das aus massiven Holzplanken bestehende Tor hing an mehreren armdicken Eisenketten, die über erstaunlich große Winden liefen. An einem der Türme lehnte eine wackelig erscheinende Leiter, über die man auf die Aussichtsplattform gelangen konnte. Dinah trat an den Wachturm heran, legte den Kopf in den Nacken und rief: „Hey, Sharline, zieh das Tor hoch und dann komm runter! Hier ist jemand, der die Gespensterwüste durchqueren will.“ Unter dem Dach des Turms wurde in einem Fenster ein weiß-roter Farbklecks sichtbar und Link fühlte sich augenblicklich angestarrt. Ein wenig unsicher zog er die Schultern hoch und blickte abwartend zu der Gerudo herauf. Diese verschwand nach wenigen Sekunden wieder und kurz darauf wurde das Tor rumpelnd in die Höhe gezogen. Dahinter wurde eine unendlich weit wirkende Sandwüste sichtbar, die sich über den ganzen Horizont verteilte wie achtlos ausgekippter Goldpuder. Der auffrischende Wind wirbelte die oberste Sandschicht auf und trieb sie als semimaterielle Wolkengeister vor sich her. Link war von diesem Anblick derart fasziniert, dass er gar nicht mitbekam, dass Sharline behände die Leiter hinabstieg und sich neben ihn stellte. Dementsprechend zuckte der Herr der Zeiten heftig zusammen, als sie ihn ansprach: „Du willst also durch die Gespensterwüste?“ Erschrocken herumwirbelnd sah er sie mit großen Augen an. Sie war ein gutes Stück älter als die anderen Gerudo, die Link bisher kennen gelernt hatte und trug überraschender Weise keinen Mundschutz. Ihre weiße Kleidung leuchtete in der Morgensonne und ihr rotes Haar war kurzgeschoren, anstatt wie bei den anderen als langer Zopf über ihre Schultern zu fallen. Während der verblüffte Recke noch nach seiner Stimme suchte, bestätigte Navi: „Ja, wir haben etwas im Geistertempel zu erledigen.“ „Verstehe.“ Sharline nickte und Dinah klinkte sich in das Gespräch ein: „Du kennst die Sagen über die Wüste besser als irgendjemand sonst. Kannst du den Beiden irgendwelche Tipps geben?“ Die ältere Gerudo wiegte den Kopf hin und her, während Aveil, die sich bislang im Hintergrund gehalten hatte, sagte: „Von dem Treibsandgürtel habe ich bereits erzählt.“ Sharline lächelte der jüngeren Frau knapp zu, dann wandte sie sich an Link: „Im Zentrum der Wüste herrscht ein niemals enden wollender Sandsturm, der dir jegliche Orientierung rauben kann, wenn du nicht aufpasst. Unsere Vorfahrinnen haben deswegen Flaggen errichtet, um trotzdem den richtigen Weg finden zu können. Wenn du dich von einer Fahne zur nächsten bewegst, bist du sicher.“ Link nickte und wollte ihr bereits für diesen Hinweis danken, als sie fortfuhr: „Wenn es dir gelingt, den Sturm hinter dir zu lassen, gelangst du in den Teil der Wüste, der namensgebend für sie war. Dort lebt ein Geist, der dir den rechten Weg weisen kann. Doch ich fürchte, er zeigt sich nur seinen direkten Nachfahren – uns Gerudo.“ Von einer plötzlichen Erkenntnis durchzuckt, platzte der Herr der Zeiten heraus: „Deswegen brauchen wir das Auge der Wahrheit! Um den Geist sehen zu können!“ Als die vier Frauen um ihn herum ihn verständnislos ansahen, erklärte er: „Shiek hat gestern Abend gesagt, eine Gerudo habe ihm verraten, dass wir das Auge der Wahrheit bräuchten, um die Wüste durchqueren zu können. Bislang konnte ich mir keinen Reim darauf machen, warum dem so sein sollte, doch jetzt ergibt es Sinn.“ Sharline grinste ihn erfreut an, zog jedoch sofort wieder ein ernstes Gesicht. „Das ist leider alles, was ich dir sagen kann. Ob du die Wüste durchqueren kannst, hängt einzig und allein von deinem Geschick ab.“ Link schluckte und warf einen Blick auf die trügerische Schönheit der Wüste, die sich wie ein goldenes Tuch vor ihm ausbreitete. Dann wandte er sich wieder um und nickte den Gerudo zu, bevor er sich verabschiedete und durch das Tor schritt. Nach ein paar Metern blieb er jedoch noch einmal stehen, drehte sich um und rief Aveil hinterher: „Aveil! Ich vertraue darauf, dass du dich gut um Epona kümmerst, solange ich unterwegs bin!“ Die Gerudo lachte zum ersten Mal seit ihrem Kennenlernen und versicherte: „Darauf kannst du dich verlassen! Ich werde sie wie mein eigenes Pferd behandeln!“ Beruhigt kehrte der Recke der Festung wieder den Rücken zu und machte sich an den langen Marsch durch die Wüste. Mit jedem Schritt, den Link tat, wurde der Boden unter seinen Füßen immer weicher, bis seine Sohlen schließlich tief im Sand versanken. Seufzend dachte er an den weiten Weg, der noch vor ihm lag und fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis seine Beinmuskeln zu schmerzen begönnen. Auch Navi rutschte unruhig auf seiner Schulter hin und her, während sie skeptisch die Sandwolken, die wie halbdurchsichtige, kunstvoll geschwungene Schleier durch die Luft wirbelten, beobachtete. Bereits jetzt kam es ihr vor als würden die feinen Sandkörner ihre Atemwege verstopfen. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie es sein musste, sobald sie den Sandsturm erreichten. Die Fee warf einen kurzen Seitenblick auf ihren Schützling, dessen gebräuntes Gesicht mit feinen Schweißperlen überzogen war. Obwohl es noch früher Vormittag und die Sonne noch weit von ihrem Zenit entfernt war, herrschte bereits eine furchtbare Hitze. Der Horizont flirrte und die frisch gewaschene Goronen-Rüstung, die der Herr der Zeiten in weiser Voraussicht angezogen hatte, strahlte eine Eiseskälte aus, die Navi trotz ihrer magiebedingten, großen Temperaturresistenz unangenehm war. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie ihr Begleiter sich fühlen musste. Während Link schnaufend durch die Wüste stapfte, erinnerte sich seine Fee an ihren Aufenthalt im Feuertempel zurück. Obwohl sie sich damals im Inneren eines aktiven Vulkans befunden hatten, hatte Navi die Verhältnisse dort als weniger unmenschlich empfunden als in der Gespensterwüste. Damals war wenigstens die Luft frei von Partikeln und leichter zu atmen gewesen. Außerdem hatte sich die Hitze gleichmäßig verteilt, anstatt von einem glühenden Ball am Himmel herabzubrennen. Wieder warf die Fee einen Blick auf das Gesicht ihres Schützlings. Von den Ohren ausgehend breitete sich allmählich eine unnatürliche Röte aus, die Navi Sorgen machte. Ein Sonnenbrand war vermutlich nicht zu vermeiden, aber das war auch gar nicht, was ihr Bauchgrummeln verursachte. Viel schlimmer erschien ihr der Gedanke, ihr Freund könnte einen Sonnenstich bekommen. Was, wenn Link kollabierte? Würden sie Beide dann als ausgedörrte Skelette enden, die Knochen von der Sonne ausgebleicht, vom Sand verdeckt und von der Welt vergessen? Sie wünschte sich, ihr Schützling würde wenigstens seine Mütze tragen. Doch diese war noch immer als Verbandsersatz um seinen durchstochenen Fußballen gewickelt. Nach etwa einer Stunde Fußmarsch änderte sich plötzlich die Beschaffenheit des Bodens. Anstatt auf festen Untergrund zu treten, war es als hätte Link seinen Fuß in einen Bottich mit flüssigem Brotteig gestellt. Während er sich über den seltsamen Untergrund wunderte, versank sein Stiefel bis zum Knöchel im Sand. Es war als würde sein Bein durch Unterdruck in den Boden hineingesaugt. Der Recke wollte sich gerade darüber wundern, als seine Fee aufschrie: „Link! Du Trottel! Du bist mitten in den Treibsandgraben gelatscht!“ „Was?!“ Der Herr der Zeiten riss erschrocken seinen Fuß zurück – jedoch ohne Erfolg. Sein Bein steckte fest als hätten sich unsichtbare Hände oder Schlingpflanzen um seinen Knöchel geschlungen. Panik kroch dem jungen Mann das Rückgrat herauf und er zerrte immer verzweifelter an seinem Fuß. Doch je mehr er zappelte, desto stärker schien der Sog in die Tiefe zu werden. „Navi! Hilfe! Ich versinke!“ Inzwischen war von Links Stiefel nur noch der obere Saum zu sehen. Der Herr der Zeiten verlagerte sein Gewicht soweit wie möglich aufs andere Bein und sah hilflos zu seiner Fee auf. Wenn er wenigstens seinen Fuß aus dem Stiefel hätte ziehen können… Doch sein Schuhwerk saß so bombenfest wie eine zweite Haut. Navi sah sich mit einem panischen Gesichtsausdruck um. Am Horizont war bereits der Sandsturm zu sehen. Die Windhose drehte sich wie ein überdimensionierter Kreisel um den eigenen Mittelpunkt und der aufgewirbelte Sand wirkte wie eine massive, bebende Wand, die kurz vorm Einbrechen stand. Der Blick der Fee wanderte weiter und sprang unruhig hin und her. Irgendwo musste es doch etwas geben, das Link aus seinem Schlamassel helfen konnte. Sie brauchten so etwas wie einen Baum, an dem der Recke seinen Enterhaken befestigen konnte, um sich aus dem Treibsand zu ziehen. Doch wohin die Fee auch schaute – weit und breit wuchs absolut nichts. Links Bein versank immer tiefer und tiefer und allmählich machte sich Verzweiflung breit. Wie lange würde es dauern, bis der Treibsand ihn soweit in die Schieflage gezogen hatte, dass er das Gleichgewicht verlieren und kopfüber in den Graben stürzen musste? Die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen suchte Navi fieberhaft nach einem anderen Plan. Es musste doch möglich sein, Link irgendwie aus dem Treibsand zu ziehen. Wieso nur musste sie dermaßen schwach sein?! Wenn sie nur ein bisschen stärker gewesen wäre, wäre die Lösung des Problems so einfach gewesen… Die Fee war drauf und dran, sich zum ersten Mal seit ihrem Kennenlernen Shiek an ihre Seite zu wünschen, als sie endlich eine Kiste am gegenüberliegenden Rand des Grabens entdeckte. Sofort schoss sie zu ihrem Schützling herab und deutete auf ihren Fund. „Sieh mal! Mit etwas Glück ist die Truhe dahinten schwer genug und du kannst dich ans Ufer ziehen!“ Link nickte und zerrte so schnell er konnte seinen Enterhaken hervor. Das Klirren der Kette schallte schmerzhaft laut in den Ohren des Recken, bevor das Endstück krachend das Holz der Kiste durchschlug. Nachdem der Herr der Zeiten den Aufrollmechanismus betätigt hatte, tat sich einige Zeit lang gar nichts. Obwohl Link bereits das Gefühl hatte, ihm würden die Arme ausgerissen, steckte sein Bein noch immer fest. Die Zähne fest zusammenbeißend umklammerte der Recke den Haltegriff des Enterhakens und kniff die Augen zusammen, um den Schmerz soweit wie möglich zu ignorieren. Der Schweiß lief ihm in breiten Bahnen über den geschundenen Körper und tropfte in dicken Perlen von seiner Nasenspitze, als sein Fuß sich endlich löste. Von einem schmatzenden Geräusch begleitet wurde Links Bein aus dem Treibsand gezogen und der junge Mann sauste durch die Luft auf die Truhe zu. Kaum, dass er wieder festen Untergrund unter den Füßen hatte, gaben seine Knie nach und er sank zitternd zu Boden. Als er aus großen Augen zu seiner Fee aufsah, wirkte er dermaßen verletzlich und zerbrechlich, dass es ihr im Herzen wehtat. „Das hätte ganz schön schief gehen können. Ich hatte echt Angst, dass ich da nie wieder rauskomme.“ Hinter seinem unteren Lid sammelten sich Tränen, die er sogleich wieder wegblinzelte. Navi zeigte ein schiefes Lächeln und bemühte sich, ihren Schützling wieder aufzumuntern: „Aber du hast es geschafft. Jetzt steh wieder auf. Die Göttin des Sandes wartet auf uns.“ Link nickte zaghaft und hievte sich wieder auf die Füße, bevor er sich der aufgewirbelten Sandwand hinter sich zuwandte. Der Schreck saß dem jungen Recken noch immer in den Gliedern und seine Beine fühlten sich seltsam schwer an und brannten wie von Muskelkater. Doch der Krieger ignorierte die Rufe seines Körpers nach einer ausgedehnten Ruhepause und schleppte sich verbissen weiter vorwärts. Denn selbst wenn er die Zeit für eine ausgiebige Rast gehabt hätte, hätte die unwirtliche Umgebung ihn zum schnellen Weitermarsch gezwungen. Seine Kehle fühlte sich bereits rau und ausgedörrt an, obwohl er erst wenige Stunden unterwegs war. Nur zu gerne hätte er eine Flasche Milch oder Wasser aus seinem Wunderbeutel hervorgeholt und einen großen Schluck genommen, aber er fürchtete, seine Vorräte könnten zu schnell zur Neige gehen, wenn er sie nicht streng rationierte. Also heftete er stattdessen seinen Blick stur auf die immer näher kommende Wand aus aufgewirbeltem Sand und ignorierte seinen Durst. Navi rutschte unterdessen unruhig auf seiner Schulter hin und her und klammerte sich an einer seiner langen Strähnen fest. „Hast du Angst?“ Links Mundwinkel zogen sich unwillkürlich in die Höhe, als er daran denken musste, wie ungern seine Fee Schwächen eingestand – selbst wenn diese offensichtlich waren. Zu seiner Überraschung nickte sie dieses Mal jedoch und verriet: „Ich hab Bedenken, dass der Sandstaub uns die Atemwege verstopft. Diese heiße Luft ist so schon schwer genug zu atmen. Außerdem…“ „Außerdem was?“ Bei dem verlegen klingenden Unterton in Navis Stimme horchte Link interessiert auf. „Naja…“, druckste die geflügelte Frau herum, „ich bin eine Fee. Wir wiegen nun mal nicht besonders viel. Was, wenn der Sturm mich davonweht?“ „Das wäre wahrlich eine Wohltat…“ Geschockt riss Navi den Kopf herum und starrte ihrem Schützling entsetzt ins Gesicht. Das konnte er doch wohl nicht ernst meinen?! Nicht nach allem, was sie gemeinsam durchgestanden hatten! Als sie schließlich das Zucken seiner Mundwinkel und das amüsierte Glitzern in seinen Augen bemerkte, trat sie ihm mit voller Kraft gegen den Kieferknochen. „Du bist ein Idiot!“ Sie funkelte giftig zu ihrem Begleiter herauf und hoffte inständig, dass er ihren Tritt gespürt hatte. Dieser brach jedoch nur in Lachen aus und warf ihr einen verschmitzten Blick zu. Doch bevor Navi sich vollends ins Schmollen zurückziehen konnte, lenkte Link ein: „Du bist manchmal eine echte Nervensäge, aber ich würde dich vermissen. Deswegen versteckst du dich am besten in meiner Hemdstasche, bis wir den Sturm hinter uns gelassen haben. Dort drin dürfte dir auch der Sand nichts anhaben können.“ Die Fee reckte in einer schnippischen Geste die Nase gen Himmel und verschwand wortlos unter der Tunika ihres Begleiters. Als dieser daraufhin in sich hineinlachte, bebte und dröhnte sein gesamter Brustkorb. Dessen ungeachtet, schlüpfte Navi geschwind in die Brusttasche von Links weißem Hemd und machte es sich in ihrem engen Versteck so bequem wie möglich. Dank der Goronen-Rüstung war es in der kleinen Höhle eiskalt und die Farbe von Navis Feenglanz wechselte von einem roten Strahlen zu einem bläulichen Glimmen. Bei jedem Schritt, den ihr Begleiter tat, schaukelte das Versteck der Fee hoch und runter, sodass sie sich beinah wie in einer Wiege fühlte. Lächelnd schmiegte sie sich gegen die Brust ihres Schützlings und lauschte dem gleichmäßigen Rhythmus seines Herzschlags. Unterdessen bekam der Herr der Zeiten zu spüren, was seine Freundin gemeint hatte, als sie sich Sorgen um den Sandstaub in der Luft gemacht hatte. Bei jedem Luftholen atmete Link feine Sandkörner ein, die sich in seiner Nase und Lunge festsetzten und ein unangenehmes Kratzen verursachten. Um sich zumindest ein wenig davor zu schützen, zog der junge Mann seinen Hemdkragen hoch und schnürte ihn über seinem Nasenbein fest zusammen. Aus Richtung seiner Achseln drang ein leichter, aber dennoch beißender Schweißgeruch zu ihm herauf und er hatte sogleich Mitleid mit seiner Fee, die der Quelle des Gestanks so viel näher war. Er konnte nur hoffen, dass sie den Sturm schnell hinter sich lassen würden. Als er schließlich am Rand der tosenden Windmauer angelangte, streckte der Recke geradezu ehrfürchtig die Hand aus und schob sie in die fast undurchlässig wirkende Wand hinein. Die herumwirbelnden Sandkörner prasselten mit derartiger Gewalt auf seine halbnackten Finger, dass es sich anfühlte als würden sie Haut und Fleisch von den Knochen schmirgeln. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen ließ Link die Hand sinken und holte tief Luft, bevor er sich einen Ruck gab und in den Sturm hineintrat. Der Wind riss an seinen Haaren, zerrte sie mal in die eine, mal in die andere Richtung und schlug sie ihm wie Miniaturpeitschen ins Gesicht. Die feinen Sandkörner wurden mit Macht durch die feinen Maschen seiner Kleidung gedrückt und machten dem Herrn der Zeiten trotz der Stoffbarriere des hochgezogenen Hemdkragens das Atmen schwer. Das Jaulen des Sturms war so laut, dass es dem Mann in den Ohren schmerzte, und der aufgewirbelte Staub ließ seine Augen brennen und tränen. Dennoch blinzelte er tapfer gegen den Sand an und hielt nach den Fahnen, die ihm den Weg weisen sollten, Ausschau. Doch wohin er seinen Blick auch lenkte, er sah nur eine verschwommene, gelbbeige Fläche. Trotz der zusammengekniffenen Lider trafen einzelne Sandkörner hart auf seine Hornhaut und verursachten einen stechenden Schmerz in seinen Augäpfeln. Gerade, als er in seiner Verzweiflung die Göttinnen um Beistand anflehen wollte, entdeckte er endlich am Horizont ein im Wind flatterndes Tuch. Vor Erleichterung, endlich einen Anhaltspunkt zu haben, stürzte der Recke in Richtung des roten Farbkleckses davon. Im weichen Sand versanken seine Füße bis zu den Knöcheln, was ihn mehrfach stolpern und hinfallen ließ. Die Zähne fest aufeinander gebissen rappelte der junge Krieger sich jedes Mal wieder auf und kämpfte sich weiter vorwärts. Das Tuch erwies sich als eine alte, ausgefranste Hose, die jemand an einen hohen Mast gebunden hatte. Irritiert warf Link die Stirn in Falten und wunderte sich stumm über diese seltsame Flagge. Dann wandte er sich schnell um und hielt nach der nächsten Fahne Ausschau. Dieses Mal entdeckte er den roten Flecken am Horizont bereits nach wenigen Minuten und eilte geschwind darauf zu. Die feinen Sandkörner, die vom Sturm durch die Maschen seiner Kleider gedrückt wurden, kratzten Link im Hals und ließen ihn keuchend husten. Hitze und Anstrengung ließen dem Krieger den Schweiß in breiten Bahnen über den Körper strömen. Seine Beine brannten vor Anstrengung, doch Link dachte nicht im Traum ans Aufgeben. Sobald er die nächste Flagge erreicht hatte, suchte er beinah tränenblind den Horizont nach dem nächsten Orientierungspunkt ab. Bei jeder Bewegung seiner Lider kratzten die darunter gefangenen Staubkörner unangenehm über die Hornhaut seiner Augen. Es erschien ihm kaum vorstellbar, je wieder ohne Schmerzen blinzeln zu können. Navi rutschte unterdessen nervös in seiner Hemdtasche hin und her. Die Enge ihres Verstecks und die Tatsache, dass sie nicht wusste, wie lange sie noch dort ausharren musste, machten sie zunehmend nervös. Der beißende Schweißgeruch, der sich von Links Achseln ausgehend unter seiner Kleidung ausbreitete, trug ebenfalls nicht zum Wohlbefinden der Fee bei. Zu ihrem Leidwesen erwies sich der Sandsturm als wesentlich größer als gedacht. Link stapfte bereits seit Stunden von einer Flagge zur nächsten und fragte sich allmählich, ob er die Orientierung verloren hatte und womöglich zwischen bereits passierten Markierungspunkten hin und her irrte. Seine Kehle war inzwischen staubtrocken und seine Zunge klebte unangenehm am Gaumen. Missmutig warf er einen Blick auf die fast leere Glasflasche in seiner Hand. Wenn er nicht bald eine Oase oder dergleichen fand, würde er jämmerlich verdursten… Der Herr der Zeiten sah bereits seine ausgedörrten, im Sand versunkenen Gebeine vor seinem geistigen Auge, als er am Horizont die letzte Flagge entdeckte. Anders als die bisherigen Fahnen, war dieses rote Tuch nicht an einem hölzernen Mast befestigt, sondern hing nahezu unbewegt an der Spitze eines turmartigen Gebäudes. Erleichtert darüber doch nicht im Kreis gelaufen zu sein, hastete Link mit neuem Mut darauf zu. Je näher der junge Recke dem Gebäude kam, desto mehr flaute der Wind ab, bis Link den Sturm schließlich ganz hinter sich ließ. Den Kopf wie ein nasser Hund hin und her werfend, schüttelte der Kämpfer den Sand aus seinem Haar und klopfte ihn aus seinen Kleidern, bevor er tief durchatmete und seine Fee wieder hervorholte. Diese schoss von der Handfläche ihres Schützlings aus in die Luft und wirbelte aus Freude über die neugewonnene Bewegungsfreiheit umher wie eine schwebende Tänzerin. Im Osten ging allmählich der Mond auf und überzog das rotgoldene Licht der Abendsonne mit einem silbrigen Schleier. Während Link versuchte, den Sand aus seinen Augen zu reiben, betrachtete Navi das Gebäude, das in einigen Metern Entfernung vor ihnen in den Himmel ragte. Es schien Jahrhunderte oder gar Jahrtausende alt zu sein und war halb in sich zusammengefallen. An mehreren Stellen waren einige der schwarzgrauen, nur grob behauenen Steine aus den Mauern gebrochen und in den Sand gestürzt, wo sie noch immer lagen wie achtlos ausgestreute Saatkörner. Die Arme vor der Brust verschränkt und den Kopf schiefgelegt, dachte Navi, dass das Bauwerk wie der Bergfried einer mächtigen Burg wirkte. Ob der Sand den Rest des Gebäudes unter sich verbarg? Die Fee versuchte, sich auszumalen wie eine solche Wüstenburg zu ihren besten Zeiten ausgesehen und welchem Zweck sie wohl gedient haben mochte. Sie war derart in Gedanken versunken, dass sie erst mit Verzögerung registrierte, dass ihr Begleiter sich schon wieder in Bewegung gesetzt hatte. So schnell sie konnte, schloss sie zu ihm auf und sagte: „Wüstennächte sind bitterkalt. Wir sollten uns einen Unterschlupf suchen, bevor der Frost kommt.“ Link nickte und deutete auf den verfallenen Turm vor ihnen. „Ich dachte mir, wir übernachten dort. Vielleicht finden wir im Inneren sogar etwas, mit dem wir ein Feuer machen können.“ Navi nickte mit einem stolz wirkenden Lächeln auf ihren fein geschwungenen Lippen. „Das klingt nach einem guten Plan.“ Doch als die beiden Abenteurer durch die Fronttür in den Flur Gebäudes traten, wurde Navi auf einmal von einem merkwürdigen Gefühl befallen. Ihre plötzliche Anspannung registrierend, warf der Herr der Zeiten seiner Begleiterin einen alarmierten Seitenblick zu. „Was hast du?“ Eine Hand am Heft des Master-Schwerts ließ der Krieger seine Augen hin und her zucken. Hatte sich dort hinten etwas bewegt? Nein, es war nur der Schatten eines stockfleckigen Vorhangs gewesen, der sich in einem Luftzug leicht blähte. Die Fee pulte nachdenklich an einem losen Hautfetzen an ihrem rechten Daumen, während sie murmelte: „Ich weiß nicht recht. Hier ist irgendetwas, irgendeine Form spiritueller Energie.“ „Du meinst, ein Geist?“ Navi nickte zaghaft, fügte dann aber an: „Ich bin mir nicht sicher. Es könnte auch ein Irrlicht sein.“ Sofort schoben sich Bilder der vier Irrlicht-Schwestern aus dem Waldtempel vor Links geistiges Auge und der junge Krieger schauderte. Obwohl er schon härtere Kämpfe hinter sich gebracht hatte, gruselten ihn die Erinnerungen an Betty und ihre Schwestern besonders. Vielleicht, so überlegte er, hing dies damit zusammen, dass er während seiner Reise kaum ein Lebewesen getroffen hatte, das so viel pure Boshaftigkeit ausgestrahlt hatte wie diese vier Irrlichter. Als er ihnen in die Augen gesehen hatte, war es wie ein Blick in den Abyssus des Totenreichs gewesen. Um sich von diesen düsteren Gedanken abzulenken, fragte er: „Ich dachte, Geister wären gut und Irrlichter böse. Wieso kannst du nicht sagen, mit was wir es hier zu tun haben?“ „So einfach ist das nicht.“ Navi schüttelte den Kopf. „Irrlichter sind zwar mit Dämonen verbandelt, aber sie sind und bleiben freie Wesen. Sie können dir wohl- oder übelgesinnt sein – dasselbe gilt übrigens auch für Geister. Der einzige Unterschied ist, dass Irrlichter einen sterblichen, materiellen Körper besitzen, während Geister nur aus spiritueller Energie bestehen.“ Link legte den Kopf schief. „Nach unseren Erlebnissen im Waldtempel kann ich mir gute Irrlichter kaum vorstellen.“ Navi nickte und räumte ein: „Ich gebe zu, die meisten Irrlichter, deren Bekanntschaft ich gemacht habe, waren abgrundtief böse…“ Bei diesen Worten verzog die Fee für einen kurzen Moment das Gesicht zu einer Fratze der Trauer. Für den Bruchteil einer Sekunde war Link davon irritiert, doch dann fiel ihm wieder ein, dass Navi ihm im Waldtempel erzählt hatte, ihre Familie sei von den Irrlichtschwestern getötet worden. Nur zu gern hätte er seine Freundin getröstet, aber ihm kamen nur abgedroschen klingende Floskeln in den Sinn. Nach einigen Sekunden drückenden Schweigens seufzte die geflügelte Frau schwer auf und sprach weiter: „… aber es gibt Geschichten über Irrlichter, die Gutes getan und ein Gewissen besessen haben sollen.“ „Glaubst du daran?“ Die Fee verzog die Lippen zu einem schiefen, bitter wirkenden Lächeln. „Wie du dir vermutlich vorstellen kannst, fällt mir das ein wenig schwer…“ Beschämt ließ Link den Blick sinken und starrte auf seine Stiefelspitzen, als Navi versuchte, die Stimmung wieder aufzuhellen: „Ach, was soll’s? Wir halten einfach Beide die Augen offen, dann wird uns schon nichts passieren – egal, ob sich hier ein Geist oder Irrlicht rumtreibt.“ Die aufgesetzte Heiterkeit in der Stimme seiner Begleiterin brach dem Herrn der Zeiten das Herz, doch er nickte und mutmaßte: „Vielleicht haben wir ja Glück und du spürst die Präsenz des Geistes, von dem Sharline gesprochen hat – derjenige, der uns durch die Wüste führen kann.“ „Ja, vielleicht.“ Obwohl Navi sich große Mühe gab, ihre Niedergeschlagenheit zu verbergen, brach sie durch die gespielte Fröhlichkeit ihrer Stimme wie Sonnenlicht durch sich langsam auflösende Wolken. Durch den kurzen, dunklen Flur gelangten die beiden Abenteurer in das Treppenhaus des Turms. Eine breite Wendeltreppe wand sich in einem weiten Bogen um den Kern des Gebäudes. Ihre in beide Richtungen führenden Stufen wirkten ausgetreten und glatt, so als wären sie von Millionen von Füßen abgeschliffen worden. Während Link seinen Blick nach oben wandern ließ, fragte er sich, was derartige Massen an Menschen mitten in der Wüste hätten suchen sollen. Das Dach des Turms war eingebrochen und durch das Loch war der inzwischen hoch am Himmel stehende Mond zu sehen, dessen Licht die feinen, durch die Luft tanzenden Sandpartikel wie Silberpulver schimmern ließ. Obwohl dieser Anblick wunderschön war, wandte der Herr der Zeiten seine Aufmerksamkeit schnell dem unteren Weg zu. Wohin dieser führte, war nicht ersichtlich, dennoch nickte der Kämpfer seiner noch immer bedrückt wirkenden Fee zu und deutete nach unten: „Ich schlage vor, wir schauen uns mal im Keller um. Dort ist es über Nacht vermutlich wärmer als auf dem Dach.“ Tatsächlich befand sich am Fuß der Treppe eine geräumige Stube. Die dicken Teppiche, die jemand über dem Steinboden ausgebreitet hatte, waren abgetreten und durch jahrhundertealten Staub nahezu gänzlich ergraut. An einer Wand stand ein schmales Bett, dessen Matratze und Laken milbenzerfressen wirkten. Auf der gegenüberliegenden Seite klaffte ein gähnendes Kaminloch, dessen Feuerkuhle schon seit Ewigkeiten erkaltet zu sein schien. Daneben standen ein massiver Schreibtisch und das größte Bücherregal, das Link je gesehen hatte. Doch obwohl das Regal fast die gesamte Wand einnahm, gab es nicht genug Platz für all die Bücher und Pergamentrollen, die hier gelagert wurden. Mehrere Stöße Bücher standen über den ganzen Raum verteilt auf dem Boden und der Schreibtisch war mit Papieren übersät. Link ging langsam auf den Tisch zu und nahm vorsichtig eine der Pergamentrollen in die Hand. Das uralte, zigmal gegerbte Leder war inzwischen so brüchig, dass der Rand trotz aller Sorgfalt unter Links Fingern zerbröselte, und die Tinte war dermaßen ausgeblichen, dass die Buchstaben kaum noch zu erkennen waren. Doch auch bessere Leserlichkeit hätte dem Herrn der Zeiten nicht weitergeholfen. Denn egal wie sehr er sich auch konzentrierte, er konnte kein einziges Wort entziffern. Die Buchstaben sahen zwar ein wenig wie hylianische Schriftzeichen aus, wirkten jedoch gleichzeitig auch vollkommen fremd. „Hey, Navi!“ Der junge Kämpfer warf seiner Freundin einen Blick über die Schulter hinweg zu. „Sieh dir das hier mal an. Kannst du das lesen?“ Von natürlicher Neugierde getrieben, eilte die Fee, die bislang in der Mitte des Raums verharrt und die Stube mit ihrem hellen Glanz erleuchtet hatte, herbei und betrachtete nachdenklich die Pergamentrolle. „Das ist Alt-Hylianisch! Diese Schriften müssen Jahrhunderte alt sein!“ „Heißt das, du kannst es lesen?“ Die geflügelte Frau nickte bedächtig. „Es ist eine ganze Weile her, seit ich die altertümlichen Sprachen studiert habe, aber ich denke, ich werde es entziffern können. Gib mir ein wenig Zeit.“ Link nickte und legte das Pergament ausgebreitet auf dem Schreibtisch ab. Dann wandte er sich um und verkündete: „Ich mach uns derweil ein Feuer – es wird allmählich ganz schön kühl.“ Navi, die sich bereits voll und ganz auf die alten Dokumente konzentrierte, brummte etwas Unverständliches, was ihren Schützling in sich hinein grinsen ließ. Navi war trotz ihres aufbrausenden Temperaments die geborene Gelehrte. Wann immer es etwas zu erforschen gab, war sie sofort Feuer und Flamme und blendete alles andere gänzlich aus – sogar die eigene Trauer. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen blickte der Herr der Zeiten sich auf der Suche nach Brennmaterial in der Kammer um. Theoretisch hätte er einige der alten Bücher verheizen können, aber das hätte Navi niemals zugelassen. Also entschied er sich dafür, lieber das Bett auseinanderzunehmen. So gammelig wie die Laken aussahen, wollte er darin sowieso nicht schlafen. Also durchquerte er mit wenigen Schritten den Raum und riss mit einer kraftvollen Bewegung das Oberbett herunter. Das klappernde Geräusch, das dabei erklang, ließ den Recken ein wenig zusammenzucken. Selbst Navi blickte kurz von ihren Schriften auf und fragte: „Was war das?“ „Keine Ahnung.“ Das Herz schlug dem jungen Mann bis zum Hals, als er neben dem Stoffbündel in die Hocke ging und die Decke langsam zur Seite zog. „Heiliger Deku!“ Link verlor bei seinem Versuch zurückzuweichen das Gleichgewicht und landete mit einem Keuchen auf seinem Hintern. Zwischen den stockfleckigen Tüchern hatte sich ein offensichtlich menschliches Skelett verfangen, dessen Totenschädel den Herrn der Zeiten fratzenhaft anzugrinsen schien. Während Link die Gebeine mit schockgeweiteten Augen anstarrte, kommentierte seine Fee trocken: „Gut, dass du sowieso nicht in dem Bett schlafen wolltest.“ Ein wenig benommen nickend, kam der junge Mann wieder auf die Füße und stopfte die Laken und Knochen mit mechanischen Bewegungen in den Kamin, bevor er sich daranmachte, das Holzgestell des Bettes mit dem Goronenhammer zu zerkleinern. Dann schnappte der junge Recke sich die zwei kleinen Feuersteine, die auf dem Kaminsims lagen. Nur Minuten später schlugen die ersten Flammen hoch und verschlangen von einem gemütlichen Knistern begleitet das trockene Holz. Eine Zeit lang saß der Herr der Zeiten stumm vor dem Kamin und starrte gedankenversunken ins Feuer, das den Raum mit einem rötlichen Schein erfüllte. Dann sah er plötzlich hoch und sagte: „Ich frage mich, wer er wohl gewesen sein mag.“ „Wer?“ Navi klang als würde sie ihrem Schützling nur halb zuhören. Link deutete auf die prasselnden Flammen. „Der Tote.“ Die Fee zuckte ein wenig gelangweilt mit den Schultern. „Ich nehme mal an, sie war die letzte Torwächterin.“ Link rutschte herum, sodass er seine Freundin ansehen konnte, ohne sich dabei den Hals zu verrenken, und blickte sie interessiert an. „Die was?“ Ohne erneut aufzuschauen, erklärte Navi: „Die Göttin des Sandes, die wie du weißt auch den Namen Geistertempel trägt, wurde bis vor wenigen Jahrhunderten noch aktiv als religiöse Stätte genutzt. Reiche Gerudo und sogar betuchte Hylianer haben regelmäßig Karawanen mit Opfergaben durch die Wüste zum Tempel geschickt. Die meisten der Pergamentrollen scheinen Aufzeichnungen über die verschickten Waren zu sein. Du musst wissen, dass nur wenige Auserwählte den genauen Weg zum heiligen Tempel kennen durften.“ Die Fee befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge und fuhr fort: „Das übliche Procedere scheint folgendes gewesen zu sein: Die Karawanen zogen bis zu diesem Turm, der damals den Namen ‚Tor zur Wüste‘ trug. Hier wurden sie von den Torwächterinnen, eine Art niederer Priesterinnen, in Empfang genommen. Diese haben dann die Lasttiere zum Tempel gebracht, während die Karawanenführer hier warten mussten.“ Link zog nachdenklich die Unterlippe zwischen die Zähne. „Ich frage mich, warum der Tempel heute nicht mehr genutzt wird. Sind die Menschen irgendwann vom Glauben abgefallen?“ Er dachte an die grausame Härte, mit der Ganondorf bewiesen hatte, dass alle Legenden und Mythen über die Göttinnen und das Triforce wahr sein mussten. „Ich glaube nicht, dass das der Grund ist.“ Navi hielt einen Bogen Pergament hoch, der eng mit fremdartigen Schriftzeichen beschrieben war. Als Link die Augen zusammenkniff und sich konzentrierte, um eventuell ein paar Worte entziffern zu können, lachte seine Fee: „Versuch’s gar nicht erst. Das hier ist – wie der Großteil dieser Aufzeichnungen – in der altertümlichem Schrift der Gerudo verfasst.“ Seufzend lehnte der Herr der Zeiten sich wieder zurück und fragte sich, warum nicht alle Völker Hyrules dieselbe Sprache sprechen konnten. Durch die auf exzessivem Handel basierende weite Verbreitung des Hylianischen vergaß Link immer wieder, dass seine Muttersprache für die anderen Völker eine Fremdsprache war. Die Stirn in Falten werfend, rätselte er, warum die Kokiri Hylianisch sprachen, obwohl sie durch den Fluch, der auf den Kokiri-Wäldern lag, von jeglichem Handel abgeschnitten waren. Was, wenn sie die Sprache extra für ihn gelernt und gesprochen hatten? Der Deku-Baum hatte immer gewusst, welches Schicksal Link aufgebürdet worden war und dass er früher oder später auf die hylianische Sprache angewiesen gewesen wäre. Konnte das sein? Hatten sämtliche Kokiri ihre Alltagssprache geändert, bloß um ihn auf seine Aufgabe vorzubereiten? Kein Wunder, dass er wie eine Bürde auf sie gewirkt hatte… Die Gedanken in seinem Kopf überschlugen sich plötzlich. Hatte er endlich den Schlüssel für das Rätsel hinter der Ablehnung, die er in seiner Kindheit permanent erfahren hatte, gefunden? Hatten einige der Kokiri ihn gemieden, weil ihnen die hylianische Sprache schwer gefallen war und sie Angst hatten durch ein Kokiri-Wort den Plan des Deku-Baums zu verraten? Links Herz trommelte wild und schnell in seiner Brust, aber er zwang sich dazu, sich wieder zu beruhigen. Nun war nicht die Zeit, über derartiges nachzudenken. Außerdem konnte er momentan nichts anderes tun als zu spekulieren. Doch er nahm sich fest vor, nach Abschluss seiner Mission einen Kokiri über den Wahrheitsgehalt seiner Theorie zu befragen. Um sich wieder ins Hier und Jetzt zurückzuholen, fragte der junge Krieger: „Was steht denn in dem Dokument?“ „Allem Anschein nach hängt der Untergang des Geistertempels als religiöse Stätte mit den letzten beiden Priesterinnen zusammen.“ Navis Stimme klang als wäre die Fee gedanklich weit weg. „Hier steht, dass die Beiden immer häufiger Opfergaben abgelehnt und sich am für die Göttinnen bestimmten Gold selbst bereichert haben. Außerdem galten sie als gerissen und skrupellos. Sie haben es sogar geschafft, einen der früheren Gerudo-Könige dazu zu bewegen, dass er ihnen die Pflege der nächsten Regenten übertrug. Damit stiegen sie de facto zu den mächtigsten Frauen im Land auf – vielleicht sogar zu den mächtigsten Gerudo überhaupt, immerhin konnten sie die künftigen Könige nach ihren Vorstellungen formen und beeinflussen.“ Die Fee strich sich eine ihrer langen Strähnen hinters Ohr und zog ein besorgtes Gesicht. „Hier steht noch etwas, das mir Bauchschmerzen macht.“ „Was denn?“ Link beugte seinen Oberkörper nach vorn und sah seine Begleiterin gespannt an. „Den Beiden wurden schon vor ihrem Amtsantritt magische Fähigkeiten nachgesagt. Offenbar gab es bei ihrer Wahl einige Unstimmigkeiten und es wurden Vorwürfe laut, sie hätten sich mit Hilfe von Gehirnwäsche Stimmen erschlichen.“ „Gehirnwäsche? Erinnerst du dich an das, was Miccahia uns erzählt hat?“ Unter Links Haut zuckten elektrische Impulse und jede Muskelfaser seines Körpers spannte sich an. Navi schüttelte jedoch den Kopf und machte ein ratloses Gesicht. Sich auf die Füße schwingend, erinnerte der Herr der Zeiten seine Begleiterin: „Ganondorf soll von zwei Hexen, angeblichen Meisterinnen der Gehirnwäsche, aufgezogen worden sein. Meinst du, das sind dieselben Priesterinnen, die schon in diesen alten Schriften erwähnt werden?“ Bei dem Gedanken an die dunklen Mächte, die einem Menschen ein derart langes Leben bescheren mochten, lief es dem Recken eiskalt den Rücken runter. Die geflügelte Frau kaute nachdenklich auf einem Daumennagel und murmelte: „Möglicherweise, ja. Der Sandsturm spräche zumindest dafür.“ Als Link sie daraufhin irritiert anblinzelte, grinste die Fee und erklärte: „Hier steht, dass der Sturm kurz nach Amtsantritt der Twinrova zum ersten Mal auftrat. Der Autor dieses Dokuments wirft ihnen vor, den Sturm mit Hilfe dunkler Magie beschworen zu haben.“ „Twinrova?“ „So lautet der offizielle Titel, den sie sich die Zwillingspriesterinnen selbst gegeben haben.“ „Ah!“ Link nickte verstehend, dann verfielen die beiden Abenteurer erneut in Schweigen, weil keiner der Beiden wusste, was er dazu noch sagen sollte. Navi widmete sich wieder den Schriftstücken, während ihr Schützling neues Holz ins Feuer warf und den Tanz der Flammen beobachtete. Sein Geist war in Aufruhr. Konnten die Zwillingspriesterinnen aus den Aufzeichnungen tatsächlich dieselben Hexen sein, die Ganondorf großgezogen hatten? Und wenn ja, welche Bedeutung hatte das für ihn als Herrn der Zeiten? War es für ihn überhaupt von Relevanz oder konnte es ihm völlig egal sein? Erst, als ihm die Augen immer wieder zufielen, rollte der junge Kämpfer sich vor dem Kamin zusammen, um sich eine Mütze Schlaf zu gönnen. Der Staub, der den Boden bedeckte, kitzelte in seiner Nase, aber Link war dermaßen ausgelaugt, dass er trotzdem innerhalb weniger Minuten einschlief. „Link! Hey! Wach auf!“ Navis Stimme war ganz nah an seinem Ohr und klang ängstlich. Innerhalb weniger Sekunden durchbrach das Bewusstsein des Herrn der Zeiten die Schlafbarriere und er schlug die Augen auf. Während des kurzen Orientierungsmoment wunderte sich ein Teil von ihm darüber, dass Aufwachen sich für ihn jedes Mal wie das Zerschlagen einer Eisdecke anfühlte, so als würde sein Geist aus den Tiefen eines zugefrorenen Sees auftauchen. Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt und das Holz zu einem Haufen rotglimmender Glut zusammengefallen – er musste also mehrere Stunden geschlafen haben. Sich gerade aufsetzend, suchte er den schummrig erleuchteten Raum nach seiner Fee ab. Diese stand neben ihm auf dem Boden und hatte ihren Glanz zu einem schwachen Schimmern gedimmt. „Was ist los, Navi?“ Obwohl er keine Gefahr ausmachen konnte, hielt ihn die Haltung seiner Fee dazu an, zu flüstern. Diese wisperte ebenso leise zurück: „Hier ist etwas.“ Erneut ließ der Herr der Zeiten seinen Blick durch die Kammer schweifen, aber auch dieses Mal konnte er nichts Verdächtiges entdecken. Die Augenbrauen verwundert zusammenziehend, fragte er sich, ob seine Begleiterin Gespenster sah und sich die Bedrohung nur einbildete. Gespenster! Natürlich! So schnell wie möglich holte der junge Mann das Auge der Wahrheit hervor und hielt es sich vors Gesicht. Zunächst wirkte alles unverändert, aber dann zuckte ein weißlicher Blitz durch Links Sichtfeld und über dem Schreibtisch schälte sich eine schemenhafte Gestalt aus der Dunkelheit. Je länger der Kämpfer zu dem Wesen herübersah, desto deutlicher nahm es die Züge einer alten, ausgemergelten Frau an. Obwohl die beiden Geister sich nicht einmal im Ansatz ähnelten, musste Link unwillkürlich an Boris denken und seine Nackenhaare stellten sich auf, als er sich an den eiskalten Hauch des Todes erinnerte, der ihn bei der Berührung des ehemaligen Totengräbers befallen hatte. Ein Schaudern unterdrückend, räusperte Link sich und fragte so ruhig wie möglich: „Ihr seid die letzte Torwächterin, nicht wahr?“ Der Geist nickte. Anscheinend war er kein bisschen überrascht davon, gesehen zu werden. „Die bin ich. Mit wem habe ich die Ehre?“ Die Stimme des Gespenstes war ein schauriges Grabesflüstern, das wie eine raue, tiefere Version des Geräusches von Nägeln auf Schiefertafeln klang. Link rappelte sich schnell auf und klopfte sich notdürftig den Staub aus den Kleidern. Navi klammerte sich an seinem Knöchel fest und ließ ihren Blick durch den Raum zucken. Dass sie den Geist nicht sehen konnte, machte sie offenbar nervös. „Mein Name ist Link. Ich bin der Herr der Zeiten.“ Irgendwie fühlte es sich für den jungen Mann noch immer seltsam an, diese Tatsache laut auszusprechen. Der Geist nickte wieder als hätte er dies bereits gewusst. „Was willst du hier?“ Der ablehnende Ton der Torwächterin ließ Links Herz in dessen Hose rutschen. Er hatte keinerlei Vorstellung davon, wie gefährlich ein Geist werden konnte, wenn er Übles wollte, oder wie man etwas, das keinen materiellen Körper besaß, bekämpfen sollte. Hart schluckend nahm er all seinen Mut zusammen: „Ich bin hier, um Euch in aller Demut darum zu bitten, mir den Weg zur Göttin des Sandes zu zeigen.“ Link hasste es, wie kriecherisch er klang. Doch es erschien ihm klüger, den Geist mit Ehrfurcht zu behandeln anstatt ihm fordernd entgegenzutreten. Dieser verschränkte die Arme vor der Brust und blaffte: „Weshalb sollte ich das tun?“ Navi machte ein schnaubendes Geräusch, das davon zeugte, dass sie den Geist offenbar hören konnte und nah dran war, ihm die Leviten zu lesen. Mit einem strengen Blick brachte der Herr der Zeiten sie zum Schweigen und erklärte: „Hyrule ist in keiner guten Verfassung. Es ist Ganondorf gelungen, das Triforce-Fragment der Kraft an sich zu reißen. Er hat das Land mit Terror und Verderben überzogen.“ Link machte einen Schritt auf den Geist zu, um seine Entschlossenheit zu unterstreichen. „Ganondorf muss aufgehalten werden – um jeden Preis! Sonst ist unser aller Heimat dem Untergang geweiht. Ganondorf wird sie in ein Freudenhaus für Dämonen verwandeln. Schon jetzt streifen Skelette und Zombies durch die Überreste dessen, was einmal Hyrule-Stadt, eine blühende Metropole des Lebens, war.“ Der Herr der Zeiten fixierte die Augen seines Gegenübers. „Es ist meine Schuld, dass es soweit kommen konnte. Ich habe Ganondorf den Zugang zum Heiligen Reich geöffnet. Nicht zuletzt deswegen ist es meine Pflicht, diesem Irren Einhalt zu gebieten. Doch dafür brauche ich die Hilfe der sieben Weisen – und aus diesem Grund muss ich zum Geistertempel.“ Die Geisterfrau wiegte grübelnd den Kopf hin und her und maß Link mit einem durchdringenden Blick. Doch anstatt die Augen niederzuschlagen, machte der junge Mann einen weiteren Schritt auf sie zu. „Bitte! Ich brauche Eure Hilfe, um meinen Fehler von damals wieder gutmachen zu können. Bitte, zeigt mir den Weg zum Geistertempel. Ich flehe Euch an! Wenn Ihr es nicht für mich tun wollt, dann tut es für Hyrule!“ Für einen langen Moment, während dem Navi nervös auf einer Haarsträhne kaute, starrten Geist und Lebender sich an. Dann nickte die Torwächterin endlich und verkündete: „Also gut, Herr der Zeiten, ich zeige dir den Weg zur Göttin. Aber nur unter einer Bedingung!“ Ohne zu zögern stimmte Link zu: „Was immer Ihr wünscht – sofern es in meiner Macht liegt.“ Ein düsteres Grinsen huschte über die transparenten Lippen des Geists, als er forderte: „Vernichte die Twinrova! Übe Rache für mich und alle, die unter den alten Hexen leiden mussten, und hilf meinen Nachfahren, den guten Namen der Gerudo wieder reinzuwaschen!“ Dann wandte die Torwächterin sich um und verließ den Raum, ohne Links Antwort abzuwarten. So schnell er konnte, schnappte sich der Herr der Zeiten seinen Schild und sein Schwert, die er gegen die Wand gelehnt hatte, bevor er es sich vorm Kamin gemütlich gemacht hatte, und hastete die Treppe nach oben. Die Geisterfrau schnaubte abfällig und tadelte: „Du musst dich ein bisschen mehr beeilen. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, die Nacht ist bald vorbei.“ Mit diesen Worten setzte die Torwächterin sich wieder in Bewegung. Navi, die sich auf Links Schulter niederließ, murmelte etwas, das verdächtig wie «unhöfliche Ziege» klang, aber ihr Schützling beachtete sie kaum. Stattdessen hastete er hinter dem Geist her und fragte ein wenig atemlos: „Spielt die Tageszeit denn eine Rolle?“ Die Torwächterin warf ihm einen genervten Seitenblick zu, erklärte jedoch: „Geister sind Geschöpfe der Nacht. Beim ersten Tageslicht müssen wir zurück ins Totenreich.“ Eine Weile stapfte Link schweigend neben dem Gespenst durch die Wüste. Sein Atem hinterließ kleine, weiße Wölkchen in der klirrendkalten Luft und er rieb sich in der Hoffnung, sich ein wenig wärmen zu können, verstohlen über die Oberarme. Um sich von der eisigen Kälte abzulenken, fragte er nach einer guten halben Stunde: „Sagt, wie fühlt es sich an? Tot zu sein, meine ich.“ Die Torwärterin zog ein pikiertes Gesicht und schnappte: „Du bist nicht besonders taktvoll!“ Navi machte ein grunzendes Geräusch, das wie unterdrücktes Lachen klang, aber der Herr der Zeiten ließ sich nicht beirren: „Mag sein, dass meine Frage taktlos war. Dann entschuldigt bitte. Ich bin manchmal neugieriger als es mit den Geboten der Höflichkeit vereinbar ist.“ Er sah die Geisterfrau mit großen, leuchtenden Augen an, doch obwohl dieser Blick ganze Gletscher hätte schmelzen können, erweichte er das tote Herz der Torwächterin nicht. Diese zeigte ihm die kalte Schulter und eilte noch ein wenig schneller durch die Wüste. Enttäuscht aufseufzend hastete Link ihr so schnell wie es ihm bei dem weichen Untergrund möglich war hinterher. Navi kicherte in sich herein und neckte ihren Schützling: „So, mein Lieber, fühlt es sich an, einen Korb zu bekommen.“ „Ach, halt die Klappe!“ Trotz der schroffen Worte verzog der Herr der Zeiten seine Lippen zu einem breiten Grinsen. Der Mond schob sich immer mehr in Richtung des westlichen Gebirgsausläufers, während die kleine Gruppe schweigend durch die Wüste wanderte. Ab und zu heulten in der Ferne Kojoten, aber ansonsten war die Nacht beeindruckend still. Bei der vollkommenen Ruhe konnte man beinahe den Eindruck gewinnen, die Zeit wäre stehen geblieben. Doch der blasse Schimmer, der sich am östlichen Horizont ausbreitete, verriet, dass allmählich der nächste Morgen anbrach. Schon bald würde die Sonne ihren Scheitel über den Erdenrand schieben. Plötzlich blieb die Torwächterin unvermittelt stehen und deutete in Richtung Norden. „Die Nacht ist um. Ich muss dich nun verlassen, Herr der Zeiten.“ Als sie seinen erschrockenen Blick sah, schien der Schatten eines Lächelns um ihre Mundwinkel zu spielen. „Hab keine Angst. Ich setze dich nicht mitten in der Wüste aus – jedenfalls nicht, ohne dir den rechten Weg zu weisen. Gehe von hier aus immer in Richtung Norden, dann gelangst du an einen schmalen Gebirgspass. Dahinter findest du die Göttin des Sandes.“ Link setzte zu einer Antwort an, doch noch bevor eine Silbe des Danks seine Lippen verlassen hatte, hatte die Geisterfrau sich bereits aufgelöst. Mit den Schultern zuckend warf der junge Krieger seiner Fee, die eine wegwerfende Handbewegung machte, einen kurzen Seitenblick zu, dann setzte er sich wieder in Bewegung. Der Weg war noch länger als der Kämpfer gedacht hatte und mit der langsam steigenden Sonne breitete sich allmählich eine ähnliche Hitze wie am Vortag aus. Mit nur wenigen Schlucken war der Rest seines Getränkevorrats ausgetrunken, was Link wieder daran erinnerte, dass er dringend eine Oase finden musste. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten die beiden Abenteurer schließlich den Gebirgspass und atmeten fast gleichzeitig auf. „Na endlich! Ich hab schon gedacht, wir kämen nie an!“ Vor Freude hätte Link am liebsten seine Mütze in die Luft geworfen. Navi hielt ihn jedoch zur Eile an: „Komm schon! Ich will die Göttin sehen! Wir sind zu nah dran, um eine Rast zu machen.“ So schnell ihn seine müden Beine trugen, durchquerte der Herr der Zeiten den Pass und staunte an dessen Ende nicht schlecht. Auch Navi sog scharf Luft ein und flüsterte leise: „Unglaublich! Wie unbeschreiblich wunderschön…“ Vor ihnen erstreckte sich ein kreisförmiges Tal, das mit hochaufragenden Palmen mit weitausladenden, saftig grünen Kronen gespickt war. Im Westen glitzerte die silbrige Oberfläche einer lebenspendenden Oase, die sogar von verschiedenen Blumen gesäumt war. Mit seinen kräftigen, perfekt aufeinander abgestimmt erscheinenden Farben wirkte das vor ihnen liegende Areal wie von der Hand eines geschickten Künstlers auf eine Leinwand gemalt. Die Schönheit des Tals verblasste jedoch angesichts der gigantischen Frauenstatue, die direkt aus dem Stein des nördlichen Gebirgsausläufers gehauen worden war. Sie war mehrere hundert Meter hoch und zeigte eine Detailverliebtheit, die jeden Betrachter unwillkürlich staunen ließ. Die Göttin des Sandes! Sie hatten es tatsächlich geschafft. Sie waren endlich angekommen. Kapitel 49: Kein Weiterkommen ----------------------------- Die Morgensonne breitete ihre Strahlen wie ein mit Silber- und Goldfäden durchwirktes Tuch über dem Tal aus, während Link und Navi langsam auf die Oase zusteuerten und sich aufmerksam umschauten. „Ich hätte nicht gedacht, dass es mitten in der Wüste so schöne Orte geben könnte.“ Der junge Krieger betrachtete versonnen einen mit Mineralen durchsetzten Stein, der im Sonnenlicht funkelte wie ein zu Boden gestürzter Stern. Seine Fee schnupperte an einer großen, weißen Blüte eines knollenförmigen Kaktusses und murmelte: „Die Gespensterwüste ist eine furchtbar unwirtliche Gegend, das stimmt.“ Sie lächelte zu ihrem Schützling herüber und dachte an den vergangenen Tag zurück. Link hatte sich trotz aller Schwierigkeiten wunderbar geschlagen. Von ihrem Herzen ausgehend breitete sich das warme Gefühl mütterlichen Stolzes aus und drückte von innen gegen ihre Rippen, so wie ein sich mit Luft füllender Ballon. Um sich von ihrer plötzlich aufkommenden Rührung abzulenken, sprach sie weiter: „Doch die Schönheit, die unter derartigen Bedingungen überlebt, ist etwas ganz Besonderes – was sie nur noch bewundernswerter macht. Es ist in gewisser Weise wie mit Diamanten. Kohle ist schwarz und langweilig, aber der immense Druck der vielen Erdschichten macht aus ihr einen der kostbarsten Edelsteine.“ Der Herr der Zeiten zog eine Augenbraue in die Höhe und wunderte sich über das alchemistische Wissen seiner Begleiterin. War dem tatsächlich so? Konnte man mit genügend Druck ordinäre Kohle in Diamanten verwandeln? Der junge Kämpfer hatte sich nie für derlei Themen interessiert und Alchemisten waren in seinen Augen allesamt arme Irre, die Kindermärchen für bare Münze nahmen und in dem Versuch, Exkremente in Gold zu verwandeln, allerhand obskure Experimente veranstalteten, bei denen sie nicht selten ihr Labor oder gar das ganze Haus in die Luft jagten. Zudem erschien es ihm ziemlich unwahrscheinlich, dass derlei Wissen und Armut gleichzeitig existieren könnten. Hätte nicht jeder aus seiner Brennkohle Diamanten gemacht, wenn man dazu nicht mehr als ein wenig Druck brauchte? Andererseits war Navi sehr belesen und irrte sich in solchen Dingen eher selten… Seine Grübeleien beiseite schiebend, neckte der Recke seine Freundin: „Bist du unter die Philosophen gegangen oder hast du letzte Nacht einfach zu wenig Schlaf bekommen?“ Als die Fee ihn daraufhin verständnislos anstarrte, hoben sich seine Mundwinkel zu einem amüsierten Grinsen: „Na, es muss doch einen Grund geben, dass du heute so viel Blödsinn redest…“ „Oh, du…!“ Navi warf ihm einen funkensprühenden, giftigen Blick zu. Doch bevor sie ihrem Schützling die Leviten lesen konnte, erwachte plötzlich der Kaktus zum Leben. Unterarmlange, dicke Stacheln schossen aus seinem fleischigen Leib hervor und spießten die erschrocken aufkreischende Fee beinahe auf. Vor den schockgeweiteten Augen der beiden Abenteurer begann die Pflanze, sich um die eigene Achse zu drehen, so als wäre sie nicht durch Wurzeln im Erdreich verankert. Der Herr der Zeiten handelte instinktiv. Noch bevor sein Bewusstsein verarbeitet hatte, was soeben passiert war, schnappte er sich seine Fee, machte auf dem Absatz kehrt und rannte wie von der Tarantel gestochen in Richtung Oase davon. Der feine Sand unter seinen Sohlen machte ihm das Rennen schwer, aber das Adrenalin in seinen Adern trieb ihn zu Höchstleistungen an. „Oh nein! Link, beeil dich!“ Navi, die ihren Kopf zwischen den Fingern ihres Schützlings geschoben und einen Blick zurück geworfen hatte, erbleichte auf einmal und verzog das Gesicht zu einer Maske der Angst. Der Kaktus, dessen bedrohlich spitz wirkende Stacheln die Luft durchschnitten wie die schmalen Lederriemen einer neunschwänzigen Katze, löste sich aus dem Boden und trudelte in einem beeindruckenden Tempo hinter dem jungen Mann her. Als wäre dies noch nicht genug, schossen wie auf ein geheimes Zeichen hin überall weitere Kakteen aus dem Boden, die wie ausgehungerte Raubtiere auf Link zustürzten. Der flüchtende Krieger riss sein Schwert aus der Scheide und schlitzte einen Angreifer der Länge nach auf, doch es dauerte nicht lange, bis dieser durch einen Artgenossen ersetzt wurde. „Ich hab meine Meinung geändert!“ Link wurde von den merkwürdigen Pflanzen von seinem Kurs abgedrängt und rannte in der Hoffnung, seine Verfolger abschütteln zu können, Haken schlagend durchs Tal. „Es ist alles andere als schön hier!“ Navi nickte zustimmend, als ihre Feensinne plötzlich anschlugen. Aufgeregt packte sie den Daumen ihres Schützlings und rief: „Link! Hier in der Nähe ist eine große Fee! Wenn wir ihren Brunnen finden, bist du bestimmt erst mal in Sicherheit.“ Neuer Mut machte sich in dem müden Kämpfer breit und er mobilisierte seine letzten Kraftreserven. Von den Anweisungen seiner Fee geleitet, hastete Link durchs Tal. Die Zahl der Kakteen wuchs stetig an, bis eine ganze Armee stachliger Verfolger hinter dem jungen Mann her war. Zu allem Überfluss flaute die Vorfreude auf einen Ausweg, die ihn zunächst beflügelt hatte, allmählich ab und bleierne Erschöpfung machte seine Beine schwer. Er stolperte immer wieder über die eigenen Füße, konnte den Sturz jedoch zum Glück jedes Mal abfangen. Wenn nicht bald etwas passierte, würde er über kurz oder lang fallen und als Hackfleisch enden… Als er die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, deutete Navi auf einen Felsspalt und rief: „Da! Da hinten!“ Mit letzter Kraft setzte der Herr der Zeiten zum Endspurt an und hastete auf die Höhle zu. Doch nur wenige Meter vor der Sicherheit verheißenden Zuflucht passierte es. Links Fuß verfing sich in einer vom Sand versteckten Palmenwurzel und er schlug hart auf dem Boden auf. Es dauerte lediglich Sekunden, bis die ersten Angreifer zur Stelle waren. Navi kreischte panisch auf und bewarf die Kakteen mit kleinen Steinchen, jedoch ohne Erfolg. Wild um sich schlagend versuchte der gestürzte Recke, sich zu verteidigen. Grünes Chlorophyll und eine wasserähnliche Substanz spritzten aus den tiefen Schnitten und tränkten den verklumpenden Sand. Schweiß rann in breiten Bahnen über Links Stirn und brannte in seinen gereizten Augen. Um ihn herum lagen bereits mehrere Dutzend toter Kreaturen, als ein Kaktus ein Loch in seiner Deckung ausnutzte und angriff. Seine langen Stacheln schlugen hart auf Links Oberschenkel und schlitzten den Muskel bis hinunter zum Knochen auf. Der gellende Schrei des Herrn der Zeiten brach sich an den Felswänden der Gebirgsausläufer rundum und brachte das ganze Tal zum Beben. Obwohl er sich am liebsten vor Schmerz gekrümmt hätte, riss Link sein Schwert hoch und streckte die nächste Welle Angreifer nieder. Scharlachrotes Blut quoll aus dem Schnitt an seinem Bein und bildete eine erschreckend große Lache am Boden, während Navi hilflos über der Wunde in der Luft schwebte und wider besseren Wissens versuchte, die auseinanderklaffenden Hautlappen mit ihren winzigen Händen zusammenzuhalten. „Ich will hier nicht sterben… nicht so kurz vor der Erfüllung meiner Mission…“ Links Sicht wurde an den Rändern allmählich unscharf und er hatte das Gefühl, von einer nachtschwarzen Dunkelheit in die Tiefe gezogen zu werden. Dennoch bemühte er sich verzweifelt darum, wieder auf die Füße zu kommen, bis sich ein weiterer Kaktus in seinem toten Winkel näherte. Als Link die scharfen Stacheln bemerkte, war es bereits zu spät. Nur noch wenige Zentimeter trennten die bedrohlichen Spitzen von seiner Brust und seinem Herzen. Plötzlich war es als liefe die Zeit langsamer, so wie kalter Honig, der zäh an einem Stab hinunterrinnt. „Neeeeeeeeiiiiiiin!“ Navis schriller Schrei klingelte in den Ohren des Kämpfers, aber das nahm er nur noch am Rande wahr. Müde und resigniert ließ der geschlagene Herr der Zeiten sein Schwert sinken, schloss die Augen und wartete ergeben auf den alles beendenden Stich, den letzten Schmerz und die ewigwährende Dunkelheit. Zu seiner Überraschung jedoch erklang ein lautes, metallisch klingendes Quietschen und kurz darauf ein überraschtes Keuchen Navis. Link blinzelte vorsichtig unter halbgeöffneten Lidern hervor, nur um die Augen im nächsten Moment irritiert aufzureißen. Um ihn herum hatte sich die Luft bläulich verfärbt und waberte umher wie von der prallen Mittagssonne aufgeheizt. Seine Fee blickte sich verwundert um und flüsterte: „Was ist das?“ Bevor Link etwas antworten konnte, erklang hinter ihm eine vertraut klingende Stimme: „Hierher, Herr der Zeiten. Schnell! Die Wirkung des Zaubers hält nicht ewig an.“ Überrascht rissen die beiden Abenteurer ihre Köpfe herum und entdeckten im Inneren der Höhle die gesuchte Feenkönigin, die über ihrem Brunnen schwebte und sie zu sich heranwinkte. Die Zähne zusammenbeißend, rappelte Link sich von einem tief aus der Brust kommenden Stöhnen begleitet auf und schleppte sich humpelnd auf den Felsspalt zu. Die Kakteen drängten ihm hinterher, aber ihre Stacheln konnten die merkwürdige Lichtbarriere nicht durchdringen. Stattdessen rutschten sie an der schemenhaften Wand ab und brachen mit einem lauten Krachen. Kaum, dass sich die beiden Abenteurer durch den engen Durchgang gezwängt hatten, hob die große Fee ihren Arm und die Felsen zogen sich augenblicklich zusammen. Link, dessen Gesicht vor Schmerz und Blutverlust bereits leichenblass war, schwankte wie ein Betrunkener. Navi lehnte sich abstützend gegen seine Stirn, obwohl sie genau wusste, dass ihr Schützling viel zu schwer für sie war und sie ihn niemals würde halten können. Doch untätig daneben zu stehen, brach ihr das Herz. „Kommt her, Herr der Zeiten. Ich werde Eure Verletzungen heilen.“ Die Feenkönigin lächelte dem Verwundeten zu und machte eine auffordernde Geste. „Du schaffst das, Link.“ Navi nickte ihrem Begleiter aufmunternd zu, während sie das Gefühl hatte, der Anblick seiner geschundenen Gestalt bohre Eislanzen in ihren Magen. Wankend wie ein Seemann beim Landgang humpelte der Recke auf den weißen Marmorbrunnen zu, der von grünbrennenden Fackeln gesäumt wurde. Als er auf den niedrigen Stufen zusammenbrach, stieß Navi einen leisen Schluchzer aus. Sie wusste, dass die Feenkönigin ihren Schützling heilen würde, doch das Bewusstsein darüber, wie knapp es dieses Mal gewesen war, machte sie fertig. Es war lediglich Glück, dass Link dem Sensenmann wieder einmal entkommen war. Dunkles Blut tropfte von seinem Bein auf den Marmor und befleckte das golden eingeprägte Triforce-Emblem. Die Feenkönigin streckte die Arme nach dem Krieger aus, legte ihre Hände auf seine Schultern und sagte in mildem Tonfall: „Ihr habt es geschafft, Herr der Zeiten. Nun haltet still. Es wird euch sogleich besser gehen.“ Sofort breitete sich eine wohlige Wärme in Links Körper aus und er fühlte sich so leicht wie eine Feder. Am liebsten hätte er sich völlig diesem Gefühl von Geborgenheit hingegeben und geschlafen, aber stattdessen blinzelte er gegen seine bleiernen Lider an und betrachtete die eigentümlich glitzernde Wand. Er fragte sich, ob es sich bei den funkelnden Edelsteinen, die den Fels bedeckten, um eine Art Feenzauber handelte, oder warum sich die Höhlen der Feenköniginnen allesamt zum Verwechseln ähnlich sahen. Plötzlich schoss ein stechender Schmerz durch seinen Fuß und der gepeinigte Kämpfer schrie auf. Er wollte sich bereits aufrappeln und davonkriechen, die große Fee beruhigte ihn jedoch: „Shht, Herr der Zeiten. Haltet still, ich bitte Euch. Es ist normal, dass es ein wenig schmerzt, wenn sich Eure Wunden zusammenziehen.“ „Ein wenig?! Das ist jawohl die Untertreibung des Jahrhunderts!“, schoss es Link augenblicklich durch den Kopf, doch er sprach es nicht aus. Stattdessen wartete er geduldig ab, bis das Stechen und Ziehen endlich wieder nachließ. Navi hockte währenddessen auf dem Sockel einer Fackel und beobachtete den Heilprozess. Vielleicht, so sagte sie sich, konnte sie sich ein wenig von ihrer Königin abschauen. Es nervte sie furchtbar, dass sie keinen einzigen Heilzauber kannte und jedes Mal dazu verdammt war, tatenlos zuzusehen, wenn ihr Schützling verletzt war. Nach nur wenigen Minuten nahm die große Fee ihre Hände von Link und forderte ihn auf: „Steht auf und schaut Euch an. Eure Wunden müssten geheilt sein.“ Ihr Gesicht wirkte ein wenig blasser als zuvor und ihre Züge wirkten abgespannt und ermattet, so als hätte der Heilzauber ihr Lebensenergie entzogen. Link, der sich noch immer fühlte als flösse flüssiges Blei durch seine Adern, rappelte sich langsam auf und wagte einen Blick an sich herab. In seiner Hose klaffte ein langer Schnitt, dessen rotgefärbten Ränder vor geronnenem Blut erstarrt waren, aber die Haut darunter war tatsächlich wieder zusammengewachsen und wirkte völlig unversehrt. Erst, als der junge Mann genauer hinsah, entdeckte er die dicke rötlichweiße Narbe, die als letzter Zeuge der Kakteenattacke zurückgeblieben war. Testweise machte er ein paar Schritte vor und zurück, um die Belastbarkeit seines Beines zu erforschen. Zu seiner großen Freude war nicht nur sein Oberschenkel gänzlich schmerzlos, auch sein Fuß tat endlich nicht mehr weh. Neugierig zog Link seinen Stiefel aus, riss Socke und Verband herunter und betrachtete seine Fußsohle eingehend. Das klaffende Loch, das der Wassertempel-Seeigel in den Fußballen gebohrt hatte, war verschwunden und hatte nicht mehr als ein rundes, blasses Mal zurückgelassen. Navi hatte unterdessen die lange Zipfelmütze ihres Schützlings, die als notdürftiger Verbandsersatz fungiert hatte, aufgehoben und auseinandergefaltet. Der grüne Stoff war über und über mit Blut, Eiter und Wundsekret besudelt, was die junge Fee angewidert das Gesicht verziehen ließ. „Die kannst du so aber nicht wieder aufsetzen…“ Link, der gerade dabei war, seinen Stiefel wieder anzuziehen, grinste. „Wieso das traurige Gesicht? Du magst es doch sowieso nicht, wenn ich sie trage.“ „Hier in der Wüste wäre sie aber ganz praktisch. Ich will nicht, dass du einen Sonnenstich bekommst.“ „Ich kann sie ja in der Oase waschen.“ Der Herr der Zeiten sprang auf die Füße und wandte sich der Feenkönigin zu. So langsam kehrte das Leben in seine müden Muskeln zurück und vertrieb das lähmende Gefühl der Erschöpfung. „Apropos Oase beziehungsweise Wüste: Danke für meine Rettung. Ohne Euch wäre ich wirklich verloren gewesen.“ Die große Fee schüttelte den Kopf und lächelte. „Ihr braucht mir nicht zu danken. Wir alle sind darauf angewiesen, dass Ihr Erfolg habt. Es ist unsere Pflicht, Euch so gut wie möglich zu unterstützen. Deswegen möchte ich Euch das hier geben.“ Sie streckte eine Hand aus und überreichte Link einen Gegenstand, der ihm wage vertraut vorkam. „Ein Zauber der Göttinnen!“ Der junge Krieger drehte das gläsern wirkende Objekt geradezu ehrfürchtig in den Händen. Es sah genauso aus wie die anderen beiden Zauber, die er bereits von anderen Feenköniginnen erhalten hatte. Der einzige Unterschied war, dass das Innere dieses Gebildes von einem pulsierenden, blauen Licht erfüllt war, anstatt Flammen oder grünliche Blitze zu beinhalten. Navi flog vor ihren Schützling und betrachtete das Geschenk interessiert, während Link seinen Blick wieder auf die große Fee richtete. Diese nickte und erklärte: „Stimmt, dies ist der letzte der drei Göttinnen-Zauber. Man nennt ihn ‚Nayrus Umarmung‘.“ „Was bewirkt er?“ Navi legte eine Hand auf die Oberfläche der merkwürdigen Skulptur und warf der Feenkönigin einen Seitenblick zu. Diese erklärte: „Es ist ein Verteidigungszauber. Ihr habt seine Wirkung bereits gesehen.“ Plötzliche Erkenntnis erhellte Navis Gesicht, als sie ausrief: „Damit habt Ihr Link vor den Monstern gerettet!“ Die Königin verzog ihre grellgeschminkten Lippen zu einem erfreuten Lächeln und lobte: „Du bist sehr klug, junge Navi.“ Als die geflügelte Frau daraufhin tief errötete, spielte der Herr der Zeiten kurz mit dem Gedanken, seine Fee zu necken, verwarf die Idee jedoch schnell wieder. „Damit solltet Ihr keine Schwierigkeiten haben, das Tal der Göttin zu durchqueren und zum Tempel zu gelangen. Doch denkt daran: Der Einsatz des Zaubers ist anstrengend und seine Wirkung hält nicht ewig an, also trödelt nicht zu sehr.“ Die Feenkönigin nickte dem Krieger ein letztes Mal zu, dann verschwand sie von einem schrillen Lachen begleitet in ihrem Brunnen. Fast zeitgleich ertönte ein schleifendes Geräusch und der Felsspalt öffnete sich wieder. Für einen Moment fürchtete Link, erneut von den Kakteen angegriffen zu werden, doch durch den Spalt war nichts anderes als goldgelber Sand zu sehen. Offenbar hatten sich die Pflanzenmonster vorerst zurückgezogen. Der junge Kämpfer legte den Kopf schief und warf seiner Fee, die noch immer verlegen wirkte, einen schelmischen Blick zu. „Dann wollen wir uns mal wieder nach draußen wagen und diesen Kakteen zeigen, was eine Harke ist. Bist du dabei?“ Navis Lippen verzogen sich augenblicklich zu einem hämischen Grinsen. „Auf jeden Fall!“ Dank Nayrus Umarmung war es ein Kinderspiel, durchs Tal zu kommen. Die Kakteen-Monster griffen zwar unablässig an, aber ihre Stacheln zerbrachen wie Zahnstocher an der Lichtbarriere des Zaubers. Während Link entspannt zur Oase marschierte, um seine Wasservorräte aufzufüllen und seine Mütze zu waschen, saß Navi auf seiner Schulter und schnitt gruselige Grimassen in Richtung der Angreifer. „Lass das, du machst sie noch wütend.“ Trotz der tadelnden Worte klang Links Stimme warm und herzlich. Seine Fee zuckte elegant mit den Schultern und mutmaßte: „Ich glaube nicht, dass sie mich überhaupt wahrnehmen. Besonders clever sind diese Biester ja ganz offensichtlich nicht. Ich würde jedenfalls nicht versuchen, mit dem Kopf durch die Mauer zu kommen.“ Mit den Schultern zuckend, schnappte der Recke sich einen kleinen Stein und begann, Wundsekret aus dem Stoff seiner Mütze zu schrubben. „Sei nicht so streng. Es sind immerhin nur Pflanzen.“ Sobald er seine Kopfbedeckung gereinigt hatte, setzte er sie noch nass auf. Irgendwie war es ein komisches Gefühl, nach dieser langen Zeit wieder eine Mütze zu tragen. Einerseits war das gegen den Nacken Schlagen des Zipfels noch immer vertraut, andererseits hatte der Herr der Zeiten sich inzwischen an das fehlende Gewicht gewöhnt. Ein leichtes Unwohlsein beiseite schiebend, machte Link sich auf den Weg zum Tempel. Bald schon, da war er sich sicher, würde die Mütze für ihn wieder wie ein zusätzlicher Körperteil sein. Außerdem brachte das Wasser zwischen den Stoffmaschen eine angenehme Kühle. Minuten später stieg Link das erste Mal die Treppen zum Tempeleingang hinauf. Aus dem Inneren schlug den beiden Abenteurern muffige, abgestandene Luft entgegen, doch sie marschierten unbeirrt weiter und traten schließlich über die Schwelle. Draußen war jeder Sonnenstrahl vom Sand reflektiert worden, was das Tal in ein grellhelles Licht getaucht hatte, aber im Tempel herrschten schummrige Lichtverhältnisse. Die große Eingangshalle war lediglich von zwei großen Fackeln, deren Flammen in einem Luftzug hin und her züngelten, erhellt. Während seine Augen sich an die neuen Umstände anpassten, fragte Link sich, wer wohl dafür sorgte, dass in jedem Tempel Lichter brannten. Ob Monster wohl Angst im Dunkeln hatten? „Link! Achtung!“ Noch bevor der Recke wieder klar sehen konnte, warf sich Navi plötzlich mit ihrem vollen Gewicht gegen die Wange ihres Schützlings, der aus Überraschung tatsächlich zur Seite taumelte. Nur Sekunden später krachte ein massiver Tonkrug neben Link an die Wand. Hätte er nicht einen Schritt nach links gemacht, wäre der Topf mit voller Wucht gegen seinen Kopf geknallt. „Woa! Was ist das?!“ Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte der junge Krieger auf die scharfkantigen Scherben neben ihm. Auch seine Fee sah ein wenig blass um die Nase aus, als sie laut überlegte: „Kann es sein, dass es eine Art Abwehrzauber der Twinrova ist?“ „Keine Ahnung… Aber was immer es ist, ich sollte mich in diesem Tempel wohl vor allem in Acht nehmen.“ Mit diesen Worten strafte der Herr der Zeiten die Schultern und wandte sich wieder der Halle vor sich zu. Neben einer breiten Treppe, die zu einer Art Zwischenstockwerk führte, standen zwei riesige Kobrastatuen, in deren Nackenschilder bronzene Schrifttafeln eingelassen waren. Als Navi diese genauer unter die Lupe nehmen wollte, erhob sich ein weiterer Tonkrug und sauste durch die Luft auf die vor Schreck erstarrte Fee zu. Ohne zu überlegen riss Link seinen Hylia-Schild nach vorn und warf sich vor den Krug. Der Aufprall schob den Recken einen guten Meter nach hinten, bevor das Tongefäß schließlich zerbrach. Navi atmete erleichtert auf und schloss für einen Moment die Augen. In der letzten Zeit war dermaßen viel passiert, dass ihre Nerven so dünn und leicht zu zerreißen waren wie Spinnenfäden. Link schüttelte seinen Schildarm aus und warf ihr einen prüfenden Blick zu. „Alles in Ordnung?“ Obwohl ihr noch immer die Knie schlotterten, nickte die Fee. „Ja, sicher. Ich schau mir mal diese Schrifttafeln an.“ Während Navi die eingravierten Schriftzeichen begutachtete, sah ihr Schützling sich im weiteren Raum um. Da er unten nichts weiter entdecken konnte, stieg er die Stufen zur Zwischenetage hinauf. Hier oben war der Boden mit einem dünnen, roten Filzteppich ausgelegt und zwei dekorative Statuen von schwerbewaffneten Gerudo-Kriegerinnen flankierten die Treppe. Auf der linken Seite entdeckte Link einen schmalen Schacht, der tiefer in den Tempel führte, doch egal wie sehr er sich bemühte – er war zu groß um hindurchkriechen zu können. Eine Zeit lang stand er grübelnd vor dem Loch, aber dann wandte er sich schulterzuckend um und betrachtete die gegenüberliegende Wand. Hier ragte ein massiver, schwarzer Steinklotz in den Raum hinein. Link warf sich sofort gegen den Quader und schob, jedoch ohne Erfolg. Der Stein bewegte sich keinen Millimeter. „Vielleicht, wenn ich die Eisenstiefel anziehe? Dann habe ich mehr Halt und rutsche nicht mehr so schnell weg“, überlegte der Krieger. Doch was in der Theorie erfolgversprechend klang, erwies sich in der Praxis als absoluter Fehlschlag. Frustriert stieg Link wieder die Treppe herab, setzte sich ein schmollendes Gesicht ziehend auf die unterste Stufe und schaute resigniert zu Navi herüber. „Sieht aus als ginge es hier nicht weiter. Hast wenigstens du etwas herausgefunden?“ Die Fee nickte und wandte sich von der Schrifttafel ab, die sie gerade gelesen hatte. „Sieht so aus als müsstest du eine kleine Zeitreise machen.“ „Hm?“ Navi deutete auf die Tafel. „Hier steht: ‚Wer die Kraft des Silbers sucht, braucht das reine Herz eines Kindes‘.“ „Die Kraft des Silbers?“ Link schob irritiert die Augenbrauen zusammen, doch seine Fee zuckte ahnungslos mit den Schultern. „Ich kann dir nicht sagen, was es damit auf sich hat. Ich nehme an, es handelt sich um eine Art Artefakt oder so. Dort drüben“, sie deutete auf die andere Tafel, „steht, dass du die Kraft des Silbers brauchst, um die Göttin zu treffen.“ Der Herr der Zeiten zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne. Wie sollte er als Kind hierher gelangen? Selbst wenn es ihm gelingen würde, die Gerudo zu überlisten, müsste er erneut die Gespensterwüste durchqueren. Er glaubte kaum, dass er als Kind stark genug war, um den schweren Enterhaken zu benutzen. Den brauchte er jedoch, um über den Treibsandgraben zu kommen. Er hatte also keine andere Wahl, er musste es versuchen… „Also gut, Navi. Lass uns eine Zeitreise machen!“ Gerade, als Link seine Okarina aus dem Wunderbeutel holen wollte, tauchte im Tempeleingang eine vertraut wirkende Silhouette auf. Der Recke kniff die Augen zusammen, um besser erkennen zu können, wer auf ihn zukam, jedoch ohne Erfolg. Doch als der Fremde zu sprechen begann, fiel es Link wie Schuppen von den Augen – Shiek! „Sieht aus als säßest du hier fest, mein Freund“, stellte der Shiekah mit einem amüsierten Unterton in der Stimme fest. Navi verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. Obwohl sie Shiek wesentlich wohlgesonnener – ja, direkt befreundet – war, seit er ihr bei Links Rettung aus dem Gerudo-Gefängnis geholfen hatte, empfand sie es noch immer als merkwürdig, dass er immer genau dann auftauchte, wenn sie und ihr Schützling in der Patsche saßen. Es war fast so als würde er sie die ganze Zeit über beobachten… Link hingegen nickte nur traurig und bestätigte: „Stimmt. Hier gibt es kein Weiterkommen. Sieht aus als müsste ich als Kind hierher zurückkommen. Es ist also mal wieder an der Zeit für eine Reise in die Vergangenheit. Aber was treibt dich hierher?“ Anstatt direkt zu antworten, legte Shiek den Kopf schief und murmelte: „Vergangenheit… Gegenwart… Zukunft… Sie wirken wie Fremde, nicht wahr? Dabei sind sie doch ein und dasselbe…“ Der leicht getrübte Ausdruck in seinem unverdeckten Auge sowie sein verträumter Tonfall ließen vermuten, dass der Shiekah mit den Gedanken weit weg war, vielleicht in seiner eigenen Vergangenheit. Als Link nichts erwiderte, fuhr Shiek nach einer kurzen Pause fort: „Ich habe dich gesucht.“ Der Herr der Zeiten hob überrascht den Kopf und sah sein Gegenüber aus großen Augen an, während Navi sich auf seine Schulter setzte. Von hier aus konnte sie den Shiekah besser im Auge behalten als aus dem schrägen Winkel vor der Schrifttafel heraus. „Du erinnerst dich daran, dass ich in der Gerudo-Festung nach einer Schriftrolle gesucht habe?“ Shiek warf Link einen fragenden Blick zu, der sich in ein erfreutes Strahlen verwandelte, als der Hylianer nickte. „Dinah – von der ich dich übrigens herzlich grüßen soll – und ich haben sie in den Archiven tatsächlich gefunden.“ „Du kommst den ganzen Weg hierher, um uns das zu erzählen?!“ Während Navi fast ein wenig anklagend klang, blinzelte ihr Schützling lediglich irritiert, bevor er gratulierte: „Ähm… das freut mich für dich?“ Der Shiekah stieß ein kleines Lachen aus und mutmaßte: „Du hast vergessen, wonach ich in der Gerudo-Festung gesucht habe, richtig?“ Augenblicklich lief Link rot an und nickte stumm, was Shiek erneut eines seiner glockenhellen Lachen entlockte, bevor er erklärte: „Die Schriftrolle, die ich gesucht – und dank Dinah auch gefunden – habe, enthält die Aufzeichnung über das letzte Teleportierlied.“ Der mysteriöse Mann schien hinter seiner Vermummung noch immer breit zu lächeln, als anfügte: „Das Requiem der Geister bringt dich jederzeit zu einer Plattform im Tal der Göttin. Damit wird es ein Leichtes für dich sein, als Kind hierher zurückzukehren.“ Link atmete erleichtert auf und auch Navi schenkte dem Shiekah ein erfreutes Lächeln, das dieser jedoch nicht beachtete. Stattdessen holte er seine Lyra hervor und spielte dem Herrn der Zeiten das Requiem so lange vor, bis dieser sich sicher war, es sich eingeprägt zu haben. „Dann sollten wir wohl schleunigst zur Zitadelle der Zeit zurückkehren.“ Link schwang sich auf die Füße und ging langsam auf sein Gegenüber zu. „Begleitest du uns?“ Lächelnd streckte er eine Hand nach seinem Freund aus, aber dieser duckte sich mit einer eleganten Drehung unter der Berührung weg. Als der Recke daraufhin ein betrübtes Gesicht zog, seufzte Shiek auf: „Es tut mir leid, aber ich habe noch etwas zu erledigen.“ Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und hastete ohne einen Blick zurück aus dem Tempel. Obwohl Link ihm fast augenblicklich hinterher stürzte, um sich wenigstens verabschieden zu können, konnte er den anderen Mann nicht mehr entdecken. Es war fast als wäre der Shiekah von einer Sandwolke verschluckt worden. Ein paar Herzschläge lang starrte der irritierte Kämpfer stumm zum Tal der Göttin herab und murmelte: „Ich wollte dich doch noch fragen, ob du etwas über die Kraft des Silbers weißt…“ Dann schüttelte er resigniert den Kopf und holte seine Okarina hervor, während Navi leise über das unhöfliche Verhalten des Shiekah vor sich hin nörgelte. Kaum, dass die letzte Note des Requiems der Geister verklungen war, lösten sich die Körper von Kämpfer und Fee in orangefarbene Lichtkugeln auf und schwebten in Richtung Horizont davon. Kapitel 50: Mit dem reinen Herzen eines Kindes ---------------------------------------------- Nur einen Herzschlag später fanden die beiden Abenteurer sich im Kirchenschiff der Zitadelle der Zeit wieder. Navi, die zum ersten Mal auf diese Weise gereist war, blinzelte irritiert und stieß verblüfft aus: „Unglaublich! Man merkt ja wirklich gar nichts!“ „Hast du etwa an meinen Worten gezweifelt?“ Der junge Krieger warf ihr einen knappen, gespielt erbosten Seitenblick zu und setzte sich anschließend in Bewegung, um das Portal zur Vergangenheit zu öffnen. Nachdenklich die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen, erinnerte die Fee sich an den Tag zurück, an dem sie den Schattentempel betreten hatten. Damals hatte ihr Schützling ein weiteres von Shieks Liedern benutzen müssen, um den Tempeleingang erreichen zu können. Ein kalter Schauer rieselte Navis Rücken hinab, als wieder die Bilder vor Augen hatte wie sich Links Körper in viele kleine Kugeln aus lilafarbenem Licht aufgelöst hatte. Ja, zu ihrer Schande musste sie gestehen, dass sie ihrem Begleiter seine Bekundungen, diese Reiseform sei alles andere als unangenehm, nicht von ganzem Herzen geglaubt hatte. Stattdessen hatte sie sich insgeheim furchtbar vor dem Moment gefürchtet, an dem sie gezwungen sein würde, ebenfalls auf diese Weise zu reisen. Doch anstatt von ihren Zweifeln und Ängsten zu erzählen, ließ sie das Thema fallen und schloss schweigend zu ihrem Schützling auf. Dieser hatte den Zeitfels bereits erreicht und zog gerade das Master-Schwert, um es wieder in den Stein zu rammen. Als er Navi in seinem Augenwinkel bemerkte, fragte er: „Bist du bereit?“ Die zierliche Fee nickte und krallte sich an dem Kragen seiner Tunika fest. Kaum, dass Link die heilige Klinge in den Fels gestoßen hatte, leuchtete das bereits bekannte, blendend helle Licht auf und die Körper von Mann und Fee schrumpften von einem widerlichen, nach splitternden Knochen klingendem Knacken auf Kindergröße zusammen. Als das bläuliche Licht wieder verschwand, fielen goldene Sonnenstrahlen durch die knapp unter der Decke angebrachten Buntglasfenster. Wie beim letzten Mal hatte Link das Gefühl, dass das Hyrule seiner Kindheit wesentlich heller war als das der Zukunft. Konnte es wirklich sein, dass Ganondorf selbst die Sonne verdunkelt hatte? Mit einem knappen Kopfschütteln verdrängte der Knabe derlei Gedanken schnell. Er hatte keine Zeit, um wegen soetwas ins Grübeln zu verfallen – schließlich wartete der Geistertempel auf ihn. Geschwind schälte er sich aus seinen zu groß gewordenen Kleidern und zerrte eine Kindertunika aus seinem Wunderbeutel. Nachdem er sich diese über den Kopf gezogen hatte, wandte er sich an seine geduldig wartende Fee: „Dann wollen wir mal!“ Navi nickte und setzte sich auf ihren Stammplatz auf seiner Schulter. Während der Junge das Requiem der Geister auf der Okarina spielte, summte das Feenmädchen leise mit und wiegte sich sanft im Takt. Nach nur einem augenaufschlagkurzen Moment fanden die Beiden sich im Tal der Göttin wieder. Sie standen auf einer fast vollständig vom Sand verdeckten Steinplatte, die sich auf der Ostseite des Tempels befand. Von hier aus waren es einige Meter bis zum Eingang. Link sah sich aufmerksam nach allen Seiten hin um, ob er Gefahren ausmachen konnte. Tatsächlich standen unweit von ihm mehrere Kakteen, die genauso aussahen wie die Monster, die ihn als Mann beinah getötet hatten. Navi, welche die verdächtig wirkenden Pflanzen ebenfalls bemerkt hatte, sagte mit einem angespannten Unterton in der Stimme: „Das könnte gefährlich werden.“ Der junge Herr der Zeiten nickte und murmelte: „Ich werde versuchen, zum Tempeleingang zu rennen. Mit etwas Glück schaffe ich es, den Treppenabsatz zu erreichen, bevor die Viecher mich eingeholt haben. Doch zur Not, hab ich ja das hier…“ Er ließ seine rechte Hand in seinen Lederbeutel abtauchen und zog Nayrus Umarmung hervor. Den Zauber fest umklammert lief der Recke los und hielt stur auf den Eingang zu. Es dauerte nur Sekunden, bis die Kakteen ihn bemerkt hatten und auf ihn zuschossen. Wie schon beim letzten Mal sprießten die Pflanzenmonster plötzlich überall unangekündigt aus dem Boden und versuchten, den Rennenden mit ihren langen Stacheln aufzuspießen. Link hetzte Haken schlagend durchs Tal, ohne dabei sein Ziel aus den Augen zu verlieren. Die Kakteen schienen noch schneller als zuvor zu sein, aber das war allein der Tatsache geschuldet, dass Links kindlicher Körper kürzere Beine hatte und der Herr der Zeiten deswegen nicht mehr so schnell sprinten konnte. Doch zu seiner großen Freude brachte er in dieser Form auch wesentlich weniger Gewicht auf die Waage, weswegen er nicht mehr so tief im Sand versank, was das Laufen bedeutend leichter machte. Flink wie ein Wiesel huschte der Knabe zwischen den Monstern hindurch, sprang geschickt aus ihrer Reichweite und hielt entschlossen auf den Geistertempel zu. Navi klammerte sich unterdessen an seinem Kragen fest und betete stumm zu den Göttinnen, sie mögen ihre schützende Hand über Link halten. Tatsächlich gelang es dem Recken dieses Mal auch ohne den Einsatz von Nayrus Umarmung, den Treppenabsatz unverletzt zu erreichen. Seine Verfolger blieben vor dem niedrigen Steinpodest wie angewurzelt stehen und schienen wütend zu dem jubelnden Jungen heraufzustarren. Dieser streckte die Zunge heraus und drehte ihnen eine lange Nase, bevor er sich umwandte und die Stufen hinaufstieg. „Ich frage mich, woher diese Biester wissen, wo du bist“, grübelte Navi laut, während ihr Schützling sich dem Eingang näherte. „Keine Ahnung. Spielt das eine Rolle?“ „Naja, irgendwie schon. Nehmen wir mal an, sie würden dich mit Hilfe deines Geruchs orten. In diesem Fall wäre es vielleicht hilfreich, dich mit einem Parfum aus Kakteenblüte einzureiben oder so. Dann wäre nicht jede Taldurchquerung ein solcher Hürdenlauf.“ Link nickte verstehend, strich jedoch heraus: „Aber dafür bräuchten sie wohl so etwas wie eine Nase…“ Seine Fee seufzte auf und gestand: „Das ist das Problem an der Sache. Ich entdecke nichts an ihnen, das aussieht wie eine Nase oder Ohren. Ich glaube nicht, dass sie dich riechen oder hören können.“ Sie zog ein nachdenkliches Gesicht, das auf einmal von Erkenntnis erhellt wurde. „Sicher doch! Ich hab’s!“ Ihr Schützling warf ihr einen neugierigen Blick zu. „Tatsächlich?“ „Ja.“ Die Fee nickte eifrig, doch dann trübten sich ihre Augen. „Allerdings wird uns das nicht weiterhelfen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dich über die Erschütterungen im Boden ausfindig machen. Sobald du deinen Fuß auf den Sand setzt, kommen die kleinen Körner in Bewegung. Diese breitet sich für uns nicht wahrnehmbar immer weiter aus, bis sie die Kakteen erreicht und ihnen verrät, wo du bist.“ Der Herr der Zeiten blickte zweifelnd und blieb auf der Schwelle zum Tempel stehen. „Wie soll das denn funktionieren?“ „So ganz genau weiß ich das auch nicht“, räumte Navi zerknirscht klingend ein, „aber ich habe in einem Buch gelesen, dass manche Wissenschaftler vermuten, dass Raubfische ihre Beute auf eine ähnliche Weise ausfindig machen. Beweisen konnte es bislang jedoch keiner.“ „Hm.“ Wenig überzeugt verschränkte der Knabe die Arme vor der Brust, lehnte sich gegen den Türrahmen des Eingangsportals und schaute zu den sich allmählich wieder im Tal verteilenden Kakteenmonstern zurück. Konnte es wirklich so sein wie Navi vermutete? Es klang schon arg weit hergeholt… Die junge Fee ließ sich von der zweifelnden Miene ihres Freundes nicht beirren und strich heraus: „Denk doch mal dran: So lange du auf der Teleportierplattform gestanden hast, hat sich keines der Wesen geregt. Und sobald du die Treppe erreicht hattest, haben sie die Verfolgung aufgegeben. Sie greifen dich nur an, solange du dich auf Sand bewegst. Ich bin mir sicher, dass es damit zusammenhängt, dass sie dich ansonsten nicht orten können.“ „Ja, möglicherweise hast du Recht. Aber was bringt uns dieses vermeintliche Wissen?“ Link löste sich wieder vom Türrahmen und sah Navi herausfordernd an. Diese hielt trotzig dagegen: „Im Moment nicht viel, das stimmt. Aber vielleicht stampfst du auf dem Rückweg mal nicht auf den Boden wie ein übergewichtiger Gorone. Dann fällt es den Monstern bestimmt schwerer, dich zu finden und sie greifen dich nicht gleich in Massen an.“ Der junge Kämpfer zog ein latent beleidigtes Gesicht und murrte: „Ich werde mal sehen, was sich machen lässt…“ Dann wandte er sich um und betrat ohne weiteres Zögern den Geistertempel. Aufgrund seiner geringeren Körpergröße wirkte die Eingangshalle des Geistertempels dieses Mal noch imposanter. Der Junge blickte sich skeptisch um, um eventuelle Angreifer schnell ausfindig machen und abwehren zu können. Dass Navi und er bei ihrem letzten Besuch von den fliegenden Tonkrügen überrascht worden waren, hatte ihn vorsichtig werden lassen. Während der Knabe sich nur langsam schleichend in den Raum wagte, preschte seine Fee unbekümmert vor und warf ihrem Schützling einen ungeduldigen Blick zu. „Was machst du denn da? Wir haben nicht ewig Zeit!“ Link stieß ein abfälliges Schnauben aus und wies seine Begleiterin zurecht: „Du bist viel zu leichtsinnig! Wie soll ich dich beschützen, wenn du nicht in meiner Nähe bleibst?!“ Anstatt getroffen zu ihrem Freund zurückzukehren, machte Navi eine wegwerfende Handbewegung und lachte: „Vor was willst du mich hier denn schützen? Du bist ein echter Hasenfuß, Link.“ „Dürfte ich dich daran erinnern, dass du beinah von einem fliegenden Tontopf an der Wand zermatscht worden wärst, als wir zuletzt hier waren?“ Der Herr der Zeiten zog ein mürrisches Gesicht, während seine Fee ihn weiterhin amüsiert angrinste. „Das hab ich nicht vergessen. Aber sieh dich hier doch mal um.“ Die geflügelte Frau machte eine ausladende Geste, die den gesamten Raum einschließen sollte. „Fällt dir denn gar nichts auf?“ Link ließ seinen Blick irritiert durch die Halle wandern. Auf was wollte Navi heraus? Als der Junge nichts Auffälliges entdecken konnte und immer ratloser dreinschaute, seufzte seine Fee theatralisch auf und erklärte: „Die Krüge sind alle kaputt. Sieh mal dort…“ Sie deutete auf eine Raumecke und Link stellten sich augenblicklich die Nackenhaare auf. Auf dem Boden lagen die Scherben mehrerer Tonkrüge und glänzten matt im Fackelschein. Der Knabe ging neben der zerbrochenen Töpferware in die Knie und murmelte: „Wie kann das sein?“ Navi, die die ängstliche Reaktion ihres Begleiters nicht nachvollziehen konnte, schnaubte: „Na, wie wohl? Du hast sie doch vorhin selbst zerschlagen…“ Als Link den Kopf hob, um seine Begleiterin anzusehen, waren seine Augen stark geweitet und verliehen ihm einen panischen Ausdruck. „Das macht keinen Sinn, Navi. Wir waren in der Zukunft hier. Die Krüge, die ich kaputt gemacht habe, sind vielleicht noch nicht einmal hergestellt worden.“ Allmählich machte sich Verstehen auf dem Gesicht der Fee breit und sie flüsterte: „Aber das bedeutet…“ „Richtig“, fiel ihr Schützling ihr ins Wort, „das bedeutet, dass wir höchstwahrscheinlich nicht allein sind.“ Kaum, dass Link diese Erkenntnis ausgesprochen hatte, bohrte sich ein Pfeil neben seinem Kopf in die Wand. Die beiden Abenteurer sprangen erschrocken auseinander und blickten sich suchend um. Aus welcher Richtung war der Pfeil abgeschossen worden? Wo versteckte sich der Angreifer? „Eines muss man Ganondorf lassen – er weiß, wie man Eindringlinge fernhält!“ Navi huschte so schnell wie möglich unter Links Mütze und krampfte ihre winzigen Hände in sein Haar. Nur Sekunden später wurde ein weiterer Pfeil abgeschossen, der surrend durch die Luft zischte und das rechte Bein des jungen Recken nur knapp verfehlte. „Wagt es ja nicht, mich mit Ganondorf in einen Topf zu werfen!“ Die Stimme einer jungen Frau schallte durch den Raum und Link drehte sich kreiselnd um die eigene Achse, um die Angreiferin ausfindig zu machen – jedoch ohne Erfolg. Da ihm nichts Besseres einfiel, rief er schließlich: „Wenn du nicht zu Ganondorf gehörst, wer bist du dann? Und was suchst du dann hier?“ „Dasselbe könnte ich dich fragen!“ Die Stimme hallte von den hohen Wänden wider und schien aus mehreren, teils gegensätzlichen Richtungen gleichzeitig zu kommen. „Der Geistertempel ist seit Jahrhunderten das bedeutendste Heiligtum meines Volkes. Ich habe jedes Recht, hier zu sein – aber das gilt nicht für dich. Also lege mir deine Absichten offen oder verschwinde!“ Als wollte die Unbekannte ihren Worten zusätzliches Gewicht verleihen, feuerte sie einen dritten Pfeil direkt vor Links Füße. Dieser stieß einen erschrockenen Schrei aus und machte einen beeindruckenden Satz nach hinten. Seine Fee hingegen schnappte mit einem Laut der Erkenntnis nach Luft, schob ihren Kopf unter dem Saum der Mütze hervor und rief: „Naboru! Du bist Naboru, nicht wahr?“ Hinter einem der oberen Treppenpfeiler wurde ein feuerroter Haarschopf sichtbar und kurz darauf erhob sich die junge Gerudo vollständig. Ihren schwarz gebeizten Bogen hielt sie dabei schützend vor sich, einen Pfeil eingelegt und die Sehne halb gespannt. „Wer will das wissen?“ Ihre bernsteinfarbenen Augen funkelten skeptisch und der harte Zug ihrer vollen, grell geschminkten Lippen verriet Ablehnung. Auf den ersten Blick sah die Fremde wie eine gewöhnliche Gerudo-Kriegerin aus. Sie trug die übliche Uniform, in die sich auch die ordinären Wachen des Wüstenvolks hüllten. Jedoch strahlte ihre in einem blütenreinen Weiß, das lediglich um die Knie herum leicht verfärbt war. Link hatte sich während seines Aufenthalts in der Gerudo-Festung bereits zusammengereimt, dass es ein besonderes Privileg der Elitekriegerinnen war, die Farbe ihrer Uniform selbst zu wählen. Dieser Eindruck der Besonderheit wurde zusätzlich noch durch den fehlenden Schleier und ihren im Fackelschein schillernden Schmuck unterstrichen. Um ihre Oberarme wanden sich dicke Schlangen aus massivem Gold und an ihren Ohrläppchen hingen goldene Dreiecke. Ihr Halsband bestand ebenfalls aus kunstvoll gehämmertem Gold und war mit einem babyfaustgroßen Rubin versehen. Zusätzlich trug die Gerudo ein filigranes Diadem, das auf der Stirn der Frau, wo ein weiterer Edelstein im Fackelschein funkelte, zusammenlief. Selbst ihr Haarreif, der ihren kräftigen Zopf zusammenhielt, war mit einem blutroten Stein versehen. Ganz offensichtlich handelte es sich bei der jungen Frau um eine bedeutende Persönlichkeit. Als sich Links Zweifel an ihrer Identität verflüchtigten, entspannte sich sein verkrampfter Körper und er formte seine Lippen zu einem breiten Lächeln. „Du bist also tatsächlich Naboru.“ Sofort straffte die Gerudo den Rücken und zog die Bogensehne noch weiter zurück. „Spielt das irgendeine Rolle?“ „Allerdings.“ Der Knabe nickte eifrig, bevor er fortfuhr: „Wir sind auf der Suche nach dir.“ „Warum?“ Naboru verengte ihre blitzenden Augen zu Schlitzen und zielte mit ihrem Pfeil direkt auf Links Herz. „Weil wir deine Hilfe brauchen, um Ganondorf aufzuhalten.“ Vor Überraschung ließ die junge Frau den Bogen sinken, doch nur wenige Herzschläge später hatte sie sich wieder unter Kontrolle. „Ich gebe zu, du hast mein Interesse geweckt. Erzähl mir mehr. Was hast du vor? Und wozu brauchst du mich?“ Während Link Navi und sich vorstellte und von seiner Queste berichtete, hielt Naboru ihren Bogen ununterbrochen gespannt, um sofort zuschlagen zu können. Doch als der Junge endete, ließ sie die Waffe endlich sinken und sagte mit zweifelnd klingender Stimme: „Ihr glaubt also, ich sei die Weise der Geister?“ „Es sieht ganz danach aus“, bestätigte Navi mit einem fröhlichen Flöten. Die Fee war in Hochstimmung – den sechsten Weisen zu finden, war wesentlich einfacher gewesen als gedacht! Die Antwort der Gerudo verhagelte der geflügelten Frau jedoch sogleich wieder die Laune: „Ihr irrt euch. Ich bin keine Weise.“ Link stieg langsam die Treppe hinauf und lächelte Naboru milde an. „Die anderen Weisen kannten ihr wahres Wesen auch nicht, bis sie ihre Bestimmung schließlich erfüllen mussten. Wir haben dich vor deiner Zeit gefunden – wie gesagt, die Macht der Weisen wird erst in sieben Jahren gebraucht. Ich bin mir sicher, dass du die Sechste bist. Also geh bitte nach Hause und halte dich bedeckt, bis ich dich wieder aufsuche. Dann wird sich dein Schicksal erfüllen. Vertrau mir.“ Plötzlich stahl sich ein listiges Grinsen auf das Gesicht der Gerudo: „Ich habe keinen Grund, dir zu vertrauen. Vielleicht bist du ja doch nur ein besonders geschickter Lakai Ganondorfs, der mich endlich mundtot machen soll.“ Als der Herr der Zeiten protestieren wollte, legte sie ihm ihren Zeigefinger auf die Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Aber du kannst mir deine lauteren Absichten beweisen.“ „Wie?“ Der Junge legte den Kopf schief und sah sein Gegenüber aufmerksam an. Navi hingegen zog ein skeptisches Gesicht und kaute nachdenklich auf der Unterlippe. Wollte Naboru sie womöglich übers Ohr hauen? Die Gerudo grinste wölfisch. „Irgendwo in diesem Tempel ist ein uraltes Relikt meines Volkes versteckt. Es heißt, dass die Krafthandschuhe dem Träger übermenschliche Kräfte verleihen sollen. Ihretwegen bin ich hierhergekommen. Leider kann ich nicht ins Tempelinnere vordringen, da der Gang dort hinten blockiert und dieser Schacht hier zu schmal für mich ist. Aber du halbe Portion solltest dich hindurchzwängen können.“ Link betrachtete das Loch in der Wand, das er schon bei seinem letzten Besuch entdeckt hatte. „Mit anderen Worten: Ich soll dir die Krafthandschuhe bringen, um dir zu beweisen, dass wir auf derselben Seite stehen.“ Naborus Zähne schimmerten rotgolden im Fackelschein als sie noch breiter lächelte. „Du hast es erfasst. Bring mir meinen Schatz und ich werde dich in deinem Kampf gegen Ganondorf so gut unterstützen wie ich kann. Bis dahin werde ich es mir hier gemütlich machen und auf dich warten.“ „Alles klar. Navi, bist du bereit?“ Der junge Herr der Zeiten schielte zu seiner Fee herauf, die seine Stirn herabbaumelte und nickte. Dann ließ er sich auf die Knie fallen und schickte sich an, durch den engen Schacht ins Tempelinnere zu kriechen. Desto näher die beiden Abenteurer dem Schachtausgang kamen, umso staubiger wurde die Luft. Obwohl das Kriechen Link kaum anstrengte, schnaufte er bereits nach kurzer Zeit wie nach einem Sprint. Navi, die inzwischen auf seine Schulter geklettert war, um nicht zwischen seinem Kopf und der Schachtdecke eingeklemmt zu werden, tätschelte ihm die Halsseite. „Sieh mal, da hinten ist Licht. Gleich hast du’s geschafft.“ Link nickte und brummte: „Wenigstens ist es nicht so heiß wie ich befürchtet hatte.“ „Stimmt. Es ist überraschend kühl. Ich nehme mal an, die dicken Felswände verhindern, dass der Tempel sich aufheizt.“ „Was auch immer der Grund dafür ist – es gefällt mir.“ Mit diesen Worten zog der Recke sich aus dem Schacht und sah sich in dem dahintergelegenen Raum um. Doch bevor er sich orientieren konnte, sauste plötzlich ein Feuerball auf ihn zu. Link hatte kaum Zeit zu reagieren und so prallte das brennende Geschoss mit voller Wucht gegen seinen rechten Arm, den er in letzter Sekunde hatte hochreißen können, um sein Gesicht zu schützen. Das seltsame Fauchen, das der Feuerball ausstieß, ging beinah im Schmerzensschrei des Jungen unter, als die Flammen sich sofort in den Ärmel seiner Tunika fraßen und ihm Haut und Haare versengten. Während Link panisch versuchte, das Feuer durch Schläge zu ersticken, nahm Navi, die bei der plötzlichen Bewegung ihres Schützlings von dessen Schulter gefallen war und nun neben ihm in der Luft schwebte, den Angreifer genauer unter die Lupe. Als sie erkannte, was sich auf Link geschmissen hatte, sog sie scharf Luft ein und wirbelte zu ihrem Begleiter herum. „Link! Pass auf! Das ist ein Feuerflatterer – und er kommt schon wieder zurück!“ Ohne bewusst darüber nachzudenken, riss der Junge sein Schwert aus der Scheide und ließ es in einem vertikalen Schlag durch die Luft zischen. Ob es nur Glück oder die auf seiner Reise gesammelte Erfahrung war, dass er die brennende Fledermaus erwischte und sauber in zwei Hälften teilte, wusste er selbst nicht. Kaum, dass er die Angreiferin niedergestreckt hatte, sauste Navi um ihn herum und nahm seine Verletzung in Augenschein. Der Tunikaärmel war fast bis zur Schulternaht abgebrannt. Die Haut darunter leuchtete in einem hellen Rot, nässte und begann bereits erste, kleine Blasen zu werfen. Bei diesem Anblick verzerrte Sorge das Antlitz der Fee und sie sah aus großen, kummervollen Augen zu ihrem Schützling auf: „Oh, Link… Das sieht böse aus!“ Dieser nickte mit aufeinander gepressten Lippen und hielt Ausschau nach weiteren Angreifern, die glücklicherweise ausblieben. „Zumindest ist die Verletzung nicht so groß. Schwein gehabt“, versuchte Navi ihnen Beiden ein wenig Mut zuzusprechen. Wieder nickte Link lediglich. Sein gesamter Oberarm brannte als stünde er noch immer in Flammen und der Junge traute seiner Stimme nicht. Er fürchtete, man könnte ihm anhören, wie nah er den Tränen war, sollte er den Mund aufmachen. Navi, die sein Schweigen ein wenig fehlinterpretierte, legte ihm eine ihrer zierlichen Hände an die Wange und flüsterte: „Es tut mir so leid, dass ich keine heilenden Fähigkeiten habe…“ Link, der wegen seiner Schmerzen zu erschöpft war, um zartfühlend zu sein, schnaubte genervt und fand seine Stimme schließlich doch wieder: „Hör auf damit! Selbstmitleid bringt uns nicht weiter und heilt auch nicht meine Wunden. Lass uns lieber schnell die Krafthandschuhe finden und zu Naboru bringen damit ich zur großen Fee gehen und mich heilen lassen kann.“ Bei seinen Worten schnappte etwas in Navi ein und sie spürte, wie sie sich schlagartig verschloss. Die Arme vor der Brust verschränkt, wandte sie sich abrupt von Link ab. Fein! Wenn er es so wollte, würde sie sich zukünftig eben nicht mehr für seine Verletzungen interessieren! Und wenn er auf dem Zahnfleisch dahinkroch – das war ihr doch egal! Ein tiefer Seufzer ihres Begleiters bewegte die Luft um sie herum und blies ihr ihre Haare ins Gesicht. „Navi…“ Link klang auf einmal unendlich müde. „Ich hab’s nicht so gemeint. Tut mir leid. Du kannst ja nichts dafür. Und ich kann mir vorstellen, wie frustrierend es sein kann, wenn man sich hilflos fühlt.“ Ein wenig besänftigt drehte die junge Fee sich wieder um, damit sie ihren Schützling ansehen konnte. Während sie sein angespannt wirkendes Gesicht betrachtete, kam ihr plötzlich eine Erkenntnis: Er hatte Recht! Niemandem war damit geholfen, wenn sie bedauerte, was sie alles nicht konnte. Stattdessen sollte sie sich lieber aufs Mögliche konzentrieren und das Beste daraus machen. Vor allem aber brauchte Link, der so viel Verantwortung trug und schon dermaßen viel hatte erleiden müssen, jemanden, der für gute Laune sorgte und ihm ein paar seiner Sorgen nahm. Deswegen setzte Navi ein strahlendes Lächeln auf und verkündete so beschwingt wie möglich: „Ist schon in Ordnung. Jetzt sollten wir uns erst mal überlegen, was wir mit der Wunde machen, damit du keinen Dreck hineinbekommst.“ „Nichts. Wir haben kein Verbandszeug dabei.“ „Dann müssen wir halt improvisieren…“ Wenige Augenblicke später, hatte Navi Links Schulter mit Hilfe einer kaputt gerissenen Ersatztunika und der abgezogenen Bogensehne notdürftig verarztet und begutachtete ihr Werk. „Hm… Es ist nicht perfekt, aber für den Moment muss es reichen.“ Link bewegte probehalber den Arm und nickte: „Ich denke, es wird gehen. Danke, Navi!“ „Ich hoffe nur, dass der Stoff nicht zu sehr auf der Wunde festklebt.“ Der junge Recke zuckte scheinbar desinteressiert mit den Schultern. „Es ist die beste Alternative, die wir momentan haben. Ich beeil mich einfach damit, die Krafthandschuhe zu finden – dann muss ich mir darüber gar keine Gedanken machen.“ Er grinste zu seiner Fee hoch und wandte sich dann wieder dem Raum zu, um ihn endlich zu erkunden. Direkt vor ihm befand sich eine Falle, die unaufmerksame Abenteurer am weiteren Vordringen hindern sollte. Doch der Zahn der Zeit hatte unbarmherzig an dem Mechanismus genagt, sodass sich die Messer nur noch sehr langsam von einer Gangseite zur anderen schoben. Den richtigen Moment abzupassen, um die Falle gefahrlos zu passieren, stellte für Link keinerlei Problem dar. Hinter den schwerfällig rotierenden Klingen wand sich der Gang in einer weiten Kurve eine kurze Treppe zu einem den Rest des Raumes ausfüllenden Podest herauf. Dieses war oval geformt und führte zu zwei Türen sowie einem weiteren Schacht, durch den nur jemand Kleines und Schmales zu kriechen vermochte. Die Augen auf eine zweite, nur stockend kreisende Schwerterfalle gerichtet, murmelte Link: „Früher muss dieser Tempel eine wahre Todesfalle gewesen sein…“ Navi, die wieder einmal auf seiner Schulter saß und versuchte, eine schlecht beleuchtete Steintafel am anderen Ende des Raumes zu entziffern, nickte. „Wir können von Glück reden, dass hier alles so eingerostet ist!“ Der junge Recke passierte die uneffektive Falle und schritt auf eine in der Mitte des Raums stehende Monsterstatue zu. Sie hatte einen dicken, sich zum Sockel hin verjüngenden Leib und lange, spitze Hörner. Am interessantesten fand Link jedoch Schwert und Schild, mit denen der Steinmetz seine Kreatur ausgestattet hatte. Sie sahen so realistisch aus… Außerdem wurde der Junge das Gefühl nicht los, dass er diese oder zumindest eine sehr ähnliche Statue schon einmal gesehen hatte. Wo konnte das bloß gewesen sein? Einige Herzschläge lang starrte Link das steinerne Gebilde an und überlegte, aber als ihm die Antwort nicht einfallen wollte, verwarf er den Gedanken wieder und beschloss, dass es keine Rolle spielte. Er hatte momentan andere Probleme als hässliche Statuen. Also wandte er seinen Blick den beiden Türen zu und seufzte innerlich auf. Beide Ausgänge waren mit dicken Eisenstangen versperrt. Damit blieb ihm nur der Weg durch den Schacht… Dabei würde er sich garantiert die verletzte Schulter anstoßen… Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse des Widerwillens und stöhnte: „Na toll!“ Eigentlich hatte der junge Abenteurer mit einer Reaktion seiner Fee gerechnet, doch diese blieb überraschenderweise aus. Stattdessen starrte Navi noch immer mit in Falten gelegter Stirn auf die Steintafel. Das war doch frustrierend! Obwohl sie die Sprache der Gerudo lesen konnte, konnte Navi die Schrifttafel nicht entziffern. Es war als bewegten sich die Buchstaben vor ihren Augen und liefen ineinander. Das Feenmädchen überlegte bereits fieberhaft, welche Art Zauber hier am Werk sein mochte, als es endlich das verräterische Rascheln wahrnahm und verstand. Alarmiert riss Navi an den Haaren ihres Schützlings und rief: „Link! Vorsicht! Dort an der Wand sind noch mehr Fledermäuse!“ Der Junge ließ den Kopf herumschnellen und zog sein Schwert – doch zu spät. Als hätte die Fee sie mit ihrem Ausruf aufgeschreckt, hatten sich die Feuerflatterer in die Luft geschwungen und stürzten sich bereits mit ausgestreckten Krallen auf Link. Dieser duckte sich geschickt unter seinen Angreifern hinweg, verfehlte sie jedoch bei seinem Konter. Eine der Fledermäuse stieß einen hissenden Laut aus und flog eine Schleife, um den jungen Abenteurer erneut zu attackieren. Die andere hingegen schien zunächst abzudrehen und den Kampf aufzugeben. Die Erleichterung, die Link bei diesem Anblick empfand, schlug jedoch schlagartig in Schrecken um, als er erkannte, was seine Kontrahentin in Wirklichkeit vorhatte. Anstatt zu fliehen, flog die Fledermaus direkt in eine der im Raum aufgestellten Fackeln. Kaum, dass sie die Flammen berührt hatte, fingen ihre Flügel Feuer als wären sie mit Pech bestrichen. Sofort schien Links Brandwunde noch heftiger zu schmerzen, so als erinnerte sich die verschmorte Haut an den direkten Kontakt mit dem brennenden Element. „Wieso verbrennt das Vieh nicht?!“, schoss es dem Jungen durch den Kopf, als die panische Stimme seiner Fee an seine Ohren drang: „Duck dich!“ Er war von dem Anblick des brennenden Feuerflatterers so gebannt gewesen, dass er die zweite Fledermaus glatt vergessen hatte. Diese stürzte sich mit einem markdurchdringenden Schrei auf Link und traf ihn trotz Navis Warnung an der Schläfe. Blut quoll aus den Schnittwunden, die ihre Krallen hinterlassen hatten, und der junge Recke taumelte überrumpelt nach hinten, bis er mit dem Rücken gegen die Steinstatue stieß. Als die erfolgreiche Angreiferin sich anschickte, nachzusetzen und Link das Gesicht zu zerkratzen, sprang Navi von der Schulter ihres Schützlings ab und verpasste der Fledermaus eine schallende Ohrfeige, ohne darüber nachzudenken, welchem Risiko sie sich damit aussetzte. Sie war klein genug, um auf der Speisekarte ihrer Kontrahentin zu stehen. „Navi! Nicht!“ Link riss seinen verletzten Arm nach oben, um seine Fee aus der Gefahrenzone zu retten. Doch noch bevor er sie erreicht hatte, erwachte die Statue hinter ihm plötzlich zum Leben und schwang ihr mächtiges Schwert, sodass dem Jungen nichts anderes übrig blieb als zur Seite zu springen. Als er herumwirbelte und das Steinmonster auf ihn zukommen sah, fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen, wo er eine solche Statue bereits früher schon einmal zu Gesicht bekommen hatte: in Dodongos-Höhle. Damals war ihm nichts anderes übrig geblieben als die Beine in die Hand zu nehmen… Navi hatte den Moment der allgemeinen Irritation unterdessen dazu genutzt, um zu flüchten, aber die Fledermaus hatte bereits die Verfolgung aufgenommen und holte beständig auf. Zu allem Überfluss hatte sich auch der brennende Feuerflatterer dazu entschlossen, Jagd auf die kleine Fee zu machen, anstatt Link anzugreifen. Er näherte sich von der anderen Seite und schnitt Navi den Weg ab. Das Feenmädchen konnte gerade eben noch einen Haken schlagen und die beiden Fledermäuse austricksen, bevor es von ihnen in die Zange genommen werden konnte. In Folge dessen stießen die beiden Feuerflatterer zusammen, sodass Navi nun von zwei brennenden Gegnern verfolgt wurde – nicht gerade eine Verbesserung ihrer Situation… „LINK! HILFE!!!“ Der tapfere Recke hatte jedoch selbst alle Mühe, sich gegen die zum Leben erwachte Statue zu verteidigen. Diese rückte schwertschwingend immer weiter vor und drängte Link, der angestrengt versuchte, seine hin und her flitzende Fee im Auge zu behalten, allmählich gegen die Wand. Navi sah sich bereits ihren Schöpferinnen gegenüber, als die beiden Fledermäuse sie schließlich einkesselten und mit fauchenden Lauten ihre langen, rasiermesserscharfen Reißzähne entblößten. Doch in diesem Moment tat Link etwas völlig unvorhergesehenes. Als das Steinmonster mit dem Schwert nach ihm stach, sprang der Jung auf die Klinge, rannte über sie den Arm des Monsters bis zur Schulter hinauf und schmiss sein Kurzschwert mit voller Kraft auf einen der beiden Feuerflatterer. Diesem blieb keine Chance zu reagieren. Er wurde an der gegenüberliegenden Wand aufgespießt wie ein Schmetterling in der Sammlung eines Lepidopterologen. Kaum, dass das Leben aus dem Körper der Fledermaus gewichen war, erloschen ihre Flügel, so als hätte nur ihr Lebensodem das Feuer erhalten. Ohne sich über seinen Triumph zu freuen, schwang Link sich so schnell er konnte über die Schulter der Steinstatue und zerrte seinen Bumerang aus dem Wunderbeutel. Seine Füße hatten kaum den Boden berührt, als der junge Abenteurer die Wurfwaffe auch schon dem zweiten, vor Überraschung noch erstarrten Angreifer entgegenschleuderte. Der Bumerang wirbelte durch die Luft, trennte dem Feuerflatterer den Kopf vom Rumpf und sauste an Navi vorbei an die gegenübergelegene Wand, wo er laut klirrend zu Boden fiel. Dem Feenmädchen schlug das Herz bis zum Hals und es spürte, wie ihm vor Erleichterung die Knie weich wurden. Hätte es in diesem Moment gestanden, es wäre sicherlich auf dem Hintern gelandet. So trudelte Navi langsam an der Wand entlang nach unten, da ihre Flügel sie nicht mehr in der Luft trugen. Link hingegen hatte noch keine Zeit für eine Verschnaufpause. Das Statuenmonster hatte sich inzwischen mit überraschender Geschwindigkeit um die eigene Achse gedreht und kam wieder schwertschwingend auf ihn zu. Der junge Recke wich leichtfüßig tänzelnd aus, doch ewig würde er so nicht weitermachen können. Irgendwann würde ihm die Puste ausgehen und dann säße er richtig in der Patsche. Er musste sich etwas einfallen lassen… Als hätte sie seine Gedanken gelesen, rief Navi von der Seite: „Das Vieh ist aus Stein! Du weißt, wie man Steine kaputt macht. Benutz deine Bomben!“ Aber sicher doch! Warum war er nicht selbst darauf gekommen?! So schnell er konnte, holte Link eine Bombe hervor, rollte sich über die unverletzte Schulter zu einer der Fackeln, entzündete die Lunte der explosiven Kugel und warf sie der Statue vor die Füße. Glücklicherweise war das Monster nicht besonders intelligent, sodass es die Gefahr nicht erkannte. Nur Sekunden später wurde es von der Explosion in Stücke gerissen und in Form von Geröll und Steinmehl im ganzen Raum verteilt. Während Link und Navi erleichtert aufatmeten, sich den grauen Staub abklopften und darauf warteten, dass das Klingeln in ihren Ohren nachließ, begannen plötzlich die Eisenstäbe vor den beiden aus dem Raum führenden Türen zu wackeln. Mit einem breiten Grinsen beobachtete Link wie die massiven Stangen langsam im Boden verschwanden und den Weg tiefer in den Tempel freigaben. Anstatt sich sofort für einen Ausgang zu entscheiden, sammelte der Junge zunächst seine von sich geworfenen Waffen wieder ein und setzte sich neben seine mitgenommen wirkende Fee. Diese lehnte ihren Oberkörper sogleich gegen sein Bein und stieß einen langgezogenen Seufzer aus. Sie waren noch einmal mit dem Leben davon gekommen… Nachdem sie ein paar Minuten schweigend gerastet hatten, stupste Link seine Begleiterin vorsichtig mit dem Zeigefinger an. „Na, geht’s wieder?“ Navi horchte in sich hinein und nickte: „Ja, mir geht’s gut. Es kann weitergehen!“ „Alles klar.“ Obwohl er darauf gehofft hatte, dass seine Freundin noch einen Moment brauchen und er so eine Ausrede für eine ausgedehntere Pause haben würde, schwang sich der junge Recke sogleich auf die Füße und nahm die beiden Türen in Augenschein. „Die Frage ist nur, in welche Richtung es weitergeht.“ Die Arme vor der Brust verschränkt, ließ Link seinen Blick immer wieder von links nach rechts wandern und überlegte, welchen Ausgang er zuerst ausprobieren sollte. Was, wenn einer von ihnen eine Falle war und womöglich Messer aus dem Boden schossen, sobald er versuchen würde die Tür zu öffnen? Dann konnte er nur darauf hoffen, dass der Rost auch diesen Mechanismus nicht verschont und ihm ein wenig Reaktionszeit verschafft hatte. Navi schwirrte neben ihm in der Luft und legte den Kopf schief, während sie ebenfalls über das weitere Vorgehen nachdachte. Als ihr schließlich eine Idee kam, hieb sie sich mit der Faust auf die flache Hand und rief: „Hah! Ich hab’s!“ Ihr Schützling zog eine Augenbraue in die Höhe und bedachte sie mit einem neugierigen Seitenblick. „Steht ein Hinweis auf der Steintafel?“ Das Feenmädchen schüttelte den Kopf, sodass seine langen Haare wild umherpeitschten. „Leider nein. Es ist nur eine Gebetstafel, die wohl noch aus der Zeit stammt, als dieser Tempel noch als Religionsstätte genutzt wurde. Aber ich habe eine andere Idee.“ „Jetzt spann mich nicht auf die Folter… Was schlägst du vor?“ Link machte eine ungeduldige Handbewegung und drehte den Oberkörper, um seine Begleiterin besser ansehen zu können. Diese deutete mit dem Daumen über ihre Schulter und sagte: „Ich fliege schnell zurück und frage Naboru, ob sie etwas mehr über den Tempel weiß. Vielleicht hat sie ja sogar soetwas wie eine Karte oder so.“ „Manchmal könnte ich dich für deine Ideen küssen!“ Der Junge strahlte seine Freundin mit einem erfreuten Lächeln an. Als diese daraufhin errötete und verlegen zur Seite blickte, wurde sein Grinsen noch eine Spur breiter. „Ich… ähm… bin dann gleich wieder da.“ Von Links nur halbherzig unterdrücktem Lachen begleitet, sauste Navi durch den engen Spalt zurück in die Eingangshalle. Naboru saß auf dem Treppenabsatz und spielte geistesabwesend mit einer goldenen Schlange, die sie von ihrem Oberarm gezogen hatte. Ihren Bogen hatte sie sich quer über den Schoß gelegt, so als hätte sie Angst, den Kontakt zu ihrer Waffe zu verlieren. Navi erinnerte sich bei diesem Anblick an etwas, das Link ihr von einem Gespräch mit Aveil erzählt hatte. Die Gerudo hatte befürchtet, dass ihre Anführerin, die einst Ganondorfs erklärte Gegnerin gewesen war, von den im Geistertempel lebenden Twinrova entführt worden sei. Vielleicht war Naborus Angst davor, sich unbewaffnet in der Göttin des Sandes aufzuhalten also durchaus berechtigt. Um die gedankenversunkene Frau nicht zu sehr zu erschrecken, umrundete Navi Naborus Kopf so langsam wie möglich und schob sich bedächtig in ihr Sichtfeld. Dennoch zuckte die Gerudo heftig zusammen, als sie das geflügelte Wesen entdeckte, und riss instinktiv ihren Bogen hoch. Mit einem erschreckten Quieken hob Navi die Hände und rief: „Ich bin’s doch nur!“ Naboru musterte sie kritisch, bevor sie ihre Waffe endlich wieder sinken ließ. „Die Fee des kleinen Verrückten, der glaubt, ich sei die Weise der Geister… Was tust du hier?“ „Ich hab auch einen Namen, du arrogante Kuh!“, schoss es Navi angesichts der unhöflichen Begrüßung durch den Kopf. Doch anstatt sich zu beschweren, erklärte sie mit gespielter Süße in der Stimme: „Dieser Tempel erscheint uns sehr verwinkelt zu sein. Deswegen wollte ich dich fragen, ob du etwas weißt, dass uns weiterhelfen könnte. Vielleicht besitzt du ja sogar eine Karte – immerhin ist dies ein Tempel der Gerudo und du bist ihre Anführerin.“ Als Naboru mit dem Kopf schüttelte, hätte Navi am liebsten laut aufgeseufzt. Da zerplatzte ihre schöne Hoffnungsseifenblase… Es wäre ja auch zu schön gewesen! Die Gerudo schien die Enttäuschung der Fee gar nicht zu bemerken und verzog das Gesicht zu einer Fratze der Wut. „Früher hat es Karten für den Tempel gegeben. Sogar die Baupläne haben Jahrhunderte überdauert! Die Torwächterinnen haben sie aufbewahrt. Die Torwächterinnen waren–“ „Niedere Priesterinnen, die in der Wüstenburg, dem Tor zur Wüste lebten und das Zwischenglied zwischen Pilgern und Tempelpriesterinnen bildeten. Ich weiß“, fiel Navi ihr ungeduldig ins Wort. Auf was wollte Naboru hinaus? Diese stutzte für einen kurzen Moment über das Wissen der Fee, fuhr dann aber unbeirrt fort: „Wir Gerudo hatten riesige Bibliotheken voller antiker Schriften. Doch die Twinrova haben die meisten Aufzeichnungen vernichten lassen. Jahrtausende altes Wissen von den Flammen verschlungen, einfach so…“ Ihre Stimme verlor sich zu einem Flüstern, in dem Trauer und Wut zu gleichen Teilen mitschwang. Navi legte die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. Weshalb hatten die Twinrova die Tempelkarten und -baupläne zerstören lassen? Es war doch außer den Priesterinnen selbst sowieso niemand befugt, den Tempel zu betreten… Das konnte doch eigentlich nur bedeuten, dass… „Irgendwo in diesem Tempel gibt es einen versteckten Raum!“, platzte Navi heraus. Ihr Gegenüber sah sie daraufhin aus großen Augen irritiert an. „Wie kommst du darauf?“ „Weil es die einzige Erklärung für die Vernichtung der Karten ist. Der Raum muss auf ihnen eingezeichnet gewesen sein, weswegen es mit ihnen ein Leichtes gewesen wäre, das Versteck der Twinrova zu finden.“ Erkenntnis erhellte Naborus Gesicht und sie nickte Navi zu. „Du hast Recht, das macht tatsächlich Sinn. Vermutlich haben sie geahnt, dass sich die Gerudo irgendwann gegen sie auflehnen könnten. Wenn unsere Kriegerinnen dann aber hier angekommen wären, hätten sie die Twinrova nicht finden können – und du kannst niemanden bekämpfen, den du nicht ausfindig machen kannst.“ „Richtig.“ Dieses Mal war es die Fee, die nickte. „Aber was stand in den anderen Schriften, die sie haben vernichten lassen?“ „Vielleicht Hinweise darauf, wie man die beiden Hexen besiegen kann“, mutmaßte Naboru. „Ich habe gehört, dass normale Waffen ihnen nichts anhaben können.“ „Dann hoffe ich, dass wir ihnen nicht begegnen…“ Navi machte ein besorgtes Gesicht und dachte an Link, der auf der anderen Seite des Schachtes vermutlich schon ungeduldig auf sie wartete. Er hatte es auch so schon schwer genug, es mussten nicht auch noch Probleme mit übermächtigen, verrückten Priesterinnen dazu kommen. Bevor Naboru etwas entgegnen konnte, fügte Navi an: „Nun gut, ich weiß noch nicht, wie uns die Information über den geheimen Raum weiterhelfen kann, aber ich danke dir trotzdem. Wir werden einfach Augen und Ohren offen halten. Vielleicht bemerken wir ja etwas.“ Mit diesen Worten wandte sich die Fee flugs ab und verschwand im Schacht, ohne eine Antwort der Gerudo abzuwarten. Link hatte sich unterdessen in der Mitte des Raumes niedergelassen und vertrieb sich die Wartezeit damit, kleine Steinchen in die Fahrrinne der langsam kreisenden Messerfalle zu schnipsen. Wann immer sich einer der Kiesel zwischen den Zahnrädern des Mechanismus‘ verkantete, stockte das Messer für einen Moment – nur um sich dann träge weiterzudrehen, wenn das blockierende Gestein zwischen den Metallrädern zermalmt worden war. Gelangweilt ließ der Junge sich auf den Rücken fallen und verzog für einen kurzen Moment das Gesicht, als seine verbrannte Schulter auf den Boden traf. Was machte Navi nur so lange?! Die Stimmen von Fee und Gerudo drangen durch den Schacht zu ihm herüber, aber er konnte kein Wort verstehen. Offenbar war das sagenhafte Gehör der Hylianer, das mit ihren langen Ohren in Zusammenhang stehen sollte, nichts weiter als ein Gerücht. Als seine Freundin endlich zurückkam, richtete sich der junge Recke sogleich auf und rief ungeduldig: „Und? Was hat Naboru gesagt?“ Zu seiner Enttäuschung schüttelte das Feenmädchen niedergeschlagen mit dem Kopf. „Sie hat leider auch keine Ahnung. Wir werden uns wohl oder übel den richtigen Weg selbst suchen müssen.“ Mit einem brummelnden Laut der Unzufriedenheit hievte Link sich auf die Füße und wandte sich wieder den beiden Türen zu. Viel schlimmer konnte es kaum noch kommen… Sie waren völlig orientierungslos, das Tempelgebäude war offenbar mit unzähligen Fallen gespickt, er war an der Schulter verletzt, was seine Kampffähigkeiten stark einschränkte, und zu allem Überfluss fühlte er sich, seit er so viel Zeit in dem Körper eines Erwachsenen verbracht hatte, in seinem Kinderkörper nicht mehr wohl. Ihm war als säße die Haut zu eng und er vermisste die Stärke und Größe seines erwachsenen Leibs. Sein verstimmter Gesichtsausdruck weckte in Navi den unbändigen Drang, ihren Schützling ein wenig aufzuheitern. Daher fügte sie schnell an: „Aber ich habe etwas anderes herausgefunden. Offenbar gibt es irgendwo in diesem Tempel einen geheimen Raum, in dem sich die Twinrova vor möglichen Angreifern verstecken.“ „Na toll…“ Link stöhnte auf. Ihm hatte gerade noch gefehlt, dass ihn alte, verrückte Hexen aus dem Hinterhalt angreifen konnten! Als Navi bemerkte, dass sie mit ihrer Bemerkung das Gegenteil des Erwünschten erreicht hatte, zog sie unbehaglich die Schultern nach vorn und murmelte: „Sieh’s doch positiv – wenn die Beiden sich aus Angst vor einer Attacke in irgendeinem Loch verkriechen, können sie so mächtig gar nicht sein.“ Dass Naboru ihr von dem Gerücht erzählt hatte, dass die Twinrova angeblich von normalen Waffen nicht verletzt werden konnten, verschwieg das Feenmädchen in diesem Moment lieber. „Ja, vielleicht hast du Recht.“ Link zuckte mit den Achseln und trat an die rechte Tür heran. „Aber das ist gerade ziemlich egal. Ich konzentriere mich lieber darauf, Naboru die Krafthandschuhe zu bringen, damit ich sie in der Zukunft als Weise der Geister ins Heilige Reich schicken kann.“ Mit diesen Worten stieß er kraftvoll die Tür auf und sprang sofort zurück, um einer eventuellen Falle zu entgehen. Als jedoch nichts passierte, trat er aufatmend über die Schwelle. Navi nickte stumm und folgte ihrem Schützling in den nächsten Raum. Dieser war langgezogen und in der Mitte durch einen tiefen Graben geteilt. Link blieb irritiert an der Klippe stehen und sah mit großen Augen hinab. „Woa… Diese Kluft muss mehrere Stockwerke tief sein! Ich kann den Boden nicht einmal erahnen!“ Vor Ehrfurcht vor diesen gewaltigen Tiefen brachte der Junge nur ein Flüstern zustande. Navi, die das Rascheln von Fledermausflügeln vernommen hatte, sah sich aufmerksam im Raum um, anstatt dem Blick ihres Begleiters zu folgen. Auf der anderen Seite des Grabens hatte jemand einen feinmaschigen Metallzaun errichtet, dessen Rautenmuster sich bis zur Decke erstreckte. Offenbar hatte dieser jemand auf Nummer sicher gehen wollen, dass niemand auf die gegenüberliegende Seite gelangte. Aber weshalb? Während ihr Freund noch immer fasziniert in die Tiefe starrte, flog die Fee zu der Maschendrahtwand herüber, steckte ihren Kopf hindurch – und erschrak. Nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt kauerte eine Fledermaus, die Navi fälschlicherweise für einen Schatten gehalten hatte, an der Wand und schlief. Als das Feenmädchen erkannte, dass von dem dösenden Tier zumindest im Moment keine Gefahr ausging, beruhigte sich sein Herzschlag allmählich wieder. Dennoch zitterten ihre Finger, mit denen sie den Maschendraht umklammerte, während Navi sich auf der anderen Seite des Raumes umsah. Mindestens fünf Fledermäuse hatten sich in unregelmäßigen Abständen über die Wand verteilt und schienen selig zu schlummern. Doch was noch wesentlich interessanter war: Vor der gegenüberliegenden Mauer war eine Art kleiner Altar errichtet worden, auf dem ein silberner Schlüssel im Fackelschein schimmerte. Navi konnte sich gut vorstellen, dass sich dieser noch als nützlich erweisen würde. Doch leider war von dieser Raumseite aus kein Herankommen. Oder…? Vielleicht konnte sie sich ja durch die Wandmaschen zwängen, sich den Schlüssel schnappen und zu Link bringen, bevor die Fledermäuse erwachten? Das mutige Feenmädchen schob bereits seinen Oberkörper durch das Drahtnetz, als Link seinen Plan kaputt machte, indem er rief: „Siehst du irgendetwas Interessantes, Navi?“ Bei dem lauten Klang seiner Stimme, schreckten die Fledermäuse hoch und Navi sah sich plötzlich einem weit aufgerissenen, roten Auge gegenüber, das sie feindselig und hungrig musterte. Mit einem schrillen Kreischen drückte die Fee sich zurück durch die Zaunmasche – gerade noch rechtzeitig. Wo kurz zuvor noch ihr Kopf gewesen war, krachte nun eine Fledermaus gegen die Maschendrahtwand und verbiss sich fauchend im Draht. Ihre Artgenossinnen taten es ihr fast augenblicklich nach, sodass das Drahtnetz unter ihren Zähnen und Krallen vibrierte. So schnell sie konnte, flüchtete Navi sich zu ihrem betreten dreinblickenden Freund, der sie schützend in seine Hände nahm. „Tut mir leid. Wenn ich gewusst hätte, dass es da drüber vor Fledermäusen nur so wimmelt, wäre ich leiser gewesen…“ Die Fee schüttelte den Kopf und winkte ab. „Schon gut. Mir ist ja nichts passiert. Nur leider kann ich es jetzt vergessen, den Schlüssel zu holen.“ „Schlüssel? Was für ein Schlüssel?“ Nachdem seine Begleiterin ihm kurz zusammengefasst hatte, was sie gesehen hatte, schaute Link noch zerknirschter aus der Wäsche. „Und was machen wir nun?“ „Ich bin mir zwar nicht sicher, aber ich glaube, ich habe auf der anderen Seite eine Tür gesehen. Vielleicht kommen wir irgendwie dahin, wenn wir zurückgehen und es mit dem anderen Ausgang versuchen.“ Gesagt, getan. Link schob sich vorsichtig in den angrenzenden Raum und staunte nicht schlecht. Dieser hatte noch weniger Boden als der andere! Es gab lediglich auf beiden Seiten je ein kleines Podest, das wie ein Schwalbennest in den Raum ragte. Doch der junge Recke hatte keine Zeit, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie er auf die gegenüberliegende Seite gelangen sollte. Vor ihm ragte ein hämisch grinsender Skelettkrieger auf und schlug mit seinem gezackten Schwert nach ihm. Link sprang geschickt aus der Gefahrenzone, während Navi sich flugs unter seine Mütze flüchtete. Sein eigenes Schwert ziehend, dachte Link an seine bisherigen Begegnungen mit Skelettkriegern und ihm sank der Mut. Die untoten Kämpfer waren selbst für sein erwachsenes Ich eine Herausforderung. Wie sollte er in seinem deutlich schwächeren Kinderkörper bloß gegen eines dieser Monster bestehen?! Als könnte sie seine Gedanken lesen, sagte Navi: „Gib nicht auf, Link! Du bist diesem Vieh vielleicht unterlegen, aber denk dran: Was dir an Kraft fehlt, kannst du mit Geschicklichkeit wieder wettmachen!“ Zunächst konnte der Junge sich keinen Reim auf den Rat seiner Fee machen. Wie sollte er seine Geschicklichkeit ausspielen, wenn er nur mit Mühe und Not den Angriffen des Skeletts ausweichen konnte? An eine Gegenattacke war nicht einmal zu denken… Als Link einen Schlag des Monsters mit dem eigenen Schwert parierte und ihm die Waffe durch die Wucht des Aufpralls aus der Hand gerissen wurde, kam ihm jedoch eine Idee! Während er starr vor Schreck beobachtete, wie das Kokiri-Schwert über den Boden auf den Abgrund zu rutschte, formte sich allmählich ein Plan im Hinterkopf des Jungen. In letzter Sekunde wich er einer erneuten Attacke aus, doch anstatt zurück oder zur Seite zu springen, hechtete Link nach vorn und ließ sich nach hinten auf die Hände fallen. Dabei streckte er ein Bein lang aus und wirbelte nach links, um dem Skelett die Beine wegzuziehen. Anstatt zu fallen, sprang das Monster jedoch über Links Bein hinweg. Der Recke fluchte bereits stumm in sich hinein, als der Skelettkrieger plötzlich wie wild mit den Armen zu fuchteln begann. Bei seinem Ausweichmanöver war er zu nah am Abgrund gelandet und kämpfte nun um sein Gleichgewicht. Um sich schneller wieder stabilisieren zu können, ließ er sogar sein schweres Schwert fallen. Link rappelte sich so schnell er konnte wieder auf, schnappte sich die mächtige Waffe und rammte sie dem Skelett mitten in den Brustkorb. Durch den Aufprall verlor das Monster vollends die Balance und stürzte von einem jaulenden Schrei begleitet in die Tiefe. Der Junge atmete auf und fiel vor Erleichterung auf die Knie. Dass er diesen Kampf unversehrt überstanden hatte, war nichts weiter als Glück gewesen. Navi kroch unter seinem Mützensaum hervor und applaudierte: „Das war clever gemacht. Ich bin sehr stolz auf dich.“ „Danke.“ Link lächelte seine Freundin kurz an, bevor er sich wieder auf die Füße hievte und sein verlorenes Schwert aufsammelte. Dann wandte er sich der Schlucht zu und staunte nicht schlecht. „Hey, Navi!“ „Ja?“ „Bilde ich mir das ein oder ist da drüben wirklich so etwas wie eine hochgezogene Brücke?“ „Sieht ganz danach aus.“ „Hm…“ Link legte grübelnd den Kopf zur Seite. „Wie man sie wohl herablässt?“ „Moment. Ich gucke mir das mal aus der Nähe an.“ Flink überquerte das Feenmädchen den Graben und inspizierte die gegenüberliegende Seite. Am Rand des Podests war eine metallene Brücke befestigt, die offenbar durch einen Zahnradkreislauf hochgezogen oder herabgelassen werden konnte. Navi staunte stumm in sich hinein. Die antiken Gerudo mussten erstaunliches Wissen und Geschick besessen haben, dass sie derart komplizierte Mechaniken hatten bauen können. Doch das tat momentan nichts zur Sache. Wo war der Schalter, der den Mechanismus in Gang und die Brücke herablassen würde? Ob es der Kristallschalter in der Mitte des Podestes war? Navi warf sich mit vollem Gewicht dagegen, aber sie war zu schwach, um etwas auszurichten. Also sah sie sich noch einmal gründlich um und kehrte dann zu ihrem Schützling zurück. Kaum, dass sie ihn erreicht hatte, deutete sie auch schon hinter sich und sagte: „Da hinten ist ein Kristallschalter – siehst du ihn?“ Link kniff die Augen leicht zusammen und nickte. Daraufhin fuhr Navi fort: „Ich denke, damit lässt man die Brücke herunter. Ich konnte ihn nicht auslösen, aber vielleicht kannst du ihn mit Hilfe deines Bumerangs aktivieren.“ Nickend holte der Junge seine Wurfwaffe hervor und schleuderte sie mit voller Kraft in Richtung des Schalters. Das Wurfeisen sauste durch die Luft, prallte mit einem lauten Scheppern gegen den Kristall und fiel dann zu Boden, anstatt zu Link zurückzukommen. Dieser hielt daraufhin vor Anspannung den Atem an und sah ein wenig ängstlich zu seiner vor ihm schwebenden Fee auf. Dies war ihre einzige Chance gewesen. Wenn die Brücke sich nicht rührte, würden sie die Krafthandschuhe womöglich nie finden. Dann würde Naboru ihnen nie Vertrauen schenken und wäre als Weise der Geister vielleicht auf ewig verloren. Dann… Link zwang sich, aus dem Strudel seiner düsteren Gedanken aufzutauchen. Noch war nichts verloren. Kein Grund, in Panik zu verfallen! Für einen viel zu langen Moment geschah gar nichts, doch dann setzte sich endlich der Brückenmechanismus in Gang. Von einem lauten Schleifen und Quietschen begleitet, senkte sich die Brücke, bis sie eine Verbindung zwischen den beiden Raumseiten geschaffen hatte. Link stieß die angehaltene Luft aus und auch Navi seufzte vor Erleichterung auf. Diese Hürde war genommen! Der Junge überquerte behände die schmale Brücke, während seine Fee neben ihm her flog. Auf der anderen Seite angekommen, verstaute er zunächst seinen Bumerang im Wunderbeutel und öffnete dann die nächste Tür. Vor den beiden Abenteurern erstreckte sich ein langer, gewundener Steg, der sich kurz hinter der Tür aufteilte und zu einer weiteren vergitterten Tür sowie in einem weiten Bogen zur gegenüberliegenden Wand führte. Abseits des Steges fehlte der Boden und die Schwärze unendlich wirkender Tiefe lachte Junge und Fee entgegen. Etwa in der Mitte des Raumes bildete der Weg eine Art Podest, auf dem kreisende Messer darauf warteten, unvorsichtigen Tempelerkundern die Unterschenkel aufzuschlitzen. Glücklicherweise war auch diese Falle dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen, sodass sie keine ernstzunehmende Gefahr mehr darstellte. „Hey, Navi – was ist das?“ Link zog rätselnd die Stirn in Falten und deutete auf etwas hinter dem Podest, das aussah wie ein Haufen Lumpen. „Ich hab keine Ahnung.“ Die Fee kratzte sich nachdenklich hinterm Ohr und fügte an: „Ich seh’s mir mal aus der Nähe an.“ Doch kaum, dass sie sich dem ominösen Etwas genähert hatte, erwachte dieses plötzlich zum Leben und richtete sich auf. Navi hechtete mit einem schrillen Schrei zurück und verschwand zitternd unter Links Mütze – nur um gleich darauf ihren Kopf wieder unter dem Saum hervorzustrecken. Der junge Recke starrte das Monster aus geweiteten Augen an und staunte nicht schlecht. „Eine Mumie! Eine lebende Mumie!“ „Nicht ganz“, korrigierte seine Begleiterin ihn, „das ist ein Feuerfuchs Anubis. Dabei handelt es sich um einen bei lebendigem Leib mumifizierten Feuerfuchs, der mit Hilfe dunkler Magie am Leben gehalten wird.“ Navi machte eine kurze Pause und fuhr in nachdenklicherem Ton fort: „Feuerfüchse sind für die Gerudo heilige Tiere. Manche Schriften besagen sogar, dass sie glauben, die Göttin Din selbst wandle in Gestalt eines Feuerfuchses noch immer über die Welt. Hier muss ein wirklich wertvoller Schatz verborgen sein, wenn dieser Tempel von einem Anubis bewacht wird.“ Link zog ein gequältes Gesicht. „Das heißt, dieses Tier ist schon seit wer-weiß-wie-vielen Jahren zwischen Leben und Tod gefangen?“ Navi nickte traurig. „So sieht es aus.“ „Bemitleidenswerte Kreatur.“ Mit einem Seufzen machte der Junge einen weiteren Schritt in den Raum hinein, um nach einer Möglichkeit zu suchen, die verschlossene Tür zu öffnen. Zu seiner Überraschung begann die Fuchsmumie zu schweben und vollführte die gleiche Bewegung, jedoch in spiegelverkehrter Richtung. „Ob das immer so ist?“ Mit diesem Gedanken bewegte Link sich hin und her und beobachtete den Feuerfuchs. Dieser kopierte und invertierte tatsächlich jede Regung des Jungen. Unterdessen krabbelte Navi wieder vollständig unter der Mütze hervor und näherte sich behutsam der Tiermumie. Je näher sie dem mumifizierten Fuchs kam, desto stärker schlugen ihre Feensinne an. Ihr war fast als könnte sie die gefangene Seele zwischen den Leinenwickeln hindurch blitzen sehen. Vorsichtig ihren Geist öffnend, horchte Navi auf die Stimme der Mumie. Als die schaurig-jaulenden Worte in seiner Seele widerhallten, zuckte das Feenmädchen unwillkürlich ein wenig zusammen. Heeeelft miiiir… Bei dem Schmerz in der Geisterstimme schnürte es Navi die Kehle zu, sodass sie nur ein Flüstern zustande brachte: „Wie denn?“ Link sah mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihr auf und ließ seinen Blick dann zwischen Fee und Mumie hin und her huschen, als ihm klar wurde, dass seine Freundin Kontakt zu dem geheimnisvollen Wesen aufgenommen hatte. Befreit… meine… Seele… Navi wurde plötzlich von dem Drang überfall, den mumifizierten Feuerfuchs zu umarmen und ihn zu trösten. Stattdessen knetete sie jedoch nur ihre Finger, um ihre Hände irgendwie zu beschäftigen, und fragte: „Wie? Sag uns, was wir tun können!“ Anstatt zu antworten, wiederholte der Fuchs nur seine Bitte und ließ Navi ratlos zurück. Diese blickte in der Hoffnung, doch noch eine Antwort zu erhalten, für einen weiteren langen Moment in sein starres Gesicht, bevor sie sich schließlich abwandte und zu ihrem Schützling zurückkehrte. „Und? Was hat die Mumie gesagt?“ Link sah sie neugierig an, aber sie konnte nur mit dem Kopf schütteln. „Wir sollen ihre Seele befreien, verrät jedoch nicht, wie das funktionieren soll.“ „Hm.“ Der Junge zog die Unterlippe zwischen die Zähne und dachte nach. Als er wieder zu seiner Fee hochschaute, wirkte sein Blick fest und entschlossen. „Navi? Wie tötet man einen Anubis?“ „Was?! Jemand bittet dich um Hilfe und du willst ihn töten?!“ Das Feenmädchen starrte seinen Freund fassungslos an. Was war nur in ihn gefahren?! Er war doch sonst nicht so herzlos… Von ihrem Ausbruch unbeeindruckt, zuckte Link mit den Schultern. „Wenn ich so lange in diesem bedauernswerten Zustand gefangen wäre, würde ich mir nur wünschen, dass er endet – egal wie. Ich würde dem Fuchs wirklich gerne sein Leben zurückgeben, aber das kann ich nicht, Navi. Ich kann ihm nur den Frieden des Todes geben.“ Die junge Fee zog ein kummervolles Gesicht. Ihr Schützling hatte Recht, das sah sie ein. Aber es war so traurig… Sie wollte nicht daran glauben, dass dies der einzige Weg war. Trotzdem holte sie tief Luft und erklärte: „Soweit ich weiß, ist die dunkle Magie, die einen Anubis am Leben hält, mit seinem Körper verbunden. Wenn wir also einen Weg finden, seinen Körper zu zerstören, müsste der Fuchs frei sein.“ „Verstehe.“ Link musterte die in ungefähr zehn Meter Entfernung vor ihm schwebende Mumie. Die Leinenwickel waren alt, vergilbt und sahen sehr trocken aus. „Nach all der Zeit brennen sie bestimmt wie Zunder“, schoss es dem Recken durch den Kopf und er sah sich augenblicklich nach einer Feuerquelle um. Leider hingen alle Fackeln, die er entdecken konnte, viel zu hoch, um sie mit einem Deku-Stab zu erreichen. Es wäre ein Leichtes gewesen, Dins Feuerinferno aus dem Wunderbeutel zu holen und die Mumie der alles vernichtenden Feuerwalze des Zaubers auszusetzen. Doch der Junge fürchtete, durch den leichten Schwindel, der ihn beim Einsatz des Göttinnen-Zaubers jedes Mal überkam, auf dem schmalen Steg das Gleichgewicht zu verlieren und in die Tiefe zu stürzen. „Hey Link, sieh dir das hier mal an!“ Navi, die den Anblick des bemitleidenswerten Feuerfuchses nicht mehr ertragen und den Blick abgewandt hatte, hatte etwas Interessantes entdeckt. Vor der verschlossenen Tür war eine kreisförmige Rinne, deren Ränder verkohlt waren. Navi ließ sich auf den Boden nieder und betrachtete ihren Fund genauer. „Sieht aus als könnte man hier irgendwie ein Feuer entzünden.“ Überrascht riss Link die Augen auf und sah sich dann suchend um. „Da hinten ist ein Schalter! Vielleicht hat er etwas damit zu tun.“ So schnell er konnte, balancierte der tapfere Recke über den Steg auf das Podest zu. Die Fuchsmumie schwebte dabei unaufhaltsam auf ihn zu, so als würde sie magisch von ihm angezogen. Kurz vor dem Podest hielt Link inne, um sich den Rhythmus der hier kreisenden Falle einzuprägen. Eigentlich wäre es kein Problem gewesen, über die Fahrrinne des Messers hinweg in die Mitte des Podests zu treten und dort zu warten, bis man gemütlich auf die andere Seite wechseln konnte. Da der Junge jedoch in der Mitte mit der Mumie zusammenstoßen würde, musste er wohl oder übel in den Bereich der Falle ausweichen. Obwohl sich das Messer recht gemächlich drehte, blieb nicht viel Zeit, bis es das kleine Podest umrundet hatte. Link atmete einmal tief durch und hechtete dann nach vorn, wobei er extra lange Schritte machte. Gerade, als die kreisende Klinge gefährlich nah an ihn herankam, stieß er sich das letzte Mal ab und rettete sich mit einem Sprung aus der Gefahrenzone. Der Anubis hatte die Falle dank seiner Schwebefähigkeit ebenfalls unbeschadet überquert. Die letzten Meter bis zum Schalter führten über einen besonders schmalen Weg. Link presste seinen Rücken gegen die Wand und schob sich vorsichtig seitwärts. Als er schließlich an dem Bodenschalter ankam, stand ihm vor Anspannung der Schweiß auf der Stirn. Navi wartete dort bereits auf ihn, beachtete ihren Schützling jedoch kaum. Ihre Aufmerksamkeit galt der Fuchsmumie, die nun über dem Kreis vor der Tür schwebte. Mit schwerem Herzen riss die Fee sich von diesem Anblick ab und nickte ihrem Freund stumm zu. Dieser stellte sich daraufhin auf den Schalter, der von einem leisen Klicken begleitet in den Boden sank. Einen aufreibenden Augenblick lang passierte gar nichts, doch dann war ein leises Zischen zu hören und der Geruch nach Gas stieg auf. Kurz darauf erklang das Aufeinanderschlagen mehrerer Feuersteine und innerhalb weniger Sekunden schossen Feuersäulen aus dem Boden. Die trockenen Leinenwickel des Fuchses standen augenblicklich in Flammen. Das Feuer verbreitete sich in Windeseile über den gesamten Körper der Mumie und fraß sich mit einem lauten Knistern in ihn hinein. Navi keuchte bei diesem Anblick laut auf und schoss ohne darüber nachzudenken, was sie da tat, auf den Anubis zu. Link versuchte noch, sie aufzuhalten, aber sie wich seiner Hand geschickt aus. Als sie etwa die Hälfte des Raumes durchquert hatte, vernahm sie plötzlich die letzten Worte des Fuchses in ihrer Seele. Habt Dank… Tränenblind bremste die Fee ab und blieb in der Luft stehen. Mit zitternder Stimme antwortete sie: „Mach’s gut. Ich hoffe, du findest deinen Frieden!“ Während der Körper des Feuerfuchses allmählich in sich zusammenfiel, sahen Junge und Fee stumm zu ihm herüber als wollten sie einem gefallenen Krieger die letzte Ehre erweisen. Als nur noch ein Haufen Asche übrig war, hob Link schließlich den Fuß vom Schalter und die Flammen erloschen. Fast noch wichtiger war jedoch, dass die Eisenstäbe, die die Tür blockiert hatten, mit einem leisen Schleifen im Boden versanken. Weder Link noch Navi sprach ein Wort, während die beiden Abenteurer sich in Richtung Ausgang begaben. Erst, als der Junge neben dem Aschehaufen in die Hocke ging und begann, die Überreste des Fuchses in eine leere Flasche zu füllen, brach das Feenmädchen das Schweigen: „Was machst du denn da?“ Mit gepresst klingender Stimme erklärte Link: „Ich bringe ihn zurück nach draußen in die Wüste – dorthin, wo er hingehört.“ Mit Tränen in den Augen, warf Navi sich gegen den Hals ihres Begleiters und wünschte sich, dass sie diese Queste bald hinter sich hatten. Sie hatte genug von Leid, Trauer und Tod! Durch die nun passierbare Tür gelangten die beiden Abenteurer zurück in den Raum, in dem Navi den Schlüssel entdeckt hatte. Die aufgescheuchten Fledermäuse hatten sich inzwischen beruhigt und hingen dösend an der Maschendrahtwand. „Ich würde vorschlagen, du erledigst möglichst viele von ihnen mit dem Bumerang, bevor sie dich bemerken und sich auf dich stürzen.“ Navi stand auf der Schulter ihres Schützlings und flüsterte direkt in seine Ohrmuschel damit er sie verstand, obwohl sie die Worte nur hauchte, um keine der Fledermäuse aufzuschrecken. Der Recke schielte vorsichtig um die Ecke in den Raum hinein und suchte nach einem geeigneten Wurfwinkel. Mit etwas Geschick konnte er womöglich drei der sechs Fledermäuse mit nur einem Angriff ausschalten. Vor Anspannung zitterten ihm die Finger, als er seinen Bumerang hervorholte und zielte. „Oh, Farore, lass mich treffen!“ Link schickte der Göttin des Mutes ein stummes Gebet und warf. Die scharfkantige Waffe wirbelte mit einem zischenden Geräusch durch die Luft und streckte zwei Gegner nieder, bevor diese überhaupt realisieren konnten, was vor sich ging. Die dritte Fledermaus schaffte es gerade noch rechtzeitig, sich von der Drahtwand abzustoßen. Doch der Bumerang zerfetzte ihr die dünne Haut eines Flügels, sodass sie trudelnd zu Boden sank. Die restlichen Flugtiere flatterten aufgescheucht umher und suchten unter der Decke Schutz, bevor sie den Angreifer ausfindig machten und sich geschlossen auf ihn stürzten. Bei dem Anblick der vielen spitzen Krallen und Zähne verschwand Navi schnellstmöglich unter der Mütze ihres Schützlings. Sie hatte keine große Lust, womöglich doch noch im Magen eines Monsters zu landen. Link schleuderte den rasant näher kommenden Fledermäusen erneut seinen inzwischen wieder aufgefangenen Bumerang entgegen und zog sein Schwert. Einer Angreiferin wurde von dem Wurfeisen der Kopf vom Rumpf getrennt, während das Kokiri-Schwert durch den Körper einer zweiten Fledermaus schnitt wie durch Butter. Das dritte Monster schaffte es jedoch, beiden Waffen auszuweichen. Laut fauchend hieb es Link seine Krallen ins Gesicht und fügte ihm tiefe Kratzer zu. Dickflüssiges Blut quoll augenblicklich aus den Schnittwunden hervor, rann über die Wange des Jünglings und tropfte schließlich von seinem Kinn. Dieser beachtete die Wunde jedoch überhaupt nicht. Stattdessen fasste er sein Schwert fester, um auch die letzte Fledermaus bei ihrem nächsten Angriff niederzustrecken. Das geflügelte Monster drehte eine Schleife, während seine flugunfähige Artgenossin über den Boden krabbelte und ihre Zähne in Links Stiefel vergrub. Dank des dicken Leders konnte sie den Fuß des jungen Recken jedoch nicht erreichen. Nachdem die noch unverletzte Fledermaus eine Schleife in der Luft gedreht hatte, setzte sie zu einem erneuten Sturzflug an. Dieses Mal hielt sie jedoch nicht ihre Krallen vor sich, sondern schien mit ausgestreckter Zunge auf Links Schnittwunden zu zielen. Davon überrascht, machte der Junge einen Schritt zurück. Wollte sie etwa sein Blut trinken?! Link war von diesem Gedanken dermaßen irritiert und abgelenkt, dass er für einen Moment vergaß, sich zu verteidigen. Erst im letzten Moment riss er aus einem Instinkt heraus sein Schwert hoch und spießte die bluthungrige Angreiferin auf. Diese stieß ein letztes Fauchen aus, bevor das Licht in ihren Augen erlosch und ihr Körper leblos zusammensackte. Mit einem angewiderten Gesichtsausdruck zog Link den Kadaver von seiner Schwertschneide und legte ihn sanft auf den Boden. Er hatte keine andere Wahl als seine Angreifer zu töten – doch das war für ihn noch lange kein Grund, respektlos mit ihren Leichen umzugehen. Navi kroch unterdessen unter seinem Mützensaum hervor und beäugte kritisch den Raum. „Ist es vorbei?“ Der Junge nickte bedächtig, um seine Fee nicht von seinem Kopf zu schleudern, und guckte an sich herab. Die flugunfähige Fledermaus versuchte vergeblich, an seinem Stiefelschaft heraufzuklettern, rutschte jedoch immer wieder ab. „Eine ist noch übrig. Aber die stellt keine Gefahr für uns da.“ Mit diesen Worten löste Link das inzwischen ermüdete Tier von seinem Bein. Die Fledermaus schnappte nach seiner Hand, konnte sie aber nicht erreichen. Navi zog bei diesem Anblick die Augenbrauen in die Höhe und fragte sich, warum ihr Schützling dieses Monster verschonte. Nachdem er die Fledermaus neben sich auf den Boden gesetzt hatte, eilte Link auf den kleinen Altar zu und nahm den Schlüssel an sich. „Ich frage mich, wofür wir ihn brauchen.“ Der Jüngling drehte den filigranen Metallgegenstand zwischen den Fingern und rief sich alle bereits passierten Räume wieder in Erinnerung. Hatten sie irgendwo eine verschlossene Tür gesehen? „Ich hab keine Ahnung. Aber vielleicht sollten wir uns durch den Schacht in der Halle zwängen. Womöglich geht es dahinter tiefer in den Tempel hinein“, mutmaßte Navi. Ach ja, der Schacht… Link hatte diesen dritten Weg schon wieder völlig vergessen. Mit säuerlicher Miene dachte er an die Schmerzen, die ihm seine verbrannte Schulter beim Krabbeln bereiten würde. Weshalb hatte das Schicksal ausgerechnet ihn auserwählen müssen?! Bevor er seiner Fee etwas antworten konnte, erklang auf einmal ein metallenes Klicken, das von einem lauten Surren abgelöst wurde. Irritiert sah sich der kindliche Recke im Raum um, konnte jedoch bis auf die verletzte Fledermaus, die sich ihm wieder näherte, nichts entdecken. Doch dann riss Navi plötzlich an seinen Haaren und schrie auf: „Vorsicht! Da kommt etwas von oben!“ Ohne hochzuschauen sprang Link zurück, ließ sich nach hinten fallen und rollte sich ab. Als er dabei auf seiner verletzten Schulter landete, sog er scharf Luft ein, stoppte jedoch nicht. Er hatte sich kaum wieder auf die Füße gehievt, als vor dem Altar – dort, wo der Junge noch Sekunden zuvor gestanden hatte – eine riesige steinerne Hand auf den Boden knallte. Die Fledermaus, die Link hinterher gekrochen war, wurde von einem widerlichen Knirschen begleitet unter der Steinhand begraben. Navi verzog das Gesicht zu einer Grimasse des Ekels und stellte fest: „Das war verdammt knapp. Ich hatte nicht erwartet, dass der Schlüssel durch eine Falle geschützt sein könnte.“ Link schüttelte den Kopf als wollte er sagen, dass auch er nie im Leben mit soetwas gerechnet hatte, und zuckte heftig zusammen, als erneut ein metallisch klingendes Geräusch erklang. Sofort rissen die beiden Abenteurer die Blicke nach oben, aber über ihnen befand sich nur die Decke. Irritiert sahen die Beiden sich weiter im Raum um. „Sieh mal da!“ Navi deutete mit großen Augen hinter ihren Schützling und ließ ihre Mundwinkel dabei in die Höhe wandern. Neugierig wandte Link sich um und staunte nicht schlecht. Ein Teil der Maschendrahtwand war umgekippt und bildete nun eine Brücke über den Graben zur anderen Seite des Raums. „Eine Abkürzung!“, jubelte der Junge. „Ich frage mich, ob die Vibrationen des Aufpralls die Wand zum Umkippen gebracht haben.“ Navi legte ihre Stirn in Denkfalten, doch Link winkte ihre Grübeleien mit einer Handbewegung weg. „Ist doch völlig egal. Die Hauptsache ist, dass wir schneller wieder in der Halle sind.“ Ohne sich allzu viele Sorgen um die Stabilität der neu entstandenen Brücke zu machen, setzte der junge Herr der Zeiten einen Fuß auf den Maschendraht und balancierte leichtfüßig auf die andere Seite herüber. Seine Fee seufzte und fragte sich stumm, ob sie ihn für seinen Mut tadeln oder loben sollte. Da sie sich nicht entscheiden konnte, schwieg sie und folgte ihrem Schützling kommentarlos in die Halle. Link schritt schnurstracks zum Schacht herüber und ließ sich mit einem Seufzer davor auf die Knie sinken. Der Tunnel schien kurz zu sein, aber das erleichterte den Jungen nur wenig. Mit einem Schaudern dachte er an den Schmerz der ihm bevorstand. Navi, die sein Zögern bemerkte, flog neben ihn und legte ihm die Hand an die Wange. „Das wird schon nicht so schlimm. Der Verband ist dick und schützt die Wunde gut.“ Der Recke warf ihr einen skeptischen Seitenblick zu und nickte dann. Er hatte sowieso keine andere Wahl. Etwas Unvermeidliches heraus zu zögern, hatte wenig Sinn. Also legte er sich auf den Bauch und kroch, sich mit Ellbogen und Knien vorwärtsziehend, durch den Schacht. Obwohl er sich so schmal wie möglich machte und sich stark auf die linke, unverletzte Seite lehnte, schrappte seine verbrannte Schulter, wie erwartet, immer wieder über die Wand des engen Tunnels. Jedes Mal schoss ein Schmerz wie von tausend Eisnadeln durch Links Arm. Entsprechend erleichtert war der Junge, als er sich auf der anderen Seite endlich wieder aufrichten konnte. Zu seiner großen Überraschung war der Raum, indem er sich nun befand, winzig. Wenn Link die Arme ausbreitete, konnte er beide Wände gleichzeitig berühren und mit nur vier langen Schritten konnte er die komplette Länge abschreiten. Von einer verschlossenen Tür, für die der gefundene Schlüssel bestimmt sein könnte, war weit und breit nichts zu sehen. „Hörst du auch dieses Rascheln?“ Navi hatte den Kopf schiefgelegt und lauschte. Link zog die Stirn kraus und glaubte schon, seine Fee bilde sich etwas ein, als er ebenfalls ein leises Geräusch hörte. „Ich glaube, es kommt von oben.“ Er folgte Navis Blick und bemerkte erst jetzt, dass die Decke deutlich höher war als er erwartet hatte. Hoch über den Köpfen der beiden Abenteurer krabbelten zwei Spinnen über die Wand und erzeugten das eigentümliche Rascheln, wann immer ihr Knochenpanzer über das Mauerwerk strich. „Hey, siehst du das da?“ Link riss plötzlich den Arm hoch und deutete vage auf eine Stelle über den beiden Skultullas. Navi verengte die Augen zu Schlitzen, um besser sehen zu können. „Was meinst du?“ „Diesen Schatten da. Irgendwie sieht er komisch aus – findest du nicht? So als wäre er in Wirklichkeit gar kein Schatten, sondern ein Vorsprung oder so.“ Ohne ihrem Schützling zu antworten, schoss die Fee in die Höhe und nahm die benannte Stelle in Augenschein. Die beiden Spinnen beachteten sie zum Glück überhaupt nicht, was Navi erleichtert aufatmen ließ. So eng wie der Raum war, wäre es schwer geworden, ihren langen Beinen oder einem auf sie geschossenen Faden auszuweichen. Als Navi nach nur wenigen Herzschlägen zu Link zurückkehrte, grinste sie bis über beide Ohren. „Du hattest Recht. Da oben geht es tatsächlich weiter.“ Der Recke lächelte zurück, zog jedoch sogleich wieder ein besorgtes Gesicht, als ihm einfiel, dass er seine Schleuder als Erwachsener im Waldtempel zerbrochen hatte. „Was hast du?“ Navi hob die Augenbrauen und sah ihn irritiert an. „Mir fiel nur gerade ein, dass meine Schleuder kaputt ist. Die Spinnen mit dem Bumerang zu erwischen, wird schwer.“ Die Fee stieß bei seinen Worten ein Schnaufen aus und bedachte ihn mit einem abfälligen Blick. „Du hast immer noch nicht verstanden, wie die Magie deines Lederbeutels funktioniert, oder?“ Anstatt erleichtert dreinzuschauen wurde Link plötzlich kalkweiß. „Du meinst, der Wunderbeutel hätte sie repariert?“ „Was meinst du mit ‚hätte‘?“ Plötzliche Erkenntnis erhellte das Gesicht der Fee, das erst ebenfalls blass und dann wutrot wurde. „Jetzt sag mir nicht, dass du sie damals nicht mitgenommen hast!“ Link zog schützend die Schultern vor und dachte daran wie er die zerbrochene Schleuder einfach fallen gelassen und nicht wieder aufgehoben hatte. „Ich dachte, sie wäre sowieso von keinem Wert mehr für uns…“ „Oh, bei den Göttinnen! Womit hab ich es verdient, mit so einem Trottel geschlagen zu sein?!“ Navi warf in einer theatralischen Geste die Arme in die Höhe und kniff sich anschließend in die Nasenwurzel, um sich wieder zu sammeln. Ein Wutausbruch half ihnen auch nicht weiter und ein Weltuntergang war die verlorene Schleuder auch nicht. Trotzdem ärgerte sie der Gedanke, dass Link womöglich von den beiden Spinnen verletzt werden könnte, bloß weil er mit seiner Ausrüstung unachtsam gewesen war, maßlos. Dieses Abenteuer war doch kein Spiel! Link biss sich auf die Unterlippe und ließ den Kopf hängen, was ihn wie ein Häufchen Elend wirken ließ. Doch dann straffte er die Schultern und steckte eine Hand in seinen Lederbeutel. Bei seinem verbissenen Gesichtsausdruck, seufzte Navi kaum hörbar auf. Wem machte sie eigentlich etwas vor? Sie war nicht wütend auf ihn, sondern auf sich. Sie selbst hatte versagt. Es wäre ihre Pflicht gewesen, auf so etwas zu achten und ihn darauf hinzuweisen, dass er die Schleuderbruchstücke einsammeln sollte. „Link, ich… mir…“, setzte sie an, aber ihr Schützling winkte ab. „Komm her. Versteck dich unter meiner Mütze. Ich hab eine Idee.“ Seine Stimme klang kühl und distanziert, wie immer, wenn er versuchte, Emotionen in sich einzuschließen. Mit einem Stich im Herzen, kroch Navi unter seinen Mützensaum und krallte sich in seinem Haar fest. Kaum, dass er das vertraute, leichte Ziehen an seiner Kopfhaut spürte, aktivierte Link den Zauber, den er hervorgeholt hatte. Sofort schossen Feuersäulen in die Höhe und bildeten eine immer größer werdende Kuppel um den Jungen herum. Navi krabbelte so nah an sein Ohr heran wie sie konnte und brüllte gegen das Tosen der Flammen: „Link, es tut mir leid! Ich wollte nicht so grob zu dir sein. Ich…“ Sie suchte verzweifelt nach Worten, um den Knoten in ihrem Herzen beschreiben zu können. Als die verkohlten Spinnenleichen mit einem dumpfen Dröhnen auf den Boden stürzten, zuckte die Fee heftig zusammen – so sehr war sie in ihren eigenen Gedanken gefangen gewesen. Link wartete nicht darauf, dass sie ihren Satz beendete: „Ist schon gut.“ Er klang noch immer distanziert, aber zu Navis Erleichterung nicht mehr unterkühlt. „Ich weiß, dass es dir leidtut. Und du hattest ja Recht.“ Er schlug die Augen nieder und seufzte. Navi strampelte sich von seinen Haaren frei und flog vor ihn, um ihn ansehen zu können. „Nein, hatte ich nicht. Ich war der Volltrottel – nicht du. Ich hätte dich daran erinnern müssen. Es tut mir leid, dass ich nicht daran gedacht habe.“ Ein schelmisches Funkeln hatte sich in die Iriden des Jungen geschlichen, als er wieder zu seiner Fee aufsah. „Dann sind wir beide Volltrottel?“ Seine weißen Zähne blitzten im Fackelschein und Navi konnte nicht anders als zurückzugrinsen. „Darauf kannst du Gift nehmen.“ Die beiden Abenteurer brachen daraufhin in Gelächter aus, das erst verstummte, als Link sich an das Erklimmen der Wand machte. Das unebene Mauerwerk bot zum Glück genügend hervorstehende Steine, an denen der junge Recke sich festhalten und mit den Füßen abstützen konnte. Oben angekommen keuchte Link heftig und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Klettern fiel ihm zwar recht leicht, doch je höher er gekommen war, desto wärmer war der Raum geworden. Nun hatte er das Gefühl inmitten einer riesigen Waschküche zu stehen, so heiß und schwer war die Luft. Der Schweiß floss in breiten Bahnen über seinen gesamten Körper und klebte ihm die Tunika an den Leib. Die verletzte Schulter protestierte brennend gegen die salzige Drüsenflüssigkeit, die über die geschundene Haut rann. Navi, deren Feenschein in der Hitze rubinrot funkelte, flog bereits im Raum umher, während sie darauf wartete, dass ihr Schützling neuen Atem schöpfte. Anders als die bisher durchquerten Tempelräume besaß dieser keine geometrische Form. Die Grundfläche war zwar rechteckig, doch die nach innen gewölbte Steinwand ließ den Raum verschoben wirken. Das Feenmädchen achtete darauf jedoch kaum. Seine Aufmerksamkeit galt einer auf den Boden aufgemalten Sonne, deren Körper mit einem eigentümlich silber-gelb schimmernden Stein besetzt war. „Hey, Link! Sieh dir das mal an! Hier steht irgendetwas“, Navi deutete auf verwitterte Letter, die jemand mit grüner Farbe um die Sonne herum auf den Boden gepinselt hatte, „aber die Schrift ist so verblasst, dass ich kaum noch etwas lesen kann. Irgendwas mit ‚Weg öffnen‘ und ‚Sonne‘…“ Zu Navis Überraschung trat ihr Schützling jedoch nicht an sie heran und versuchte mit ihr gemeinsam das Rätsel zu lösen. Stattdessen schrie er: „Navi! Pass auf!“ Erschrocken wirbelte die Fee herum und entdeckte neben sich einen riesigen Echsenkrieger, dessen Säbelspitze genau über ihr in der Luft schwebte. Die Echse gab einen zischelnden Laut von sich und ließ ihre Waffe hinabsausen. Anstatt zur Seite zu springen, schrie Navi lediglich schrill auf. Sie war zu geschockt, dass sie den Angreifer nicht bemerkt hatte, um sich zu bewegen. Mit zusammengekniffenen Augen wartete die Fee auf den letzten Schmerz ihres Lebens, doch stattdessen erklang das Krachen von Metall auf Metall. Navi linste vorsichtig unter halb geöffneten Augenlidern hinweg nach oben und atmete erleichtert auf. Link war nach vorn gehechtet und hatte den Stich des Echsenkriegers mit dem eigenen Schwert abgewehrt. So schnell sie konnte, kletterte Navi am Stiefel ihres Schützlings hoch, um bei dem Gefecht nicht im Weg zu sein oder gar zertreten zu werden. Links Kontrahent überragte den Jungen um mindestens einen halben Meter und sein Krummsäbel war über doppelt so lang wie das Kokiri-Schwert. „Ganz ruhig. Du hast schon aussichtslosere Kämpfe gewonnen“, sprach Link sich selbst Mut zu, während er leichtfüßig tänzelnd den Schwerthieben der Echse auswich. Was Geschick und Geschwindigkeit anging, war der Junge deutlich überlegen, aber das nützte ihm gar nichts, solange er nicht eine Lücke in der Verteidigung seines Gegners entdecken konnte. Im Gegensatz zu ihm schien der Echsenkrieger keinerlei Probleme mit der Hitze zu haben. Wie sollte er nur einen Vorstoß wagen, wenn er mit seinem kurzen Schwert nicht einmal in die Nähe des Gegnertorsos kam? Stumm in sich hineinfluchend tadelte Link sich dafür, den verbrannten Kokiri-Schild nie ersetzt zu haben. Mit einem Schild wäre der Kampf deutlich einfacher gewesen. Er hätte einen Angriff der Echse mit dem Schild blocken, sich unter dem Arm des Gegners hinwegducken und ihm das Schwert ins Herz treiben können. Doch so blieben die Bilder in seinem Kopf nichts anderes als theoretische Überlegungen… Einem weiteren Schlag ausweichend wandte Link sich schließlich an Navi: „Du hast nicht zufällig einen Tipp für mich, oder?“ Die Fee klammerte an seinem Stiefelsaum und schüttelte den Kopf. „Ich würde sagen, seine Schwachstellen sind seine Kehle und der Bauch. Aber das nützt dir leider gar nichts, wenn du ihn nicht erreichen kannst.“ „Verdammt…“ Navi ließ in der Hoffnung, doch noch etwas zu entdecken, das Link helfen könnte, ihren Blick rastlos im Raum umher irren. Als sie in einer Ecke einen großen Sandhaufen entdeckte, kam ihr eine Idee: „Vielleicht kannst du ihn überraschen, wenn du dich von oben auf ihn stürzt. Da hinten ist ein Sandhügel, der dir genügend Höhe geben dürfte. Du musst nur schnell genug sein.“ Kaum, dass Navi ausgesprochen hatte, wirbelte Link herum und rannte auf den Sandhaufen zu. Eine Überraschungsattacke war vermutlich wirklich seine einzige Chance. Für einen kurzen Moment stand der Echsenkrieger tatsächlich verwirrt wirkend im Raum, aber dann stieß er sich vom Boden ab und katapultierte sich mit einem gigantischen Sprung vor Link, um ihm den Weg abzuschneiden. Der Junge riss erschrocken die Augen auf und rutschte bei seinem abrupten Bremsmanöver auf einigen Sandkörnern aus. Nur knapp konnte er dem herabsausenden Säbel seines Kontrahenten ausweichen. Der hervorschnellenden Hand des Reptils war jedoch nicht zu entkommen. Wie Schraubstöcke schlossen sich die krallenbewehrten Finger der Echse um Links verletzte Schulter. Der Recke stieß einen gellenden Schmerzensschrei aus, der seiner Fee durch Mark und Bein ging, und sackte kraftlos zu Boden. Sein Arm fühlte sich völlig taub an, abgesehen von dem stechenden Schmerz, den die sich in sein Fleisch grabenden Krallen des Gegners verursachten. Navi wusste nicht, was sie tun sollte, aber sie wusste genau, dass sie nicht tatenlos herumsitzen und zuschauen konnte, wie der Echsenkrieger ihren Freund tötete. Auch wenn sie chancenlos war, musste sie wenigstens versuchen, ihn zu beschützen! Doch bevor sie sich in die Lüfte schwingen konnte, verwandelte sich Links schmerzverzerrtes Gesicht zu einer Maske der Entschlossenheit. Die Zähne fest zusammengebissen umfasste er sein Schwert so fest er konnte und schlug mit voller Kraft gegen den Knöchel des Echsenkriegers. Das Geräusch von reißenden Sehnen und splitternden Knochen vermischte sich mit dem schrillen Schrei der Echse, als die scharfe Klinge die Füße des Kriegers von dessen Unterschenkeln trennte. Link rappelte sich so schnell er konnte wieder auf und durchtrennte dem in sich zusammenstürzenden Gegner die Kehle. Dann ließ er das Schwert zu Boden fallen und stürzte würgend auf die Knie. Navi schwebte um ihn herum und schreckte beinah vor seinem Anblick zurück. Sein Gesicht war über und über mit dem Blut der Echse bedeckt, was ihm das Aussehen eines skrupellosen Schlächters verlieh. Da sie nicht wusste, was sie sagen sollte, verharrte die Fee schweigend neben ihrem Schützling in der Luft und wartete, bis sein rebellierender Magen sich wieder beruhigt hatte. Wieder einmal fragte sie sich, warum die Göttinnen ausgerechnet einen sensiblen und mitfühlenden Jungen zum Herrn der Zeiten gemacht hatten. Womit hatte Link es verdient, diese seelischen Qualen und die körperlichen Torturen durchstehen zu müssen? Wieso konnte die Rettung Hyrules nicht in den Händen eines erfahrenen Soldaten liegen? Warum kümmerten die Göttinnen sich nicht einfach selbst darum?! Als Link schließlich wortlos sein Schwert aufhob und sich über den Mund wischend aufstand, brach es Navi das Herz. Er machte so viel durch und versuchte, all die Last allein zu tragen… Das war nicht fair. „Link, ich…“ Ihr versagte die Stimme und sie musste neu ansetzen. Doch Link hob eine blutbesprenkelte Hand und brachte seine Begleiterin zum Schweigen. „Nicht, Navi. Wenn ich jetzt anfange, mich darüber auszulassen, wie sehr ich das alles nicht mehr will, dann breche ich zusammen. Und ich weiß nicht, wann oder ob ich wieder auf die Beine komme.“ Bevor Navi sich entscheiden konnte, ob sie darauf etwas entgegnen wollte, deutete der Junge auf die auf den Boden gemalte Sonne. „Kannst du dir einen Reim darauf machen, was es damit auf sich hat?“ Obwohl ihr nicht wohl dabei war, ihn mit seinem Schmerz allein zu lassen, kam die Fee dem Wunsch ihres Schützlings nach und stieg auf das Thema ein: „Ich glaube, es hat etwas mit dem Öffnungsmechanismus der Tür dort hinten zu tun.“ Link nickte und trat näher an die Sonne heran. „Ja, das denke ich auch. Fragt sich nur, wie man es aktiviert.“ Navi flog zur Sonne herüber und ließ sich auf dem halbdurchsichtigen Stein in der Mitte nieder. „Ich glaube, es hat etwas mit Licht zu tun.“ Der Recke zog fragend die Augenbrauen hoch und seine Fee erklärte: „Ich finde, dieser Stein hat etwas von einer Linse. So als könnte er Sonnenlicht bündeln und weiterleiten. Vielleicht ist irgendwo in diesem Mechanismus ein dünnes Seil, das man durchbrennen muss oder so.“ „Hm…“ Link legte den Kopf schief und grübelte. „Aber woher sollen wir das Licht nehmen? Mit Feuer funktioniert es vermutlich nicht, oder?“ „Ich fürchte, es muss Sonnenlicht sein.“ Navi deutete auf ein Wort der verblassten Schrift auf dem Boden. Die Stirn in Falten gelegt sah der Junge sich im Raum um. Woher sollte das Sonnenlicht bloß kommen? Sie befanden sich mitten in einem Tempel ohne Fenster! Während er seinen Blick über die gebogene Felswand wandern ließ, platzte Link ohne nachzudenken heraus: „Ich glaub, wir befinden uns gerade in der Brust der Göttin des Sandes.“ Navi, die sich in der Zwischenzeit mit den verwitterten Schriftzeichen abgemüht hatte, um vielleicht doch noch einen Hinweis entziffern zu können, horchte auf. „Wie kommst du darauf?“ Link deutete mit einem knappen Fingerzeig auf die ihm gegenübergelegene Wand. „Diese Wölbungen sehen aus wie die Brüste der Göttin.“ Bei dieser Antwort rollte Navi mit den Augen und wollte bereits eine bissige Bemerkung über Männer und Brüste machen, als ihr eine Erkenntnis kam. Ihren Schützling erfreut anstrahlend rief sie: „Weißt du, was das bedeutet?“ „Dass wir schon einen weiten Weg im Tempel zurückgelegt haben und ganz schön weit hochgeklettert sind?“ Navi wischte seine Antwort mit einer unwirschen Handbewegung beiseite. „Nein, Dummerchen. Das bedeutet, dass es auf der anderen Seite dieser Wand jede Menge Sonnenlicht gibt! Wir müssen nur einen Weg finden, ein Loch hinein zu sprengen… Meinst du, das bekommst du mit deinen Bomben hin?“ „Versuch macht klug.“ Mit diesen Worten holte Link eine Bombe hervor und entzündete sie an einer in der Nähe stehenden Fackel. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, während er die herabbrennende Lunte beobachtete und abzuschätzen versuchte, wann er die explosive Kugel von sich schleudern musste. Navi versteckte sich unterdessen sicherheitshalber schon mal unter seiner Mütze und hielt sich die Ohren zu. Die Zündschnur war fast heruntergebrannt, als der Junge die Bombe mit voller Wucht gegen die Wand schleuderte und sich sogleich flach auf den Boden fallen ließ. Der Sprengsatz detonierte mit einem ohrenbetäubend lauten Krachen und die Explosionsdruckwelle fegte wie eine Orkanböe über Link hinweg. Kleine, spitze Steinchen schnitten ihm dabei in die nackten Oberschenkel, aber das war ihm völlig egal. Das Poltern von Geröll und der helle Streifen Sonnenlicht, der plötzlich in den Raum fiel, verrieten ihm, das er erfolgreich gewesen war. Navi streckte ihren Kopf unter seinem Mützensaum hervor und jubelte: „Das hast du gut gemacht!“ „Danke. Ich hoffe nur, dass dies wirklich die Lösung des Rätsels war.“ Neugierig rappelten sich die beiden Abenteurer auf und traten wieder an die aufgemalte Sonne heran. Der Mittelstein glühte im Sonnenlicht als wäre er selbst eine Lichtquelle, doch ansonsten schien sich nichts verändert zu haben. Navi wollte bereits meckern, als ein leises Klicken ertönte. Junge und Fee sahen sich gespannt an und warteten angespannt darauf, dass noch mehr passieren würde. Nach einem viel zu langen Moment versanken endlich die Eisenstäbe vor der weiter in den Tempel führenden Tür im Boden und die beiden Abenteurer stießen die unbewusst angehaltene Luft wieder aus. Endlich konnte es weitergehen. „Woa! Ist das riesig!“ Kaum, dass Link über die Schwelle getreten war, riss er staunend die Augen auf. Die Halle hinter der Tür war größer als jeder Raum, den der Recke bisher gesehen hatte – sogar die Zitadelle der Zeit konnte nicht mithalten. Zwar die Kirche in Hyrule-Stadt in etwa gleich lang wie diese Halle, doch in der Breite unterschieden sich die beiden deutlich. Während die Grundfläche der Zitadelle zu größten Teilen schmal und rechteckig war, bis sich der Raum des Master-Schwerts an das Kirchenschiff anschloss, war der Grundriss der Tempelhalle nahezu quadratisch. Zudem war die Decke so hoch, dass sie im Fackelschein nicht zu sehen war. Doch das wohl Beeindruckendste war wohl die gigantische Nure-Onna-Statue an der Rückwand der Halle. Der zusammengeschlungene Schwanz der Schlangenfrau nahm fast die gesamte Breite des Raumes ein, ihr Torso erstreckte sich über mindestens ein Stockwerk in die Höhe und ihre Handflächen hatte sie wie eine meditierende Gottheit nach oben gewandt. Ihre Brust war mit einem farbenprächtigen Brustharnisch bedeckt, der aussah als schimmerten verschiedene Edelsteine zwischen den aufgemalten Eisenplatten. Ihr Kopf verschwand in den Schatten unter der Decke. Während Link nicht aufhören konnte, die riesige Statue zu bestaunen, zog Navi unbehaglich die Schultern vor und ließ ihren Blick unstet umher huschen. „Das gefällt mir nicht…“ Ihr Schützling zuckte nur mit den Schultern. „Über Kunst lässt sich bekanntlich streiten. Aber findest du es nicht faszinierend, was manche Bildhauer schaffen können? Sie sieht aus als wäre sie aus nur einem Stein gehauen!“ Die Fee stieß ein genervtes Schnauben aus. „Das meinte ich nicht. Kunst ist mir gerade reichlich egal. Irgendetwas stimmt an diesem Raum nicht.“ Link zog die Stirn kraus und drehte sich, um seine Freundin, die hinter seiner Schulter in der Luft schwebte, besser ansehen zu können. „Was meinst du? Ich kann nichts Ungewöhnliches entdecken. Haben deine Feensinne angeschlagen?“ „Ja.“ Navi nickte bedächtig. „Ich verstehe die Stimmen des Tempels nur schlecht – so als wären sie durch einen Zauber blockiert oder so. Aber irgendetwas hier lässt es mir kalt den Rücken runterlaufen… Und die Nure Onna kann ich auch nur als Warnung begreifen.“ Link, der sich nie sonderlich für Mythologie interessiert hatte, warf einen kurzen Seitenblick zur Statue zurück. „Wieso? Was sagt man über Schlangenfrauen?“ „So hübsch diese Statue auch wirken mag, Nure Onna sind Monster. Es heißt, sie nutzen die Schönheit ihrer menschlichen Anteile, um unbedarfte Männer in die Falle zu locken – um Beispiel, indem sie eine ertrinkende Frau mimen. Wenn der Retter dann in der Nähe ist, kann sich eine Nure Onna angeblich mit der Schnelligkeit und Geschmeidigkeit einer Schlange bewegen und blitzschnell angreifen. In ihren Schlangenschwanz eingewickelt, ist das Opfer dann völlig wehr- und schutzlos und kann nichts dagegen machen, dass die Nure Onna ihm sein gesamtes Blut entzieht.“ Geistesabwesend legte Link sich eine Hand an den Hals und verzog das Gesicht. Navi fuhr unterdessen fort: „In manchen Sagen heißt es sogar, dass Nure Onna die Fähigkeit besitzen, ihre Opfer mit nur einem Blick bewegungsunfähig zu machen oder gar in Stein zu verwandeln.“ Sich schüttelnd murmelte Link: „Irgendwie finde ich die Statue auf einmal gar nicht mehr so schön.“ Navi verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln und wollte etwas Neckendes sagen, aber ihr Schützling sprach weiter: „Wenn jemand eine solche Skulptur in seinem Tempel errichten lässt, dann kann es eigentlich nur eine Intention dafür geben – Abschreckung. Vermutlich birgt die Statue irgendein Geheimnis, das besonders gut geschützt sein soll.“ Eine plötzliche Idee erhellte sein Gesicht und er strahlte seine Fee voller Enthusiasmus an. „Vielleicht sind die Krafthandschuhe irgendwo in der Nure Onna versteckt!“ Navi legte den Kopf schief und dachte nach. Links Argumentation war stichhaltig, das musste sie zugeben. Doch irgendetwas sagte ihr, dass er sich irrte. „Ich glaube, du liegst falsch.“ Vor Überraschung entgleisten Link die Gesichtszüge und er starrte seine Freundin völlig perplex an. „Wieso?“ „Die Krafthandschuhe sind ein jahrtausendealtes Relikt der Gerudo, das früher zusammen mit einem anderen Artefakt, dem Spiegelschild, für rituelle Zwecke eingesetzt wurde – davon hat der Deku-Baum mal erzählt. Die Krafthandschuhe sind also in gewisser Weise so etwas wie eine heilige Reliquie für die Gerudo.“ „Und was hat das damit zu tun, dass du nicht glaubst, dass die Handschuhe in der Skulptur versteckt sein könnten? Gerade so etwas Wichtiges würde ich besonders gut verbergen.“ Bildete Navi sich das ein oder klang Link tatsächlich ein wenig beleidigt? Die Fee schüttelte kurz den Kopf, um wieder klar denken zu können. Sie musste sich getäuscht haben. Es war nicht Links Art, einzuschnappen, bloß weil sie ihm widersprach. Er war einfach nur müde und wollte die Queste so schnell wie möglich hinter sich bringen. Vermutlich klang er deswegen etwas gereizter als normal und sie hatte seinen Tonfall im ersten Moment fehlinterpretiert. „Würdest du etwas, das dir heilig ist, einem Monster anvertrauen?“, fragte Navi in betont unbeschwertem Ton, um ihrem Schützling ein wenig seiner Anspannung zu nehmen. Dieser zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne und räumte dann ein: „Nein, vermutlich nicht.“ „Eben. Ich auch nicht – schon gar nicht, wenn das vermeintliche Versteck eine solch böse Aura verströmt wie in diesem Fall…“ Das Feenmädchen schüttelte sich als spüre es den Hauch des Todes auf seiner Haut und fuhr dann fort: „Außerdem wirkt die Statue als wäre sie erst nachträglich eingefügt worden. Siehst du das? Der Stein der Mauern scheint schon Jahrtausende alt zu sein – er ist noch nicht so glatt und gleichmäßig wie es zum Beispiel das Mauerwerk der Gerudo-Festung ist. Anscheinend haben die Gerudo zwischen dem Erbauen dieses Tempels und der Errichtung ihrer Festung bessere Werkzeuge entwickelt.“ Link nickte bedächtig und nahm seiner Begleiterin die Worte aus dem Mund: „Die Nure Onna wurde von jemandem mit ausgezeichnetem Werkzeug gestaltet. Der Stein wurde nahezu perfekt bearbeitet und abgeschliffen – ganz anders als bei der Göttin des Sandes selbst. Ihre Oberfläche ist rau und ihre Gliedmaßen teilweise ein wenig zu eckig.“ Navi bedachte ihn mit einem stolzen Lächeln. „Genau. Die Krafthandschuhe dürften aber in etwa so alt sein wie der Tempel selbst. Das heißt, es muss bereits einen Aufbewahrungsort für sie gegeben haben, bevor die Nure-Onna-Statue errichtet worden ist. Vermutlich gibt es irgendwo einen Altar oder so etwas in der Art.“ Link nickte erneut und schien seinen Feuereifer von zuvor wiedergefunden zu haben. „Alles klar. Lass ihn uns suchen!“ Mit diesen Worten drehte sich der junge Recke um die eigene Achse und deutete mit dem Kinn auf eine Treppe, die ins nächste Stockwerk führte. „Wie es aussieht, ist das der einzige Weg, der uns offensteht.“ Schaudernd dachte der Junge daran, dass er in seiner Begeisterung für die Schlangenfrauskulptur beinah über den Rand des Plateaus, auf dem sie sich befanden, getreten und gute drei Meter in die Tiefe gestürzt wäre. Der Fall hätte ihn zwar vermutlich nicht umgebracht, aber er hätte sich übel verletzen können. Die trüben Gedanken vertreibend machte Link sich schnell daran, die gewundene Treppe emporzusteigen. Doch oben angekommen war die Ernüchterung groß. „Wieso zum verfluchten Deku muss jede vermaledeite Tür in diesem Tempel vergittert sein?!“ Link trat entnervt gegen die Wand und verzog das Gesicht, als ein stechender Schmerz durch seinen großen Zeh fuhr. Navi, die den Ausbruch ihres Schützlings gut verstehen konnte, legte ihm zur Beruhigung eine Hand an die Wange. „Ich schau mich kurz um, ob ich einen Schalter entdecke. Es wäre doch gelacht, wenn wir dieses Rätsel nicht in Null Komma Nichts gelöst hätten.“ Der Junge brummte eine unverständliche Antwort und nickte, woraufhin sich seine Fee ohne weiteres Wort in die Lüfte schwang. Doch wo sollte sie mit dem Suchen anfangen? Die Tempelhalle war riesig! Einer inneren Stimme folgend schwebte Navi zurück zu der Tür, durch die beiden Abenteurer gekommen waren, und betrachtete die danebenstehende Skulptur eines Armos-Ritters. Weshalb manche dieser Statuen wohl zum Leben erwachten, wenn man in ihre Nähe kam, andere jedoch nicht? Während Navi die Skulptur betrachtete und Link ungeduldig mit den Füßen scharren hörte, fiel ihr Blick wie magnetisch angezogen auf ein metallisch glänzendes Quadrat am Boden, schräg unter dem Podest. Zunächst begriff sie nicht, worum es sich dabei handelte, doch als die Erkenntnis schließlich in ihr Bewusstsein sickerte, schoss die Fee zu ihrem Begleiter zurück. „Link! Link, ich hab’s!“ Vor Begeisterung vergaß Navi, rechtzeitig zu bremsen und klatschte ihrem Freund mitten ins Gesicht. „Hrmpf… Das ist ja schön…“, nuschelte dieser um ihre Beine herum. „Autsch!“ Sich die Stirn haltend rückte Navi wieder von Link ab und sah ihn mit einer Mischung aus Ärger, Schmerz und Freude an. Offenbar überlegte sie, ob sie ihren Schützling für den Zusammenstoß verantwortlich machen konnte. Doch anstatt Link dafür anzublaffen, dass er nicht ausgewichen war, deutete Navi nur nach unten und erklärte: „Ich habe einen Bodenschalter gefunden. Ich glaube, wenn du den Armos-Ritter dort unten vom Plateau herunterschiebst, landet er direkt auf dem Schalter.“ Link, dessen Gesicht noch immer mit dem angetrockneten Blut des Echsenkriegers besprenkelt war, lächelte sie dankbar an und sprintete schon im nächsten Augenblick die Treppe wieder herunter. Kurz darauf versanken die Eisenstäbe vor der oberen Tür im Boden und Navi klopfte sich selbst auf die Schulter, dass sie die Lösung des Rätsels so schnell gefunden hatte. Als Link wieder an sie herantrat, wirkte er ein wenig atemlos, aber das hinderte ihn nicht daran, schnurstracks durch die Tür in einen schmalen Korridor und von dort aus in den nächsten Raum zu marschieren. Dieser enthielt bis auf ein paar Stahlzyklopen – kleine Metallsäulen, die durch eine Linse am oberen Ende Feuerstrahlen aussenden konnten – keine Überraschungen. Dank gezielter Bombeneinsätze stellten auch die Zyklopen keine ernsthafte Bedrohung dar. Doch zu Links großem Unmut erwies sich auch der Ausgang dieses Raumes als vergittert. „Ich sag’s dir, Navi: Wenn ich in diesem Tempel auch nur eine einzige Tür entdecke, die nicht verriegelt ist, benenne ich mich um! Dann heiße ich zukünftig Baron Hieronymus von Irrenhausen!“ Die Fee stieß einen grunzenden Laut durch die Nase aus und lachte leise. „Wieso das denn?“ „Weil ich dann vor Freude vermutlich augenblicklich den Verstand verliere…“ „Du solltest dir das mit der Namensänderung trotzdem noch mal überlegen. Kleide dich lieber fortan in Lumpen, wirf mit Exkrementen um dich und behaupte, die seist der König von Hyrule. Damit machst du bestimmt mehr Eindruck.“ Link rollte mit den Augen und kletterte auf einen in der Nähe befindlichen Steinquader, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Der Raum war recht klein und von niedrigen Steinpalisaden durchzogen, sodass es wirkte als hätte jemand halbherzig versucht, einen Irrgarten anzulegen. Inmitten dieses vermeintlichen Labyrinths entdeckte der Junge einen Steinblock, auf dem genauso eine Sonne angebracht war wie in dem Raum mit dem Echsenkrieger. Unweit davon war eine Vertiefung im Boden, die aussah als würde der Quader genau hineinpassen. Sofort schwang Link sich wieder von seinem Aussichtspunkt herunter und nahm die fragliche Stelle in Augenschein. Navi beobachtete ihn dabei mit kraus gezogener Stirn. Bevor sie fragen konnte, was er dort tat, sah ihr Freund plötzlich zu ihr auf und deutete auf ein kleines, kaum sichtbares Loch im Boden. „Kannst du etwas darin erkennen?“ Die Fee ließ sich neben ihrem Begleiter nieder und blickte durch die Öffnung im Stein hinab. Das Bohrloch hatte kaum so viel Durchmesser wie ihr Daumen und schien mit Glas versiegelt worden zu sein. „Hmm… Nicht viel. Es ist zu dunkel und das Loch zu klein.“ „Es sieht aus wie ein dünnes Seil, findest du nicht?“ Navi kniff ein Auge zusammen, um besser sehen zu können. Sie konnte etwas Hellbraunes ausmachen, das sich anscheinend von einer Seite zur anderen spannte und leicht ausgefranst wirkte. „Ja, könnte sein. Wieso?“ „Dort hinten“, Link wies in Richtung der gegenübergelegenen Ecke, „ist ein Steinquader mit einer Sonne wie vorhin. Ich nehme an, dass der Block durchbohrt ist und das Sonnenlicht weiterleitet. Offenbar muss der Klotz an diese Stelle geschoben werden, damit das Seil durchgeschmorrt werden kann.“ Navi nickte und zog ein erstauntes Gesicht. Das war für Links Verhältnisse außerordentlich gut beobachtet! Normalerweise war sie es, die ihn auf derartige Feinheiten und Details hinweisen musste, nicht umgekehrt. Ohne ihren eigentümlichen Gesichtsausdruck zu beachten, richtete Link sich wieder auf und trabte zu dem besagten Steinquader herüber. Sich mit vollem Gewicht dagegen lehnend rief er seiner Fee zu: „Du kannst dich schon mal umsehen, ob du eine Möglichkeit entdeckst, wie wir das Sonnenlicht in den Raum lassen können.“ Vermutlich war es nur Glück, dass Navi zuerst nach oben sah und den dicken Vorhang entdeckte, doch das Feenmädchen setzte trotzdem ein überlegenes Lächeln auf. „Schon längst geschehen, Meister!“ Dann schwang sie sich in die Lüfte und begann, die Kordel der Bedeckung zu entknoten. Link hatte den Steinklotz kaum die Hälfte des Weges geschoben, als die dunklen Tuchbahnen auch schon auseinanderfielen und goldenes Sonnenlicht durch ein Loch in der Decke fiel. Keuchend schob der Junge den Quader in die dafür vorgesehene Vertiefung. Sein gesamter Körper schmerzte vor Anstrengung und er hatte das Gefühl, sein Besuch bei der Feenkönigin wäre schon eine Ewigkeit her. Doch anstatt sich etwas anmerken zu lassen, wischte er sich nur den Schweiß ab und sah abwartend zur Tür hinüber. Navi, die trotz Links Bemühungen, sich stark zu geben, spürte wie ausgelaugt ihr Schützling war, kreuzte beide Zeige- und Mittelfinger und betete stumm zu den Göttinnen. Als die Tür schließlich freigegeben wurde, atmeten Fee und Junge hörbar auf. Der dahintergelegene Korridor war lang und führte über eine niedrige, mit rotem Teppich ausgelegte Treppe zu einer weiteren Tür. „Hey, sieht so aus als hätte Hyrule einen neuen König! Oder soll ich dich wirklich Baron Irrenhausen nennen?“, witzelte Navi, als die beiden Abenteurer verblüfft verstellten, dass sie ausnahmsweise nicht von Eisenstangen am weiteren Vordringen gehindert wurden. „Ach, halt doch die Klappe!“ Das Grinsen in Links Gesicht verriet, dass er trotz seiner harschen Worte nicht ernsthaft sauer war. Navi streckte ihm kichernd die Zunge heraus, während er die Tür aufstieß. Doch das Lachen blieb ihr angesichts des nächsten Raumes im Hals stecken. „Das… Das sieht ja aus wie ein Thronsaal.“ Die Fee bestaunte die sechs kunstvoll verzierten Säulen, die wie salutierende Soldaten den langen, blutroten Teppich säumten. Jede einzelne von ihnen musste ein Vermögen wert sein, so viel Silber, Gold und Edelsteine schimmerten im Fackelschein. „Sieh mal, Link! Ist das nicht bezaubernd?“ Navi deutete auf die ihnen am nächsten stehenden Säule. „Die Malereien erzählen richtige Geschichten. Auf dieser geht es anscheinend um spirituelle Rituale. Ob dieser Silberkleks die Krafthandschuhe darstellen soll?“ „Navi!“ Bei dem gepressten Klang von Links Stimme horchte die Fee überrascht auf. Normalerweise war ihr Schützling doch immer für alles Schöne zu haben. Anders als bei seinem Tonfall erwartet, maß Link sie jedoch nicht mit einem tadelnden Blick, sondern starrte zum anderen Ende des Saals hinüber. Navi folgte mit den Augen und zuckte erschrocken zusammen. Wie sie erwartet hatte, stand dort hinten tatsächlich ein Thron – aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass jemand auf ihm sitzen könnte! Einen schrecklichen Moment lang dachte Link, er sähe sich Ganondorf gegenüber, aber dann fiel ihm wieder ein, dass der König der Gerudo zu diesem Zeitpunkt in Hyrule-Stadt sein musste. Er war Link bis zur Zitadelle der Zeit gefolgt und hatte beobachtet, wie der Junge den Zugang zum Master-Schwert geöffnet hatte, wie er das Heft umklammert hatte – nur, dass Link es dann wieder losgelassen, ein seltsames Lied gespielt und sich dann in Luft aufgelöst hatte. Trotz seiner Anspannung musste der Junge bei dem Gedanken an Ganondorfs blödes Gesicht grinsen. Was er wohl gedacht hatte, als Link direkt vor seinen Augen verschwunden war, ohne den Zugang zum Heiligen Reich zu öffnen? In diesem Moment durchzuckte Link eine Idee. Was, wenn er das Master-Schwert nicht wieder aus dem Zeitfels zöge? Wenn er damit warten würde, bis er alt genug wäre, um das Schwert zu führen, und bis dahin ein normales Leben genießen würde? Dann würde er nicht für sieben Jahre gebannt werden und Ganondorf wäre nie in der Lage, das Triforce an sich zu reißen! Doch so schnell wie die Hoffnung in ihm aufgestiegen war, so schnell machte sie der Ernüchterung Platz. Der König Hyrules war tot, genau wie der Großteil seiner Soldaten. Zelda und Impa waren auf der Flucht. Es gab niemanden, der sich Ganondorf in diesem Moment in den Weg stellen konnte – Triforce hin oder her, Ganondorf würde über Hyrule regieren und es in ein Land des Schreckens verwandeln. Womöglich würde er Link suchen und umbringen lassen, wenn dieser sich nicht in Raurus Obhut begab, und damit wäre Hyrules letzte Hoffnung verloren. Link konnte es drehen und wenden wie er wollte: Der Zeitpunkt, die Geschichte zu ändern, war lange verstrichen. Alles, was er jetzt tun konnte, war, sich an den Plan zu halten. Als die schwer gepanzerte Gestalt vom Thron aufstand, erkannte Link, dass sein Gegner deutlich kleiner und schmaler als der gewaltige Gerudo-König war. Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck zog der Recke sein Schwert und wandte sich an seine Fee: „Versteck dich irgendwo. Ich will nicht, dass du in die Gefahrenzone gerätst.“ „Alles klar.“ Navi nickte und verschwand hinter einer der Säulen. Der Eisenprinz kam gemächlichen Schrittes auf Link zu, der leicht in die Knie ging und das Heft seines Schwertes festumklammerte. Als er etwa zwei Meter entfernt war, blieb der Kontrahent schließlich stehen und schien den Jungen vor sich mit einem abschätzigen Blick zu mustern. Es machte Link nervös, dass er auf Grund der massiven Panzerung nichts von seinem Gegner sehen konnte – selbst die Augen waren hinter einem Eisengitter verborgen. Wie sollte er hier bloß eine Schwachstelle finden? Um seinen Widersacher aus der Reserve zu locken, spottete Link: „Wenn du glaubst, dass du mich ohne eine Waffe besiegen kannst, irrst du dich gewaltig. Ich hab keine Angst vor einem Haufen Altmetall!“ Als wäre ihm erst jetzt aufgefallen, dass er unbewaffnet war, blickte der Eisenprinz auf seine Hände. Doch anstatt sich zurückziehen, stieß er ein grollendes Lachen aus. Dann schnippte er einmal mit den Fingern und eine mächtige Streitaxt materialisierte sich vor ihm in der Luft. Angesichts der Leichtigkeit, mit der der Eisenprinz die schwere Waffe auffing, schluckte Link hart. „Heiliger Deku…“ „Das hast du jetzt davon, dass du so eine dicke Lippe riskieren musstest!“ Link konnte Navi nicht sehen, doch ihre Stimme hallte gut hörbar durch den ganzen Raum. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass er solche Tricks draufhat!“ Als wäre er von der Auseinandersetzung der beiden Abenteurer gelangweilt, holte der Eisenprinz aus und wirbelte seine Axt mit einem horizontalen Schlag durch die Luft. Link konnte gerade noch nach hinten ausweichen, aber das nutzte ihm kaum etwas. Der Eisenprinz bewegte sich langsam auf ihn zu und ließ seine Waffe dabei ununterbrochen kreisen. Jeder Schlag wirkte noch kräftiger als der vorherige – der Prinz verstand es, die Fliehkräfte gezielt zu seinem Vorteil einzusetzen. Link blieb nichts anderes übrig als auszuweichen – an eine Gegenattacke war nicht mal zu denken. Genau wie beim Echsenkrieger war seine Reichweite viel zu kurz. Die Axt des Eisenprinzen hätte ihn niedergestreckt, bevor er auch nur in die Nähe des Körpers seines Gegners gekommen wäre. Doch anders als beim Kampf mit der Echse hätte ihm eine größere Reichweite auch nicht viel gebracht… Jeder Angriff war dazu verdammt, an der Rüstung des Prinzen zu zerschellen. Link schluckte und versuchte trotz nassgeschwitzter Hände sein Schwert festzuhalten, als er mit dem Rücken gegen eine Säule stieß. War dies sein Ende? Oder womöglich seine große Chance? Mit wild schlagendem Herzen wartete Link mit dem Ausweichen bis zum letzten Moment. Die Axt seines Gegners traf hart gegen die Säule und verursachte das schrille Kreischen von Metall auf Stein. Link kauerte unweit davon auf dem Boden und betete stumm zu den Göttinnen, sie mögen ihm beistehen. Doch anstatt im Stein festzustecken, durchschlug die Streitaxt die Säule als wäre sie kaum mehr als ein etwas dickerer Ast. „NEIN!“ Vor Verzweiflung schrie Link laut auf. Wie sollte er einen Gegner besiegen, der massive Steinsäulen zerschlagen konnte, wenn seine einzige Waffe ein Kurzschwert, ein besserer Zahnstocher war?! „Reiß dich zusammen!“, rief er sich selbst zur Räson. „Dir steht mehr zur Verfügung als dein Schwert. Konzentrier dich!“ So schnell er konnte, ging er im Geist all seine Ausrüstungsgegenstände durch. Womit könnte er dem Eisenritter schaden? Als ihm schließlich eine Idee kam, schob er sein Schwert in seinen Gürtel, wirbelte er herum und sprintete auf eine der Fackeln zu, die schräg hinter dem Thron standen. Das laute «Klong-Klong» hinter ihm verriet ihm, dass sein Gegner ihm auf den Fersen war, auch wenn er mit dem flinken Jungen nicht mithalten konnte. Dennoch war sein Kontrahent näher hinter ihm als Link gedacht hätte. Beim dem Geräusch von splitterndem Holz zuckte der Recke heftig zusammen und warf einen Blick über die Schulter zurück. Die Axt des Eisenprinzen zerteilte den massiven Holzthron wie Pappmaschee. „Hey, Schrotthaufen! Ich hab hier etwas für dich!“ Ohne darüber nachzudenken, wie nah er seinem Gegner stand, warf Link dem Eisenprinzen eine Bombe vor die Füße. Dieser legte den Kopf schief als wüsste er nicht, um was es sich bei der runden Kugel handelte – und dann explodierte sie auch schon. Link sprang so weit zurück wie er konnte und hielt sich die Arme vors Gesicht, aber die Druckwelle der Detonation schleuderte ihn gegen die nächste Wand. Der Junge schlug hart mit dem Kopf gegen das Mauerwerk und fiel dann wie ein nasser Sack zu Boden. Bunte Lichtpunkte tanzten vor seinen Augen und Dunkelheit breitete sich von den Rändern seines Sichtfeldes ausgehend immer weiter aus. Trotzdem kämpfte Link verbissen gegen die Ohnmacht und versuchte, wieder auf die Füße zu kommen. Als ein Schatten auf ihn fiel, riss der Recke den Kopf hoch und wurde dafür mit heftigem Schwindel bestraft. Alles, was er erkennen konnte, war eine umher wirbelnde Masse aus Silber und Grau. Der Eisenprinz… Er lebte noch! Seine Rüstung schien nicht einmal ernsthaften Schaden genommen zu haben. Sich an der Wand abstützend hievte Link sich mühsam wieder auf die Beine. Wenn er schon sterben sollte, dann aufrecht und kämpfend. Das war er all den Menschen, die sich auf ihn verließen, schuldig. Mit letzter Kraft zog er sein Schwert und hielt es vor sich. Seine Hände zitterten vor Anstrengung so sehr, dass die Schwertspitze unkontrolliert in der Luft tanzte. Der Eisenprinz wirkte für einen Moment von so viel Kampfeswillen verblüfft, bevor er seine mächtige Axt hob und zum letzten Schlag ansetzte. Link biss die Zähne fest zusammen und wappnete sich für das Ende. Doch zu seiner großen Überraschung führte der Eisenprinz den Angriff nicht aus. Stattdessen erstarrte er mitten in der Bewegung und fiel plötzlich in sich zusammen. Mit lautem Dröhnen trafen die einzelnen Rüstungsteile auf dem Steinboden auf und dort, wo noch Sekunden zuvor der Eisenprinz gestanden hatte, schwebte ein zierliches, silber-goldenes Mädchen mit Flügeln in der Luft und umklammerte mit einem panischen Gesichtsausdruck einen scharfkantigen Steinsplitter. „Navi?!“ Der Schwindel nahm zu und Link musste sich an der Wand entlang zu Boden rutschen lassen. „Oh, bei den Göttinnen! Du lebst noch!“ Navi schmiss sich mit vollem Gewicht gegen seine Brust und krallte sich im Stoff seiner Tunika fest. Obwohl ihr Tränen in Kehle und Augen brannten, konnte sie nicht weinen. Stattdessen keuchte sie nur: „Ich dachte, dieses Mal hätte ich dich endgültig verloren!“ „Ja, das dachte ich auch.“ Link bemühte sich, die nach ihm greifende Dunkelheit wegzublinzeln und das Geschehene zu verstehen. „Wie hast du das gemacht?“ „Als deine Bombe explodiert ist, klang es so hohl. Da kam mir eine Idee. Ich erinnerte mich daran, dass ich mal etwas von verzauberten Rüstungen gelesen habe und dass der einzige Weg, sie zu besiegen, ist, sie auseinanderzunehmen. Dieser Eisenprinz wurde am Rücken von mehreren Bändern zusammengehalten – wie es bei Brustharnischen oft der Fall ist. Also hab ich mir aus den Resten der Säule einen scharfen Stein gesucht und gebetet, dass ich es rechtzeitig schaffe, die Bänder zu zerschneiden.“ „Danke, Navi. Von ganzem Herzen danke!“ Die Fee blickte auf ihre Handflächen, aus denen goldenes Blut sickerte. Auch auf Links Tunika hatte sie glitzernde Flecken hinterlassen. Mit einem Lächeln ballte sie ihre Hände zu Fäusten und sah zu ihrem Freund auf. Diese Narben würde sie bis zu ihrem Lebensende mit Stolz tragen. Sie hatte es geschafft, ihren Schutzbefohlenen zu retten. Sie war nicht nutzlos! Nach einer langen Rast, während der Link wieder ein wenig zu Kräften gekommen war, brachen die beiden Abenteurer erneut auf. In Links Kopf hämmerte es noch immer, aber immerhin war ihm nicht mehr schwindelig und übel. Navi hatte ihren Stammplatz auf seiner Schulter eingenommen und ließ sich durch einen weiteren Korridor nach draußen tragen. Junge und Fee staunten nicht schlecht, als sie über die Schwelle traten und sich tatsächlich im Freien wiederfanden. Link, der noch immer Angst vor einer plötzlich wiederkehrenden Schwindelattacke hatte, zog einen Flunsch. „Sieht aus als wären wir auf dem Arm der Göttin des Sandes.“ Navi nickte und deutete dann in Richtung Hand. „Sieh mal, eine Schatztruhe!“ „Die guck ich mir sofort an. Aber vorher…“ Link griff in seinen Lederbeutel und holte die Flasche mit der Asche des Anubis hervor. Navi beobachtete mit Tränen in den Augen, wie ihr Schützling die Flasche entkorkte und die Überreste des Feuerfuchses in den Wind schüttete. Während sie betrachtete, wie die Ascheflöckchen in die Wüste hinausgetragen wurden, wandte Link sich abrupt der Truhe zu und riss den Deckel auf. Wahrscheinlich war diese scheinbare Gleichgültigkeit der einzige Weg, wie der Junge mit der Trauer in seinem Inneren umgehen konnte, ohne zu zerbrechen. Navi kuschelte sich in seine Halsbeuge, um ihm Nähe und Trost zu spenden und sah ihm dabei zu, wie er den Inhalt der Schatztruhe aus ihrem Inneren hervorholte. Beim Anblick des Schatzes atmeten die beiden Abenteurer erleichtert durch. „Die Krafthandschuhe! Endlich!“ Link nahm das Gerudo-Relikt an sich und zog die Stirn kraus. „Hm… Nicht ganz das, was ich erwartet hatte.“ Navi nickte zustimmend. „Ich hätte auch nicht gedacht, dass wir sie in einer Kiste im Freien finden würden…“ Link warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. „Das meinte ich nicht. Ich hatte mir die Krafthandschuhe selbst anders vorgestellt. Sie wirken so… gewöhnlich.“ Navi betrachte das ihr entgegengehaltene Relikt und nickte erneut. Die Krafthandschuhe sahen aus wie ein herkömmliches Paar Lederhandschuhe, das auf dem Rücken mit Silberplatten und jeweils einem großen Rubin verziert worden war. Schwer zu glauben, dass sie dem Träger übermenschliche Kräfte verleihen sollten. „Naboru wird enttäuscht sein“, stellte Link in nachdenklichem Ton fest. „Meinst du? Ich denke, als Gerudo hat sie schon mal Bilder von den Krafthandschuhen gesehen und weiß in etwa, auf was sie wartet.“ Der Junge schüttelte den Kopf. „Ich denke, sie will die Krafthandschuhe aus einem bestimmten Grund haben – und zwar, um sie gegen Ganondorf einzusetzen. Aber sieh sie dir mal genau an. Diese Handschuhe sind für Männer gemacht. Naboru wird sie nicht tragen können.“ Navi riss staunend die Augen auf. „Stimmt, du hast Recht.“ „Eigentlich merkwürdig, dass ein Relikt eines Frauenvolks für Männer gemacht ist. Findest du nicht?“ „Ich nehme mal an, dass die Krafthandschuhe für den König gedacht waren.“ „Ja, damit könntest du natürlich Recht haben. Naja, kann uns auch egal sein. Lass uns die Dinger schnell zu Naboru bringen und von hier verschwinden.“ „Jawohl, Sir!“ Navi salutierte im Sitzen und zauberte damit ein Grinsen auf das müde wirkende Gesicht ihres Freundes, der die Krafthandschuhe in seinem Lederbeutel verschwinden ließ. Die Beiden hatten sich bereits wieder der Tür zugewandt, als ein lautes Rascheln sie zusammenfahren ließ. Erschrocken wirbelte Link herum und entdeckte die Eule des Rauru, die sich auf den Fingern der Göttin niederließ. „Sei gegrüßt, junger Held. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.“ Erleichtert aufatmend trat Link an die Eule heran. „Du hast mich erschreckt.“ „Das war nicht meine Absicht.“ „Dachte ich mir.“ Link ließ seinen Blick geistesabwesend über das Wüstental streifen. Die Sonne näherte sich im Westen bereits den Gebirgsausläufern und tauchte alles in ein unwirklich wirkendes, rötliches Licht. Von hier oben erschien die Welt so friedlich… Als gäbe es keinerlei Probleme. Link wünschte, er könnte diesen Moment irgendwie einfrieren und für immer bewahren. Unterdessen fragte Navi: „Was tust du hier?“ Die Eule drehte den Kopf um beinah 180° und sah zur Fee auf. Navi verzog das Gesicht zu einer Fratze. Sie hasste es, wenn Eulen das taten. Es sah immer aus als hätten sie sich das Genick gebrochen. „Ich hörte, dass der Herr der Zeiten hier sei. Deshalb bin ich hierhergekommen, um ihm einen Tipp zu geben.“ Links Kopf schnellte herum und er zog fragend die Augenbrauen in die Höhe: „Was für einen Ratschlag willst du mir geben?“ Die Eule drehte ihren Kopf wieder richtig herum, wobei ihre Federn ein leises Rascheln verursachten. „Du kannst die Twinrova nur mit einem Relikt der Gerudo schlagen. Also geh ihnen lieber aus dem Weg, solange du dies nicht besitzt.“ „Du meinst die Krafthandschuhe? Die haben wir schon.“ Navi deutete nach unten auf Links Wunderbeutel. Die Eule stieß einen gurrenden Laut aus. „Das habe ich gesehen. Aber nein, ich meinte den Spiegelschild. Die beiden Hexen sind nämlich nur mit ihrer eigenen Magie zu schlagen.“ Link verschränkte die Arme vor der Brust, was Navi leicht durchschüttelte. „Wie soll uns ein Schild dabei helfen, die Twinrova mit Magie zu besiegen?“ Bevor die Eule antworten konnte, zerriss plötzlich ein gellender Schrei die Stille des Tals. Link stürzte sogleich an den Rand des Göttinnenarms und entdeckte Naboru, die aus dem Tempel gerannt kam. Die junge Frau warf dabei immer wieder Blicke über die Schulter zurück und rief: „Lasst mich in Ruhe, ihr widerlichen Hexen!“ Die Eule des Rauru stieß ein traurig klingendes Gurren aus und wandte sich an Link: „Das ist dein Stichwort. Zeit, von hier zu verschwinden.“ Mit diesen Worten schwang sie sich wieder in die Lüfte und verschwand hinter der Göttin des Sandes. „Feigling!“, murrte Navi, wandte ihre Aufmerksamkeit jedoch sogleich wieder Naboru zu. Diese hatte inzwischen das Ende des steinernen Vorhofs erreicht und schien für einen Moment zu zögern. Dann setzte sie doch einen Fuß auf den Sand und rannte weiter. Sofort schossen die Kakteenwesen aus dem Boden hervor und nahmen die Verfolgung auf. Aus dem Inneren des Tempels tauchten zwei alte Frauen auf, die in schwarze Umhänge gehüllt waren und auf Besen durch die Luft ritten. Ihre langen, offen im Wind wehenden Haare waren so weiß wie ausgeblichene Knochen. „Das müssen die Twinrova sein“, flüsterte Navi, doch Link war zu angespannt, um zu antworten. Was sollte er bloß tun? Er konnte die zwei Hexen nicht besiegen – das hatte Raurus Eule ihm gerade erst gesagt. Aber er konnte doch auch nicht einfach nichts machen! Fieberhaft suchte er nach einem Plan, Naboru zu helfen. Vielleicht konnte er sich zur Teleportierplattform bringen lassen und zusammen mit Naboru wegteleportieren lassen, bevor die Twinrova sie erreichten. Doch er hatte gerade erst die Okarina der Zeit hervorgeholt, als die Gerudo stolperte und lang hinschlug. „NABORU!!!“ Link schrie aus Reflex auf, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Die beiden Hexen wandten die Köpfe und schienen sich kurz abzusprechen, bevor eine zu Naboru flog und die andere Kurs auf Link nahm. „Link?“ Naboru rappelte sich beim Klang seiner Stimme wieder ein wenig auf und wehrte ein Kakteenmonster ab. „Verschwinde von hier! Egal, wo du bist – verschwinde von hier! Ich komm schon klar!“ Der schwarze Strudel, der sich plötzlich unter ihr auftat und sie verschluckte, strafte die Worte der jungen Frau Lüge, aber Link hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Die Hexe, die sich um ihn kümmern sollte, war inzwischen so nah, dass er die Falten in ihrem altersfleckigen Gesicht und den eisblauen Kristall auf ihrer Stirn sehen konnte. Navi zerrte panisch an seinem Ohr und schrie: „Benutz die Okarina! Bring uns hier weg!“ Ohne nachzudenken setzte Link das Mundstück des heiligen Instruments an seine Lippen und spielte das erstbeste Teleportierlied, das ihm in den Sinn kam. Sein Körper löste sich sofort auf und schwebte als Lichtkugeln davon – gerade noch rechtzeitig. Denn nur einen Augenaufschlag später, krachte ein riesiger Eisbrocken genau auf die Stelle, an der er zuvor gekniet hatte. Kapitel 51: Eine letzte Ruhepause --------------------------------- Als Link vorsichtig blinzelnd seine Augen wieder aufschlug, schlug ihm das Herz noch immer bis zum Hals. Wo waren sie gelandet? Er konnte sich nicht daran erinnern, welches Teleportierlied er gespielt hatte, um der Hexe zu entkommen. Es war wie ein Reflex gewesen, er hatte nicht darüber nachgedacht. Unter seinen halbgeschlossenen Lidern hinweg konnte er nichts weiter erkennen als dunkles Grün, was ihn überrascht die Augen ganz aufreißen ließ. Doch bevor er seine Verblüffung in Worte fassen konnte, hörte er Navi fragen: „Die Heilige Lichtung? Warum zum Deku sind wir in den Verlorenen Wäldern?!“ Link zuckte mit den Schultern und atmete den harzig-moosigen Geruch der Wälder tief ein. Bei genauerer Betrachtung war es gar nicht so überraschend, dass er sich in seiner Panik in die Wälder geflüchtet hatte. Nach Hause… Navi lehnte sich mit einem Seufzen gegen den Hals ihres Schützlings. „Naja, im Grunde ist es auch egal, wo wir gelandet sind. Die entscheidendere Frage ist wohl: Was machen wir jetzt?“ „Ich weiß nicht.“ Der Junge schüttelte traurig den Kopf. „Wir müssen Naboru so schnell wie möglich befreien. Aber ich habe keine Ahnung, wie wir das anstellen sollen.“ Navi strich sich nachdenklich mit dem Daumennagel über die Lippen, dann hieb sie plötzlich ihre Faust auf die offene Handfläche. „Die alte Eule hat uns doch gesagt, dass du die Twinrova nur mit dem Spiegelschild besiegen kannst. Wir sollten zur Gerudo-Festung zurückkehren und mit Dinah und den anderen sprechen. Vielleicht erfahren wir so, wo wir den Schild finden können.“ „Vermutlich–“ Was Link vermutete, sollte Navi nie erfahren, da ihr Freund plötzlich durch eine von hinten kommende Stimme unterbrochen wurde: „Link? Bist du es wirklich?“ Die beiden Abenteurer wirbelten herum und entdeckten ein zierliches, in Grün gewandetes Mädchen, das sie groß anstarrte und plötzlich erbleichte. „Oh, bei den Göttinnen! Link, du siehst furchtbar aus!“ Navi gab einen grunzenden Laut von sich, als sie versuchte, nicht zu lachen, und murmelte etwas über Anti-Komplimente. Link hingegen gaffte verblüfft zu dem Mädchen herüber und stieß atemlos seinen Namen aus: „Salia…“ Sofort schoben sich die Erinnerungen an seine letzte Begegnung mit ihr vor sein geistiges Auge. Er sah wieder die grüne Lichtgestalt vor ihm, hörte erneut ihre Stimme, die ihm sagte, sie sei stolz auf ihn. Tränen schossen ihm in die Augen, als Trauer und Schuldgefühle wie eine Welle über ihm zusammenbrachen. Obwohl er inzwischen wusste, dass ihr Leben in dieser Welt durch ihr Schicksal als Weise des Waldes so oder so versiegt wäre, fühlte er sich noch immer als hätte er an ihr versagt. Als hätte er seine beste Freundin im Stich gelassen… „Oh, Salia!“ Ohne darüber nachzudenken, was er tat, machte der Junge einen Satz nach vorne und warf sich dem überraschten Mädchen in die Arme. Navi fiel bei seinem überstürzten nach-vorne-Hechten von seiner Schulter, doch als sie ihren schluchzenden Schützling sah wie er sich an Salia klammerte als würde er ohne sie von der Dunkelheit verschluckt, schob sie die ihr auf der Zunge liegende Bemerkung beiseite. Anstatt ihn zu tadeln, dass er nicht auf sie geachtet hatte, wartete sie geduldig, bis er sich wieder beruhigt hatte, bevor sie zu ihm aufschloss. Salia, die ihn die ganze Zeit schweigend gehalten hatte, sah mit einer Mischung aus Verwirrung und Sorge zu ihm hoch, als Link schließlich von ihr abrückte und sich mit dem Handballen über die Augen wischte. Als könnte sie ihm durch Körperkontakt Halt und Sicherheit geben wie ein Anker griff Salia nach Links Hand und fragte: „Was im Namen der Göttinnen ist mit dir passiert? Du bist ja völlig fertig! Und… ist das dein Blut?“ Geistesabwesend berührte Link seine Wange. Er schien erst jetzt zu bemerken, dass er noch immer mit dem inzwischen getrockneten Blut des Echsenkriegers besudelt war. Sofort sah er wieder die abgetrennten Füße der Echse wieder vor sich und fröstelte. „Nein.“ Link schüttelte müde den Kopf. Er wollte nicht, dass Salia wusste, dass er so schreckliche Dinge tun musste. Obwohl ihm bewusst war, dass er als Herr der Zeiten keine andere Wahl hatte, fühlte er sich in Gegenwart seiner besten Freundin plötzlich wie ein Mörder. So unauffällig wie möglich entwand er ihr seine Hand und ballte sie zur Faust, was Navi besorgt die Stirn in Falten legen ließ. Wie konnte er Salia mit diesen Händen anfassen, an denen so viel Blut klebte, die so viele Leben beendet hatten? Doch das Kokiri-Mädchen schien sich daran nicht zu stören. Salia berührte ihn mit derselben Selbstverständlichkeit wie sie es immer getan hatte. Sie legte ihm sanft eine Hand auf den rechten Oberarm, knapp unter den provisorischen Verband und streichelte mit dem Daumen seine Haut. „Aber du bist trotzdem verletzt, nicht wahr?“ Die Sorge im Gesicht seiner besten Freundin rührte den Jungen und er nickte lediglich zur Antwort, da er wegen des Kloßes in seiner Kehle keinen Ton herausbekam. „Ein Feuerflatterer hat ihm die Schulter verbrannt und ich fürchte, er könnte eine Gehirnerschütterung haben. Jedenfalls ist er ganz schön übel mit dem Hinterkopf gegen eine Wand geknallt“, mischte Navi sich in das Gespräch ein. Vielleicht wusste Salia ja einen Rat, wie man zumindest die Brandwunde behandeln konnte. Zu Links Überraschung riss Salia ihm mit einer schnellen Bewegung die Mütze vom Kopf und inspizierte die Rückseite seines Schädels. Als Navi plötzlich mit erbostem Gesichtsausdruck vor sein Gesicht flog, blinzelte der Junge seine Begleiterin irritiert an. „Wieso hast du Trottel mir nicht gesagt, dass du eine Platzwunde hast?!“ „Was?“ Verwirrt befühlte Link seinen Hinterkopf und sog scharf Luft ein, als seine Berührung an einer Stelle heftig brannte. Er zog den Arm zurück und betrachtete seine Hand. Die Fingerkuppen waren rostrot. „Das ist mir gar nicht aufgefallen.“ Seine Stimme klang selbst in seinen eigenen Ohren weit weg. Allmählich wuchs ihm das Ganze über den Kopf. Er fühlte sich erschöpft und unendlich müde… Als Link wieder hochsah, begegnete er den Blicken seiner beiden Freundinnen. Während Navi wütend wirkte, war Salias Miene von tiefer Sorge gekennzeichnet. „Das gefällt mir nicht!“, stieß sie plötzlich mit einer für sie ungewöhnlichen Intensität aus. „Ich weiß, dass der Deku-Baum gesagt hat, dieses Abenteuer sei dein Schicksal – aber es gefällt mir nicht!“ Salia machte sich nicht mal die Mühe, zu versuchen, die dicken Tränen, die ihr über die Wangen kullerten und im Licht der untergehenden Sonne glitzerten, zu verbergen. Link streckte hilflos einen Arm nach ihr aus, ließ ihn jedoch unverrichteter Dinge wieder sinken. Im Trösten war er schon immer schlecht gewesen… Navi hingegen strich dem Mädchen sanft über die Wange und sagte: „Mach dir um Link keine Sorgen. Er ist zwar ein Trottel, aber er ist zäh. Außerdem hat er ja noch mich.“ Salia gab einen schluchzenden Laut von sich, der entweder ein Lachen oder ein unterdrücktes Aufheulen sein konnte. Navi warf einen hilfesuchenden Blick zu Link, der sich unwohlwohl fühlend auf den Fußballen wippte. „Navi hat Recht“, pflichtete er bei, „du musst dir keine Sorgen machen.“ „Das sehe ich…“ Salia fixierte übertrieben deutlich seine verletzte Schulter. „Für die Gegner, mit denen Link es zu tun hatte, sieht er echt noch gut aus.“ „Stimmt. Mir hätte es deutlich schlechter gehen können!“ Link dachte an seine knappe Rettung vor dem Eisenprinz und grinste Navi dankbar an. Salia wischte sich jedoch mit einem grimmigen Gesichtsausdruck über die Nase und stellte fest: „Ihr Zwei seid miserable Tröster! Soll es mich wirklich beruhigen, dass Link dieses Mal Glück hatte?!“ Link zog zerknirscht den Kopf ein, während Navi betonte: „Das war Können, kein Glück!“ Unwirsch abwinkend sagte Salia: „Lass es gut sein. Gegen das Schicksal kann ich sowieso nichts ausrichten. Ob ich damit einverstanden bin oder nicht, Link wird bald wieder aufbrechen und sein Leben für etwas riskieren, dass die Göttinnen ihm aufgebürdet haben. Das Einzige, das ich tun kann, ist euch so gut wie möglich zu unterstützen. Kommt mit.“ Ohne einen weiteren Blick auf die beiden Abenteurer zu werfen, setzte sich das Kokiri-Mädchen in Bewegung und strebte vom Waldtempel davon. Link schlurfte betreten hinter seiner besten Freundin her. Er hasste es, ihr Sorgen zu bereiten. Sie sollte seinetwegen lachen, nicht weinen! Doch was sollte er tun? Er konnte nicht einfach aufhören, der Herr der Zeiten zu sein. Navi setzte sich auf Links unbedeckten Kopf – Salia hielt Links Mütze noch immer fest – und war verblüffend still. Das Feenmädchen war ebenso wie die anderen beiden tief in Gedanken versunken. Mitgefühl mit Salia erfüllte Navis Geist. Sie konnte nur zu gut verstehen, wie die Kokiri sich fühlen musste. Sie selbst hatte schon häufiger mit dem Schicksal gehadert und empfand es als unsagbar unfair, dass Link die Zukunft Hyrules in den Händen halten musste. Nach etwa einer Viertelstunde blieb Salia schließlich vor einem großen Busch stehen und drehte sich zu ihren Begleitern um. „Wir sind da.“ Mit diesen Worten zog sie die Zweige des Busches ein wenig auseinander und machte mit der freien Hand eine einladende Geste. Link blinzelte sie irritiert an und Navi sprach aus, was er dachte: „Öhm… Wie genau soll es uns helfen durch einen Busch gegen eine Felswand zu krabbeln?“ Obwohl Link sich noch Sekunden vorher genau dasselbe gefragt hatte, nickte er Salia zu und verkündete: „Ich vertraue Salia. Wenn sie sagt, dass es uns hilft, dann glaube ich ihr.“ Ohne eine Reaktion seiner beiden Freundinnen abzuwarten, ging der Junge auf die Knie und kroch in den Busch hinein. Immer wieder schlugen ihm feine Äste ins Gesicht, aber zu seiner Überraschung waren sie so weich und biegsam, dass sie keine Kratzer auf seiner empfindlichen Haut hinterließen. Wirklich ins Staunen geriet Link allerdings erst, als er das silbrige Licht entdeckte, das in der Ferne durch die Blätter schien. Nur zu gerne hätte er Navi oder Salia dazu befragt, ein Blick über die Schulter zurück verriet ihm jedoch, dass die beiden ihm nicht gefolgt waren. Daher zog er von Neugierde getrieben das Tempo an und fand sich schon bald an einem vertraut wirkenden Ort wieder. Ein Feenbrunnen? Lebte in den Verlorenen Wäldern tatsächlich eine Feenkönigin? Link runzelte die Stirn und sah sich etwas genauer um. Nein, er hatte sich getäuscht. Dieser Ort sah den Quellen der großen Feen zwar verblüffend ähnlich, doch einiges war auch anders. Die Wände schienen hier ebenfalls aus flüssigen Edelsteinen zu sein, aber der kunstvoll gestaltete Brunnen fehlte ebenso wie die ihn flankierenden farbigen Fackeln. Stattdessen führte ein schmaler Gang zu einer mit Marmor ausgekleideten Senke, die mit aquamarinblauem, leicht fluoreszierendem Wasser gefüllt war. Über diesem Teich schwebten unzählige rosafarbene Feen durch die Luft und ihre zarten Stimmen verwoben sich zu einem der schönsten Klänge, die Link je gehört hatte. Langsam, fast zögerlich – so als beträte er heiligen Boden – ging der Junge auf die tanzenden Feen zu. Als diese ihn bemerkten, ging ein Aufschrei durch ihre Reihen und die geflügelten Frauen stoben in alle Himmelsrichtungen auseinander, um sich zu verstecken. Link riss in einer Geste der Friedfertigkeit die Arme hoch und rief: „Habt keine Angst! Ich will euch nichts tun! Ich habe nur eine Bitte an euch.“ Eine noch recht jung wirkende Feenweise mit kurzen, brombeerfarbenen Haaren lugte aus ihrem Versteck hervor und fragte ängstlich: „Du hast also nicht vor, uns einzufangen und in Flaschen zu stecken?“ Irritiert blinzelnd starrte der Junge zu der Fee herüber. Wer tat denn sowas?! „Äh… nein. Ich bin im Kampf verletzt worden und wollte euch bitten, meine Wunden zu heilen. Das ist alles.“ Lächelnd schickte die geflügelte Frau sich an, aus ihrem Unterschlupf zu kriechen, doch eine ältere Artgenossin hielt sie zurück. „Warte, Hira! Das könnte eine Falle sein!“ Dann wandte sich die alte Fee an Link. Ihre Iriden waren derart leuchtend Pink, dass der Junge sich wie hypnotisiert fühlte von diesem ungewöhnlichen Anblick. „Sag uns, wer du bist, Fremder!“ „Ich heiße Link.“ Bei seinem Namen ging ein Raunen durch die Reihen, doch Link sprach unbeirrt weiter: „Obwohl ich Hylianer bin, bin ich im Kokiri-Dorf aufgewachsen. Dort kannte man mich lange als den ‚feenlosen Jungen‘, bis der Deku-Baum mir Navi an meine Seite stellte.“ Während sich einige der jüngeren Feen schon wieder hervortrauten, durchbohrte die Pinkäugige Link noch immer mit Blicken. „Du behauptetest also, der auserwählte Junge zu sein, den der Deku-Baum höchstpersönlich unter seine Fittiche genommen hat?“ „Ja!“ Link nickte nachdrücklich. So langsam ging ihm die alte Schachtel mit ihrer Skepsis auf die Nerven. Als hätte er Zeit zu verschenken! Die Fee zog mit einem hochnäsigen Gesichtsausdruck die Augenbrauen in die Höhe. „Wenn du wirklich Link bist, wo ist dann Navi?“ Der Junge stöhnte genervt auf und deutete mit dem Daumen über seine Schulter hinweg nach hinten. „Draußen. Sie wartet zusammen mit Salia darauf, dass ich zurückkomme.“ In Gedanken fügte er hinzu: „Vermutlich fragen die Beiden sich schon, warum ich so lange brauche.“ „Du bist ein Lügner!“, donnerte die alte Fee. „Du versuchst, uns hinters Licht zu führen, damit du uns fangen und auf dem Markt für viel Geld verkaufen kannst!“ Angesichts dieser Anklage blieb Link der Mund offenstehen und er suchte ratlos nach einer Entgegnung. Gerade, als er die Feen auffordern wollte, draußen nachzusehen, ob Navi tatsächlich auf ihn wartete, mischte Hira sich ein: „Ich denke, du irrst dich, Raja.“ Zu Links Überraschung nickten fast alle der Feenweisen, was Raja beleidigt die Arme vor der Brust verschränken ließ. Hira fuhr davon unbeeindruckt fort: „Sieh ihm dir doch mal genau an. Wer so aufrichtige, offen wirkende Augen hat, lügt nicht.“ Link lächelte Hira dankbar an, während Raja die Nase rümpfte. „Grmpf. Macht doch, was ihr wollt! Aber denkt daran, wenn ihr in seinen Flaschen landet: Ich habe es euch gesagt!“ Mit diesen Worten verschwand die großmütterliche Fee wieder in ihrem Unterschlupf. Einige der anderen Feenweisen folgten ihrem Beispiel, die meisten versammelten sich jedoch um Hira, die sich Link näherte. „Wo bist du denn verletzt?“ Der Junge löste den provisorischen Verband von seinem Oberarm und stöhnte vor Schmerz, als er den verklebten Stoff von seinem rohen, nässenden Fleisch riss. Zwei Feenweisen eilten sofort herbei und sprachen einen Heilzauber über der Brandwunde aus. Sogleich ließ der Schmerz nach und Link atmete erleichtert auf. Während sich die Brandblasen auf seiner Schulter bereits langsam zurückzogen, deutete Link vage auf seinen Hinterkopf. „Außerdem hab ich da irgendwo eine Platzwunde. Navi vermutet zudem, dass ich eine leichte Gehirnerschütterung haben könnte.“ „Das haben wir gleich.“ Hira lächelte ihn an und wie auf ein geheimes Zeichen hin, flogen alle anwesenden Feenweisen zu Link herüber und legten ihm ihre winzigen Hände auf. Unwillkürlich musste der Junge an eine Wand denken, die er im Reich der Zoras gesehen hatte und die fast vollständig von Muscheln bedeckt gewesen war. Ob er mit dieser Hülle aus rosafarbenen Feenscheinen nun ähnlich aussah? Angenehme Wärme und das Gefühl vollkommener Leichtigkeit fluteten Links Körper, während die Feen um ihn herum leise Zauberformeln murmelten. Seine Haut begann von innen heraus zu glühen und sich vollständig zu erneuern. Sogar seine Fingernägel, die er sich beim Klettern mehrfach eingerissen hatte, wuchsen wieder zusammen und sahen auf einmal aus wie perfekt manikürt. Als die Feenweisen schließlich von ihm abließen, fühlte Link sich körperlich wie neu geboren. Lediglich die tief von Innen kommende Erschöpfung hatten die geflügelten Frauen ihm nicht nehmen können. „Habt Dank!“ Link lächelte die Feen, denen der Schweiß auf den Stirnen stand, strahlend an. Hira winkte ab und die Feenweise neben ihr sagte: „Nichts zu danken, Kleiner. Wir helfen gerne – jedenfalls die meisten von uns.“ Die Fee warf einen vielsagenden Blick in Richtung von Rajas Unterschlupf, als eine Artgenossin anmerkte: „Ich kann allerdings verstehen, dass Raja und die anderen vorsichtig geworden sind. In letzter Zeit kommen immer wieder irgendwelche Typen und fangen uns wegen unserer Heilfähigkeiten ein. Dabei ist ihnen völlig egal, wie unwohl wir uns in diesen engen Gefängnissen fühlen!“ Mitgefühl beschlich Link und er zupfte nachdenklich mit den Zähnen an seiner Oberlippe. Dann lächelte er die Feen wieder an und verkündete: „Ich werde Salia und die anderen Kokiri bitten, besser auf euch aufzupassen. Vielleicht kann ja immer einer Wache stehen oder so.“ „Oh, das wäre wundervoll!“, jauchzten die Feenweisen im Chor. „Dann mache ich mich mal wieder an den Rückweg, um es so schnell wie möglich mit den anderen zu besprechen. Habt noch mal vielen Dank!“ Mit diesen Worten wandte Link sich um und machte sich daran, erneut durch den Busch zu kriechen. Schon bevor er auf der anderen Seite durchs Blätterwerk brach, hörte Link wie sich Salia und Navi unterhielten. Anscheinend berichtete Navi von ihrer Reise – zumindest schilderte sie in diesem Moment Links Kampf gegen Volvagia. Der Pathos, den sie dabei an den Tag legte, ließ Link schmunzeln. Als er schließlich aus dem Busch kroch und Salia ihre Aufmerksamkeit sofort ihm zuwandte, wirkte Navi im ersten Augenblick fast pikiert, dass sie unterbrochen worden war. Doch dann erhellte ein strahlendes Lächeln ihr Gesicht. „Gut siehst du aus!“ „So fühle ich mich auch.“ Er nickte Salia dankbar zu und grüßte dann ihre Fee, die inzwischen ebenfalls aufgetaucht war und neben ihr schwebte, mit einem knappen Winken. „Wir sollten uns am besten gleich zur Gerudo-Festung aufmachen.“ Den Blick auf Navi gerichtet deutete Link grob in Richtung Westen. Er war bereits in Gedanken dabei, sich einen Plan für das weitere Vorgehen zurechtzulegen, sodass er bei dem scharfen Klang von Salias Stimme heftig zusammenzuckte: „Nein!“ Verwirrt ließ Link seinen Blick zwischen seiner besten Freundin und seiner Fee hin und her zucken. War in seiner Abwesenheit irgendetwas passiert? Navi sah Salia mit einem eigentümlich mitfühlenden Gesichtsausdruck an, und sagte: „Ich denke, Salia hat Recht. Wir sollten noch ein wenig bleiben und rasten.“ Links Irritation wurde immer größer. Wie konnte Navi so etwas sagen? Sie wusste doch, wie sehr die Zeit drängte! „Warum? Mir geht’s doch wieder gut.“ „Dein Körper hat sich erholt, ja. Aber du musst auch deiner Seele mal eine Verschnaufpause gönnen!“ Der Zorn in Salias Stimme erschreckte Link. So außer sich hatte er sie noch nie erlebt. Sie musste sich wirklich große Sorgen um ihn machen… „Salia, ich–“, setzte er an. Doch sie fiel ihm rigoros ins Wort: „Kein Aber. Ich akzeptiere in dieser Sache keinen Widerspruch. Du bleibst bis morgen Früh – und damit basta!“ Link warf einen hilfesuchenden Blick zu Navi, die ihn jedoch erneut überraschte, indem sie Salia beipflichtete: „Du brauchst wirklich mal eine Auszeit und ein wenig Ruhe.“ Als der Junge den Mund öffnete, um zu widersprechen, hob sie eine Hand und brachte ihn zum Schweigen. „Ich weiß, dass die Zeit drängt. Aber bis morgen Früh sind es nur ein paar Stunden. Das ist zu verschmerzen.“ Tief aufseufzend gab Link sich schließlich geschlagen. „In Ordnung. Wir bleiben! Eine Nacht im eigenen Bett wird mir sicher gut tun.“ Navi und Salia strahlten ihn dankbar an und sogar Tia, Salias Fee, lächelte erfreut. Auf einmal blitzte der Schalk in Salias Augen auf und sie fragte: „Weißt du, was dir außerdem gut tun würde?“ „Was denn?“ „Ein Bad!“ Die drei Mädchen verfielen in Gelächter, während Link ein gespielt genervtes Gesicht zog. Dann knuffte er seiner besten Freundin leicht gegen den Oberarm und machte sich auf den Weg ins Dorf. Salia schloss geschwind zu ihm auf und ging neben ihm. Die beiden Feen ließen ihnen ein wenig Vorsprung und folgten dann in gebührendem Abstand. Während Link Salia von seinem Besuch bei den Feenweisen und seinem Versprechen erzählte, hörte er Tia gespannt fragen: „Und? Wie konnte er den Feuerdrachen nun besiegen?“ Im Dorf angekommen steuerte Link schnurstracks auf den Teich zu, um zu baden und seine Kleidung zu waschen. Salia wollte sich unterdessen mit Tias Hilfe um das Abendessen kümmern. Navi hockte auf einem flachen Stein am Ufer und beobachtete, wie ihr Schützling durchs Wasser glitt. Es tat so gut, sich endlich den Wüstensand und vor allem das Blut abwaschen zu können! Allmählich fühlte sich Link wieder wie ein normaler Junge und nicht mehr wie ein Schlächter. Als er sich flach auf den Rücken legte und zusah wie langsam ein Stern nach dem anderen am Himmel aufleuchtete, sagte Navi: „Ich habe noch mal nachgedacht. Ich glaube, wir können uns den Weg zur Gerudo-Festung sparen.“ Überrascht riss Link den Kopf herum und ging bei der unbedachten Bewegung beinah unter. „Warum?“ „Naboru hat mir erzählt, dass die Twinrova alle Aufzeichnungen vernichten ließen, die womöglich Aufschluss über ihren Schwachpunkt hätten offenbaren können. Wenn der Spiegelschild nötig ist, um die beiden Hexen zu besiegen, sind garantiert sämtliche Berichte darüber lange verbrannt.“ „Hm.“ Der Junge machte ein nachdenkliches Gesicht. „Stimmt. Naboru wusste ja auch nicht, wo die Krafthandschuhe waren. Nur, dass sie irgendwo im Tempel sein mussten.“ Navi nickte, wobei ihr langes, goldenes Haar sanfte Wellen schlug. „Genau. Und dass der Spiegelschild ebenfalls im Geistertempel sein muss, weiß ich auch so. Dafür müssen wir uns nicht durch die Archive der Gerudo-Festung wühlen – was vermutlich eh vergebens wäre.“ „Wie kommst du darauf, dass der Schild im Tempel ist?“ Link warf ihr einen neugierigen Seitenblick zu. „Ich hab dir doch schon gesagt, dass der Deku-Baum mal von den Ritualen der Gerudo erzählt hat. Für eine bestimmte Zeremonie, die im Geistertempel stattfand, wurden die Krafthandschuhe und der Spiegelschild benötigt. Wenn die Handschuhe im Tempel aufbewahrt wurden, dann sicher auch der Schild.“ „Das macht Sinn. Aber ich fürchte, wenn wir jetzt zurückkehren, rennen wir den Hexen direkt in die Arme. Ich nehme an, dass meine Anwesenheit bei Naborus Gefangennahme sie ziemlich aufgescheucht haben wird.“ „Kann sein.“ Navi schöpfte etwas Wasser und ließ es sich geistesabwesend durch die Finger rinnen. „Aber wir sollten sowieso in der Zukunft zum Tempel zurückkehren.“ Link sah sie verblüfft an und richtete sich wieder auf. Im Stehen reichte ihm das Wasser an der tiefsten Stelle des Teiches bis unters Kinn. „Wieso das denn? In der Zukunft gibt es für mich keinen Weg ins Tempelinnere.“ Die Fee hob tadelnd einen Zeigefinger und belehrte ihren Schützling: „Du meinst, es gab keinen Weg für dich.“ Navi sah Link intensiv an, bis ihm dämmerte, worauf sie hinaus wollte. „Die Krafthandschuhe!“ „Genau. Du hast selbst gesagt, dass sie für Männer gemacht sind. Ich bin mir sicher, dass sie dir passen werden.“ „Und wenn sie wirklich übermenschliche Kräfte verleihen, dann kann ich vielleicht den riesigen Steinblock in der Eingangshalle verschieben!“ „Jetzt hast du meinen Plan begriffen!“ Als wolle er sofort losstürmen, watete Link ans Ufer und raffte seine abgelegten Ausrüstungsgegenstände zusammen. Dann lief er nass wie er war zu seinem Haus, um sich schnell abzutrocknen und sich saubere Kleidung anzuziehen. Anschließend warf er die gewaschenen Tuniken auf seine Wäscheleine neben seinem Hausbaum und joggte dann zu Salias Heim hinüber. Navi war bereits vorgeflogen, um ihrem Schützling ein wenig Privatsphäre und zumindest ein kleines bisschen Zeit ganz für sich allein zu lassen. Nach dem Essen saßen Link und Salia noch eine Weile zusammen, während ihre Feen schon lange schliefen. Link berichtete noch einmal aus seiner Sicht von seinem Abenteuer, ließ aber aus, dass Salia die Weise der Wälder war. Zwar fühlte es sich für ihn an als würde er sie belügen, doch er wusste nicht, ob sie so viel über ihr eigenes Schicksal überhaupt wissen wollte. Als Salia sich gerade darüber beklagte, wie trostlos das Hyrule der Zukunft klänge, fragte Link plötzlich vollkommen zusammenhangslos: „Was wolltest du mir damals… letztens eigentlich noch sagen?“ Überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel riss Salia die Augen auf. „Was meinst du?“ „Als ich letztens dein Lied benutzt habe, um mittels des Windes mit dir zu sprechen. Erinnerst du dich? Ich wollte wissen, ob du etwas über den dritten Heiligen Stein weißt.“ „Ja, ich erinnere mich.“ Trotz ihrer Worte blickte die Kokiri noch immer verwirrt drein. „Du hast am Ende des Gespräches noch etwas sagen wollen, aber die Verbindung ist abgerissen. Ich habe dich nie gefragt, was du mir noch hattest mitteilen wollen. Das tut mir leid.“ Milde lächelnd legte Salia ihrem Freund eine Hand auf den Unterarm und beugte sich vor, um ihn auf die Wange zu küssen. „Gräm dich deswegen nicht. Ich hatte dir nur sagen wollen, dass du mir fehlst.“ „Du mir auch.“ Link legte seinen Arm um Salias Schultern und zog sie an sich. Sie lehnte ihren Kopf gegen seinen Oberarm und schwieg für eine Weile, bevor sie die gedrückte Stimmung wieder aufzuheitern versuchte: „Kannst du dich noch daran erinnern wie Mido damals einen Schneemann verprügeln wollte, weil er über eine Wurzel gestolpert war und geglaubt hat, der Schneemann habe ihm ein Bein gestellt?“ Link brach bei der Erinnerung an den über und über mit Schnee bedeckten, wutschnaubenden Mido in schallendes Gelächter aus und berichtete seinerseits von Details des besagten Tages, an die er sich noch erinnern konnte. Die Beiden saßen noch etwa eine Stunde zusammen und kramten in ihren frühen Kindheitserinnerungen. Doch als Link schließlich herzhaft gähnte, schickte Salia ihn ins Bett. Der Junge nickte müde, sammelte seine schlafende Fee ein und verabschiedete sich mit einem Wangenkuss von seiner besten Freundin. Salia brachte ihn bis zur Tür und sah ihm hinterher, bis Link in seinem Wohnbaum verschwunden war. Es tat ihr geradezu körperlich weh, dass sie ihn bald wieder gehen lassen musste. Mit einem stummen Gebet an die Göttinnen, sie mögen ihr Link wohlbehalten zurückbringen, löste Salia sich schließlich vom Türrahmen und kroch in ihr Bett. Kapitel 52: Die Kraft des Silbers --------------------------------- Als Link am nächsten Morgen erwachte, glaubte er für einen Moment, die zurückliegenden Abenteuer nur geträumt zu haben. Durch die vertraute Weichheit seines eigenen Bettes fühlte er sich wieder in die frühen Tage seiner Kindheit zurückversetzt und war sich sicher jeden Moment von einem Streich der anderen Kokiri-Jungen aus dem Bett geworfen zu werden. Doch dann hörte er neben seinem Ohr eine helle Stimme, die einen undefinierbaren Laut von sich gab, und die Erinnerung kehrte schlagartig zurück. Die Augen aufreißend setzte der Junge sich auf und betrachtete seine Fee, die neben seinem Kissen auf der Matratze lag und noch immer selig schlummerte. Navi lag mit angewinkelten Beinen auf der Seite und hatte ihren Kopf auf einen Unterarm gebettet. Ihr langes Haar fiel ihr wirr ins Gesicht und bedeckte es wie ein Schleier aus Goldfäden. Link ließ seinen Blick langsam an seinem Körper herabwandern. Obwohl die großen und kleinen Feen, die ihn immer wieder geheilt hatten, ganze Arbeit geleistet hatten, war seine Haut von unzähligen Narben übersät, die sich hell gegen den sonnengebräunten Untergrund absetzten. Lediglich das kreisrunde Wundmal auf seinem Fußrücken wies eine rosa Färbung auf. Alle anderen schimmerten in dem grauen Licht der Morgendämmerung weißlich-silbern. Es war also tatsächlich alles passiert… Je wacher Link wurde, desto realer fühlten sich seine Erinnerungen wieder an, bis sie das Gewand eines Traumes schließlich ganz abgelegt hatten. Etwas ernüchtert sah Link sich der Tatsache gegenüber, dass er wirklich der Herr der Zeiten war. So sehr er sich auch wünschen mochte, noch einige Tage in seinem Heimatdorf zu bleiben, diesen Luxus konnte er sich nicht erlauben. Auf ihn wartete eine große Aufgabe. Aber vielleicht…? Link erinnerte sich daran, dass Shiek ihm damals – war das wirklich erst ein paar Wochen her? – erzählt hatte, dass er nach einer Zeitreise wieder an genau dem Moment, in dem er das Master-Schwert in den Zeitfels gerammt hatte, ankommen würde. Eigentlich konnte er so viel Zeit in der Vergangenheit verbringen wie er wollte, ohne dass er befürchten musste, wertvolle Stunden zu verplempern. Link schwang die Füße aus dem Bett und stützte grübelnd die Ellbogen auf die Knie. Vielleicht sollte er sich ein paar Tage Urlaub von seinem Schicksal nehmen. Dann könnte er etwas mit Salia unternehmen und eine Weile so tun als wäre er ein ganz normaler Junge, dessen größte Sorge es war, mit was er die Zeit zwischen den Mahlzeiten füllen sollte. Der Gedanke daran, einfach blau zu machen, war so verlockend, dass es Link beinah das Herz zerriss. Nach seiner Kleidung greifend gestand der junge Recke sich jedoch ein, dass es nichts weiter war als ein schöner Tagtraum. Wenn er ehrlich zu sich war, wusste er genau, dass er die freien Tage sowieso nicht würde genießen können. Seine Queste würde die ganze Zeit über wie Gewitterwolken am Horizont lauern und jeden Entspannungsversuch überschatten. Wie sollte er faulenzen können, wenn er genau wusste, dass ganze Nationen darauf warteten, dass er Ganondorf endlich in seine Schranken verwies? Also zog Link sich fix an und sammelte seine Ausrüstung zusammen, bevor er Navi sanft mit dem Zeigefinger anstupste. „Hey, Schlafmütze. Es wird Zeit.“ „Hm?... Was?“ Das Feenmädchen rieb sich verschlafen über die Augen und gähnte herzhaft. „Ist es schon Morgen?“ „Ja. Die Sonne geht bereits auf. Wir sollten uns von Salia und Tia verabschieden und uns dann auf den Weg machen.“ Navi nickte und murmelte: „In Ordnung… bin gleich soweit.“ Dann rollte sie sich herum und kuschelte ihr Gesicht tief in Links Kissen. Dieser lachte und sagte: „Alles klar. Ich geh schon mal vor. Komm nach, wenn du wirklich wach bist.“ „Hm-mh.“ Wenige Minuten später klopfte Link an Salias Tür und staunte nicht schlecht, als seine beste Freundin ihm mit einem gutgelaunten Morgengruß öffnete. Über ihre Schulter hinweg konnte der Junge einen liebevoll gedeckten Frühstückstisch entdecken, auf dem frisch gebackene Nussbrötchen, Schalen mit Waldbeeren, ein voller Milchkrug und ein Blumenbouquet standen. Tia schwebte über dem Tisch in der Luft und zupfte an ein paar Blüten herum, um sie perfekt auszurichten. Einer inneren Eingebung folgend fragte Link verblüfft: „Ist das für mich?“ Salia lächelte und gab die Tür frei. „Ich dachte mir, du könntest ein anständiges Frühstück vertragen, bevor du dich wieder auf den Weg machst.“ Mit zwei langen Schritten war Link neben seiner Freundin und zog sie in seinen Arm. „Du bist die Beste! Ich danke dir.“ Im ersten Moment wirkte Salia überrascht, doch dann lehnte sie sich gegen Link und schloss ihn ihrerseits in die Arme. Für eine Weile hielten die Beiden sich schweigend aneinander fest, bis Navi durchs offenstehende Fenster hereinplatzte und schimpfte: „Warum hast du mich nicht geweckt?!“ Salia und Tia rissen überrascht die Augen auf, während Link sich glucksend zu seiner Fee umdrehte. „Ich habe dich geweckt. Aber du wolltest ja nicht aufstehen und bist wieder eingeschlafen.“ „Was?“ Navi blinzelte ihren Schützling irritiert an. Doch dann stiegen vage Erinnerungen an Links vorherigen Worte aus ihrem Unterbewusstsein auf und die Fee lief rot an. „Ups!“ Die anderen Drei brauchen in losgelöstes Gelächter aus und Link stupste seine Begleiterin spielerisch mit dem Finger an. Navi schlug leicht nach seiner Fingerkuppe und streckte ihm die Zunge heraus, was er ihr mit gleicher Münze heimzahlte. Salia schüttelte mit einem nachsichtigen Lächeln den Kopf und sagte: „Also, ich habe inzwischen gewaltigen Hunger. Wer leistet mir beim Essen Gesellschaft?“ Schneller als sie gucken konnte, saß Link am Tisch und grinste sie über die Schulter hinweg an. Angesichts des überraschten Gesichtsausdrucks seiner besten Freundin zuckte er mit den Achseln und murmelte: „Was denn? Ich dachte, wir wollten essen?“ Während Salia sich kichernd zu ihm an den Tisch setzte, verabschiedeten Navi und Tia sich, um draußen auf dem Dach ein wenig Sonne zu tanken und ihrerseits zu frühstücken. Link machte sich wie ein ausgehungerter Wolf über das Essen her und seufzte wohlig auf. Wie hatte er Salias Nussbrötchen vermisst! Salia hingegen stocherte trotz ihres angeblichen großen Hungers nur in ihrer Waldbeerenschale herum und beobachtete ihren besten Freund mit einem wehmütigen Schatten in den Augen. Als er ihren betretenen Gesichtsausdruck bemerkte, würgte Link schnell den letzten Bissen seines Brötchens herunter und fragte: „Was hast du?“ „Nichts, schon gut.“ Das Kokiri-Mädchen versuchte zu lächeln, was ihm jedoch nur halb gelang. Link zog die Augenbrauen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dir das abkaufe.“ Ein tiefer Seufzer hob und senkte Salias Brust, bevor das Mädchen schließlich gestand: „Ich mache mir Sorgen um dich. Wenn es nach mir ginge, würdest du nicht wieder gehen. Aber ich weiß, dass meine Meinung hier nichts zählt. Das Thema hatten wir schon.“ Salia winkte resigniert ab, aber Link schob ihr über den Tisch hinweg eine Hand zu. Als Salia ihre darauflegte, umfasste er fest ihr Handgelenk und versprach geradezu feierlich: „Ich werde auf mich aufpassen.“ Ein weiteres halbgares, die Augen nicht erreichendes Lächeln huschte über das Gesicht des Mädchens. „Versprich mir nichts, was du nicht halten kannst. Du weißt selbst nicht, was auf dich zukommt.“ Bei dem Gedanken an all die Gefahren, die womöglich auf ihren besten Freund warteten, zog sich alles in Salia zusammen und ihr lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Um sich selbst davon abzulenken, fragte sie betont unbeschwert: „Kommst du mich in der Zukunft besuchen?“ Links Miene verdüsterte sich schlagartig und er zog seine Hand zurück. „Ja… Wir werden uns in der Zukunft wiedersehen.“ Salias Herz setzte einen Schlag lang aus und hämmerte dann fast doppelt so schnell wie normal. Warum konnte er ihr auf einmal nicht mehr in die Augen sehen? Was passierte in sieben Jahren? Gerade, als sie ihn danach fragen wollte, schob Link geräuschvoll seinen Stuhl nach hinten und sagte: „Ich denke, es ist an der Zeit, aufzubrechen.“ Den Blick hielt er dabei stur auf die Tischplatte gerichtet, sodass ihm seine langen Ponyfransen tief ins Gesicht hingen und Salia seine Mimik nicht sehen konnte. Dann wandte er sich abrupt ab und marschierte nach draußen. Salia sah ihm wie vom Donner gerührt hinterher und folgte mit einiger Verzögerung. Als sie draußen ankam, hatte Link sich bereits von Tia verabschiedet und eine blaue Okarina hervorgeholt. Sein Antlitz wirkte verschlossen, was Salia die Frage nach der Okarina, die sie ihm vor seinem Aufbruch geschenkt hatte, herunterschlucken ließ. Stattdessen umarmte sie ihn nur und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich werde dich vermissen. Komm bald wieder. Und pass auf dich auf.“ Link drückte sie kurz an sich und entgegnete: „Mach dir keine Sorgen. Mir wird schon nichts passieren – schließlich hab ich ja Navi, die über mich wacht.“ In diesem Moment klang er fast wieder wie der alte Link und Salia versuchte, sich einzureden, dass sie sich seine merkwürdige Reaktion von vorhin nur eingebildet hatte. Sobald Link und Salia sich voneinander gelöst hatten, hielt die Kokiri Navi einen Finger hin, um sich auch von der Fee zu verabschieden. Navi umfasste die Fingerkuppe mit beiden Händen und schüttelte sie, während Link die Okarina an seine Lippen führte und die Kantate des Lichts spielte. Salia spürte noch den schwachen Druck von Navis Händen an ihrer Fingerspitze, als die beiden Abenteurer sich auch schon in eine Wolke aus gelb glühenden Lichtkugeln verwandelten und davon schwebten. Während Salia den Lichtern zusah wie sie am Horizont verschwanden, liefen dicke Tränen über ihre Wangen. Tia strich ihr beruhigend übers Haar, doch Salia konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass etwas Schreckliches passieren würde. Einen augenaufschlagkurzen Moment später fanden Link und Navi sich in der Zitadelle der Zeit wieder. Das silbrige Licht der Mittagssonne fiel schräg durch die vielen Bleikristallfenster und malte hübsche Muster auf den Boden. Link hatte dafür jedoch keine Augen. Er marschierte schnurstracks auf den Zeitfels zu, ohne nach rechts oder links zu blicken. Das Gespräch mit Salia hatte ihn daran erinnert, dass er in eine Zukunft zurückkehren würde, in der seine beste Freundin tot war und nur noch als körperlose Seele existierte. Genau wie Darunia, Ruto, Impa und bald auch Naboru. Selbst wenn er Ganondorf besiegen würde, der Preis erschien ihm viel zu hoch. Navi saß wie so oft auf seiner Schulter und betrachte besorgt die verbitterte Miene ihres Schützlings. Sie hatte Angst, dass all das Leid, dass Link auf seiner Queste sehen und erleiden musste, ihren Freund eines Tages brechen würde. Wie viele Qualen konnte ein Geist ertragen, bevor er brach? Um sich selbst von ihren düsteren Gedanken abzulenken, sagte sie in die Stille: „Ich bin gespannt, wie dir die Krafthandschuhe stehen werden.“ Link warf ihr einen Seitenblick zu und verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen: „Wenn sie meinem Teint nicht schmeicheln, lässt du sie mich bestimmt wieder ausziehen und zwingst mich dazu, die Mission abzubrechen.“ Im ersten Moment blinzelte die Fee irritiert, doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie vor einigen Wochen darauf bestanden hatte, dass Link seine Mütze absetzte, weil sie farblich nicht zu der Goronen-Rüstung gepasst hatte. Rotanlaufend setzte Navi zu einer schnippischen Entgegnung an, doch dann lachte Link leise über ihr Erröten und sie schwieg. Sie hatte Links betrübte Stimmung offenbar vertrieben. Was wollte sie mehr? Der Knabe hatte inzwischen das Master-Schwert erreicht und legte die Hände auf die Vogelschwingen-ähnlichen Parierstangen. „Diesen Teil mag ich nicht besonders“, gestand er mit resigniert klingender Stimme. Seine Fee nickte verstehend. „Es fühlt sich widerlich an, wenn der Körper so schnell wächst“, stimmte sie ihm zu, „aber das Schlimmste sind die Knackenden Geräusche. Als würde ein Wolf Knochen zerbeißen.“ „Oder als ob meine Sehnen reißen.“ Link schüttelte sich bei der Erinnerung an die ihm bevorstehenden Minuten und seufzte dann auf. „Aber es nützt ja nichts…“ Mit diesen Worten umfasste er das Schwertheft und zog die heilige Klinge aus dem Portal. Sofort schoss das bereits bekannte, blendende Licht aus dem Schlitz und hüllte die beiden Abenteurer ein. Kurz darauf begannen ihre Körper, sich zu verändern. Der Junge kniff die Augen fest zusammen und umklammerte mit zusammengebissenen Zähnen den Griff seines Schwertes, während sein Kinderkörper zu dem eines Mannes heranwuchs. Navi krallte sich in seinen Haaren fest und stieß ein unterdrücktes Wimmern aus. Nur Sekunden später zog sich das Licht wieder zurück und die Zeitreise war beendet. Blinzelnd schlugen der Herr der Zeiten und seine Begleiterin die Augen wieder auf. Navi schüttelte ihre Glieder aus und brummte: „Dafür sollte es von den Göttinnen eine Extrabelohnung geben!“ Link schälte sich vorsichtig aus seiner zu klein gewordenen Kindertunika und lachte in sich hinein. „Ich glaube nicht, dass wir da etwas zu erwarten haben. Sowas gehört wohl zum Heldendasein einfach dazu.“ „Mag sein“, räumte die junge Fee ein und stieß sich von der Schulter ihres Schützlings ab, um ihn beim Umkleiden nicht zu belästigen. „Aber unfair ist es trotzdem.“ Link zog seinen Hylia-Schild sowie die Scheide des Master-Schwerts aus seinem Wunderbeutel und zuckte mit den Achseln. Dann schnallte er sich beides um, schob die heilige Klinge in ihr Futteral und holte die Krafthandschuhe hervor. Die fein gearbeiteten Silberplatten sahen aus wie die Schuppen eines Reptils. Link erinnerte sich dunkel daran, was der Deku-Baum früher über Drachen erzählt hatte. Manche dieser mystischen Wesen sollten fast genauso alt gewesen sein wie die Göttinnen selbst. Außerdem sagte man ihnen magische Fähigkeiten nach. Drachenblut heilte angeblich jede noch so schwere Verletzung, der Zahn eines Drachen sollte Mut verleihen und eine Rüstung aus Drachenhaut galt als undurchdringlich. Mit einem Schauern dachte der Herr der Zeiten daran, wie schwer es gewesen war, Volvagias Panzer zu durchdringen und den Feuerdrachen niederzustrecken. Er konnte sich gut vorstellen, dass man aus der Haut des Lindwurms eine besonders robuste Rüstung hätte anfertigen können. Es war zu schade, dass die sterblichen Überreste des Drachen damals in der Lava versunken waren. Link hätte einiges für einen Brustharnisch aus Drachenschuppen gegeben. Ob die Silberplättchen auf den Krafthandschuhen tatsächlich von einem Drachen stammten? Bezog das Relikt seine besondere Macht aus der Magie eines dieser mystischen Wesen? Vielleicht waren die filigran gearbeiteten Platten jedoch auch nur die Arbeit eines wirklich begabten Schmiedes und die kraftsteigernde Wirkung der Handschuhe war das Ergebnis eines uralten Zaubers – oder nur eine Legende. „Wird Zeit, diese Dinger mal auszuprobieren. Oder was denkst du?“ Link deutete mit dem Kinn auf die Handschuhe in seiner Hand und sah seine Fee erwartungsvoll an. Er wusste, dass sie ebenso wie er darauf brannte, zu erfahren, ob das alte Gerudo-Relikt tatsächlich funktionierte. Entsprechend begeistert nickte Navi. „Oh ja!“ So schnell er konnte, streifte Link die Krafthandschuhe über und staunte nicht schlecht. Es war fast als wären sie für ihn gemacht worden – sie passten perfekt! Ansonsten passierte jedoch gar nichts und der Herr der Zeiten sah seine Mission bereits gescheitert. Wie sollte er Naboru bloß aus den Fängen der Twinrova befreien?! Doch dann ging plötzlich ein Ruck durch seinen Körper, so als würden sich all seine Muskeln gleichzeitig anspannen. Der junge Mann riss überrascht die Augen auf und keuchte, als ein reißender Schmerz in seine Oberarme schoss. Es fühlte sich an als schwellten seine Bizepse an, bis die Fasern unter dem Druck zerplatzten. Dicke Schweißperlen traten ihm auf die Stirn und Navi legte besorgt die Stirn in Falten. „Was hast du?“ Link öffnete den Mund, um zu antworten, aber alles, was er herausbekam, war ein gequältes Keuchen. Am liebsten hätte er sich die Handschuhe heruntergerissen, doch er war halsabwärts vollständig gelähmt. Navi umflatterte aufgeregt seinen Kopf und streckte immer wieder die Hand nach ihm aus, berührte ihren Schützling dann allerdings doch nicht, aus Angst, seine Qualen dadurch noch schlimmer zu machen. „Was kann ich tun?“ Die Fee hasste es, mal wieder keine Hilfe sein zu können. Nur langsam ließ der Schmerz nach und Link atmete erleichtert auf, als seine Beweglichkeit zurückerhielt. Vorsichtig beugte er die Arme, die nun nur noch leicht prickelten und vor Kraft nur so zu strotzen schienen. Navi schwebte eine bekümmerte Miene ziehend vor seinem Gesicht. „Geht’s wieder?“ „Denke schon.“ Link klang noch ein wenig atemlos, aber allmählich wurde sein Körper von seinen Armen ausgehend von einem Pulsieren erfasst, das ihn sich so gut wie lange nicht mehr fühlen ließ. Er fühlte sich auf einmal ausgeruht und fit – als könnte er Bäume ausreißen! „Meinst du, es hat funktioniert?“ Navi schaute zweifelnd. Offenbar hielt sie Links Reaktion auf die Krafthandschuhe für ein schlechtes Zeichen. „Das werden wir gleich sehen.“ Link steckte eine Hand in seinen Wunderbeutel und zog eine Deku-Nuss hervor. Seine Fee zog irritiert die Augenbrauen in die Höhe, sagte jedoch nichts. „Die Schale dieser Nüsse ist unglaublich hart, richtig?“, wollte Link mit einem aufgeregten Funkeln in den Augen wissen. „Ja.“ Navi nickte. „Um sie zu öffnen, muss man sie mit voller Wucht auf den Boden werfen, weil man anders nicht genügend Kraft aufbringen kann, um ihre Schale zu zerbrechen, richtig?“ Was sollte dieses Ratespielchen? Navi verschränkte die Arme vor der Brust und presste missbilligend die Lippen aufeinander. „Ja. Aber worauf willst du hinaus?“ Als Link daraufhin langsam die Hand schloss und seine Fee mit einem triumphierenden Grinsen ansah, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen! Nur Sekunden später riss die Schale der Nuss mit einem lauten Knacken auf und gleißende Lichtstrahlen schossen zwischen Links Fingern empor. Navis Verblüffung wurde perfekt, als Link die Hand kurz darauf wieder öffnete und ihr die krümeligen Nussreste auf seiner Handfläche zeigte. Er hatte nicht nur eine Deku-Nuss mit bloßer Hand geknackt – er hatte sie regelrecht pulverisiert! Während Navi noch nach Worten suchte, wischte Link sich bereits die Hand sauber und sagte: „Ich würde sagen, im Geistertempel wartet ein ganzer Flügel darauf, von uns erkundet zu werden.“ Er hatte sich die Okarina der Zeit bereits an die Lippen gesetzt und wollte gerade anfangen, das Requiem der Geister zu spielen, als Navi ihre Sprache wiederfand: „Das ist fantastisch. Aber etwas stört mich.“ Überrascht ließ Link sein Instrument wieder sinken und sah seine Freundin fragend an. Dieser stahl sich daraufhin ein breites Grinsen auf die Lippen. „Mit den eingearbeiteten Rubinen passen die Krafthandschuhe viel besser zu deiner Goronen-Rüstung als zu der grünen Tunika…“ Link rollte zur Antwort mit den Augen. „Nein, Navi, einfach nur nein…“ Das Lachen der Fee hing noch in der Luft, als sich die Körper der beiden Abenteurer bereits in orange leuchtende Lichtkugeln aufgelöst hatten und in Richtung Wüste davon flogen. Wenig später fanden sich der Herr der Zeiten und seine Fee auf der Teleportierplattform in der Nähe der Göttin der Zeit wieder. Während Navi zu der riesigen, steinernen Frau empor sah und wieder einmal von Bildhaukunst der Gerudos fasziniert war, trat Link an den Rand der Steinplatte und zog ein missmutiges Gesicht. Beinah hätte er die mörderischen Kakteen-Monster vergessen, die tief im Sand verborgen lauerten. Als Kind war es verhältnismäßig leicht gewesen, vor ihnen davon zu laufen, doch als Erwachsener würde er wieder so tief im Sand versinken, dass an schnelles Rennen kaum zu denken war. Aber vielleicht gab es eine Möglichkeit, die Monster auszutricksen… Als ihm eine Idee kam, schätzte Link sogleich die Entfernung bis zum Eingangsportal des Tempels und bewegte abwägend den Kopf hin und her. Wenn er sich beeilte, war es vielleicht möglich… Mit etwas Glück… „Was machst du da?“ Navi zog irritiert die Augenbrauen in die Höhe und beobachtete neugierig, wie ihr Schützling sich auf den Boden hockte und seine Stiefel auszog. Dieser sah mit einem verschmitzten Grinsen zu ihr auf und sagte: „Ich überprüfe den Wahrheitsgehalt deiner Theorie.“ Noch verwirrter als zuvor blinzelte Navi zu ihrem Freund herunter. „Was meinst du?“ „Erinnerst du dich nicht? Als wir in der Vergangenheit hier ankamen, hast du vermutet, dass mich diese Kakteen-Viecher aufspüren können, weil ich auf den Sand trete oder so.“ „Durch die Bewegung, die durch deine Schritte zwischen den Sandkörnern entsteht und als Vibrationswellen über weite Strecken getragen wird, ja. Aber worauf willst du–“ Als Navi die Gegenstände erkannte, die ihr Begleiter aus seinem Lederbeutel zog, wurde ihr Links Plan schlagartig klar. Die Pegasus-Stiefel! Aber natürlich! Dass sie selbst nicht auf diese Idee gekommen war! Durch das Luftkissen, dass die Stiefel zwischen ihrer Sohle und dem Boden schufen, würden keine Vibrationswellen entstehen, wenn Link zum Tempeleingang herüberlief. „Clever!“, lobte die Fee und lächelte ihren Schützling warm an. Dieser strahlte bei dem Lob wie ein Honigkuchenpferd, zog jedoch kurz darauf wieder eine ernste Miene. „Ich hoffe nur, dass die Wirkung der Stiefel lange genug anhält, um den Tempel zu erreichen.“ „Selbst wenn nicht“, Navi zuckte mit den Schultern, „du verschaffst dir auf jeden Fall einen Vorteil.“ Zustimmend nickend stand Link wieder auf, atmete kurz durch und rannte dann so schnell er konnte auf den Geistertempel zu. „Es klappt!“ Navi jubelte und vollführte einen kleinen Freudentanz, während sie die Wüste vergeblich nach den Kakteen-Monstern absuchte. Nirgends war auch nur eine der stachelbewehrten Pflanzen zu sehen. Mit einem Hechtsprung überbrückte Link die letzten Meter zum Eingangsportal des Geistertempels, bevor das Luftkissen unter seinen Sohlen aufgebraucht war. Es war knapp gewesen, doch er hatte es tatsächlich geschafft, ohne ein einziges Kakteen-Wesen hervorzulocken. Während er wieder zu seinen üblichen Lederstiefeln wechselte, um Schuhwerk mit gutem Profil und damit festen Stand zu haben, schwebte Navi vor sein Gesicht und grinste ihn breit an. „Sag es“, forderte sie, „ich bin so gut!“ Link stieß ein leises Lachen aus. „Und vor allem so bescheiden… Aber ich gebe zu: Ohne deine ewige Klugscheißerei hätte mir wohl eine weitere Hetzjagd durch die Wüste bevor gestanden. Danke.“ Die Fee hob einen Zeigefinger und öffnete den Mund, schloss ihn jedoch sogleich wieder. Sie hatte keine Ahnung, wie sie auf die Entgegnung ihres Schützlings reagieren sollte. Sollte sie beleidigt sein, weil er ihre gutgemeinten Ratschläge und Tipps als Klugscheißerei abgewertet hatte? Oder sollte sie sich freuen, dass er sich einen ihrer Beiträge zu Herzen genommen und sich sogar bei ihr bedankt hatte? Beim Anblick ihres rätselnden Gesichtsausdrucks, kicherte Link unterdrückt in sich herein. Dann deutete er mit dem Kinn auf den Tempeleingang. „Komm. Wir haben noch etwas zu erledigen.“ Das Innere des Geistertempels empfing die beiden Abenteurer mit dem wohlbekannten, leicht modrigen Geruch alter Gemäuer. Während Navi reflexartig die Nase kräuselte, hielt Link mit langen Schritten auf den dunklen Granitblock zu, der den Weg in die Tiefen des Tempels versperrte. „Dann wollen wir mal sehen, zu was ich dank der Krafthandschuhe nun in der Lage bin.“ Der Herr der Zeiten verschränkte seine Finger ineinander, drehte seine Hände so, dass die Handrücken zu ihm zeigten und drückte die Ellbogen durch. Das Knacken der gedehnten Gelenke hallte unnatürlich laut durch die Stille des fast leeren Vorraums und ließ Navi sich angewidert schütteln. „Ich hab dir schon hundert mal gesagt, dass du das lassen sollst“, tadelte die Fee mit beleidigter Miene, doch Link winkte nur ab. „Ja, ja, ich weiß. Es ist nicht gut für meine Gelenke und wenn ich mal alt bin, fallen mir die Finger ab. Blablabla…“ „Entschuldige, dass ich mir Sorgen um dich mache!“ Navi verschränkte die Arme vor der Brust und reckte beleidigt das Kinn in Richtung Decke. Link grinste in sich hinein. Es war so simpel, seine Fee zu ärgern, dass er es sich manchmal einfach nicht verkneifen konnte… Zum Glück war sie nicht besonders nachtragend und vergaß seine Neckereien schnell, sobald sich eine neue Situation ergab. Also kümmerte sich der Herr der Zeiten überhaupt nicht um seine schmollende Fee und lehnte sich stattdessen gegen den Granitblock. Die Energie, die seit dem Anziehen der Krafthandschuhe durch seinen Körper pulsierte, schien sich noch zu intensivieren, als Link nun seine Muskeln anspannte und so kräftig schob wie er nur konnte. Für einen kurzen Moment passierte gar nichts, doch dann ließ sich der riesige Steinklotz endlich bewegen. Das schleifende Geräusch, das dabei entstand, ließ Navi die Nackenhaare zu Berge stehen. Irgendwie erinnerte es sie an das schauerliche Kreischen von Fingernägeln auf Schiefer. „Wie weit muss ich das Ding denn noch schieben?!“ Nach einigen Minuten stand Link der Schweiß bereits auf der Stirn und der junge Mann keuchte wie nach einem Dauerlauf. Obwohl die antiken Handschuhe seine Kraft mehrten, war es noch immer sehr anstrengend, den Granitblock zu bewegen. Navi flog nah an den Steinklotz heran und versuchte, durch den schmalen Spalt zwischen Block und Wand hindurch zu spähen. „Keine Ahnung. Ich kann leider überhaupt nichts erkennen.“ „Na toll…“ Link seufzte tief auf und versuchte, seine verbliebenen Kraftreserven zu sammeln. Nach weiteren drei Metern drohte der Herr der Zeiten allmählich schlapp zu machen. Gerade, als er mit dem Gedanken spielte, eine Pause zu machen, passierte jedoch etwas Unvorhergesehenes: der Granitblock kippte nach vorne und rutschte auf einmal rasend schnell nach unten. Das Dröhnen, mit dem der zentnerschwere Steinklotz auf dem Boden aufschlug, schien den ganzen Tempel erzittern zu lassen. Link, der bei dem plötzlichen Wegrutschen des Blocks das Gleichgewicht verloren hatte und lang hingeschlagen war, rappelte sich langsam wieder auf und sah sich irritiert um. „Was ist passiert?“ Navi landete vor ihm und warf einen Blick über die Schulter nach hinten, dorthin wo der Granitklotz im Boden versunken zu sein schien. „Wie es aussieht, befand sich hier eine große Grube. Als du den Block weit genug über die Kante geschoben hast, kam die Schwerkraft zum Tragen und der Klotz ist von alleine ins Loch gerutscht.“ Der Herr der Zeiten wischte sich mit grimmigem Gesichtsausdruck ein wenig Blut von der Lippe, die er sich beim Sturz aufgebissen hatte. „Ein Warnhinweis oder so etwas in der Art wäre nett gewesen... ‚Vorsicht – Block verselbstständigt sich‘ oder so.“ Schmunzelnd erhob Navi sich wieder in die Lüfte. Wenn sie ganz ehrlich zu sich war, fand sie, dass Link es durchaus verdient hatte, auf die Nase zu fallen. Das war die gerechte Strafe dafür, dass er sie zuvor geärgert hatte. Doch anstatt ein Wort darüber zu verlieren, sagte sie nur: „Wie auch immer. Du hast es geschafft. Der Weg ist endlich frei.“ Kaum, dass Link ein paar Schritte in den hinter der Grube liegenden Raum gemacht hatte, wurde er auch schon von einem ihm entgegen geschleuderten Feuerstrahl empfangen. Es gelang dem Herrn der Zeiten nur knapp, sich mit einem Hechtsprung aus der Gefahrenzone zu katapultieren. „Pass auf, Link! Ein Strahlenzyklop!“ Navi deutete mit ausgestrecktem Arm auf eine schmale Statue in der Raummitte, deren oberster, wie ein Auge geformter Teil sich langsam um die eigene Achse drehte. Link wusste bereits von früheren Begegnungen mit den Zyklopenstatuen, dass sie mit einem Zauber versehen waren, der sie Bewegungen wahrnehmen ließ. Sobald die Statuen eine Regung bemerkten, feuerten sie magische Flammen auf den vermeintlichen Eindringling. „Danke für die frühzeitige Warnung…“, grummelte der Herr der Zeiten in sich herein, während er versuchte, absolut reglos auf dem Boden zu verharren. Selbst zu atmen erschien dem jungen Mann als zu riskant. Erst, als sich das Auge der Statue von ihm abgewendet hatte, erwachte Link wieder aus seiner Starre. So schnell er konnte, holte er eine Bombe aus seinem Wunderbeutel. Bevor er diese entzünden konnte, musste er jedoch wieder erstarren, weil das Statuenauge zu ihm zurückkam. Schon jetzt traten Link vor Anspannung dicke Schweißtropfen auf die Stirn, doch Navis plötzlicher Zwischenruf machte die Situation noch schlimmer: „Vorsicht, Link! Da sind Feuerflatterer! Ganz in deiner Nähe!“ Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Wenn er sich jetzt bewegte, würde der Strahlenzyklop ihn rösten. Wenn er jedoch darauf wartete, dass sich das Auge wieder genügend von ihm abgewendet hatte, würden ihn womöglich die Fledermäuse angreifen und verraten. Im schlimmsten Fall würden sie sogar die Bombe zum Explodieren bringen… Navi, die außer Reichweite des Strahlenzyklopen sicher in der Luft schwebte, kaute nervös auf ihrer Unterlippe, während ihre Blicke zwischen ihrem Schützling, der Statue und den schnell näher kommenden Flugtieren hin und her zuckten. Wenn sie doch nur kämpfen könnte… Dann hätte sie Link ein wenig Zeit verschaffen können! Die Feuerflatterer hatten Link schon fast erreicht, als der Strahlenzyklop sein Auge endlich weit genug bewegt hatte. Obwohl die Statue nur Sekunden für eine ganze Umdrehung brauchte, fühlte sich die Wartezeit für den jungen Mann wie eine Ewigkeit an. Da ihm nur wenig Zeit zum Handeln blieb, hechtete Link mit einem beherzten Sprung auf die brennenden Fledermäuse zu. Während er mit der rechten Hand die Bombenlunte an einem ihrer Flügel entzündete und die explosive Kugel zum Strahlenzyklopen herüberwarf, zog er mit der anderen das Master-Schwert. Die heilige Klinge zischte durch die Luft und streckte die Feuerflatterer nieder, bevor diese ihre scharfen Krallen in Links Fleisch hatten schlagen können. Von dem lauten Knall der Explosion begleitet, landete der Herr der Zeiten sicher wieder auf dem Boden. Der Körper des Strahlenzyklops wurde von der Detonation fast vollständig zerrissen. Vereinzelt war das Klacken kleiner, auf dem Boden auftreffenden Gesteinsbrocken zu hören, aber der Großteil schien zu Steinmehl zermalmt worden zu sein. Der Statuenkopf hingegen war von der Detonationswelle vom Rumpf getrennt und hoch in die Luft geschleudert worden. Sich wild überschlagend stieß das Auge unkontrolliert magisches Feuer aus, bevor der Kopf gegen die nächste Wand prallte und explodierte. Link, der wie durch ein Wunder von den Feuerfontänen nicht verletzt worden war, trat mit der Stiefelsohle kleine Flämmchen aus, die sich durch den nachtblauen Langflorteppich fraßen. Dann wandte er sich der rückwärtigen Wand zu. Dort, wo der Kopf des Strahlenzyklopen aufgekommen war, prangte ein pechschwarzer Brandfleck. Interessanter waren jedoch die drei Türen, die aus dem Raum herausführten. Die Tür direkt vor dem Herrn der Zeiten war mit einem massiven Schloss versehen, die beiden Türen links und rechts waren von dicken Eisenstäben versperrt. „Hier muss es irgendwo einen Schalter geben, der die Eisenstangen verschwinden lässt. Hilf mir suchen“, wandte der junge Held sich an seine Fee. Diese sah ihn jedoch aus großen Augen an und deutete auf eine seiner langen Ponysträhnen. „Ähm… Link… du… äh… brennst.“ „Oh!“ Erschrocken machte der Recke einen Satz zurück, obwohl er rational wusste, dass er vor seinen eigenen Haaren nicht zurückweichen konnte. Dann beugte er sich vor, um etwas Abstand zwischen sein Gesicht und die Flammen zu bringen und schlug das Feuer mit seinen Handschuhen aus. Erst danach machten Krieger und Fee sich daran, nach einem Schalter zu suchen – jedoch ohne Erfolg. Navi hatte jede Ecke des Raums bereits mehrfach abgesucht, als sie sich schmollend auf Links Schulter hockte. „Es gibt hier keinen Schalter!“ „Es muss einen geben!“ Der Herr der Zeiten tastete zum wiederholten Male die Wand ab. „Vielleicht haben wir etwas übersehen. Womöglich gibt es im Gang noch eine Abzweigung, die wir vorhin wegen des Granitblocks nicht bemerkt haben“, gab Navi zu bedenken. Link ließ von der Wand ab und warf seiner Fee einen Seitenblick zu. „Meinst du?“ „Weiß nicht. Aber es könnte doch sein, oder nicht? Jedenfalls wäre es besser nachzuschauen als sich hier dumm und dämlich zu suchen.“ „Hm… Vermutlich hast du Recht.“ Der Herr der Zeiten wandte sich nickend um und wollte gerade den Raum verlassen, als ihm etwas an der Decke auffiel. „Hey, Navi, was ist das?“ Die Fee folgte seinem ausgestreckten Arm mit den Augen und betrachtete das oktaederförmige Glasgebilde, das von der Decke hing. Zunächst hielt sie es lediglich für Deckenschmuck, doch dann erinnerte sie sich daran so etwas Ähnliches bereits im Wassertempel gesehen zu haben – kurz bevor sie sich so stark verletzt hatte, dass Shiek sie hatte heilen müssen. „Link, du bist ein Genie!“ Ein breites Grinsen hatte sich auf die Lippen der Fee geschlichen und sie strahlte ihren Begleiter freudig an. „Ich denke, du hast den Schalter gefunden. Versuch’s mal mit dem Enterhaken.“ Nickend holte der Herr der Zeiten das angesprochene Werkzeug hervor und suchte sich einen festen Stand. Dann legte er an, zielte und schoss ab. Die scharfkantige Spitze des Enterhaken zischte vom Rasseln der an ihr befestigten Kette durch die Luft, knallte gegen das von der Decke hängende Gebilde, prallte ab und fiel zu Boden. Das Gehäuse des Enterhakens noch in der Hand starrte Link wie gebannt auf das silbrige Innere des Oktaeders. Navi hingegen behielt die beiden Türen im Auge. Für einen nervenaufreibend langen Moment geschah nichts, aber dann färbte sich das Oktaederinnere golden und kurz darauf erklang das schleifende Geräusch der in den Boden gleitenden Eisenstangen. Link betätigte den Aufrollmechanismus und verstaute sein Werkzeug wieder in seinem Wunderbeutel, bevor er sich zu den Türen umwandte und murmelte: „Ene, mene, miste… Welchen Weg wollen wir nehmen?“ Navi wiegte den Kopf hin und her und zuckte ratlos mit den Schultern. „Weiß nicht. Als wir als Kinder hier waren, sind wir drüben im anderen Flügel zuerst nach rechts gegangen und das war falsch.“ „Na und?“ Link zog fragend eine Augenbraue in die Höhe und warf seiner auf seiner Schulter sitzenden Fee einen irritierten Seitenblick zu. „Was hat das denn damit zu tun?“ „Ist dir das noch gar nicht aufgefallen?“ Navi stand auf und machte eine Handgeste, die den gesamten Raum einschließen sollte. „Diese Seite des Tempels ist anscheinend ganz genauso aufgebaut wie der gegenüberliegende Flügel. Langer Flur, runder Raum, drei Abzweigungen…“ Der Herr der Zeiten nickte verstehend, als er die Ähnlichkeit des Aufbaus nun ebenfalls bemerkte. „Das bedeutet, rechts ist eine Sackgasse. Also gehen wir nach links!“ Noch bevor Link einen Fuß vor den anderen hatte setzen können, wandte Navi jedoch ein: „Vielleicht. Möglicherweise ist dieser Flügel aber auch spiegelverkehrt angeordnet.“ „Höh?“ Link zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. „Du hast doch gerade erst gesagt–“ „Ich weiß, was ich gesagt habe“, fiel Navi ihm ins Wort. „Aber überleg doch mal. Die beiden Flure führten in unterschiedliche Richtungen, so als wären sie an einer Längsachse gespiegelt worden. Womöglich gilt das für den ganzen Aufbau des Tempels.“ Grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne ziehend, fasste Link zusammen: „Das würde bedeuten, dass die rechte Tür die richtige ist.“ „Genau!“ Navi nickte eifrig. „Ich bin mir nur leider nicht sicher… Dieser Tempel ist voller Fallen… Vielleicht soll man auch nur denken, dass die rechte Tür richtig ist – dabei lauert dort nur der Tod.“ Die Fee zog ein bekümmertes Gesicht und krampfte sich die Hände in ihr langes Haar, während sie zu entscheiden versuchte, was das Logischste war. Ihr Schützling zuckte jedoch nur die Schultern und beschied ihr: „Du denkst zu viel.“ Mit diesen Worten hielt er entschlossen auf die linke Tür zu. Der Raum dahinter war sehr groß und durch einen breiten Graben in der Mitte geteilt. Der Herr der Zeiten trat an den Rand und grinste seine Fee breit an. „Du hattest Recht. Dieser Tempelflügel ist wirklich identisch aufgebaut wie der andere. Der einzige Unterschied ist, dass diese Kluft mit Sand gefüllt ist.“ Dann hob er den Kopf und suchte die gegenüberliegende Wand mit den Augen ab. „Irgendwo dort muss es einen Durchgang in den rechten Raum geben. Drüben war das jedenfalls so. Navi, kannst du mal rüber fliegen und dir das Ganze aus der Nähe ansehen?“ Anstatt auf die Bitte ihres Begleiters einzugehen, betrachtete die Feenfrau jedoch nur mit besorgter Miene die Grube vor ihnen. „Hey, Link. Findest du nicht auch, dass dieser Sand irgendwie merkwürdig aussieht?“ „Nein. Inwiefern?“ Der Herr der Zeiten machte große Augen und schüttelte den Kopf. Navi zog grübelnd die Augenbrauen zusammen, sodass eine tiefe Furche zwischen ihnen entstand. „Ich weiß nicht. Irgendwie sieht er aus als würde er sich bewegen. Irgendwo habe ich sowas doch schon mal gesehen…“ Irgendetwas war hier nicht in Ordnung. Ihre Feensinne verrieten Navi deutlich, dass Gefahr drohte. Leider konnte sie sich keinen Reim darauf machen, worin die Gefahrenquelle bestehen sollte. Ein leerer Raum mit etwas Sand stellte wohl kaum ein Risiko dar. Gerade, als Navi sich fragte, ob sie die Stimme des Tempels missverstand, ertönte von hinten ein schauriges Grollen. Die beiden Abenteurer wirbelten herum und schnappten überrascht nach Luft. Ein riesiger, struppiger Wolf schlich sich in leicht geducktem Gang an sie heran und bleckte seine langen, gelblichen Zähne. „D-Der sieht hungrig aus…“ Navi schluckte hart und wunderte sich stumm darüber, dass sie das wilde Tier bislang nicht bemerkt hatten. Wo hatte es sich bloß versteckt? War der schwarze Fleck dort hinten an der Wand womöglich kein Schatten, sondern eine kleine Höhle? Link hob eine Hand zu seinem Schwertheft, ohne den Wolf aus den Augen zu lassen. Dabei bewegte er sich so langsam wie er nur konnte, um das Raubtier vor sich nicht zu einem Angriff zu provozieren. Doch bevor der Recke seine Waffe ziehen konnte, spannte der Wolf plötzlich seine Muskeln an und katapultierte sich mit einem gewaltigen Sprung direkt gegen Links Brust. Während Navi sich gerade noch von der Schulter ihres Schützlings abstoßen konnte, stürzten Wolf und Krieger in die Grube. Die rasiermesserscharfen Zähne des Tieres schnappten immer wieder knapp an Links Kehle vorbei in die Luft. Trotz der Kraft, die ihm seine besonderen Handschuhe verliehen, hatte der junge Mann ein wenig Schwierigkeiten, den Wolf von sich zu halten. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie dieser Kampf ausgesehen hätte, wäre er nicht im Besitz der Krafthandschuhe gewesen… Nur mit Mühe gelang es dem Herrn der Zeiten, endlich sein Schwert zu ziehen und dem Wolf die Klinge ins Herz zu stoßen. Doch damit war die Gefahr noch nicht vorbei… Sich Geifer aus dem Gesicht wischend, wollte Link sich wieder aufrichten – jedoch ohne Erfolg. Seine Glieder wurden wie von Geisterhänden immer tiefer in den Sand gezogen. Panik perlte den Brustkorb des jungen Kämpfers empor und er rief: „Navi! Hilfe! Ich versinke!“ Die Fee riss die Augen auf und schlug sich die Hände vor den Mund, während ihr durch den Kopf schoss: „Natürlich! Treibsand!“ Trotz ihrer eigenen Angst bemühte Navi sich um einen unbekümmerten Ton: „Beweg dich so wenig wie möglich! Je mehr du herumzappelst, desto schneller versinkst du. Ich… Ich lass mir etwas einfallen!“ „Beeil dich!“ Navis Blicke zuckten panisch hin und her. Wie sollte sie Link bloß helfen? Sie war viel zu schwach, um ihn rauszuziehen! Wieso im Namen der drei Göttinnen gab es nirgendwo in diesem Raum etwas aus Holz?! Link brauchte etwas, an dem er seinen Enterhaken befestigen konnte! Links rechte Seite sowie beide Beine waren bereits fast vollständig versunken, als Navi endlich etwas ins Auge stach, das womöglich seine Rettung sein konnte. So schnell sie konnte, sauste die Fee zu ihrem Schützling herunter und deutete auf die Wand vor ihm. „Siehst du das? Die Lücke zwischen den beiden Steinen? Mit etwas Glück kannst du den Enterhaken dort festhaken.“ Anstatt erleichtert zu reagieren, verzog Link die Lippen zu einem zynischen Grinsen: „Das ist ja super. Zu blöd, dass ich gerade nicht an meinen Enterhaken herankomme…“ Im ersten Moment war Navi von seinen Worten irritiert, dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: er trug seinen Wunderbeutel an der rechten Hüfte! Der Beutel war schon lange vom Treibsand verschluckt. Tränen füllten die Augen der Fee und sie bettelte in flehentlichem Ton: „Du musst es trotzdem versuchen! Das hier kann nicht das Ende sein!“ „Tut mir leid, Navi…“ Link ließ den Kopf in den Nacken fallen und schloss die Augen. Es war unmöglich! Selbst wenn er irgendwie an seinen Lederbeutel kommen und den Enterhaken herausholen könnte, müsste er blind zielen und den Haken unter der Sanddecke abfeuern. Abgesehen davon, dass er den Spalt so garantiert verfehlen würde, würden sich die feinen Sandkörner zwischen die Einzelteile der Mechanik setzen und den Enterhaken völlig lahmlegen. Es gab keinen Weg an der traurigen Wahrheit vorbei: Es war aus. Er hatte versagt. Hyrule würde für immer in Ganondorfs Händen bleiben. „Na, na, na… Wer wird denn gleich aufgeben?“ Bei der vertrauten Stimme riss Link den Kopf wieder in die Höhe, was von dem an ihm ziehenden Treibsand sogleich bestraft wurde. Doch obwohl er ein gutes Stück weiter in die Tiefe rutschte und nun nur noch mit dem Kopf und dem linken Arm aus dem Sand herausguckte, machte sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht breit. Auch Navi atmete erleichtert auf und wischte sich ein paar schillernde Tränen von der Wange. Am Grubenrand kniete Shiek und maß die beiden Abenteurer mit einem leicht amüsierten Blick aus seinem unverhüllten Auge. „Was würdest du nur ohne mich machen, Herr der Zeiten…“ Trotz der tadelnden Worte klang die Stimme des Shiekahs herzlich und warm. Ohne eine Antwort abzuwarten, richtete Shiek sich wieder auf und wandte sich an Navi: „Du kommst am besten her, sonst wirst du noch verletzt.“ Obwohl Navi dem mysteriösen Mann inzwischen deutlich mehr vertraute als noch vor wenigen Wochen, zögerte sie. Es war nicht so, dass sie glaubte, Shiek wolle Links Lage ausnutzen und sie übers Ohr hauen. Es erschien ihr schlicht falsch, die Seite ihres Schützlings zu verlassen, während er in Schwierigkeiten steckte. Als die Fee nach einem Zeichen von Link endlich neben Shiek in der Luft schwebte, zog dieser seine Lyra hervor. Navi blinzelte den Shiekah irritiert an und konnte sich nur mit Mühe den Kommentar verkneifen, dass dies wohl ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt zum Musizieren war. Wie sollte eine Handharfe Link aus dem Treibsand befreien?! „Die Okarina der Zeit ist nicht das einzige Instrument mit magischen Fähigkeiten“, erklärte Shiek plötzlich als hätte er Navis Gedanken gelesen. „Diese Lyra verfügt ebenfalls über ganz besondere Kräfte. Kombiniert mit Shiekah-Zauber kann sie wahre Wunder vollbringen.“ Mit diesen Worten schlug Shiek einige Saiten seines Instruments an. Zu Links Überraschung handelte es sich bei dem Lied, das der andere Mann spielte, um die Hymne des Sturms. Nur Sekunden später jaulte eine gigantische Windhose durch den Raum. Der Wind war so kräftig, dass Navi sich an Shieks Kleidung festhalten musste, um nicht gegen die nächste Wand geschleudert zu werden. Der Shiekah formte unterdessen einige Handzeichen und versetzte die beiden Abenteurer in Erstaunen. Es war als könnte der Shiekah den Wind kontrollieren! Jedenfalls bewegte sich die Windhose genau auf Link zu, schloss ihn in sich ein und riss ihn mit gewaltiger Kraft in die Luft. Dann machte sie kehrt und trug den Herrn der Zeiten sicher zurück auf festen Boden. Kaum, dass sie Link vor Navi und Shiek abgesetzt hatte, löste sich die Windhose auf, so als wäre nie etwas gewesen. „Wow… Das war einfach nur… unglaublich!“ Link, dem noch immer Sand aus den Falten seiner Kleidung rieselte, suchte nach Worten, um seine Verblüffung und Begeisterung auszudrücken. Auch Navi starrte den Shiekah aus kreisrunden Augen an. „So etwas habe ich noch nie gesehen! Wie hast du das gemacht?!“ Der vermummte Mann zuckte sichtlich verlegen mit den Schultern. „Das tut doch überhaupt nichts zur Sache. Ich bin eigentlich aus einem völlig anderen Grund hier – und nicht, um meine magischen Fähigkeiten zu diskutieren.“ Die beiden Abenteurer spitzten gespannt die Ohren. „Weswegen denn?“ „Ich wollte mich, nachdem ich euch vorhin verlassen hatte, damit ihr in die Vergangenheit zurückkehren könnt, gerade auf den Weg zurück zur Gerudo-Festung machen, als mir etwas einfiel. Da ihr mit den Teleportierliedern in Sekundenschnelle reist und das Master-Schwert euch immer zu der Sekunde zurückbringt, in der du es in den Zeitfels gestoßen hast, dachte ich mir, dass ihr inzwischen wieder hier sein müsstet.“ „Jetzt spann uns nicht auf die Folter. Was ist dir eingefallen?“ Navi machte eine ungeduldige Handgeste und versuchte, das komische Gefühl zu vertreiben, das sie bei dem Gedanken daran, dass für Shiek seit ihrem letzten Treffen nur wenige Minuten vergangen waren, überkam. „Als ich in der Bibliothek der Gerudo nach Aufzeichnungen über das Requiem der Geister gesucht habe, habe ich in einem Geheimversteck das Tagebuch einer Tempeldienerin gefunden.“ Während Link ein rätselndes Gesicht machte, wartete Navi gespannt wie ein Flitzebogen darauf, dass Shiek weitersprach. „Allem Anschein nach war sie eine der letzten Tempeldienerinnen, bevor dieses Amt von den Twinrova abgeschafft wurde.“ Nun horchte auch Link auf und erwartete angespannt, worauf Shiek heraus wollte. „Jedenfalls berichtete sie von einer riesigen Nure-Onna-Statue, die von den Twinrova nachträglich in den Tempel gebaut worden ist. Der Tempeldienerin zufolge ist diese Skulptur verflucht. Nachts soll sogar ein gespenstisches Flüstern aus dem Inneren der Statue zu hören sein. Die Twinrova haben diese Gerüchte wohl sogar noch geschürt, indem sie den Tempeldienerinnen den Aufenthalt in der Nähe der Skulptur untersagt haben.“ Navi riss den Kopf herum und starrte Link aus begeistert glänzenden Augen an. „Denkst du, was ich denke?“ Der Herr der Zeiten nickte. „Absolut. Die Statue muss etwas mit dem Versteck der alten Hexen zu tun haben.“ Shiek schien hinter seiner Vermummung zu lächeln, als er sagte: „Ich hab gehofft, dass euch diese Informationen nutzen würden.“ Dann fügte er, ohne den beiden Abenteurern eine Chance zur Entgegnung zu geben, an: „Ich muss nun weiter. Wir sehen uns bald wieder.“ Link wollte noch etwas erwidern, aber der Shiekah hatte bereits eines seiner sonderbaren Säckchen auf den Boden geschmissen und verschwand mit einem Lichtblitz. Navi blinzelte gegen die plötzliche Helligkeit und murmelte: „Es ist wirklich unheimlich, dass er immer genau dann auftaucht, wenn wir ihn brauchen. Aber, bei den Göttinnen, der Junge ist nützlich!“ Den restlichen Sand aus seiner Kleidung klopfend, brummte Link: „Oh ja. Dieses Mal wäre ich ohne ihn wirklich verloren gewesen!“ Während die beiden auf die Tür zuhielten, um sich den anderen Raum anzusehen, neckte Navi ihren Schützling: „Ich hab dir gesagt, der Flügel könnte auch spiegelverkehrt aufgebaut sein…“ „Blablabla…“ Die trotzige Reaktion ihres Begleiters quittierte die Fee mit einem breiten Grinsen. Sie konnte gar nicht sagen, wie dankbar sie Shiek für die Rettung Links war! Doch der Shiekah wurde immer rätselhafter… Wie fand er sie immer im rechten Augenblick? Und woher im Namen der Göttinnen hatte er diese überragenden magischen Fähigkeiten?! Der rechte Raum hielt eine weitere Überraschung für die beiden Abenteurer parat: Riesige Steinkugeln walzten über den wie eine Dachrinne geformten Boden und drohten jeden, der zur Tür auf der anderen Seite gelangen wollte, zu zerquetschen. Während Link versuchte, sich den Rhythmus der Kugeln einzuprägen, staunte seine Fee: „Ein perfektes Perpetuum mobile! Und ich dachte immer, so etwas gäbe es überhaupt nicht!“ „Perpetu-was?“ Der Herr der Zeiten hob fragend eine Augenbraue und warf seiner Begleiterin einen kurzen Seitenblick zu, obwohl er an einer Antwort nicht wirklich interessiert war. Er war geistig viel zu sehr damit beschäftigt, die Sekunden zu zählen, die die Kugeln von einer Raumseite zur anderen brauchten. Wenn er sich beeilte, konnte er es unbeschadet bis zur Tür schaffen. „Perpetuum mobile“, wiederholte Navi. „Dabei handelt es sich um einen Mechanismus, der bis in die Unendlichkeit immer weiterläuft, weil er selbst genügend Energie entwickelt, um sich am Laufen zu halten. Ich habe gelernt, dass es sich bei einem Perpetuum mobile lediglich um ein theoretisches Konstrukt handelt, das in der Wirklichkeit nicht umzusetzen ist – aber diese Felsen müssen schon seit Ewigkeiten hin und her rollen!“ Die Augen der Fee leuchteten auf, während sie diesen bemerkenswerten Fund bestaunte. Link hingegen zuckte gelangweilt die Schultern und gab zu bedenken: „Vielleicht ist Magie im Spiel. Immerhin leben die Twinrova hier…“ „Pssst!“ Navi schlug ihrem Schützling auf die Schulter und funkelte ihn erbost an. „Mach’s mir nicht kaputt! Das ist ein Perpetuum mobile und du hast keine Ahnung! Basta!“ „Na, meinetwegen…“ Unbeteiligt mit den Achseln zuckend, legte Link das Thema beiseite und machte sich innerlich zur Durchquerung des Raums bereit. Sobald die erste Steinkugel an ihm vorbei gerollt war, sprintete der junge Held los. Da die Felsbrocken ein wenig versetzt anstatt symmetrisch durch den Raum rollten, musste Link immer wieder Zickzack laufen, um nicht unter einer der Kugeln zerquetscht zu werden. „Oh, bei den Göttinnen, das wird knapp!“ Navi biss sich vor Anspannung auf die Unterlippe, während sie beobachtete wie ihr Schützling zwischen den Felskugeln hin und her huschte. Insbesondere zwei Steinbrocken in der Mitte des Raumes rollten so dicht an einander vorbei, dass zwischen ihnen kaum genug Platz für den Herrn der Zeiten war. Glücklicherweise gelang es ihm dennoch, die Tür unbeschadet zu erreichen. „Puh, das wär’s vorhin fast gewesen“, begrüßte er seine Fee, als sie mit etwas Verzögerung zu ihm aufschloss. „Ein Glück, dass du in letzter Zeit so wenig Gelegenheit hattest, Kuchen zu essen. Fünf Gramm mehr auf den Rippen und du wärst jetzt der neue Bodenbelag.“ Navi grinste ihn bei dieser maßlosen Übertreibung breit an und zwinkerte. Bei den ständigen Gefahren, in die Link sich begeben musste, war der einzige Weg, den eigenen Verstand zu bewahren, brenzlige Situationen mit Humor zu nehmen. „Kuchen… Hm… Ein Stück von Salias Nusskuchen wäre jetzt gut.“ Bei der Erinnerung an das Selbstgebackene seiner besten Freundin lief dem jungen Mann das Wasser im Mund zusammen und sein Magen knurrte leise. Es war bald wieder an der Zeit, eine kurze Rast einzulegen und etwas zu essen. Durch die einfache, schmucklose Holztür gelangten die beiden Abenteurer in einen kleinen Raum, der bis auf eine hölzerne Truhe in der Mitte vollständig leer zu sein schien. Dennoch spähten der Herr der Zeiten und seine Fee vorsichtig in alle Ecken, um nicht wieder von einem Monster überrascht zu werden. „Sieht so aus als wär alles sauber“, beschied Navi, nachdem sie ihren dritten Rundflug durch den Raum beendet hatte. „Sehr schön.“ Link trat mit langen Schritten vor die Truhe. „Dann wollen wir mal sehen, was hier drin ist.“ „Hoffentlich der Schlüssel für die verschlossene Tür!“ Ein kräftiger Tritt reichte aus, um das rostige Schloss aufschnappen zu lassen. Doch als sich daraufhin der Truhendeckel von alleine hob, mussten Fee und Krieger feststellen, dass Navi mit ihrem frommen Wunsch bezüglich des Truheninhalts leider weit danebengelegen hatte… Von einem widerlichen Fauchen begleitet, schoss der glibbrige, madenartige Körper eines Raubschleims aus dem Truheninneren in die Höhe und baute sich vor dem Herrn der Zeiten auf. Bevor Link reagieren konnte, ließ das Monster sein mit nur wenigen, schmalen Zähnen versehenes Maul auf ihn zu sausen und verschlang ihn an einem Stück. Navi kreischte bei diesem Anblick laut auf. Was sollte sie nur tun? Der Raubschleim ließ sich vornüber fallen und zog sich aus der Truhe. Dann kroch er langsam auf Navi zu. Die Bewegungen des Monsters erinnerten vage an die einer fetten Schlange oder eines dicken Wurms. Panik kroch Navis Rückgrat entlang und lähmte die Feenfrau. Während der Vorbereitung auf diese Queste hatte sie sich ein umfassendes Wissen über Ungeheuer aller Art angeeignet – warum fiel ihr jetzt nichts ein?! Wo befand sich der Schwachpunkt eines Raubschleims? Gegen welche Art von Waffen war er besonders empfindlich? Welche Strategie war gegen ihn am besten? Navi wusste es nicht mehr. Es war als wäre ihr Hirn auf einmal vollkommen leergefegt. Als sie auf dem Boden einen langen, scharfkantig aussehenden Holzsplitter entdeckte, handelte sie aus reinem Instinkt heraus: So schnell sie konnte, stieß sie aus der Luft herab, hob den Splitter auf und rammte ihn mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, in das wabbelige Fleisch des Monsters. Dieses fauchte empört auf, doch obwohl grünliches Blut aus der Wunde spritzte, schien es sich von der Verletzung nicht aufhalten zu lassen. In ohnmächtiger Wut stach Navi immer wieder auf den Raubschleim ein, bis seine Haut beinah wie perforiert wirkte. Dennoch war das Ungeheuer weit davon entfernt, ernsthaft verwundet zu sein. Schwerfällig wie eine dicke Made kroch es unablässig weiter und Navi erkannte, dass sie sich geirrt hatte. Das Monster war nicht hinter ihr her – es wollte zur noch immer offenstehenden Tür. Aber wenn es in den angrenzenden Raum kriechen würde, würde es mit Gewissheit von den Felskugeln zermalmt werden. Und damit stürbe auch jede Hoffnung, Link doch noch irgendwie zu retten. „Denk nach, Navi! Denk nach!“ Die zierliche Fee krampfte sich die Hände in die Haare und zog an ihnen, bis ihr die Tränen in die Augen traten. Leider half ihr das kein Stück. Ihr wollte noch immer nichts einfallen, wie sie den Raubschleim aufhalten könnte. Die Tür war leider viel zu schwer für sie. Selbst wenn sie sich mit vollem Gewicht gegen das Türblatt geworfen hätte, hätte es sich keinen Millimeter bewegt, da war Navi sich sicher. Dennoch wollte sie nichts unversucht lassen. Sie schob und zerrte an der Tür, bis ihr der Schweiß in Strömen über den Körper lief – jedoch ohne Erfolg. Wie erwartet, konnte sie das Türblatt kein bisschen bewegen. Gerade, als die junge Fee vor Angst und Frustration in Tränen ausbrechen wollte, hielt der Raubschleim plötzlich in der Bewegung inne. Im ersten Moment war Navi davon irritiert, doch dann bemerkte sie die immer größer werdende Beule in der Mitte des Monsterkörpers. Was mochte das wohl sein? Nur Sekunden später durchschnitt das Master-Schwert die dicke Haut des Raubschleims und Link kämpfte sich aus den Innereien des sterbenden Ungeheuers hervor. Über und über von grünem Schleim bedeckt, zog der Herr der Zeiten ein angewidertes Gesicht und forderte mit quengelnder Stimme: „Ich will baden. Und zwar sofort!“ „Link!“ Navi war dermaßen erleichtert, ihren Schützling wiederzusehen, dass ihr der Glibber, der seine gesamte Haut überzog, vollkommen egal war. Aufschluchzend warf sie sich gegen seinen Hals und klammerte sich an ihm fest. Von ihrer Reaktion gerührt, vergaß auch der Herr der Zeiten für einen Moment seinen Ekel und tröstete seine Freundin: „Hey, du weißt doch, so leicht bin ich nicht klein zu kriegen. Dafür braucht es schon mehr als ein hirnloses Schleimmonster.“ Schniefend ließ Navi seinen Hals wieder los, nickte und wischte sich die restlichen Tränen von der Wange. Als sie dabei den Glibber auf ihrer Haut berührte, verzog sie angewidert den Mund. „Örrrrgs…“ Link lachte bei ihrem Anblick auf. „Was glaubst du, wie’s mir geht? Aber die Sache hat auch etwas Gutes. Ich habe nämlich das hier im Magen des Raubschleims gefunden.“ Der Herr der Zeiten streckte die Hand aus und präsentierte seiner Begleiterin einen massiven Eisenschlüssel. „Meinst du, er passt zu dem Schloss der verriegelten Tür?“, fragte Navi hoffnungsvoll, während sie erfolglos versuchte, den Schleim abzustreifen. Link zuckte mit den Schultern: „Weiß nicht. Aber ich würde sagen: Versuch macht klug.“ „Hm-mh, ja, du hast Recht. Lass uns umkehren und es ausprobieren“, stimmte die Fee zu. Als sie das flehende Gesicht ihres Schützlings sah, fragte sie irritiert: „Was ist?“ „Können wir bitte zuerst zur Oase, damit ich baden kann? Bitte?“ Link legte den Kopf leicht schief und sah seine Begleiterin aus großen Augen an. Diese grinste ihn breit an und sagte: „Ich hab eine bessere Idee!“ Navis Einfall war schnell erklärt und Link nickte begeistert. „Du bist ein Genie.“ Die Fee lächelte ein wenig verlegen und winkte ab. „Eigentlich hab ich die Idee von Shiek geklaut. Ich dachte mir, wenn er Magie auf diese Weise nutzen kann, dann können wir das schon lange.“ Der Herr der Zeiten lachte leise in sich hinein. „Verstehe. Es geht dir gar nicht so sehr darum, Zeit zu sparen als zu testen, ob unsere magischen Fähigkeiten wenigstens ansatzweise mit denen Shieks mithalten können.“ „Das ist nicht–“, setzte Navi empört an, doch ihr Begleiter unterbrach sie: „Natürlich ist das wahr. Wie lange kennen wir uns nun schon? Ich weiß, dass du ziemlich konkurrenzbesessen bist und es nur schwer ertragen kannst, wenn andere etwas können, das du nicht kannst.“ Navi presste die Kiefer aufeinander, schürzte die Lippen und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Es gefiel ihr nicht, dass sie sich dermaßen ertappt fühlte. Was war denn schlimm daran, sich mit anderen zu messen und zu wetteifern? Wenn man sich nie von anderen herausfordern ließ, entwickelte man sich auch nicht weiter und entdeckte nie, wozu man wirklich in der Lage war. Durch ihre Scham fiel die Antwort der Fee rotziger aus als gewollt: „Ach, halt doch die Klappe und spiel einfach das blöde Lied!“ Glücklicherweise nahm Link ihren kleinen Ausbruch mit Humor und zog ohne einen weiteren Kommentar seine Okarina hervor. Den Göttinnen sei Dank war das heilige Instrument im Wunderbeutel von dem Raubschleimglibber verschont geblieben! Link wollte sich nicht einmal vorstellen, wie es gewesen wäre, wenn die Okarina ebenfalls voller Schleim gewesen wäre… Es war ekelhaft genug, dass er selbst von Kopf bis Sohle von diesem stinkenden Monstersekret bedeckt war. Es wurde allerhöchste Zeit, sich endlich von dem Glibber zu befreien! So schnell er konnte, setzte der junge Krieger seine Flöte an die Lippen und spielte die Hymne des Sturms. Die letzte Note war noch nicht verklungen, als eine steife Brise aufkam und Navis langes Haar wild umherpeitschen ließ. Der Herr der Zeiten biss sich von innen auf die Unterlippe und betete stumm zu den Göttinnen, dass der Plan seiner Fee funktionierte. Er wollte sich so schnell wie möglich von diesem Schleim befreien! Jedoch gab ihm zu denken, dass Shiek mit Gebrauch dieses Liedes nur eine Windhose, aber keinerlei Regen beschworen hatte. Wind brachte ihm in dieser Situation leider überhaupt nichts. Kurz darauf konnte Link jedoch aufatmen: Den Sturmböen, die durch den engen Raum jaulten, folgten dicke, schwarze Regenwolken, die sich unter der Decke zusammenbrauten und wenige Augenblicke später ihre Pforten öffneten. Sofort ergoss sich ein heftiger Schauer auf Held und Fee, was diese erleichtert aufjauchzen ließ. „Hm! Das tut gut!“ Link legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, um den beschworenen Regen auf sein Gesicht fallen zu lassen. Dann streckte er die Arme ab, um möglichst viel Fläche zu bieten. Die dicken Tropfen tränkten seine Haare und Kleidung und wuschen endlich den Schleim ab. Obwohl er in dem kalten Wasser schnell fror, hatte Link sich schon lange nicht mehr so gut gefühlt! Er war wieder sauber und stank nicht mehr nach dem Inneren eines Raubschleims! Navi versuchte angestrengt, das Wasser aus ihren Wimpern zu blinzeln, jedoch ohne Erfolg. Wenigstens war auch sie von dem Monsterglibber befreit worden. Außerdem freute sie sich, dass ihr Plan funktioniert hatte. Seit Beginn ihrer Reise war Link bereits so oft in gefährliche Situationen geraten, in denen sie rein gar nichts hatte tun können. Es war schön, ab und zu auch mal nützlich zu sein. Als der Regen allmählich nachließ, wrang der Herr der Zeiten notdürftig seine Kleider aus – nur um dann mit den Schultern zu zucken und zu seiner Fee empor zu grinsen. „Sieht aus als würdest du doch noch deinen Willen bekommen.“ Im ersten Moment war Navi so irritiert, dass sie sich keinen Reim auf seine Worte machen konnte. Doch als er seine nassen Kleider auszog und in seinen Lederbeutel stopfte, erinnerte sie sich daran, dass sie Link in der Zitadelle der Zeit geneckt hatte, die Goronen-Rüstung würde farblich viel besser zu den Rubinen in den Krafthandschuhen passen. „Ah, eine Wohltat für meine Augen“, witzelte Navi, als Link kurz darauf in der roten Tunika vor ihr stand. Dieser zwinkerte ihr zu und stupste mit der Stiefelspitze einen in einer Pfütze treibenden Holzsplitter an. Es war derselbe, den Navi zuvor als Waffe benutzt hatte. Sie hatte ihn fallen lassen, als sie sich ihrem Schützling an den Hals geworfen hatte. „Was hast du damit eigentlich vorgehabt?“, fragte der Herr der Zeiten nun. Etwas verlegen zuckte die Fee mit den Schultern. „Ich weiß, es ist lächerlich, aber… es war die beste Waffe, die ich hatte.“ Überrascht riss Link die Augen auf: „Du hast versucht, zu kämpfen?!“ „Sicher. Du warst in Gefahr…“ Irgendwie verletzte die Verblüffung ihres Schützlings die sensible Fee. Wusste er denn nicht, dass sie für ihn Kopf und Kragen riskieren würde? Der Ausdruck absoluter Rührung, der sich auf Links Gesicht breit machte, versöhnte Navi jedoch schnell wieder. Unterdessen kämpfte der junge Mann mit heftigen Emotionen. Auf der einen Seite war er unbeschreiblich dankbar, dass Navi ihn hatte retten wollen. Andererseits jedoch war er fast ein bisschen wütend auf sie, dass sie sich seinetwegen in so große Gefahr begeben hatte. Wie konnte sie nur so dumm sein? Ihm war nicht geholfen, wenn sie sich auch noch umbringen ließ! Um sich von dem Gefühlschaos in seinem Inneren abzulenken, fragte er: „Wo hattest du das Ding überhaupt her?“ Navi zuckte mit den Schultern. „Es lag hier rum. Vermutlich ist es vom Türblatt abgesplittert oder so.“ „Ah ja, kann sein… Hier, die Stelle sieht aus als würde etwas fehlen.“ Link betrachtete die Tür als wäre die Herkunft des Splitters elementar wichtig. Navi blinzelte ihren Schützling irritiert an. Wieso verschwendete er ihre Zeit mit derlei Nichtigkeiten? Sie wollte bereits eine bissige Bemerkung machen, als Link endlich sein inneres Gleichgewicht wiederfand und mit einem Kopfnicken in Richtung des angrenzenden Raumes deutete. „Wollen wir testen, ob der Schlüssel passt?“ Sehr zur Freude der beiden Abenteurer ließ sich der Schlüssel problemlos in das Vorhängeschloss hineinschieben. Die Ernüchterung war jedoch groß, als Link aufschließen wollte… „Was ist los?“ Navi betrachtete ihren Schützling, der plötzlich ein verkniffenes Gesicht zog, von der Seite. „Der Schlüssel lässt sich nicht herumdrehen…“ „Was?!“ Die zierliche Fee warf einen schnellen Blick auf das Utensil in der Hand ihres Begleiters. Der Schlüssel war kaum kleiner als Navi selbst und an einigen Stellen hatte sich die Magensäure des Raubschleims deutlich in das Eisen gefressen. Ob das der Grund dafür war, dass der Schlüssel sich zwar einführen, aber nicht herumdrehen ließ? Hatte der aggressive Magensaft des Monsters etwa entscheidende Teile des Schlüsselbarts abgefressen? Um sich selbst Mut zuzusprechen, behauptete Navi in festem Ton: „Bestimmt ist das Schloss einfach nur eingerostet. Versuch es mit etwas mehr Kraft!“ „Meinst du?“ Link zog ein unschlüssiges Gesicht und betrachtete nachdenklich den Schlüssel in seiner Hand. „Ich hab mich immer noch nicht richtig an die Wirkung der Krafthandschuhe gewöhnt. Was, wenn ich den Schlüssel versehentlich kaputt mache?“ „Ach, quatsch!“ Navi winkte ab, obwohl sie unwillkürlich an die zermalmte Deku-Nuss denken musste. Was war wohl stabiler? Die harte Schale einer dieser Nüsse oder ein aus Eisen gefertigter, aber leicht angegriffener Schlüssel? Mit einem wie sie hoffte zuversichtlichen Lächeln auf den Lippen legte Navi ihrem Schützling eine Hand gegen die Wange. „Ich glaub an dich. Du schaffst das schon.“ „Und wenn ich den Schlüssel kaputt mache, obwohl wir ihn an anderer Stelle noch benötigen werden?“ Der Herr der Zeiten sah noch immer unschlüssig aus. Navi rollte genervt mit den Augen. „Bei den Göttinnen! Dann bist du offenbar stark genug, um solche Schlösser mit den Händen zu zerbröseln. Dann brauchen wir gar keine Schlüssel mehr! Aber wenn du dir so unsicher bist, zieh die Handschuhe doch einfach aus…“ Link zog die Unterlippe zwischen die Zähne und betrachtete die Krafthandschuhe. Wenn er sich darauf konzentrierte, konnte der junge Mann noch immer einen schwachen Nachhall des reißenden Schmerzes fühlen, der ihn beim Anziehen der Handschuhe überkommen hatte. Auf eine Wiederholung dessen hatte er absolut keine Lust. Also atmete Link tief durch und versuchte erneut, den Schlüssel im Schloss zu drehen. Dieses Mal konzentrierte er sich jedoch darauf, die richtige Balance seiner Kräfte zu finden und den eingerosteten Schlossmechanismus zu bewegen, ohne den Schlüssel zu zerbrechen. Navi beobachtete ihn dabei aus großen Augen und drückte ihm demonstrativ die Daumen, während sie ihn stumm anfeuerte. Ihrer Meinung nach hatte Link eine komische Vorstellung von Vorsicht. Wenn nichts auf dem Spiel stand oder Alternativlösungen auf der Hand lagen, machte er sich häufig viel zu viele Gedanken. Wenn jedoch das Gefahrenpotenzial einer Situation nicht abzuschätzen war, stürzte er sich oftmals blindlings hinein. Während der Herr der Zeiten mit viel Feingefühl an dem Schlüssel rüttelte und einen erneuten Drehversuch startete, fragte Navi sich, weshalb ihr Schützling offenbar mehr Angst davor hatte, einen leicht zu revidierenden Fehler zu machen als sein Leben zu riskieren. Ob es damit zusammenhing, dass er als Außenseiter aufgewachsen war? Hatten sich der Spott und die Hänseleien so tief in die Seele des «Feenlosen» gegraben, dass er sie mehr fürchtete als den Tod? Navi betrachtete ihren Schützling auf einmal aus ganz neuen Augen und wurde von einer Flutwelle beinah mütterlicher Gefühle übermannt. Am liebsten hätte sie seine Vergangenheit geändert und all den erlittenen Schmerz von ihm genommen. Da sie dies nicht konnte, wollte sie ihm zumindest etwas Aufmunterndes sagen, doch Link platzte in ihre Überlegungen: „Du hattest Recht! Er bewegt sich!“ Die Augen des jungen Mannes funkelten wie geschliffenes Glas, als er mit dem Kinn auf das Schloss deutete. Navi ließ ihren Blick von Links Gesicht zurück zu seinen Händen gleiten und – tatsächlich! Der Schlüssel ließ sich zwar nur langsam bewegen, aber Link hatte ihn schon beinah halb herumgedreht. Kurz darauf erklang das ersehnte Klicken und das Schloss sprang auf. Navi wollte bereits begeistert applaudieren, doch dann ertönte ein leises Knacken, gefolgt von einem beschämten „Ups!“ Als Navi ihren Schützling fragend ansah, streckte dieser wortlos die Hand aus. Auf seiner Handfläche lag der Schlüssel, der in der Mitte entzwei gebrochen war. „Ich bin wohl etwas zu enthusiastisch geworden, als ich ihn aus dem Schloss gezogen habe…“ Bei dem zerknirschten Ton, den ihr Begleiter anschlug, zog sich Navis Herz zusammen und sie musste an ihre vorherige Überlegung denken. So schnell sie konnte, riss die zierliche Fee Link die Schlüsselbruchstücke aus der Hand und schleuderte sie so weit weg wie möglich. Bevor der völlig verdattert dreinblickende Herr der Zeiten fragen konnte, was das sollte, verkündete sie betont beschwingt: „Wie gut, dass wir ihn nicht mehr brauchen. Es gibt also keinen Grund, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.“ Es dauerte einen Moment, bis Link verstand, was seine Freundin ihm damit sagen wollte. Dann zogen sich seine Mundwinkel wie von selbst wieder nach oben und er formte stumm mit den Lippen: „Danke.“ Navi wischte seinen Dank mit einer Handbewegung beiseite und deutete dann mit dem Kinn in Richtung des nächsten Raumes. „Nachdem wir so lange gebraucht haben, um sie zu öffnen, bin ich gespannt, was sich hinter dieser Tür verbirgt!“ Das Innere des nächsten Raumes war nach all dem Aufwand enttäuschend. Hinter der Tür befand sich nichts weiter als ein langer Gang, der lediglich zu einer Backsteinmauer führte und ansonsten vollkommen leer zu sein schien. Ein grimmiges Gesicht ziehend wagte Link sich weiter in den Raum hinein und trat frustriert gegen einen Tonkrug, der gleich neben dem Eingang stand. Das Scheppern der berstenden Scherben hallte derart laut von den hohen Wänden wider, dass Navi ein wenig zusammenzuckte. „Eine Sackgasse! Na toll… Was machen wir jetzt?“ Der Herr der Zeiten warf einen hilfesuchenden Blick über die Schultern hinweg zu seiner Fee, die skeptisch die restlichen im Gang verteilten Krüge betrachtete. „Weiß nicht. Das Klügste ist es vermutlich, umzukehren und nach einer übersehenen Abzweigung zu suchen.“ Obwohl ihr der Gedanke, Zeit verschwendet zu haben, ebenfalls nicht behagte, versuchte Navi sich an einem aufmunternden Lächeln. Sie wusste, dass ihr überselbstkritischer Schützling diesen Rückhalt brauchte. Link stieß einen knurrenden Laut des Unmuts aus und wandte sich wieder dem Ausgang aus zu. Der junge Krieger wollte sich gerade in Bewegung setzen, um nach einem anderen Weg zu suchen, als Navi plötzlich schrie: „Pass auf!“ Obwohl der Herr der Zeiten so schnell herumwirbelte wie er konnte, war es zu spät. Einer der Tonkrüge knallte mit voller Wucht gegen seine linke Schulter und zerbrach. Vor Schmerz sog Link scharf Luft ein, jedoch war ihm keine Atempause vergönnt. Kaum, dass der erste Krug ihn getroffen hatte, erhoben sich auch die anderen wie von Geisterhand und sausten auf ihn zu. Trotz der Schmerzen in seiner Schulter riss Link flink den Hylia-Schild nach vorn und blockte die verzauberten Geschosse ab. Die Scherben fielen klirrend auf den Steinboden, wo sie in noch kleinere Teile zerbarsten. Navi funkelte die Bruchstücke zornig an und murmelte: „Ich hab gewusst, dass etwas faul war…“ Dann nahm ihr Gesicht eine besorgte Miene an und sie richtete ihre Augen auf Link: „Alles in Ordnung? Tut es sehr weh?“ Der Herr der Zeiten schüttelte seinen Schwertarm aus und ließ die Schulter kreisen. Bei jeder Bewegung fühlte es sich an als säßen kleine Nadeln unter die Haut, die sich in seinen Knochen bohrten. „Ich glaube, die Schulter ist geprellt. Aber es wird schon gehen. Ich hab schon Schlimmeres überstanden.“ Nun war es Link, der sich um eine zuversichtliche Miene bemühte, die seinem Gefühl nicht ganz entsprach. Der Gedanke, den Tempel mit einem verletzten Schwertarm zu durchforsten, war ihm ein Graus. Viel lieber hätte er sich einen warmen Breiumschlag machen lassen und die Schulter einige Tage geschont. Doch dafür hatte er keine Zeit. Naboru brauchte ihn. Ganz Hyrule brauchte ihn. Also biss er tapfer die Zähne zusammen und tat so als wäre die Prellung nicht mehr als ein weiteres Hämatom – nur ein kleiner, blauer Fleck wie ihn sich jeder täglich zuzog. Navi musterte ihren Schützling mit in Falten gelegter Stirn. Sie wusste, dass er log. Das sah sie ihm an dem verkniffenen Zug um seine Lippen und der steifen Haltung seines Armes. Dennoch nickte sie ihm lediglich zu und ließ das Thema auf sich beruhen. Was hätte sie ansonsten auch tun sollen? Sie konnte ihn leider nicht heilen und kannte ihn inzwischen lang genug, um zu wissen, dass er zu stur war, um einen Umweg zur großen Fee zu machen. So lange er noch in der Lage dazu war, zu kämpfen, würde er niemals den Tempel ohne Naboru verlassen. Also flog sie nur stumm an die Seite, um Link zu signalisieren, dass er den Raum verlassen konnte, ohne vorher mit ihr über seine Verletzung diskutieren zu müssen. Allerdings hielt der junge Held mitten in der Bewegung inne und spitzte die Ohren, anstatt in den Vorraum zurückzukehren. „Hörst du das?“ Link suchte mit den Augen die Decke ab und nahm eine kampfbereite Stellung ein. Zunächst verwirrte sein Verhalten Navi, doch dann bemerkte auch sie das schleifende Geräusch, das ihren Freund alarmiert hatte. „Ich würde sagen, es kommt von dort hinten.“ Navi deutete auf den hintersten Bereich des Ganges, der im Halbdunkel lag. Link zückte das Master-Schwert und schlich sich auf leisen Sohlen näher an die Schatten heran. Dabei behielt er ständig die Decke im Auge, da er den Eindruck hatte, das Geräusch käme von oben. Und tatsächlich! Der Herr der Zeiten hatte kaum die dunkle Ecke erreicht, als er auch schon wieder einen großen Satz zurück machte. Nur ein paar Herzschläge später stürzte ein riesiger Raubschleim von der Decke herab und landete an genau der Stelle, an der Link zuvor gestanden hatte. Das Monster riss mit einem fauchenden Laut sein rundes Maul auf und präsentierte lange, nadelspitze Zähne. Navi zog bei dem Anblick des zähflüssigen Sabbers, der aus der lippenlosen Maulöffnung tropfte, angewidert die Nase kraus. Auch Link, der offenbar an seinen Aufenthalt im Magen des anderen Raubschleimes denken musste, machte ein angeekeltes Gesicht. Dann holte er weit aus und ließ seine heilige Waffe auf das Ungeheuer niedersausen. Das wabbelige Fleisch schien im ersten Moment nachzugeben und sich nur zu verformen, aber dann durchtrennte die scharfe Schneide die Haut des Raubschleims und schlitzte das Monster der Länge nach auf. Bräunliches Blut und grünweißer Schleim ergossen sich über den Fußboden und ließen Navi heftig würgen. Link hingegen beachtete das erschlagene Ungeheuer nicht weiter. Stattdessen musterte er mit zusammengekniffenen Augen die Decke. „Wenn das Vieh da oben geklebt und sich auf mich hätte fallen lassen, dann hätte ich es viel früher entdecken müssen… Navi, kannst du mir einen Gefallen tun?“ „Natürlich. Was kann ich tun?“ Bei der Aussicht darauf, sich mal wieder nützlich machen zu können, war die Fee sofort Feuer und Flamme. Der Herr der Zeiten deutete zur Decke hinauf und erklärte: „Ich vermute, dass es dort oben irgendwo einen Zugang zu dem über uns gelegenen Raum gibt – ich sehe ihn nur leider nicht. Kannst du kurz hochfliegen und nachschauen, ob es dort irgendwo ein Loch gibt, das groß genug für einen Raubschleim ist? Wenn so ein fetter Wurm da durch passt, dann gilt dasselbe auch für uns.“ „Wird sofort erledigt!“ Grinsend salutierte Navi vor ihrem Begleiter in der Luft, dann sauste sie in Richtung Decke davon. Hier oben schienen die Schatten noch dunkler zu sein und Navi freute sich einmal mehr über ihren Feenglanz. Dank dieser Fähigkeit musste sie nun nicht die Deckenplatten nach einem Loch abtasten. Ein kalter Schauer schüttelte die junge Fee, als sie sich vorstellte, beim Herumtasten versehentlich in Raubschleimglibber zu fassen. Link verfolgte ihre Bewegungen derweil mit den Augen und trommelte nervös mit dem Zeigefinger auf seinem Oberarm. Er hasste es, untätig herumstehen zu müssen. Wann immer er abwarten musste, verselbstständigten sich seine Gedanken und es stahlen sich grausige Bilder vor sein geistiges Auge. Was die alten Hexen wohl mit Naboru angestellt hatten, nachdem sie die rebellische Gerudo in die Hände bekommen hatten? Wie sollte es weitergehen, wenn er irgendwann an seine Grenzen stoßen und einen Gegner nicht besiegen können würde? Wo steckte Naboru, die Weise der Geister, in diesem Moment? Der Herr der Zeiten hatte bereits das Gefühl, schreien zu müssen, um den Druck in seinem Inneren aushalten zu können, als Navi endlich rief: „Hier ist tatsächlich ein Loch!“ Die Fee ließ ihren Glanz so hell erstrahlen wie sie konnte, um die Schatten zu vertreiben und ihrem Begleiter ebenfalls einen Blick zu gewähren. Als Link die große, quadratische Aussparung entdeckte, bogen sich seine Mundwinkel unwillkürlich nach oben. Es gab einen Weg tiefer in den Tempel hinein! Er musste nur noch herausfinden, wie er dort hinaufkam… „Navi! Gibt es da oben etwas, an dem ich meinen Enterhaken befestigen kann?“ Link hatte eine Hand bereits an seinem Wunderbeutel, aber seine Fee dämpfte seine Begeisterung: „Leider nein.“ „Hm.“ Link zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne und verschränkte die Arme vor der Brust, während er seinen Blick unstet umher huschen ließ. Konnte er sich aus irgendetwas eine Leiter bauen? „Versuch doch, die Mauer hinaufzuklettern.“ Navi deutete auf die rückwärtige Wand, die sich an der Längsseite eine Kante mit der Aussparung teilte und deren ungleichmäßig behauenen Steine weit vorstanden. Ja, das konnte vielleicht wirklich klappen! Mit einem breiten Grinsen trat Link vor die Mauer und schob seine Finger zwischen die Fugen zweier Steine. Dann suchte er sich eine Lücke, die groß genug war, dass seine Stiefelspitze hineinpasste. Erst dann stieß er sich kräftig vom Boden ab und kletterte langsam die Wand hinauf. Der obere Raum war beinah kreisrund und im hinteren Bereich lichtdurchflutet. Dort fielen goldene Sonnenstrahlen in breiten Bahnen durch ein reich verziertes Deckenfenster und ließen die feinen, in der Luft treibenden Staub- und Sandpartikel geheimnisvoll schimmern. Das Auffälligste im Raum war jedoch die große Schlangenstatue, die inmitten des Lichtkegels stand. Sie hatte die Form einer Kobra, wobei nur der Kopf und das Nackenschild vollständig ausgearbeitet worden waren. Der restliche Körper war zusammengeschrumpft dargestellt worden, sodass der lange Schwanz der Schlange lediglich als aufgerollt an der Seite der Statue angedeutet war. Unterhalb des offenstehenden Mauls mit den bedrohlich spitzen und langen Zähnen war auf der Vorderseite des Nackenschilds ein großer, ovaler Spiegel angebracht worden, der einen Teil des Sonnenlichts ablenkte und an die gegenüberliegende Wand warf. Der Großteil der Sonnenstrahlen traf jedoch den Rücken der Kobra. Von seiner Kletterpartie noch immer leicht außer Atem, trat Link an die Skulptur heran und betrachtete sie neugierig. Seine Aufmerksamkeit galt vor allem den zwei langen Eisenstangen, die auf beiden Seiten der Kobra in den Stein eingelassen worden waren. „Wozu das wohl gut sein soll?“, wunderte sich der junge Held und strich gedankenversunken über eine der Stangen. „Sieht ganz so aus als könnte man die Statue drehen. Aber wozu?“ „Ich denke, ich kenne die Antwort.“ Navi grinste wie ein Honigkuchenpferd, aber sie kam nicht dazu, ihrem Schützling ihren Verdacht mitzuteilen. Denn in just diesem Moment stöhnte der Herr der Zeiten plötzlich laut auf und krümmte sich vornüber als hätte er einen Tritt in die Magengrube bekommen. „Was hast du?!“ Navi riss die Augen auf und musterte ihren Freund besorgt. Dieser atmete tief durch und richtete sich langsam wieder auf. „Ich… ich weiß nicht. Es war auf einmal als hätte mir jemand in den Magen geboxt. Keine Ahnung, wo das herkam.“ Die Fee zog ein unglückliches Gesicht, während sie nicht sehr überzeugt überlegte: „Vielleicht hast du dich beim Klettern überanstrengt oder so.“ Link wollte nicken und das Thema zu den Akten legen, stattdessen spürte er einen harten Schlag gegen den Rücken und stürzte zu Boden wie ein gefällter Baum. Über sein eigenes Keuchen, als der Aufprall ihm die Luft aus der Lunge presste, hinweg hörte er undeutlich wie Navi einen Laut des Erschreckens ausstieß. Ein reißender Schmerz schoss durch seine verletzte Schulter und ließ ihn leise wimmern. Der junge Mann mühte sich nach Kräften, wieder auf die Beine zu kommen, doch es war als hielte ihn die Hand eines Riesen auf den Boden gedrückt. Link glaubte beinah, die einzelnen Finger auf sich zu spüren. Navi landete neben seinem Gesicht und sah ihn aus geweiteten, angsterfüllten Augen an, während sie zaghaft einen Arm nach ihm ausstreckte. Offenbar glaubte sie, ihr Schützling habe spastische Zuckungen oder dergleichen. Bevor die Fee irgendetwas sagen konnte, wurde sie jedoch ebenfalls von der unsichtbaren Macht erfasst und gegen die gegenüberliegende Wand geschleudert. „NAVI!“ Panik und Sorge explodierten in Links Brust und er stemmte sich noch verbissener gegen das unsichtbare Gewicht auf seinem Rücken. Dass sich dabei etwas Scharfkantiges in seine Seiten bohrte, ignorierte der junge Mann einfach. „Ughn…“ Vor Schmerzen stöhnend kam Navi allmählich wieder zu sich, was Link erleichtert aufatmen ließ. Die Freude verflog jedoch schnell wieder, als der junge Mann den Knick in einem von Navis Flügeln entdeckte. Offenbar war er bei dem Aufprall kaputt gerissen. Die Fee selbst schien sich um ihren Flügel nicht zu scheren. Stattdessen rief sie: „Es ist ein Todesgrabscher, Link! Du musst schnell wieder auf die Beine kommen!“ Der Herr der Zeiten versuchte es noch einmal mit aller Kraft, die er trotz seiner Prellung aufbringen konnte, doch das unsichtbare Monster war zu stark. Auf diese Weise würde Link es nie schaffen, es abzuschütteln – ganz im Gegenteil. Wann immer er sich vom Boden hochstemmen wollte, bohrten sich die Krallen des Todesgrabschers noch tiefer in seine Seite. Es war allein dem Kettenanzug zu verdanken, dass Link noch keine ernsthaften Verletzungen davon getragen hatte. Lange würden die Metallmaschen den Klauen jedoch nicht mehr standhalten können. Er musste sich etwas anderes einfallen lassen – und zwar schnell! Die Augen noch immer auf seine verletzte Begleiterin geheftet, kam Link eine Idee. Er musste es nur irgendwie schaffen, seine Hand in den Wunderbeutel zu schieben, obwohl der Todesgrabscher seine Arme fest an seine Seiten presste. Das Monster verstärkte seinen Griff, als es die Bewegung unter sich registrierte, aber das hielt Link nicht auf. Der Herr der Zeiten biss tapfer die Zähne zusammen und verrenkte sich beinah die geprellte Schulter, um an seinen Wunderbeutel heranzukommen. Als er es endlich geschafft hatte, zog er einen einzelnen Pfeil hervor. Navi hielt ihren zerrissenen Flügel und blinzelte irritiert zu ihrem Schützling herüber. Was wollte er in dieser Situation mit einem Pfeil? Er hatte doch keinerlei Möglichkeit, seinen Bogen zu benutzen… Wenige Herzschläge später wurde der Fee allerdings klar, dass sie sich geirrt hatte. Link hatte niemals im Sinn gehabt, seine Schusswaffe zu gebrauchen. Stattdessen rammte er die Spitze des Pfeils blind in die Seite des unsichtbaren Monsters. Dieses quiekte vor Schmerzen auf und ließ für einen Moment locker genug, dass Link es abschütteln konnte. So schnell er konnte, hievte sich der junge Kämpfer wieder auf die Füße und zog sein Schwert. Zunächst hatte er vorgehabt, das Auge der Wahrheit aus seinem Beutel zu holen, um zu testen, ob er den Todesgrabscher damit sehen konnte. Wie sich herausstellte, war dies jedoch völlig überflüssig. Das Blut, das aus der Wunde, die der Pfeil gerissen hatte, hervorquoll, verriet deutlich, wo sich das Monster befand. Ohne zu zögern holte der Herr der Zeiten aus und ließ die Schneide des Master-Schwerts auf den Todesgrabscher niedersausen. Die geprellte Schulter protestierte mit einer starken Schmerzenswelle gegen die Bewegung, was dem Schlag einiges an Kraft nahm. Glücklicherweise durchschlug die scharfe Klinge Haut, Fleisch und Knochen dennoch als bestünden sie aus nicht mehr als trockenem, bröckeligem Sand. Im Tod fiel der Tarnzauber des Monsters von ihm ab und die zwei Hälften einer halbverwest aussehenden, knorrigen Hand wurden sichtbar. Link stellte mit Grauen fest, dass Todesgrabscher beinah genau wie die Hände einer menschlichen Leiche aussahen. Die einzigen Unterschiede waren die Größe und die rasiermesserscharfen, spitzen Krallen, die an Stelle der Fingernägel saßen. Schaudernd wandte Link sich ab und eilte mit wenigen langen Schritten zu seiner Fee herüber. „Wie geht es dir?“ Navi zuckte mit den Achseln und verzog sogleich das Gesicht zu einer Fratze des Schmerzes. „Ich werd’s überleben.“ Dann warf sie einen traurigen Blick auf ihren lädierten Flügel und fügte an: „Aber ich werde wohl so schnell nicht mehr fliegen können.“ „Ich könnte dich zur großen Fee bringen“, schlug Link vor, obwohl ihm der Gedanke, Naboru noch länger warten zu lassen alles andere als behagte. Dementsprechend war er insgeheim erleichtert, als Navi abwinkte: „Nein, ist schon gut. Das eilt nicht. Lass uns zuerst Naboru aus den Fängen der Twinrova befreien. Danach können wir uns um meinen Flügel kümmern.“ Link nickte und streckte seiner Begleiterin eine Hand entgegen damit sie an seiner Kleidung zu ihrem Stammplatz emporklettern konnte. „Alles klar. Dann werde ich dich den Rest des Weges wohl tragen müssen.“ Navi stieg auf seine Handfläche und machte eine herrschaftliche Geste: „Diener, setz mich auf deine Schulter.“ In sich hereinlachend verdrehte Link gespielt genervt die Augen und tat wie ihm geheißen. „Du wirst deine Verletzung gnadenlos ausnutzen, um mich herumzukommandieren, oder?“ Die Fee grinste so breit, dass ihr beinah die Mundwinkel einrissen. „Worauf du dich verlassen kannst!“ „Deine erste Amtshandlung als mein neuer Leibdiener wird es sein, die Kobra-Statue zu drehen. Im Uhrzeigersinn.“ Navi grinste noch immer und schien sich über ihre neue Rolle als Herrin königlich zu amüsieren. Link rollte dieses Mal ohne humoristischen Hintergrund mit den Augen und betete stumm zu den Göttinnen, seine Begleiterin möge schnell den Spaß daran verlieren, ihn wie einen Knecht zu behandeln. Navi gegenüber entgegnete er jedoch nur: „Natürlich, Mylady. Aber verratet Ihr mir netterweise, wozu das gut sein soll?“ Die Feenfrau kicherte bei seiner förmlichen Sprache leise in sich hinein und fragte dann: „Siehst du diese sonnenförmigen Ornamente an den Wänden?“ Erst jetzt bemerkte Link, dass ein Teil der gemauerten Raumwände verputzt und mit goldenen Sonnen verziert worden war. Im ersten Moment fragte der junge Held sich verwirrt, was diese Ornamente mit der Statue zu tun haben sollten, aber dann kam ihm plötzlich die Erleuchtung. „Das sind nicht einfach nur aufgemalte Sonnen“, stieß er ein wenig atemlos hervor. „Das sind die gleichen Licht empfindlichen Schalter, denen wir bereits im Westflügel begegnet sind!“ Navi nickte wohlwollend. „Genau. Ich bin mir sicher, dass einer von ihnen die Tür öffnen wird.“ „Und die anderen?“ Link blickte mit nachdenklichem Gesichtsausdruck zu den Sonnenornamenten herüber. Irgendwie hatte er auf einmal ein ganz mieses Gefühl… Seine Fee hingegen zuckte leichthin mit den Schultern. „Die anderen sind vermutlich Attrappen und sollen uns verwirren.“ „Hm. Das erscheint mir zu einfach.“ Link konnte sich nicht vorstellen, dass sich die Erbauer dieses Tempels, der vor raffinierten Abwehrmechanismen nur so strotzte, an dieser Stelle mit simplen Blendwerken zufrieden gegeben haben sollten. Als Navi seine angespannte Miene sah, fragte sie in einem beinah beleidigend amüsierten Ton: „Was? Hast du etwa Angst vor irgendwelchen Fallen?“ Link presste die Kiefer fest aufeinander und nickte. „In diesem Tempel wimmelt es von Fallen. Weshalb sollte es hier anders sein?“ Für einen Moment legte Navi ebenfalls ihre Stirn in Falten und schien über Links Befürchtung nachzugrübeln. Aber dann brach sie auf einmal in Gelächter aus: „Seit wann bist eigentlich du der Vorsichtige von uns? Früher war doch immer ich diejenige, die sich zu viele Gedanken gemacht hat.“ Link warf ihr einen gekränkten Seitenblick zu und brummelte: „Vielleicht seit ich auf dieser Reise bereits mehrfach beinah draufgegangen wäre?“ Die Fee schien den Einwurf ihres Schützlings überhört zu haben. Jedenfalls klang sie noch immer amüsiert, als sie anfügte: „Du machst dir zu viele Sorgen, Link. Ja, in diesem Tempel gibt es haufenweise Fallen. Aber hast du auch nur eine gesehen, die nicht völlig verrostet und ungefährlich war?“ Der junge Abenteurer öffnete den Mund, um seiner Begleiterin einige der Gefahren aufzuzählen, denen sie im Geistertempel bereits begegnet waren – riesige, hin und her rollende Steinkugeln, Treibsand, Raubschleime, die sich in Truhen versteckten… – aber aus seinem Mund kamen zu seiner eigenen Überraschung ganz andere Worte: „Mag sein, dass ich übervorsichtig bin. Aber ich möchte halt keine unnötigen Risiken eingehen. Lass mich die Sonnen mit dem Auge der Wahrheit testen, bevor ich die Statue drehe.“ Gesagt, getan. Allerdings musste Link feststellen, dass das alte Shiekah-Relikt in diesem Fall keine Hilfe war. Deswegen knurrte er, als Navi ihn fragte, was er sehe: „Nichts anderes als ohne das Auge der Wahrheit. Genauso gut könnte ich durch ein einfaches Monokel gucken.“ „Also sind alle Schalter echt“, schlussfolgerte Navi. „Also wird jeder von ihnen etwas auslösen?“ In Links Stimme schwang ein Ich-hab-dir-gesagt-dass-es-Fallen-sind-Unterton mit. Seine Fee schüttelte jedoch mit dem Kopf. „Nicht zwangsläufig. Es bedeutet nur, dass die anderen Sonnen tatsächlich mit Farbe an die Wand gemalt worden und keine Illusion sind. Das Auge der Wahrheit lässt dich nur Magie enttarnen, mehr nicht.“ Tief aufseufzend ließ Link das Artefakt wieder in seinem Wunderbeutel verschwinden. „Mit anderen Worten: Mir bleibt nichts anderes übrig als jeden Schalter auszuprobieren und auf das Beste zu hoffen.“ Navi tätschelte ihm aufmunternd die Halsseite, während der Herr der Zeiten an die Kobra-Statue herantrat, sich einen festen Stand suchte und sich anschließend mit seinem gesamten Körpergewicht gegen eine aus dem Nacken der Statue herausragende Stange stemmte. Die geprellte Schulter sandte dumpfe Schmerzwellen durch Links Körper, doch der junge Krieger biss tapfer die Zähne zusammen. Dicke Schweißtropfen bildeten sich auf Links Stirn, aber die Statue ließ sich keinen Millimeter bewegen. Da sie ansonsten nichts tun konnte, um zu helfen, hievte Navi sich auf die Füße und begann rhythmisch zu klatschen und ihren Schützling anzufeuern. Dieser war schon kurz davor aufzugeben, als aus Richtung des Statuensockels ein knirschendes Geräusch erklang und die Schlange sich endlich bewegen ließ. Offenbar war unterhalb der Statue eine Art Zahnradmechanismus angebracht, der das Drehen eigentlich hatte erleichtern sollen, nun aber dermaßen verrostet gewesen war, dass er selbst für die Macht der Krafthandschuhe ein würdiger Gegner war. Schnaufend drehte Link die Schlangenstatue so, dass der große Spiegel auf der Frontseite das durch die Decke fallende Sonnenlicht auf die erste Sonne warf. Kaum, dass die reflektierten Sonnenstrahlen auf den Schalter trafen, rissen Hylianer und Fee überrascht die Augen auf. Bislang hatten die Sonnenschalter angefangen, zu glühen, sobald sie mit Tageslicht in Berührung gekommen waren. Dieser Schalter jedoch fing Feuer und brannte innerhalb von Sekunden vollständig ab als bestünde er aus lampenölgetränkten Lumpen. Nicht mal eine halbe Minute später war alles, was noch von der goldenen Sonne zeugte, ein schwarzer Brandfleck an der Wand. Navi wollte gerade sagen „Eine Attrappe, siehst du? Ich hab’s dir doch gesagt.“, als ein kalter Luftstoß sie innehalten ließ. Es hatte sich angefühlt als wäre etwas Großes unmittelbar neben ihr zu Boden gefallen. Doch als sie sich nun umsah, konnte sie nichts entdecken… Beinah panisch krallte sich die Fee in die Haare ihres Schützlings und rief: „Link! Pass auf! Irgendwo hier ist ein weiterer Todesgrabscher!“ Überrascht und reflexartig sein Schwert ziehend, wirbelte der junge Krieger herum und ließ seinen Blick auf der Suche nach dem Monster durch den Raum zucken, bis ihm mit einigen Sekunden Verzögerung wieder einfiel, dass sich Todesgrabscher häufig mit Unsichtbarkeitszaubern tarnten. Während Link mit der rechten Hand nach seinem Lederbeutel tastete, um erneut das Auge der Wahrheit hervorzuholen, hielt er mit der linken das Master-Schwert abwehrend vor sich. Sobald er das antike Shiekah-Relinkt aus dem Beutel gezogen hatte, riss er es vor sein Gesicht – gerade noch rechtzeitig. Denn genau in dem Moment, in dem Link den Todesgrabscher enttarnte, setzte dieser zum Sprung an, um den Herrn der Zeiten gegen die rückwärtige Wand zu schleudern. Es gelang Link nur knapp, im letzten Moment auszuweichen. Dann wirbelte er sofort herum und versetzte dem Monster einen Stich mit seinem Schwert. Dieses stieß einen Laut aus, der wie eine Mischung aus Quieken und Fauchen klang, und stieß sich von der Wand ab, um sich gegen Link zu katapultieren. Unbeeindruckt von dieser erneuten Attacke, brachte Link sich mit einem kleinen Satz zurück aus der Gefahrenzone. Das Monster fauchte erbost, als es an Link vorbei durch die Luft flog, hart auf dem Boden aufprallte und schlitternd über die Steinfliesen rutschte. Der Todesgrabscher bemühte sich sichtlich, wieder festen Stand zu erreichen, bevor der Herr der Zeiten seinerseits erneut attackieren konnte. Doch die tiefe Fleischwunde in seinem Rücken machte die Bewegungen des Ungetüms langsam und träge. Mit nur wenigen Schritten hatte Link das Monster erreicht und ließ seine heilige Klinge auf es hinuntersausen. Grünliches Blut spritzte an die Wände und breitete sich zu einer großen Lache auf dem Boden aus. Link rümpfte ein wenig die Nase und stupste Navi, die sich den ganzen Kampf über panisch in seinen Haaren festgeklammert hatte, sanft an. Ein wenig zögerlich schlug die Fee die Augen wieder auf und drehte ihren Kopf, sodass sie ihr Gesicht nicht länger in Links Pferdezopf vergrub. Während des Kampfes hatte Navi sich nicht ansehen können, was passierte. Ihre Angst, Link könnte von dem unsichtbaren Gegner übermannt werden, war einfach zu groß gewesen. Zu der Sorge um ihren Schützling war zudem auch noch die Sorge um sich selbst hinzugekommen. Bislang hatte sich die Fee immer wieder fliegender Weise aus brenzligen Situationen heraushalten können. Doch mit ihrem beschädigten Flügel fühlte sie sich wehrlos und ausgeliefert. Wie sollte sie sich retten, wenn sie nicht wegfliegen konnte? Sie glaubte nicht daran, dass sie schnell genug laufen konnte, um einem Monster zu entkommen. Als sie nun die sterblichen Überreste des Todesgrabschers sah, atmete Navi daher erleichtert auf. Diese Gefahr war gebannt. Die Feenfrau wusste, dass ihnen in diesem Tempel noch unzählige andere Ungeheuer begegnen würden, aber fürs Erste waren sie in Sicherheit. Link betrachtete ebenfalls den Kadaver des Todesgrabschers, zog dabei jedoch eine nachdenkliche Miene. „Was meinst du, wo das Vieh plötzlich herkam und warum es uns erst so spät angegriffen hat?“ Navi kreiste mit den Schultern als wollte sie ein unangenehmes Gewicht abschütteln und gab kleinlaut zu: „Ich glaube, es ist erst erschienen, als du den Sonnenschalter aktiviert hast… Vielleicht hat der Schalter eine Deckenklappe geöffnet oder so.“ Wie an Fäden gezogen, legte Link augenblicklich seinen Kopf in den Nacken und suchte die Decke mit den Augen ab. Schon nach wenigen Sekunden erhellte Erkenntnis das Gesicht des Recken. Ziemlich genau über der Stelle, wo er und Navi gestanden hatten, als der Todesgrabscher plötzlich aufgetaucht war, baumelte das Verschlussbrett einer nun offenstehenden Luke von der Decke. Der Sonnenschalter war also tatsächlich eine Falle gewesen! Doch alles, was Link dazu sagte, war nur: „Sieht aus als müsste ich von nun an besonders aufmerksam sein, wenn ich einen der Schalter aktiviere.“ Auch die nächsten beiden Sonnenschalter gingen in Flammen auf, sobald die ersten Sonnenstrahlen sie berührten. Weitere Todesgrabscher tauchten jedoch zum Glück nicht auf. Stattdessen fielen aus den sich öffnenden Deckenluken kleine Holzkisten, die Link neugierig beäugte. Anstatt die Statue weiter zur letzten Sonne zu drehen, kniete sich der Herr der Zeiten vor die zuerst heruntergefallene Truhe und kaute unschlüssig auf der Unterlippe. Navi betrachtete ihn mit hochgezogenen Augenbrauen von der Seite und fragte: „Was ist? Warum öffnest du sie nicht?“ Grübelnd kratzte Link sich am Hinterkopf und antwortete: „Mein Instinkt sagt mir, dass es sich bei diesen beiden Kisten wieder nur um weitere Fallen handelt. Mein Verstand hingegen sagt mir, dass ich trotz meiner Angst vor Hinterhalten jede Truhe öffnen muss, die ich finde. Schließlich könnte in einer dieser Beiden ein Schlüssel sein, den wir später unbedingt brauchen, um weiterzukommen.“ „Dann öffne die Kiste!“ Navi sah ihren Schützling aus großen Augen auffordernd an. Dieser holte tief Luft und warf seiner Fee dann einen beinah ängstlichen Seitenblick zu. „Und wenn es doch nur wieder eine Falle ist?“ Link hatte damit gerechnet, dass Navi ihm wieder sagen würde, er denke zu viel. Doch stattdessen legte ihm seine Begleiterin eine Hand an die Wange und lächelte ihn warm an. „Dann wirst du auch diese Situation meistern. Ich glaube ganz fest an dich.“ Bei den Worten seiner Freundin zuckten Links Mundwinkel unwillkürlich nach oben und er setzte bereits zu einem „Danke“ an, als die sonst so verschlossene Navi ihm offenbarte: „Damals, als der Deku-Baum mich zu dir geschickt hat, war ich, ehrlich gestanden, entsetzt. Ich dachte: ‚Dieser ungeschickte, tollpatschige Knilch wird niemals schaffen, was der Deku-Baum von ihm verlangt‘. Ich glaubte fast, der Deku-Baum habe sich geirrt und du seist gar nicht der Auserwählte.“ Link runzelte die Stirn, bis über seiner Nase eine leichte Falte entstand und blickte seine Fee verständnislos an. Hatte sie ihm nicht vorhin erst gesagt, dass sie an ihn glaubte? Warum erzählte sie ihm dann nun, für was für einen Versager sie ihn von Anfang an gehalten hatte? Als Navi weitersprach, erkannte Link jedoch, auf was sie hinauswollte, und die Stirnfalten wichen einem verlegenen Lächeln: „Doch dann bin ich mit dir zusammen in den Deku-Baum hineingegangen und habe dich kämpfen und leiden sehen. Und vor allem habe ich gesehen, wie du jedes Mal, wenn dich etwas zu Boden geworfen hat, wieder aufgestanden bist. Ich habe erkannt wie zäh und willensstark du bist. Das hat mir imponiert. Und mit jedem Abenteuer mehr, das wir zusammen durchgestanden haben, wurde ich mir immer sicherer, dass der Deku-Baum Recht hatte: Du kannst alles schaffen, solange du nur an dich glaubst.“ Navi sah mit vor Stolz und Zuneigung strahlendem Gesicht zu Link auf, aber dieser riss plötzlich den Kopf herum damit die Fee die Tränen nicht bemerkte, die ihm in die Augen gestiegen waren. Außer Salia hatte er noch nie jemandem so viel bedeutet und er wusste für einen Moment nicht, wie er damit umgehen sollte. Er dachte an all die langen Nächte im Kokiri-Dorf zurück, in denen er wachgelegen und sich eine Fee gewünscht hatte, die so unerschütterlich zu ihm hielt wie Navi es nun tat. Damals hatte er sich nicht zu träumen gewagt, dass seine Traumfee ihn um seinetwillen dermaßen schätzte, dass er ihre Loyalität und Freundschaft sowie ihre Anerkennung womöglich sogar verdiente. In seinen Wachträumen war er stets nur davon ausgegangen, dass seine Fee zu ihm hielt, weil der Deku-Baum ihr gesagt hatte, dass sie das tun solle. Dann dachte er an die unzähligen Gefahrensituationen, die Navi und er auf ihrer Reise bereits durchgestanden hatten. Es war oft verdammt brenzlig und häufiger als ihm lieb war sogar äußerst knapp gewesen. Doch Navi war immer an seiner Seite geblieben, hatte ihn angefeuert und motiviert. Auch wenn es sein Pflichtgefühl Hyrule und Zelda gegenüber war, das ihn stets daran gehindert hatte, aufzugeben, wurde ihm nun bewusst, dass er die Kraft zum Weitermachen stets aus Navis Worten gezogen hatte. Sie war der Grund, dass er nie den Glauben in sich selbst verloren und die Waffen gestreckt hatte. Sie war diejenige, die immer wieder das Gefühl von Ohnmacht vertrieben hatte, das Link angesichts eines übermächtig wirkenden Gegners wie Ganondorf immer wieder überkommen hatte. Ohne hinzusehen, legte er Navi sanft eine Hand an ihre Seite und genoss das kaum merkliche Gewicht ihres zarten Körpers an seiner Handfläche, als die Fee sich gegen sie lehnte. Dann atmete er tief durch und wandte seiner Begleiterin langsam das Gesicht wieder zu. Die Tränen, die hinter seinem Unterlid gelauert hatten, waren inzwischen verschwunden, doch das Lächeln, das er Navi schenkte, wirkte trotzdem noch immer ein wenig wehmütig. Die Feenfrau sah ihren Schützling abwartend aus großen Augen an, nur um dann etwas verwirrt drein zu schauen, als Link mit belegter Stimme ein „Danke“ hauchte. Noch immer gegen seine Hand lehnend, zuckte Navi mit den Schultern. „Ist nicht mein Verdienst, dass ich dich so sehe.“ Links schiefes Lächeln wurde noch ein wenig breiter, aber anstatt das Thema zu vertiefen, wandte sich der junge Hylianer wieder den beiden Truhen zu. Vorsichtig löste Link seine Hand von Navi und klatschte dann voller Tatendrang in die Hände. „Also gut. Wollen wir mal sehen, was sich in Kiste Nummer eins verbirgt!“ Zu seiner großen Überraschung handelte es sich bei dem Truheninhalt nicht um eine Falle. Leider befand sich im Inneren der Holzkiste jedoch auch kein Schlüssel. Links Freude über seinen Fund stand ihm trotzdem ins Gesicht geschrieben. „Fünf Rubine! Super!“ Navi gähnte übertrieben und konterte: „Da hat ja meine Oma größere Reichtümer unter ihrem Kopfkissen…“ Als Link daraufhin kurz grinste, zeigte er seine gesunden, weißen Zähne. „Stimmt schon, fünf Rubine sind nicht viel. Aber Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Womöglich hätte ich mir demnächst etwas kaufen wollen und mir hätten genau diese fünf Rubine gefehlt, wenn ich die Truhe nicht geöffnet hätte.“ „Ja, ja, schon gut. Ich hab’s verstanden.“ Navi winkte ab und deutete dann auf die zweite Kiste. „Aber vielleicht ist da ja ein richtiger Schatz drin!“ Von seinem ersten Fund euphorisiert, öffnete Link ohne zu zögern die zweite Holztruhe. Doch kaum, dass er das Schloss aufgebrochen hatte, bereute er dies auch schon… Aus dem Inneren der Kiste erhob sich plötzlich ein eiskalter Wind, der dem Recken mitten ins Gebein zu fahren schien. Innerhalb weniger Sekunden waren sämtliche Gelenke des jungen Kriegers derart steifgefroren, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Nicht einmal den kleinen Finger konnte er noch rühren. Während er das Gefühl hatte, auf seiner Haut würden sich dicke Frostbeulen bilden, versuchte Link einen Blick auf Navi zu erhaschen. War sie ebenfalls zur Eissäule erstarrt oder hatte ihre Feenmagie sie vor dieser Falle schützen können? Leider ließen sich auch die Augen des Kämpfers kaum noch bewegen, sodass er seine Schulter – und damit auch Navi – nicht sehen konnte. Erschwerend hinzu kam die Tatsache, dass Links Blickfeld sich von den Rändern her zunehmend trübte, so als würden seine Augäpfel langsam von einer Eisschicht überzogen. Auch sein Herz, das bislang wie wild gegen seinen Brustkorb getrommelt hatte, schlug allmählich immer langsamer. Panik breitete sich von einem Punkt in der Mitte seiner Brust zunächst zu seinem Magen und anschließend im gesamten Körper aus. Er konnte hier nicht sterben. Er durfte hier nicht sterben! Hyrule und Prinzessin Zelda brauchten ihn. Und Navi glaubte an ihn. Er konnte doch nicht eine seiner besten Freundinnen enttäuschen! Verbissen kämpfte der junge Krieger gegen die Eisstarre in seinen Gelenken an. Doch allein bei dem Versuch, einen Finger zu krümmen, schoss ein unbändiger Schmerz durch seinen Körper. Trotzdem wollte der Herr der Zeiten auf keinen Fall aufgeben! Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, ballte Link eine Hand zur Faust und ignorierte dabei das Gefühl, seine Gelenke würden brechen, genauso wie die Tatsache, dass er inzwischen beinah vollkommen blind war. Außer einer weißen Fläche, aus der sich vereinzelte Details wie kleine Schneeberge erhoben, konnte Link nichts mehr sehen. Ihm war weder die Fähigkeit, Formen zu erkennen, noch das Farbsehen geblieben. Doch auf einmal färbte sich die schneeweiße Fläche vor seinen Augen zunehmend terrakottafarben. Zusätzlich schälten sich immer mehr Details heraus, bis Link wieder die vor ihm stehende Truhe und die sandsteinfarbene Wand dahinter erkennen konnte. Ungläubig blinzelnd stellte Link fest, dass sich von seinem Kopf ausgehend eine wohlige Wärme über ihn legte wie eine Decke. Allmählich schmolz das Eis in seinen Gelenken und auch sein Herz kehrte zu seinem normalen Tempo zurück, obwohl aus dem Inneren der Holztruhe noch immer ein Eissturm tobte. Auf der Suche nach einer Antwort auf dieses Phänomen entdeckte Link Navi, die im Lotussitz auf seiner Schulter saß und wie ein Feuerball glühte. Bunt glitzernde Schweißtropfen liefen ihr übers Gesicht und klebten ihr die Haare an Schläfen, Stirn und Nacken. Als die Fee bemerkte, dass ihr Schützling sich wieder bewegen konnte, stieß sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor: „Schließ die Truhe. Ich weiß nicht, wie lange ich diesen magischen Wärmeschild noch aufrechterhalten kann.“ Ohne zu zögern streckte Link eine Hand nach dem Truhendeckel aus, obwohl er dafür direkt in den Eissturm hineingreifen musste. Beim Anblick seiner Hand riss der junge Recke jedoch überrascht die Augen auf. Sein gesamter Körper war von einem strahlenden Licht eingehüllt, das in genau derselben Farbe leuchtete wie Navi. „Sie hat ihren magischen Schutzmantel auf mich ausgeweitet!“, schoss es Link unwillkürlich durch den Kopf. Er wollte sich nicht einmal vorstellen, wie viel Kraft eine solche Aktion von einem abverlangte. Um Navis Energiereserven so gut zu schonen wie möglich, knallte Link den Truhendeckel herab, sobald er ihn zu fassen bekam. Im ersten Moment wollten Krieger und Fee bereits aufatmen, doch dann erkannten sie, dass der Eissturm den Deckel problemlos wieder anheben konnte, da Link das Schloss aufgebrochen hatte. Der Herr der Zeiten sah sich fieberhaft nach etwas um, mit dem er das Schloss blockieren konnte. Leider war weit und breit nichts in Sicht, das ihm hätte weiterhelfen können. Ein schneller Seitenblick auf Navi verriet ihm, dass zu allem Überfluss die Zeit drängte. Navis Feenglanz flackerte bereits verdächtig. Wenn Link nicht schnell etwas einfiel, würden die beiden Abenteurer als Eiszapfen enden… In einem Akt der Verzweiflung legte Link die Finger um das Truhenschloss und drückte zu. Vor Kraftanstrengung stieß er einen animalischen Schrei aus, der von den Wänden widerhallte und ohrenbetäubend laut durch den Raum schallte. Der junge Kämpfer hatte das Gefühl, ihm müssten die Fingerknochen zerbröseln, weil er all seine Kraft in diesen Griff legte und zusätzlich die gesamte Macht der Krafthandschuhe ausnutzte. Statt sich die Finger zu ruinieren, schaffte Link es jedoch, das Truhenschloss so zu verbiegen, dass es sich in sich selbst verkeilte und den Eissturm im Inneren der Kiste fest verschloss – gerade noch rechtzeitig. Kaum, dass Link die Hände von der Truhe nahm, sackte Navi keuchend in sich zusammen und der rote Lichtschein, der sie beide eingehüllt hatte, verschwand. Erschöpft ließ Link sich auf den Hintern fallen und schob sich mit den Füßen rückwärts, bis er mit dem Rücken gegen die nächste Wand stieß. Er zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub, konnte jedoch nicht sagen, ob es Spätfolgen der Eisattacke, seiner Panik oder seiner Erschöpfung waren. So sanft er mit seinen unkontrollierbar zuckenden Fingern konnte, hob er Navi von seiner Schulter und bettete sie in seiner Hemdtasche, wo sie es weich und warm hatte. Die Fee war von ihrer Zauberei dermaßen ausgelaugt, dass es kaum eine Minute dauerte, bis ein leises Schnarchen an Links Ohren drang. Der Herr der Zeiten lächelte angesichts dessen matt und lehnte den Hinterkopf gegen die Wand, um ebenfalls für einen Moment die Augen zu schließen und Kraft zu sammeln. Als Link die Lider wieder aufschlug, musste die Sonne bereits tief am Himmel stehen. Jedenfalls hatte sich die Farbe der durch die Decke fallenden Lichtstrahlen von einem satten Gelb-Gold in ein dunkleres Rot-Gold verwandelt. So schnell er konnte, rappelte sich der junge Recke wieder auf und schüttelte den Schlaf aus seinen Gliedern. Obwohl er unnötig Zeit verschenkt hatte, konnte Link sich nicht dazu durchringen, es von ganzem Herzen zu bereuen. Das Gefühl von neuer Energie, das in jeder seiner Zellen pulsierte, überzeugte ihn davon, dass er die Rast bitter nötig gehabt und der Schlaf ihm gut getan hatte. Selbst seine geprellte Schulter schmerzte nicht mehr so sehr wie zuvor. Vorsichtig warf Link einen Blick in seine Hemdtasche, um nach seiner Begleiterin zu schauen. Navi lag auf der Seite, den Kopf auf einen Arm gebettet, und schlief noch immer selig. Ihre wirren Haare umrahmten ihr Gesicht wie Seetang und sie sabberte leicht, während ihre Augen hinter ihren Lidern hin und her zuckten. Bei diesem Anblick bogen sich Links Mundwinkel unwillkürlich nach oben und er fragte sich, von was Navi wohl träumen mochte. Er hoffte, dass es etwas Schönes war und sie erholt und ausgeschlafen wieder erwachen würde. Dann wandte der junge Kämpfer sich erneut der Schlangenstatue zu und drehte sie so, dass die reflektierten Sonnenstrahlen auf den letzten Schalter fielen. Link rechnete fast damit, dass die Sonne auch dieses Mal verbrennen würde, aber wie die Schalter aus dem Westflügel leuchtete die Sonne nur auf, bevor ein leises Klicken zu hören war und die Eisenstäbe vor der Tür hochgezogen wurden. Als der Herr der Zeiten über die Schwelle trat, staunte er nicht schlecht: Er befand sich wieder in der großen Halle mit der riesigen Nure-Onna-Statue! Im ersten Moment machte sich Ernüchterung breit in Link, da er diesen Ort bereits erkundet und nun das Gefühl hatte, in einer Sackgasse zu stecken. Doch dann schob er die negativen Gedanken beiseite. Bestimmt konnte er nun als Erwachsener Dinge entdecken, die ihm als Kind verborgen bleiben mussten. So stand er nun zum Beispiel auf einem Treppenabsatz, den er als Kind nicht hatte erreichen können. Mit neuem Mut eilte Link die Treppen vor sich hinauf, um sich einen besseren Überblick über die Halle zu verschaffen. Das Erste, was er bemerkte, als er oben ankam, war eine weitere verschlossene Tür. Ansonsten war der Blick aus dem dritten Stock vor allem atemberaubend. Er befand sich nun auf Brusthöhe der gewaltigen Statue und die am Boden stehenden, fast mannhohen Fackeln sahen so winzig aus wie Einrichtung für ein Puppenhaus. Außerdem konnte Link sehen, dass einzelne Platten ihres Brustharnisches tatsächlich mit Smaragden und grünen Achaten besetzt waren. Die Gerudo mussten ein unvorstellbar reiches Volk sein – auch wenn ein Teil dieses Reichtums sicherlich nicht ehrlich erarbeitet war… Auf einer der ausgestreckten, Richtung Decke gedrehten Handflächen entdeckte der Herr der Zeiten ein Triforce-Emblem. Im ersten Moment ließ ihn dieser Fund stutzen. Was hatten die Gerudo mit der hylianischen Königsfamilie zu tun? Doch dann fiel ihm wieder ein, dass das Triforce in erster Linie ein religiöses Symbol und als solches im ganzen Land verbreitet war. Dass die königliche Familie von Hyrule das Triforce wie ein Familienwappen nutze, war erst sehr viel später Tradition geworden. Link war sich sicher, das Triforce-Emblem hatte etwas mit der Lösung des Rätsels in diesem Raum zu tun. Vielleicht brachte es ja etwas, wenn er sich daraufstellte und die Hymne der Zeit spielte? Schließlich handelte es sich dabei ebenfalls um einen Teil uralter religiöser Rituale. Leider war die Hand viele Meter von seinem Standpunkt entfernt – zu weit, um problemlos herüberspringen zu können. Für einen Moment überlegte Link, ob er die Pegasus-Stiefel anziehen sollte. Er war sich ziemlich sicher, dass die Schwebefunktion dieses Schuhwerks ihn lange genug durch die Luft tragen würde, um zu der Statuenhand herüber zu gelangen. Aber ziemlich sicher war Link in dieser Situation nicht sicher genug. Wenn er sich verschätzte und abstürzte, würde dies seinen sicheren Tod bedeuten. Niemand konnte einen Sturz aus einer solchen Höhe überleben. Anstatt einen Weg zu der Hand zu suchen, wandte sich der junge Abenteurer deshalb dem Schloss vor der Tür zu. Er hatte es schon einmal geschafft, ein Schloss zu verformen. Wieso sollte er also nicht in der Lage sein, dieses hier aufzubrechen? Ohne weiter über seinen Plan nachzudenken, ergriff Link das massive Vorhängeschloss mit beiden Händen, stemmte sich mit den Füßen gegen den steinernen Türrahmen und zog mit voller Kraft. Es prickelte in seinen Armen, als die Krafthandschuhe ihren antiken Zauber entfalteten. Link hatte das Gefühl, seine Finger würden sich tief ins Metall graben, als der Verschlussbügel endlich herausriss. Durch das plötzlich wegfallende Gegengewicht, verlor der Herr der Zeiten das Gleichgewicht, stürzte nach hinten und rollte sich überschlagend auf den Rand des Treppenabsatzes zu. Glücklicherweise gelang es ihm im letzten Moment, abzubremsen und keuchend auf dem Rücken liegen zu bleiben. Just in dieser Sekunde streckte Navi gähnend ihren Kopf unter seiner Tunika hervor und fragte in vorwurfsvollem Ton: „Was zum Deku treibst du hier eigentlich? Da will man einmal in Ruhe schlafen und wird durchgeschüttelt wie die Milch im Butterkübel!“ Während Navi missgelaunt aus der Wäsche guckend zu ihrem Stammplatz kletterte, hievte Link sich wieder auf die Füße und verbesserte: „Butter wird aber gestampft.“ „Was?“ Die Feenfrau starrte ihren Begleiter verständnislos an. „Milch wird zu Butter gestampft. Nicht geschüttelt“, präzisierte Link, während er die Tür zum nächsten Raum aufstieß. Dahinter befand sich ein kurzer Flur und ein Strahlenzyklop, der einen Laserstrahl auf die beiden Abenteurer abfeuerte und damit Navis bissige Antwort im Keim erstickte. Es gelang Link mit einem schnellen Hechtsprung, sich und seine Begleiterin in Sicherheit zu bringen, doch das Dauerfeuer des Zyklopen machte jegliches Vordringen in den Raum unmöglich. „Und was machen wir jetzt?“ Link warf Navi einen hilfesuchenden Blick zu. Diese überlegte eine Weile, bis sie entgegnete: „Versuch’s mal mit einer Bombe. Vielleicht können wir dieses Mistding ja in die Luft jagen, wenn du ihm eine Bombe genau vor die Füße wirfst.“ Die Hand bereits im Wunderbeutel, neckte Link: „Füße? Wo hat dieses Ding denn Füße?“ Navi rollte übertrieben genervt mit den Augen. „Du weißt genau, was ich meine!“ Das wusste Link allerdings. Nachdem er die Bombenlunte an einer in der Nähe stehenden Fackel entzündet hatte, warf er die explosive Kugel so schnell wie möglich in den Flur. Da er auf Grund des Dauerfeuers des Zyklopen nicht viel Zeit zum Zielen hatte, bevor er wieder in Deckung gehen musste, konnte er nur hoffen, dass er sein Ziel traf. Nur Sekunden später explodierte die Bombe mit einem lauten Knall und die Druckwelle pustete Staub, kleine Gesteinsbrocken, Teppichfetzen und Metallteile durch die Tür in die Nure-Onna-Halle. Als Navis Blick auf die verbogenen und scharfkantigen Metallstücke fiel, sagte sie: „Sieht so aus als hättest du den Zyklopen erwischt.“ Dennoch lugte Link zunächst vorsichtig um die Ecke, bevor er sich erleichtert aus seinem Versteck neben dem Türrahmen wagte und in den Flur trat. Obwohl die Bombe nicht allzu groß gewesen war, hatte sie Verheerendes angerichtet. Das kleine Steinpodest, auf dem der Zyklop gestanden hatte, war vollkommen auseinandergerissen worden und lag nun in Form von Bruchstücken im ganzen Raum verteilt. In der Wand hinter dem ehemaligen Podest klaffte ein kraterförmiges Loch, das an den Rändern rußgeschwärzt war, und an einigen Stellen leckten kleine Flammen an dem, was von dem dunkelroten Teppich, mit dem der Flur ausgelegt gewesen war, noch übrig war. Link trat im Vorbeigehen das Feuer aus, damit es sich nicht im gesamten Tempel ausbreitete, und gab sich ansonsten Mühe, die Verwüstung nicht zu beachten. Es tat ihm in der Seele weh, den Geistertempel beschädigt zu haben – auch wenn es nur ein kleiner Raum war. Denn mochte sie heutzutage auch von bösartigen Hexen bevölkert sein, die Göttin des Sandes war eine uralte religiöse Stätte und noch dazu wunderschön. Kein Tempel, den Link bisher betreten hatte, war so reich und beeindruckend geschmückt gewesen. Doch für derlei Gedanken oder gar Trauer hatte Link nun wahrlich keine Zeit. Also schüttelte er den Kopf, um wieder klar denken zu können, und konzentrierte sich auf den Moment. Durch den Flur gelangten die beiden Abenteurer in einen Raum, dessen Bodenfließen größtenteils herabgebrochen war. Darunter war ein tiefer, klaffender Abgrund zum Vorschein gekommen, der nun nur noch von wenigen, schmalen Wegen durchzogen wurde. Mit einem Stich im Herzen fragte Link sich für einen kurzen Moment, ob die Explosion im Flur dafür verantwortlich war, dass hier der Boden weggebrochen war. War die Erschütterung womöglich doch stärker gewesen als gedacht? Aber dann bemerkte der junge Recke, dass die Bruchkanten bereits ausgeblichen und von Staub überzogen – und damit schon älter – waren. Erleichtert wagte Link sich weiter in den Raum und erstarrte, als sich drei Lumpenhaufen plötzlich erhoben und vor ihm in der Luft schwebten. Während Links Augen sich mit Tränen füllten, ballte Navi die Hände zu Fäusten und stieß zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Noch mehr Anubis-Füchse. Diese Frevler.“ Eine der Fuchsmumien schien unter ihren vergilbten Mullbinden den Kopf leicht schief zu legen und die beiden Abenteurer genau zu mustern. Kurz darauf hallte seine tonlose Stimme in Navis Kopf wieder: Ihr seid die beiden, die vor Jahren unseren Freund verbrannt haben. Bei diesen Worten erbleichte die Feenfrau und sie hielt abwehrend die Arme vor sich. „Es war nicht so wie es vielleicht aussehen mag!“ Link warf ihr einen neugierigen Blick zu und schaute dann zu den Anubis-Füchsen zurück, die unbewegt in der Luft verharrten. Es machte den Herrn der Zeiten beinah wahnsinnig, dass unter den Stoffwickeln keine Mimik zu erkennen war. Navi wirkte alarmiert. Doch drohte von den Fuchsmumien wirklich Gefahr? Die letzte Mumie, die sie getroffen hatten, war eine arme geplagte Seele gewesen. Ob diese Anubisse anders waren? Wir wissen, wie es vor sieben Jahren gewesen ist, mischte sich ein anderer Anubis ein. Als Navi den warmen Unterton in der Stimme des Fuchses bemerkte, atmete sie etwas auf. „Dann… dann sinnt ihr nicht auf Rache?“ Dass Links Blick bei diesen Worten zu ihr zurückzuckte, ignorierte die Fee geflissentlich. Im Gegenteil, antwortete die erste Mumie. Euch gebührt unser Dank. Koume und Kotake haben unsere Seelen mit Hilfe schwarzer Magie in unseren toten Körpern gefangen und uns zu einem Leben als Untote verdammt. Sie wollen, dass wir ihren Tempel vor Eindringlingen schützen. Wir können leider nicht verhindern, dass wir euch angreifen werden, sobald ihr uns zu nahe kommt. Wir haben keine Kontrolle mehr über diese toten Körper. Sie folgen nur noch den Befehlen der Twinrova. Aber die alten Hexen konnten nie unsere Herzen manipulieren. Unsere Herzen gehören noch immer der Wüste. Der sehnsüchtige Klang der letzten beiden Sätze, schnürte Navi die Kehle zu. „Ihr… ihr…“, setzte sie stammelnd an, musste jedoch immer wieder innehalten und neu ansetzen, weil ihre Stimme brach. Wir wünschen uns, dass ihr uns genauso aus diesem unwürdigen Leben befreit wie unseren Bruder, stieß der dritte Anubis hervor. Tiefe Trauer erfüllte Navis Herz. Sie wünschte sich so sehr, sie könnte irgendeine Form von Magie wirken, die die Anubisse von ihrem unglückseligen Schicksal befreien würde. Als Link den Gesichtsausdruck seiner Fee sah, verstand er, ohne die Bitte der Mumien gehört zu haben. Die Kiefer fest aufeinander gepresst, schluckte er seine Emotionen, die ein wirres Knäul aus Trauer, Wut, Hass, Ohnmacht und Verzweiflung bildeten, herunter und trat näher an die Anubis-Füchse heran. Dann blickte er jedem von ihnen in die Augen – oder zumindest in die dunklen Löcher zwischen den Mullbinden, wo er die Augen vermutete – und nickte anschließend. „Ich kann euch leider keinen Weg zurück zeigen. Das einzige Ende eures Leids, das ich euch bringen kann, ist der Feuertod. Ein endgültiger Tod, der eure Körper vernichtet und euch somit von dem Fluch der Hexen befreit.“ Das wissen wir, antwortete der erste Fuchs in Navis Kopf, aber der Tod ist allemal besser als dieses fremdbestimmte Nicht-Leben. Alles ist besser als das hier! Nachdem der Anubis ausgesprochen hatte, nickte Navi ihrem Schützling mit traurigen Augen zu. Dieser holte mit steinern wirkender Miene Pfeil und Bogen sowie eine alte, verdreckte Kindertunika aus seinem Wunderbeutel hervor. Fasziniert und ein wenig irritiert beobachtete Navi wie Link die bereits stark lädierte Tunika in Stücke riss und die Stoffteile anschließend um drei Pfeile wickelte. Erst, als er die erste der eingewickelten Pfeilspitzen an einer in der Nähe stehenden Fackel entzündete, begriff die Fee, dass ihr Begleiter sich Feuerpfeile gebastelt hatte und diese nutzen wollte, um die Anubis-Füchse aus der Distanz in Brand zu stecken. Für einen Moment fragte Navi sich, warum Link nicht einfach Dins Feuersturm einsetzte. Das wäre deutlich schneller und weniger kompliziert gewesen. Doch mit einem Blick auf den kaputten Boden beantwortete sich die Fee ihre Frage selbst: Link hatte Angst, nach Einsatz des mächtigen Zaubers von Schwindel geplagt zu werden und in den Abgrund zu stürzen. Sobald die um die Pfeilspitze gewickelten Stoffbahnen Feuer gefangen hatten, legte Link den Pfeil auch schon ein und zielte auf den ersten Anubis. „Finde deinen Frieden.“ Obwohl seine Mimik gänzlich unbewegt blieb, zitterte seine Stimme leicht und verriet, dass ihn die Situation nicht so kalt ließ wie er Glauben machen wollte. Navi legte ihm beruhigend eine Hand auf die Wange, glaubte aber nicht, dass Link dies überhaupt wahrnahm. Mit mechanischen Bewegungen legte er an, zielte und ließ den Pfeil von der Sehne sausen. Die trockenen Stoffbinden der Mumie fingen sofort Feuer und es dauerte nur Sekunden, bis der Fuchs sich in eine riesige, schwebende Stichflamme verwandelte. Link achtete jedoch gar nicht darauf. Stattdessen bückte er sich schnell nach dem nächsten Pfeil, den er neben der Fackel auf dem Boden abgelegt hatte, und wiederholte die Prozedur ein weiteres Mal. Und noch einmal. Da diese Anubis-Füchse im Gegensatz zu ihrem Bruder, den Link als Kind getroffen hatte, über einem Abgrund schwebten, konnte der junge Kämpfer ihre Asche nicht einsammeln und draußen in der Wüste verstreuen. Stattdessen musste er mitansehen wie die unterschiedlich großen Ascheflocken auf Nimmerwiedersehen in die unendlich wirkende Tiefe hinabschwebten. Dennoch hallte in Navis Kopf ein Chor aus drei Stimmen wider: Danke! Der Fee lief bei dem Gedanken an eine solch immense Verzweiflung, die den Tod als lohnende Alternative erscheinen ließ, ein kalter Schauer über den Rücken. Sie konnte nur hoffen, dass sie und keiner, den sie liebte, je so etwas Furchtbares erleiden musste. Sobald der letzte Fuchs verbrannt war, wurde offenbar ein magisches Siegel gebrochen, das über dem Raum gelegen hatte. Jedenfalls sanken plötzlich dicke Eisenstäbe von schleifenden Geräuschen begleitet in den Boden und gaben die hinter ihnen liegende Tür frei. Als Link zielstrebig auf den neu entstandenen Ausgang zuhielt, merkte Navi an: „Da hinten ist noch eine Tür.“ Link folgte dem ausgestreckten Arm seiner Fee mit den Augen und zuckte dann leicht die Schulten, um Navi nicht zu sehr durchzuschütteln. „Ich will erst mal sehen, was sich hier hinter verbirgt. Sicherlich etwas Wertvolles, wenn man es mit dem Leben von drei Anubis-Füchsen zu sichern versucht.“ Durch die Tür gelangten die beiden in einen großen, rechteckigen Raum, der bis auf vier kleine Statuen, eine verrostete Kreiselklingenfalle und ein Sonnenornament an der Wand völlig leer zu sein schien. Link hielt zielstrebig auf den Sonnenschalter zu und blickte sich suchend um. Durch ein Dachfenster fielen die letzten orange-roten Sonnenstrahlen des Tages in den Raum, aber es war weit und breit nichts zu sehen, mit dem sie sich reflektieren ließen. „Versuch’s doch mal mit deinem Schwert“, riet Navi. Doch auch wenn das Master-Schwert über eine glänzende, reflektierende Klinge verfügte, reichte das zurückgeworfene Licht nicht aus, um den Schalter zu aktivieren. Verstimmt wandte Link sich von der Sonne ab und fragte laut: „Und jetzt?“ Eigentlich hatte er die Frage an sich selbst gestellt, aber Navi war trotzdem diejenige, die antwortete: „Vielleicht finden wir da hinten bei den Statuen etwas Interessantes.“ Link machte ein mürrisches Gesicht, ging aber ohne zu zögern zur anderen Seite des Raumes herüber. Tatsächlich gab es hier einen Bodenschalter, der die rechte, aus dem Raum führende Tür öffnete – doch zu Links Leidwesen blieb der Ausgang nur so lange geöffnet wie er auf dem Schalter stehen blieb. Sobald er zur Seite trat, schnellte der Schalter wieder in die Höhe und die Tür schlug mit einem lauten Knall ins Schloss. Leider gab es auf dieser Seite keinerlei Möglichkeit, die Tür zu öffnen. Sie hatte weder Knauf noch Klinke. „Vielleicht, wenn ich eine der Statuen auf den Schalter schiebe…“, überlegte Link laut, nur um sofort von Navi gebremst zu werden. „Finger weg von den Statuen! Das sind Armos-Ritter!“ Link erinnerte sich an seinen aussichtslosen Kampf gegen einen Armos-Ritter in Dodongos Höhle und seufzte auf. Damals war ihm nichts anderes als die Flucht geblieben. Doch schon im nächsten Moment ging ein Strahlen über sein Gesicht und er forderte seine Begleiterin auf: „Halt dich gut fest, Navi. Ich habe eine Idee!“ Während sich die Fee an seiner Tunika und in seinen Haaren festkrallte und ihn neugierig ansah, stellte Link sich direkt vor die Tür und holte seinen Enterhaken hervor. Dann zielte er auf die Statue, die von ihm aus gesehen hinter dem Schalter stand und feuerte seinen Enterhaken darauf ab. Die Kette raste klirrend durch die Luft und ein widerliches Kreischen von Metall auf Stein erklang, als die Spitze des Enterhakens eine tiefe Furche in die Statue schlug. Diese erwachte daraufhin mit wildem Gebrüll und Link beeilte sich, den Aufrollmechanismus seines Hakens zu betätigen. Glücklicherweise hatte sich die Kette bereits wieder vollständig aufgerollt, bevor sich die Statue in Bewegung setzte. Springend kam sie auf Link zu und verursachte jedes Mal, wenn sie wieder auf den Boden auftraf, kleine Erdbeben. Link achtete darauf jedoch gar nicht. Seine Aufmerksamkeit war fest auf einen bestimmten Punkt geheftet. Sobald die Statue den Bodenschalter erreicht und diesen unfreiwillig betätigt hatte, warf Link sich mit einer Seitwärtsrolle durch die sich öffnende Tür. Nur Sekunden später war die Statue auch schon über den Schalter hinweggesprungen und die Tür schlug krachend wieder zu. Navi ließ Links Haare und Tunika los und nickte ihm anerkennend zu. „Das war richtig clever!“ Normalerweise hätte ihr Schützling bei einem solchen Lob wie ein Honigkuchenpferd gegrinst, doch offenbar steckte ihm die Begegnung mit den Anubis-Füchsen noch in den Knochen. So zuckte er angesichts des Lobs nur mit den Schultern und wandte sich dann dem Raum vor sich zu. Bevor Link etwas sagen konnte, sprach Navi aus, was er dachte: „Dieser Raum kommt mir bekannt vor.“ Der langgestreckte Flur mit der sich nur leicht drehenden Wendeltreppe, deren Stufen mit blutrotem Teppich ausgekleidet waren, erinnerte die beiden Abenteurer an den Gang, der sie zu dem Thronsaal des Eisenprinzen geführt hatte. Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck erklomm Link die ersten Stufen und sagte: „Dann wollen wir mal sehen, was uns dieses Mal erwartet.“ Navi zuckte bei dem harten Klang seiner Stimme ein wenig zusammen. Es machte beinah den Eindruck als freute Link sich auf die Aussicht, fremdes Blut vergießen zu können. Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich! Andererseits konnte ein Mensch auch nur eine bestimmte Menge an seelischer Pein verkraften, bevor etwas in ihm zerbrach. Vielleicht war die Begegnung mit den Anubis-Füchsen der berühmte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte, und nun sann Link auf Rache? Navi überlegte noch immer fieberhaft, wie sie ihren Schützling davor bewahren konnte, in dieses dunkle Loch zu fallen, als Link die Tür zum nächsten Raum dermaßen heftig aufstieß, dass sie laut krachend gegen die Wand schlug. Wie Link erwartet hatte, befanden sie sich nun in einem weiteren Thronsaal, der eine exakte Kopie des Saals aus dem Westflügel zu sein schien. Sogar der Eisenprinz auf dem Thron sah nahezu identisch aus. Der einzige Unterschied war, dass dieser seine Axt bereits in den Händen hielt. Der Herr der Zeiten trat nah an den Gegner heran, deutete mit dem Kinn auf die gewaltige Breitaxt des Eisenprinzen und höhnte: „Wie ich sehe, habt ihr in sieben Jahren dazugelernt.“ Navi kroch unter seine Tunika in die Hemdtasche und flehte im Flüsterton: „Bitte, sei vorsichtig! Provozier ihn nicht unnötig.“ Als hätte er Navis Bitte überhaupt nicht gehört, trat Link dem Eisenprinzen gegens Schienbein, was ein metallisches Scheppern zur Folge hatte – und, dass sich der Eisenprinz von seinem Thron erhob. Sein Schwert ziehend rief Link seinem Kontrahenten zu: „Na endlich, du olle Blechbüchse. Ich hab schon gedacht, du stehst gar nicht auf!“ Navi ballte die Hände zu Fäusten und fluchte stumm. Was genau hatte Link vor? Wollte er sich umbringen?! Er musste doch noch wissen, wie gefährlich ein Eisenprinz sein konnte. Ein in Rage geratener Gegner konnte nur noch schlimmer sein. Tatsächlich stürmte der Eisenprinz vom lauten Klonk, klonk seiner Rüstung begleitet auf Link zu und schwang dabei seine Axt wie wild durch die Luft. Der Herr der Zeiten, der mit einem derart kopflosen Angriff gerechnet hatte, sprang jedoch leichtfüßig aus der Gefahrenzone und lachte: „Ist das alles, was du draufhast? Das ist ja beschämend! Vielleicht sollte ich nach Kakariko zurückgehen und mich dort unter den Kindern umsehen. Da finde ich bestimmt einen würdigeren Gegner als dich.“ Vor Wut schäumend wirbelte der Eisenprinz herum und setzte zu einem knochenbrechenden Angriff an, doch Link wich erneut problemlos aus. Tatsächlich schaffte es der junge Recke, stets außerhalb der Reichweite des Prinzen zu bleiben. Anstatt seinerseits anzugreifen, beleidigte er seinen Gegner in einem fort und machte diesen rasend. Navi kaute nervös auf ihren Fingernägeln und fragte sich, welche Strategie Link verfolgte. Was genau wollte er erreichen? Es war inzwischen klar, dass ihr Schützling einen Plan hatte und nicht einfach nur blind seine aufgestauten Aggressionen herauslassen wollte. Doch was war sein Ziel? Nur wenige Minuten nachdem Navi sich diese Frage gestellt hatte, sollte sie eine Antwort darauf bekommen: Der wild um sich schlagende Eisenprinz war inzwischen dermaßen frustriert davon, dass sich der wie ein Floh umherhüpfende Link stets außerhalb seiner Reichweite aufhielt und ihn ununterbrochen verhöhnte, dass er seine mächtige Axt nach dem unverschämten Bengel warf. Als Link sah, dass der Eisenprinz zum Wurf ansetzte, spannte er sich am ganzen Körper an. Dies war der gefährlichste Moment seines Plans. Sobald der Prinz seine Waffe von sich geschleudert hatte, ließ Link sich flach auf den Rücken fallen. Seine geprellte Schulter protestierte mit einem heiß stechenden Schmerz und die scharfe Klinge der Axt zischte nur Millimeter über ihm durch die Luft, doch er hatte es geschafft. Kaum, dass die Waffe des Eisenprinzen über ihn hinweggeflogen war, sprang Link wieder auf die Füße und sprintete auf den Prinzen zu. Dieser war offensichtlich verwirrt und ohne seine Breitaxt völlig hilflos. Link stieß sich aus vollem Lauf vom Boden ab und sprang, nutzte den Helm des Eisenprinzen, um im Sprung erneut an Höhe zu gewinnen und sich um die eigene Achse zu drehen. Noch im Fallen riss er sein Schwert hervor und durchtrennte die Bänder, die den Brustharnisch des Prinzen zusammenhielten. Wie schon der letzte Eisenprinz, fiel auch dieser danach einfach in sich zusammen und endete als ein Haufen Altmetall. Als sie das verdächtige Klirren von Metall auf Stein hörte, kroch Navi aus ihrem Versteck hervor und bestaunte die umherliegenden Rüstungsteile. „Du… Du hast ihn besiegt, ohne auch nur einen Kratzer zu erleiden!“ Die Verblüffung seiner Fee schien Link zu amüsieren. „Ich hatte noch eine Rechnung offen mit seinesgleichen. Außerdem bin ich lernfähig, man soll’s nicht glauben.“ Navi öffnete den Mund, um zu entgegnen, dass sie sehr wohl wusste, dass er sehr schnell lernte, aber Link ließ sie nicht zu Wort kommen: „Nun wollen wir uns aber mal ansehen, was diese Blechbüchse beschützt hat.“ Mit diesen Worten wandte der Herr der Zeiten sich dem Ausgang hinter dem Thron zu und stieg die leichte Anhöhe hinauf. Oben angekommen, fanden die beiden Abenteurer sich – genau wie nach dem Kampf gegen den ersten Eisenprinzen – draußen wieder. Dieses Mal standen sie jedoch auf der anderen Hand der Göttin. Zu Links großer Freude stand auch hier eine große, verlockend aussehende Holztruhe. Mit schnellen Schritten eilte Link zu ihr herüber, schob den Riegel des Schlosses zur Seite und öffnete die Kiste. In ihrem Inneren lag auf einem mit roter Seide bezogenen Kissen der schönste Schild, den Link je gesehen hatte. Die Oberfläche des Schildes war verspiegelt und mit dem Emblem der Gerudo versehen: ein von Sternen umrahmter Sichelmond. Die Rückseite des Schildes sowie die Halterung für den Spiegel waren aus feuerrotem Metall. Allerdings war die Halterung auf der Frontseite genau wie der Spiegel selbst von einer Schicht extrem harten und nahezu unzerstörbarem Glas überzogen, sodass das Metall beinah so wirkte als bestünde es aus geschmolzenen Rubinen. Link blickte von dem Schild zu Navi auf und grinste. „Ich glaube, wir haben den Spiegelschild gefunden.“ Die Fee nickte und fügte an: „Die Twinrova sollten sich ab jetzt lieber vor uns in Acht nehmen!“ Kapitel 53: Spieglein, Spieglein -------------------------------- Freudestrahlend schnallte Link den Hylia-Schild ab, um ihn gegen den Spiegelschild auszutauschen. Unterdessen flaute Navis Euphorie ein wenig ab und sie legte grübelnd die Stirn in Falten. Als der Herr der Zeiten die Miene seiner Begleiterin bemerkte, fragte er in irritiertem Ton: „Was hast du? Wir haben den Spiegelschild – und damit ein Mittel gegen die Twinrova – gefunden. Das ist doch ein Grund zur Freude, oder nicht?“ Noch immer nachdenklich drein schauend gab Navi zu: „Natürlich ist es das.“ „Aber weshalb siehst du dann aus wie sieben Tage Regenwetter?“ „Es ist nur so“, setzte die Fee zu einer Erklärung an, „Raurus Eule hat uns zwar verraten, dass wir den Spiegelschild brauchen, um die Twinrova besiegen zu können, aber sie hat uns nicht gesagt, wie genau uns dieses Relikt dabei helfen soll die alten Hexen in ihre Schranken zu verweisen.“ Während er Navis Worten gelauscht hatte, hatte sich Erkenntnis auf Links Antlitz breit gemacht – nur um kurz darauf einem angestrengt wirkenden Ausdruck zu weichen. Egal wie sehr er sich auch bemühte, der junge Krieger konnte sich nicht an den Wortlaut der Unterhaltung mit dem mystischen Vogel erinnern. Der Schock über Naborus Entführung hatte sich bedrückend scharf in sein Gedächtnis gebrannt, aber die Minuten davor waren wie von einem schwarzen Schleier verhangen. Als ihm dann doch noch eine Kleinigkeit einfiel, empfand Link beinah denselben Triumph wie bei der Entdeckung des Spiegelschilds kurz zuvor. „Hieß es nicht, die Twinrova könnten nur durch ihre eigene Magie besiegt werden?“ Navi zog die Augenbrauen zusammen, als sie sich an diesen Hinweis zu erinnern versuchte und nickte dann zaghaft. „Ja, du hast Recht.“ „Aber wie soll uns der Spiegelschild dann von Nutzen sein?“ Man hörte Links Stimme seine Zweifel hinsichtlich der Worte von Raurus Eule überdeutlich an. Navi betrachtete das uralte Gerudo-Relikt mit neuem Interesse und überlegte laut: „Vielleicht lassen sich damit Zaubersprüche auf den Anwender zurückwerfen?“ Der Herr der Zeiten zog ein skeptisches Gesicht und zuckte dann mit den Schultern. „Solange wir die Hexen nicht gefunden haben, spielt es eh noch keine Rolle. Ich schlage vor, ich suche nach ihrem Versteck und du zerbrichst dir unterdessen dein hübsches Köpfchen über unsere Kampfstrategie.“ Für einen Moment war Navi verlegen, dass Link sie hübsch genannt hatte. Doch anstatt ein Wort darüber zu verlieren, fragte sie mit geröteten Wangen: „Ich dachte, dein Augenmerk läge vor allem darauf, so schnell wie möglich Naboru zu finden?“ Bei diesen Worten verdüsterte sich Links Miene schlagartig und er presste grimmig die Lippen aufeinander. „Stimmt. Aber so langsam beschleicht mich mehr und mehr das Gefühl, dass wir Naboru genau in dem Moment finden werden, in dem wir das Versteck der Twinrova entdecken. Außerdem befürchte ich, dass wir die Hexen so oder so töten müssen, bevor Naboru ihrer Bestimmung folgen kann – nach dem, was Dinah und die anderen erzählt haben, bin ich mir sicher, dass Naboru unter einem Bann oder Zauber steht, der ihren Willen steuert. Denkst du nicht?“ „Ich fürchte, da könntest du Recht haben.“ Navi seufzte tief und gestand sich stumm ein, dass ihre insgeheime Hoffnung, sie könnten die sechste Weise erwecken, ohne sich den Twinrova stellen zu müssen, von Anfang an naiv gewesen war. Da ihr Gespräch nun beendet zu sein schien, drehte Link sich auf den Hacken seiner Stiefel um die eigene Achse und strebte zurück in den Tempel. Der junge Mann brannte darauf, seinen frisch erhaltenen Ausrüstungsgegenstand auszuprobieren – und er wusste auch schon genau, wo. Durch den vom Kampf mit dem Eisenprinz gezeichneten Thronsaal gelangten der Herr der Zeiten und seine Fee zurück in den Raum mit dem Sonnenschalter, den Link zuvor erfolglos zu aktivieren versucht hatte. Der Armos-Ritter, der den beiden Abenteurern unfreiwillig bei der Entriegelung des Weges zum Thronsaal geholfen hatte, hatte sich glücklicherweise auf seinen angestammten Platz zurückgezogen, wo er nun wieder so stumm und unbewegt stand wie eine echte Statue. Trotzdem trat Link so leicht auf wie möglich, um keine unnötige Gefahr einzugehen. Kaum, dass er den Lichtkegel auf der anderen Seite des Raums erreicht hatte, riss sich der Herr der Zeiten den Spiegelschild vom Rücken und richtete ihn auf den an der gegenüberliegenden Wand angebrachten Sonnenschalter. Navi drückte reflexartig die Daumen, obwohl sie keinen Zweifel daran hatte, dass Links Vorhaben gelingen würde. Und tatsächlich! Nach nur wenigen Sekunden erstrahlte der Kristallkern der aufgemalten Sonne wie von innen beleuchtet und ein leises Klicken verriet, dass sich die verschlossene Tür neben dem Schalter jeden Moment öffnen würde. Doch sobald die beiden Abenteurer über die Schwelle traten, machte sich Ernüchterung breit: der so gut geschützte Raum war winzig und bis auf eine kleine Holztruhe vollkommen leer. „Das… das ist nicht, was ich erwartet habe…“ Link schritt, sich selbst um die eigene Achse drehend, tiefer in den Raum hinein, aber die Enttäuschung blieb. Nirgendwo war ein versteckter Durchgang oder dergleichen zu entdecken. Navi, die genauso konsterniert wirkte wie ihr Schützling, stimmte zu: „Man sollte meinen, in einem Raum, den man offenbar nur dann betreten können soll, wenn man im Besitz eines der bedeutendsten Relikte der Gerudo ist, sei etwas Wichtiges versteckt.“ Sich an ein letztes bisschen Hoffnung klammernd deutete Link mit dem Kinn auf die unscheinbare Holzkiste. „Schauen wir mal nach, was sich dort drin verbirgt. Vielleicht ist der Inhalt ja wertvoller als das Äußere vermuten lässt.“ Geschmeidig wie eine Katze ging der Kämpfer vor der kleinen Truhe in die Knie, wobei das lange Loch, das vor geraumer Zeit ein Kakteenmonster bei einem beinah tödlichen Angriff in Links Kettenanzog gerissen hatte, weit auseinander klaffte. Navi erschauerte bei diesem Anblick, weil es ihr zu deutlich vor Augen führte wie nah ihr Freund den ewigen Jagdgründen gewesen war. Der Truhendeckel knarrte leise, als Link ihn behutsam anhob und damit den Blick auf das Innere der Kiste freigab. Auf einem mit rostbrauner Seide bezogenen Kissen lag dort ein filigraner, mit vielen Schnörkeln verzierter Schlüssel. Der Herr der Zeiten nahm seinen Fund behutsam aus der Schatztruhe und drehte ihn langsam zwischen den Fingern. Einen so hübschen, wenn auch nur aus einfachem Eisen bestehenden Schlüssel hatte Link in noch keinem Tempel gefunden. Das musste doch etwas bedeuten… oder nicht? Mit einem Lächeln hielt Link den Schlüssel seiner Fee unter die Nase und formulierte seine wiederaufkeimende Hoffnung: „Der Weg hierher scheint nicht völlig umsonst gewesen zu sein. Oder was meinst du? Ich finde, der Schlüssel sieht aus als wäre er durchaus wichtig!“ Navi, die nicht vorschnell wieder euphorisch werden wollte, nickte zaghaft und wandte ein: „Damit könntest du durchaus Recht haben, aber wir haben keine Ahnung, wo sich das dazugehörige Schloss befindet.“ Für einen kurzen Moment versetzen diese Worte Links Laune einen Dämpfer, doch dann erinnerte sich der Recke an etwas und er platzte begeistert hervor: „Wir wissen zwar nicht genau, wo sich das Schloss zu diesem Schlüssel befindet, aber wir haben zumindest einen Ansatzpunkt.“ Als er die irritierte Miene seiner Fee sah, führte Link aus: „In dem Raum, wo wir vorhin die Anubis-Füchse getroffen haben, befand sich noch eine weitere Tür. Wir sollten dort suchen.“ Bei dem Gedanken an die drei verfluchten Füchse stahl sich Trauer auf das Antlitz des Kriegers. „Du hast Recht!“ Im Gegensatz zu Links Gesicht strahlte Navis vor Begeisterung und die Fee klatschte tatkräftig in die Hände. „Los! Lass uns nachsehen, was sich hinter Tür Nummer zwei verbirgt!“ Doch egal wie sehr Link am Knauf der besagten Tür drehte, rüttelte und zog, sie ließ sich nicht öffnen. Irritiert und entmutigt ließ der Herr der Zeiten die Hände sinken und warf seiner Begleiterin einen besorgten Seitenblick zu. „Ich verstehe das nicht. Wieso lässt sie sich nicht öffnen?“ Navi zuckte mit den Schultern und antwortete in einem Ton, dem man deutlich anhörte, dass ihr diese Möglichkeit überhaupt nicht gefallen wollte: „Vielleicht ist sie nicht echt.“ „Du meinst, sie könnte eine Illusion sein?“ Link klang geschockt. Abgesehen von dieser Tür hatte er absolut keine Idee mehr, wo es tiefer in den Tempel hinein gehen könnte. Er hatte keine Lust und womöglich auch keine Zeit, jeden einzelnen Raum noch einmal gründlich durchsuchen zu müssen! Entsprechend heftig wandte er gegen Navis Befürchtung ein: „Aber ich kann ihren Knauf berühren und an ihm drehen!“ „Das bedeutet gar nichts“, schmetterte die Feenfrau das Gegenargument ihres Schützlings ab. „Das könnte genauso gut ein hervorstehendes Stück Felswand sein, das durch einen Zauberglanz aussieht und sich anfühlt wie ein Türknopf. Oder…“ „Schon gut! Schon gut!“, unterbrach Link ihren Wortschwall, bevor sie richtig in Fahrt kommen konnte. „Ich hab’s ja schon verstanden.“ Mit diesen Worten holte der Krieger sein Auge der Wahrheit hervor und hielt es sich vors Gesicht. Im ersten Moment sah Link nichts Ungewöhnliches – die Tür war noch immer da und sah genauso aus wie zuvor. Doch dann bemerkte der Herr der Zeiten ein verräterisches Funkeln, das ihn in lautes Lachen ausbrechen ließ. Angesichts dieser Reaktion zog Navi verwirrt die Augenbrauen hoch und fragte: „Was hast du? Ist an dieser Wand statt einer Tür eigentlich ein Gemälde von Ganondorf wie er als Kleinkind mit nacktem Hintern durch die Stube der Twinrova krabbelt?“ Bei dieser Vorstellung verschluckte Link sich augenblicklich, was ihn einen grunzenden Laut ausstoßen ließ. Navi wartete ungeduldig darauf, dass ihr Freund sich wieder fing und atmete ein wenig erleichtert auf, als Link mit noch immer heftig vibrierender Stimme erklärte: „Das wäre sicherlich sehenswert, aber eigentlich musste ich lachen, weil die Lösung dieses Rätsels dermaßen banal ist.“ „Wieso?“ Navi machte große Augen und betrachtete die Tür vor sich mit neuem Interesse. Link verstaute unterdessen das Auge der Wahrheit wieder in seinem Wunderbeutel und holte den erst vor wenigen Minuten gefundenen Schlüssel hervor, um ihn seiner Fee vors Gesicht zu halten. „Deswegen.“ Als Navi ihn daraufhin verständnislos ansah, deutete Link auf die Stelle im Türblatt, die er beim Gebrauch seiner magischen Linse hatte aufleuchten sehen. „Es ist so klein, dass es leicht zu übersehen ist, aber da ist ein Schlüsselloch.“ Seiner Begleiterin klappte vor Überraschung der Mund auf und die Feenfrau schüttelte ungläubig mit dem Kopf, was Link zum Schmunzeln brachte. „Manchmal sind wir ganz schön dumm, was?“ „Darauf kannst du Gift nehmen!“ Navi war froh, dass ihr Schützling die Situation offenbar mit Humor nahm. Sie hatte bereits befürchtet, er verfiele womöglich wieder in Selbstvorwürfe, weil sie kostbare Zeit verschwendet hatten. Doch anscheinend hatte der Fund des Spiegelschilds neue Hoffnung und Mut in Link keimen lassen, was Navi übermäßig euphorisch klingen ließ, als sie forderte: „Jetzt mach schon endlich die verdammte Tür auf! Ich will wissen, was sich dahinter verbirgt!“ Der nächste Raum, den die beiden Abenteurer betraten, war schmal, sehr hoch und von einem schleifenden Geräusch erfüllt. Neugierig legten Krieger und Fee die Köpfe in den Nacken, um nach der Geräuschquelle zu suchen und staunten nicht schlecht. Die Wand rechts von ihnen war ab Kopfhöhe aus etwa ein Meter breiten, sich hin und her bewegenden Gesteinsplatten zusammengesetzt. Navi deutete auf eine von ihnen und sagte: „Schau mal, Link. Es sieht so aus als wäre ein Teil jeden Streifens so gemacht, dass du daran hochklettern könntest.“ Der Herr der Zeiten betrachtete den ihm gezeigten Abschnitt und nickte. Tatsächlich standen bei diesem Part genügend große Brocken aus dem Fels hervor, dass er sich daran würde hochziehen können. Doch was sollte er tun, wenn er am Ende dieser Platte angekommen wäre? Konzentriert betrachtete der junge Mann die Bewegungen der Wandteile. Glücklicherweise waren die Kletter-Abschnitte so platziert, dass sie einander immer wieder passierten. Es wäre also möglich, die gesamte Wand empor zu klettern. Aber an einigen Stellen würde Link eine Weile anhalten müssen, um darauf zu warten, dass er den nächsten Abschnitt erreichen konnte. Sich unbewegt an einer Wand festhalten zu müssen, hatte Link von jeher als deutlich anstrengender empfunden als das Klettern selbst. Mit Sorge dachte der Kämpfer an seine verletzte Schulter, die er sich bei einem Angriff eines verzauberten Kruges geprellt hatte. Er hatte keine Ahnung, ob er die Kraft für diesen Aufstieg würde aufbringen können. Doch hatte er eine Wahl? Nein… Er musste es versuchen und auf das Beste hoffen! Hart schluckend griff Link nach dem ersten hervorstehenden Stein und atmete noch einmal tief durch, bevor er sich an den Aufstieg machte. Die sich bewegenden Gesteinsplatten vibrierten leicht, was das Festhalten zusätzlich erschwerte. Schon bald breitete sich ein dumpfer, lähmender Schmerz von der Schulter ausgehend Links Schwertarm aus. Dicke Schweißtropfen rollten über das Gesicht des Recken und brannten in seinen Augen, während Link verzweifelt versuchte, sich mit purer Willenskraft an der Wand zu halten. Dabei hatte er erst die Hälfte des Aufstiegs geschafft… Navi sprach ihm unterdessen unaufhörlich Mut zu: „Du machst das super! Nicht mehr weit und dann hast du es geschafft!“ Unterdessen streichelte sie unaufhörlich über Links Hals, obwohl sie nicht sagen konnte, ob sie damit ihren Schützling oder sich selbst beruhigen wollte. Je näher Link dem Ende der Kletterwand kam, desto zuversichtlicher wurden die beiden Abenteurer. Doch einen knappen Meter bevor Link es endlich geschafft hätte, passierte, wovor Krieger und Fee sich gefürchtet hatten: Links linker Arm war inzwischen vollkommen taub und verweigerte seinen Dienst ausgerechnet in dem Moment, in dem der junge Mann mit der anderen Hand nach dem nächsten hervorstehenden Stein griff. Der Herr der Zeiten verlor augenblicklich das Gleichgewicht und stürzte hintenüber. Navi krallte ihre winzigen Hände in den Stoff seiner Tunika und kreischte. Für einen beschämend langen Moment ging ihr nur der Gedanke durch den Kopf, dass so etwas genau die Situation war, vor der ihr es seit der Verletzung ihres Flügels gegraut hatte: Link stürzte ins Verderben und sie konnte sich nicht fliegender Weise in Sicherheit bringen! Link hingegen reagierte überraschend schnell und überlegt: Nach einer kurzen Schrecksekunde riss er so geschwind wie möglich seinen Enterhaken aus dem Wunderbeutel und zielte grob auf einen der Kletter-Abschnitte. Die Kette des Enterhakens sirrte mit lautem Rasseln durch die Luft und bohrte ihre Spitze knapp unterhalb des Wandendes in den Stein. Sofort betätigte Link den Aufrollmechanismus und klammerte sich mit beiden Händen an den Griff seines Utensils. Der Ruck, der durch den Körper des Recken ging, als er plötzlich aus dem freien Fall heraus in Richtung Decke gerissen wurde, war schmerzhaft und presste Link die Luft aus den Lungen. Entsprechend zitterten dem jungen Mann die Knie, als er sich die letzten Zentimeter zu dem über sich liegenden Podest empor zog. Doch zum Durchatmen blieb dem Herrn der Zeiten keine Gelegenheit: Kaum, dass er sich hochgezogen hatte, wurde er von zwei Strahlenzyklopen beschossen, deren Laserstrahlen sich mit einem Unheil verkündenden Zischen trafen. „Pass auf!“ Die Panik machte Navis ansonsten melodische Stimme schrill und noch höher als sonst. Links Körper reagierte beinah automatisch auf den Warnruf seiner Fee und der Kämpfer sprang mit einem Hechtsprung über die Laserstrahlen der stählernen Zyklopen hinweg, rollte sich ab und sprintete zur gegenüberliegenden Tür. Er konnte nur hoffen, dass er nicht schon wieder vom Regen in die Traufe kam… Glücklicherweise war der Flur, in den die beiden Abenteurer Hals über Kopf stürzten, vollkommen leer und ruhig. In einer letzten Aufbietung seiner Kräfte trat Link die Tür zwischen sich und den Strahlenzyklopen ins Schloss und brach dann flach auf dem Rücken liegend zusammen. Navi ließ sich von seiner Schulter auf den Boden rutschen und kuschelte sich in die Halsbeuge ihres Schützlings. Obwohl sie selbst körperlich nichts geleistet hatte, fühlte sie sich vollkommen ermattet, so als hätte die Panik alle Energie aus ihrem Körper gesaugt. Eine Weile lagen die Beiden einfach nur da, atmeten schnaufend und warteten darauf, dass sich ihre Herzschläge wieder beruhigten. Es war Link, der nach langen Minuten das Schweigen brach: „Ich hab gedacht, dieses Mal wäre es wirklich aus.“ „Dafür hast du erstaunlich schnell reagiert.“ Navi hatte den säuerlichen Geschmack der Scham auf der Zunge, als sie sich daran erinnerte, dass sie nur an ihr eigenes Ende und ihre Angst davor hatte denken können, nachdem Link das Gleichgewicht verloren hatte und gefallen war. Dieser seufzte nun und zuckte leicht mit den Achseln, was Navi beinah umschubste. „Ich wusste nicht, ob es funktionieren würde. Ich glaube immer noch, dass der Haken an einem glatten Teil der Wand abgeprallt wäre. Es war nur Glück, dass wir nicht in den Tod gestürzt sind.“ Die Traurigkeit in Links Stimme zog Navi das Herz schmerzhaft zusammen. Gab er sich etwa die Schuld daran, dass er den Halt verloren hatte? Haderte er mal wieder damit, dass seine Kräfte begrenzt waren und es bei dem, was ihm abverlangt wurde, nur natürlich war, dass er irgendwann am Ende war? Um ihren Schützling wieder etwas aufzubauen, schluckte Navi ihren erneut aufflammenden Zorn auf die Göttinnen hinunter und beeilte sich klarzustellen: „Glück und deine schnelle Reaktion. Wenn du nichts unternommen hättest, wären wir auf jeden Fall in den Tod gestürzt.“ Ein zaghaftes Lächeln huschte über Links Lippen und eine leichte Röte machte sich auf seinen Wangen breit, während er leise Dankesworte hauchte. Dann schwang der Herr der Zeiten sich wieder auf die Füße und sah sich aufmerksam um. Vor ihnen führte eine Treppe zu einem höhergelegenen Teil des Flures, wo sich eine weitere Tür befand. Allmählich kam Link sich vor wie in einem Irrgarten. In keinem anderen Tempel hatte es so viele Gänge, Räume und Türen gegeben. Bald musste er jedoch alles der antiken Gebetsstätte gesehen haben, oder nicht? Der Kämpfer beantwortete seine eigene, unausgesprochene Frage mit einem Schulterzucken und blickte zu seiner noch immer auf dem Boden sitzenden Fee. „Wie fühlst du dich? Bist du bereit, weiterzumachen?“ Navi seufzte tief und nickte dann. Die Energie, die ihr Schützling an den Tag legte, empfand die Feenfrau als beinah beängstigend. Woher nahm er nach einer so kurzen Rast schon wieder die Kraft weiterzumachen? Sie selbst fühlte sich noch immer wie erschlagen. Während sie auf Links dargebotene Hand kletterte, um sich auf seine Schulter setzen zu lassen, wurde ihr jedoch bewusst, dass alles, was den jungen Mann bei der Stange hielt, vermutlich die Aussicht darauf war, dass bald alles vorbei sein würde. Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck ballte die Feenfrau die Hände zu Fäusten und drückte insgeheim die Daumen dafür, dass Links Hoffnung nicht enttäuscht werden würde. Doch wenn sie ehrlich war, konnte sie nicht absehen wie lange ihr gemeinsames Abenteuer noch dauern würde. Nicht einmal Shiek schien eine Ahnung zu haben, wo sich der siebte und letzte Weise aufhielt. Link bemerkte nichts von den düsteren Gedanken seiner Fee und machte sich, nachdem seine Begleiterin auf seiner Schulter Platz genommen hatte, unbeschwert auf den Weg die Treppe hinauf. Durch die Tür am Ende des Flurs gelangten die beiden Abenteurer in einen großen Raum, dessen linke Seite mit Metallstäben gesäumt war, durch die man in die angrenzende Höhle blicken konnte. Auf der anderen Seite des Raums ging es etwa einen Meter in die Tiefe zu einem runden Podest, das mit dicken Ketten in der Decke verankert war. Während Links Aufmerksamkeit vor allem den möglicherweise verzauberten Krügen im Raum galt, sah Navi sich durch die Eisenstäbe hindurch in der Höhle nebenan um. Obwohl weit und breit kein Sonnenlicht zu sehen war, stand dort eine der Kobrastatuen, deren in den Nackenschild eingelassener Spiegel im Fackelschein leuchtete. „Hey, Navi, sieh dir das an!“ Nachdem Link sich vergewissert hatte, dass die in der Nähe stehenden Steinkrüge ungefährlich waren, hatte er sich das mit Ketten befestigte Podest in Augenschein genommen und deutete nun auf die gegenüberliegende Wand. Dort befand sich ein weiterer der inzwischen gut vertrauten Sonnenschalter, dessen goldene Farbe allmählich abblätterte. „Sieht so aus als bräuchten wir hier ein wenig Sonnenlicht. Hast du eine Ahnung, wo wir das herbekommen?“ Suchend sah sich der Recke im Raum um, bis seine Fee auf die angrenzende Höhle deutete und sagte: „Da hinten steht einer der Schlangenspiegel, aber leider bin ich mir nicht sicher, ob uns das weiterhilft.“ Leichtfüßig trabte der Kämpfer zu den Eisenstäben herüber und warf einen Blick hindurch. Im ersten Moment konnte er nichts entdecken, das die beiden Abenteurer vorangebracht hätte, doch dann hellte sich seine Miene sichtlich auf. Mit ausgestrecktem Arm zeigte er auf einen Teil der Höhlenwand und rief: „Da scheint mal ein Durchgang gewesen zu sein. Vielleicht kann ich ihn mit einer Bombe wieder aufsprengen.“ „Gute Idee“, stimmte Navi zu, wandte dann jedoch ein: „Aber wie willst du dorthin kommen?“ „Hoffentlich durch diese Tür dort.“ Mit dem Kinn nickte der Herr der Zeiten nach rechts, wo sich eine unauffällige Holztür befand, die seiner Begleiterin bisher entgangen war. „Oh…“ Navi blinzelte irritiert ob er Tatsache, dass sie etwas dermaßen Offensichtliches nicht bemerkt hatte, was Link ein leises Lachen entlockte. Tatsächlich führte die Tür in eine Höhle, jedoch offenbar nicht in jene, die die beiden Abenteurer zuvor gesehen hatten. Dennoch hoben sich Links Mundwinkel zu einem breiten Grinsen, als er das Loch in der Decke bemerkte, durch das silbernes Mondlicht auf einen weiteren Schlangenspiegel fiel. Navi legte den Kopf in den Nacken und staunte: „Ich hab gar nicht mitbekommen, dass es schon dermaßen spät ist! So hoch wie der Mond steht, muss es beinah Mitternacht sein!“ Link schüttelte mit dem Kopf und verdrängte das Gefühl bleierner Müdigkeit, das sich in seinen Gliedern breit machen wollte. „Ich glaube, das täuscht. Als wir den Spiegelschild gefunden haben, ging die Sonne gerade erst unter – und so lange haben wir bis hierher auch wieder nicht gebraucht.“ Kaum, dass er diese Worte ausgesprochen hatte, meldete sich eine leise, stichelnde Stimme in seinem Hinterkopf. War er sich wirklich sicher, dass seit Entdecken des Spiegelschilds nicht doch mehr Zeit vergangen war? Wie lange hatten sie nach Erklimmen der Kletterwand gerastet? Und war er dabei nicht eingenickt, was ihn jedes Zeitgefühl hatte verlieren lassen? Der Herr der Zeiten hatte jedoch keine Zeit, sich mit seinen Zweifeln auseinanderzusetzen. Denn just in diesem Moment traten aus den Schatten am anderen Ende der Höhle zwei Schwert schwingende Echsenkrieger hervor. Bei diesem Anblick hielt Navi den Atem an und krallte sich in Links Tunika fest. Wenn ihr Schützling in Kämpfe verwickelt wurde, hasste sie ihre Flügelverletzung ganz besonders. Nicht nur, dass sie sich selbst nicht in Sicherheit bringen konnte – sie konnte auch nicht ihren Schützling unterstützen indem sie beispielsweise seine Gegner durch Herumgeschwirre um seinen Kopf irritierte. Link zog unterdessen Schwert und Schild und beobachtete die herannahenden Gegner genau. Mit Schrecken erinnerte er sich an die Begegnung, die er als Kind mit einem dieser Wesen gehabt hatte. Echsenkrieger waren schnell und wendig, hatten eine große Reichweite und verfügten über erstaunliche Kräfte. „Navi, verkriech dich in meiner Hemdtasche.“ Der Recke bemühte sich, ruhig und leise zu sprechen, um die Echsenwesen vor sich nicht zu provozieren – doch ohne Erfolg. Wie auf ein geheimes Stichwort hin sprang einer der Reptilienkrieger nach vorn und ließ sein Schwert auf Link herabsausen. Dieser konnte mit einer flinken Drehung seines Oberkörpers noch knapp ausweichen, aber dabei wurde seine Fee von seiner Schulter geschleudert. Mit einem dumpfen Aufprall landete Navi auf dem sandigen Boden, überschlug sich ein paar Mal und blieb dann knapp vor den Füßen des zweiten Echsenkriegers liegen. Bei dem Anblick der krallenbewehrten, schuppigen Zehen kreischte die Feenfrau laut auf, was das Reptil vor ihr überrascht zusammenzucken ließ. Panisch rappelte Navi sich auf und stürzte in Richtung der Schlangenstatue davon. Der Echsenkrieger hatte sich jedoch inzwischen von seinem Schreck erholt und hob den Fuß, um Navi wie ein lästiges Insekt zu zertreten. Der Boden vibrierte, als der Echsenfuß nur Millimeter neben Navi aufstampfte. Die flüchtende Feenfrau stolperte und stürzte der Länge nach in den Sand, wo sie sich schnell auf den Rücken rollte und verzweifelt rückwärts kroch. Wenn sie nur Link auf sich aufmerksam machen könnte… Doch dieser war in ein intensives Duell mit dem zweiten Echsenkrieger verwickelt und Navi war sich nicht sicher, ob ihre Stimme ihr noch gehorchte. Das Maul des mordlustigen Reptils schien sich zu einem gehässigen Grinsen zu verziehen, als es erneut den Fuß hob. Dieses Mal würde es sie erwischen, da war Navi sich sicher. Wie gelähmt blieb die Fee am Fuß der Schlangenstatue hocken und starrte aus weit aufgerissenen Augen auf die Sohle des erhobenen Echsenfuchses. Seltsam unbeteiligt wunderte sich ein Teil von ihr darüber, dass sie völlig stumm blieb. Sie war sich immer sicher gewesen, in einer solchen Situation würde sie schreien wie am Spieß, aber stattdessen schallte eine andere Stimme durch die Höhle: „NAVI!“ Mit einem gezielten Tritt gegen dessen Brust stieß Link den Echsenkrieger, mit dem er bislang gekämpft hatte, von sich, sprintete zu dem anderen Reptil herüber und warf sich im letzten Moment mit einem Hechtsprung gegen Navis Angreifer. Da dieser nur auf einem Bein gestanden hatte, wurde der Echsenkrieger von der Wucht des Aufpralls sofort umgerissen und landete mit einem Fauchen auf dem Rücken. Link zog sich so schnell wie möglich hoch und drückte dem Reptil mit den Knien die Arme auf den Boden. Der Reptilienkämpfer stieß ein weiteres bedrohlich klingendes Fauchen aus und schnappte nach dem Herrn der Zeiten, der zu Navis großer Überraschung mit der bloßen Faust zuschlug. Durch die Macht der Krafthandschuhe wurde der Kopf des Echsenkriegers heftig herumgerissen und einige seiner Zähne brachen aus seinem Kiefer. „Ich werde dich lehren, was mit jedem passiert, der versucht, Navi auch nur ein Haar zu krümmen!“ Der Zorn in Links Stimme ließ seine Fee zusammenzucken. Zwar war es sehr schmeichelhaft, dass ihr Schützling um ihre Sicherheit besorgt war, aber die animalische Brutalität, die Link nun an den Tag legte, ließ sie ihren Freund nicht wiedererkennen. Doch bevor der Herr der Zeiten seinen Aggressionen freien Lauf lassen konnte, stürzte von hinten der zweite Echsenkrieger heran. Im ersten Moment dachte Navi, Link sei so blind vor Hass, dass er unaufmerksam geworden war. Aber noch bevor sie den Mund aufmachen konnte, um ihren Schützling zu warnen, stieß dieser sich mit den Beinen ab und sprang mit einem eindrucksvollen Handstandüberschlag auf die Füße. Das Schwert des Echsenkriegers, das bereits auf ihn herab gesaust war, schnitt mit einem leisen Zischen durch die Luft und bohrte sich genau dort, wo Link nur Sekunden zuvor noch gekauert hatte, dem zweiten Reptilienkämpfer in den Bauch. Die Echse stieß ein markerschütterndes Kreischen aus, das Navi das Blut in den Adern gefrieren ließ. Link jedoch wirbelte nur herum und hieb seinerseits das Master-Schwert dem stehenden Reptil in die Halsbeuge. Das Licht in den Pupillen des Angreifers erlosch augenblicklich und er stürzte zu Boden wie ein gefällter Baum. Das schmatzende Geräusch, als der Herr der Zeiten sein Schwert aus dem Körper des Echsenkriegers zog, drehte Navi den Magen um, aber noch schlimmer war der eigentümliche Gesichtsausdruck mit dem sich Link nun wieder dem am Boden liegenden Reptilienkämpfer zuwandte. Das Schwert seines Kumpans steckte noch immer im Bauch der Echse und schien ihr höllische Qualen zu bereiten. Einige Herzschläge lang stand Link einfach nur da und blickte zu dem besiegten Gegner herab als würde er sich an dessen Leiden laben. Doch dann siegte die mitfühlende Natur des jungen Mannes und er packte mit beiden Händen das Heft des Echsenschwertes. Kaum, dass die Klinge ihn nicht mehr an den Boden heftete, rollte der Reptilienkrieger auf den Bauch, stützte sich auf alle Viere und sah aus kalt wirkenden Augen zu Link auf. Dieser erwiderte stumm den Blick und ließ das Schwert neben sich zu Boden fallen, um zu signalisieren, dass er nicht kämpfen wollte. Als er dies sah, stieß der Echsenkrieger erneut ein Fauchen aus, wirbelte herum und schnappte nach Navi, die nun doch ihre Stimme wiederfand und einen schrillen Schrei ausstieß. Die Feenfrau kniff die Augen fest zusammen und wartete auf den Schmerz, aber alles, was sie wahrnahm, war das Geräusch eines auf Sand fallenden Gegenstands und dann Stille. Von Neugierde getrieben linste Navi vorsichtig durch halb geöffnete Lider und zuckte heftig zusammen, als sie direkt vor sich das Maul des Echsenkriegers entdeckte. „Es ist vorbei, Navi. Du kannst die Augen wieder aufmachen.“ Link klang müde und resigniert, was Navis Herz krampfen ließ. Sie hatte sich doch so viel Mühe gegeben, ihren Schützling aufzuheitern. Sollte das alles umsonst gewesen sein? Etwas enttäuscht kletterte die Fee auf die ihr dargebotene Hand und ließ sich auf ihren Stammplatz auf Links Schulter setzen. Dieser starrte noch immer auf den – wie Navi jetzt sehen konnte – enthaupteten Echsenkrieger und seufzte: „Ich wollte ihm eine Chance geben. Wenn er sich einfach zurückgezogen und uns in Ruhe gelassen hätte, hätte ich ihn nicht töten müssen, aber er hat mir keine Wahl gelassen.“ „Es ist nicht deine Schuld.“ Am liebsten hätte Navi ihren Schützling geschüttelt, bis all die negativen Gedanken aus seinem Kopf gepurzelt wären. Zu ihrer Überraschung nickte Link jedoch anstatt zu widersprechen und antwortete mit Grimm in der Stimme: „Ich weiß. Trotzdem sind es meine Hände an denen sein Blut klebt. Ich habe inzwischen so viele Wesen getötet, dass ich sie nicht mehr zählen kann – und ich bin es leid! Ich bin dieses ewige Kämpfen und Töten dermaßen leid!“ „Ich weiß…“ Navi brachte angesichts von Links Gefühlsausbruch nur ein leises Flüstern zustande. Sie konnte ihn so gut verstehen! Wie oft hatte sie selbst bereits sein Schicksal und die Göttinnen, die ihm eben jenes aufgebürdet hatten, verflucht? Ihr war bewusst, dass sie seine Beschwerden beiseite wischen und ihn zum Weitermachen motivieren sollte. Das war eine der Aufgaben, die der Deku-Baum ihr seinerzeit aufgetragen hatte: wann immer der Auserwählte verzweifelte, sollte sie ihn weiter vorantreiben. Doch sie konnte nicht… Inzwischen war Link in erster Linie zu ihrem Freund geworden. Erst danach sah sie in ihm den Herrn der Zeiten, der das Schicksal Hyrules auf seinen Schultern trug. Wenn er alles hinschmeißen und im Interesse seiner eigenen seelischen Gesundheit das Kämpfen an den Nagel hängen wollte, würde sie ihn nicht aufhalten. Doch statt aufzugeben, wischte Link sich nur mit der flachen Hand über die Augenwinkel, um ein paar Tränen zu vertreiben und fügte mit noch immer grollender Stimme an: „Es wird allerhöchste Zeit, dass ich Ganondorf endlich aufhalte!“ Mit diesen Worten machte der Herr der Zeiten sich mit neuem Feuereifer daran, die Höhle zu untersuchen. Der verbissen wirkende Zug um seine hart aufeinander gepressten Lippen machte Navi Sorgen und sie dachte mit Grauen an seinen beinah Kontrollverlust kurz zuvor. Auch wenn sie sich nicht sicher sein konnte, war sie fest davon überzeugt, dass Link den Echsenkrieger, der sie hatte zertreten wollen, zu Brei geschlagen hätte, wäre der Angriff seines Artgenossen nicht dazwischen gekommen. Unter der Oberfläche brodelte sehr viel mehr Frustration und Zorn in Link als Navi es für möglich gehalten hatte. Und es machte ihr Angst… Als hätte er ihre Gedanken gelesen, ließ Link plötzlich die Hände, mit denen er die Höhlenwand abgetastet hatte, sinken und sagte: „Das vorhin tut mir leid.“ Der junge Mann sprach so leise, dass seine Fee Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen, obwohl sie so nah an seinem Mund saß. „Ich… Ich wollte nicht so brutal sein. Es war nur… Ich…“ Er schien sich innerlich einen Ruck zu geben und dann purzelten seine Worte wie ein Wasserfall aus seinem Mund: „Ich hatte solche Angst, dich zu verlieren. Dabei bist du doch irgendwie das Letzte, was mir bleibt. Ich hatte nie viele Freunde. Nur Salia, Darunia, vielleicht Ruto und dich. Aber bis auf dich sind alle tot, weil ihre Seelen ins Heilige Reich zurückkehren mussten. Ganondorf und der Kampf gegen ihn haben mir alles genommen. Bis auf dich. Und ich… ich ertrage den Gedanken nicht, dich auch noch zu verlieren.“ Navi schluckte an einem dicken Kloß in ihrem Hals. Nie im Leben hatte sie geglaubt, dass Link so über sie denken würde, dass er ihrer Freundschaft solch große Bedeutung beimaß. Um seine Worte nicht überzubewerten, fragte sie ungewollt schroff „Was ist denn mit Shiek?“ Link stieß einen langgezogenen Seufzer aus und fuhr mit dem Abtasten der Wand fort. „Shiek ist…“ Der Recke schluckte und setzte dann neu an: „Ich mag Shiek, aber ich würde ihn nicht als Freund bezeichnen – jedenfalls nicht so richtig. Er ist immer da, wenn wir ihn brauchen und manchmal hab ich das Gefühl, dass ihm wirklich etwas an mir gelegen ist – an mir als Person, nicht als Herr der Zeiten – aber dann ist er wieder so distanziert und verschlossen…“ Link schüttelte mit dem Kopf und brach ab. „Und was ist mit Prinzessin Zelda?“, versuchte Navi erneut, ihrem Schützling vor Augen zu führen, dass er nicht so allein war wie er glaubte. „Hm…“ Für einen Moment schien Link seine Worte sorgsam abzuwägen. „Durch die Seelen der Lichtwesen, die in uns leben, werden die Prinzessin und ich uns wohl immer verbunden fühlen. Irgendwie fühlt es sich sogar so an als wäre ich in sie verliebt, aber seit ich Shiek getroffen habe…“ Der junge Mann lief von den Ohrmuscheln ausgehend puterrot an und beeilte sich fortzufahren: „Wie auch immer… Es ist egal, was ich für sie empfinde oder sie für mich. Sie ist die Thronerbin. Sobald Ganondorf besiegt ist, wird sie die neue Königin von Hyrule. Ich hingegen bin nur ein einfacher Bauerntrampel. Wir werden nie zusammen sein können. Vermutlich können wir nicht einmal befreundet sein…“ „Jetzt sieh doch nicht alles so verdammt negativ!“ Navi stemmte die Hände in die Hüften und sah ihren Schützling streng an. „Du bist der Herr der Zeiten. Du wirst derjenige sein, der Ganondorf besiegen wird. Du wirst ein Held sein! Dass sie dir einen Adelstitel verleihen, wird das mindeste sein, was sie tun werden, um dir zu danken!“ „Das ist es!“ „Ja?“ Für einen Moment war Navi irritiert, dass sie Links düstere Gedanken so leicht hatte vertreiben können, doch dann bemerkte sie, dass er gar nicht ihr Gespräch meinte. Mit den Fingern fuhr der Recke eine Furche in der Wand entlang und erklärte: „Hier ist der verschüttete Durchgang, den wir vorhin schon von der anderen Seite gesehen haben!“ „Na dann: Feuer frei!“ So schnell er konnte, entzündete Link eine seiner Bomben an einer in einer Wandhalterung vor sich hin brennenden Fackel und platzierte sie vor besagtem Wandabschnitt, bevor er mit seiner Fee aus dem Raum hetzte. Die folgende Detonation hallte ohrenbetäubend laut im ansonsten vollkommen stillen Tempel wider, erfüllte jedoch auch ihren Zweck: Zwischen den beiden Höhlenabschnitten klaffte nun wieder ein mannshohes, etwa zwei Meter breites Loch. Link hielt Navi einen Finger zum Einschlagen hin und kehrte zu der mondbeschienenen Kobrastatue zurück, nachdem seine Fee abgeklatscht hatte. Die beiden Schlangenstatuen in den Höhlen waren schnell in die richtige Position gedreht, sodass das mit Ketten befestigte Podest nun in silbernes Licht getaucht wurde. Doch egal wie sehr Link sich auch bemühte, der Sonnenschalter ließ sich nicht aktivieren… „Ich fürchte, es muss Sonnenlicht sein. Mondlicht scheint nichts zu nutzen.“ Navi legte den Kopf schief und betrachtete den Kristall in der Mitte des Schalters, der matt glänzte als würde das Mondlicht an ihm abperlen anstatt in sein Innerstes vorzudringen. „Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig als eine Rast einzulegen.“ Bei diesen Worten entwischte dem Krieger ein herzhaftes Gähnen und er fügte mit einem verschämten Lächeln an: „Obwohl es mir nicht gefällt, Naboru noch länger warten zu lassen, kann ich nicht bestreiten, dass mir eine Pause ganz gelegen kommt.“ Navi grinste ihn von der Seite her an und antwortete: „Ich bin mir sicher, nach sieben Jahren in der Gefangenschaft der Twinrova kommt es auf einen halben Tag mehr oder weniger nicht an.“ „Ja, vielleicht…“ Link zuckte mit den Schultern und versuchte, das Brennen eines schlechten Gewissens beiseite zu schieben. Dann rollte er sich in einer Ecke nah des Podests zusammen und döste fast augenblicklich weg. Er bekam nicht einmal mehr mit, dass Navi sagte: „Hey, weißt du, was praktisch wäre? Wenn man mit der Hymne der Sonne tatsächlich die Sonne kontrollieren könnte!“ Als Link einige Stunden später erwachte, fühlte er sich angesichts der Tatsache, dass er ohne Lager auf dem harten Steinboden geschlafen hatte, erstaunlich ausgeruht. Im ersten Moment war der Recke etwas desorientiert, aber dann fiel sein Blick auf die weißgoldenen Sonnenstrahlen, die sich auf dem Podest vor ihm bündelten, und er sprang voller Tatendrang auf die Füße. Navi, die noch immer in seine Halsbeuge gekuschelt geschlafen hatte, fiel bei der plötzlichen Bewegung herunter und konnte sich gerade noch am Zipfel von Links Tunika festhalten. „Was zum Deku soll das?!“ „Oh, entschuldige Navi! Ich bin dermaßen gespannt darauf, ob sich der Schalter jetzt aktivieren lässt, dass ich vergessen habe, dass du auf mir liegst.“ Link zog ein entschuldigendes Gesicht, das seine Fee, die am Stoff seiner Kleidung emporkletterte, nicht sehen konnte und ignorierte ihr Gemecker. Navi war schon immer ein wenig morgenmufflerisch veranlagt gewesen und derart unsanft geweckt zu werden, würde wohl jedem die Laune verderben… Während seine Fee auf seiner Schulter Platz nahm und sich den Schlaf aus den Augen rieb, begab Link sich auf das Podest und leitete mit Hilfe des Spiegelschilds das Sonnenlicht auf den Sonnenschalter. Für einen aufreibend langen Moment geschah gar nichts, was sogar Navi vor Anspannung ihre Schimpftirade unterbrechen ließ. Doch dann – endlich – begann der Mittelkristall zu glühen und ein mechanisch klingendes Schleifen verriet, dass irgendein Mechanismus in Gang gesetzt worden war. Suchend sahen sich Krieger und Fee im Raum um, als plötzlich der Boden unter ihnen vibrierte und das Podest mit erschreckender Geschwindigkeit durch den Boden nach unten gelassen wurde. Link griff reflexartig nach einer der dicken Ketten und klammerte sich daran fest, bis der improvisierte Aufzug endlich wieder zum Stehen kam. Als die beiden Abenteurer feststellten, wo sie sich nun befanden, staunten sie nicht schlecht: Das Podest hing nun genau vor dem Gesicht der Nure-Onna-Statue, die mit ihrem kalten Lächeln aus der Nähe noch Furcht einflößender wirkte als aus der Ferne. Link warf vorsichtig einen Blick über den Rand des Podests und bekam sofort weiche Knie. Neben ihm ging es bestimmt zehn Meter in die Tiefe. Die dicke Kette noch immer umklammernd wandte sich der Herr der Zeiten wieder der Statue zu und stellte die entscheidende Frage: „Und was… äh… bringt uns das Ganze jetzt?“ „Ich weiß nicht.“ Navis Stimme klang genauso unsicher wie Link sich fühlte. „Vielleicht war das hier mal ein Aufzug, der als Abkürzung zwischen dem Erdgeschoss und den oberen Stockwerken fungieren sollte.“ „Du meinst, das Ding hängt nur fest, weil der Mechanismus verrostet ist und könnte jeden Moment weiter in die Tiefe stürzen?!“ Link starrte mit panisch geweiteten Augen in Richtung Boden. „Vielleicht. Aber… hey! Warte! Hörst du das?“ Navi schloss die Augen, um besser hören zu können. War da nicht gerade Gemurmel gewesen? Nein… Sie musste es sich eingebildet haben. Doch gerade, als sie ihrem Schützling sagen wollte, sie hätte sich geirrt, vernahm sie die leisen Stimmen wieder. „Link! Da sind Stimmen!“ „Was?“ Der Herr der Zeiten sah sich verwirrt um, wobei er sich vorsichtig um die eigene Achse drehte. Von wo sollten so hoch oben Stimmen kommen? Plötzlich knackte etwas hinter dem jungen Krieger und Link wirbelte wieder herum. Über das Gesicht der Nure-Onna-Statue zog sich auf einmal ein länglicher Riss. „Was zum…?“ Irritiert legten Recke und Fee die Stirn in Falten. Woher kam auf einmal dieser Riss? Während Link damit rechnete, jeden Moment von den Twinrova angegriffen zu werden, kam Navi plötzlich eine Erleuchtung: „Das Licht!“ „Was?“ Der Herr der Zeiten sah seine Begleiterin ratlos an. Diese deutete daraufhin nach oben, von wo noch immer goldene Sonnenstrahlen auf das Podest fielen. „Als du dich vorhin gedreht hast, hat das Spiegelschild Licht auf das Gesicht der Statue geworfen. Es ist nur eine vage Vermutung, aber vielleicht hat der Riss etwas damit zu tun.“ Link zog zweifelnd die Augenbrauen zusammen, machte sich aber dennoch daran, erneut Sonnenstrahlen auf das Gesicht der Nure-Onna abzulenken. In diesem Tempel hatte es bereits so viele Rätsel gegeben, die mit der Sonne in Verbindung standen. Warum nicht auch noch dieses? Und tatsächlich! Nach nur wenigen Sekunden platzte das Gesicht der Statue noch weiter auf und bröckelte ab, bis darunter eine reich verzierte Tür zum Vorschein kam. „Navi, du bist hochoffiziell ein Genie!“ Link schnallte sich den Spiegelschild wieder auf den Rücken, während seine Fee triumphierend strahlte und in neckendem Ton fragte: „Das fällt dir erst jetzt auf?“ Normalerweise hätte Link daraufhin die Augen verdreht, doch stattdessen kratzte er allen Mut zusammen, nahm er Anlauf und sprang über die schmale Schlucht zwischen Podest und Statue zur Tür herüber. Er war sich sicher, sie hatten das Versteck der Twinrova gefunden. Endlich war die Zeit gekommen, Naboru zu befreien! Kapitel 54: Das Geheimnis des Eisenprinzen ------------------------------------------ Durch die mit Silber- und Goldbeschlägen geschmückte Tür gelangten die zwei Abenteurer in einen mit rotem Teppich ausgelegten Flur, der sich in einer flachen Wendeltreppe nach oben bog und den beiden erschreckend vertraut vorkam. Während Link langsam die Stufen nach oben stieg, warf er seiner Fee mit grimmigem Gesichtsausdruck einen Seitenblick zu. „Denkst du dasselbe wie ich?“ „Ich denke schon.“ Navi nickte und erinnerte sich an die letzten beiden Male, die sie einen solchen Gang durchquert hatten. Am Ende dieser Flure hatte sie bisher jedes Mal ein von einem Eisenprinzen bewachter Thronsaal erwartet. Auf was sie wohl dieses Mal stoßen würden? Vor der in den nächsten Raum führenden Tür blieb Link kurz stehen und schloss die Augen, um sich zu sammeln. Was, wenn sie dieses Mal wieder nur auf einen Eisenprinzen treffen würden? Der junge Mann hatte keine Idee mehr, wo er noch nach dem Versteck der Twinrova suchen sollte… Navi, die seine Befürchtungen teilte, legte ihrem Schützling eine Hand aufs Kinn und versuchte, ihm Mut zu machen: „Ich weiß, du hast Angst das hier könnte eine Sackgasse sein. Aber denk dran: jedes Mal, wenn wir einen solchen Flur durchquert haben, hat uns das einen Schritt vorangebracht. Beim ersten Mal haben wir anschließend die Krafthandschuhe gefunden und beim zweiten Mal den Spiegelschild. Ich bin mir sicher, wir sind hier richtig!“ Die Fee war selbst überrascht davon, wie zuversichtlich und überzeugt sie ihre Stimme klingen lassen konnte. Ein kleines Lächeln zuckte über Links Lippen und der Herr der Zeiten nickte bedächtig. „Ja, du hast Recht. Außerdem bringt es uns überhaupt nicht voran, hier rumzustehen und Trübsal zu blasen. Lass uns schauen, was wir hier wirklich gefunden haben!“ „Jawohl, Sir!“ Navi sprang auf die Füße, straffte den Rücken und salutierte, was endgültig ein Lachen in Links Gesicht zauberte. Dann fasste der Recke mit neuem Mut den Türgriff und öffnete den Zugang zum nächsten Raum. Im ersten Moment war es als würden die Befürchtungen der beiden Abenteurer wahr: Sie befanden sich wieder einmal in einem langgezogenen, von reich verzierten Säulen umsäumten Saal, an dessen Ende ein gewaltiger Thron stand, auf dem ein Eisenprinz saß als hätte er sie bereits erwartet. Doch dann fiel Links Blick auf die beiden weißhaarigen Gestalten am Fuß des Throns und wurde von Angst und Kampfeslust gleichermaßen erfasst. Vor dem Thron kauerten zwei uralt wirkende, kleine Frauen auf deren Stirnen jeweils ein etwa faustgroßer Edelstein prangte, der durch ein hinter dem Kopf zusammenlaufendes Goldband gehalten wurde. „Die Twinrova!“ Navis Stimme schwankte zwischen Furcht, Abscheu und Ehrfurcht. „Ich hab noch nie eine derart mächtige magische Aura gespürt… Pass bloß auf, Link! Die Beiden sind heute noch mächtiger als bei unserer kurzen Begegnung vor sieben Jahren!“ Bei dem Ertönen der fremden Stimme wandten sich die zwei alten Frauen, die bisher zu dem Eisenprinzen hoch gesehen hatten und nur eine Hälfte ihres Gesichts gezeigt hatten, vollständig Navi und Link zu. Die Feenfrau erstarrte beinah vor Panik, als der Blick der Hexe mit dem roten Edelstein auf der Stirn direkt auf sie fiel. Obwohl sie ein schlechtes Gewissen hatte, ihren Schützling im Stich zu lassen, verschwand Navi so schnell sie konnte in Links Hemdtasche. Mit ihrem eingerissenen Flügel, redete sie sich ein, war sie ihrem Freund sowieso keine Hilfe und er konnte sich besser auf den Kampf konzentrieren, wenn er sich nicht auch noch Sorgen um ihre Sicherheit machen musste. „Sieh mal einer an, was der Wüstenwind hereingeweht hat!“ Die Hexe mit dem roten Edelstein auf der Stirn ließ ihren Blick nun, da Navi derart blitzartig verschwunden war, über Links Körper gleiten. Trotz ihres offensichtlichen Alters leuchteten ihre Augen noch immer in einem beeindruckenden Bernsteingelb und hatten eine Intensität, dass Link sich beinahe nackt fühlte, während sie musternd über ihn wanderten. Als nun auch die zweite Hexe ihren Blick über den Herrn der Zeiten schweifen ließ, konnte dieser sehen, dass die beiden Frauen sich zwar ansonsten bis aufs Haar glichen, ihre Augenfarben jedoch unterschiedlich waren. Die Iriden Hexe mit dem blauen Juwel waren dunkler als die ihrer Schwester und gingen schon beinah ins Braune über. „Sehr interessant, Koume“, antwortete die Angesprochene nun. „Ist das nicht der Bengel, der vor sieben Jahren bereits durch unseren Tempel geschlichen ist und die Krafthandschuhe gestohlen hat?“ Der Blick der ersten Hexe huschte zu Links Unterarmen. „Du hast Recht, Kotake! Wir sollten ihn endlich für diese Ungezogenheit bestrafen. Denkst du nicht?“ „Auf jeden Fall, Schwester!“ Link, der allmählich die Nase voll davon hatte, nur herumzustehen und zuzuhören wie die Twinrova über ihn redeten als wäre er ein Kind, platzte zornig heraus: „Ihr seid die Einzigen hier, die für irgendetwas bestraft gehören! Ihr habt aus Ganondorf den größenwahnsinnigen Irren gemacht, der heute Hyrule tyrannisiert. Ihr habt bereits seit Jahrhunderten Menschen verflucht oder sie spurlos verschwinden lassen, wenn sie euch in die Quere kamen. Und ihr habt Naboru entführt!“ Bei seinem Wortschwall wechselten die beiden Schwestern einen schnellen Seitenblick, was Link einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen ließ, als er sah wie gut sich die Zwillinge auch ohne Worte verstanden. Es wirkte beinah als herrsche zwischen den Beiden eine Art telepathische Verbindung, von der er ausgeschlossen war. Kotake verzog ihre schmalen Lippen zu einem bedrohlich wirkenden Lächeln. „Deswegen bist du also hier – um uns zur Rechenschaft zu ziehen. Und wir hatten schon geglaubt, du seist ein einfacher Tempelräuber!“ Plötzlich schnaubte es in Links Hemdtasche und eine Stimme schimpfte: „Tempelräuber! Ich glaube, es hakt! Wie kann man den Herrn der Zeiten für einen gewöhnlichen Dieb halten?!“ Obwohl Navi leise gesprochen hatte und ihre Stimme durch die Stofflagen über ihr gedämpft wurde, war sie dennoch deutlich zu verstehen. Link lief augenblicklich scharlachrot an und wünschte sich einmal mehr, seine Fee hätte ein etwas weniger aufbrausendes Temperament, während die beiden Hexen ihn mit neuem Interesse beäugten. „Soooo… der Herr der Zeiten also…“, stieß Koume hervor und ihre Schwester ergänzte: „Wenn das so ist, wird es uns eine ganz besondere Freude sein, dich zu töten! Ganondorf wird begeistert sein, wenn wir ihm deine Überreste zu Füßen legen!“ „Versucht’s doch!“ Link verzog die Lippen zu einem wölfischen Grinsen, suchte sich festen Stand und zog Schwert und Schild. Als die alten Frauen den Spiegelschild sahen, hoben sie beinah simultan die Augenbrauen und tauschen einen weiteren ihrer gruseligen Seitenblicke. Dann schüttelte Kotake betont gelangweilt den Kopf und sagte: „Wir machen uns an dir doch nicht selbst die Hände schmutzig!“ „Wir haben hier jemanden, der darauf brennt, mit dir zu spielen“, fügte Koume an, bevor sie dem Eisenprinzen das Knie tätschelte und sich überraschend schnell mit ihrer Schwester zurückzog. Link konnte noch sehen, dass die beiden Hexen durch einen Hinterausgang verschwanden, dann hievte sich der Eisenprinz schwerfällig aus dem Thron und schritt langsam und leise lachend auf den jungen Mann zu. Anders als die Eisenprinzen, die Link bereits bekämpft hatte, schulterte dieser keine schwere Breitaxt, sondern hielt stattdessen einen überdimensionierten Krummsäbel in den Händen. Außerdem wirkte am Bewegungsmuster des Prinzen irgendetwas anders als bei seinen Artgenossen zuvor. Der Herr der Zeiten konnte nicht sagen, was ihn störte, aber er war sich sicher, dass er auf der Hut sein musste. Dieser Eisenprinz war etwas Besonderes. Dennoch versuchte es der Krieger mit der Strategie, die sich bereits gegen den letzten dieser Gegner bewährt hatte: Anstatt selbst anzugreifen, provozierte er sein Gegenüber mit Worten, während er sich außerhalb dessen Schlagweite hielt und darauf hoffte, der Eisenprinz möge aus Frustration seine Waffe nach ihm schleudern und sich so wehrlos machen. Doch zu Links Frustration schien dieser Eisenprinz zu klug zu sein, um auf diese Falle hereinzufallen. Stattdessen blieb er in einiger Entfernung zum Herrn der Zeiten stehen und schien seinerseits darauf zu warten, dass sein Gegenüber den ersten Schritt tat. „Navi, es funktioniert nicht!“, wandte sich Link hilfesuchend an seine Fee. Navis Wissen über die Monster, die Hyrule schon seit Anbeginn der Zeit bevölkerten, war wesentlich größer als das seine. Vielleicht hatte Navi ja eine Idee wie man den Eisenprinzen aus der Reserve locken konnte – immerhin hatte sie auch gewusst, dass es sich bei diesen Ungetümen um verzauberte Rüstungen handelte, die – vorausgesetzt man kam in Reichweite – leicht zu besiegen waren. „Reagiert er überhaupt nicht auf das, was du sagst?“ „Kein bisschen. Er steht einfach nur da und scheint sich sogar noch über meinen kläglichen Versuch, ihn zu reizen, zu amüsieren.“ „Hm…“ Navi kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf, was Link leicht kitzelte, als der Ellbogen seiner Fee nur durch den dünnen Hemdstoff von seiner nackten Haut getrennt über seine Brust strich. Navi bekam jedoch von dem Zucken in Links Brustmuskel nichts mit. Sie war völlig in Gedanken versunken. Wieso reagierte der Eisenprinz nicht auf Links Provokationen? In jedem Schriftstück, das Navi über Eisenprinzen gelesen hatte, war die fehlende Intelligenz der verzauberten Rüstungen betont worden – weshalb die Fee beim Kampf gegen den letzten Eisenprinzen überrascht war, dass dieser überhaupt verstanden hatte, dass Link ihn beleidigt hatte. Konnte es sein, dass dieser Prinz, dem der Herr der Zeiten sich nun gegenübersah, schlicht zu dumm war, um die Provokationen zu verstehen? Dazu passte jedoch nicht, dass Link sagte, er habe den Eindruck, der Eisenprinz amüsiere sich über ihn. Außerdem hatte es in allen Aufzeichnungen geheißen, Eisenprinzen wären derart aufs Kämpfen fixiert, dass sie sich ohne Rücksicht auf Verluste jedem Gegner sofort entgegenwarfen. Warum nur verhielt sich dieser Prinz so anders als seine Artgenossen?! „Ich… Ich habe leider keine Ahnung…“ Man hörte der Stimme der Fee deutlich an, wie schwer es ihr fiel, ihr fehlendes Wissen einzugestehen. „Vielleicht ist dieser Eisenprinz von den Hexen verzaubert worden, um ihn klüger zu machen als seine Artgenossen“, riet Navi ins Blaue hinein, als Link enttäuscht aufseufzte. „Du meinst, ich habe es hier womöglich mit einem Eisenprinzen zu tun, der über menschliche Intelligenz verfügt?!“ Entsetzen und Horror über diese Vorstellung machten die Stimme des jungen Mannes rau und kratzig. Link konnte sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen als einen derart gut gepanzerten und bewaffneten Gegner, der auch noch denken und womöglich seinen nächsten Zug im Voraus erahnen konnte. „Es ist nur eine Theorie…“, versuchte Navi abzuwiegeln, da sie hörte wie Links Herz zu rasen begann. „Willst du den ganzen Tag nur herumstehen und mich beleidigen? Ich dachte, der Herr der Zeiten hätte ein wenig mehr zu bieten als das. Deine Armseligkeit enttäuscht mich.“ Die Worte waren durch das dicke Metall der Rüstung gedämpft und verzerrt, dennoch rührte ihr Klang an einer Erinnerung. Das Grauen darüber, dass der Eisenprinz sprechen konnte, war jedoch so groß, dass es jeden anderen Gedanken übertünchte. „Nur eine Theorie, ja…?“ Link schluckte hart und umklammerte das Heft des Master-Schwerts noch fester, während er stumm dem glücklichen Umstand dankte, dass er Handschuhe trug – seine Handflächen waren inzwischen so schwitzig, dass ihm andernfalls womöglich das Schwert aus der Hand gerutscht wäre. Navi schlug das Herz inzwischen auch bis zum Hals. Sie hatte so gehofft, ihre fixe Idee würde sich als falsch herausstellen… „Ich fürchte, dir bleibt nur eine Chance“, flüsterte die Fee gegen die Brust ihres Schützlings, wobei sie sich Mühe geben musste, das Dröhnen seines wilden Herzschlags zu übertönen. „Du musst deine Wendigkeit ausspielen. Egal, wie intelligent und gut gepanzert dieses Wesen auch sein mag, denk immer daran: Seine Rüstung schränkt seine Bewegungsfreiheit stark ein. Und seine Waffe mag zwar vernichtenden Schaden anrichten, aber dafür muss er dich damit erst einmal treffen.“ Der Herr der Zeiten nickte und wollte gerade den Spiegelschild ablegen, um so flink und wendig zu sein wie irgendwie möglich, als der Eisenprinz beschloss, dass er die Nase voll davon hatte, herumzustehen und darauf zu warten, dass Link die Plauderei mit seiner Fee beendet hatte. Mit einer überraschend schnellen Bewegung riss der Prinz seinen Säbel in die Höhe und ließ ihn auf seinen Kontrahenten hinabsausen. Diesem blieb keine andere Wahl als den Schlag mit seinem Schild abzublocken. Ein Knirschen wie von splitterndem Glas verriet, dass dies jedoch keine allzu gute Idee gewesen war… Link blieb allerdings keine Zeit, den Schaden zu inspizieren. Stattdessen ließ er den Schild einfach fallen, wich einem weiteren Schlag aus und versuchte, durch die Beine des Eisenprinzen hindurch zu rutschen, um so an dessen verwundbare Stelle am Rücken zu gelangen. Der Prinz schien seine Absicht jedoch zu erahnen, machte einen Ausfallschritt zur Seite und trat dem Herrn der Zeiten mit Wucht in die Seite, sodass der Recke gegen die nächste Wand geschleudert wurde als wäre er nicht mehr als ein Spielball. Der Aufprall presste Link sämtliche Luft aus den Lungen und ein widerliches Knacken ließ vermuten, dass eine oder mehrere Rippen der Belastung nicht standgehalten hatten. Link fiel wie ein nasser Sack zu Boden, schaffte es jedoch noch irgendwie sich so abzufangen, dass er Navi in seiner Hemdtasche nicht zerquetschte. „Bring dich in Sicherheit!“ Der junge Krieger stützte sich auf seine Unterarme, um seiner Fee genügend Platz gab, um aus ihrem Versteck zu kriechen und irgendwo anders Schutz zu suchen. Die beinah unerträglichen Qualen, die ihm seine vermutlich gebrochenen Rippen dabei bereiteten, waren ihm überdeutlich ins Gesicht geschrieben. Kaum nachdem Navi aus seiner Hemdtasche gekrochen und sich auf die Suche nach einem sicheren Plätzchen gemacht hatte, würgte Link einen Schwall Blut hervor, während er sich redlich bemühte, wieder auf die Füße zu kommen. Der Fee zog sich bei diesem Anblick ihr Innerstes zusammen. Wenn sie doch nur etwas tun könnte… In diesem Moment fiel Navi plötzlich etwas ein, das ihre Mutter ihr erzählt hatte, als sie noch ganz klein gewesen war. Es war inzwischen so lange her, dass sich die Fee nicht einmal sicher war, ob es sich dabei an eine wirkliche Erinnerung oder einen Traum handelte. Aber sie musste es versuchen! Während der Eisenprinz mit schweren Schritten auf Link zuschritt, kauerte Navi sich in einer Ecke des Raums auf den Boden und stimmte einen leisen Singsang in der Sprache der Feen an, der von den beiden Kämpfern glücklicherweise unbemerkt blieb. „Erbärmlich…“ Der Eisenprinz hatte den noch immer am Boden liegenden Link erreicht und hob nun seinen Säbel, um dem Herrn der Zeiten den Gnadenstoß zu versetzen. Dieser grinste jedoch plötzlich verzerrt, spuckte noch ein wenig mehr Blut und fragte: „Hat dir noch nie jemand gesagt, dass es erst vorbei ist, wenn es vorbei ist?“ Einen Herzschlag lang wirkte der Eisenprinz irritiert, doch dann hieb er seine Waffe dennoch gen Boden, bloß um dann verwirrt im Raum umher zu schauen, als seine Waffe auf den harten Stein der Fliesen prallte anstatt durch Fleisch und Knochen zu schneiden. Link war verschwunden! „Hier bin ich, mein Dickerchen!“ Dem Krieger tropfte noch immer Blut vom Kinn, aber immerhin stand er wieder auf den Füßen, wenn auch nicht aufrecht… „Wie…? Wie hast du das gemacht?!“ Der Eisenprinz blickte vollkommen konsterniert zwischen Link und der Stelle, wo er nur Sekunden zuvor noch gelegen hatte, hin und her. Der Herr der Zeiten, dessen Schmerzen im Brustkorb allmählich abflauten, wischte sich mit dem Handrücken das Blut vom Gesicht und lachte, als er anschließend den Gegenstand hochhielt, den er die ganze Zeit fest umklammert hatte. Es war ein kristallener Oktaeder in dessen Mitte ein Gewitter zu toben schien. Farores Donnersturm! „Ich muss sagen, ich bin ein wenig enttäuscht“, witzelte Link, während er den Zauber wieder in seinem Wunderbeutel verstaute. „Ich hatte gehofft, ich würde mich in eine furchteinflößende Sturmwolke verwandeln und durch den Raum wirbeln. Aber naja, ich schätze, man kann nicht alles haben. Und seinen Dienst hat der Zauber ja getan.“ Der Eisenprinz umklammerte den Griff seines Säbels derart fest, dass es klang als würde sich der Stahl verbiegen. „Elende Feenköniginnen!“ „Oh, wenn du sie jetzt schon nicht magst, wirst du sie gleich hassen!“ Man hörte Link das schiefe Grinsen, das auf seinen Lippen lag, deutlich an. Bevor sein Gegenüber irgendwelche Fragen stellen konnte, zog Link seine Hand wieder aus seinem Wunderbeutel hervor und aktivierte Nayrus Umarmung. Dieser Zauber verbrauchte mehr geistige Energie als seine Gegenstücke und Link hatte augenblicklich das Gefühl, seine gesamte Energie flösse aus ihm heraus wie Blut aus einer geöffneten Arterie. Er musste sich beeilen… Trotz seiner verletzten Rippen rannte der Herr der Zeiten mit wildem Kampfgeschrei auf den Eisenritter zu als wolle er ihn rammen. Dieser hob seinerseits seine Waffe und schlug nach Link, doch die Klinge prallte an dem magischen Schutzschild, das den Krieger umgab, ab und wurde dem Prinzen aus der Hand gerissen. Als Link sah wie der mächtige Krummsäbel durch die Luft sauste, mit lautem Scheppern auf den Steinfliesen landete und bis zur nächsten Wand rutschte, deaktivierte er Nayrus Umarmung sofort wieder, um nicht unnötig Kraft zu verschwenden. Der Eisenprinz hingegen wirkte plötzlich wie gelähmt – als hätte der Verlust seiner Waffe seine Welt zerstört oder zumindest seinen Willen gebrochen. Link nutzte diese Untätigkeit und stieß sich vom Boden ab, um sich mit einem Bocksprung über die Schulter des Prinzen hinweg auf dessen Rückseite zu befördern. Dort wirbelte er augenblicklich herum und durchtrennte die Bänder, die die Rüstung des Eisenprinzen zusammenhielten, mit dem Master-Schwert. Augenblicklich fielen die einzelnen Rüstungsteile von lautem Dröhnen begleitet zu Boden, doch die Erleichterung, die Link beim Durchtrennen der Rüstungsriemen gefühlt hatte, wurde von blankem Grauen verdrängt, als er sich zu seinem vermeintlich besiegten Gegner umdrehte. Dort, wo Sekunden zuvor noch der Eisenprinz befunden hatte, stand nun Naboru und durchbohrte Link mit zornigen Blicken! Im ersten Moment konnte Link nicht verstehen, was geschehen war, aber dann fügten sich die Einzelteile zu einem Bild zusammen: die unerklärliche Intelligenz des Eisenprinzen, das leicht andere Bewegungsmuster, die Fähigkeit zu sprechen… Er hatte die ganze Zeit gegen Naboru gekämpft! Diese trat nun die umherliegenden Rüstungsteile beiseite, hob ein Bein ihrer Pluderhose und zog einen langen, mit bunten Edelsteinen verzierten Dolch. „Du wirst es büßen, dass du meine Rüstung ruiniert hast! Ich gebe zu, ich habe dich unterschätzt, weil du dich anfangs so unfähig gezeigt hast – aber das passiert mir kein zweites Mal!“ Link stieß mit dem Rücken gegen die Wand, als er Naborus Attacke auswich und stöhnte bei dem erneuten Schmerz in seinem Brustkorb leise auf. „Naboru! Ich… Ich will nicht gegen dich kämpfen! Ich bin hier, um dich aus dem Würgegriff der Twinrova zu befreien!“ „Pah!“ Die Gerudo warf mit einer schnellen Kopfbewegung eine Haarsträhne zurück, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte ihr ins Gesicht gefallen war. „Wenn du dich nicht wehrst, wird das hier ein verdammt kurzer Kampf – und dabei fing er doch gerade erst an, interessant zu werden!“ Trotz seiner protestierenden Rippen wich Link Naborus ununterbrochenen Angriffen aus, indem er sich duckte, zur Seite tänzelte oder den Oberkörper zurückbeugte. „Erinnere dich, Naboru! Als wir uns das erste Mal getroffen haben, warst du in diesem Tempel, weil du eine Waffe gegen Ganondorf finden wolltest. Ich wollte dir dabei helfen!“ „Schwachsinn!“ Der Gerudo holte erneut mit ihrer rasiermesserscharfen Waffe aus und verfehlte Links Gesicht nur um Millimeter. Die zu Boden schwebenden Spitzen einiger Ponyfransen verrieten wie knapp der Herr der Zeiten unverletzt geblieben war. „Ich würde niemals etwas tun, das dem großartigen Ganondorf schaden könnte!“ Bei diesen Worten drehte sich Link der Magen um und er schrie: „Dem großartigen Ganondorf?! Hast du überhaupt eine Ahnung, was du da redest?! Ganondorf ist ein Monster, das euch Gerudo bloß ausnutzt! Du bist die wahre Anführerin deines Volks – nicht dieser Irre!“ „Schweig!“ Anstatt weiterhin mit dem Dolch nach ihm zu schlagen, trat Naboru Link plötzlich hart gegen die Brust. Dieser ging sofort in die Knie und schmeckte erneut Blut in seiner Kehle aufsteigen. Dessen ungeachtet appellierte er weiter an die wahre Naboru, die hinter dem Zauber der Twinrova noch immer existent war, da war er sich sicher: „Wenn du dich schon nicht an mich erinnerst, dann wenigstens an deine Gefährtinnen! Denk an Dinah, Aveil, Miccahia und die kleine Zeherasade! Erinnere dich, verdammt nochmal! Du lässt deine Freundinnen schon zu lange im Stich!“ Für einen kurzen Moment schien etwas in Naborus Augen zu flackern, aber dann holte sie erneut aus, um Link den Dolch ins Herz zu bohren. Der Krieger in ihm reagierte reflexartig: Anstatt zum wiederholten Mal auszuweichen, packte Link die Handgelenke der Gerudo und riss sie zur Seite. Eigentlich hatte er ihr an der nahen Wand lediglich die Waffe aus der Hand schlagen wollen, doch durch die Macht der Krafthandschuhe wirbelte er ihren ganzen Körper herum und Naboru knallte mit einem widerlichen Knacken gegen den Stein und erschlaffte augenblicklich. Schockiert über seine eigene Tat ließ Link ihre Unterarme los als hätte er sich verbrannt und beugte sich über seine Kontrahentin. Sie lag in sich zusammengesunken wie eine Lumpenpuppe auf der Seite und unterhalb ihres Kopfes bildete sich allmählich eine große Blutlache, während ihre gebrochen wirkenden Augen stumpf ins Nichts starrten. „NEIN!“ Link zog Naborus leblosen Körper auf seinen Schoß und suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, das Grauen rückgängig zu machen. „Navi! NAVI! Wo bist du verdammt nochmal?!“ Unkontrollierte Schluchzer brachen aus den Tiefen seiner Brust hervor, während dicke Tränen über sein Gesicht strömten. Es war nicht wahr… Es durfte nicht wahr sein… Link bemerkte Navi erst, als sie sagte: „Ich bin hier.“ Sie hatte ihm eine Hand aufs Knie gelegt und sah mit gequält wirkender Miene zu ihm hoch. „Ich… Ich hab dir jemanden mitgebracht“, fügte sie mit brüchiger Stimme an und deutete auf einen Feenweisen, der hinter ihr stand. „Was?“ Der Herr der Zeiten starrte den winzigen, geflügelten Greis an, dessen rosa Leuchten bunte Muster auf den Boden malte. „Als du verletzt wurdest“, setzte Navi zu einer Erklärung an, „habe ich mich daran erinnert, dass meine Mutter mir von einer Beschwörung erzählt hat, mit der wir Feen telepathischen Kontakt zu unseren Königinnen aufnehmen können. Ich habe die in der Oase lebende große Fee um Hilfe gebeten, während du gekämpft hast. Vingor ist hier, um dich zu heilen.“ Link zog geräuschvoll die Nase hoch und schüttelte heftig mit dem Kopf. „Nein! Heil sie, nicht mich. Heil sie!“ Dabei streichelte er Naboru, deren Blut allmählich durch die Maschen seiner Kleider sickerte, sanft über die Wange. Der Feenweise zog ein bedauerndes Gesicht und erläuterte mit leiser Stimme: „Es tut mir leid, mein Sohn, aber ich kann die Toten nicht ins Leben zurückholen.“ Bei diesen Worten brach ein animalischer Schrei aus Link hervor und er krümmte sich über den Leichnam auf seinem Schoß als wolle er Naboru vor Angriffen schützen. Navi kletterte an seiner Kleidung empor, bis sie ganz nah an seinem Ohr war und flüsterte: „Ich weiß, du machst dir schreckliche Vorwürfe, aber sie wollte dich töten. Du hast dich nur verteidigt. Außerdem war ihr Tod besiegelt in dem Moment, in dem Ganondorf das Triforce an sich gerissen hat. Erinnerst du dich daran, was im Wassertempel mit Ruto geschehen ist? Die Auserwählten sterben, sobald die Seelen der in ihnen lebenden Lichtwesen ihre Körper verlassen.“ Link nickte zaghaft, während ihm die Tränen wie Sturzbäche übers Gesicht liefen und von seinem Kinn tropften. „Ich weiß“, entgegnete er mit brüchiger Stimme, „ich weiß, dass Naboru sterben musste. Aber… Aber… doch nicht so! Ich habe einen Menschen getötet, Navi. Einen Unschuldigen!“ Die letzten Worte schrie er regelrecht hinaus. „Ja, das hast du“, räumte Navi ein, „aber es war nicht deine Schuld.“ „DOCH! Wenn ich nur zu ihr durchgedrungen wäre… Wenn ich wenigstens endlich gelernt hätte, die Macht der Krafthandschuhe richtig zu kontrollieren…“ „Shht!“ Navi legte ihm eine Hand auf die bebende Unterlippe. „Siehst du nicht, dass die wahren Schuldigen die Twinrova sind?“ Als hätte er diese Möglichkeit noch gar nicht in Betracht gezogen, stutzte der junge Mann bei diesen Worten und warf seiner Fee einen Seitenblick zu. „Wie meinst du das?“ Selbst die Schluchzer, die ihn seit der Entdeckung von Naborus Tod ununterbrochen durchgeschüttelt hatten, flauten etwas ab. Navi streichelte ihm beruhigend über die Wange und erklärte: „Naboru und du, ihr wart nur Schachfiguren in ihrem Spiel der Intrigen. Sie haben Naboru gegen dich antreten lassen, weil sie wussten, dass diese dich entweder töten oder ihr Tod dich brechen würde. Egal, wie eure Duell ausgehen würde, ihnen war klar, die wahren Sieger wären sie.“ Einige Herzschläge lang starrte Link ins Nichts und ließ die Worte seiner Fee auf sich wirken. Auf die Idee, dass derartige Niedertracht auf der Welt existierte, wäre er im Traum nicht gekommen. Aber Navi hatte Recht! Der Herr der Zeiten erinnerte sich an das gehässige Grinsen Koumes als sie den vermeintlichen Eisenprinzen auf ihn gehetzt hatte – sie hatte gewusst, wer sich unter der Rüstung verbarg! Plötzlich brandete eine Welle des Hasses, wie Link sie noch nie gespürt hatte, durch seinen Körper und er ballte entschlossen die Hände zu Fäusten. Er würde die Twinrova vernichten! Und wenn es das Letzte sein sollte, was er tat… Behutsam legte er Naborus toten Körper beiseite, bevor er aufstand und zu Vingor herunter sah. „Alles klar. Bitte, heile meine Wunden.“ Der Feenweise nickte und schwirrte um Link herum, während sein rosa Schein immer heller und heller strahlte. Der Herr der Zeiten spürte wie es in seiner Brust kribbelte, als sich seine Rippen wieder zusammenzogen und sich an der Bruchstelle neuer Knochen bildete. Nachdem er sein Werk vollendet hatte, flog Vingor Link vors Gesicht und sagte: „Du bist vollständig wiederhergestellt und zumindest körperlich bereit, dich den Hexen zu stellen.“ Der Krieger presste die Lippen aufeinander und knurrte: „Nicht nur körperlich!“ Unter erneutem Nicken entgegnete der alte Feenmann: „Sehr schön. Ich werde hier auf deine Rückkehr warten, falls du meiner Hilfe noch einmal bedürfen solltest.“ Link bedankte sich knapp und suchte dann nach dem Spiegelschild, den er zuvor hatte fallen lassen. Obwohl es erst wenige Minuten her war, kam es ihm vor als hätte der Kampf gegen Naboru vor Urzeiten oder gar in einem anderen Leben begonnen. Die letzten Minuten erschienen ihm so unwirklich… Als er den Spiegelschild schließlich fand, stöhnten Krieger und Fee gleichermaßen auf. Dort, wo Naborus mächtiger Krummsäbel auf das Schild geschlagen hatte, befand sich nun eine Kerbe, von der ausgehend sich Sprünge wie ein Spinnennetz über die gesamte Oberfläche des Schilds zogen. „Ob der noch zu gebrauchen ist?“ Navi legt den Kopf schief und betrachtete das einstmals so schöne Relikt. „Ich hab keine Ahnung. Aber ich werde es herausfinden!“ Mit grimmiger Entschlossenheit schnallte sich Link den ramponierten Spiegelschild um und machte sich daran, den Hexen zu folgen. Navi war gar nicht wohl dabei, aber welche Wahl hatten sie schon? Das Fehlen einer Lichtkugel über Naborus Leiche verriet deutlich, dass Link mit seiner Befürchtung Recht gehabt hatte: So lange die Twinrova lebten und ihr Fluch über Naboru noch immer Bestand hatte, konnte die sechste Weise ihr Schicksal nicht erfüllen. Navi konnte nur hoffen und beten, dass der Spiegelschild halten würde… Kapitel 55: Feuer und Eis ------------------------- Der Saal, den die beiden Abenteurer nun betraten, war riesig und verschlug dem Herrn der Zeiten und seiner Fee regelrecht den Atem. Die Decke war dermaßen hoch, dass sie von der Dunkelheit verschluckt wurde und die Grundfläche des Raums schien in etwa so groß zu sein wie die Pferdekoppel der Lo-Lon-Farm. Was Link und Navi jedoch wirklich in Staunen versetzte, waren die hohen Podeste, die sich in Richtung Decke schraubten. Das zentrale Podest war quadratisch und ungefähr so hoch und breit wie die meisten Häuser in Kakariko. Rund um das große Plateau waren in etwa einem Meter Entfernung vier kleinere Podeste errichtet worden, die die Mitte jeder Plateau-Seite markierten. „Was ist das hier?“ Link konnte sich selbst nicht erklären, warum er flüsterte. Irgendetwas an dieser seltsamen Halle erfüllte den jungen Mann mit Ehrfurcht und er fühlte sich plötzlich klein und unbedeutend. Navi sah sich aufmerksam um und mutmaßte: „Ich nehme an, früher wurde dieser Saal zu rituellen Zwecken genutzt. Das große Podest könnte zum Beispiel eine Art Opferaltar gewesen sein.“ Link legte den Kopf in den Nacken und blickte mit einem Schaudern an dem Plateau empor. Er wollte gar nicht wissen, für welche Art Opfer man einen derart gigantischen Altar brauchte… Um die ungebetenen Bilder von Gladiatorenkämpfen und Menschenopfern zu vertreiben, die sich vor sein geistiges Auge gestohlen hatten, überlegte der Herr der Zeiten laut: „Ich frage mich, wohin die Twinrova verschwunden sind.“ Navi deutete auf eine Ecke des Mittelpodestes und sagte: „Sieht aus als könntest du dort auf das Plateau klettern. Vielleicht siehst du von oben mehr.“ Gesagt, getan. Allerdings gestaltete sich die Suche nach den alten Hexen kürzer als erhofft: Kaum, dass Link über den Rand des Podestes blicken konnte, entdeckte er Koume und Kotake in der Mitte des mit Goldfarbe verzierten Plateaus. Als sie ihn bemerkten, lächelten die Twinrova als hätten sie ihn bereits erwartet. Bei dem erfreuten Ausdruck im Gesicht der Hexen lief es Link eiskalt den Rücken herunter und er warf Navi einen schnellen Seitenblick zu. „Sieht so aus als führten diese Vogelscheuchen etwas im Schilde. Meinst du, du schaffst es allein wieder nach unten zu klettern? Ich würde mir ungern Sorgen machen müssen, dass du zwischen die Fronten gerätst.“ Die Feenfrau zog ein unglückliches Gesicht, nickte jedoch. Der Gedanke, ihren Schützling allein gegen die Twinrova antreten zu lassen, bereitete Navi Bauchgrimmen, aber die letzten Kämpfe hatten deutlich gezeigt, dass sie mit ihrem verletzten Flügel nur ein Klotz am Bein war. Warum nur konnten Feen sich nicht gegenseitig heilen? Sonst hätte sie Vingor um die Reparatur ihres Flügels bitten und ihrem Freund zur Seite stehen können… Vorsichtig kletterte sie von Links Schulter und hielt sich an dem rauen Stein fest. Dann drehte sie den Kopf und wandte sich noch einmal an ihren Schützling: „Lass dich von den gruseligen Waschweibern nicht einschüchtern und denk dran: Sie können nur durch ihre eigene Magie besiegt werden.“ Was auch immer das heißen mochte… Link nickte und zog ein grimmiges Gesicht. „Die Twinrova werden für ihre Verbrechen bezahlen. Versprochen!“ Mit diesen Worten zog sich der Herr der Zeiten über den Rand des Podestes, während seine Fee sich an den Abstieg machte, um sich irgendwo ein sicheres Plätzchen zu suchen. Kaum, dass Link sich hochgezogen und wieder aufgerichtet hatte, grinste Kotake ihn zahnlückig an und lachte keckernd: „Willkommen in unserem Heiligtum, Herr der Zeiten. Wir hoffen, unser bisheriges Unterhaltungsprogramm war in Eurem Sinne.“ Sofort sah der Kämpfer wieder Naborus toten Körper vor sich und er ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. „Ihr seid abstoßend!“ „Oh, Schwester, das klingt als hätte er keinen Spaß gehabt“, klinkte sich nun Koume ein. Auf ihrem vom Alter zerfurchten Gesicht lag ein Ausdruck, den man leicht für Sorge hätte halten können, in Wahrheit jedoch nur Hohn war. Es juckte Link in den Fingern sich auf die gebrechlich wirkenden Frauen zu stürzen und sie in blindem Hass mit bloßen Händen tot zu prügeln. Doch er hatte noch immer Navis Stimme im Ohr, die ihn daran erinnerte, dass die Hexen mächtiger waren als sie wirkten. Wenn er sich blind auf sie stürzen würde, würden sie ihn vermutlich mit nur einem Fingerwink an die nächste Wand schleudern und ihm sämtliche Kochen im Körper brechen. Also biss der Herr der Zeiten nur die Zähne zusammen und ballte die Fäuste noch fester zusammen, bis ihm vor Anstrengung die Arme zitterten. Unterdessen passte Kotake ihren Gesichtsausdruck an den ihrer Schwester an, sodass die beiden Hexen oberflächlich betrachtet den Eindruck erweckten, sie machten sich Gedanken um das Wohl ihres Gastes. „Ich fürchte, du hast Recht, Schwester.“ Koume nickte nachdrücklich und sagte: „Wir sollten uns schnell etwas anderes einfallen lassen, um unseren hochwohlgeborenen Besucher zu amüsieren.“ „Denkst du dasselbe wie ich?“ In Kotakes Augen blitzte etwas auf, das Links Magen brennen ließ. Es machte den Anschein als käme das nervige Vorgeplänkel langsam zu einem Ende und die Twinrova würden endlich Ernst machen. „Ich denke schon.“ Das bedrohliche Schimmern breitete sich von Kotakes Augen auf die ihrer Schwester aus wie ein Feuer, das Funken sprühend trockenes Laub entzündete. Link schluckte hart und zog Schwert und Schild, um jederzeit für einen Angriff gerüstet zu sein. Bei diesem Anblick brachen die Hexenschwestern in schauriges Gelächter aus und schwangen sich auf ihren Besen reitend in die Lüfte. Knapp unter der Decke drehten die Hexen sich auf einmal schnell um die eigenen Achsen und dem Herrn der Zeiten stockte der Atem. Koumes Haare verwandelten sich in loderndes Feuer, während Kotakes zu Eis erstarrten. Dann hielten die Twinrova genauso plötzlich in der Bewegung inne wie sie angefangen hatten sich zu drehen und hoben ihre Zauberstäbe. Augenblicklich schossen Fontänen aus Feuer und Eis auf Link zu und Koume rief über das laute Zischen ihrer Zauber hinweg: „Meine Flammen werden ihn bis auf die Knochen verbrennen!“ Während Link sich mit einem beherzten Hechtsprung aus der Gefahrenzone brachte, fügte Kotake an: „Mein Eiszauber wird seine Seele gefriertrocknen!“ Ein Schaudern lief Link über den Rücken, als er über den Schulter einen Blick zurück zu der Stelle warf, wo er Sekunden vorher noch gestanden hatte: der Feuerzauber hatte den Stein geschmolzen und auseinanderfließen lassen, bevor der Eiszauber ihn nur Sekunden später in grotesken Formen wieder hatte erstarren lassen. Dies würde ohne Zweifel der härteste Kampf werden, den Link in seinem ganzen Leben je bestritten hatte… Am liebsten wäre der junge Krieger einfach davongelaufen und hätte so getan als hätte er noch nie etwas von den Hexen im Geistertempel gehört. Doch der Gedanke an all die Freunde, die in diesem bereits Jahre andauernden Kampf gegen Ganondorf gelitten oder sogar ihr Leben hingegeben hatten, ließ Link seine Waffen fester packen und sich den Schwestern entgegenstellen. Mit dem Kinn auf die lädierte Stelle im Podest deutend höhnte der Herr der Zeiten: „Das ist ja sehr beeindruckend, aber so richtig aus den Socken haut ihr mich erst, wenn ihr den Stein mit nur einem Fingerschnippen wieder repariert.“ Koume stieß ein keckerndes Lachen aus, während sich das Antlitz ihrer Schwester zu einer Fratze des Hasses verzerrte. „Hör dir das an, Kotake! Klingt ganz so als wollte unser kleiner Held hier ein wenig spielen.“ „Nein, danke. Ich glaube, von euren Vorstellungen bezüglich lustiger Spiele hab ich für den Rest meines Lebens genug...“ Link dachte an den Schock, der ihm in die Glieder gefahren war, als er erkannt hatte, dass Naboru unter dem Panzer des Eisenprinzen gesteckt hatte. Koume lachte erneut auf und dieses Mal huschte auch über Kotakes Lippen ein gehässiges Grinsen. „Ich fürchte, das ist nicht deine Entscheidung, mein Süßer.“ Mit diesen Worten hob Kotake ihren Zauberstab und feuerte einen weiteren Eiszauber auf Link ab. Obwohl all seine Instinkte darauf drängten, dem Angriff auszuweichen, zwang sich der Herr der Zeiten stehen zu bleiben und den Spiegelschild vor sich zu halten. Der Zauber traf mit einer Wucht auf die blank polierte Oberfläche des Schilds, die Link beinahe umwarf. Die Zähne aufeinander beißend lehnte der Krieger sich gegen die Macht des Zaubers. Doch plötzlich ließ die Kraft, die gegen den Spiegelschild presste, nach. Link, der bislang die Augen zugekniffen hatte, blinzelte neugierig durch halb geöffnete Lider und hätte vor Schreck beinah seinen Schild fallen lassen. Der Eiszauber, der von Kotakes Zauberstab ausging, wurde vom Spiegelschild abgelenkt wie ein Sonnenstrahl. „Die Twinrova sind nur durch ihre eigene Magie zu besiegen“, schoss es Link durch den Kopf. Das musste die Lösung sein! Vorsichtig, damit er sich nicht versehentlich vom dem tödlich kalten Eisstrahl treffen ließ, drehte Link den Oberkörper, um den Zauber auf Kotake zurückzuwerfen. Koume stieß einen eigenartigen Laut aus, der wie das Fauchen eines Tieres klang, aber ihre Schwester lachte bloß, als das Eis an ihr abprallte, ohne den geringsten Schaden zu verursachen. Die Eishexe ließ ihren Zauberstab sinken und schüttelte in der Parodie einer nachsichtigen Geste den Kopf, während sie mit der Zunge schnalzte: „Na, na, mein Kleiner. Das war aber ganz schön frech. Du hast meine Frisur durcheinander gebracht!“ Koume verdrehte die Augen und nörgelte: „Hör auf, herumzualbern, Kotake.“ „Du bist eine alte Nevensäge!“ „Und du ein unverbesserlicher Kindskopf!“ Es war eine skurrile Situation wie die zwei alten Hexen auf ihren Besen in der Luft schwebten und sich stritten wie kleine Kinder. Link beachtete die beiden Schwestern jedoch kaum. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich zu fragen, was er falsch gemacht hatte. Wieso hatte er Kotake nicht mit ihrem Zauber verletzen können? Als er den Eiszauber auf die Hexe zurückgeworfen hatte, hatte es so ausgesehen als wäre Kotake von einer Art Energiefeld umgeben gewesen, das der reflektierte Zauber nicht hatte durchdringen können. Musste er zunächst einen Weg finden, diese schützende Aura zu brechen, bevor er die Hexen mit ihrer Magie besiegen konnte? Oder hatte er etwas Grundsätzliches falsch verstanden? Gerade, als Link eine Idee hatte, zischte eine Feuerfontäne an seinem Ohr vorbei und riss ihn brutal zurück in die Realität. „Hör auf zu träumen, Schätzchen. Wir fühlen uns schon vernachlässigt.“ Kotake zwinkerte Link süffisant grinsend zu, während ihre Schwester grimmig die Lippen aufeinander presste und einen weiteren Schwall Feuer auf Link abschoss. Offenbar hatte sie beschlossen, dass der einfachste und schnellste Weg, ihre Schwester endlich zum Schweigen zu bringen, darin bestand Link auszuschalten. Dieser schluckte hart und fasste den Griff des Spiegelschilds fester, während er stumm zu den Göttinnen betete. Wenn der Einfall, der ihm durch den Kopf geschossen war, bevor Koume ihn angegriffen hatte, genauso fehlschlagen sollte wie der vorherige Versuch, den Hexen Schaden zuzufügen, wäre der Herr der Zeiten völlig ahnungslos. Warum nur hatte Navi sich ausgerechnet am Flügel verletzen müssen?! Link war zwar bewusst, dass seine Fee nichts gegen die Twinrova hätte ausrichten können, aber ihre Anwesenheit hätte zumindest beruhigend auf ihn gewirkt – schon allein, weil Navi in solch ausweglos erscheinenden Situationen häufig die besseren Ideen hatte. Koume ließ dem jungen Krieger jedoch kaum Zeit, seine missliche Lage zu bedauern. Stattdessen schoss sie einen weiteren Feuerzauber, der mit bedrohlichem Fauchen herangerast kam, auf ihn ab. Es erforderte Links gesamte Willenskraft bewegungslos stehen zu bleiben und die Feuersäule mit dem Schild zu blocken. Obwohl er die Macht des Spiegelschilds bereits mit eigenen Augen gesehen hatte, erwartete ein Teil von Link noch immer von Koumes Zauber zu einem Häufchen Asche verbrannt zu werden. Doch genau wie mit Kotakes Eiszauber zuvor schien das heilige Gerudo-Relikt die gesamte Magie anzuziehen, um sie dann wie Sonnenlicht zu reflektieren. Dieses Mal versuchte Link jedoch nicht die Anwenderin des Zaubers mit dem zurückgeworfenen Magiestrahl zu treffen. Stattdessen zielte er auf ihre Schwester, die mit einem lauten Kreischen ihren Besen in die Höhe riss. Der Feuerschwall verfehlte Kotake um Haaresbreite, aber die beiden Hexen sahen dermaßen erschrocken aus, dass Link sich sicher war, nun die richtige Strategie zu verfolgen. Während er auf den nächsten Angriff der Hexenschwestern wartete, schalt er sich stumm einen Narren, dass ihm nicht sofort klar gewesen war, was er zu tun hatte. Dass Eis Feuer gefährlich werden konnte, war vielleicht nicht offensichtlich, aber der umgekehrte Fall lag überdeutlich auf der Hand. Unterdessen kreisten die Twinrova hoch über Links Kopf auf ihren Besen durch die Luft, offensichtlich verunsichert. Link fragte sich seit wie vielen Jahren er der Erste war, der eine ernstzunehmende Bedrohung für die Schwestern darstellte. Nachdem sie etwa eine Minute scheinbar planlos umher geschwebt waren, hielten die Twinrova plötzlich in der Bewegung inne und dem Herrn der Zeiten wurde schlagartig klar, dass er weit davon entfernt war die Oberhand zu gewinnen. Was wie erschrockene Orientierungslosigkeit gewirkt hatte, war in Wirklichkeit nichts anderes gewesen als ein Tarnmantel für einen Strategiewechsel: Anstatt ihn weiterhin einzeln anzugreifen, hatten die beiden Hexen Link in ihre Mitte genommen und feuerten ihre Zauber nun zeitgleich ab. Dem überraschten Recken blieb nichts anderes übrig als sich mit einem beherzten Sprung aus der Gefahrenzone zu bringen. Dadurch wurde er jedoch derart nahe an den Rand des Podests gedrängt, dass er bei der Landung mit einem Fuß beinahe über die Kante getreten und um ein Haar in die Tiefe gestürzt wäre. Vermutlich war es allein seinen durch jahrelanges Kämpfen trainierten Reflexen zu verdanken, dass Link sich im letzten Moment doch noch abfangen konnte. „Vorsicht, mein Hübscher! Ich glaube, du brauchst etwas, das dir Halt verleiht? Wie wäre es mit einer soliden Säule aus Eis?“ Mit diesen Worten schoss Koume ihren Zauber auf den Herrn der Zeiten ab, um dessen Missgeschick zu ihrem Vorteil auszunutzen. Links Herz setzte bei diesem Anblick einen Schlag aus, bloß um dann mit doppelter Geschwindigkeit weiterzupochen als er aus dem Augenwinkel eine weitere Bewegung ausmachte. Reflexartig ließ sich der Krieger auf die Seite fallen und riss seinen Schild herum. Kotakes Eiszauber wurde von der Oberfläche des Spiegelschilds zurückgeworfen, zischte knapp an seiner Anwenderin vorbei durch die Luft und traf Koume, die gerade ebenfalls einen Angriff hatte starten wollen, mitten im Gesicht. Sofort wurde der Körper der Feuerhexe von einer dicken Eisschicht überzogen und sie stürzte wie ein Stein zu Boden, während ihre Schwester geschockt aufschrie. Für Triumph war jedoch kaum Zeit. Kaum, dass Koume an Link vorbei in die Tiefe gefallen war, ertönte plötzlich das laute Knacken von brechendem Eis und kurz darauf tauchte die Feuerhexe wieder im Blickfeld des Herrn der Zeiten auf – mit einem wutverzerrten Ausdruck im Gesicht und den mit Frostbeulen überzogenen Körper in Flammen gehüllt. „Das… wirst… du… bereuen!“ Koume keuchte wie nach einem langen Lauf und funkelte Link dermaßen zornig an, dass ihre Augen Funken zu sprühen schienen. Ihre Schwester atmete erleichtert auf und brachte sich dann schnell in Sicherheit, als Koume anfing in blindem Zorn einen Feuerzauber nach dem nächsten auf Link zu schleudern. Dabei platzten einige ihrer Frostbeulen auf und verliehen der alten Hexe ein noch furchteinflößenderes Aussehen. Obwohl Link kaum Zeit zum Ausweichen hatte, versuchte er dennoch verzweifelt die heransausenden Feuerbälle auf Kotake umzulenken – jedoch ohne Erfolg. Durch Koumes Dauerfeuer konnte er nie lange genug an einer Stelle stehen bleiben, um richtig zielen zu können. Zu allem Überfluss ging ihm auch noch allmählich die Puste aus. Der Herr der Zeiten hatte nur noch eine Hoffnung… Dem weiterhin auf ihn herabprasselnden Feuerschwallen ausweichend schob Link das Master-Schwert zurück in seine Scheide und holte Nayrus Umarmung aus dem Wunderbeutel. Er wusste, den mächtigen Göttinnenzauber in seinem erschöpften Zustand einzusetzen war riskant, aber er sah keinen anderen Ausweg. Also mobilisierte er seine Kraftreserven, konzentrierte sich und ließ den magischen Schutzschild um ihn herum entstehen – bloß um dann zu erkennen, dass sein schöner Plan einen nicht zu verachtenden Haken hatte… Er war zwar wie erhofft vor Koumes Attacken sicher, doch leider ließ Nayrus Umarmung sämtliche Feuerbälle zerschellen lange bevor sie nahe genug waren, um vom Spiegelschild reflektiert zu werden. Einige Herzschläge lang überlegte Link, dass der Plan bestimmt trotzdem funktionieren würde, wenn er den richtigen Zeitpunkt zum Aktivieren des Zaubers treffen würde, verwarf den Gedanken an einen erneuten Versuch jedoch schnell wieder. Bereits jetzt verspürte er Schwindel, der ihm deutlich vor Augen führte wie viel Kraft der Einsatz des Zaubers seinem Körper abverlangte. Doch wie sollte er unter diesen Umständen den Twinrova beikommen? Gerade, als der junge Mann kurz vorm Verzweifeln war, bemerkte er etwas, das seine Laune wieder etwas hob: dadurch neugierig geworden, dass die Feuerbälle ihrer Schwester offenbar wirkungslos verpufften, hatte Kotake sich wieder näher an ihn herangewagt, um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen. Auch Koume hatte inzwischen bemerkt, dass Link eine Barriere um sich errichtet hatte, und war drauf und dran ihr Feuer einzustellen. Jetzt oder nie! Link ließ Nayrus Umarmung wieder in sich zusammenfallen und beschoss Kotake mit einer reflektierten Feuersäule. Die Eishexe fing augenblicklich Feuer und stieß gequälte, nicht mehr menschlich klingende Laute aus. Link drehte sich der Magen um, als Kotakes Haut begann Blasen zu werfen und aufzureißen. Der penetrante Geruch nach verbranntem Fleisch trug noch dazu bei, dass der Herr der Zeiten glaubte, sich augenblicklich erbrechen zu müssen. Die Übelkeit war so überwältigend, dass Link sich überhaupt nicht darüber wunderte, dass Koume völlig ruhig blieb, obwohl ihre Schwester lichterloh brannte. Anstatt zu kreischen und zu zetern oder Link anzugreifen, schlich sich lediglich ein grimmiger Ausdruck der Entschlossenheit auf das Gesicht der Hexe. Kurz darauf wurde auch klar, warum: Obwohl es bei ihr schlimmer aussah als bei ihrer Schwester, erholte sich Kotake genauso schnell von dem Treffer wie ihr Zwilling zuvor. Zurück blieben versenktes Haar, faustgroße Brandblasen und nässendes, rohes Fleisch, wo die Haut abgeplatzt war. Während Link noch mit angewiderter Miene Kotakes neues Erscheinungsbild musterte, erhob Koume ihre Stimme und rief ihrer Schwester zu: „Sieht aus als müssten wir Ernst machen. Bist du bereit?“ Noch bevor der Herr der Zeiten sich auch nur fragen konnte, was die Feuerhexe damit meinte, nickte Kotake und flog direkt auf ihre Schwester zu, die sich ebenfalls in Bewegung setzte. Kurz darauf stießen die Twinrova frontal zusammen und verschmolzen zu einem Wirbelsturm aus Feuer und Eis, der Link zwang, sich schützend den Arm vors Gesicht zu halten. Als der Herr der Zeiten den Arm wieder sinken ließ, hätte er vor Überraschung beinah seinen Schild fallen lassen. Dort, wo Sekunden zuvor noch die zwei alten Hexen gewesen waren, schwebte nun eine junge Frau in der Luft und zwinkerte Link mit einem Augenaufschlag zu, den sie vermutlich für verführerisch hielt. Sie war in etwa so groß wie die Feenköniginnen, grell geschminkt und trug weiße Pumphosen zu einem mit Perlen und Edelsteinen besetzten Goldbustier. Am meisten irritierte Link jedoch ihr Haar: auf der einen Kopfhälfte schien es aus lodernden Flammen zu bestehen, auf der anderen aus Eiszapfen. Die Frau grinste über den konsternierten Gesichtsausdruck des verwirrten Mannes vor ihr und sagte: „Da staunst du, was? Ich bin die sexy Thermohexi!“ Am liebsten hätte Link sich die Ohren zugehalten. Nicht nur, dass die Stimme der Frau trommelfellzerreißend laut war, sie hatte auch noch einen merkwürdigen Doppelklang so als würden zwei Menschen im Chor sprechen. Bei diesem Gedanken begriff Link augenblicklich, was geschehen war: Koume und Kotake waren zu einer Person fusioniert! Wenn er sich konzentrierte, konnte Link sogar die Einzelstimmen der Schwestern aus der Doppelstimme der Thermohexi heraushören. Der Herr der Zeiten setzte eine trotzige Miene auf und antwortete mit einer Lässigkeit, die er nicht empfand: „Netter Trick. Ist bestimmt sehr praktisch, wenn man sich im Gasthaus das Geld für ein Doppelzimmer sparen will.“ Die Thermohexi verengte die Augen zu Schlitzen und presste die Lippen hart aufeinander. „Dir wird das Lachen schon noch vergehen, Herr der Zeiten.“ Dieses Mal überwog Koumes Anteil deutlich in der Stimme der Fusionshexe. Link zuckte mit den Schultern und entgegnete: „Ich höre mich überhaupt nicht lachen, meine Dame. Ich fühle mich auch gar nicht amüsiert, eher gelangweilt.“ Er hoffte, die Thermohexi provozieren zu können damit sie schnell angriff und er diesen Kampf bald zu Ende bringen konnte. Der Gebrauch von Nayrus Umarmung hatte ihn mehr Kraft gekostet als ihm lieb war und er spürte wie Erschöpfung seine Glieder allmählich schwer machte. Die Fusionshexe stieß einen ungläubigen Laut aus und murmelte mit Kotake-lastiger Stimme: „Es ist wirklich überaus schade, dass wir Ganondorf versprochen haben, dich zu vernichten. Es wäre wahrlich ein Vergnügen gewesen, deinen störrischen Geist zu brechen und dich zu unserem Sklaven zu machen!“ Mit diesen Worten hob sie ihre Hände, in denen sie jeweils einen Zauberstab hielt, und zielte auf Link. Unterdessen ging Navi im Vorraum unruhig auf und ab, wobei sie abwechselnd Gebete, Link möge den Kampf unbeschadet überstehen, und Verwünschungen dem Schicksal und dem Monster gegenüber, das ihren Flügel verletzt hatte, vor sich hin murmelte. Vingor hockte währenddessen im Lotussitz in einer Ecke und folgte der jungen Fee mit den Augen. Nach einer Weile sagte der Feenweise: „Dein Schützling bedeutet dir ungewöhnlich viel.“ Es war eine Feststellung, keine Frage. Navi unterbrach ihr ständiges hin-und-her-Laufen und sah ihren Artgenossen kalt an: „Spricht irgendetwas dagegen? Hat der Feenrat etwa verboten, dass man mit seinem Schützling Freundschaft schließt?“ „Nein.“ Vingor schüttelte den Kopf und sah Navi mit einer Miene an, die zwischen Nachsicht und Mitleid schwankte. Der Feenfrau lief es bei diesem Anblick eiskalt den Rücken herunter und sie wollte sich bereits wieder abwenden, als der Feenweise anfügte: „Es ist lediglich ungewöhnlich. Die meisten Feen, die auserwählt werden, eine Assistenzmission zu übernehmen, halten Distanz zu ihren Schützlingen, um sich selbst zu schützen.“ Obwohl Navi die Antwort auf ihre Frage bereits kannte, hörte sie sich gegen ihren Willen fragen: „Warum? Wenn man sich auf seinen Schützling einlässt und ihn richtig kennen lernt, fällt es doch viel leichter, sich in ihn hineinzudenken und im Voraus zu erahnen, welche Fehler er womöglich machen könnte. So kann man ihn viel besser davor bewahren, in sein Unglück zu laufen.“ „Das ist wahr“, stimmte Vingor zu, „aber ich sprach davon, dass die meisten Begleitfeen emotionale Distanz zu ihren Schützlingen bewahren, um sich selbst zu schützen. Wer eine Assistenzfee geschickt bekommt, ist für eine bedeutende und damit vermutlich gefährliche Mission auserwählt.“ Navi dachte an all die bedrohlichen und beinah tödlichen Situationen, die Link auf seiner Reise bereits durchlebt hatte, und überhörte beinah wie Vingor fortfuhr: „Helden sind fragile Wesen. Sie stellen sich den schlimmsten Gefahren dieser Welt und sind dabei genauso sterblich wie der Rest von uns. Die wenigsten Assistenzfeen kehren erfolgreich von ihren Missionen zurück. Die allermeisten verlieren ihren Schützling an Gevatter Tod. Und weil sie diesen Schmerz fürchten, halten sie Distanz.“ Augenblicklich drängt sich die Erinnerung an die Verzweiflung und die Pein, die sie jedes Mal empfunden hatte, wenn sie gedacht hatte, sie hätte Link endgültig verloren, in Navis Bewusstsein. Sie konnte ihre Artgenossen durchaus verstehen, dass sie derartige Erfahrungen scheuten. Sie war sich sicher, sollte es Link auf seiner Reise, in ihrer Obhut, doch noch dahin raffen, sie würde nie wieder dieselbe sein. Ein Teil von ihr würde mit ihm sterben… Dennoch schüttelte sie energisch den Kopf und entgegnete: „Sie sind Narren! Die Helden, die sie begleiten, sind bereit, alles für das Gelingen ihrer Missionen zu geben – wenn es sein muss, sogar ihre Leben. Dieselbe Bereitschaft sollten auch Begleitfeen an den Tag legen, wenn sie ihre Aufgabe gewissenhaft erledigen wollen. Andernfalls lassen sie ihre Schützlinge genauso im Stich wie alle anderen und verlieren sie womöglich nur deswegen, weil sie im entscheidenden Moment nicht alles geben!“ Die zierliche Feenfrau stieß schnaubend Luft aus den Nasenlöchern und fügte an: „Wenn es mich eines Tages meine geistige Gesundheit kosten sollte, dass ich Link immer in Freundschaft beigestanden habe, dann soll es im Namen der Göttinnen verdammt nochmal so sein! Link hat es mehr als jeder andere verdient, jemanden an seiner Seite zu haben, der alles für ihn geben würde!“ Zu Navis Überraschung schlich sich angesichts ihres Gefühlsausbruchs ein Lächeln auf Vingors Lippen. Der Feenweise nickte ihr zu und sagte: „Ich bin beruhigt, dass du so denkst. Bei dem, was ihm noch bevorsteht, wird der Herr der Zeiten einen Freund brauchen.“ „Wie meinst du das?!“ Navi riss alarmiert die Augen auf und starrte den alten Feenmann so intensiv an als wollte sie ihn mit schierer Willenskraft zum Reden bringen. Doch Vingor schloss nur die Lider und versank in tiefer Meditation. Navi wandte sich von ihm ab und schaute den Flur hinab, der zu dem Raum führte, in dem Link gerade kämpfte. Sollte sie zu ihm zurückkehren? Nein, Link hatte sie explizit darum gebeten, sich in Sicherheit zu bringen, damit er sich voll auf den Kampf konzentrieren konnte. Doch was, wenn er ihren Zuspruch brauchte? Hin und her gerissen begann Navi wieder damit unruhig auf und ab zu laufen und stumm mit sich selbst zu streiten. Der Feuerball, der sich aus der Spitze des linken Zauberstabs der Thermohexi löste, war um einiges größer als diejenigen, die Koume zuvor auf den Herrn der Zeiten geschleudert hatte. Dennoch blieb Link wie angewurzelt stehen und vertraute auf die Macht des Spiegelschilds – und tatsächlich schirmte das Gerudo-Relikt seinen Herrn genauso gut ab wie zuvor und warf den Feuerzauber auf die Fusionshexe zurück. Diese lächelte jedoch nur und machte nicht einmal den Versuch, auszuweichen. Stattdessen blieb sie mit ausgebreiteten Armen stehen als begrüße sie einen alten Freund. Der Feuerball schlug gegen ihre Brust und löste sich mit lautem Zischen auf, während die Hexe lachte: „Hast du wirklich geglaubt, es wäre noch immer so einfach? Wenn wir fusionieren, teilen wir all unsere Kräfte – und damit auch den Schutz gegen unsere Zauber.“ Als Link bei diesen Worten sämtliche Gesichtsfarbe verlor, verzog die Thermohexi ihre Lippen zu einem höhnischen Grinsen: „ Du hast es erfasst, Süßer. In dieser Form sind wir unbesiegbar!“ Link starrte sie in blankem Horror an, unfähig zu sprechen oder sich zu bewegen. Eine solche Angst, wie sie ihm gerade den Rücken heraufkroch, hatte er noch nie verspürt – noch nicht einmal, als er als Kind Ganondorf gegenübergestanden hatte. Seine Glieder wurden derart weich, dass der den Spiegelschild kaum noch halten konnte, und sein Mund wurde trocken wie Wüstensand. „Gar kein flapsiger Kommentar dieses Mal?“ Die Thermohexi zog einen Schmollmund und schien ernsthaft enttäuscht, dass Link seine Stimme verloren hatte. Als er sie daraufhin noch immer nur stumm aus panisch geweiteten Augen ansah wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange, seufzte die Hexe theatralisch auf und murmelte: „Am Ende sind sie dann doch alle gleich – der Mühe nicht wert…“ Mit diesen Worten hob sie erneut ihre Hände und ließ ein Stakkato-Feuer auf den Herrn der Zeiten niederprasseln, indem sie ihre Zauber abwechselnd in schneller Folge abschoss. Link blieb nichts anderes übrig als den Spiegelschild vor sich zu halten und sich zu fragen: Wie lange konnte die Thermohexi so weitermachen? Erschöpfte sie der Gebrauch von Magie überhaupt? Und viel wichtiger: Wie lange würde er dagegenhalten können? Bereits jetzt spürte er die alles übermannende Müdigkeit, die ihn seit geraumer Zeit stets im Hintergrund lauernd begleitete und selbst von einer Feenkönigin nicht geheilt werden konnte. Er fühlte sich ausgebrannt und lange Kämpfe fielen ihm zunehmend schwer. Ein lautes Knacken riss Link aus seinen Gedanken und brachte seinen Magen dazu, sich zu einer kleinen Kugel zu verknoten. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Offenbar bereitete der Riss, den der Spiegelschild während des Kampfes mit Naboru abbekommen hatte, nun Probleme. Der permanente Wechsel zwischen heiß und kalt, den das Wechselfeuer der Thermohexi verursachte, zermürbte sämtliches Material – so auch die Oberfläche des Spiegelschilds, wobei die bereits beschädigte Stelle besonders anfällig war. Weiteres Knacken und Knirschen verriet Link, dass sich noch mehr Risse in seinem Schild bildeten und es an den Rand der völligen Zerstörung brachten. Der junge Krieger war überrascht, dass er noch mehr Panik empfinden konnte als er es bis zu diesem Zeitpunkt bereits getan hatte. Er war sich sicher gewesen, er hätte das Maximum bereits erreicht, als ihm klar geworden war, dass die Twinrova unbesiegbar waren. Doch nun wurde ihm übel von dem Schrecken, den er empfand, und ihm drohte schwarz vor Augen zu werden. Er wollte nicht an diesem Ort sterben, zur Eisskulptur erstarrt oder zu einem Haufen Asche verbrannt… Warum nur musste ausgerechnet er der Auserwählte sein?! Er wollte das nicht! Hatte es nie gewollt… Alles, wonach er sich sehnte, war ein ruhiges Leben und ein paar gute Freunde, die dieses mit ihm teilten. Doch nicht einmal Letzteres war ihm vergönnt… Selbst seine Freunde waren vom Schicksal dahin gerafft worden, einer nach dem anderen… Plötzlich erklang eine körperlose, sehr vertraute Stimme in Links Ohr: „Gib nicht auf!“ Der verblüffte Recke blinzelte irritiert und lauschte angestrengt, obwohl er nicht daran glaubte, dass noch einmal passierte, was auch immer gerade geschehen war. Doch zu seiner großen Überraschung sprach die Stimme erneut zu ihm: „Du kannst es schaffen – du musst nur auf deine eigene Stärke vertrauen!“ Sein Herz raste nun so schnell, dass Link die einzelnen Schläge nicht mehr voneinander trennen konnte. Wie war das bloß möglich?! Woher kam auf einmal diese Stimme? Obwohl er fest davon überzeugt war, sein Geist spiele ihm lediglich einen Streich und er verlöre vor Todesangst schlicht den Verstand, rief er über das Prasseln und Zischen der noch immer auf ihn einschlagenden Zauber hinweg: „Salia?! Bist du das, Salia?“ Die Thermohexi zog irritiert die Augenbrauen in die Höhe, aber Link beachtete sie kaum. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, auf die Antwort der körperlosen Stimme zu lauschen. Bei ihren nächsten Worten hatte sie einen noch wärmeren, liebevollen Beiklang, doch es war vor allem das, was sie sagte, was Link die Tränen in die Augen trieb: „Ja, Link, ich bin es. Ich spreche durch Rauru direkt zu deinem Herzen. Die anderen sind auch hier.“ Es gab so vieles, was Link Salia sagen und fragen wollte – unter anderem, woher sie wusste, dass er ihren Zuspruch in diesem Moment bitter nötig hatte, und weshalb sie nicht schon früher zu ihm gesprochen hatte – aber bevor er auch nur einen Ton hervor gebracht hatte, meldete sich eine andere Stimme zu Wort: „Dieses hässliche Hexenpack putzt du mit links weg, Bruder! Du hast schon Schlimmeres überstanden!“ Gerne hätte Link Darunia erklärt, dass er mit dieser Annahme leider verdammt falsch lag, dazu sollte es jedoch nie kommen. Die Thermohexi rümpfte nämlich genau in diesem Moment die Nase und schmollte mit Kotake-lastiger Stimme: „Ich glaube, du bist nicht mehr ganz bei der Sache, mein Hübscher. Offenbar muss ich mich dir wieder ins Gedächtnis rufen!“ Mit diesen Worten schoss sie aus beiden Zauberstäben zugleich Magiestrahlen, die gleichzeitig auf die Oberfläche des Spiegelschilds trafen. Link wurde von der Wucht des Aufpralls beinah über die Kante des Podests geschoben und musste sich mit dem gesamten Körpergewicht nach vorn lehnen, um das Gleichgewicht halten zu können. Die Thermohexi lachte schallend und legte noch mehr Macht in ihre Zauber. Der Herr der Zeiten biss die Zähne zusammen und hielt tapfer dagegen, aber er wurde dennoch in die Knie gezwungen. In dem Moment, in dem Links Kniescheibe unsanft auf den Stein unter ihm schlug, passierte allerdings etwas Seltsames: Der Spiegelschild begann weiß zu glühen und zu summen wie eine angeschlagene Stimmgabel. Link blieb jedoch kaum Zeit sich darüber zu wundern. Nur Sekunden später ertönte ein Klirren, das selbst das Getöse der Zauber übertönte, und die Oberfläche des Schilds zerbrach, wobei ein gewaltiger Energiestrahl entfesselt wurde, der die Hexenzauber zurückdrängt, sodass es aussah als zögen sie sich in die Zauberstäbe der Fusionshexe zurück. Die Thermohexi riss überrascht die Augen auf, während sich eine Mischung aus Verwunderung und Entsetzen auf ihrem Gesicht breit machte. Der Energiestrahl traf die Hexe mitten auf die Brust, wo er sich zu einer Kugel zusammenballte, die größer und größer wurde, bis sie die massige Gestalt der Fusionshexe in sich eingeschlossen hatte. Link beobachtete irritiert und fasziniert zugleich wie die weiße Kugel anschließend in sich zusammenfiel wie eine vertrocknende Beere. Zurück blieb nur eine riesige Staubwolke, die für einen Moment wie erstarrt in der Luft zu stehen schien, dann aber doch langsam zu Boden rieselte. Der Herr der Zeiten ließ erschöpft die Überreste des Spiegelschilds sinken, das nur noch aus Rückwand und Griff bestand, und atmete erleichtert auf: die Thermohexi war weg! Er hatte es endlich geschafft! Für eine Weile genoss er die Ruhe und Stille, doch dann drang eine Stimme an seine Ohren, die ihm die Nackenhaare zu Berge stehen ließ: „Das ist alles nur deine Schuld! Wenn du nicht unbedingt mit ihm hättest spielen müssen, wären wir diesen Wurm schon lange los!“ Vor blankem Entsetzen konnte Link sich nicht mehr in seiner knienden Position halten konnte und sank zu einem Häufchen Elend auf dem Boden zusammen. Unterdessen wehrte Kotake die Vorwürfe ihrer Schwester ab: „Dass ich nicht lache! Er konnte die sexy Thermohexi doch nur besiegen, weil du so leicht in Rage gerätst und unvorsichtig wirst!“ Tränen der Verzweiflung strömten über Links Wangen, während er dem Gezanke der Schwestern lauschte. Es war so unfair! Warum nur waren diese alten Schachteln nicht klein zu kriegen?! Vor Wut über die Ungerechtigkeit des Schicksals schlug der Krieger mit der Faust auf den Boden und schrie seinen Zorn stumm in sich hinein, bis ihn etwas wieder aufhorchen ließ. War das gerade Navis Stimme gewesen, die er irgendetwas rufen gehört hatte? Was machte sie hier?! Er hatte ihr doch gesagt, sie solle sich in Sicherheit bringen! Seine Sorge um seine Fee verblasste jedoch schnell wieder, als Kotake sagte: „Sag mal, Koume, was hast du da eigentlich für ein komisches Ding auf dem Kopf?“ „Ich weiß nicht, Kotake“, entgenete die Angesprochene, „aber du hast auch so eins.“ Link riss den Kopf hoch und sah zum ersten Mal, seit er Koumes Stimme nach der Vernichtung der Thermohexi gehört hatte, wieder zu der Staubwolke auf. Diese hatte sich inzwischen merklich gelichtet und gab den Blick auf die beiden Hexen frei. Die Twinrova schwebten in der Luft und beäugten sich kritisch. Obwohl Link die beiden Hexen von Herzen hasste, glaubte er in diesem Moment, er habe in seinem Leben noch nie etwas Schöneres gesehen, und brach in regelrecht hysterisches Lachen aus. Die Körper der Schwestern waren weißlich-transparent und der Herr der Zeiten wusste ganz genau, was die merkwürdigen Gegenstände waren, die die beiden über ihren Köpfen entdeckt hatten. „Heiligenscheine!“, japste er zwischen zwei Lachattacken. „Ihr habt Heiligenscheine!“ „Was?!“ Kotake sah ihn verständnislos an, während Koume abwehrend den Kopf schüttelte. „Das kann nicht sein. Das würde ja bedeuteten, wir wären tot. Das ist absoluter Blödsinn – immerhin sind wir, abgesehen vom großen Ganondorf natürlich, die mächtigsten Wesen dieser Welt!“ „Eben“, pflichtete ihre Schwester bei und fügte an: „Außerdem bin ich erst 380 Jahre alt – das ist doch noch kein Alter zum Sterben!“ Link rang, noch immer lachend, röchelnd nach Luft und wischte sich mit der flachen Hand Tränen ab, die inzwischen aus Erleichterung über seine Wangen rannen. Unterdessen nickte Koume und sagte: „Und ich bin erst 400 Jahre!“ Bei diesen Worten wirbelte Kotake, die Link angesehen hatte, wieder herum und starrte ihre Schwester an. „Wie kannst du 400 Jahre alt sein?! Wir sind Zwillinge! Mach dich nicht älter als du bist!“ „Du kannst eben nicht rechnen, Dummkopf!“, keifte Koume zurück, während sich die transparenten Körper der Hexen allmählich in Nichts auflösten. Für einen Moment überlegte Link, dessen Lachkrampf allmählich ein wenig abflaute, ob er den beiden Schwestern ein grausiges Leben nach dem Tod wünschten sollte, entschied sich jedoch dagegen. Stattdessen beobachtete er leise vor sich hin glucksend und noch immer vor Freude und Erleichterung weinend wie die Twinrova keifend und zeternd ins Jenseits übertraten. Es war tatsächlich endlich geschafft! Kapitel 56: Die Weise der Geister --------------------------------- Navi lief noch immer unruhig auf und ab und knabberte vor Nervosität an den Fingernägeln, als plötzlich eine orangefarbene Lichtkugel aus Naborus Körper emporstieg und die Konturen der Gerudo annahm. Vingors Lippen umspielte ein väterliches Lächeln, während Navi die Weise der Geister zunächst vollkommen konsterniert anstarrte und dann einen Freudenschrei ausstieß: „Er hat es geschafft! Er hat es tatsächlich geschafft!“ Die Licht-Naboru sah sich irritiert in dem thronsaalartigen Raum um und fragte mit deutlicher Verwirrung und einem Hauch Angst in der Stimme: „Wo bin ich hier? Und wie bin ich überhaupt hierhergekommen?“ Dann entdeckte sie ihren unbewegt daliegenden Körper, unter dem sich eine beachtliche Blutlache ausgebreitet hatte, und stieß ein schrilles Kreischen aus: „Was ist mit mir passiert?!“ Anstatt ihr zu antworten, hob Navi lediglich die Hände vor sich als wolle sie die Gerudo notfalls mit Gewalt zurückhalten und sagte: „Wir werden dir alles erklären, aber zuerst muss ich Link holen. Nicht weggehen!“ Ohne Naborus Reaktion abzuwarten, wirbelte die Feenfrau herum und rannte den Flur herunter zu dem großen Saal, in dem der Kampf gegen die Twinrova stattgefunden hatte. Sie war derart ungeübt im Rennen, dass sie mehrfach stolperte und lang hinschlug, doch das hielt sie nicht auf. Selbst als sie sich auf dem Teppich das Knie aufschürfte, rappelte sie sich ihren kaputten Flügel verfluchend wieder auf und hastete weiter. Der Gang erschien ihr unendlich lang, aber nach einer guten Minute hatte sie den Saal endlich erreicht. Hektisch sah sie sich nach Link um, den sie anhand seiner Goronen-Rüstung als roten Fleck auf dem großen Mittelpodest ausmachen konnte. Schräg über ihm rieselte eine riesige Staubwolke langsam zu Boden. Obwohl Navi bereits jetzt das Gefühl hatte, ihre Lunge würde wegen der ungewohnten Rennerei jeden Augenblick platzen, rief sie: „Link, du Teufelskerl! Du hast es geschafft!“ Der Link-Klecks schien den Kopf zu heben, sank jedoch kurz darauf völlig in sich zusammen wie ein Daunenkissen, das Federn verlor. Bei diesem Anblick blieb Navi das Herz stehen und sie bremste stolpernd ab. War Link womöglich verletzt? Tödlich verletzt?! Vor lauter Freude über seinen Sieg hatte sich Navi gar keine Gedanken um den Zustand ihres Freundes gemacht… Sie wollte bereits zurückhetzen, um Vingor zu holen, als sie eine Stimme hörte. Zwar konnte sie nur undeutliches Gemurmel verstehen, aber dieser Klang hatte sich tief in ihre Erinnerungen gebrannt: Koume, eine der Twinrova! Aber wie war das möglich? Sie hatte mit eigenen Augen gesehen wie der Bann, der auf der Weisen der Geister gelegen hatte, gebrochen war. Das konnte doch nur bedeuten, dass die Hexen besiegt waren – oder nicht? Reichte womöglich der Tod einer Hexe bereits aus, um den Bann zu brechen? Doch dann ertönte auch Kotakes Stimme und Navi verstand die Welt nicht mehr. Sie war sich so sicher gewesen… Die Verblüffung und Enttäuschung klebten Navi am Boden fest und sie vergaß für einen Moment, dass sie Vingor hatte holen wollen. Stattdessen starrte sie auf die sich noch immer lichtende Staubwolke und versuchte zu begreifen, was vor sich ging. Dabei lauschte sie angestrengt auf die Worte der Hexenschwestern, die sich lauthals zu streiten schienen, doch die wiedererwachte Stimme des Tempels flüsterte nahezu ununterbrochen dazwischen, sodass Navi von beidem nur Bruchstücke verstand. Genervt warf die junge Fee die Arme in die Luft und stieß einen Laut der Frustration aus. Das Ganze war doch zum aus-der-Haut-Fahren! Alles an diesem Tempel verhielt sich als wäre der auf ihm lastende Bann der Twinrova gebrochen – dabei waren die zwei ganz offensichtlich noch immer da! Navi konnte inzwischen, da sich der Staub ein wenig gelegt hatte, sogar ihre Gestalten über Link in der Luft schweben sehen! Doch irgendetwas an ihrem Erscheinungsbild war merkwürdig… Navi konnte nur nicht sagen, was. Der Link-Klecks rührte sich nicht, als hätte er aufgegeben oder wäre sich der Anwesenheit der Hexen nicht bewusst. Sorge schnürte seiner Fee die Kehle zu und sie musste einen dicken Kloß herunterschlucken, bevor sie aus vollen Lungen schreien konnte: „Pass auf, Link!“ Hoffentlich konnte er sie hören und war nicht zu schwer verletzt… Navi überlegte fieberhaft, was sie tun konnte, um ihrem Schützling zu helfen, wurde jedoch jäh in ihren Grübeleien unterbrochen, als Link plötzlich in schallendes Gelächter ausbrach. Im ersten Moment fragte Navi sich, ob ihr Freund womöglich vor Angst den Verstand verloren hatte – so hysterisch klang sein Gelächter. Nach und nach verlor sich dieser Unterton jedoch und ließ nichts übrig als befreites, glückliches Lachen, was Navi zunächst noch mehr verwirrte. Als sie kurz darauf bemerkte, dass sich die Körper der Hexen allmählich auflösten, wurde ihr allerdings schnell klar, weshalb ihr Freund lachen musste und stimmte sogar mit ein. Geister! Die Twinrova waren nur noch Geister gewesen! Jetzt machte auf einmal alles wieder Sinn: der offenbar gebrochene Fluch und das Merkwürdige am Erscheinungsbild der Hexen, das Navi zuvor nicht hatte benennen können. Jubelnd lief die Feenfrau auf das mittlere Podest zu, um ihrem Schützling zu seinem Sieg zu gratulieren und ihm zu erzählen, dass es funktioniert hatte: die Weise der Geister war befreit worden und nun bereit, ihre Pflicht im Heiligen Reich zu erfüllen. Nach wenigen Schritten blieb Navi jedoch schon wieder stehen, als ihr einfiel, dass sie Vingor hatte holen wollen, bevor die Stimmen der Twinrova sie aus dem Konzept gebracht hatten. Link könnte verletzt sein! Bevor sie in Richtung Thronsaal davonstürzen konnte, kam Link allerdings wieder auf die Füße und machte sich so behände an den Abstieg, dass Navi ein Stein vom Herzen fiel. Wer sich so geschmeidig bewegte, konnte nicht schwer verletzt sein. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht rannte die Fee auf ihren Freund zu, um mit ihm gemeinsam seinen Sieg zu feiern. Unterdessen hatte Link arge Probleme, an der Außenseite des Podests wieder hinabzuklettern. Seine Knie waren noch immer so weich wie Pudding und seine Hände zitterten so sehr, dass er sich kaum festhalten konnte. Entsprechend froh war er, als er endlich den Boden erreicht hatte. Kaum hatte er den zweiten Fuß auf die Steinfliesen gestellt, warf sich ein leichtes Gewicht gegen seinen Stiefelschaft und eine wohl vertraute Stimme rief aufgeregt: „Du Teufelskerl! Du hast es wirklich geschafft!“ Link beobachtete lächelnd wie Navi an seiner Kleidung empor zu ihrem Stammplatz auf seiner Schulter kletterte und bedauerte die winzige Körpergröße seiner Fee. Wie gerne hätte er sich in diesem Moment von seiner Freundin in die Arme schließen und ein wenig halten lassen! Stattdessen musste er sich damit begnügen, dass Navi sich in seine Halsbeuge kuschelte… Nachdem sie ihn auf diese Weise ein paar Herzschläge lang an sich gedrückt hatte, sah die Feenfrau zu dem Gesicht ihres Schützlings auf und sagte: „Nicht, dass ich je an deinen Fähigkeiten gezweifelt hätte, aber wie hast du die Twinrova besiegen können?“ Der Herr der Zeiten zuckte leicht mit den Achseln und antwortete: „Streng genommen war ich das gar nicht.“ Mit diesen Worten zog er den vollkommen ramponierten Spiegelschild hervor und zeigte ihn Navi. Von der einstmals wunderschönen Spiegeloberfläche waren nur noch Splitter übrig, die wie Zahnstummel im Mund einer alten Vettel im Rahmen stecken geblieben waren. Dort, wo das Kernstück des Schilds gesessen hatte, war die rubinrote Fassung von pechschwarzen Brandflecken übersät und warf stellenweise sogar Blasen. Navi riss bei diesem Anblick ungläubig die Augen auf. „Wie…?“ Mehr als dieses eine Wort brachte sie nicht hervor, aber es reichte aus, damit Link sie verstand. Langsam auf den Thronsaal zusteuernd, wo sie Vingor und Naborus Leiche zurückgelassen hatten, erzählte der junge Krieger seiner Fee, was passiert war, nachdem sie ihn verlassen hatte. Je weiter Link in seiner Erzählung fortschritt, umso größere Augen machte die Feenfrau. Obwohl die die Twinrova schon immer gefürchtet hatte, hätte Navi sich niemals träumen lassen, dass die Hexenschwestern die Fähigkeit besessen hatten, sich zu einem Wesen zu verschmelzen. Nachdem Link seinen Bericht beendet hatte, betrachtete Navi den ruinierten Spiegelschild, den Link noch immer in den Händen hielt und vor sich her trug, mit traurigen Blicken und sagte dann lächelnd: „Es ist wirklich schade um das gute Stück… Aber wenn es dir das Leben gerettet hat, dann soll’s mir recht sein.“ Der Herr der Zeiten wollte seine Fee gerade fragen, ob sie eine Idee hatte, woher Salia und Darunia gewusst hatten, dass er ihren Zuspruch nötig gehabt hatte, als Stimmengewirr erklang. Alarmiert ließ Link die Überreste des Spiegelschilds fallen und rannte die letzten Meter des Flurs zum Thronsaal herab. Navi war bei der plötzlichen Bewegung von seiner Schulter gefallen, hatte sich aber noch an seiner Tunika festhalten und vor einem Sturz in die Tiefe bewahren können. Nun versuchte sie, wieder auf ihren Stammplatz zu gelangen und ihrem Schützling gleichzeitig zu versichern, dass keine Gefahr drohte. Doch bevor die Feenfrau einen vollständigen Satz zustande gebracht hatte, blieb Link kabrupt stehen und betrachtete zunächst irritiert, dann amüsiert die sich ihm bietende Szene: Naboru hatte Vingor in eine Ecke gedrängt und verlangte lauthals von ihm zu erfahren, was mit ihr geschehen war, während der Feenweise abwehrend die Hände vor sich hielt und ihr immer wieder mit panischem Unterton versicherte, er habe keine Ahnung. Links Stimme vibrierte vor unterdrücktem Lachen, als er sagte: „Du solltest ihm glauben, Naboru, auch wenn er ein Mann ist. Er weiß wirklich nichts.“ Die Gerudo wirbelte mit angriffslustiger Miene zu ihm herum und funkelte ihn zornig an. Link war sich sicher, hätte sie noch ihren Bogen besessen, sie hätte in diesem Moment damit auf sein Herz gezielt. Navi, die inzwischen wieder Links Schulter erklommen hatte, blickte unruhig zwischen Naboru und Link, die sich stumm anstarrten als wollten sie die Stärke des jeweils anderen abschätzen, hin und her und fragte sich, ob ein Weiser auch nach seiner Erweckung noch sein Schicksal und seine Pflicht ablehnen konnte. Naboru sah in diesem Moment jedenfalls alles andere als bereit aus, sich ins Heilige Reich zu begeben. Vingor drückte sich unterdessen mit dem Rücken an der Wand entlang aus der Ecke, murmelte etwas davon, dass er offenbar nicht mehr gebraucht würde und verschwand mit beeindruckender Geschwindigkeit aus dem Saal. Anscheinend hatte Naboru ihn zu Tode erschreckt. Diese brach zur allgemeinen Überraschung auf einmal in Lachen aus und rief: „Bist du das, Kleiner?“ Der Herr der Zeiten nickte und Naboru klatschte begeistert in die Hände, während Navi erleichtert aufatmete. Sie wusste nicht, zu wie viel die Weisen in ihrer Lichtgestalt fähig waren, hatte bei der Wut, die zuvor in den Augen der Gerudo gebrannt hatte, jedoch mit dem Schlimmsten gerechnet. Nun schien sie Link zumindest nicht mehr an die Gurgel gehen zu wollen… Naboru legte den Kopf schief und betrachtete den jungen Mann vor sich mit neuem Interesse, bevor sie bewundernd sagte: „Sieh dich an, Kleiner! Wie groß du geworden bist! Ich sehe dich noch genau vor mir wie wir uns damals getroffen haben – du warst noch so jung und hast trotzdem dermaßen entschlossen gewirkt, dass es mich beeindruckt hat.“ Dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck plötzlich und sie wirkte auf einmal viel jünger und verletzlicher, als sie fragte: „Hast du… Hast du sie eigentlich je…?“ Link nickte erneut und hob eine Hand damit Naboru seinen Handschuh besser sehen konnte. „Es tut mir leid, dass ich sie dir nie gebracht habe.“ Trauer legte sich auf das Gesicht der Gerudo, aber sie schüttelte nur den Kopf und betrachtete ihre eigenen Hände. „Das ist schon in Ordnung. Wie es aussieht, hätten sie mir sowieso nicht gepasst.“ Sie stieß einen langgezogenen Seufzer aus und fügte leise murmelnd an: „Mir hätte klar sein müssen, dass sie für Männer gemacht sind…“ Sie klang frustriert. „Wir wollten sie dir bringen!“, stellte Navi schnell klar, damit Naboru nicht auf die Idee kam, von einem Mann übers Ohr gehauen worden zu sein. So wie die Fee die Gerudo einschätzte, hätte diese eine solche Tat niemals verziehen – erst recht keinem Mann. Den Blick stur zu Boden gerichtet fragte Naboru: „Ach ja? Was hat euch aufgehalten?“ „Die Twinrova.“ Links Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Er wusste nicht, an wie viel Naboru sich aus den letzten sieben Jahren erinnern konnte, und wollte keine unangenehmen Bilder heraufbeschwören. Dennoch riss die Gerudo den Kopf wieder hoch und starrte Link mit einem entsetzten Ausdruck an. „Ja! … Jetzt, wo du es sagst… Ich erinnere mich daran, dass ich Gelächter gehört habe, während ich in der Eingangshalle auf euch gewartet habe. Ich wollte nachsehen, woher es kam, aber dann…“ Sie stockte kurz als müsste sie ihre Gedanken ordnen und fuhr dann fort: „… aber dann kamen die alten Hexen plötzlich durch ein Loch in der Decke und stürzten sich auf mich. Ich bin aus dem Tempel gerannt und gestolpert…“ Link fragte sich, ob sie hinter ihren geschlossenen Augen die Bilder der Vergangenheit sah und auf diese Weise ihre Entführung erneut durchlebte. Auch Navi zog ein mitfühlendes Gesicht, das deutlich verriet, dass sie nachfühlen konnte wie schwer Naboru das Erinnern fallen musste. Diese erzählte unterdessen mit zitternder Stimme weiter: „… Ich hab dich meinen Namen rufen hören und habe mich nach dir umgesehen, aber dann kam eine der Hexen mit erhobenem Zauberstab auf mich zu und dann…“ Naboru zog die Augenbrauen zusammen und schien an einem imaginären Hautfetzen an ihrem Daumen zu knibbeln, während sie angestrengt nachdachte. Nach einer Weile schüttelte sie frustriert den Kopf und ließ die Schultern hängen. „Nichts! Danach erinnere ich mich an absolut nichts mehr…“ Der mitfühlende Ausdruck auf Navis Gesicht intensivierte sich noch. Sie konnte sich gut vorstellen, wie erschreckend es sein musste, an einem unbekannten Ort zu sich zu kommen und nicht zu wissen, wie man dorthin gekommen war – vor allem, wenn man dann auch noch seine eigene Leiche entdecken musste. Wieder drängt sich der Fee eine Frage auf, die sie bereits seit Langem beschäftigte: Verloren die Weisen und der Herr der Zeiten ihre Erinnerungen, wenn sich ihre Seelen in die Körper von Neugeborenen einnisteten? Link hatte zwar erzählt, dass er während seines siebenjährigen Schlafes Bilder aus vergangenen Leben gesehen hatte, aber weder er noch die erweckten Weisen schienen sich bewusst an irgendetwas vor dem aktuellen Leben zu erinnern. Navi dachte daran zurück, dass sie Link nach seinem Erwachen aus dem Bannschlaf erklärt hatte, in ihm würden zwei Seelen leben: die Seele des Sohnes seiner Eltern und die des Lichtwesens, das der Herr der Zeiten war. Heute glaubte sie nicht mehr an diese These… Inzwischen war sie vielmehr davon überzeugt, dass die Seelen der Lichtwesen die ihrer Wirtskörper ersetzten. Vielleicht bildete sich die Seele eines Lebewesens ja erst im Laufe der ersten Lebensjahre und bis dahin war jeder Körper ein leeres Gefäß, das die Lichtwesen gefahrlos besetzen konnten und so die Entwicklung einer eigenen Seele blockierten? Link befeuchtete unterdessen seine Lippen mit der Zungenspitze und erklärte Naboru in behutsamem Ton: „Die Twinrova haben dich gefangen genommen. Für die letzten sieben Jahre warst du ihre Geisel.“ Die Gerudo riss die Augen auf und fragte entsetzt: „Sieben Jahre?! Wie geht es meinen Mädchen?“ „Dinah und den anderen geht es gut. Wir waren erst vor kurzem bei ihnen und ich habe sie mit eigenen Augen gesehen. Aus ihnen sind hervorragende Kriegerinnen geworden, die gut auf sich selbst aufpassen können“, beruhigte Link sie. Für einen Moment erwiderte Naboru das Lächeln, das um seine Lippen spielte. Dann schien sie jedoch zu erröten und fragte zögerlich: „Hab ich… habe ich… habe ich unter der Kontrolle der alten Hexen irgendetwas Grauenhaftes getan?“ Der Herr der Zeiten zog ein bedauerndes Gesicht und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich war selbst für sieben Jahre im Heiligen Reich gebannt und habe keine Ahnung, was in der Zwischenzeit passiert ist.“ Als Naboru daraufhin verwirrt blickte, deutete Link auf das Heft des Master-Schwerts, das über seine rechte Schulter hinweg lugte, und murmelte: „Offenbar hat das Ding so eine Art Altersfreigabe. Kein Gefuchtel mit dem heiligen Bannschwert vor der Volljährigkeit oder so…“ Naboru sah noch immer aus als verstünde sie kein Wort, doch sie deutete nur auf ihre sterblichen Überreste und fragte: „Und wie ist das passiert?“ Link öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn jedoch schnell wieder, als er es nicht über sich brachte, Naboru zu gestehen, dass er sie getötet hatte. „Du wurdest als Weise der Geister ins Heilige Reich berufen“, sprang Navi ihrem noch immer um Worte ringenden Schützling zur Seite, „und deine Seele musste für diese Reise ihren Körper verlassen.“ Naboru runzelte die Stirn und betrachtete skeptisch die große Blutlache unter ihrem Körper. Um ihr keinen Raum für unangenehme Fragen zu geben, redete Navi hastig weiter, während Link schuldbewusst auf seine Stiefelspitzen starrte: „Hyrule ist in den letzten Jahren in großes Unglück gestürzt worden. Das hylianische Königshaus ist gefallen und womöglich wurden all seine Angehörigen getötet, die Goronen wurden durch die Rückkehr des Feuerdrachen Volvagia beinah vollständig ausgelöscht und durch den Wasserdämon Morpha wurde das Reich der Zora von einer dicken Eisschicht überzogen – und das alles nur, weil der Großmeister des Bösen die schlimmsten Dämonenfürsten, die seit Anbeginn der Zeit in unseren Landen gewütet haben, wieder zum Leben erwacht hat.“ Die Gerudo sah geschockt aus, blickte aber noch immer ein wenig störrisch, ganz so als wollte sie fragen, was das alles mit ihr zu tun habe. Navi lehnte sich in ihrer sitzenden Position ein wenig nach vorn und fixierte ihr Gegenüber ganz genau – ihre nächsten Worte würden Naboru vollständig auf ihre Seite ziehen, da war sich die Fee sicher. Nach einer dramatischen Kunstpause fuhr sie mit eindringlicher Stimme fort: „Wir brauchen dich, Naboru! Ohne dich kann selbst der Herr der Zeiten Ganondorf nicht aufhalten!“ In den Augen der Gerudo blitzte etwas auf und ließ ihre Augen leuchten – wie ein Funke, der Feuer fing. „Ganondorf ist zum Großmeister des Bösen geworden?!“ „Ja.“ Link nickte und sah endlich wieder von seinen Stiefeln auf. „Er ist vor sieben Jahren ins Heilige Reich eingedrungen und hat das Triforce an sich gerissen. Glücklicherweise ist es bei seiner Berührung zerbrochen und er konnte nur ein Fragment des Götterrelikts an sich bringen. Deshalb haben wir noch eine Chance, ihn aufhalten zu können – aber dafür brauche ich die Hilfe von euch Weisen. Von allen sieben. Wenn nur einer fehlt, mindert das–“ Link wollte erklären, wie stark es seine Siegchancen gegenüber Ganondorf schmälern würde, sollte Naboru ihre Hilfe verweigern, doch die Gerudo fiel ihm rüde ins Wort: „Du? Wieso brauchst du meine Hilfe? Ich dachte, nur der Herr der Zeiten kann jetzt noch etwas gegen Ganondorf ausrichten.“ Link fragte sich, ob er angesichts dieser Frage beleidigt sein sollte, aber Naboru hatte nicht abwertend geklungen, lediglich ehrlich neugierig. Unterdessen antwortete Navi an seiner Stelle: „Weil Link der Herr der Zeiten ist! Nur er kann das Böse jetzt noch aufhalten.“ „Der Herr der Zeiten, hm?“ Naboru betrachtete Link mit einem merkwürdigen Blick, so als würde sie ihn zum ersten Mal wirklich wahrnehmen, und lächelte dann. „Du bist ja ein richtiger Held geworden, Kleiner. Das überrascht mich gar nicht.“ Der junge Mann errötete tief, während seine Fee zustimmend nickte und die Gerudo nachdenklich zur Decke aufsah. „Wenn ich so dringend gebraucht werde“, überlegte sie laut, „sollte ich mich wohl auf den Weg ins Heilige Reich machen – wir haben schon genug Zeit mit reden vergeudet.“ Mit diesen Worten verwandelte Naboru sich in eine orange Lichtkugel und schwebte davon, während ihre Stimme ein letztes Mal erklang: „Pass auf dich auf, Kleiner… nein, Link, Herr der Zeiten… Sag meinen Mädchen, dass ich stolz auf sie bin!“ Link und Navi sahen der Lichtkugel hinterher wie sie durch die Decke hindurch davonschwebte und fragten sich beide stumm für sich, ob sich das Schweben für die erweckten Weisen genauso natürlich anfühlte wie das Gehen in ihrer sterblichen Gestalt zuvor. Jedenfalls schien bisher keiner von ihnen Probleme gehabt zu haben, sich an die neue Daseinsform zu gewöhnen. Nach einer Weile warf Link seiner Fee einen Seitenblick zu und fragte: „Und wohin jetzt?“ Navi zuckte die Schultern und erwiderte seinen Blick mit einem ratlosen Gesichtsausdruck. Es war das erste Mal seit sie damals keine Ahnung gehabt hatten, wo sie den dritten Heiligen Stein suchen sollten, dass sie nicht wussten, wohin sie als nächstes gehen sollten. „Ich denke, wir sollten Dinah und den anderen erzählen, was mit Naboru geschehen ist. Bei der Gelegenheit können wir auch gleich Epona wieder abholen. Sie vermisst uns sicherlich schon schrecklich“, schlug Link vor. Zu ihrer eigenen Verwunderung wollte Navi widersprechen und stattdessen den Vorschlag machen, nach Shiek zu suchen. Vielleicht hatte der gerissene Shiekah ja inzwischen etwas über den siebten Weisen herausgefunden und wusste, wo man ihn suchen musste. Doch in dem Moment, in dem sie den Mund aufmachte, erklang plötzlich Raurus Stimme: „Gut gemacht, Herr der Zeiten!“ An Navis überraschtem Gesichtsausdruck konnte Link ablesen, dass sie den Weisen des Lichts ebenfalls hörte. Dieser sprach unterdessen weiter: „Du hast die Bannsiegel, die auf den fünf Türmen unserer Länder lasteten, gebrochen und die mit den heiligen Stätten verbundenen Weise erweckt. Deine Aufgabe ist beinahe erfüllt. Du musst nur noch den siebten Weisen finden und Ganondorf besiegen! Doch kehre zunächst in die Zitadelle der Zeit zurück. Dort erwartet dich jemand, der sich schon lange nach einem Treffen mit dir sehnt.“ Krieger und Fee verharrten noch eine Weile schweigend und warteten ab, ob Rauru noch etwas anfügen würde, aber der Weise des Lichts schien die Verbindung zu ihnen bereits wieder gelöst zu haben. Als sie sich sicher war, dass Rauru nichts mehr sagen würde, stieß Navi schnaubend Luft aus den Nasenlöchern und murrte: „‚Du musst nur noch Ganondorf besiegen‘ – der Alte hat ja echt Nerven! Als wäre ein Kampf gegen den Großmeister des Bösen nicht schwieriger als einem Kind die Bonbons zu klauen…“ Die Fee sah ihren Schützling erwartungsvoll an und hoffte zumindest auf ein Zucken seiner Mundwinkel, das ein unterdrücktes Lächeln andeuten würde. Link hatte ihr jedoch überhaupt nicht zugehört. Sein Herz pochte dermaßen heftig, dass das Rauschen seines Blutes so laut in seinen Ohren dröhnte, dass es jedes andere Geräusch übertönte. Konnte es sein? Hatte Rauru womöglich wirklich von Zelda gesprochen? Kapitel 57: Teil 4 - Die Auserwählten: Shiekah-Legenden ------------------------------------------------------- Bei diesem Gedanken wurde Link plötzlich trotz der Goronen-Rüstuntg unerträglich heiß und er stammelte ein wenig geistesabwesend: „Ja… ja, ich glaube, es ist wirklich eine gute Idee, zur Gerudo-Festung zurückzukehren. Dinah und die anderen warten bestimmt schon sehnsüchtig auf Neuigkeiten.“ Navi runzelte irritiert die Stirn und beugte sich ein wenig vor damit sie mehr vom Gesicht ihres Schützlings sah, obwohl sie auf seiner Schulter saß. Doch offenbar bemerkte Link die Bewegung und wandte rasch den Kopf, so als wolle er das Wandgemälde neben sich studieren. Nun noch irritierter fragte Navi zaghaft: „Ähm… du hast Rauru doch auch gehört, oder?“ „Hm-mh“, Link nickte ein wenig zögerlich. Ein Teil von ihm hätte gerne so getan als wüsste er nicht, was der Weise des Lichts ihnen mitgeteilt hatte. Der größere Teil von ihm brachte es jedoch nicht übers Herz einen Freund offen anzulügen. „Dann weißt du also auch“, fuhr Navi mit unbarmherziger Logik fort, „dass wir in die Zitadelle der Zeit müssen. Wieso holst du nicht endlich deine Okarina hervor? Und warum willst du immer noch zurück zu den Gerudos? Wir haben doch jetzt den Ansatzpunkt, den wir wollten.“ Resigniert ließ Link Kopf und Schultern hängen und stieß einen langgezogenen Seufzer aus. Es hatte keinen Sinn, seiner Fee verheimlichen zu wollen, was in ihm vorging. Sie würde sowieso nicht locker lassen, bis sie ihm auch noch das letzte Detail aus der Nase gezogen hatte… „Ich…“, setzte er mit brüchiger Stimme an, räusperte sich und sprach dann so schnell weiter als wollte er alle Worte auf einmal sagen, um es hinter sich zu haben. Navi musste sich stark konzentrieren, um alles zu verstehen. „Ich weiß, dass Rauru uns gesagt hat, jemand warte in der Zitadelle der Zeit auf uns. Und ich habe auch einen Verdacht, wer das sein könnte – und genau deswegen will ich da nicht hin!“ Navi riss überrascht die Augen auf und blinzelte ihren Schützling völlig perplex an. So ein Verhalten sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Normalerweise wäre er viel zu pflichtbewusst, um jemanden warten zu lassen. Weil ihr keine andere Erklärung für seinen Widerwillen einfiel, sagte die Feenfrau in sanftem Ton: „Ganondorf hat sicherlich anderes zu tun als irgendwo auf uns zu warten – immerhin ist er der Regent eines Landes, wo in allen Städten und Dörfern trotz all seiner Bemühungen, sein Volk einzuschüchtern, noch immer der Widerstand schwelt.“ „Ich weiß!“ Die Antwort fiel heftiger und rüder aus als Link gewollt hatte, aber das Chaos in seinem Inneren ließ ihn gereizt und bockig werden. Er wollte nicht über dieses Thema sprechen! Er wollte zurück zu den Gerudo gehen, sich ein wenig ausruhen und seine Gefühle ordnen. Von seinem harschen Ton getroffen, schnappte Navi sofort ein und blaffte: „Schön! Wovor hat der große Herr der Zeiten denn dann Angst, bitteschön?“ Link stieß erneut einen langgezogenen Seufzer aus. Warum nur konnte Navi nie etwas gut sein lassen? Wieso musste sie ihn immer dazu nötigen, sie an seinem Gefühlsleben teilhaben zu lassen? Dabei wäre er am liebsten nicht einmal selbst darin involviert gewesen… Ein Teil von ihm freute sich wahnsinnig über die Aussicht, womöglich Zelda wiederzusehen. Dieser Teil vermisste die Prinzessin und hatte ihr gegenüber romantische Gefühle, die Link immer wieder irritierten, wann immer er an Zelda dachte. Wie konnte man in jemanden verliebt sein, den man kaum kannte? Der andere Teil von ihm hingegen fühlte sich von Shiek angezogen und empfand ihm gegenüber Dinge, die Link erröten ließen, wann immer er darüber nachdachte. Selbst jetzt noch fühlte er einen schwachen Nachhall des Kribbelns, das seinen ganzen Körper erfasst hatte, als Shiek ihn im Gefängnis der Gerudo-Festung mit Walnussöl eingerieben hatte, um seine Haut dunkler erscheinen zu lassen. Diese sich widersprechenden Emotionen gaben Link das Gefühl, von innen heraus zu zerreißen. Er wollte Zelda treffen, aber irgendwie auch nicht… Und er hatte Angst vor seiner Reaktion, wenn sie es tatsächlich war, die in der Zitadelle auf ihn wartete. Oder wenn sie es nicht war… „Fein, dann redest du eben gar nicht mehr mit mir“, schnappte Navi, die von seinem Schweigen verletzt war, in seine Gedanken hinein. Nun gesellte sich zu seinem inneren Aufruhr auch noch die Wut auf sich selbst, dass er zu schwach war, seine Gefühle im Zaum zu halten, und zu allem Überfluss eine seiner letzten Freundinnen verletzt hatte. Die überkochenden Emotionen drückten gegen seine Brust wie ein Ballon, den man immer weiter aufpustete, bis schließlich irgendetwas in Link riss und er brüllte: „Na gut! Dann teleportieren wir uns halt in diese verfluchte Zitadelle!“ Nur Sekunden später fanden sich die beiden Abenteurer in der Zitadelle der Zeit wieder – jedoch schien diese vollkommen leer zu sein. Von der ominösen Person, die sie hier treffen wollte, war keine Spur zu sehen. Mit grimmigem Gesichtsausdruck sah Link sich im gesamten Gebäude um und knurrte dann, nachdem seine Suche erfolglos geblieben war, seine Fee an: „Bist du jetzt glücklich? Hier ist niemand!“ Navi, die nicht glauben konnte wie Link sich ihr gegenüber verhielt, schüttelte nur wortlos den Kopf. Was hatte sie bloß getan, dass er sie plötzlich behandelte als wäre sie seine Feindin? Eben waren sie noch beste Freunde gewesen und – zack – hatte er sie angeschrien und behandelte sie seitdem als wäre sie Ursprung all seines Leids. Am liebsten wäre sie in diesem Moment aufgestanden und gegangen… Sie fühlte sich verraten und ausgenutzt… Einzig der Gedanke an all den Stress, den Link in den letzten Monaten erleiden musste, ließ sie bleiben. Vielleicht war er inzwischen an einem Punkt angekommen, an dem er allmählich verrückt wurde? Trotzdem hatte er kein Recht, seinen Zorn an ihr auszulassen! Sie hatte immer zu ihm gestanden und alles für ihn gegeben! Vielleicht hatte Vingor doch Recht gehabt und es war besser, wenn sich eine Begleitfee emotionalen Abstand ihrem Schützling gegenüber bewahrte… Link schien zu spüren, dass seine Fee dabei war, sich ihm gegenüber zu verschließen, und seufzte auf. „Hör mal, Navi, das vorhin war nicht so gemeint. Ich…“ Doch der Herr der Zeiten kam nicht dazu, sich zu erklären, denn in diesem Moment erklangen plötzlich Schritte vom Eingang der Zitadelle her. Sofort wirbelte Link herum und sein Herz machte einen erfreuten Sprung, während er sich gleichzeitig enttäuscht fühlte. Dort, auf der Teleportierplattform, stand Shiek und blickte mit schief gelegtem Kopf zu den beiden Abenteurern herüber. Als Link ein wenig näher kam, sagte der Shiekah: „Wie ich sehe, hat Rauru meine Nachricht überbracht.“ „Ja.“ Der Herr der Zeiten fand an dieser Aussage nichts Ungewöhnliches, doch Navis Misstrauen Shiek gegenüber war mit einem Schlag wieder erwacht: „Woher kennst du den Weisen des Lichts? Und wie kannst du mit ihm kommunizieren, während er im Heiligen Reich ist, du aber hier bist?!“ Das Schimmern im unverhüllten Auge des Shiekah verriet, dass er lächelte. „Du wirst mir nie völlig vertrauen, oder, holde Navi? Nicht einmal nach allem, was ich bereits für euch getan habe?“ Die Fee schüttelte heftig mit dem Kopf. „Niemals. Irgendetwas an dir ist faul, das habe ich von Anfang an gespürt!“ Link lief bei dem scharfen Ton seiner Fee rot an und versuchte zu beschwichtigen: „Nimm das nicht zu ernst, Shiek. Navi und ich hatten uns vorhin ein wenig in den Haaren und sie ist vermutlich noch gereizt deswegen. Sie meint das eigentlich gar nicht so.“ „Und ob ich das so meine!“, rief die Feenfrau aufgebracht. Zur großen Überraschung der beiden Abenteurer nickte Shiek und gab zu: „Nun ja, ich muss zugeben, dass ich euch gegenüber nicht ganz ehrlich war und euch meine wahre Identität verschwiegen habe.“ „AH-HA!“ Navi stieß einen triumphierenden Laut aus, während Link das Gefühl hatte, man hätte ihm den Boden unter den Füßen entzogen. Trotz all der Warnungen seiner Fee hatte er dem Shiekah stets blind vertraut. Und nun sollte Navi tatsächlich Recht behalten…? Was war mit all diesen kleinen Momenten der emotionalen Nähe, die ihn mit Shiek verbunden hatten? Waren diese auch nur Scharade gewesen? Link fühlte sich plötzlich nackt und dumm und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust, während er darauf wartete, was Shiek noch sagen würde. Dieser holte hörbar Luft und sagte: „Ich werde mich euch nun offenbaren, doch dazu muss ich etwas ausholen. Gestattet ihr mir dies?“ Held und Fee gaben ihrem Gegenüber mit einer Geste zu verstehen, dass er mit seinen Ausführungen anfangen sollte. Dieser schien einen Moment zu überlegen wie er das Kommende formulieren sollte und begann dann: „Wie ihr sicherlich wisst, besagen die Legenden, dass, wer immer das Triforce berührt, von den Göttinnen einen Wunsch erfüllt bekommt.“ „Ja, wissen wir! Was hat das damit zu tun, wer du wirklich bist?“, herrschte Navi den Shiekah an, aber Link, der seinen Freund noch nicht vollends aufgeben wollte, wies sie zurecht: „Warte es doch ab. Er wird es schon noch erklären.“ Shiek nickte ihm dankbar zu und fuhr fort: „Natürlich wisst ihr auch, dass das Triforce in seine drei Fragmente zerbricht, wenn es von jemandem berührt wird, dessen Herz und Charakter unausgewogen sind.“ „Das ist der einzige Grund, weshalb wir noch eine Chance darauf haben, Ganondorf zu besiegen“, rief Navi und schüttelte dann resignierend den Kopf. „Ich weiß wirklich nicht, was das hier alles soll… Aber, bitte, fahr fort.“ Zur großen Verwirrung der beiden Abenteurer begann Shiek die Bandagen um seine linke Hand abzuwickeln, während er fortfuhr: „Neu ist euch aber vielleicht, dass die Legende wie sie vom Volk der Shiekah überliefert wurde noch weitergeht. Im Gegensatz zu der Legende der Hylianer gibt die Shiekah-Legende Hinweise darauf, was in einem solchen Fall mit den anderen Fragmenten passiert und wie sich das Triforce wieder zusammensetzen lässt.“ Der Shiekah hörte auf, seine Hand zu entwickeln und sah Link mit einem so intensiven Blick in die Augen, dass es diesem einen Schauer über den Rücken jagte. „Euch ist vermutlich bekannt“, fuhr Shiek fort, „dass die drei Fragmente des Triforce für die herausstechenden Charaktermerkmale der drei Göttinnen stehen. Din erschuf das Fragment der Kraft, Farore das Fragment des Mutes und Nayru schließlich das Fragment der Weisheit. In der Legende der Shiekah heißt es, dass derjenige, der das Triforce zum Zerbrechen bringt, das Fragment erhält, das seinem Herzen am ehesten entspricht. Es ist nicht überraschend, dass Ganondorf mit seiner Machtgier das Fragment der Kraft erhielt, als er vor sieben Jahren ins Heilige Reich eindrang.“ Link und Navi nickten unwillkürlich und lauschten weiterhin gespannt. Sie konnten sich zwar immer noch keinen Reim darauf machen, was das alles mit Shieks wahrer Identität zu tun haben sollte, aber immerhin erzählte er ihnen tatsächlich etwas Neues. „Die Shiekah-Legende besagt weiter, dass die Fragmente, die nicht an denjenigen übergehen, der das Triforce berührt hat, an die Auserwählten übergehen.“ Als Shiek die irritierten Gesichter seiner Gegenüber sah, hielt er kurz inne und erklärte: „In jeder Generation gibt es drei Auserwählte – die rechtmäßigen Besitzer der jeweiligen Triforce-Fragmente.“ Dann machte er eine kurze Kunstpause und eröffnete dann: „Der Auserwählte des Mutes bist du, Herr der Zeiten.“ Link riss überrascht die Augen auf. „Was?“ Auch Navi beäugte ihn mit einem skeptischen Blick von der Seite. „Jaaaa… gut…“, murmelte sie schließlich, „ich muss schon zugeben, dass Link außergewöhnlichen Mut bewiesen hat, aber macht ihn das gleich zum Auserwählten Farores?“ „Ich kann nicht der auserwählte Besitzer des Mut-Fragments sein. Ich bin doch schon der auserwählte Träger des Master-Schwerts“, wandte Link ein, dem die Vorstellung doppelt auserwählt zu sein, gar nicht behagen wollte. „Du bist es aber. Sie dir den Rücken deiner linken Hand an.“, forderte Shiek in auf. „Die Auserwählten sind auf der linken Hand mit dem Symbol des Triforce gezeichnet.“ Zögerlich zog Link seinen Handschuh aus und warf dabei immer wieder skeptische Blicke auf Shiek. Er wirkte absolut sicher, aber er musste sich irren… ganz bestimmt… alles andere war völlig unmöglich! Nachdem er den Krafthandschuh abgelegt hatte, konnte Link zunächst nichts Ungewöhnliches an seiner Hand entdecken und wollte Shiek schon zeigen, dass er sich irrte, als Navi plötzlich lautstark nach Luft schnappte. „Link! Sieh nur!“ Tatsächlich tauchte plötzlich ein dunkles Mal auf Links Handrücken auf wie etwas das an die Oberfläche eines Sees aufstieg. Das untere rechte Fragment stach besonders deutlich hervor. „Das… das kann nicht… nicht sein…“, stammelte Link, während Shiek bereits weitersprach: „Der Auserwählte Nayrus ist der siebte Weise, der Weise der Harmonie, dem es vorherbestimmt ist der alleinige Träger des vereinigten Triforce zu sein.“ Mit diesen Worten ließ er die Bandagen seiner linken Hand fallen und präsentierte den beiden Abenteurern seinen Handrücken. Dort prangte ebenfalls das Triforce-Symbol, doch bei ihm zeichnete sich vor allem das untere linke Fragment besonders deutlich ab. „Absolut unmöglich!“, stieß Navi aus, während Link noch immer zu verstehen versuchte, was das alles bedeuten sollte. „Prinzessin Zelda ist die Weise der Harmonie!“, fuhr die Fee aufgebracht fort. Woher Navi diese Gewissheit nahm, war Link schleierhaft, aber er wagte nicht, seine aufgebrachte Fee zu unterbrechen, um danach zu fragen. Unterdessen keifte Navi weiter: „Du kannst nicht der Träger des Weisheit-Fragments sein! Du bist ein Schwindl–!“ In diesem Moment erstrahlte plötzlich ein gleißendes Licht um Shiek herum, das ihn vollständig einhüllte und seine Gegenüber blendete. Navi und Link rissen fast zeitgleich ihre Hände vors Gesicht und wandten die Köpfe ab. Nach mehreren Sekunden flaute das Licht ab und Link wagte einen schnellen Blick zu Shiek herüber – und schrie überrascht auf. Dort, wo zuvor der Shiekah gestanden hatte, stand nun eine junge Frau mit langem blondem Haar, nachtblauen Augen und einem schüchternen Lächeln auf den Lippen. Ihr schlanker Körper war in ein reichverziertes Seidenkleid gehüllt und in ihrem Haar steckte ein goldenes Diadem. „P-Prinzessin Zelda!“, stieß Navi hervor und sprach damit aus, was Link ebenfalls durch den Kopf geschossen war. Die junge Frau nickte und sagte: „Ja, ich bin es. Die Scharade tut mir leid, aber es war der einzige Weg, mich all die Jahre vor Ganondorf zu verstecken.“ „Du… du bist Shiek?“ Link brachte kaum ein Wort hervor. Plötzlich hatte er überhaupt keine Ahnung mehr, was er denken sollte. Das Gefühl, betrogen worden zu sein, wurde beinah unerträglich. All die Zeit, in der er mit seinen verwirrenden Emotionen und Phantasien gekämpft hatte… Dabei war es von Anfang an Zelda gewesen, die ihm zur Seite gestanden und ihm den Kopf verdreht hatte… Er hatte sich wegen Nichts unzählige schlaflose Nächte bereitet… Während Link sich mit seinem aufgewühlten Geist auseinandersetzte, nickte Zelda. „Ja, der bin ich. Oder besser gesagt, er ist ich.“ Dann lächelte sie Navi an und fragte: „Und du? Willst du mir noch immer nicht vertrauen?“ „Doch!“ Die Fee strahlte plötzlich über das ganze Gesicht. Sie hatte Recht gehabt: mit Shiek hatte etwas nicht gestimmt, aber zum Glück hatte sich alles zum Guten gewendet! „Dann wirst du dich sicherlich von mir heilen lassen?“, fragte Zelda mit einem Schmunzeln und hob Navi vorsichtig von Links Schulter, wobei dieser kaum merklich vor ihr zurückwich. Sie hätte ihm die Wahrheit schon früher sagen können… Sie hätte ihm so viel Leid ersparen können, wenn sie ihm vertraut hätte… Zelda schloss die Hände über der zierlichen Fee und sofort erstrahlte goldenes Licht zwischen ihren Fingern hindurch. Ohne dass Link oder Navi gefragt hätten, erklärte sie: „In den Adern der hylianischen Königsfamilie fließt das Blut mächtiger Magier. Durch die Kraft des Triforce-Fragments der Weisheit verstärkt sich meine Macht sogar noch.“ „So konntest du dich auch in Shiek verwandeln, richtig?“, fragte Navi neugierig, nachdem Zelda die Hände wieder geöffnet hatte. „Ehrlich gestanden reichten meine Kräfte dafür nicht aus. Gestaltwandeln ist uralte Shiekah-Magie. Dafür brauchte ich Impas Hilfe.“ Während die Prinzessin antwortete, inspizierte Navi ihren verletzten Flügel und stellte erfreut fest, dass der Riss in dem feinen Gewebe verschwunden war. Begeistert stieß sie sich von Zeldas Hand ab und sauste kichernd durch die Lüfte. Eine Zeit lang trat betretenes Schweigen ein, dann warf Zelda Link einen schüchternen Blick zu. „Du wirkst gar nicht erfreut, mich zu sehen…“ Link atmete hörbar aus und entgegnete ausweichend: „Doch. Ich freu mich, dass du wohlauf bist. Wir hatten schon das Schlimmste befürchtet.“ Bei dem kalten Beiklang seiner Worte zog Zelda die Schultern ein wenig hoch und stellte fest: „Du fühlst dich hintergangen, oder?“ Ein Teil von ihm wollte sie anschreien: „Wie würdest du dich denn an meiner Stelle fühlen?!“ Doch Navi, die auf ihrem Freudenflug von dem kurzen Gespräch der beiden nichts mitbekommen hatte, ließ sich plötzlich wieder auf Links Schulter nieder und rettete Link vor der Notwendigkeit einer Antwort, indem sie sagte: „Aber eines verstehe ich noch nicht ganz. Wenn Shiek die ganze Zeit über in Wahrheit du war, warum hast du dann eines Nachts versucht, uns die Okarina der Zeit zu stehlen?“ Zelda betrachtete noch einen Moment lang Links verschlossenes Gesicht, dann wandte sie sich der Fee zu. „Ich wollte sie nicht stehlen, sondern nur für ein paar Minuten in den Händen halten. Ich hatte – und habe immer noch – schreckliches Heimweh und sehnte mich nach etwas aus meinem früheren Leben. Auf der Okarina hat meine Mutter mir früher öfter etwas vorgespielt, musst du wissen.“ „Ach so!“ Navi strahlte wie ein Honigkuchenpferd, weil all die Ungereimtheiten, die sie in den letzten Monaten beschäftigt hatten, endlich geklärt und aus der Welt geschafft waren. Zelda musterte Link, der auf der Unterlippe kaute und stur zu Boden blickte, aus den Augenwinkeln und einen Moment lang schien es als wolle sie an ihr Gespräch von zuvor anknüpfen. Doch stattdessen schlug sie nun einen geschäftsmäßigen Ton an: „Ich habe übrigens noch etwas für dich, Herr der Zeiten.“ Link hob langsam den Kopf und sah ihr ein wenig widerwillig ins Gesicht. „Ach ja?“ Als er das kurze Zucken ihrer Mundwinkel und den traurigen Schimmer in Zeldas Augen sah, tat ihm sein Verhalten sofort leid, aber er konnte nicht anders. Er fühlte sich dermaßen hintergangen… „Ganondorf ist wahnsinnig mächtig. Selbst mit der Hilfe von uns Weisen wirst du es schwer gegen ihn haben – zumal wir Weisen dir nicht im Kampf bestehen können. Alles, was wir tun können, ist es, ihn ins Schattenreich zu bannen, sobald du ihn im Kampf geschlagen hast. Solange er nicht besiegt ist, wird er sich unserem Bann widersetzen.“ Bei der Erwähnung des Schattenreichs musste Link an sein dunkles Abbild denken, das er im Wassertempel getroffen hatte. Bei der Erinnerung an dieses Aufeinandertreffen zog sich noch immer alles in Link zusammen und ein merkwürdiges Gefühl von Trauer überkam ihn. Trotz der Feindseligkeit, die das Schattenwesen ihm gegenüber an den Tag gelegt hatte, fühlte es sich ein wenig an als habe er seinen Bruder getötet. Um sich von der Erinnerung an den dunklen Link abzulenken, konzentrierte sich der Herr der Zeiten auf Zeldas Ausführungen: „Wir können zwar, wie gesagt, nicht in den Kampf eingreifen, aber Rauru und ich haben trotzdem etwas, mit dem wir dich unterstützen können.“ Mit diesen Worten hielt sie eine Hand mit der Handfläche nach oben vor sich. Nur einen Herzschlag später materialisierte sich etwas in ihrer Hand, das aussah wie ein Bündel goldener Pfeile. Dieses hielt sie Link entgegen und sagte: „Das hier sind heilige Lichtpfeile. Sie wurden von Rauru persönlich angefertigt. Ganondorf ist so sehr von Dunkelheit durchdrungen, dass diese Pfeile großen Schaden bei ihm anrichten werden. Wir hoffen, dir damit deine schwere Bürde ein wenig erleichtern zu können.“ Link nahm die Pfeile entgegen und wollte sich gerade bedanken, als plötzlich die Erde zu beben begann und Zelda von einem rosa Licht eingehüllt wurde. Beinah reflexartig streckte Link die Hand nach ihr aus, stieß jedoch gegen eine massive Wand – das Licht schien sich irgendwie verfestigt zu haben. „Prinzessin!“ Navi trommelte mit ihren kleinen Fäustchen gegen die kristalline Wand, während Link sich panisch nach einem Angreifer umsah. Auf einmal ertönte ein körperloses Lachen, das die Wände der Zitadelle erschütterte. „Endlich habe ich Euch gefunden, Prinzesschen!“ Links Magen zog sich zu einem harten Knoten zusammen als er die Stimme erkannte: Ganondorf! Fieberhaft tasteten der Herr der Zeiten und seine Fee das Lichtgefängnis der Prinzessin nach Rissen oder dergleichen ab – es musste doch eine Möglichkeit geben, Zelda zu befreien! Links Geist raste. Ob ein Schlag mit dem Goronenhammer ausreichen würde, um die kristallinen Wände zu zerbrechen? Und würde Zelda einen solchen Gewaltakt unbeschadet überstehen? Unterdessen sprach Ganondorf unbeirrt weiter: „Ich muss schon sagen, es ist wahrlich bewundernswert, dass Ihr Euch so lange direkt vor meiner Nase verstecken konntet. Ihr seid wirklich klug – so wie man es von dem Träger des Triforce-Fragments der Weisheit erwartet. Aber leider seid Ihr nicht klug genug…“ Zu Links Entsetzen schwebte das rosafarbene Licht – und damit auch Zelda – plötzlich Richtung Zitadellenausgang davon. So schnell er konnte, hastete Link der Prinzessin hinterher, was Ganondorf zu amüsieren schien. „Nur zu, Herr der Zeiten, versuch, sie zu retten!“ Zelda schlug von Innen gegen ihr Gefängnis und schien Link etwas zuzurufen, doch kein Laut durchdrang das seltsame Licht. Also hetzte der Herr der Zeiten der entführten Prinzessin hinterher – durch die von Zombies bevölkerten Ruinen Hyrule-Stadts, durch den ehemaligen Schlosspark bis zu Ganondorfs schwarzer Festung. Link hatte sich so sehr beeilen müssen mit dem schwebenden Licht mitzuhalten, dass er es beinahe nicht mehr geschafft hätte, rechtzeitig am Rand des Lavagrabens abzustoppen. „Hey… warte… auf… mich…“ Navi, die in der Zitadelle der Zeit den Startschuss verpasst hatte, flog keuchend auf Link zu und schimpfte halbherzig: „Du hättest ruhig mal schauen können, ob ich noch da bin.“ Anstatt auf ihren Tadel einzugehen, antwortete Link nur: „Wir haben sie verloren, Navi.“ Plötzlich brannte das schlechte Gewissen über sein unterkühltes Verhalten wie Feuer in seiner Seele und der Herr der Zeiten starrte sehnsüchtig auf die andere Seite des Lavagrabens. Wie sollte er nur jemals dort hinüber kommen? Kapitel 58: Die Regenbogenbrücke -------------------------------- „Hey, Link, jetzt bleib doch mal für einen Moment stehen und lass uns in Ruhe überlegen, was wir jetzt tun sollten.“ Navi, die dem rastlos am Rand des Lavagrabens auf und ab laufendem Herrn der Zeiten bis jetzt stetig hinterher geflogen war, ließ sich erschöpft auf einen großen Felsblocken sinken und sah ihren Schützling besorgt an. Seit Ganondorf Zelda entführt hatte, war Link wie von Sinnen. Obwohl die Hitze, die von dem flüssigen Gestein unter ihnen ausging, die Luft trocken und schwer zu atmen machte, hatte der junge Mann sich in der letzten Stunde noch keine Pause gegönnt. Der Schweiß lief ihm in breiten Bahnen über den Körper und färbte seine rote Tunika dunkel, aber Link schien dies überhaupt nicht zu bemerken. Stattdessen tigerte er unruhig hin und her und murmelte unablässig vor sich hin: „Es muss einen Weg auf die andere Seite geben – Ganondorf und seine Lakaien können die Festung ja auch irgendwie betreten…“ Navi seufzte tief auf, als ihr bewusst wurde, dass ihr Freund sie überhaupt nicht gehört hatte. Er war derart in seine eigenen Gedanken vertieft, dass er ihre Anwesenheit vollkommen ausblendete. Die Fee ließ ihren Blick auf die andere Seite des Lavagrabens wandern und überlegte, ob sie ein weiteres Mal herüberfliegen und nach einem Schalter oder dergleichen suchen sollte, der die Zugbrücke ausfahren würde. Gleich, nachdem sie an Ganondorfs Festung angekommen waren, hatte Link sie mit diesem Auftrag hinüber geschickt, aber sie war erfolglos zurückgekehrt, weil sie nichts hatte entdecken können. Aber vielleicht war sie nicht gründlich genug gewesen…? Gerade, als Navi sich wieder in die Lüfte schwingen wollte, passierte jedoch, wovor sie sich schon seit Minuten gefürchtet hatte: Link, der vor Ungeduld immer näher an den Rand des Lavagrabens gerückt war, trat auf einen losen Stein und drohte in die Tiefe zu stürzen. Navi streckte reflexartig einen Arm nach ihm aus, obwohl sie ihn niemals hätte halten können, und schrie: „NEIN!“ Link ruderte wie wild mit den Armen und versuchte verzweifelt, sein Gleichgewicht wiederzufinden – doch ohne Erfolg… Nach nur wenigen Sekunden siegte die Schwerkraft und sein Körper wurde in die Tiefe gerissen. Seltsam unbeteiligt bemerkte Link, dass die Zeit plötzlich langsamer zu laufen schien, und dachte, dass er nie in Erwägung gezogen hatte zu verbrennen. Obwohl der Gedanke an den eigenen Tod schon seit langem ein stetiger Begleiter war, war ihm nie in den Sinn gekommen, dass er auf andere Weise sterben könnte als von einem Gegner niedergestreckt zu werden oder bei einer seiner waghalsigen Klettertouren in die Tiefe zu stürzen. Verbrennen… Ein grausamer Tod… Ihm würde zunächst die Haut schmelzen, bevor Fleisch und Knochen Feuer fangen würden. Er konnte nur hoffen, dass die plötzliche Hitze der Lava seinem Körper einen derartigen Schock versetzen würde, dass er augenblicklich das Bewusstsein verlor. Wie aus weiter Ferne nahm er wahr, dass Navi sich am Rand des Grabens die Seele aus dem Leib schrie und dann in lautes Schluchzen ausbrach. Es tat ihm leid, dass sie seinetwegen so litt. Er wollte sich entschuldigen… Dann schlug er plötzlich auf etwas Hartem auf und ihm wurde die Luft aus den Lungen gepresst. Aber abgesehen davon passierte… nichts. Weder verlor er das Bewusstsein noch wand er sich vor Hitze und körperlichen Qualen. Sollten die Göttinnen trotz seines Versagens so gnädig gewesen sein, ihm einen derart schellen, schmerzlosen Tod zu gewähren? Blinzelnd schlug der Recke die Augen, die er ängstlich zusammengekniffen hatte, wieder auf und erschrak heftig. Er schwebte einige Meter über der Lavaoberfläche in der Luft! Aber er war doch auf harten Untergrund aufgeschlagen, das hatte er deutlich gespürt… Wie war das möglich? Nur mit Verzögerung nahm der junge Held war, dass sein Blick hinab auf die Lava nicht klar, sondern von einem milchig-weißen Schleier getrübt war. Doch bevor er sich darüber Gedanken machen konnte, warf sich ihm plötzlich Navi gegen die Wange und schlug mit ihren zierlichen Fäusten auf ihn ein. „Du Dummkopf! Du unvorsichtiger, leichtsinniger, kopfloser Dummkopf!“ Bunt schillernde Tränen rannen ihr übers Gesicht und ihr schmaler Körper erbebte unter heftigen Schluchzern. „Ich… Es… Es tut mir leid“, stammelte Link eine Entschuldigung, während er noch immer zu verstehen versuchte, was passiert war. Warum zum Deku lebte er noch? Hatte Navi ihn mit einer Art Feenzauber gerettet? Gerade, als er seine Begleiterin danach fragen wollte, nahm er aus dem Augenwinkel plötzlich eine Bewegung wahr und drehte den Kopf. Auch Navi, die noch immer laut schniefte, sah sich um und keuchte überrascht auf. Vom Himmel her schwebten sechs verschiedenfarbige Lichtkugeln zu ihnen herab, die Link und Navi sehr vertraut vorkamen: die Weisen! Kaum, dass sie die gleiche Höhe wie die beiden Abenteurer erreicht hatten, nahmen die Lichtwesen ihre früheren Gestalten an und betrachteten den Herrn der Zeiten mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken. Während Rauru missbilligend aus der Wäsche blickte, schien Darunia nur schwer ein Lachen unterdrücken zu können. Impa wirkte als sei sie mit den Gedanken bereits wieder bei Zelda und kümmere sich nicht um das Missgeschick ihres Helden. Naboru sah aus als würde sie sich fremdschämen und Salia und Ruto zeigten einen Ausdruck tiefster Erleichterung. Vorsichtig und langsam rappelte sich Link auf, damit er den Weisen nicht kniend begegnen musste und sah seine früheren Freunde fragend an. Als hätte sie seine Gedanken gelesen, erklärte Salia: „Wir haben unsere Kräfte vereinigt, um eine unsichtbare Brücke zu erschaffen. Du kommst jetzt ohne weitere Probleme auf die andere Seite.“ Link nickte als würde er verstehen und schob zaghaft einen Fuß nach vorn. Trotz Salias Worte erwartete ein Teil von ihm, wieder in die Tiefe zu stürzen. „Das kommt ja reichlich früh!“, giftete Navi, der der Schrecken noch immer tief in den Gliedern saß. „Hättet ihr euch nicht nützlich machen können, bevor Link beinah in den Tod gestürzt und ich vor Angst fast gestorben wäre?!“ Raurus missbilligende Miene verfinsterte sich noch und Link suchte verzweifelt nach Worten, die den Angriff seiner Fee abmildern würden, als Ruto entgegnete: „Wir haben so früh geholfen wie wir konnten, aber derartige Wunder brauchen eben ihre Zeit.“ „Genau. Außerdem mussten wir noch einiges für den finalen Kampf gegen Ganondorf vorbereiten“, pflichtete Naboru bei. „Was genau wollt ihr eigentlich tun, um mich dabei zu unterstützen? Rauru sagte damals, die Weisen würden dem Herrn der Zeiten zur Seite stehen, aber Zelda sagte vorhin, ihr würdet Ganondorf lediglich ins Schattenreich bannen – im Kampf selbst wäre ich jedoch auf mich allein gestellt. Ehrlich gestanden fühle ich mich ziemlich im Stich gelassen!“ Link biss sich auf die Zunge und wünschte augenblicklich, er könnte seine Worte zurücknehmen. Er schämte sich für seinen Ausbruch und hatte das Gefühl nicht das Recht zu haben, so mit den Weisen zu sprechen. Trotzdem erforderte es eine Menge Willenskraft, seine ehemaligen Freunde nicht lauthals anzuschreien, warum sie ihn allein gelassen hatten! Bis zu diesem Moment war ihm überhaupt nicht bewusst gewesen, wie verbittert er war und wie sehr er sich von den Weisen allein gelassen fühlte. Trotz aller Versicherungen, die Weisen sollten den Herrn der Zeiten unterstützen, hatten sie nie wirklich etwas für ihn getan. Navi war die Einzige gewesen, die stets an seiner Seite gewesen war und ihm Mut gemacht hatte, wenn er am Verzweifeln war. Selbst Salia, seine beste Freundin, hatte im Kampf gegen die Twinrova bis zur letzten Sekunde gewartet, bevor sie sich bemerkbar gemacht hatte! Plötzlich wurde ihm bewusst wie verraten und ausgenutzt er sich fühlte. Zelda hatte ihn über Monate hinweg belogen und in der Gestalt des Shiek mit seinen Gefühlen gespielt. Wie viel Selbstzweifel und Pein hätte sie ihm ersparen können, wenn sie sich ihm von Anfang an offenbart hätte? Und seine besten Freunde hatten ihn die ganze Zeit über beobachtet, aber nie Kontakt zu ihm aufgenommen, obwohl sie es problemlos gekonnt hätten wie er inzwischen wusste. Während die Weisen angesichts von Links wütendem Ton besorgte Blicke wechselten, beschloss der junge Mann, fortzugehen, sobald er seine Pflicht erfüllt hätte. Er wusste zwar nicht, wohin er gehen sollte, aber er spürte deutlich, dass er nicht in Hyrule bleiben wollte… Navi, die den Zorn und die Verbitterung ihres Freundes gut nachfühlen konnte, blickte zornig von einem schweigenden Weisen zum anderen. „Keine Antwort? Heißt das, ihr wollt einfach die Hände in den Schoß legen und wieder einmal tatenlos zuschauen wie Link sein Leben riskiert?!“ Salia zog ein Gesicht als breche ihr das Herz und sie öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, aber Rauru schnitt ihr das Wort ab: „Wir sind nicht hier, um uns vor dem Herrn der Zeiten zu rechtfertigen. Jeder von uns spielt seine Rolle in diesem Stück so gut er kann und nur, wenn wir uns alle an die uns zugewiesenen Aufgaben halten, können wir Hyrule noch retten. Also hört endlich auf, euch selbst zu bemitleiden und setzt euren Weg fort. Ganondorf wird mit jeder Sekunde mächtiger und für uns wird es auch wieder Zeit, ins Heilige Reich zurückzukehren. Sobald Link auf der anderen Seite ist, werden wir uns wieder zurückziehen und die von uns errichtete Brücke hinter ihm abbrechen.“ Navi wurde angesichts von Raurus kleiner Ansprache dermaßen zornig, dass ihr der Atem stockte und ihr gesamter Körper dunkelrot anlief. Am liebsten hätte sie ihn mit wüsten Beleidigungen und Verwünschungen überschüttet, aber Link neben ihr wurde plötzlich stocksteif und entgegnete eisig: „Natürlich, Weiser des Lichts. Ich werde meine Rolle erfüllen – nur keine Angst.“ Dann wandte er sich ruckartig ab und stakste auf unsicheren Beinen auf den Eingang zu Ganondorfs Festung zu. Salia stellte sich ihm in den Weg und schien ihn aufhalten zu wollen, doch Link schritt einfach durch sie hindurch. Trotz der unbändigen Wut, die Navi in diesem Moment den Weisen gegenüber empfand, zerriss es ihr bei diesem Anblick das Herz. Salia blickte Link mit so viel Schmerz in den Augen hinterher, dass die Fee am liebsten zu ihr herübergeflogen wäre, um sie zu trösten. Link jedoch wandte sich nicht einmal mehr um, als er das andere Ende der Brücke erreicht hatte. Stattdessen sprach er über die Schulter hinweg: „Gut, ich bin jetzt drüben. Ihr könnt in die Halle der Weisen zurückkehren.“ Dann fügte er mit beißendem Zynismus, sodass jede Silbe ein Dolchstoß in die Herzen seiner Freunde war, an: „Oh, und natürlich vielen Dank für meine Rettung. Wirklich, sehr uneigennützig von euch!“ Navi, die noch immer zwischen den Weisen in der Luft schwebte, beobachtete nachdenklich, wie Link anschließend durch das Eingangsportal der Festung schritt, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Vielleicht, überlegte sie, sollte sie ihn zurückhalten. Sie konnte seine Gefühle gut verstehen, aber sie war sich ebenso sicher, dass er es früher oder später bereuen würde, wenn er seine Freunde nun verstieß. Rauru hatte sich bereits wieder in eine Lichtkugel verwandelt und schwebte gen Himmel. Die anderen Weisen folgten ihm jedoch nur zögernd. Die meisten schienen sich eine Aussprache mit Link zu wünschen, doch in einem Punkt hatte der Weise des Lichts tatsächlich Recht: die Zeit drängte. Also verließen auch die anderen einer nach dem anderen diese Welt und kehrten in den Tempel des Lichts zurück. Salia blieb am längsten und blickte unendlich traurig auf den dunklen Torbogen, durch den Link verschwunden war. Dann seufzte sie schließlich auf und wandte sich an Navi, die noch immer wie gelähmt an ihrem Platz verharrte: „Pass gut auf ihn auf.“ Bevor die Fee etwas erwidern konnte, verwandelte sich auch die Weise des Waldes in einen Lichtball und schickte sich an, ins Heilige Reich zurückzukehren. Kaum, dass die letzte Weise diese Welt verlassen hatte, leuchtete die bislang unsichtbare Brücke in bunten Farben auf, sodass es für einen Moment aussah als sei der Lavagraben von einem Regenbogen überspannt. Dann zersprang die Regenbogenbrücke plötzlich in Scherben und fiel in die Lava, wo die einzelnen Bruchstücke langsam versanken. In einem Anflug von Wehmut dachte Navi, dieser Anblick sei eine treffende Analogie für das Leben, das Link und sie bislang geführt hatten. Am Ende zerfiel alles zu Scherben… Kapitel 59: In Ganondorfs Reich ------------------------------- Nachdem die Weisen sich wieder in das Heilige Reich zurückgezogen hatten, beeilte sich Navi wieder zu ihrem Schützling aufzuschließen. Sie konnte sich gut vorstellen, wie aufgewühlt sich Link nach diesem unerfreulichen Aufeinandertreffen mit seinen ehemaligen Freunden fühlen musste, und wollte ihn nur ungern sich selbst überlassen. Der einzig sichtbare Weg ins Innere der Festung führte durch einen imposanten Torbogen, der von drachenförmigen Wasserspeiern mit weit aufgerissenen Mäulern gesäumt war. Die spitzen Zähne der steinernen Bestien wirkten so real, dass es Navi bei diesem Anblick eiskalt den Rücken herablief. Dennoch verharrte die Fee einige Herzschläge lang in dem Durchgang und späte vorsichtig in den Eingangsraum der Festung, um eventuelle Gefahren ausmachen zu können. Sie war sich sicher, in Ganondorfs Heiligstem würde es von Fallen nur so wimmeln. Zu ihrer großen Überraschung erwies sich der kurze Flur vor ihr jedoch als völlig friedlich und leer. Es waren weder Wachen noch Anzeichen für Fallen zu entdecken. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend schwebte Navi ins Innere der Festung. Bedeutete das Fehlen von Wachen, dass Link diese bereits ausgeschaltet hatte oder fühlte sich Ganondorf dermaßen überlegen und siegessicher, dass er es nicht für nötig erachtete, Soldaten zum Schutz seiner Festung abstellen zu müssen? Oder wollte der Großmeister des Bösen sie gar ins Innere locken? Mit heftig schlagendem Herzen flog Navi durch den mit einem blutroten Teppich ausgelegten, dunklen Flur. Die nackten Wände bestanden aus dem gleichen, fast schwarzen Gestein wie die Außenfassade der Festung und schienen alles Licht zu schlucken, was die Fee angesichts des Hausherrn als absolut passend empfand. Sie folgte einer kurzen Treppe nach unten und zuckte heftig zusammen, als im Licht einer Fackel der metallene Mantel eines Stahlzyklopen aufblitzte. Navi presste sich flach an die Wand und rechnete jeden Augenblick damit vom Laserstrahl des Zyklopen erfasst und zu einem Häufchen Asche verbrannt zu werden. Nur mit Verzögerung bemerke die Feenfrau, dass das verräterische Zischen des Lasers überhaupt nicht zuhören war. Zögernd hob sie ein Augenlid und blinzelte zu dem vermeintlichen Angreifer hinüber. Erst jetzt fiel ihr auf, dass der Körper des Stahlzyklopen seltsam deformiert und ihm der Kopf vom Rumpf gerissen worden war. Link…, dachte Navi, verwarf diese Erklärung jedoch gleich wieder. Link hätte sich doch sicherlich einer seiner Bomben bedient, um einen Stahlzyklopen auszuschalten, aber sie hatte keine Explosion gehört. Außerdem wäre der Körper des Monsters dann deutlich stärker zerfetzt gewesen. Dieser Zyklop sah vielmehr so aus als hätte ihn jemand mit übermenschlichen Kräften zusammengeknüllt wie eine Papierkugel. Da das Monster in diesem Zustand keine Gefahr mehr darstellte, flog Navi näher an es heran, um es besser in Augenschein nehmen zu können. Tatsächlich konnte man auf der polierten Oberfläche des Zyklopen viele unterschiedlich große Dellen erkennen, die aussahen als wären sie durch Faustschläge oder Finger entstanden, die sich tief in das Metall gegraben hatten. An einer Stelle konnte Navi sogar einen fast kompletten Handabdruck entdecken und fröstelte bei diesem Anblick. Die Größe des Abdrucks passte perfekt zu der von Links Händen… Unterdessen hatte Link die zentrale Halle des Erdgeschosses erreicht und blickte sich staunend um. In der Mitte des gewölbeartigen Raumes schraubte sich ein imposanter Turm in die Höhe, der mit dem wie ein Drachenmaul aussehenden Torbogen wahrlich bedrohlich aussah. Rund um den Turm waren in gleich bleibendem Abstand sechs Türen verteilt, die in den Farben der Weisen gestrichen waren. Link überlegte gerade, ob es sich bei der Farbwahl um Absicht oder Zufall handelte, als plötzlich leise Orgeltöne an seine Ohren drang. Um sich besser auf die Musik konzentrieren zu können, schloss der Herr der Zeiten die Augen und spitzte angestrengt die Lauscher. Die Melodie war schaurig-schön und wurde offenbar von begabten und versierten Fingern gespielt. Das Wichtigste war jedoch, dass sie aus dem Turm zu kommen schien. Augenblicklich war sämtliches Interesse an den farbigen Türen vergessen und Link strebte mit langen Schritten auf das weit aufgerissene Drachenmaul zu. Er hatte keine Zeit zu verlieren – Zelda brauchte ihn. Hyrule brauchte ihn. Außerdem wollte er die ganze Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich bringen, um endlich wieder selbst über sein Leben bestimmen zu können. Er hatte es dermaßen satt der Herr der Zeiten zu sein… Erst, als er nur noch wenige Zentimeter vom Eingang zum Turm entfernt war, fiel ihm plötzlich das Kraftfeld auf, das den Turm gänzlich einzuschließen schien. Die Luft vor ihm waberte und flirrte wie an einem heißen Sommertag und gelegentlich zuckte ein blauweißer Blitz über den Zugang zum Turm. Wie hypnotisiert streckte Link eine Hand nach dem Kraftfeld aus – und bereute es sogleich schmerzlich! Seine Hand war nur noch Millimeter von dem Energiefeld entfernt, als ein Blitz auf seinen Arm übersprang. Augenblicklich fing der Krafthandschuh Feuer und Link stieß einen spitzen Schrei aus. Panisch versuchte der junge Mann, das lichterloh brennende Kleidungsstück auszuziehen, doch es saß so fest, dass es sich kaum vom Fleck bewegen ließ. Unterdessen schmolzen die silbernen Verzierungen und die eingearbeiteten Drachenschuppen, die den Krafthandschuhen ihre sagenumwobene Macht verliehen, rollten sich zu kleinen Trichtern auf und fielen vollkommen verkohlt zu Boden. Dabei entstand eine derartige Hitze, dass sogar der Ärmel von Links magisch verstärktem Kettenanzug schmolz. Das flüssige Metall fraß sich durch die bereits Brandblasen werfende Haut und versenkte ihm das Fleisch bis auf den Knochen. Bis Link es endlich geschafft hatte, den Handschuh auszuziehen, war sein linker Arm vollkommen ruiniert. Vom Handrücken bis hinauf zum Ellbogen war sämtliche Haut verschmort und geschmolzen und dunkelrotes Blut tropfte aus dem rohen Fleisch zu Boden. Die Schmerzen waren fast unerträglich, aber Link biss tapfer die Zähne zusammen und bemühte sich nach Kräften bei der Sache zu bleiben. Trotzdem drehte sich der Raum vor seinen Augen und es erforderte Links gesamte Willenskraft, nicht brüllend vor Qual auf dem Boden zusammenzubrechen. Wie sollte er in diesem Zustand kämpfen? In einem Anflug bitteren Zynismus‘ dachte der Herr der Zeiten, dass es einem Teil von ihm durchaus Vergnügen bereiten würde, zu versagen. Sollte Rauru sich doch selbst um Ganondorf kümmern! Aber dann sah er Malon und die anderen Bewohner der Lon-Lon-Farm sowie die Einwohner Kakarikos, Goronias, des Zora-Reichs und des Kokiri-Dorfs vor sich und schämte sich sogleich seiner Gefühle. Egal wie verraten er sich fühlen mochte, er durfte Hyrule und seine Bewohner nicht im Stich lassen. Es mochte ihm zwar nicht gefallen, aber das Heil unzähliger Seelen hing von seinem Erfolg ab… Also zog er mit schmerzverzerrtem Gesicht das Master-Schwert aus seiner Scheide, nahm es in die rechte Hand und machte ein paar Probeschläge. Er war mit rechts nie so geschickt gewesen wie mit links, doch er hatte keine Wahl. Entweder er schaffte es irgendwie, das heilige Bannschwert mit der rechten Hand zu führen oder alles war verloren. Gerade, als Link sich umfassender in der großen Halle umsehen wollte, schloss Navi endlich zu ihm auf. Beim Anblick seines geschundenen Arms schlug die Fee eine Hand vor den Mund und sah ihren Schützling aus geweiteten Augen mitfühlend an. Doch dann wich die Sorge ein wenig aus ihrem Gesicht und machte Platz für Zorn: „Also hast du Stahlzyklopen tatsächlich mit bloßen Händen bekämpft! Manchmal glaube ich fast, du willst unbedingt sterben!“ Link blinzelte seine Begleiterin irritiert an. „Was hat das eine denn mit dem anderen zu tun? Der Zyklop hatte mich nicht bemerkt und ich wollte die Gelegenheit nutzen, mich zumindest ein bisschen abzureagieren. Es bestand nie die geringste Gefahr.“ „Ja, das sehe ich!“, giftete Navi mit einem beredten Blick auf seinen linken Arm zurück. Link drehte den Oberkörper leicht, so als schmerzte es ihn, wenn sie sein nacktes Fleisch mit den Augen durchbohrte. „Das war nicht der Stahlzyklop.“ „Sondern?“ Der Herr der Zeiten deutete mit dem Kinn in Richtung Turm und erklärte: „Ich hab wissen wollen, wie stark das Kraftfeld ist.“ „Und dafür hast du deinen Arm hineingesteckt?!“ Navi starrte ihn aus kreisrunden Augen fassungslos an. Sie sah aus könnte sie jeden Moment auf ihn losgehen. Link zog unbehaglich die Schultern nach vorn. „Ich… Ich hab gedacht, im schlimmsten Fall würde es mich einfach zurückschleudern…“ „Du könntest tot sein – ist dir das überhaupt klar?!“ Navis Stimme überschlug sich vor ohnmächtiger Wut auf ihren Schützling. Wie hatte er nur dermaßen dumm und unvorsichtig sein können?! „Ich weiß!“, schrie dieser in einer für ihn ungewohnten Lautstärke zurück, bevor er die Schultern hängen ließ und in sich zusammenzusinken schien. Dann sagte er mit gesenktem Haupt: „Ich war so wütend und so verletzt, dass ich nicht richtig nachgedacht habe. Ich wollte einfach nur so weit weg von Salia und den anderen wie möglich und dieses Kraftfeld war im Weg. Ich weiß, es war dumm, aber mir ist in diesem Moment überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass es ernsthaft gefährlich sein könnte.“ Als er den Kopf wieder hob, standen Tränen in seinen Augen und Navis Groll schmolz wie Eis in der Sommersonne. Mit einem nachsichtigen Lächeln auf den fein geschwungenen Lippen legte sie ihrem Freund eine Hand gegen die Wange und sagte: „Shht. Ist schon gut. Es tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe. Ich mach mir halt…“ „… einfach nur Sorgen um mich“, fiel Link ihr ins Wort und erwiderte ihr Lächeln zaghaft. „Ich weiß.“ Die Fee zog ihre Mundwinkel noch ein wenig höher und nickte: „Genau. Und deswegen ist es jetzt auch viel wichtiger, dass wir uns etwas einfallen lassen wie wir deinen Arm wieder heilen können, anstatt uns darüber aufzuregen, dass dieses Missgeschick passiert ist.“ Link nickte und bedachte seine Freundin mit einem dankbaren Blick, der ihr Herz mit wohliger Wärme erfüllte. Dann überlegte der Herr der Zeiten laut: „Ob die Feenkönigin, von der wir Dins Feuersturm erhalten haben, noch immer hier in der Gegend ist?“ Bei diesem Gedanken leuchteten Navis Augen auf und sie klatschte begeistert in die Hände. „Aber natürlich, das ist es! Wir gehen zur Feenkönigin und lassen dich heilen! Durch den Fluch der Göttinnen kann sie schließlich nirgendwo anders sein als in ihrem Brunnen!“ Zu ihrer Überraschung schüttelte Link mit dem Kopf und korrigierte mit müde klingender Stimme: „Nein. Du fliegst zum Brunnen der Feenkönigin und fragst, ob sie eine Möglichkeit weiß, uns zu helfen. Vielleicht haben wir ja wieder Glück und du kannst mit einer Feenweisen zurückkehren. Ich werde unterdessen hier bleiben und schauen, ob ich irgendwie dieses Kraftfeld lösen kann.“ „Was? Nein!“, protestierte Navi. „Ich kann dich hier nicht allein lassen!“ „Doch, das wirst du müssen.“ In Links Augen stand ein resignierter Ausdruck, der Navi frösteln ließ. Es wirkte als hätte ihr Schützling akzeptiert, bei der Erfüllung seiner Pflicht zu sterben. Allein. Als sie daraufhin so heftig mit dem Kopf schüttelte, dass ihre Haare wie Peitschen durch die Luft flogen, nahm Link sie plötzlich in fest in die Hand und zwang sie ihn anzusehen. „Du musst, Navi! Ich kann diese Festung nicht verlassen, erinnerst du dich? Die Weisen haben ihre Brücke schon wieder zerstört. Du bist meine einzige Hoffnung. Lass mich jetzt bitte nicht im Stich.“ Die Fee sah ihren Begleiter erschrocken an. Das hatte sie tatsächlich für einen Moment vergessen… Dann schluckte sie den Kloß in ihrer Kehle herunter, straffte die Schultern und drückte den Rücken durch, bevor sie Link zunickte. „Du hast Recht. Und du kannst dich auf mich verlassen. Ich bin bald wieder da und dann heilen wir deinen Arm in Null Komma Nichts, damit du Ganondorf gehörig in den Hintern treten kannst!“ Mit diesen Worten erhob sie sich wieder in die Lüfte und sauste davon, ohne sich noch einmal nach Link umzusehen. Dieser lächelte ihr für einen Moment dankbar hinterher und fragte sich, was er ohne sie täte, dann wandte er sich wieder um und nahm die Halle genauer unter die Lupe. Nach einigem Suchen entdeckte der junge Mann auf der Rückseite des Turms eine sonderbar anmutende Vorrichtung. Sie sah aus wie ein großes, metallenes Tablett mit Vertiefungen für sechs runde Gegenstände. Link kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf und wünschte sich, Navi wäre noch bei ihm. Sie hätte vielleicht eine Idee, was dieses seltsame Ding sein mochte – und ob es womöglich von Bedeutung war. Auf der Unterlippe kauend wiegte Link den Kopf hin und her und versuchte, sich einen Reim auf seinen Fund zu machen. Wenn man genau hinsah, konnte man mehrere Schläuche entdecken, die bis zur Spitze des Turms zu führen schienen. Ob das merkwürdige Tablett irgendwie mit dem Kraftfeld in Verbindung stand? Da er die Untätigkeit nicht mehr aushielt, begann der Krieger grübelnd in der Halle auf und ab zu laufen, bis sein Blick wieder auf eine der farbigen Türen fiel. „Moment mal“, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf, „sechs Vertiefungen, sechs Türen… Ich fress eine Dekuranha, wenn es da keinen Zusammenhang gibt!“ Sofort wirbelte Link herum und strebte auf die blau gestrichene Tür zu. Etwa zeitgleich erreichte Navi die in der Nähe gelegene Feenquelle und erlitt einen schweren Schock: dort, wo sieben Jahre zuvor noch der Eingang zum Brunnen der Feenkönigin gewesen war, lag nun ein riesiger Felsbrocken und versperrte den Zugang zur Quelle. „Nein… das darf einfach nicht wahr sein!“ Navi hatte sofort wieder den grauenhaften Anblick von Links verbrannten Arm vor Augen und tastete fieberhaft die Ritzen zwischen Fels und Wand ab. Es musste einen Schlitz geben, der groß genug war, dass sie sich hindurch zwängen konnte! Es musste einfach… Doch nach Minuten fieberhaften Suchens musste die Fee sich eingestehen, dass sie die Feenkönigin nicht erreichen konnte. Was sollte sie jetzt bloß tun? Mit den Tränen kämpfend ließ Navi sich auf den verhängnisvollen Felsbrocken nieder und mahnte sich zu Selbstbeherrschung: „Reiß dich zusammen, Navi. Du hilfst Link nicht, wenn du dich jetzt selbst bedauerst und heulst wie eine unerfahrene Baby-Fee! Denk nach… denk nach… Was kannst du jetzt noch tun?“ Die wildesten Gedanken zuckten wie Blitze in einem Sommergewitter durch ihren Geist, aber nichts davon schien sie irgendwie voran zu bringen. Link konnte die Festung nicht verlassen und die nächsten Feenquellen, von denen Navi wusste, waren in der Gerudo-Wüste, auf dem Todesberg und im Kokiri-Wald – und waren damit viel zu weit weg, um dort nach Hilfe zu fragen. Trotzdem schwang sich die Fee einer Ahnung folgend wieder in die Lüfte und sauste in Richtung Nordosten davon. Die Kälte schlug Link entgegen wie eine massive Wand und der Herr der Zeiten wich überrascht einen Schritt zurück, den Türknauf noch immer in der Hand. Wirklich perfekt wurde seine Überraschung allerdings erst, als er den Raum hinter der blauen Tür genauer in Augenschein nahm. Der Boden des Zimmers war komplett mit einer weißen Masse bedeckt, die wie Schnee aussah, und hier und da hingen riesige Eiszapfen von der Decke. Der ganze Raum sah aus als entstammte er der Höhle des blauen Feuers in der Nähe von Zoras Reich. Vorsichtig wagte Link sich in die seltsame Kammer hinein, wobei seine Schritte das typische, knarzende Geräusch machten als bewegte er sich tatsächlich durch Neuschnee. Die beißende Kälte brannte wie tausende Nadelstiche in seinem verletzten Arm und er hinterließ eine Spur aus kleinen purpurnen Punkten, wohin er auch ging. Auf den ersten Blick erschien der Raum bis auf die merkwürdige Winterlandschaft nichts zu enthalten, doch dann entdeckte Link in einer Nische ein kleines Podest, das vollkommen von rotem Eis überzogen war. Der junge Krieger bemühte sich redlich, zu erkennen was unter der magischen Eisschicht verborgen war, konnte jedoch nichts weiter als ein blaues, tellerartig aussehendes Irgendetwas erkennen. „Macht nichts, das haben wir gleich“, dachte der Herr der Zeiten bei sich und holte seinen Wunderbeutel hervor. Zunächst wollte er gewohnheitsgemäß seine linke Hand hineinstecken, zog diese jedoch schnell wieder zurück als bei der Berührung seines rohen Fleisches mit dem Leder des Beutels ein stechender Schmerz seinen Arm hinauffuhr. Nachdem sich seine Nervenbahnen wieder beruhigt hatten und er nicht mehr das Gefühl hatte, jeden Moment ohnmächtig zu werden, schob Link seine rechte Hand in den verzauberten Wunderbeutel und stellte sich eine bis zum Rand mit blauem Feuer gefüllte Glasflasche vor. Wider Erwarten blieb seine Hand jedoch leer anstatt auf magische Weise plötzlich das erwünschte Objekt zwischen den Fingern zu halten. Irritiert zog der junge Mann die Stirn kraus und konzentrierte sich noch stärker – jedoch ohne Erfolg. Noch immer hatte sich keine Flasche mit blauem Feuer in seiner Hand materialisiert. War etwa der Wunderbeutel kaputt?! Nein, beruhigte Link sich selbst, wahrscheinlicher war, dass er bei seinem letzten Besuch in Zoras Reich alles blaue Feuer, das er gesammelt hatte, auch verbraucht hatte. Doch was jetzt? Sich um die eigene Achse drehend sah sich der Herr der Zeiten fragend im Raum um. Wenn diese Kammer tatsächlich der Höhle des blauen Feuers nachempfunden war, dann musste es hier auch etwas von der namensgebenden magischen Flamme geben. Und tatsächlich! Etwas über Kopfhöhe entdeckte Link eine weitere Nische, in der ein verräterisches blaues Licht flackerte. Aber wie sollte er nur dort hinaufgelangen? Zum Springen war es jedenfalls viel zu hoch und ans Klettern wollte Link mit seinem verletzten Arm nicht einmal denken… „Vielleicht können mir diese Eiszapfen irgendwie behilflich sein…“, überlegte der Abenteurer, während er im Geist abzuschätzen versuchte, ob die Eissäule, die der Nische mit dem blauen Feuer am nächsten war, im richtigen Winkel auf den Boden auftreffen würde, wenn er sie zum Fallen brachte. Doch wie sollte er den gewaltigen Eiszapfen überhaupt von der Decke kriegen? Da ihm auf die Schnelle keine Möglichkeit einfallen wollte, kümmerte sich Link zunächst um etwas Dringlicheres: mit flinken Bewegungen holte er seine grüne Zipfelmütze sowie eine seiner Kindertuniken hervor. Dann füllte er die Mütze mit der weißen Substanz auf dem Boden, von der er inzwischen annahm, dass es sich dabei tatsächlich um Schnee handelte. Anschließend legte er sich die Mütze auf den verletzten Arm und band sie mit der in Streifen gerissenen Tunika notdürftig fest. Im ersten Moment war der Schmerz kaum auszuhalten, doch die Kälte des Schnees half ein wenig die überreizten Nerven zu beruhigen und auf diese Weise kam weniger Dreck in die offene Wunde. Leider wusste er noch immer nicht, wie er an das blaue Feuer gelangen sollte… Genervt trat Link gegen eine Eissäule, die sich vom Boden Richtung Decke erhob, und fluchte leise vor sich hin, als die Spitze abbrach und ihm auf den Fuß fiel. „Verdammter Dreck…“ Sich die schmerzende Fußspitze haltend starrte Link missmutig auf den abgebrochenen Eisstalagmit, als ihm eine Idee kam. „Vielleicht, wenn ich eine Bombe an einen Pfeil binde…? Nein, das würde womöglich den ganzen Eiszapfen zerstören…“ Link lief grübelnd auf und ab, wobei er sein Ziel keine Sekunde aus den Augen ließ. Dann blieb er plötzlich stehen und sagte zu sich selbst: „Ja, das könnte funktionieren!“ Ohne auch nur eine weitere Sekunde zu verlieren, holte der Herr der Zeiten seinen Bogen und einen Pfeil aus dem Wunderbeutel hervor. Den Pfeil entzündete er an einer in der Nähe brennenden Fackel und legte dann an, um ihn so Richtung Decke zu schießen, dass er neben dem Eiszapfen im Gestein stecken blieb. Bei den ersten Versuchen fand die eiserne Spitze des Pfeils jedoch keinen Halt in dem harten Mauerwerk und das Geschoss fiel jedes Mal wieder herunter in den Schnee, wo es erlosch. Doch Link ließ sich nicht entmutigen und versuchte es wieder und wieder, bis seine Ausdauer endlich von Erfolg gekrönt war: Nach dem zwölften Schuss blieb der Pfeil endlich neben dem Eiszapfen stecken! Die Flammen, die von dem Pfeil ausgingen, entwickelten genug Hitze, um eine Kerbe in den Fuß des Eisstalagmits zu tauen. Jedoch war der Pfeil verbrannt, bevor die Kerbe groß genug war, dass es Link irgendwie vorangebracht hätte. Also wiederholte der Herr der Zeiten die Prozedur einige Male, bis der Eiszapfen schließlich durch sein eigenes Gewicht abbrach und zu Boden fiel. Beim Aufprall splitterten große Teile der Spitze ab und die Eissäule brach in der Mitte, doch das größte der übrig gebliebenen Stücke reichte zum Glück aus, dass Link sich von dort aus in die Nische mit dem blauen Feuer ziehen konnte. Sein verletzter Arm protestierte aufs Heftigste, aber der Krieger biss tapfer die Zähne zusammen. So schnell er konnte schöpfte er etwas blaues Feuer in eine leere Flasche und trug es zu dem Podest auf der anderen Seite des Raums. Kaum, dass das blaue Feuer das rote Eis berührt hatte, schmolz es von lautem Knacken und Zischen begleitet. Darunter zum Vorschein kam etwas, das entfernt an einen reich verzierten Notenständer erinnerte – bloß, dass dieser Ständer keine Notenblätter hielt, sondern eine blaue Scheibe, die schimmerte als wäre sie aus Kristall gefertigt. Link nahm das sonderbare Objekt vorsichtig in die Hand und staunte nicht schlecht, als er entdeckte, dass auf der Oberseite das Zeichen des Weisens des Wassers eingraviert war. Was hatte das zu bedeuten? Bevor sich der Herr der Zeiten einen Reim darauf machen konnte, ertönte plötzlich Rutos Stimme in seinem Geist: „Das ist das Medaillon des Wassers.“ Links Körper versteifte sich augenblicklich, da er an die unerfreuliche Begegnung mit den Weisen auf der Regenbogenbrücke zurückdenken musste. Wie viel Zeit war seitdem vergangen? Eine Stunde? Zwei? Link wusste es nicht. Seit er Ganondorfs Festung betreten hatte, schien er sämtliches Gefühl für Zeitabstände verloren zu haben. Ruto schien von seinem Unbehagen jedoch keine Notiz zu nehmen und fuhr unbeirrt fort: „In diesem Medaillon ist die Macht früherer Wasser-Weisen eingeschlossen. Einst wurde es dazu benutzt, um dem Herrn der Zeiten Macht über das nasse Element zu verleihen, aber Ganondorf hat es zusammen mit den Medaillons der anderen Weisen gestohlen, als er auch das Triforce-Fragment der Kraft in seinen Besitz gebracht hat.“ „Dann… dann kann ich jetzt das Wasser kontrollieren?“, fragte Link verblüfft. „Leider nicht.“ Ruto seufzte leise auf. „Ich weiß nicht, was Ganondorf mit den Medaillons gemacht hat, aber seine Magie hat sie irgendwie korrumpiert. Wir hatten gehofft, wir würden die Kontrolle über sie zurückerlangen, wenn du die Siegel auf ihnen löst, aber ich habe noch immer keinen Zugang zu der Macht des Wasser-Medaillons.“ „Hm…“ Link machte ein grübelndes Gesicht und drehte das Medaillon zwischen den Fingern. „Ich wüsste zu gerne, wozu Ganondorf die Medaillons braucht.“ „Das kann ich dir leider nicht sagen.“ Ruto klang ehrlich bedauernd, bevor sie in nachdenklichem Ton anfügte: „Aber er entzieht ihnen auf jeden Fall viel Energie. Das spüren wir.“ „Energie… Energie…“ Der Herr der Zeiten zog die Unterlippe zwischen die Zähne, als sich ein verschwommenes Bild vor sein inneres Auge schob. Er war sich sicher, dass er so etwas Ähnliches wie dieses Medaillon schon einmal gesehen hatte… Dann fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen und er hätte sich am liebsten die flache Hand vor die Stirn gehauen: die Vertiefungen in dem seltsamen Tablett hinter dem Turm hatten genau dieselbe Form und Größe wie dieses Medaillon. Das konnte kein Zufall sein! So schnell er konnte, hastete Link zurück zu der merkwürdigen Vorrichtung, die er zuvor entdeckt hatte und besah sich die Vertiefungen noch einmal genauer. Tatsächlich! Wenn man ganz genau hinsah, konnte man sogar erkennen, dass in jede Einkerbung das Zeichen eines Weisen eingraviert war! Einer inneren Eingebung folgend fügte Link das Medaillon des Wassers in die dazugehörige Vertiefung ein und wartete bis zu den Haarwurzeln angespannt ab. Zunächst passierte überhaupt nichts, dann leuchtete plötzlich das den Turm einschließende Kraftfeld in den Farben der Weisen auf. Die blauen Farbstränge flackerten wild und erloschen schließlich ganz, was Link ein verschlagenes Grinsen auf die Lippen zauberte. Endlich schien er einen Weg gefunden zu haben, das Kraftfeld zum Einsturz bringen zu können! Auch Ruto, die die Verbindung zu ihm die ganze Zeit aufrechterhalten hatte, gratulierte anerkennend: „Das war hervorragend kombiniert! Aber ich habe von dem Mann, den ich als meinen Gemahl auserwählt habe, auch nichts anderes erwartet. Los, beeil dich und löse auch die Siegel, die auf den restlichen Medaillons liegen!“ Dann wurde es still und Link dachte bereits, Ruto habe ihn wieder verlassen, bis sie plötzlich doch noch in sanftem Ton anfügte: „Und groll nicht zu lange mit Salia. Sie liebt dich und hat dir nie etwas Böses gewollt. Es ist für sie – genau wie für uns andere auch – nicht leicht, sich in ihre Rolle als Weise hineinzufinden. Sie wollte dich niemals im Stich lassen, sie war nur von ihren neuen Aufgaben zu sehr vereinnahmt, um zu merken, dass du sie gebraucht hättest.“ Mit diesen Worten zog Ruto sich endgültig zurück und überließ Link seinem schmerzenden Herzen. War er tatsächlich unfair Salia gegenüber gewesen? Ja, befand er, ja, das war er gewesen. Salia hatte stets zu ihm gehalten – selbst damals schon als er nicht mehr gewesen war als ein ungeliebter Außenseiter. Sie hatte ihn stets unterstützt und sogar den eigenen Schmerz heruntergeschluckt, um es ihm leichter zu machen, in die Welt hinauszuziehen und sein Schicksal zu erfüllen. Er musste sich so schnell wie möglich bei ihr entschuldigen! Mit langen Schritten hielt er deswegen auf die grün gestrichene Tür zu, hinter der er das Medaillon des Waldes vermutete. Kapitel 60: Hoffen auf Rettung ------------------------------ Inzwischen hatte Navi ihr Ziel erreicht und sie sah sich hilfesuchend in Kakariko um. Sie wusste, sie hatte hier einen Zauberladen gesehen, als sie das letzte Mal mit Link hier gewesen war. Aber wo war das bloß gewesen? Beinah panisch und von dem stetigen Gedanken begleitet, dass jede Sekunde kostbar war, hetzte die Fee zwischen den Häusern der immer weiterwachsenden Kleinstadt umher. Was, wenn Link angegriffen wurde, während sie hier herumirrte? Er verließ sich auf sie – sie durfte ihn nicht enttäuschen. Nicht sie auch noch... Navi war bereits den Tränen nahe, als sie den Zauberladen endlich auf einer Anhöhe, direkt neben dem Weg, der zum Todesberg führte, entdeckte. Während sie so schnell sie konnte darauf zu eilte, betete sie stumm zu den Göttinnen und bat sie um zwei Dinge: Erstens, dass der Zauberladen tatsächlich vorrätig hatte, auf was sie hoffte: eine Feenweise. Navi hasste diese Barbarei der Hylianer, die rosafarbenen Feen mit den sagenhaften Heilfähigkeiten in Flaschen zu sperren und zu verkaufen als wären sie keine Lebewesen, sondern Dinge, aus tiefstem Herzen. Doch in diesem Moment hätte sie ihren Artgenossen noch sehr viel mehr Leid zugemutet, wenn das bedeutet hätte, Link retten zu können. Zweitens betete sie darum, überhaupt einen Weg in den Laden hinein zu finden. Es würde ihr rein gar nichts nutzen, wenn hunderte Feenweisen feilgeboten würden, sie aber nicht eine davon erreichte. Glücklicherweise konnte sie nach kurzem Suchen auf der Hinterseite des Hauses tatsächlich ein angelehntes Fenster finden, durch das sie sich in den Laden hineinzwängen konnte. Im Inneren roch es erdrückend nach fremdländischen Gewürzen, Parfum und anderen Dingen, die Navi nicht zuordnen konnte – und von denen sie sich auch nicht sicher war, ob sie sie überhaupt zuordnen können wollte. Der Anblick milchig-trüber, körperloser Fischaugen, die aus einem Regal an der gegenüberliegenden Seite zu ihr herüberglotzten, jagte der Fee einen eiskalten Schauer über den Rücken. Mit flinken Fingern durchsuchte Navi die verschiedenen Ingredienzien, Fläschchen, Tiegel und Tuben auf der Suche nach etwas, das ihr weiterhelfen konnte – leider ohne Erfolg. Je länger sie sich durch die sonderbaren Zauberutensilien wühlte, desto sicherer wurde sie sich, dass sie hinten im Lager nicht fündig werden würde. Vorsichtig näherte sie sich dem Zugang zum Verkaufsbereich und hielt hinter dem zwischen den Türpfosten gespannten Vorhang inne, um auf verdächtige Geräusche zu lauschen. Zu ihrem Glück schien der Laden vollkommen leer zu sein. Trotzdem zog die Fee zuerst zaghaft den die Tür verhängenden Stoff zur Seite und spähte schnell in alle Ecken, um ganz sicher zu gehen, allein zu sein. Dann schlüpfte sie geschwind in den vorderen Bereich des Ladens und sah sich neugierig um. Auf langen Regalen, die an der Wand hinter einem langen Verkaufstresen angebracht waren, standen ein Wasserbassin mit lebenden Fischen, Gläser mit verschiedenen Monsterteilen, eine Flasche blaues Feuer und Phiolen mit ölig wirkendem Inhalt, den Navi nicht genauer zuordnen konnte. Unter den Regalen standen große Kessel, die bis zum Rand mit verschiedenfarbigen Tränken gefüllt waren, deren Dämpfe die Fee ganz schummerig machten, als sie ihnen zu nahe kam. Doch weit und breit war keine Feenweise zu entdecken... „Verdammt... und was jetzt?“ Vor Verzweiflung begann Navi die verschiedenen Flaschen und Gläser auf dem Regal hin und her zu schieben, in der irrsinnigen Hoffnung, dahinter doch noch zu finden, was sie suchte. Dabei machte sie jedoch so viel Krach, dass sie den herannahenden Ladenbesitzer nicht bemerkte... Als Link den Raum hinter der grünen Tür betrat, verspürte er sogleich einen Stich in seinem Herzen, fühlte es sich doch an als kehrte er nach langer Zeit in den Kokiri-Wald zurück. Der Boden war bedeckt von Moos und Laub und die Decke war hinter einem dichten Blätterdach verborgen, das von den Ästen und Zweigen der kleinen, in unregelmäßigen Abständen im Zimmer verteilten Bäume gehalten wurde. Geradezu ehrfürchtig trat Link in den Raum hinein und genoss das vertraute Einsinken seiner Sohlen in den weichen Untergrund sowie den Geruch nach Harz und Erde. Er hatte sich im Kokiri-Wald zwar nie wirklich wohl gefühlt, aber die Wälder waren das einzige Zuhause, das er kannte. Wie schon unzählige Male zuvor fragte sich der junge Mann, wie sein Leben wohl verlaufen wäre, wäre vor knapp zwanzig Jahren kein Krieg ausgebrochen. Ob er eine richtige Schule besucht und nachmittags seiner Mutter bei der Hausarbeit geholfen hätte? Vielleicht hätte sein Vater ihm das Kämpfen beigebracht und ihn ermuntert in seine Fußstapfen als Gardist zu treten. Womöglich hätte er aber auch eine Lehre bei einem der Handwerker in Hyrule-Stadt angetreten, um ein Leben in Frieden zu führen, ohne Gewalt, Blut und Tod… Bei dem Gedanken seufzte der Herr der Zeiten laut auf und betrachtete missmutig seinen notdürftigen Verband um den linken Arm. Er machte sich doch bloß etwas vor… Selbst wenn er bei seinen Eltern aufgewachsen wäre, stünde er nun hier und wäre in dieser misslichen Lage. Das Überleben seiner Eltern hätte nichts an Ganondorfs Plänen geändert und auch nicht daran, dass er als einer der Auserwählten zu den Waffen gerufen worden wäre. Der Herr der Zeiten zu sein war sein Schicksal, das Erbe seiner Seele – nicht die Folge unglücklicher Ereignisse und fragwürdiger Entscheidungen. Es gab für ihn kein Entrinnen… Sein gesamter Körper erschauderte, als er daran dachte, dass seine Berufung womöglich nicht mit einem Sieg über Ganondorf beendet wäre. Wann immer Hyrule eine Bedrohung drohen würde, die aus mehr bestand als kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Völkern, würde er wieder in seine Heldenrolle schlüpfen müssen – sei es nun in diesem oder irgendeinem nächsten Leben. Eine wahrhaft grauenhafte Vorstellung… Link war drauf und dran, sich in Selbstmitleid zu ergehen, als plötzlich ein Wolf aufjaulte und aus einer kleinen Höhle heraus auf ihn zu sprintete. Gewohnheitsgemäß hob der Abenteurer seinen linken Arm, um sein Schwert zu ziehen, zuckte jedoch heftig vor Schmerz zusammen, als sein provisorischer Verband auf der offenen Wunde scheuerte. Inzwischen hatte der Wolf ihn fast erreicht und setzte zum Sprung an. Ein derart großes Exemplar hatte Link noch nie in freier Wildbahn gesehen! Für einen kurzen Moment fragte er sich, ob Ganondorf es womöglich extra gezüchtet hatte, um das Medaillon des Waldes zu beschützen. Doch dann stieß sich der Wolf vom Boden ab und verdrängte jeden Gedanken aus Links Geist. Das Tier landete mit allen vier Pfoten auf der Brust seines Gegenübers und riss diesen so zu Boden. Die Luft wurde Link aus den Lungen gepresst und er schnappte reflexartig nach Luft, bevor einen gellenden Schrei ausstieß, als ihn der Wolf in die Schulter biss. Glücklicherweise, so dachte der rational analysierende Teil von ihm trotz der Schmerzen, hatte das Raubtier seine Fänge in seine linke Schulter geschlagen – so büßte er wenigstens nicht die bitter benötigte Funktionalität seines rechten Armes ein. Der Wolf knurrte bedrohlich und schnappte nach Links Kehle, als dieser versuchte, ihn irgendwie von seinem Körper zu schieben. Das wilde Tier war jedoch so schwer, dass der Herr der Zeiten es kaum bewegen konnte. Offenbar war die Macht der Krafthandschuhe durch die Zerstörung des linken Handschuhs stark eingeschränkt oder gar aufgehoben worden. Er musste irgendwie an eine Waffe kommen… Aber wenn er die rechte Hand von der Kehle des Wolfes nähme, würde dieser sofort wieder zubeißen – und dieses Mal wäre der Biss womöglich tödlich. Verzweifelt versuchte Link seinen Angreifer zu erwürgen oder ihm das Genick zu brechen, aber seine Finger fanden keinen richtigen Halt in dessen dichtem Fell. Ohne eine Waffe ging es nicht… Die Zähne fest zusammen gebissen, schob Link so behutsam wie möglich seine verletzte Hand in seinen Wunderbeutel. Sein Körper krampfte sich immer wieder unter neuen Schmerzwellen zusammen, aber irgendwie schaffte er es trotzdem, einen Pfeil hervorzuholen. Ohne auf die Proteste seines verletzten Armes zu achten, riss der Herr der Zeiten seine Waffe in die Höhe und rammte sie dem Wolf bis zu den Federn ins Auge. Dieser jaulte laut auf und sprang zurück, um weiteren Attacken zu entgehen. Link kam keuchend wieder auf die Beine, die sich wackelig und weich anfühlten. Schmerz und Schock forderten ihren Tribut. Dennoch zog er schnell das Master-Schwert, um für einen erneuten Angriff des Wolfes gewappnet zu sein. Dieser umrundete ihn in immer enger werdenden Kreisen, wobei er bedrohlich die Zähne bleckte und wütend mit dem Schwanz peitschte. Blut quoll aus dem zerstochenen Auge und lief in einer breiten Bahn über seine Wange. Link umklammerte unterdessen fest das Heft seines Schwertes und wartete bang darauf, dass das Raubtier erneut zum Sprung ansetzen würde. Nur Sekunden später war es dann auch schon so weit: Der Wolf stieß sich mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, ab und segelte mit weit aufgerissenem Maul auf den Herr der Zeiten zu. Dieser brachte sich mit einer Drehung des Oberkörpers aus der Gefahrenzone und ließ seine heilige Klinge auf den Nacken des Angreifers niedersausen. Als die Schneide auf Knochen traf, drohte die Waffe aus Links Hand zu entgleiten, aber dann schaffte er es doch noch, das Wolfshaupt vom Rumpf zu trennen. Der Schädel fiel augenblicklich zu Boden, während der kopflose Körper noch wenige Zentimeter weiter durch die Luft flog, bevor auch er im Moos aufschlug und mit seltsam verdrehten Gliedern liegenblieb. Erleichtert aufatmend schob Link sein Schwert zurück in die Scheide und klopfte sich grob den Schmutz aus den Kleidern. Er konnte nur hoffen, dass Navi mit einem Heilmittel zurückkehren würde, bevor er auf Gegner traf, die bessere Kämpfer waren als ein wilder Wolf. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Raum zu. Irgendwo hier musste das Medaillon des Waldes versteckt sein… Tatsächlich entdeckte Link das Artefakt bereits nach kurzem Suchen. Allerdings war der Altar, auf dem es aufgebahrt war, von sonderbaren Ranken überwuchert, die es ihm unmöglich machten, das Medaillon an sich zu nehmen. Sobald er eine Pflanze abschlug oder ausriss, wuchs augenblicklich eine neue nach, die deren Platz einnahm. Vor Anstrengung keuchend stand der Herr der Zeiten vor dem überwachsenen Altar und starrte missmutig auf die eng verwobenen Schlingpflanzen vor sich. Wieder einmal wünschte er sich, Navi wäre an seiner Seite. Sie war so viel pfiffiger als er, wenn es um solche Dinge ging… Als ihm schließlich doch noch eine Idee kam, setzte der Recke ein grimmiges Gesicht auf und murmelte: „Dann eben auf die ganz harte Weise!“ Mit diesen Worten holte er Dins Feuerinferno hervor und ließ die darin eingeschlossene Feuersbrunst auf den Wald-Raum los. Sogleich fingen die Pflanzen um ihn herum Feuer und heizten das Zimmer unerträglich auf. Das Eis in Links Verband schmolz in Sekundenschnelle, sodass eine Pfütze zu seinen Füßen entstand, die beinah augenblicklich verdampfte. Der ganze Raum war von dem Knistern und Knacken der alles verzehrenden Flammen erfüllt und Link Lippen bekamen vor Hitze blutige Risse, aber dennoch jubelte er innerlich: Er hatte es tatsächlich geschafft, das Medaillon freizulegen. Schnell griff er in die noch immer brennenden Überreste der Ranken und schnappte sich die grüne Scheibe, die sich zu seiner Überraschung kühl anfühlte. Dann beeilte er sich, das Wald-Zimmer zu verlassen, bevor er noch eine Rauchvergiftung bekam oder sogar verbrannte. Dicker, grauer Rauch quoll durch die Ritzen der Tür, nachdem Link diese ins Schloss geschlagen hatte, aber das beachtete der Herr der Zeiten überhaupt nicht. Stattdessen beeilte er sich zu dem Tablett mit den Vertiefungen zu kommen, um das Medaillon einsetzen zu können. Erst, als er es erreicht hatte, hielt er inne und lauschte in sich hinein. Irgendwie hatte er erwartet, Salia würde genau wie Ruto Kontakt zu ihm aufnehmen, sobald er das Medaillon in den Händen hielt. Aber da war nichts… Vielleicht wollte sie ja nicht mehr mit ihm reden, weil er sie mit seinem Verhalten auf der Brücke gekränkt hatte. Er hätte es ihr jedenfalls nicht verübeln können. Trotzdem wagte er sich vor: „Salia, bist du da? Ich… Es…“ „Ist schon gut, Link. Ich weiß.“ Die Stimme des Kokiri-Mädchens klang freundlich und warm, so als wäre es bereits durch Links Kontaktaufnahme völlig versöhnt. Unwillkürlich schoben sich die Mundwinkel des jungen Mannes nach oben. „Aber natürlich weißt du, dass es mir leid tut. Du kennst mich schließlich besser als ich selbst.“ Er konnte fast sehen wie Salia mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen nickte. „Bald hast du es geschafft“, sprach sie ihm Mut zu. „Ja… Wirst du beim finalen Kampf bei mir sein?“ Link schämte sich nicht, dass seine Stimme ein wenig zitterte. „Natürlich“, antwortete Salia, „in Gedanken werde ich immer bei dir sein.“ Link schloss für einen Moment die Augen und rief sich seine liebste Erinnerung an seine beste Freundin vor sein geistiges Auge: wie sie zusammen Blumenkränze für ein Fest zu Ehren des Deku-Baums gebastelt hatten. Sie hatte so hübsch ausgesehen mit den verschiedenfarbigen Blüten im Haar… Und wie ihre Augen gestrahlt hatten, wann immer sie ihn angelacht hatte! Dann atmete der Herr der Zeiten langsam aus und setzte das Medaillon des Waldes in die richtige Vertiefung ein – in diesem Moment gab es nichts mehr, das er und Salia hätten austauschen müssen. Es war alles gesagt. Die grünen Stränge des Kraftfelds flackerten auf und erloschen schließlich. Zeit, den nächsten Raum in Augenschein zu nehmen! Navi war noch immer vollkommen von ihrer Suche nach einer Feenweisen absorbiert, als plötzlich eine Glasflasche über sie gestülpt wurde. Vor Schreck zuckte die Fee heftig zusammen und sie brauchte einige Sekundenbruchteile, um zu realisieren, was mit ihr geschah. Dann sauste sie so schnell sie konnte auf den Flaschenhals zu, um noch rechtzeitig entkommen zu können, bevor die Flasche verschlossen wurde – doch zu spät… Der Korken wurde ihr hart ins Gesicht gestoßen, sodass sie heftig zurückprallte und vor Schmerzen leise aufstöhnte. Dann wurde die Flasche herumgedreht, sodass sie nicht mehr auf dem Kopf stand, und Navi purzelte, benommen wie sie noch immer war, durch den Flaschenhals zurück in den Bauch des Gefäßes, wo sie unsanft auf dem Rücken landete. Goldenes, im zuckenden Licht der Fackeln bunt schillerndes Blut tropfte aus ihrer zierlichen Stubsnase, aber das nahm Navi nur am Rande wahr. Anstatt ihr Nasenbein auf Verletzungen zu untersuchen, sprang sie sogleich wieder auf die Füße und begann mit den Fäusten gegen ihr gläsernes Gefängnis zu schlagen. „Lass mich hier raus!“, forderte sie mit schriller Stimme. „Ich muss zurück zu Link – davon hängt das Schicksal ganz Hyrules ab!“ Der Besitzer des Zauberladens hob die Flasche ein wenig an, bis Navi sich auf Augenhöhe mit ihm befand. Für einen Moment glaubte die Fee, der Hylianer habe sie trotz der dicken Glaswände um sie herum gehört und verstanden, aber dann sagte dieser zu sich selbst: „Heute muss mein Glückstag sein! Da habe ich gerade meine letzte Fee verkauft und schon schwebt mir ein neues Exemplar direkt ins Haus!“ „Was?“ Navi, die die Situation erst jetzt vollends begriff, schüttelte heftig den Kopf. „Ich bin doch keine Feenweise, du Trottel! Du kannst mich nicht verkaufen! Ich werde deine Kunden nur enttäuschen und dann werden sie nie wieder hier einkaufen. Hey! Hörst du mir gefälligst zu?!“ Obwohl sie aus Leibeskräften schrie, bis ihre Halsschlagader anschwoll, schien der Ladenbesitzer die Fee nicht zu verstehen – oder sie nicht verstehen zu wollen. Stattdessen stellte er ihr gläsernes Gefängnis auf das Regal hinter dem Verkaufstresen und verschwand dann fröhlich vor sich hin pfeifend in seinem Lager. Navi war fassungslos… Nicht nur darüber, dass der Ladenbetreiber ihr Rufen ignorierte. Sie fragte sich vielmehr, wie sie selbst so unvorsichtig hatte sein können. Was sollte Link jetzt nur tun, wo sie ihm nicht mehr helfen konnte? Mit seinem verletzten Schwertarm hatte er keine Chance gegen Ganondorf… Der Großmeister des Bösen würde ihn zerschmettern als wäre er nicht mehr als eine Flickenpuppe… Voller Verzweiflung warf sich Navi mit der Schulter gegen die Flaschenwand. Wenn sie es irgendwie schaffte, das Glasgefäß vom Regal zu stoßen, gäbe es vielleicht noch Hoffnung. Ihr war bewusst, dass sie sich selbst womöglich schwer verletzte, wenn das Glas auf den Bodenfliesen zerschellen würde, aber das Risiko musste sie eingehen. Link brauchte Hilfe… Dieser stand einige Kilometer von Navi entfernt im Feuerraum von Ganondorfs Festung und zog ein missmutiges Gesicht. Dies war zum einen darin begründet, dass die großen Lavabecken, die sich rechts und links von dem schmalen Steg befanden, der quer durch den Raum zog, die Luft unerträglich aufheizten, sodass Link trotz seiner Goronen-Rüstung schwitzte. Viel schlimmer jedoch war, dass er vor einer unlösbaren Aufgabe zu stehen schien – und das aus eigener Dummheit. Zwar hatte er das Versteck des Feuer-Medaillons schnell ausgemacht, aber der Weg dorthin war von einem massiven Gesteinsblock versperrt, den er nicht zu bewegen vermochte. Er hatte schon versucht, sich mit vollem Körpergewicht dagegen zu werfen, aber das war genauso gescheitert wie der Versuch, den Block an einer Seite anzuheben, sodass er in ein Ungleichgewicht geraten und in das benachbarte Lavabassin kippen würde. Es sah ganz so aus als bräuchte er an dieser Stelle die volle Macht der Krafthandschuhe, doch diese war auf immer verloren, seit einer der Handschuhe durch den Kontakt mit dem Kraftfeld verbrannt war… Genervt und wütend auf sich selbst wandte Link sich abrupt von dem tiefschwarzen Gesteinsblock ab und stampfte aus dem Raum. Es hatte keinen Sinn, sich jetzt an diesem Problem festzubeißen. Darum würde er sich kümmern, wenn Navi wieder da war. Vielleicht würde der cleveren Fee ja eine Lösung einfallen. Bis zu ihrer Rückkehr wollte der Herr der Zeiten lieber so viele weitere Medaillons sammeln wie möglich. Deswegen lenkte er seine Schritte nun zu der orangefarbenen Tür des Geister-Raums. Dieser lag in fast vollkommener Dunkelheit und Link streckte beim Gehen die gesunde Hand nach vorn, um eventuelle Hindernisse rechtzeitig zu ertasten. Seine Augen gewöhnten sich nur langsam an die neuen Lichtverhältnisse, sodass er kaum mehr als vage Umrisse ausmachen konnte. Etwa in der Mitte des Raums stieß der Abenteurer auf eine große Statue, die ihn um mindestens eine Kopflänge zu überragen schien. Behutsam ließ Link seine nackten Finger über das Gestein gleiten, das sich kühl und glatt anfühlte. Neben der Beschaffenheit des Materials konnte er zusätzlich noch ertasten, dass der Künstler, der diese Statue einst gefertigt hatte, viele feine Rillen in den Stein gehauen hatte, sodass er sich nun anfühlte wie mit unzähligen kleinen Schuppen besetzt. Schuppen…? Sofort erinnerte sich Link an die Schlangenstatuen aus dem Geistertempel und griff um die Statue um ihn herum, um seinen Verdacht zu bestätigen. Und tatsächlich! Auf der Vorderseite der Skulptur war offenbar ein Spiegel eingelassen worden. Doch ohne Licht nutzte ihm diese neue Erkenntnis überhaupt nichts… Fragend ließ der Herr der Zeiten seinen Blick über die Decke wandern. Er hatte gerade einen verdächtigen Lichtschimmer entdeckt, als er plötzlich einen Luftzug auf der Wange spürte. Obwohl er in der Dunkelheit kaum etwas sehen konnte, wandte er sich reflexartig in die Richtung aus der er die Luftbewegung vermutete und griff nach seinem Schwert. Doch noch bevor seine Finger sich um das Heft geschlossen hatten, schlugen ihm plötzlich Krallen ins Gesicht und rissen es vom linken Nasenflügel bis hinunter zum Kieferknochen auf. Es war nichts weiter als pures Glück, dass sein Auge nicht auch in Mitleidenschaft gezogen wurde. Vor Schmerz und Schreck aufbrüllend zog Link endlich sein Schwert und schlug blind um sich, jedoch ohne etwas zu treffen. Warmes, klebriges Blut rann seinen Hals herab und klebte ihm den Kragen seines Hemdes an die Haut. Schutzsuchend presste sich der angeschlagene Kämpfer mit dem Rücken gegen die Schlangenstatue und hielt sein Schwert vor sich, in der Hoffnung seinen Angreifer bei einer erneuten Attacke aufspießen zu können. Dieser schien sich jedoch für den Moment damit zu begnügen, den Recken in panische Angst zu versetzen. Die Krallen des Monsters machten klackende und kratzende Geräusche auf dem steinernen Boden, während es in zufällig erscheinenden Mustern durch den Raum rannte. Links ganzer Körper zitterte vor Furcht so sehr, dass selbst sein Atem vibrierte und das Master-Schwert seinen schwitzigen Fingern zu entgleiten drohte. Er hatte es erst wenige Male mit Gegnern zu tun gehabt, die er nicht sehen konnte, und es hatte ihm jedes Mal aufs Neue eine Heidenangst eingejagt. Bislang hatte er sich wenigstens auf die Hilfe des Auges der Wahrheit verlassen können, doch in diesem Fall war auch das mächtige Shiekah-Relikt vollkommen nutzlos. Ohne Licht würde er auch durch das Auge der Wahrheit nichts sehen können. Licht… Er brauchte dringend etwas Licht! Obwohl es ein großes Risiko darstellte, seine Waffe wegzustecken, schob Link sein Schwert zurück in dessen Scheide und holte erneut Dins Feuerinferno heraus. Wenn er Recht hatte, befand sich ziemlich genau über ihm ein Fenster, das mit dicken Stoffbahnen verhangen war, die jegliches Licht schluckten. Wenn er es schaffte, den Stoff zu verbrennen, würde er vielleicht endlich etwas sehen… Gerade, als Link den Zauber aktivierte, hörte er wie das Monster in seiner Nähe innehielt und anscheinend zu einem weiteren Angriff ansetzte. Im Schein des Feuers, das sich wie eine Walze durch den Raum schob, sah der junge Mann einen Todesgrabscher, der mit nach vorn gestreckten Krallen auf ihn zu sprang – bereit, ihm die Kehle aufzureißen. Doch bevor die tödlich scharfen Fingernägel der Monsterhand Link erreichen konnten, wurde der Grabscher von der Feuersbrunst des Zaubers erfasst und gegen eine Wand geschleudert. Etwa zeitgleich fielen die brennenden Überreste des Fenstervorhangs zu Boden und goldenes Licht flutete den Raum. Link kniff auf Grund der plötzlichen Helligkeit die schmerzenden Augen zusammen, zwang sich jedoch, sie so schnell wie möglich wieder zu öffnen, um kampfbereit zu sein. Anders als seine Artgenossen schien dieser Todesgrabscher dauerhaft sichtbar zu sein und Link bemerkte mit einem Schaudern, dass die feinen Haare auf dem Rücken der Monsterhand noch immer brannten, was ihr ein besonders gruseliges Aussehen verlieh. Außerdem schien die Feuerattacke das Monster in Rage versetzt zu haben. Kaum, dass es sich wieder aufgerappelt hatte, hechtete es schon wieder auf Link zu, der so schnell überhaupt nicht reagieren konnte. Alles, was er noch tun konnte, war sich reflexartig abzuwenden und zu hoffen, dass der Todesgrabscher an seinem Hylia-Schild, den er sich nach Betreten der Festung wieder umgeschnallt hatte, abprallen würde. Doch der befürchtete Aufprall blieb aus… Zaghaft drehte Link sich wieder um und spähte vorsichtig zu dem Todesgrabscher herüber. Das Monster wand sich offenbar unter Qualen auf dem Boden und schrumpfte immer mehr zu einer vollkommen verkrüppelten Miniaturversion seiner selbst zusammen, so als hätte irgendetwas ihm sämtliche Flüssigkeit entzogen. Im ersten Moment konnte Link sich keinen Reim darauf machen, aber dann kam ihm doch noch eine Idee: Konnte es sein, dass das gebündelte Licht, das von dem Spiegel in der Statue reflektiert worden war, den Todesgrabscher getötet hatte? Soweit er sich erinnern konnte, hatten sich die Monsterhände stets in dunklen oder zumindest nur schummerig beleuchteten Räume aufgehalten. Vielleicht vertrugen sie kein direktes Licht… Mit einem Schulterzucken entschied Link, dass es eigentlich auch egal war, was den Grabscher getötet hatte – Hauptsache, er war ihn los und konnte sich in Ruhe den Geisterraum ansehen. Hier und da waren die Folgen von Dins Feuerinferno zu sehen, aber abgesehen von verbrannten Wandteppichen und Gemälden schien das Feuer keinen allzu großen Schaden angerichtet zu haben – und um Ganondorfs Kunstgegenstände scherte sich der Herr der Zeiten kein bisschen. Viel wichtiger war, dass das Podest mit dem Medaillon der Geister noch intakt war. Es war von einer Art magischer Schutzaura eingeschlossen, ähnlich der, in der Ganondorf Prinzessin Zelda gefangen hatte. Ein Blick zurück zur Schlangenstatue brachte Link jedoch schnell auf die Lösung des Problems. An den Wänden rund um die Statue waren mehrere der goldenen Sonnen angebracht, wie der Recke sie bereits aus dem Geistertempel kannte. Es war offensichtlich, dass einige der Sonnen Attrappen waren und es nur eine richtige Wahl gab, aber diese war mit Hilfe des Auges der Wahrheit in Windeseile gefunden. Die Statue zu drehen, erwies sich mit dem verletzten Arm als die größere Herausforderung, ließ sich mit etwas Geschick aber auch schnell erledigen. Kaum, dass die richtige Sonne im auf sie reflektierten Licht erstrahlte, öffnete sich die magische Barriere wie eine Blume und gab ihren Inhalt frei. Als Link das Medaillon an sich nahm, hörte er Naborus Stimme: „Gut gemacht, Kleiner.“ Er lächelte über die Worte, machte sich aber nicht die Mühe, zu antworten. Stattdessen beeilte er sich, auch die orangefarbenen Anteile des Kraftfelds um den Turm herum zum Erlöschen zu bringen. Jetzt waren nur noch drei Siegel übrig. Aber wo, im Namen der Göttinnen, blieb Navi nur?! Kapitel 61: Die letzten Siegel ------------------------------ Eigentlich hatte Link vorgehabt, sich den Licht-Raum bis zuletzt aufzusparen, da er keinerlei Lust verspürte, erneut auf Rauru zu treffen – in welcher Form auch immer. Aber im Feuer-Raum kam er zurzeit nicht weiter und die Kammer der Schatten befand sich am gegenüberliegenden Ende der Halle. Also schob er seinen Widerwillen beiseite und schickte sich an, den Raum hinter der sonnengelben Tür zu betreten. Beim Herunterdrücken der Türklinge dachte der Herr der Zeiten bei sich, wie unpassend und deplatziert diese fröhliche Farbe in der ansonsten so düsteren und bedrohlich erscheinenden Festung wirkte. Im Gegensatz zu dem Raum der Geister war die Licht-Kammer hell erleuchtet und Link kniff geblendet die Augen zusammen. Blinzelnd bewegte der mutige Kämpfer sich in das Zimmer hinein und wartete darauf, dass sich seine Pupillen an die ungewohnte Helligkeit anpassten – jedoch ohne Erfolg. Selbst nach mehreren Minuten konnte er die Augen nicht länger offen halten als für ein paar Sekunden. Langsam ging es ihm gehörig auf die Nerven immer wieder blind umher stolpern zu müssen! Wenigstens schien sich zur Abwechslung mal kein Monster in diesem Raum aufzuhalten… Dafür erklang plötzlich ein merkwürdiges Schleifen, das näher zu kommen schien und Link die Haare zu Berge stehen ließ. Das Geräusch klang als eindeutig als würde Stein über Stein schaben – ganz so als senkte sich die Decke langsam auf ihn herab! Ängstlich hob der junge Mann den Blick und versuchte verzweifelt blinzelnd, irgendetwas zu erkennen. Bevor er jedoch hatte ausmachen können, ob die Decke tatsächlich herunter kam, ließ ihn ein anderes Geräusch heftig zusammenzucken und herumwirbeln. Was er dann sah, ließ dem Recken endgültig das Blut in den Adern gefrieren: Massive Eisenstangen waren vor der Tür zur Halle aus dem Boden geschossen und blockierten nun den einzigen Ausweg. Jetzt war Link sich sicher, dass sich die Decke herabsenkte… Er sollte vor Angst zitternd darauf warten, dass er zerquetscht wurde, während er in der Falle saß wie irgendein lästiges Ungeziefer. Das sah Ganondorf ähnlich! „Beruhige dich“, sprach Link sich selbst Mut zu, „du bist nicht ohne Grund der Herr der Zeiten! Du kannst einen Ausweg aus diesem Schlamassel finden. Bestimmt deaktiviert sich diese Falle wieder, wenn du das Siegel auf dem Medaillon brichst!“ Halb blind wagte sich der Recke tiefer in den Raum hinein und stieß einen leisen Schmerzenslaut aus, als er gegen eine unsichtbare Wand stieß. Irritiert klopfte er mit dem Fingerknöchel gegen das Hindernis stellte verwundert fest, dass es sich dabei um simples Glas handelte. Warum stellte Ganondorf mitten im Zimmer eine Glasscheibe in den Weg? Im ersten Moment konnte sich Link keinen Reim darauf machen, doch dann setzte seinen Herz einen Schlag lang aus, als ihm die Lösung in den Sinn kam: ein Labyrinth aus Glas und Spiegeln, das ihn verwirren und Zeit kosten sollte, damit er das Medaillon auf keinen Fall rechtzeitig fand. „Mögen dich sämtliche Flüche dieser und aller benachbarten Welten treffen, du Bastard!“ Link konnte nicht sagen warum, aber er war sich sicher, dass Ganondorf ihn hören konnte. Wahrscheinlich sah er ihm gerade auf die gleiche magische Weise zu wie er ihn und Zelda in der Zitadelle der Zeit beobachtet und belauscht hatte. Einige Herzschläge lang ließ sich der Herr der Zeiten dazu hinreißen, seinem Widersacher derart bildgewaltig verschiedenste Qualen und Abscheulichkeiten an den Hals zu wünschen, dass Navi stolz auf ihn gewesen wäre. Dann besann er sich wieder der Dringlichkeit seiner Situation und stürzte sich in das Labyrinth. Während er, die gesunde Hand stets schützend nach vorn gestreckt, durch die verschlungenen Gänge eilte und betete, er möge instinktiv den richtigen Weg finden, schob sich die Decke immer weiter Richtung Boden. Feiner Steinstaub rieselte auf den angeschlagenen Helden herab und brannte wie Feuer in seinen Wunden. „Beeil dich, Link!“, spornte sich der Krieger selbst an und schüttelte mit einem angedeuteten Lächeln leicht den Kopf. Es amüsierte und irritierte ihn noch immer zu gleichen Teilen, dass seine innere Stimme in solchen Situationen wie Navi klang. „Wenigstens ist sie jetzt nicht hier bei mir, sondern in Sicherheit“, schoss es Link durch den Kopf als erneut eine Staubwolke auf ihn niederging. Hustend zwang er sich weiter vorwärts und jubelte innerlich auf, als er nur wenige Meter vor sich das Medaillon des Lichts entdeckte. Er konnte es schaffen! Freudig erregt rannte er darauf zu – und prallte mit voller Wucht gegen eine weitere Wand! „Autsch…“ Link spuckte Blut aus, doch sein Mund füllte sich sogleich wieder mit der metallisch schmeckenden Flüssigkeit. Offenbar hatte er sich bei dem Aufprall auf die Zunge gebissen. Außerdem hatte er sich das rechte Knie angeschlagen, das bereits leicht anschwoll. Zum Jammern blieb jedoch keine Zeit… Heftig blinzelnd versuchte der Recke, etwas mehr von seiner Umgebung zu erkennen und erstarrte, als er seine eigene Reflektion sah. Ein Spiegel! Das Medaillon war nicht in greifbarer Nähe, sondern am anderen Ende des Raums! Inzwischen hatte sich die Decke soweit herabgesenkt, dass lautes Knirschen und Klirren verriet, dass die oberen Ränder der gläsernen Wände eingedrückt wurden. Einige Herzschläge lang war Link drauf und dran in Panik zu verfallen, doch dann brachte ihn das Geräusch von splitterndem Glas auf eine Idee. Mit flinken Fingern griff er in seinen Wunderbeutel und holte den Goronenhammer hervor. Mit einem wilden Kampfschrei, der alle Frustration der letzten Stunden enthielt, schlug sich der Herr der Zeiten eine Bresche durch die gläsernen Wände. Scharfkantige Scherben flogen durch die Luft und ritzten ihm die Haut über dem rechten Jochbein auf, aber das registrierte er überhaupt nicht. Für ihn zählte nur noch, das Licht-Medaillon rechtzeitig in die Hände zu bekommen. Bildete er sich das bloß ein oder senkte sich die Decke inzwischen immer schneller? Er hatte den Raum erst halb durchquert, als er sich bereits ducken musste. Inzwischen bedeckten unzählige Spiegelscherben und Glassplitter den Boden und Link drohte mehrfach auszurutschen. Dennoch schaffte er es irgendwie, das Podest, auf dem das Medaillon aufgebahrt worden war, zu erreichen, bevor es zerstört wurde. Obwohl die Decke nur wenige Millimeter davon entfernt war, ihm die Finger zu zerquetschen, griff der junge Mann beherzt zu und riss das heilige Relikt an sich. Im ersten Moment passierte gar nichts und Link fürchtete schon, er habe sich geirrt und der Siegelbruch würde die Falle gar nicht unschädlich machen. Doch dann blieb die Decke endlich stehen und bewegte sich kurz darauf sogar wieder nach oben. Auch die Eisenstäbe vor der Tür versanken wieder im Boden. Vor Erleichterung gaben Links Knie nach und er sackte wie ein nasser Sack zu Boden, wo er in Tränen ausbrach wie ein Kind. Glücklicherweise hatte das Medaillon-Podest weit genug von den gläsernen Wänden entfernt gestanden, sodass die Steinfließen an dieser Stelle weitgehend splitter- und scherbenfrei waren. Links Körper wurde von wilden, unkontrollierten Schluchzern durchgeschüttelt, während der psychisch völlig entkräftete Held sich an das goldfarbene Medaillon klammerte als könnte es ihn irgendwie vor den noch kommenden Gefahren bewahren. Rauru entschied sich unterdessen offenbar dafür, den Herrn der Zeiten sich selbst zu überlassen und ihm keine aufmunternden Worte mit auf den Weg zu geben wie es die anderen Weisen getan hatten. Etwa zur gleichen Zeit gab Navi ihre nutzlosen Versuche, ihr gläsernes Gefängnis vom Regal zu stoßen, auf und ließ sich schwer atmend auf den Hintern fallen. Ihre Schulter schmerze höllisch und Schweiß klebte ihr das lange Haar an den Körper, aber die Flasche, in der sie sich befand, hatte sich keinen Millimeter bewegt. Frustriert und voller Zorn beobachtete die Fee wie der Ladenbesitzer einige Monsterteile nachzählte und sich anschließend eine Notiz machte. Offenbar war es kurz vor Verkaufsschluss und die Bestände mussten aktualisiert werden. Wenn sie es doch nur irgendwie bewerkstelligen könnte, dass er ihr zuhörte… Aber entweder er hörte ihr Rufen tatsächlich nicht oder es war ihm egal. In den vergangenen Stunden hatte Navi immer wieder versucht, Kontakt zu ihm aufzunehmen, doch er hatte nicht einmal zu ihr herübergesehen. Sie saß verdammt tief in der Patsche… Dicke, in den Farben des Regenbogens funkelnde Tränen liefen ihr über die Wangen und sie schlang sich die Arme um die angezogenen Beine – ganz so wie sie es früher oft getan hatte, wenn sie aus Trauer über den Tod ihrer Familie geweint hatte. Link… Bei dem Gedanken an ihren Freund fühlte es sich an als würde ihr Herz zersplittern und die scharfkantigen Scherben schienen sich bei jedem Atemzug tiefer in ihr Fleisch zu bohren, bis sie keine Luft mehr bekam. Allein die Vorstellung, dass er sterben könnte, schnürte ihr die Kehle zu. Wenn sie dann auch noch daran dachte, er könnte dies womöglich in dem Glauben tun, sie hätte ihn im Stich gelassen, war es als stürzte sie in bodenlose Dunkelheit. Vor ihrem geistigen Auge sah sie den etwas tollpatschigen Knaben vor sich, der er einst gewesen war, und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Sie liebte ihn… genauso wie sie einst ihre beiden Schwestern geliebt hatte. Sie hatte sich früher nie vorstellen können, einen Bruder zu haben, doch wenn sie jetzt an Links strahlendblaue Augen, sein stets leicht zerzaustes Haar oder sein latent schiefes Lächeln dachte, kam es ihr so vor als wäre er schon immer Teil ihrer Familie gewesen. Die Irrlichter hatten ihr bereits ihre leibliche Familie genommen – sie wollte nicht auch noch ihren hylianischen Bruder verlieren! Von neuem Eifer beseelt sprang die Fee wieder auf die Beine und schickte sich voller Grimmigkeit an, sich erneut gegen die Flaschenwand zu werfen, als plötzlich das Glöckchen über der Eingangstür klingelte und eine alte Vettel den Laden betrat. Es dauerte mehrere Minuten, bis Link sich wieder beruhigt hatte und sich auf seine noch immer ein wenig wackeligen Beine hievte. Auch seine Finger zitterten noch leicht, als er den achtlos fallengelassenen Goronenhammer einsammelte und in seinem Wunderbeutel verstaute. Bereits im Geistertempel hatte der Herr der Zeiten deutlich gespürt, dass die psychische Dauerbelastung, der er jetzt schon seit Monaten fast ununterbrochen ausgesetzt war, allmählich ihren Tribut forderte. Ausgerechnet jetzt, wo er all seine Kräfte brauchen würde, spürte er deutlich, dass er nicht mehr so belastbar war wie früher. Er steckte selbst kleinere Verletzungen und vor allem Stresssituationen inzwischen deutlich schlechter weg als zu Beginn seiner Reise. Er fühlte sich alt und ausgebrannt, dabei hatte er das Erwachsenenalter gerade erst erreicht – und hatte noch dazu sieben Jahre seines Lebens in einem magischen Schlaf verbracht… Trotzdem hatte er bereits genügend Schmerzen und Aufregung für mehrere Leben durchgestanden. Er wünschte sich nur noch ein ruhiges, überschaubares, einfaches Leben. Vielleicht, überlegte er, während er mit schweren Schritten zu dem Tablett mit den Vertiefungen herüberging, um das Medaillon des Lichts einzusetzen, vielleicht würde er Zelda nach seinem Sieg über Ganondorf um etwas Land bitten, auf dem er eine kleine Farm errichten konnte. Ein Lächeln huschte ihm über das müde wirkende Gesicht, als er daran dachte, wie er einige Ziege und Schafe – und vielleicht sogar eine Kuh – hielt und sein eigenes Gemüse anbaute. Vor den Ställen der Tiere würde er eine Hundehütte aufbauen, in der ein alter, struppiger Hütehund hausen würde, der den ganzen Tag nichts anderes machte als zu schlafen oder zu fressen. Und Epona würde ihm dabei helfen, alle Erzeugnisse seiner Farm, die er nicht für sich selbst brauchte, nach Kakariko oder das neu errichtete Hyrule-Stadt zu bringen, wo er sie auf dem Markt verkaufen würde. Allein die Vorstellung eines solchen Lebens erfüllte sein Herz mit wohliger Wärme, auch wenn sich ein Teil von ihm fragte, ob er sich allein unter Tieren nicht doch irgendwann einsam fühlen würde. Für den Bruchteil einer Sekunde schob sich das Bild eines ganz anderen Lebens vor sein geistiges Auge: Zelda und er, beide in kostbare Gewänder gehüllt, Schulter an Schulter auf zwei mächtigen Thronen sitzend und auf ihr Volk herabblickend. Mit einem ruckartigen Kopfschütteln vertrieb der junge Mann dieses Traumbild jedoch schnell wieder. Er hatte die Nase voll davon, Verantwortung für das ganze Reich zu tragen. Wenn er etwas ganz bestimmt nicht sein wollte, dann König! Außerdem war er immer noch sauer auf Zelda, weil sie ihn so lange belogen hatte… Trotzdem ließ ihn das Gefühl nicht los, dass sie zusammen gehörten und er ohne Zelda auf Dauer nicht glücklich werden würde – ganz egal, was er tat. „Verdammte Lichtwesenseelen!“, murmelte Link, als er das Medaillon des Lichts in die dafür vorgesehene Vertiefung drückte. „Verfluchtes, vorherbestimmtes Schicksal!“ Während das Kraftfeld um den Turm herum in schon bekannter Manier auf das Einfügen eines neuen Medaillons reagierte, erinnerte sich der Herr der Zeiten an eine Unterhaltung, die er mit Navi im Waldtempel geführt hatte. Sie waren nach dem Kampf gegen Ganondorfs Phantom auf dem Weg aus dem Tempel heraus gewesen, als Navi ihn wegen seiner Schwärmerei für die Prinzessin ein wenig aufgezogen hatte. Dabei hatte sie ihm allerdings auch erzählt, dass die Seelen des Herrn der Zeiten und der Weisen der Harmonie durch eine Liebe aus einem früheren Leben auf ewig mit einander verbunden waren. Damals hatte diese Vorstellung Link irgendwie gefallen. Sie hatte ihm Hoffnung gegeben, dass auch ein einfacher Junge vom Land wie er auf eine Zukunft an der Seite der Prinzessin hoffen durfte. Inzwischen jedoch hasste er diesen Gedanken! Er fühlte sich als hätte man ihm jede Entscheidungsfreiheit über sein Leben genommen. Er musste ein Held sein, obwohl er das Kämpfen verabscheute und womöglich konnte er sich nicht einmal aussuchen, mit wem er sein Leben verbringen wollte… Resigniert aufseufzend wandte sich der Recke der lilafarbenen Tür zur Schattenkammer zu. Warum verschwendete er eigentlich auch nur einen Gedanken an diese Angelegenheit? Wenn es ihm vorherbestimmt war, konnte er sich noch so sträuben, es würde nichts ändern. Also konnte er sein Schicksal auch gleich annehmen. Außerdem gab es sicherlich Schlimmeres als ein Leben an der Seite einer wunderschönen Frau, die noch dazu reich und mächtig war… Zusätzlich war Zelda zumindest als Kind witzig und warmherzig gewesen – Charakterzüge, die er auch bei Shiek, der ja Zelda war, immer wieder hatte durchblitzen sehen. Ja, vielleicht war sein Schicksal bei genauerer Betrachtung eigentlich gar nicht so schlimm… Dennoch konnte Link ein unbestimmtes Gefühl von Unbehagen nicht abschütteln, als er den Türknauf herumdrehte und das nächste Zimmer betrat. Die Kammer der Schatten schien auf den ersten Blick vollkommen leer und ungefährlich zu sein. Lediglich ein Altar mit dem aufgebahrten Medaillon stand mitten im Raum und lud dazu ein, sich das heilige Artefakt zu schnappen und dann wieder gelassen aus dem Zimmer zu schlendern. Es war jedoch genau diese offenkundige Harmlosigkeit, die Link stutzig machte und innehalten ließ. Schnell steckte er eine Hand in seinen verzauberten Lederbeutel und holte einen der Deku-Kerne hervor, die er als Kind als Munition für seine Schleuder benutzt hatte. Dann warf er den Kern nach vorn und beobachtete gespannt, wie dieser über die steinernen Fliesen rollte und plötzlich in den Boden hinein fiel. „Wusste ich’s doch!“, triumphierte der Herr der Zeiten stumm und holte das Auge der Wahrheit hervor. Obwohl der Fluch, der auf dem Shiekah-Relikt lastete, nur einmal bei Link zugeschlagen hatte und dieser seitdem dagegen immun zu sein schien, war der junge Mann noch immer jedes Mal nervös, wenn er das magische Auge benutzte. Zu seiner großen Erleichterung blieben die wispernden Gespensterstimmen, die den Fluch damals begleitet hatten, auch dieses Mal wieder stumm und er behielt die Oberherrschaft über seinen Geist und Körper. Ein blendendweißer Blitz zerriss Links Blickfeld, bevor sich der Blick des Abenteurers für magische Illusionen schärfte und er erkennen konnte, dass weite Teile des Steinbodens in Wirklichkeit gar nicht da waren. Nur ein schmaler, gewundener Pfad führte zu dem Altar herüber, neben dem dank des Auges der Wahrheit eine große Holztruhe sichtbar geworden war. Sich das Shiekah-Artefakt vors Auge haltend balancierte Link langsam und vorsichtig zu dem Altar herüber. Neben dem Steinsteg, der nur in etwa so breit war wie Links Unterarm lang, ging es mehrere Meter in die Tiefe und der Boden schien von spitzen Speeren und Pfählen bedeckt zu sein. Vor Konzentration standen dem Recken dicke Schweißperlen auf der Stirn, als er endlich das Plateau mit dem Altar erreichte. Ein paar Herzschläge lang atmete Link einfach nur tief durch, dann wandte er sich dem Medaillon und der Truhe zu. Was von beidem sollte er zuerst in Augenschein nehmen? Seine Erfahrung sagte ihm, dass die Truhe womöglich eine Falle war. Trotzdem riet ihm eine innere Stimme, sie zuerst zu öffnen. Für einige Sekunden war der Herr der Zeiten hin und her gerissen, dann entschied er sich, seiner inneren Stimme zu vertrauen und trat kräftig gegen das Truhenschloss, das sofort aufsprang und den Blick auf den Truheninhalt freigab. Auf einem in rote Seide eingeschlagenen Kissen lagen… die Krafthandschuhe! Link glaubte seinen Augen kaum! Es gab zwei Paar Krafthandschuhe?! Bei genauerem Hinsehen entdeckte der Abenteurer jedoch ein paar Unterschiede zwischen den Handschuhen, die er soeben gefunden hatte und jenen, die er im Geistertempel an sich gebracht hatte: Während die Rücken von letzteren mit versilberten Drachenschuppen besetzt gewesen waren, glänzte der neue Fund golden. Außerdem waren die Rubine, die diese Handschuhe verzierten, noch ein wenig größer und dunkler als die auf den Krafthandschuhen. Ob diese Handschuhe den gleichen Effekt hatten wie die anderen? Dann könnte er den Gesteinsbrocken im Feuer-Raum bewegen, sobald Navi mit einem Heilmittel für seinen Arm zurückkehrte und er an der linken Hand wieder einen Handschuh tragen konnte! Neugierig zog Link sich den verbliebenen Handschuh aus und taumelte augenblicklich unter einem leichten Schwächeanfall. Er hatte ganz vergessen, wie viel Energie von den Krafthandschuhen ausgehend durch seinen Körper geflossen war. Offenbar hatte es eine Art Entzugserscheinungen zur Folge, wenn man das alte Gerudo-Artefakt für längere Zeit getragen hatte. Warum sich der Schwächeanfall erst jetzt bemerkbar machte und nicht schon zuvor zugeschlagen hatte, als Link einen der Krafthandschuhe ausgezogen hatte, um das Triforce-Mal auf seiner Hand in Augenschein zu nehmen, oder als der linke Handschuh verbrannt war, wusste der junge Held nicht zu sagen. Vielleicht hatte die von dem verbliebenen Handschuh ausgehende Energie ausgereicht, um ihn davor zu bewahren… Der Herr der Zeiten holte tief Luft, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, und griff nach dem rechten der neu gefundenen Handschuhe. Ihm war etwas mulmig dabei zumute, ein Relikt zu benutzen, das er in Ganondorfs Reich gefunden hatte. Aber da er keine Ahnung hatte, wie er ohne ein intaktes Paar Krafthandschuhe an das Medaillon des Feuers kommen sollte, war die Hoffnung größer als die Vorsicht. Und tatsächlich! Kaum, dass Link in den Handschuh geschlüpft war, rollte eine riesige Energiewelle über ihn hinweg – so heftig, dass es ihn buchstäblich umhaute und er sich am Rand der Schatztruhe festklammern musste, um nicht ohnmächtig zu Boden zu gehen. Es fühlte sich an als schwöllen sämtliche Muskeln seines Körpers an, bis sie vor Kraft nur so strotzten. Was immer dies für Handschuhe waren, sie verfügten über deutlich mehr Macht als die Krafthandschuhe! Link keuchte heftig, als das Gefühl in Flammen zu stehen endlich wieder abflaute und er mit zitternden Fingern den zweiten goldenen Handschuh für später in seinen Wunderbeutel steckte. Dann schnappte er sich das Medaillon der Schatten vom Altar und rechnete fest damit, dass der Pfad zurück zur zentralen Halle einzustürzen beginnen würde. Zu seiner großen Überraschung passierte jedoch nichts dergleichen. Offenbar hatte die Herausforderung der Schattenkammer lediglich im Durchschauen der Illusion und einem Balanceakt bestanden. Eine willkommene Abwechslung! Während er sich vorsichtig zurück zur Tür begab, hörte er Impas Stimme in seinem Kopf: „Rette die Prinzessin!“ Link nickte zur Antwort lediglich und schickte sich an, das vorletzte Medaillon in das Tablett einzusetzen. Irgendwie verärgerte ihn Impas Wunsch, ohne dass er genau sagen konnte, warum. Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass er sowieso keine andere Wahl hatte als Zelda zu retten… In einigen Kilometern Entfernung beobachtete Navi derweil wie die Vettel von dem Ladenbesitzer geradezu überschwänglich begrüßt wurde: „Asa, meine Liebe – welch Ehre! Was darf ich heute für dich tun?“ Navis Mundwinkel zuckten unwillkürlich nach oben, als die steinalt wirkende Frau den Mann nur mit einem gelangweilten Blick bedachte und, ohne auf seinen einschleimenden Ton einzugehen, forderte: „Ich brauche sechs Echsalfos-Klauen, dreizehn Dekuranha-Zähne, eine Oktorok-Leber und…“ Ihr Blick fiel auf Navi, der es sogleich eiskalt den Rücken herunterlief. „… und eine Fee“, schloss die Alte. Navi schüttelte heftig mit dem Kopf, schrie und tobte, aber weder Verkäufer noch Kundin schienen davon Notiz zu nehmen. „Aber natürlich, Asa“, flötete der Ladenbesitzer widerlich vergnügt und machte sich sogleich daran, die gewünschten Artikel zusammenzusuchen. Als er die Flasche, in der Navi gefangen war, auf den Tisch stellte, versuchte die Fee erneut durch wildes, ausladendes Gestikulieren auf sich aufmerksam zu machen, aber ohne Erfolg. Es kam ihr beinah so vor als starrte die Vettel ganz bewusst in eine andere Richtung. Als der Verkäufer auch die letzten geforderten Waren herangeschafft hatte, steckte die die alte Frau alles in einen Beutel aus grobem Leinen und Navi gab auf. Es war als würde irgendetwas in ihr zerbrechen und sie hatte plötzlich nicht mehr die Kraft, weiterhin zu kämpfen. Resigniert setzte sie sich auf den Flaschenboden und dachte seltsam ruhig: „Das war’s dann also. Ich werde als Zutat für irgendeinen Zaubertrank enden.“ Sie stieß einen langgezogenen Seufzer aus und fügte dann in Gedanken gehässig hinzu: „So wie die Alte aussieht, wird sie mich bestimmt für einen Verjüngungstrank töten. Dabei ist da sowieso schon Hopfen und Malz verloren…“ Die Fee hörte wie einige Rubine klimpernd den Besitzer wechselten, dann schien die Erde plötzlich zu beben und zu schwanken, als Asa sich wieder in Bewegung setzte und den Laden verließ. Etwa zur gleichen Zeit schlug Link frustriert die Tür zum Feuer-Raum hinter sich zu. Er hatte gehofft, die Macht seiner neuen Handschuhe sei groß genug, den störenden Gesteinsbrocken mit nur einer Hand bewegen zu können. Jedoch hatte sich diese Hoffnung als falsch erwiesen… So lange Navi nicht zurück und sein Arm wieder verheilt war, saß der Herr der Zeiten fest. Er konnte weder die Festung verlassen, noch das Kraftfeld lösen, das ihn daran hinderte, zu Ganondorf vorzudringen. Genervt ließ sich der junge Mann an der Wand entlang zu Boden gleiten und starrte missmutig auf seine Stiefelspitzen, wobei er ein paar kleine Glassplitter entdeckte, die sich in der Kammer des Lichts in das dicke Leder gebohrt hatten. Mit flinken Fingern zog er die Splitter heraus und ließ sie neben sich zu Boden fallen, während er sich ärgerlich fragte, wo seine Begleiterin bloß blieb. Sie wusste doch, dass die Zeit drängte! Für einen Moment ließ die Sorge, Navi könnte etwas passiert sein, sein Herz sich bang zusammenkrampfen, aber er schob den Gedanken bestimmt zur Seite. Er durfte die Hoffnung nicht aufgeben, dass sie bald wieder auftauchen würde. Wenn er sich jetzt auch noch fragte, ob seine Freundin womöglich in der Klemme steckte, würde er den Verstand verlieren, da war er sich sicher. Der Weg zu Asas Haus war ziemlich lang – selbst wenn man den altersbedingt langsamen Gang der Vettel berücksichtigte – daher nahm Navi an, dass die Alte am Rand der Kleinstadt lebte. Einen Moment lang überlegte die Fee, ob Asa schon immer in Kakariko gelebt hatte oder erst nach dem Fall von Hyrule-Stadt hierher umgezogen war. Doch als die alte Frau die Tür zu ihrem Heim aufstieß, entschied Navi, dass Asas Herkunft ihr völlig egal war. Die Alte legte ihren Einkaufsbeutel auf dem Esstisch ab und holte sogleich Navis Flasche heraus, um die Fee neugierig zu betrachten. Navi erwiderte ihren Blick aus trüben, müden Augen, machte sich aber nicht die Mühe aufzustehen oder gar zu rufen. Es wäre ja doch sinnlos… Asa zog die Augenbrauen zusammen als wäre sie irritiert und sagte dann: „Du flatterst ja gar nicht mehr umher wie ein aufgeregtes Glühwürmchen!“ Beim Sprechen entblößte sie grauschwarze Zahnstummel, die Navi furchtbar anwiderten. Doch das war nicht der Grund, weshalb sich die Fee bei diesen Worten abwandte und mit zu Fäusten geballten Händen an die Wand starrte. Die Ursache hierfür war vielmehr Wut! Hatte die Alte es etwa amüsant gefunden wie sie verzweifelt um Aufmerksamkeit gekämpft hatte?! Navis Zorn verrauchte jedoch sogleich wieder, als die Vettel die Flasche entkorkte und sie aufforderte, herauszukommen: „Raus mit dir. Du hast doch eine Aufgabe zu erfüllen oder irre ich mich da?“ Die Stimme der Alten klang so rau und heiser, dass Navi sich für sie räuspern wollte. Ein wenig misstrauisch, aber vor allem neugierig schwebte die Fee aus dem Flaschenhals empor in die Freiheit. Wie gut es tat, endlich wieder frische Luft zu atmen! Navi tat ein paar tiefe Atemzüge, dann wandte sie sich mit kraus gelegter Stirn Asa zu: „Woher weißt du von meiner Aufgabe?“ Die alte Frau lachte keckernd und machte eine Armbewegung, die auf das gesamte Innere ihres Heims deutete. „Sieh dich um“, forderte sie, „dann wirst du es bestimmt verstehen.“ Navi ließ ihren Blick durch das kleine, aus nur einem einzigen Raum bestehende Haus schweifen und staunte nicht schlecht, als sie große Kessel mit dubios wirkendem Inhalt sowie unzählige Regale entdeckte, die bis zum Bersten mit allerlei Zaubermaterialien gefüllt waren. „Du bist eine Hexe?“, schlussfolgerte die Fee zaghaft und atmete erleichtert auf, als Asa nickte. Irgendwie machte die Alte ihr Angst, obwohl sie ihr bislang nur Freundlichkeit entgegen gebracht hatte – zumindest seit sie allein waren. Asa sah Navi erwartungsvoll an als würde sie auf weitere Eingebungen der Fee warten, aber diese starrte bloß verwirrt zurück und fragte dann: „Das ist ja… äh… schön, aber was hat das mit meiner Aufgabe zu tun?“ Erneut ließ die Vettel ihr seltsames Lachen erklingen, das wie eine Mischung aus aufeinander klackenden Steinen und einem pfeifenden Teekessel klang, und mutmaßte: „Du weißt nicht viel über Hexen, oder?“ Navi wollte gerade einwerfen, dass die einzigen Hexen, denen sie je begegnet war, die Twinrova gewesen waren, als Asa auch schon abwinkte und murmelte: „Eigentlich sollte mich das nicht verblüffen, schätze ich. Seit die grässlichen Gerudo-Hexen unseren Berufsstand in Verruf gebracht haben, verbringen meine Schwestern und ich unser Leben im Verborgenen.“ Die Alte ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen und betrachtete die Fee vor sich aus erstaunlich wachen Augen. „Aber früher, musst du wissen, hat es viele Hexen in Hyrule gegeben. Sie entstammten den verschiedenen Geschlechtern unseres Landes und arbeiteten mit den Herrschern der verschiedenen Königshäuser zusammen, um den Frieden und Wohlstand in Hyrule zu bewahren. Und deswegen weiß ich auch von…“ Asa lächelte, als Navi wie vom Donner gerührt aus der Wäsche guckte und rief: „Von Links Queste!“ „Genau.“ Die Hexe nickte bedächtig. „Vor sieben Jahren stand plötzlich Impa auf meiner Schwelle und berichtete mir, was passiert war: Ganondorf hatte das Triforce-Fragment der Kraft an sich gerissen und war zum Großmeister des Bösen geworden; Zelda war mit Hilfe uralter Shiekah-Magie als ein Junge aus Impas Volk getarnt worden und der Herr der Zeiten war unauffindbar.“ „Das Master-Schwert hatte ihn gebannt“, erklärte Navi. „Er wurde von der heiligen Klinge in einen siebenjährigen Schlaf versetzt, weil er zu jung war, um sie zu führen.“ Die Alte nickte erneut. „Ja, das erklärt so manches.“ Dann fügte sie nach einer kurzen Pause mit einem erneuten Blick auf Navi an: „Aber Impa kam damals nicht nur zu mir, um einen netten Plausch zu halten und mich auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen. Sie hatte in erster Linie eine Aufgabe für mich.“ Navi folgte gespannt Asas ausgetrecktem Arm, als diese auf eine riesige, handgemalte Karte Hyrules deutete, die an eine Wand genagelt worden war. Fasziniert bemerkte Navi, dass auf der Karte zwei farbige Punkte funkelten: ein großes, grünes Licht befand sich innerhalb des ehemaligen Schloss Hyrules und ein kleinerer, blauer Lichtpunkt leuchtete am Rand von Kakariko. Mit vor Überraschung geweiteten Augen wandte sich Navi wieder der Hexe zu, die abermals nickte. „Ganz recht. Impa hat mich damals gebeten, einen Ortungszauber für den Herrn der Zeiten und seine Begleiterin zu sprechen, damit wir sie schnellstmöglich finden würden.“ „Deswegen wusste Shiek… ich meine, Zelda auch immer, wo wir uns befanden!“ Navi fühlte sich wie vom Blitz getroffen. Asa grinste breit, sagte aber nichts dazu. Stattdessen fragte sie: „Aber möchtest du mir nicht erklären, was du im hiesigen Zauberladen gemacht hast? Ich muss gestehen, ich war etwas irritiert, als ich die Position deines Lichtes auf der Karte gesehen habe.“ Dieses Mal war es die Fee, die nickte, bevor sie die Situation schnell zusammenfasste. Sie berichtete, wie Link sich verletzt hatte, dass sie sich aufgemacht hatte, um eine Feenweise zu finden und wie der Zauberladenbesitzer sie dabei gefangen genommen hatte. „Verstehe“, war der einzige Kommentar, den Asa zu Navis Geschichte abgab. Dann hievte sie sich schwerfällig wieder auf die Beine und schlurfte zu dem Kessel herüber, dessen Inhalt im Kaminfeuer munter vor sich hin blubberte. „Dann trifft es sich ja gut, dass ich heute erst ein wenig blaues Elixier gekocht habe.“ Die Alte nahm sich eine leere Flasche aus einem Regal und füllte sie mit Hilfe eines Schöpflöffels randvoll mit einer dunkelblauen Flüssigkeit. Navi, die sich ihr neugierig über die Schulter geschaut hatte, verzog angewidert die Lippen. „Was ist das denn für ein Gebräu? Sieht ja giftig aus!“ „Es schmeckt auch ziemlich ekelhaft“, räumte Asa ein, „aber es heilt sämtliche Verletzungen. Ein Schluck genügt schon, um erste Verbesserungen zu spüren.“ „Das ist ja sagenhaft!“ Navis Miene leuchtete auf vor Begeisterung, doch dann trübten sich ihre Gesichtszüge wieder. „Aber die Flasche ist viel zu schwer für mich. Die kriege ich niemals bis zu Ganondorfs Festung herüber geschleppt…“ Ein schelmisches Funkeln trat in Asas Augen, als sie Navi spielerisch tadelte: „Na, na! Du vergisst, wem du gegenüberstehst.“ Als die Fee sie daraufhin verständnislos ansah, lächelte die Hexe nur und sagte: „Du wirst die Flasche nur kurz festhalten und an deinen Freund denken müssen. Denk ganz fest an ihn, so dass du ihn regelrecht vor dir siehst.“ Navi war noch immer hochgradig irritiert, klammerte sich aber ohne weitere Fragen an die warme Flasche und kniff die Augen zusammen, um sich besser auf ein Bild von Link konzentrieren zu können. Dann spürte sie wie sie mit etwas pudrigem bestäubt wurde und hörte Asa leise murmeln: „Hylia, Göttin von Zeit und Raum, Mutter unseres Landes, trag dein Kind auf Windesschwingen an den Ort, den sein Herz begehrt.“ Die alte Hexe schnippte mit den Fingern und plötzlich schien alles Licht der Welt um Navi herum zu explodieren. Die Fee fühlte sich als wäre sie auf einmal in der Mitte eines Strudels und sie klammerte sich mit aller Kraft an die Flasche mit dem blauen Elixier. Nur Sekunden später schien sich die Welt um die Fee herum wieder beruhigt zu haben, aber sie traute sich nicht, die Augen aufzuschlagen, bis sie Links irritierte Stimme hörte: „Navi?!“ Vorsichtig hob die Angesprochene ein Augenlid und entdeckte ihren Schützling, der gegen die Wand gelehnt auf dem Boden saß und offenbar gerade eine Rast eingelegt hatte. Neben ihm stand eine fast gänzlich geleerte Flasche Lon-Lon-Milch und auf seinem Schoß hatten sich einige Brotkrumen gesammelt. Bei seinem Anblick drückte sich ein Schluchzer Navis Kehle hinauf – zum einen vor Erleichterung, dass sie es endlich zu ihm zurück geschafft hatte, zum anderen, weil er wahrhaft übel zugerichtet aussah. Sein Gesicht war über und über mit kleinen Kratzern bedeckt und zusätzlich durch vier tiefe Schnitte entstellt, auf seiner Schulter klaffte offensichtlich eine Bisswunde und das rohe Fleisch seines verbrannten Armes, den er wieder aus dem provisorischen Verband befreit hatte, um etwas Luft an die Wunde zu lassen, sah bereits leicht entzündet aus. Gegen Tränen anblinzelnd flog Navi zu ihrem Freund herüber und verkündete strahlend: „Ich hab dir blaues Elixier mitgebracht!“ Der Herr der Zeiten nahm ihr die Flasche ab, sobald sie in Reichweite war und betrachtete sie mit einem fragenden Ausdruck in den Augen. „Äh… danke, nehm ich an. Aber was genau ist blaues Elixier?“ Bei der verwunderten Miene ihres Schützlings musste Navi unwillkürlich lachen. Sie war unendlich froh, dass sie es noch rechtzeitig zu ihm zurück geschafft hatte! Wenn Ganondorf endlich besiegt war, würde sie zu Asa zurückkehren und sich gebührend bedanken! Nachdem ihr Anfall spontanen Amüsements vorüber war, erklärte Navi Link schnell, was blaues Elixier war und wie sie überhaupt an soetwas Seltenes gekommen war. Während er ihr zuhörte, weiteten sich Links Augen immer mehr und er ballte wütend die Hände zu Fäusten. „Diesem Zauberladen-Heini werd ich was erzählen, wenn wir das nächste Mal in Kakariko sind!“ Navi schmunzelte über seine Worte und deutete dann auf die Flasche in seinen Händen. „Mach dir darüber mal keinen Kopf. Ich hab es ja trotzdem geschafft, zurückzukommen. Trink lieber dein Elixier.“ Irgendwie hatte Navi fast damit gerechnet, dass Link noch ein wenig über den Ladenbesitzer schimpfen würde, aber stattdessen setzte er die Glasflasche mit dem blauen Inhalt an seine Lippen und trank sie in einem Zug halb leer. Dann verzog er angewidert das Gesicht und machte ein würgendes Geräusch, wobei er die Zunge herausstreckte. Navi bemerkte amüsiert, dass die Oberfläche seiner Zunge nun leicht blau war. „Uargh… Das schmeckt ja wirklich schauderhaft…“ Link schüttelte sich heftig, aber jeder Gedanke an den Geschmack des Gebräus war vergessen, als sich seine Wirkung zeigte. Innerhalb von Sekunden hatten sich sämtliche Wunden geschlossen. Dort, wo noch einen Augenblick zuvor rohes Fleisch zu sehen gewesen war, zeigte sich nun neue, zart rosafarbene Haut. „Es mag widerwärtig schmecken, aber es wirkt“, stellte Navi überflüssigerweise fest und lächelte ihren Schützling breit an. Dieser starrte fasziniert auf die Flasche in seinen Händen und rief: „Das ist ja ein tolles Zeug!“ Dann schien ihm plötzlich etwas einzufallen und er verstaute das Elixier schnell im Wunderbeutel. Im Austausch holte er dabei den zweiten Handschuh, den er in der Kammer der Schatten gefunden hatte, wieder hervor. Als Navi den neuen Ausrüstungsgegenstand sah, klappte ihr der Mund auf und sie stieß verblüfft aus: „Wo hast du denn die Titanenhandschuhe gefunden?! Ich wusste nicht mal, dass es sie tatsächlich gibt und sie nicht nur ein Märchen sind!“ Link betrachtete seine neuen, goldenen Handschuhe mit verhaltenem Interesse und zuckte dann mit den Schultern. „Hab sie in der Schattenkammer gefunden.“ Navi sah ihn entgeistert an. „Ganondorf lässt die Titanenhandschuhe einfach unbewacht herumliegen? Die Titanenhandschuhe?! Und was viel wichtiger ist“, fügte sie aufgebracht hinzu, „du ziehst einfach so einen Ausrüstungsgegenstand an, den du in der Festung deines Erzfeindes findest?“ Der Herr der Zeiten sprang lachend auf die Füße. Er fühlte sich plötzlich wieder ganz wunderbar, so als hätte das blaue Elixier nicht nur seine Wunden geheilt sondern auch seine geistigen Reserven wieder ein bisschen aufgefüllt. „Ich hatte meine Gründe“, versicherte er seiner Fee, die ihn noch immer fassungslos anstarrte. „Außerdem ist alles gut gegangen. Also hör auf, dich aufzuregen und komm lieber mit. Wir haben ein Kraftfeld zu brechen!“ Mit diesen Worten lief Link beschwingt in Richtung des Feuer-Raums davon und Navi musste sich sputen, ihn wieder einzuholen. Glücklicherweise hatte die Feuerkammer keine weiteren Überraschungen mehr auf Lager und Link konnte das Medaillon des Feuers problemlos an sich nehmen, nachdem er den störenden Felsblock aus dem Weg geräumt hatte. Kaum, dass sich seine Finger um das Medaillon geschlossen hatten, ertönte Darunias Stimme hinter seiner Stirn: „Jetzt hast du es fast geschafft, Bruder.“ So schnell er konnte, setzte Link auch noch das letzte Medaillon in die dafür vorgesehene Vertiefung ein und beobachtete mit einiger Genugtuung wie das Kraftfeld in sich zusammenfiel. Jetzt konnte es endlich weitergehen! Kapitel 62: Der Teufelsturm --------------------------- Den beiden Abenteurern war gehörig mulmig zumute, als sie durch das aufgerissene Maul des Drachen den Turm betraten. Doch trotz ihres Unwohlseins konnte Navi nicht umhin, die Steinmetzkunst des Tores zu bewundern. Wer immer das Gestein bearbeitet hatte, hatte wirklich eine Glanzleistung abgeliefert. Das Drachenmaul war derart detailreich gestaltet, dass Navi sich nicht gewundert hätte, wenn man sich an den spitzen Zähnen tatsächlich hätte verletzen können. Dementsprechend dankbar war die Fee, dass es zwischen den Fängen reichlich Platz gab, sodass Link keine Gefahr lief, sich an einem der Zähne das Bein aufzuschlitzen. Durch das Drachenmaul gelangten die Beiden in einen nur schlecht beleuchteten, runden Raum, der bis auf wenige Fackeln und einigen entlang der Wände aufgestellten Rüstungen vollkommen leer zu sein schien. Das Wichtigste war jedoch die mit einem dicken roten Teppich ausgelegte Treppe, die sich in einem weiten Bogen zum nächsten Stockwerk nach oben wand. Während Link zu einer der Rüstungen hinüberging, lauschte Navi auf die schaurige Orgelmusik, die deutlich lauter geworden war, seit sie den Turm betreten hatten. Irgendwie war die Vorstellung, dass Ganondorf gemütlich dort oben in seinem Turmzimmer hockte und Orgel spielte, während der Herr der Zeiten sich durch seine Festung kämpfte, obskur. Der Großmeister des Bösen musste sich seiner selbst verdammt sicher sein, wenn er angesichts der Fortschritte, die sein Feind bereits gemacht hatte, noch immer in Seelenruhe seiner Musik frönen konnte… Link hatte unterdessen die Rüstung erreicht und legte nachdenklich den Kopf schief. Die Rüstung bestand aus einem stählernen Helm, einem ebenso stählernen, massiven Brustharnisch mit passenden Arm- und Beinschützern, sowie aus Überresten erlesenen Stoffes in den Farben der hylianischen Königsfamilie. Irgendwie empfand Link die Anwesenheit dieser Rüstungen als bedrohlicher als alles andere, das er in der Festung bereits gesehen hatte. „Hmm… Ganondorf hat auf mich nie den Eindruck eines Kunstsammlers gemacht“, sagte der junge Mann mehr zu sich selbst als zu seiner Begleiterin und streckte die Hand aus, um den Helm, der zu weit nach unten gerutscht war, wieder zu richten. Doch kaum, dass er die Kopfbedeckung angehoben hatte, riss er seine Hand auch schon wieder mit einem entsetzten Aufschrei zurück. Sofort war Navi an seiner Seite und sah sich besorgt nach einer Bedrohung um. „Was ist los?“, fragte sie nervös, als sie keinen Angreifer entdecken konnte. Links Gesicht war aschfahl, als er zu ihr aufsah, sodass die frischen, noch leicht rötlichen Narben auf seiner Wange besonders deutlich hervorstachen. „D-Da steckt noch jemand drin.“ Die Stimme des Recken zitterte heftig, aber das schien ihm völlig egal zu sein. „Wie ‚da steckt noch jemand drin‘? Was meinst du damit?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, stemmte die Fee den Helm der Rüstung ein wenig nach oben und stieß einen spitzen Schrei aus, als auch sie den Schädel entdeckte, an dem noch immer Reste dunkelblonden Haares klebten. „Bei den Göttinnen, ist das ekelhaft!“ Obwohl der Anblick des fast vollständig verwesten Kopfes zu den widerlichsten Dingen gehörte, die Navi in ihrem Leben je gesehen hatte, ging eine morbide Faszination von ihm aus und die Fee musterte Links Fund neugierig. „Meinst du, alle Rüstungen hier sind in Wirklichkeit die Wachen, die vor sieben Jahren das Schloss beschützt haben?“ „Darüber will ich, ehrlich gestanden, überhaupt nicht nachdenken.“ Link stand mit verschränkten Armen mitten im Raum und sah aus als würde er am liebsten davonrennen. Obwohl er wusste, dass sein Vater bereits vor fast zwanzig Jahren, kurz nach Links Geburt, gestorben war, konnte sich der junge Mann nicht der Vorstellung erwehren, in einer dieser Rüstungen könnten die Überreste seines Vaters stecken. Auch wenn er sich nicht an seine Eltern erinnern konnte, ließ allein dieser Gedanke sein Herz schmerzhaft krampfen. Navi warf ihm wegen des merkwürdigen Untertons in seiner Stimme einen Blick über die Schulter hinweg zu und schien seine Gedanken zu erraten: „Dein Vater war auch Soldat, oder?“ Sie ließ endlich den Helm los und flog zu ihrem Schützling herüber. „Ein Hauptmann der königlichen Garde, ja“, antwortete Link tonlos. „Das ist zumindest das, was mir der Deku-Baum erzählt hat.“ Während sie sich daran machten, die Treppe in das nächste Stockwerk zu erklimmen, musterte Navi ihren Freund von der Seite und erschrak fast darüber wie verschlossen sein Gesicht plötzlich wirkte. Offenbar waren seine Eltern ein Thema, mit dem er sich nur ungern beschäftigte und wo noch viele unverarbeitete Gefühle im Hintergrund lauerten. Nach einigem Zögern fragte die Fee dennoch: „Erinnerst du dich überhaupt nicht an sie? Deine Eltern, meine ich.“ Link blieb abrupt stehen und atmete tief durch. Dann antwortete er mit einem nach innen gewandt wirkenden Blick: „Leider nicht. Jedenfalls nicht bewusst. Manchmal, wenn ich mich in dieser merkwürdigen Übergangsphase zwischen Schlaf und Wachsein befinde, glaube ich, ihre Stimmen zu hören. Aber ich weiß natürlich nicht, wie viel davon tatsächlich auf unbewussten Erinnerungen beruht und wie viel lediglich meiner Phantasie entspringt.“ Navi machte ein mitfühlendes Gesicht und fragte sich wieder einmal, was schlimmer war: Sich daran zu erinnern wie man seine Familie verloren hatte oder völlig ohne Erinnerungen an seine Verwandten zu sein? Mit einem Seufzen setzte Link sich wieder in Bewegung und überraschte Navi, indem er ohne weitere Aufforderung anfügte: „Und manchmal träume ich von meiner Mutter, glaube ich. Wenn ich dann aufwache, verschwimmt ihr Gesicht sofort wieder vor meinen Augen und ich erinnere mich wieder an nichts. Zurück bleibt dann nur das komische Gefühl, verlassen worden zu sein.“ Nach dieser Offenbarung schwiegen die beiden Abenteurer und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Während Navi versuchte, sich in die Gefühlswelt ihres Schützlings zu versetzen, bemühte Link sich verzweifelt, eine Erinnerung an seine Eltern zu erzwingen. Irgendwie fühlte er sich wie ein Verräter, weil er ihre Gesichter nicht kannte. Er wusste ja nicht einmal ihre Namen… Die Zwei hatten die Treppe bereits fast gänzlich erklommen, als Navi plötzlich wie aus dem Nichts fragte: „Würdest du gerne mehr über deine Eltern erfahren?“ Link warf ihr einen etwas irritierten Seitenblick zu. „Natürlich. Aber wen sollte ich fragen? Ich kenne niemanden, der Kontakt zu meinen Eltern gehabt haben könnte.“ „Salia hat zumindest deine Mutter kurz gesehen, als diese dich ins Kokiri-Dorf gebracht hat“, wandte die Fee ein, als sie sich an dieses Detail aus der Erzählung des Deku-Baums erinnerte. Link nickte, wirkte dabei jedoch ziemlich resigniert. „Stimmt. Aber seit sie sich als die Weise des Waldes entpuppt hat, kann ich schlecht zu ihr gehen und einen Plausch über meine Mutter halten.“ Navi wusste selbst nicht, warum sie das Thema nicht einfach auf sich beruhen lassen konnte. Vielleicht war es der verloren wirkende Ausdruck in Links Augen, der sie dazu brachte, ihn um jeden Preis trösten zu wollen. Nach einem letzten Strohhalm greifend schlug sie vor: „Wenn Ganondorf besiegt ist, könnten wir in Kakariko ein wenig herumfragen. Vielleicht lebt dort ja jemand, der früher in der Nähe deiner Eltern gewohnt hat und sich noch an deine Familie erinnert!“ Trotz der Leere, die er empfand, wann immer er an seine Eltern dachte, musste der Herr der Zeiten bei diesen Worten lächeln. Navi war wirklich eine wunderbare Freundin. Sie hätte sich eigenhändig das Herz herausgerissen, wenn sie ihn damit hätte retten können, das wusste er. Mit vor Rührung belegter Stimme antwortete er daher: „Ja, das können wir tun. Danke.“ Die Fee lief rot an und machte eine unwirsche Handgeste. „Ach, wofür denn?“ Die Antwort blieb Link ihr jedoch schuldig, da sich in diesem Moment plötzlich Feuerflatterer von Decke auf sie stürzten. „Woa! Wo zum Deku kommen diese Biester plötzlich her?!“ Sein Schwert schwingend bemühte sich der Kämpfer nach Kräften, die angriffslustigen Feuerfledermäuse von sich und seiner Fee fernzuhalten, während sie sich so schnell wie möglich auf die Tür am Ende der Treppe zu bewegten. Glücklicherweise waren die geflügelten Monster nicht besonders intelligent, sodass sie im Schwarm angriffen, anstatt sich aufzuteilen und von allen Seiten zu kommen. So gelang es den beiden Abenteurern tatsächlich, sich in den nächsten Raum zu retten, ohne verletzt zu werden. Doch leider war ihnen auch dort keine Atempause vergönnt… Kaum, dass die Tür hinter den Beiden ins Schloss gefallen war, kam von der anderen Seite des Raumes ein Echsalfos auf sie zu. Weder Link noch Navi hatten je ein derart großes und kräftiges Exemplar gesehen wie dieses. Zudem erschien dieser Echsenkrieger auch noch deutlich intelligenter zu sein als seine Artgenossen, was dem Herrn der Zeiten einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Der Echsalfos betrachtete ihn aus seinen seltsam klug wirkenden Schlangenaugen und sagte plötzlich: „Herr der Zzzzzeiten, sssssssseid gegrüsssssssst. Issss bin der erssssssste Wächter desssss Teufelsssssturmsssss. Beweissssssst mir eure Macht.“ Hylianer und Fee tauschten einen verschreckten Blick. Seit wann konnten Echsalfos sprechen?! Link hatte jedoch keine Zeit, sich über dieses Phänomen den Kopf zu zerbrechen, da der Echsenkrieger mit gezücktem Schwert auf ihn zu sprang und ihm beinah den Brustkorb spaltete. Es war allein den schnelle Reflexen des inzwischen versierten Kämpfers zu verdanken, dass Link sich gerade noch rechtzeitig aus der Gefahrenzone drehen konnte. Dennoch zeigte ein langer Schnitt auf der Vorderseite seiner Oberbekleidung, wie knapp es er der Attacke ausgewichen war. Das Schwert des Reptils war ihm derart nah gekommen, dass nicht nur Tunika und Hemd, sondern auch sein Kettenhemd aufgeschlitzt worden war. „Hey! Ich brauch die Rüstung vielleicht noch!“ Link betrachtete das neue Loch in seiner Kleidung, das den Blick auf eine Narbe freigab, die er sich im Schattentempel zugezogen hatte, als er beinah in die rotierenden Klingen einer unsichtbaren Sense gelaufen wäre. Der Echsalfos kniff die Augen ein wenig zusammen und zischte: „Hör auf, herumzzzzzzualbern und kämpf!“ „Ja, ja, ist ja schon gut!“ Link hoffte, er könnte den Echsenkrieger unvorsichtig machen, wenn er so tat als nähme er den Kampf überhaupt nicht ernst. Navi sah sich unterdessen ein wenig um, ob sie etwas entdecken konnte, das ihrem Schützling im Kampf vielleicht nützlich sein könnte. Der Raum war jedoch bis auf einige Fackeln, die in reich verzierten Wandhalterungen steckten, vollkommen leer. Den nächsten Angriff blockte Link mit seinem Schild und versuchte eine Konterattacke, indem er unter dem unteren Rand des Schildes entlang schlug. Der Echsalfos schien jedoch etwas Derartiges geahnt zu haben und sprang rechtzeitig nach hinten. Dem Herrn der Zeiten standen die Haare zu Berge, als er sah wie schnell sich sein Kontrahent bewegte. Schon seine früheren Kämpfe gegen Echsenkrieger waren hart gewesen und dieser hier schien zu allem Überfluss auch noch eine Art Elitekämpfer zu sein. Trotzdem ließ Link sich nicht entmutigen und ging im Geist seine Ausrüstung durch: Welche Gegenstände hatte er dabei, die ihm in dieser Situation von Nutzen sein könnten? Er könnte zum Beispiel eine Deku-Nuss auf den Boden werfen und den Moment ausnutzen, in dem der Echsalfos geblendet sein würde. Der Echsenkrieger schien jedoch seine Gedanken zu erraten und warnte: „Denk nisss mal dran! Sssssssobald du dein Ssssssschwert oder Ssssssssschild ssssssssinken lässssssst, um zzzzzu einem deiner kleinen Tricksss zzzzzzu greifen, hack isss dir den Arm ab!“ Der Ausdruck in den vertikal geschlitzten Augen der Echse überzeugte Link von der Ernsthaftigkeit der Drohung. Für ihn selbst war ein Griff zu seinem Lederbeutel also nicht möglich. Aber vielleicht konnte ja Navi…? Hilfesuchend sah sich der Kämpfer nach seiner Begleiterin um, doch diese schien einen eigenen Plan zu verfolgen. Als sie gesehen hatte, wie gefährlich dieser Echsenkrieger war, hatte sie verzweifelt nach einer Möglichkeit gesucht, Link zu unterstützen. Er brauchte all seine Kraft für den Kampf gegen Ganondorf! Sie konnten es sich nicht erlauben, dass er hier wertvolle Energie und Zeit mit dieser Echse verbrauchte. Nach einer gründlichen Inspektion des Raums hatte die Fee schließlich einen großen Splitter entdeckt, der von einer der Fackeln abstand. Sie hatte ihr volles Körpergewicht aufwenden müssen, um den Splitter abzubrechen, war am Ende aber doch erfolgreich gewesen. Nun schwebte sie heftig keuchend vor der Fackel und entzündete den abgebrochenen Splitter an deren Feuer. Dann wandte sie sich um und sauste so schnell sie konnte, ohne dass die Flammen wieder erloschen, auf die beiden Kämpfenden zu. Link sah aus dem Augenwinkel wie Navi auf sie zu eilte und dabei einen Flammenschweif hinter sich herzog. Was hatte sie nur vor? Im ersten Moment konnte sich der Herr der Zeiten keinen Reim auf das Verhalten seiner Fee machen, doch dann kam ihm eine Idee und er drehte sich so, dass der Echsenkrieger seitlich zu Navi stehen musste, wenn er ihn weiterhin attackieren wollte. Als sie das sah, stahl sich ein breites Grinsen auf die Lippen der Fee. Allmählich verstanden ihr Schützling und sie sich ohne Worte. Nur Sekunden nachdem Link den Echsalfos dazu gebracht hatte, seine Position zu verändern, rammte Navi diesem den brennenden Holzsplitter tief ins Auge. Das Reptil kreischte laut auf und grünliches Blut spritzte der Fee ins Gesicht. Sich vor Schmerzen windend griff sich der Echsalfos an das verletzte Auge und versuchte, den Span herauszuziehen. Beeindruckt nahm Link zur Kenntnis, dass der Echsenkrieger sein Schwert noch immer umklammerte und offenbar bereit war, weiterzukämpfen. Der kurze Moment der Unaufmerksamkeit hatte dem Herrn der Zeiten jedoch gereicht, um sich in Schlagweite zu bringen. Bevor der Echsalfos registrieren konnte, in welch misslicher Lage er sich befand, hatte Link ihm auch schon das Master-Schwert bis zum Heft in die Kehle getrieben. Die heilige Klinge war am Nacken der Echse wieder ausgetreten und zähes, grünes Blut fiel in dicken Tropfen von seiner Spitze. Während er seine Waffe wieder aus dem toten Monster zog und sie mit der Mütze, die er zuvor als provisorischen Verband benutzt hatte, säuberte, lobte der Krieger seine Fee: „Danke, Navi. Das war wirklich gut mitgedacht.“ „Ja, nicht wahr?“ Sie klatschte aufgeregt in die Hände und grinste von einem Ohr zum anderen. „Ich bin total begeistert, dass du sofort verstanden hast, was ich vorhatte! Ich hatte schon befürchtet, es würde viel schwieriger werden, dem Echsalfos den Splitter ins Auge zu rammen, aber du hast super mitgearbeitet. Wir sind ein absolutes Spitzenteam!“ Link schmunzelte über Navis Begeisterung und steckte das Master-Schwert zurück. „Du wirst noch eine richtige Krieger-Fee!“ Diese lachte auf und folgte ihrem Freund zur nächsten Treppe, die in den zweiten Stock führte. „Und dabei haben sich meine Eltern immer gewünscht, ich würde Lehrerin.“ Link stieß einen grunzenden Laut aus, als er daraufhin ein Lachen unterdrückte. „Was?“ Navi funkelte ihn bedrohlich von der Seite an. „Gar nichts.“ Link warf ihr einen Seitenblick zu, während seine Mundwinkel unkontrolliert zuckten. Dann brach er schließlich in schallendes Gelächter aus und prustete: „Entschuldige, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie du vor einer Klasse junger Feen stehst und sie mit der erhabenen Ruhe und Gelassenheit einer Lehrerin unterrichtest. Du würdest viel eher mit einem anderen Lehrer vor der versammelten Klasse raufen, weil er eine deiner Theorien in Frage gestellt hat!“ Navi verengte die Augen zu Schlitzen und warf ihm einen bitterbösen Blick zu, bevor auch sie über diese Vorstellung lachen musste. „Das ist alles nur dein schlechter Einfluss!“, behauptete sie. „Bevor ich auf dich getroffen bin, war ich ruhig und besonnen und ein Muster an akademischer Ernsthaftigkeit!“ Link lachte noch lauter und Navi betrachtete ihn mit einem Lächeln. Er war hübsch, wenn er lachte. Gut, dass er es trotz allem, was ihm bereits widerfahren war, noch nicht verlernt hatte. Vielleicht, überlegte die Fee mit einem Anflug von Stolz, war sie einer der Gründe, weshalb er noch lachen konnte. Womöglich hatte der Deku-Baum genau deswegen sie ausgewählt und nicht eine erfahrenere Fee, die dem Herrn der Zeiten mit besserem Rat zur Seite hätte stehen können. Vielleicht hatte der weise Deku-Baum schon damals geahnt, dass Link eine Freundin nötiger haben würde als eine Lehrerin… Die beiden Abenteurer scherzten noch immer miteinander, als sie den zweiten Stock erreichten und durch die nächste Tür schritten. Doch als Navi den verlassen wirkenden Raum sah, wurde sie plötzlich wieder ernst und warnte mit leiser Stimme: „Sei vorsichtig, Link. Irgendetwas stimmt hier nicht.“ Der Herr der Zeiten blieb stehen und warf seiner Fee angesichts des friedlich wirkenden Zimmers einen fragenden Blick zu. „Hörst du wieder irgendwelche Stimmen?“ Bei dem latent amüsierten Unterton in seiner Stimme presste Navi die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Sie wusste ja, dass ihm die Vorstellung, dass selbst leblose Gegenstände wie Gebäude eine Seele hatten, schwerfiel – aber hatte sie nicht oft genug bewiesen, dass sie sich diese Stimmen nicht nur einbildete? Trotzdem bemühte sie sich, dass man ihrer Antwort ihre Verstimmung nicht anmerkte. Sie wollte nicht streiten. „Nein“, sagte sie mit einem verstärkenden Kopfschütteln. „Hier spricht überhaupt nichts zu mir. Es ist einfach… Findest du es nicht auch verdächtig, dass dieser Raum so friedlich wirkt? Das schreit doch nach einer Falle!“ Link verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein und schien das Zimmer um sich herum mit neuen Augen zu sehen, während er sich an die Licht-Kammer erinnerte. Dort hatte auf den ersten Blick auch alles harmlos gewirkt, aber dann hatte sich der Raum als einer der schrecklichsten und bedrohlichsten erwiesen. Gerade, als er Navi versprechen wollte, extra vorsichtig zu sein, erklang plötzlich schauriges Gelächter und ein Wandteppich, der Szenen aus der Gerudo-Mythologie zu zeigen schien, wurde ruckartig zur Seite gerissen. Dahinter kamen zwei Skelettkrieger zum Vorschein, die langsam mit gezückten Schwertern auf die beiden Abenteurer zu schritten. Link stieß einen leisen Fluch aus und griff nach seiner eigenen Waffe, während Navi auf seiner Schulter landete und ihn flüsternd erinnerte: „Denk dran, ihre Schwachpunkte sind ihre Halswirbel. Nur dort sind sie wirklich verletzlich. Ich werde versuchen, einen von beiden abzulenken, damit du dir den anderen in Ruhe vornehmen kannst.“ Der Herr der Zeiten nickte, um seiner Fee stumm zu verstehen zu geben, dass er ihren Plan verstanden hatte. Dann erhob sich diese wieder in die Lüfte und sauste auf den hinteren Angreifer zu. Bevor sie ihn erreichen konnte, verneigten sich die beiden Skelette jedoch plötzlich vor Link und stellten sich vor: „Sei gegrüßt, Herr der Zeiten. Wir sind die Gebrüder Mykono. Früher waren wir die Leibwächter des hylianischen Königs, doch heute dienen wir dem großen Ganondorf. Wir gratulieren dir, dass du die ersten Prüfungen, die unser Meister dir auferlegt hat, bestanden hast. Aber hier ist deine Siegesserie vorüber. An uns kommst du nicht vorbei. Mach dich bereit, zu sterben!“ Mit diesen Worten stießen sie beide gleichzeitig die gezackten Klingen ihrer Anderthalbhänder auf Link herab, der nur knapp noch rechtzeitig seinen Schild hochreißen konnte. Navi starrte unterdessen vollkommen verblüfft die beiden Skelette an. Das sollten die berühmten Gebrüder Mykono sein? Sie erinnerte sich, dass sie in einem Geschichtsbuch über die Brüder gelesen hatte. Sie waren hünenhafte Zwillinge gewesen, die in einem inzwischen verlassenen Dorf in den Bergen am Rande Hyrules aufgewachsen waren. Die Krieger aus jener Provinz hatten seit jeher als besonders widerstandsfähig und stark gegolten – vielleicht, weil das raue Klima in den fast durchgängig von Schnee bedeckten Bergen sie von klein auf abgehärtet hatte. Doch die Gebrüder Mykono hatten alle anderen Provinzkrieger noch überflügelt und galten bis heute als die besten Kämpfer, die Hyrule je gesehen hatte. Doch die Brüder waren bereits vor Hunderten von Jahren gestorben… Hatte Ganondorf etwa ihre Gräber geplündert? Bei dieser Vorstellung wurde der Körper der Fee von einem heftigen Schauer erfasst. Ihr Ekel wurde jedoch schnell von Sorge verdrängt, als sie sah wie die beiden Skelette ihren Schützling durch den Raum trieben. Die Brüder bewegten sich wie eine Einheit und mit derart fließenden Bewegungen, dass ihre Attacken fast wie ein Tanz wirkten. Link hatte alle Hände voll damit, sich zu verteidigen – an einen Gegenangriff war derzeit überhaupt nicht zu denken. Wenn das so weiter ging, würde der Herr der Zeiten irgendwann ermüden und dann unterliegen… Während Link tapfer einen Schwerthieb nach dem anderen parierte und nach einer Lücke in dem Angriffsmuster der Skelettkrieger suchte, überlegte Navi fieberhaft, wie sie ihm helfen konnte. Obwohl sie keine große Hoffnung hatte, dass es funktionieren würde, versuchte die Fee, einen der Brüder abzulenken. Wenn sie es schaffte, dass einer der beiden sich auf sie konzentrierte, würde das Link vielleicht genügend Luft geben, um eine Gegenattacke zu starten. Doch wie bereits befürchtet, ignorierten die Skelette Navi völlig – ganz egal, wie penetrant sie vor ihren Gesichtern herumflog. Die Brüder waren Soldaten durch und durch. Für sie gab es nur ein Ziel und bis sie es erreicht hatten, würden sie sich von nichts und wieder nichts davon abbringen lassen. Navi musste sich etwas anderes einfallen lassen… Für einen Moment sah sie vor ihrem geistigen Auge wie Link ihr Bomben zuwarf, die sie in den Brustkörben der Gebrüder festklemmte, bevor Link sie mit Dins Feuerinferno zur Explosion brachte und die Skelettkrieger so völlig zerfetzte. Leider hatte weder Link die Zeit, in seinen Wunderbeutel zu greifen, noch war sie kräftig genug, um eine Bombe zu tragen. Frustriert und zunehmend panisch raufte Navi sich die Haare und zermarterte ihr Hirn weiter auf der Suche nach einer Lösung. Es musste einen Weg geben! Sie waren nicht derart weit gekommen, um jetzt zu scheitern! Zu ihrer großen Überraschung nahm Link die Sache plötzlich selbst in die Hand, indem er etwas absolut Unvorhergesehenes tat: Er schleuderte den völlig verdatterten Brüdern Schwert und Schild entgegen und rief: „Fangt!“ Dann nutzte er den kurzen Moment der Irritation, um auf dem Absatz kehrt zu machen und auf die andere Seite des Raumes zu sprinten. Navi war genauso verblüfft wie die beiden Skelette, die nun versuchten, Link einzukreisen. Doch dann bemerkte sie den Gegenstand, den der Herr der Zeiten noch im Lauf aus seinem Wunderbeutel gezogen hatte: Nayrus Umarmung. Die Gebrüder Mykono hatten ihn inzwischen erreicht und in der Nische, in der sie zuvor gewartet hatten, in die Enge getrieben. Mit einem schaurigen Lachen schüttelten die beiden mit den Köpfen und Navi entschied, dass das Gruseligste an ihnen diese vollkommene Synchronizität war. „Wir hätten es lieber gesehen, dich mit dem Master-Schwert in der Hand niederzustrecken“, sagte der eine Bruder und der zweite komplettierte: „Aber wenn du es vorziehst, unbewaffnet zu sterben, soll uns das auch recht sein.“ Mit diesen Worten ließen die Beiden ihre erhobenen Schwerter auf Link niedersausen. Dieser aktivierte den Zauber in seiner Hand erst im allerletzten Augenblick. Die Klingen der Brüder trafen hart auf den magischen Schutzschild und wurden ihnen aus den Händen gerissen. Angesichts dieser Entwicklung zeigten sich die Skelettkrieger deutlich geschockt, doch Link gab ihnen kaum Gelegenheit, das Geschehene zu verarbeiten. Sobald die Brüder entwaffnet waren, ließ er Nayrus Umarmung fallen und griff nach oben, um die beiden Skelette an ihren Nasenöffnungen zu packen. Dann zog er ruckartig an und riss ihnen mit der Kraft der Titanhandschuhe die Schädel mitsamt den Rückgraten vom Rest des Körpers. Die restlichen Knochen fielen zu einem Haufen zusammen als wäre der Zauber, der sie bislang zusammengehalten hatte, gebrochen. Navi erschrak über diese ungewohnte Brutalität, rief ihrem Schützling aber dennoch sofort zu: „Sie können sich wieder zusammensetzen, so lange die Wirbelsäule intakt ist!“ Wieder nickte Link nur, warf die beiden Schädel zu Boden und zertrümmerte ihnen mit zwei gezielten Tritten die Nackenwirbel. Dann sammelte er seine fallengelassenen Ausrüstungsgegenstände wieder ein und sah zu seiner Fee auf. Diese schluckte hart und versuchte zu lächeln, was ihr ziemlich gründlich misslang. Manchmal vergaß sie, dass ihr Schützling eine dunkle Seite hatte, die durch die Belastungen seiner Reise entstanden war. Sie konnte verstehen, dass er manche Situationen physisch und psychisch nur deswegen überlebt hatte, weil er es geschafft hatte, sein Herz in einem massiven Eispanzer einzuschließen. Trotzdem machte ihr diese Seite von ihm Angst. Es war fast als stünde sie in diesen Momenten einer anderen Person gegenüber. Link atmete tief durch und schien ein wenig zu sich selbst zurückzufinden, als er fragte: „Kommst du?“ „Natürlich!“ Navi beeilte sich, zu ihm aufzuschließen und sagte dann, um die angespannte Atmosphäre wieder zu lockern: „Weißt du eigentlich, dass du gerade die besten Krieger aller Zeiten besiegt hast? Damit geht der Titel jetzt auf dich über: bester Krieger aller Zeiten! Na? Klingt das gut?“ Die Fee hatte sich um einen heiteren Ton bemüht, aber das Gesicht ihres Begleiters blieb eine undurchschaubare, emotionslose Maske. Die Stufen in den nächsten Stock hinauf steigend antwortete er ernst: „Danke, aber der Titel ‚Herr der Zeiten‘ ist mir bereits mehr als genug.“ Während sie die Treppe erklommen und dabei durch das Licht der bereits fast vollständig untergegangenen Sonne, das durch die schmalen, in regelmäßigen Abständen in der Wand verteilten Schießscharten in den Flur fiel, immer wieder in eine blutrote Aura gehüllt wurden, fragte Navi sich, ob es einen großen Unterschied machte, ob man mit einer Waffe oder der bloßen Hand tötete. Sie selbst hatte noch nie ein Leben beendet und konnte deswegen weder in der einen noch in der anderen Situation nachvollziehen, wie man sich dabei fühlte. Ihr war jedoch aufgefallen, dass Link sich deutlich öfter hinter seine selbsterrichteten Mauern zurückzog, wenn er einen besonders blutigen Kampf bestritten oder mit bloßer Hand getötet hatte. Sie hätte ihren Schützling gerne danach gefragt, fürchtete aber, ihre Neugierde würde nur dazu beitragen, dass er sich noch tiefer in sein Schneckenhaus zurückzöge. Es fiel Navi auch nach all der Zeit, die sie inzwischen mit Link verbracht hatte, noch immer schwer mit seiner plötzlich auftretenden Gefühlskälte umzugehen – vor allem dann, wenn sie kurz zuvor noch vergnügt miteinander gescherzt und gelacht hatten. Nur zu gern hätte sie irgendetwas gesagt oder getan, um die Anspannung, die wie eine undurchdringliche Dunstglocke über ihnen schwebte, wieder zu lösen. Doch dann betraten sie den dritten Stock und Navi musste einsehen, dass sie ihre Aufmunterungsversuche erst einmal hintanstellen musste. Als Link die beiden Eisenprinzen entdeckte, die bereits auf ihn warteten, fluchte er leise: „Das darf doch nicht wahr sein! Ich hab keine Zeit für sowas!“ Die beiden Prinzen erhoben sich von ihren Thronen und gingen gemäßigten Schrittes auf Link zu. Irgendwie wirkten sie dabei geradezu majestätisch und Navi bemerkte, dass der Brustharnisch des in weiß gekleideten Eisenprinzen Ausbuchtungen für einen weiblichen Busen hatte. „König und Königin“, schoss es der Fee durch den Kopf, „wie bei einem Schachspiel. Selbst die Farben passen.“ Nach den Erlebnissen in den tiefer gelegenen Stockwerken rechneten die beiden Abenteurer fest damit, dass die Eisenprinzen ein paar Worte an sie richten würden, was jedoch nicht geschah. Stattdessen beschleunigten sie ihre Schritte und schienen sich zum Angriff bereit zu machen. Der Herr der Zeiten schluckte hart. Er konnte sich gut daran erinnern, wie schwer ihm die Kämpfe gegen die anderen Eisenprinzen gefallen waren – und da hatte er es immer nur mit jeweils einem zu tun gehabt. Wie sollte er gegen zwei dieser Kolosse gleichzeitig bestehen? Doch dann fiel ihm sein erster Kampf gegen einen Eisenprinzen ein und ein grimmiges Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Das war die Idee! Wer sagte eigentlich, dass er alleine kämpfen sollte? Navi zog irritiert die Stirn kraus, als Link einen einzelnen Pfeil aus seinem Wunderbeutel zog und ihn auch noch kurz hinter der Spitze abbrach. Als er ihr das scharfkantige Metalldreieck entgegenhielt, verstand sie seine Absichten jedoch sofort und erschrak heftig. Zählte er im Kampf tatsächlich auf sie? Im Kampf?! Klar, sie hatte ihn schon häufiger gerettet und zwei Stockwerke tiefer hatte sie ihm im Kampf gegen den Echsalfos geholfen, aber in fast allen dieser Fälle war sie derart panisch gewesen, dass sie mit der Kraft der Verzweiflung gekämpft hatte. Zudem war ein Eisenprinz ein wesentlich angsteinflößenderer Gegner als ein Echsenkrieger… Konnte sie ihre Furcht, die sie diesen Metallkolossen gegenüber empfand, auch dann herunterschlucken, wenn Link nicht in Lebensgefahr schwebte? Mit zitternden Händen nahm sie die Pfeilspitze entgegen und sprach sich selbst stumm Mut zu: „Du kannst das, Navi, altes Mädchen. Du hast schon einmal einen Eisenprinzen besiegt. Du musst auch überhaupt nicht kämpfen. Du musst nur schnell sein.“ „Du nimmst den Weißen, ich kümmere mich um den Schwarzen“, befahl Link und stürzte sich mit einem wilden Kampfschrei auf die herannahenden Monster. Navi wusste, sie musste jetzt den zweiten Eisenprinzen ablenken und versuchen, die Bänder, die diese magisch zum Leben erweckte Rüstung zusammenhielten, zu durchtrennen. Aber ihr gesamter Körper fühlte sich plötzlich an wie paralysiert und ihre Zunge klebte ihr am ausgedörrten Gaumen. Nur ein Schlag von diesen Wesen und sie wäre Feenbrei… Inzwischen hatten beide Eisenprinzen Link erreicht und schlugen abwechselnd mit ihren gewaltigen Breitäxten nach dem Herrn der Zeiten, der nur mit Mühe und Not ausweichen konnte. Ein winziger Fehler würde ihm das Leben kosten… „Navi! Was tust du denn?! Ich brauche deine Hilfe!“ Panik ließ die Stimme des jungen Mannes ungewöhnlich schrill klingen. Dennoch konnte seine Fee sich noch immer nicht rühren. Erst, als die Klinge des weißen Eisenprinzen so knapp an Links Kopf vorbei durch die Luft zischte, dass anschließend ein paar Haarspitzen des Hylianers zu Boden schwebten, erwachte Navi endlich wieder aus ihrer Starre. Es spielte keine Rolle, was mit ihr passierte! Aber Link musste um jeden Preis überleben, um Ganondorf in seine Schranken verweisen und Hyrule retten zu können. So schnell sie konnte flog sie zu den Eisenprinzen herüber, die glücklicherweise beide so sehr auf Link fixiert waren, dass sie von der Fee überhaupt keine Notiz nahmen. Die scharfkantige Pfeilspitze ritzte Navi die Handflächen auf, als sie damit die dicken Lederbänder an der Rückenseite des Brustharnisches durchsäbelte, doch das kümmerte die Fee wenig. Die weiße Rüstung fiel von lautem Gepolter begleitet zu Boden und für einen Moment war es als stünde die Zeit still. Link und Navi hatten beide erwartet, dass der in der Panzerung gefangene Geist gen Himmel fahren oder sich ganz einfach auflösen würde, sodass außer der Rüstungsteile nichts mehr auf die frühere Anwesenheit des Eisenprinzen hindeuten würde. Doch aus der Rüstung entwich kein körperloser Geist… Stattdessen stürzte eine erschreckend frisch wirkende Frauenleiche aus der Panzerung und schlug hart auf den Steinfliesen auf. Die Leiche hatte langes, platinblondes Haar, eine klaffende Wunde auf der Brust, so als wäre ihr das Herz herausgerissen worden, und ein wunderschönes Diadem aus Gold und Edelsteinen auf der Stirn. Sie sah Prinzessin Zelda derart ähnlich, dass Link für einen Moment der Atem aussetzte. Doch dann stieß Navi genauso geschockt klingend wie er sich fühlte aus: „Die Königin! Oh, bei den Göttinnen!“ Vor Schreck hatte die Fee die Pfeilspitze fallengelassen und sich die Hände vor den Mund geschlagen, sodass sie nun ihr eigenes Blut schmeckte. Das nahm sie jedoch nur am Rande war. Sie war viel zu geschockt über die Erkenntnis, wer in dieser Rüstung gesteckt hatte: Königin Serafina von Hyrule, Zeldas Mutter! Der übrig gebliebene Eisenprinz stieß einen gequält klingenden Laut aus und stürzte sich mit neuem Eifer auf Link. Dieser war noch immer so konsterniert, dass er die neuerliche Attacke um ein Haar verpasst hätte und beim überstürzten Ausweichen das Gleichgewicht verlor. Der Aufprall auf den harten Steinfliesen presste dem jungen Mann die Luft aus den Lungen, aber er hatte kaum Zeit, neuen Atem zu schöpfen. Wie ein Berserker ging der schwarze Eisenprinz auf ihn los und ließ immer wieder seine mächtige Axt hinabsausen. Link blieb nichts weiter übrig als auf dem Rücken liegend rückwärts zu kriechen und immer wieder Arme und Beine aus der Schlagzone zu ziehen. Dort, wo sich die Klinge der Axt in den Boden bohrte, hinterließ sie tiefe Furchen im Stein. Bei diesem Anblick vergaß Navi ihren Schrecken schnell wieder und sie stieß hinab, um zwischen den verstreut daliegenden Rüstungsteilen nach der fallengelassenen Pfeilspitze zu suchen. Mit zitternden Händen wühlte sich die Fee durch Metallteile und Stofffetzen, während ihr Schützling rief: „Äh… Navi? Ich könnte hier etwas Hilfe gebrauchen!“ Gerade, als Navi die Pfeilspitze endlich wiedergefunden hatte, hatte der Eisenprinz Link gegen die nächste Wand getrieben. Obwohl sein Gesicht unter dem Helm natürlich nicht zu sehen war, wirkte es als grinste das Monster, als es erneut seine Kriegsaxt hob – bereit, Link den Brustkorb zu spalten. Navi stieß sich so kräftig sie konnte vom Boden ab und sauste zu den Beiden herüber, während sie stumm zu den Göttinnen betete, sie möge schnell genug sein. Link riss instinktiv die Arme über den Kopf und kniff die Augen fest zusammen, um sein Ende nicht sehen zu müssen. Dann spürte er etwas schwer auf seine Unterarme aufschlagen und war sich sicher, im nächsten Augenblick in zwei Hälften zerteil zu werden, aber der erwartete Schmerz blieb aus. Blinzelnd schlug er die Augen wieder auf und entdeckte Navi, die über ihm in der Luft schwebte. Bunt schillerndes Blut tropfte von ihren fragil wirkenden Fingern und auf ihrem Gesicht lag eine derart tiefe Trauer, dass sich der Herr der Zeiten für einen Moment verwirrt fragte, ob er womöglich doch gestorben und nun ein Geist war. Erst, als er sich aufrichtete und sah, was um ihn herum verteilt auf dem Boden lag, verstand er ihre Traurigkeit und auch, was ihn am Arm getroffen hatte: Navi hatte es gerade noch rechtzeitig geschafft, den Eisenprinzen unschädlich zu machen und beim Auseinanderfallen der Rüstung war der Helm gegen Links Unterarm gestoßen. Zwischen den Rüstungsteilen lag die Leiche eines großen, breitschultrigen Mannes mit dichtem, braunem Haar auf dem Bauch und starrte mit leeren, gebrochenen Augen an die gegenüberliegende Wand. Der kompakt wirkende Körper des Mannes steckte in einer purpurnen, mit Pelz verbrämten Samtrobe mit schwarzen Hosen und seine Schultern waren von einem kurzen, tannengrünen Umhang bedeckt. Link, der über die Identität der Leiche nur spekulieren konnte, sah seine Fee an und fragte mit zitternder Stimme: „Der König?“ Navi nickte. „Ja, König Johanson.“ Dann brach sie plötzlich in Tränen aus und warf sich gegen Links Brust, wo sie sich mit erstaunlicher Kraft in dem Stoff seiner Tunika festkrallte und weinte wie ein Kind. Etwas verlegen legte Link seine Hand um sie und versuchte, sie irgendwie zu trösten. Als sie sich nach einigen Minuten endlich ein wenig beruhigte, sah sie mit verquollenem Gesicht zu ihrem Freund auf und flüsterte: „Ich weiß, es stimmt nicht, aber irgendwie fühle ich mich als hätte ich sie umgebracht.“ Eine sonderbare Mischung aus liebevoller Wärme und Zorn machte sich auf Links Gesicht breit, als er mit dem Kopf schüttelte. „Du hast sie nicht getötet, Navi, oder ihnen auf sonst irgendeine Weise etwas angetan – ganz im Gegenteil. Du hast ihnen ihren wohl verdienten Frieden gebracht und sie aus Ganondorfs Fängen befreit.“ Dann ballte er die Fäuste fest zusammen und der wütende, harte Ausdruck auf seinem Antlitz gewann die Oberhand. „Es wird allerhöchste Zeit, dass ich dieses Monster aufhalte. Ich wusste ja, dass er bösartig ist, aber was ich heute hier gesehen habe, übersteigt alles, was ich mir in meinen schlimmsten Albträumen ausgemalt habe!“ Navi wischte sich letzte Tränen von den Wangen und holte schniefend Luft, bevor sie nickte und zustimmte: „Das kannst du laut sagen!“ „Meinst du, du bist schon bereit, weiterzugehen?“ Die Fürsorge in Links Stimme rührte Navi und ihre Augen drohten sich erneut mit Tränen zu füllen. Daher nickte sie vehement und rief etwas zu enthusiastisch: „Na, darauf kannst du Gift nehmen!“ Der junge Mann bedachte seine Begleiterin mit einem langen, besorgten Blick, dann wandte er sich der nächsten Tür zu, durch die man zu einer weiteren Treppe gelangte. Dieser Treppenaufgang war gänzlich anders gestaltet als jene, die die beiden Abenteurer bislang passiert hatten. Hier gab es keine Schießscharten, sondern große, kunstvoll gearbeitete Buntglasfenster, die trotz des schwachen Lichtes von draußen vielfarbige, miteinander verschlungene Muster auf den roten Teppich malten. Die Orgelmusik, die bereits in der ganzen Festung zu hören gewesen war, wurde mit jeder Stufe, die Navi und Link erklommen, lauter und der Herr der Zeiten spürte deutlich, fast am Ziel seiner Reise angekommen zu sein. Seine Fee warf ihm einen verwunderten Seitenblick zu, als Link das Tempo drosselte und auf jeder Treppenstufe für den Bruchteil einer Sekunde verharrte, bevor er sich wieder bewegte. So sehr er den finalen Kampf gegen Ganondorf herbeisehnte, genauso fürchtete er sich auch davor und er wollte die letzten Meter ausnutzen, um sich ein letztes Mal zu sammeln, bevor es um alles ging. Vor seinem geistigen Auge sah er noch einmal die verschiedenen Stationen seiner Reise vor sich, während er sich an all die Schwierigkeiten erinnerte, die er bereits durchgestanden hatte, und sich ins Gedächtnis rief, dass er seinen Kopf jedes Mal wieder aus der Schlinge hatte ziehen können – egal, wie brenzlig die Situation auch gewesen war. Er dachte an all die Personen, die er während seiner Reise getroffen hatte und die ihm helfend zur Seite gestanden hatten: die mütterliche Wirtin aus Hyrule-Stadt, Hector und Link, die Goronoen, Kallaha und Mia, die Zora, Dinah, Zeherasade, Miccahia und Aveil, die Gerudo-Kriegerinnen, der alte Historiker aus Kakariko… Zudem waren da ja auch noch die Weisen: Rauru, Salia, Darunia, Ruto, Impa und Naboru – auch wenn deren Hilfe bislang in kaum mehr als ein paar aufmunternden Worten bestanden hatte… Obwohl Link sich ein wenig dagegen sträubte, tauchte auch Shiek vor seinem geistigen Auge auf, wie er ihn die Teleportierlieder gelehrt und ihm ein ums andere Mal aus der Patsche geholfen hatte. Zelda… Auch wenn der Gedanke an ihre Scharade noch immer schmerzte, musste der junge Held sich eingestehen, dass er ohne ihre Hilfe niemals soweit gekommen wäre. Er würde Ganondorf für all seine Helfer und für die anderen Bewohner Hyrules besiegen, damit dieser Dämon nie wieder irgendwelches Unheil anrichten und andere verletzen konnte! Inzwischen hatten die beiden Abenteurer die Treppe erklommen und standen nun vor einer reich verzierten Tür, die in das höchstgelegene Turmzimmer führte. Es war unverkennbar, dass das Orgelspiel von hier kam. Ganondorf… Sie hatten ihn endlich erreicht… Link sah zu Navi auf, die entschlossen zu ihm zurückblickte. „Bist du bereit?“ Als seine Fee nickte, drückte der Herr der Zeiten die Türklinke herunter und betrat die Privatgemächer seines Erzfeindes. Kapitel 63: Mut versus Kraft ---------------------------- Die unerwartete Schönheit des saalartigen Raumes verschlug den beiden Abenteurern für einen Moment den Atem. Die Wände ringsum bestanden ausschließlich aus Buntglasfenstern, die bei genauerem Hinsehen die Entstehungsgeschichte des Triforce erzählten. Der Boden war mit einem kostbar wirkenden Teppich ausgelegt, der mit Gerudo-typischen Ornamenten verziert war, und in einer Ecke stand ein breites, von hauchdünnen Stoffbahnen verhangenes Bett, das aussah als wäre es aus purem Gold geschmiedet. An der dem Bett gegenüberliegenden Wand stand ein wuchtiger Schreibtisch, auf dem mehrere Bögen hochwertigen Pergaments verteilt lagen. Für einen Moment fragte sich Navi, ob Ganondorf seine Pflichten als Herrscher womöglich tatsächlich irgendwie ernst nahm und sich auf seine verquere Art um die Belange des Königreichs kümmerte. Dann beschied sie jedoch, dass die Pergamentbögen vermutlich entweder Anweisungen an seine Lakaien oder weitere finstere Pläne enthielten, und ihre Augen kehrten an die gegenüberliegende Wand zurück, wo sich der beeindruckendste Einrichtungsgegenstand befand. Beinah die gesamte Wand wurde von einer Orgel mit golden glänzenden Pfeifen eingenommen. Die fast schwarz wirkenden, hölzernen Teile des imposanten Musikinstrumentes waren mit Intarsien aus Gold und silbern schimmernden Halbedelsteinen verziert. Vor der Orgel saß, auf einem niedrigen Hocker, der Großmeister des Bösen und spielte mit mehr Leidenschaft und Feingefühl als die beiden Helden ihm jemals zugetraut hätten. Sein gesamter Oberkörper schwankte hin und her als befände er sich während hohen Seegangs an Bord eines Segelschiffs, und sein rotes, vom Luftzug bewegtes Haar schien zu lodern wie die Flammen einer Fackel. Link wollte etwas sagen, um auf sich aufmerksam zu machen, doch die melancholischen Orgeltöne hatten etwas derart Hypnotisches, das er nur dastehen und glotzen konnte. Also starrte er auf den Faltenwurf von Ganondorfs seidenem Umhang, der immer wieder zerfloss und neue Formen annahm so als bestünde er aus Wasser. Als er sein Lied schließlich beendete, ließ der Gerudo seine Hände auf der Klaviatur der Orgel ruhen und sagte, ohne sich umzuwenden: „Du bist also tatsächlich gekommen. Ich muss gestehen, als ich dich das erste Mal gesehen habe, damals durch das Fenster des Thronsaals, hätte ich mir niemals erträumen lassen, dass du mir derart viele Schwierigkeiten machen würdest. Vor sieben Jahren habe ich noch geglaubt, du seist ein gewöhnliches Kind – nervig, widerlich, aber in keiner Weise gefährlich.“ Ganondorf drehte sich langsam auf seinem Klavierhocker zu Link und Navi um und betrachtete seinen Widersacher mit einem grübelnden Blick. Der junge Mann fühlte sich noch immer wie gelähmt und starrte sein Gegenüber stumm an, während ihm das Herz vor Angst bis zum Hals schlug. Auch Navi versuchte sich noch kleiner zu machen als sie von Natur aus war und versteckte sich unter dem Pferdezopf ihres Freundes. Das Gesicht des bösartigen Herrschers war befremdlich offen, als er in nachdenklichem Ton fortfuhr: „Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich dich selbst dann nicht für eine Gefahr gehalten habe, als du Anstalten gemacht hast, dein Leben wegzuwerfen, um mir zu verschweigen, in welche Richtung die Prinzessin geflohen war. Damals sah ich in dir tatsächlich soetwas wie einen ahnungslosen Helfer. Mit deinem abscheulich reinen Herzen konntest du erreichen, was mir verwehrt worden war: Das Vertrauen der anderen Könige zu erlangen und die Heiligen Steine in deinen Besitz zu bringen. Du warst mein Schlüssel zum Heiligen Reich.“ „Ich weiß“, flüsterte Link mehr zu sich selbst, „und ich habe es seither jeden Tag bereut.“ Ganondorf hob die Augenbrauen, was ihm einen überraschten Ausdruck verlieh, aber Link konnte nicht sagen, ob der Großmeister des Bösen verwundert darüber war, dass er seine Rolle im Verlauf der Geschichte bedauerte, oder darüber, dass er den Mund aufgemacht hatte. Navi streichelte ihrem Schützling die Halsseite und hoffte, er verstand auf diese Weise auch ohne Worte, dass sie immer für ihn da war. Ohne auf Links Bemerkung einzugehen, sprach Ganondorf weiter, ganz so als müsste er sich einen schon lange währenden Druck von der Seele reden: „Selbst als du das Master-Schwert aus dem Stein zogst, habe ich nicht erkannt, wer du wirklich bist. Ich dachte damals, die Macht dieser heiligen Klinge würde dich zerstören und mir so die Arbeit abnehmen. Aber stattdessen hat sie dich nur in einen magischen Schlaf versetzt und sieben Jahre später tauchtest du plötzlich wieder auf und entpupptest dich als lästige Schmeißfliege!“ Ganondorfs olivfarbene Haut lief um die Wangenknochen herum rot an und seine bislang ruhige Stimme war zu einem Schreien angeschwollen. Es erforderte offensichtlich einige Anstrengung vom Großmeister des Bösen zu seiner vorherigen Besonnenheit zurückzufinden, während er fortfuhr: „Egal, wen ich dir aus meiner Untergebenenschar entgegenschickte, stets warst du derjenige, der als strahlender Sieger aus der Konfrontation hervorging. Ich habe wirklich alles versucht, dich loszuwerden. Ich habe jeden Dämon dieser Welt auf dich losgelassen und sogar dein Gegenstück aus der Schattenwelt herübergeholt und auf dich gehetzt – alles ohne Erfolg!“ Ein stechender Schmerz durchfuhr Links Herz, als er an die Konfrontation mit seinem Doppelgänger zurückdachte. Er fühlte sich noch immer schuldig, dass er den Schatten-Link getötet hatte. Anfangs hatte er den anderen Mann für eine Ausgeburt Ganondorfs gehalten, eine Art Phantom wie er ihm im Waldtempel begegnet war. Doch in den letzten Sekunden vor seinem Tod hatte plötzlich dermaßen viel Schmerz und Leid in den Augen des anderen gestanden, dass Link plötzlich verstanden hatte, dass er es mit einem fühlenden Wesen mit eigenen Träumen und Hoffnungen zu tun gehabt hatte. Dass sein Gegner sich in kaum etwas von ihm unterschieden hatte... Als er dies erkannt hatte, hatter er die Bombe, die er seinem dunklen Gegenüber zugeworfen hatte, wieder zurückholen oder zumindest den Feuerzauber, den er bereits aktiviert hatte, irgendwie aufhalten wollen. Aber es war zu spät gewesen... Seitdem fühlte sich Link als hätte er etwas Wichtiges verloren. Als hätte er seinen Zwilling getötet... Als Ganondorf sah, dass der Herr der Zeiten bei der Erwähnung seines Doppelgängers zusammenzuckte, stahl sich ein gehässiges Grinsen auf seine Lippen. Bei diesem Anblick konzentrierte Link all seinen Zorn, den er sich selbst gegenüber empfand, auf den Großmeister des Bösen und presste zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Du bist ein Monster!“ „Aber, aber!“ Ganondorf schlug eine Art nachsichtiger-Lehrer-Ton an. „Wer hat den armen Dark getötet und seinen Körper in alle Winde verstreut? War ich das oder du?“ Vor blinder Wut machte Link einen Satz nach vorn so als wollte er seinem Gegenüber an die Kehle springen. Dieser hob jedoch nur gebieterisch die Hand und mahnte: „Beherrsche dich! Oder glaubst du wirklich, du könntest mich besiegen, wenn du dich Hals über Kopf in einen Kampf mit mir stürzt?“ Der Gerudo schüttelte beinah bedauernd wirkend den Kopf. „Weißt du, eine Zeit lang habe ich wirklich geglaubt, ich hätte dich unterschätzt. Dich ganz allein als Person. Aber dann wurde mir etwas klar, das du mir mit der Reaktion gerade eben noch einmal verdeutlichst hast: Ich habe dich nie unterschätzt. Du bist nur ein dummer, heißsporniger Junge ohne allzu viel Verstand. Was ich unterschätzt habe, ist die Macht des Triforce-Fragments des Mutes. Ohne es bist du ein Nichts!“ Link betrachtete nachdenklich den Rücken seiner linken Hand. Wegen des Titanenhandschuhs konnte er das Triforce-förmige Mal auf seiner Haut zwar nicht sehen, aber er wusste genau, dass es da war. Stimmte es, was Ganondorf sagte? War das Triforce-Fragment des Mutes der einzige Grund, dass er es soweit gebracht hatte? Navi, die seine Selbstzweifel erahnte, riss leicht an seiner Ohrmuschel und forderte: „Glaub ihm kein Wort. Es ist nicht so, dass das Triforce-Fragment, dir besondere Kräfte verleiht – ganz im Gegenteil! Du wurdest als sein Träger auserwählt, weil du seiner würdig bist. Weil dein Herz von sich aus das mutigste und größte weit und breit ist!“ Bei den Worten seiner Fee lächelte Link ein wenig verlegen, bevor sich wieder ein grimmiger Ausdruck auf sein Gesicht legte und er Ganondorf widersprach: „Du hast keine Ahnung, wovon du redest. Ich bin nicht hier, weil ich Farores Auserwählter bin. Ich bin hier, weil ich Freunde habe, die an mich glauben und mir die Kraft geben, zu tun, was getan werden muss, um Hyrule aus deinen Klauen zu befreien. Ich habe es bis hierher geschafft, weil sie und ganz Hyrule mich brauchen. Ich bin hier, weil ich nicht versagen darf! Aber fein, unterschätz mich meinetwegen weiterhin. Kommt mir nur gelegen!“ Der Großmeister des Bösen brach nach Links Rede in schallendes Gelächter aus und fragte spöttisch: „Du meinst Freunde wie sie hier?“ Dann schnippte er mit den Fingern und plötzlich erschien Prinzessin Zelda, noch immer in dem seltsamen rosafarbenen Licht gefangen. Bei ihrem Anblick fiel den beiden Abenteurern ein Stein vom Herzen. Als sie Zelda in dem Turmzimmer nicht hatten entdecken können, hatten sie sich bereits gefragt, ob die Prinzessin womöglich in einem düsteren, feuchtkalten Kellerverließ kauerte. Die Wiedersehensfreude wurde jedoch schnell wieder getrübt, als Ganondorf weitersprach und seinen Finger in Links frische Wunde legte: „Ich bin ganz sprachlos vor Neid, wenn ich mir eure wunderbare Freundschaft ansehe. Wie lange hat sie dich belogen? Drei, vier Monate? Oder sogar länger? Und oh, wie du dich gequält hast, wann immer dir Shiek zu nahe gekommen ist und du deine eigenen Gefühle nicht verstanden hast! Und sie hat es die ganze Zeit gewusst…“ Während Ganondorf seine Lippen zu einem gehässigen Lächeln verzog, fragte sich Navi, woher der Großmeister des Bösen von Links Selbstzweifeln und Gefühlschaos wusste. Der Herr der Zeiten selbst warf seinem Gegenüber jedoch nur hasserfüllte Blicke zu und zischte: „Wenn du so sprachlos bist, wie wär’s, wenn du dann endlich die Klappe hältst und gegen mich kämpfst? Oder hast du etwa Angst?“ Erneut dröhnte Ganondorfs Lachen durch den Raum, bevor er anerkannte: „Ich bewundere Männer, die selbst im Angesicht ihres eigenen Todes noch Mut zeigen. Und ich gebe dir vollkommen Recht: Genug geredet! Es wird Zeit, dass ich mir die restlichen Fragmente aneigne und das Triforce in mir vereine!“ Mit diesen Worten schnippte der Großmeister des Bösen erneut mit den Fingern, woraufhin nicht nur Zelda wieder ins Irgendwo verschwand. Auch die Orgel, die Möbelstücke und sogar der kostbare Teppich lösten sich scheinbar in Nichts auf. Dann stieß Ganondorf sich leicht vom Boden ab und versetzte Link und Navi damit in Erstaunen, dass er tatsächlich schweben konnte. „Ganz wie sein Phantom“, schoss es dem jungen Krieger durch den Kopf, als er sich an den Kampf im Waldtempel erinnerte. Auch Navi schien sich dieser Auseinandersetzung zu entsinnen, als sie ihrem Schützling ins Ohr raunte: „Sieht ganz so aus als würde er eine ähnliche Strategie verfolgen wie sein Schatten!“ Während sich in Ganondorfs Hand der erste Energieball formte, fügte die Fee murmelnd an: „Hm… Eigentlich gar nicht so unerwartet.“ „Wieso?“ Link dämpfte seine Stimme zu einem leisen Flüstern und fixierte sein Gegenüber, um rechtzeitig reagieren zu können, sobald dieser eine Attacke starrten sollte. Ganondorf schien Link jedoch genauso zu belauern wie er ihn. „Denk doch mal nach“, forderte Navi. „Phantom-Ganon war nur Ganondorfs Schatten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die beiden sich zumindest Teile von Ganondorfs Persönlichkeit geteilt haben.“ „Du meinst, eigentlich hab ich diesen Kampf schon einmal gewonnen und muss es nur wieder tun?“ Link umklammerte fest das Heft des Master-Schwerts. Seine Finger fühlten sich vor Nervosität ein wenig taub und schwach an. „Najaaaaaaa….“ Navi kratzte sich nachdenklich am Nasenrücken. „Ich nehme schon an, dass der echte Ganondorf etwas einfallsreicher sein wird als sein Phantom.“ „Danke, Navi“, stieß der Herr der Zeiten mit einem Seufzen aus, „das war ganz genau das, was ich hören wollte…“ Die Fee zog den Kopf ein wenig ein und lächelte entschuldigend, obwohl ihr Freund es nicht sehen konnte, weil sie noch immer in seinem Nacken hockte. „Tut mir… leid?“ Link hätte gerne etwas Bissiges entgegnet, doch in diesem Moment entschied Ganondorf offenbar, dass er keine Lust mehr hatte, darauf zu warten, dass sein Kontrahent den ersten Schritt machte. Mit einem lauten Zischen flog die Energiekugel durch die Luft und verfehlte Links Arm, den dieser gerade noch zur Seite reißen konnte, nur um Haaresbreite. „Auf jeden Fall schmeißt er seine Energiebälle deutlich schneller als sein Phantom“, stellte Navi unnötigerweise fest, während sie sich an den Kragen von Links Tunika klammerte und an seinem Hals vorbei aus ängstlich geweiteten Augen zum Großmeister des Bösen herüberstarrte. Dieser warf bereits die nächste leuchtende Kugel und sammelte sofort wieder Energie für das nächste Geschoss. Dieses Mal gelang es Link jedoch, den Energieball mit dem Master-Schwert zu treffen und so umzulenken, dass er nun auf Ganondorf zuraste. Da dieser schon mit den Vorbereitungen für die nächste Attacke beschäftigt war, konnte er das Geschoss nicht mehr rechtzeitig abwehren. Die Energiekugel traf den Gerudo genau auf der Brust und schleuderte ihn zu Boden, wo er auf dem Rücken liegen blieb. Link, der seine Chance gekommen sah, rannte mit gezücktem Schwert auf den am Boden Liegenden zu, sprang und ließ seine heilige Klinge auf seinen Kontrahenten herabsausen. Dieser hob jedoch die Hand und ergriff das Master-Schwert an seiner Schneide. Der Herr der Zeiten und seine Fee keuchten überrascht auf, als sie sahen, dass Ganondorf die Klinge des Master-Schwerts packen und festhalten konnte, ohne sich zu verletzen. „Wie kann das sein?“ Navis Stimme war vor Schock kaum mehr als ein Flüstern. „Das Master-Schwert müsste ihn verbrennen! Niemand, der unreinen Herzens ist, kann es berühren!“ Link nickte und dachte: „Ganz abgesehen davon, dass er sich schneiden müsste…“ Der Großmeister des Bösen grinste grimmig, als er die verdatterten Gesichter seines Kontrahenten sah. „Dachtest du wirklich, ich würde gegen dich antreten und fair spielen? Du naiver, kleiner Junge…“ Mit diesen Worten legte er die freie Hand auf Links Brust und schoss aus nächster Nähe einen seiner Energiebälle ab. Der junge Kämpfer wurde quer durch den Raum geschleudert und krachte hart gegen eine Wand, die unter der Wucht des Aufpralls nachzugeben drohte. Bunte Glasscherben regneten wie ein Schauer aus Edelsteinen aus ihren verbogenen Fassungen auf Link herunter und zerschnitten ihm die Haut an den Ohren. Navi, die sich gerade noch rechtzeitig in die Luft hatte schwingen können, beobachtete mit krampfendem Herzen wie ihr Schützling langsam und schwerfällig wieder auf die Beine kam. Der Stoff seiner Tunika und seines Hemdes wie auch sein Kettenanzug waren im kompletten Brustbereich verbrannt, sodass man die versengte Haut darunter sehen konnte. Wie gerne hätte Navi ihrem Freund geholfen! Sie fühlte sich nutzlos und fehl am Platz, so als stünde sie lediglich im Weg. Wenn sie wenigstens eine Idee gehabt hätte, warum Ganondorf vom Master-Schwert nicht verletzt worden war…! Link richtete sich stöhnend wieder auf und nahm seine Verletzung mit einem schnellen Blick in Augenschein. Sie war flächenmäßig groß und nässte stark, aber zum Glück war sie nicht besonders tief. Dann machte er einen Probeschlag und verzog leicht das Gewicht. Es tat weh, sich zu bewegen, jedoch glücklicherweise nicht so sehr, dass er nicht mehr hätte kämpfen können. Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck machte sich der Herr der Zeiten für den nächsten Angriff seines Kontrahenten bereit, der auch prompt kam. Ganondorf schoss seine Energiebälle dermaßen schnell auf Link, dass dieser sie lediglich wegschlagen konnte, um sie von sich fern zu halten. Daran, eine der Energiekugeln so abzulenken, dass sie gezielt zu Ganondorf zurückflogen, war nicht zu denken. Link konnte nur hoffen, dass ihm ein Glückstreffer gelingen würde. Und was dann? Eisige Kälte breitete sich in dem Körper des jungen Mannes aus, als ihm mit einiger Verspätung völlig klar wurde, was die vorangegangene Situation bedeutete: Er konnte Ganondorf nicht verletzen… Wie sollte er einen Kampf gewinnen, wenn sein Gegner immun gegen seine Waffen war?! Panik schnürrte ihm die Kehle zu und für einen Moment war er geneigt, aufzugeben. Vielleicht wäre Ganondorf ja so gnädig, ihm dann zumindest einen schnellen, vergleichsweise schmerzfreien Tod zu gewähren. Mit einem Kopfschütteln versuchte Link, derlei Gedanken schnell wieder zu vertreiben. Der Großmeister des Bösen würde ihm niemals irgendetwas gewähren – er würde irgendwelche sadistischen Spiele mit ihm spielen, um seinen kranken Humor zu befriedigen. Außerdem war er Hyrules letzte Hoffnung, rief sich Link ins Gedächtnis, er durfte nicht aufgeben. Niemals. Auf diese Weise zog sich der Kampf minutenlang hin, während Ganondorf Katz und Maus mit Link spielte. Die wunderschönen Buntglasfenster ringsum waren inzwischen von Brandflecken und Löchern von umherfliegenden Energiebällen übersät. Der Herr der Zeiten keuchte heftig, registrierte aber mit einer gewissen Genugtuung, dass auch seinem Gegenüber der Schweiß auf die Stirn getreten war. Navi hatte sich durch eine der zu Bruch gegangenen Fensterscheiben nach draußen geflüchtet und beobachtete voller Sorge den ungleichen Kampf. Wie lange würde Link noch durchhalten? Gerade, als ihr diese Frage durch den Kopf geschossen war, streifte ein Energieball Links Schulter und der junge Mann schrie laut auf. Navi schlug sich die Hände vors Gesicht und verfluchte sich stumm, weil ihr noch immer nichts einfallen wollte wie Link Ganondorf besiegen konnte. Link hatte kaum Zeit, sich nach dem Treffer wieder zu fokussieren, da Ganondorf schon die nächste Salve Energiebälle auf ihn einprasseln ließ. Dem jungen Krieger blieb nichts weiter übrig, als sich mit einem Hechtsprung in Sicherheit zu bringen. Als er sich über den Boden abrollte, bohrten sich mehrere der herumliegenden Glassplitter in seine Haut. Vor allem eine Scherbe, die in seiner verbrannten Schulter stecken geblieben war, bereitete ihm große Schmerzen. Lange würde er dem nahezu ununterbrochenen Ansturm von Ganondorfs Attacken nicht mehr standhalten können. Schon jetzt merkte er wie ihn seine Kräfte immer mehr verließen. In einem Anflug von Verzweiflung stürmte Link auf den Großmeister des Bösen zu, der von der unerwarteten Aktion seines Kontrahenten derart irritiert war, dass er für einen Moment vergaß, weiterhin mit Energiebällen um sich zu werfen. Mit einem wilden Schrei sprang Link seinen Feind an und riss ihn mit sich zu Boden, wo er mit den Fäusten auf ihn einschlug. „Das ist für den Fluch, den du dem Deku-Baum angehängt hast!“ Link schmetterte Ganondorf seine Faust gegen die Nase, die zur Überraschung beider tatsächlich brach. Dickflüssiges Blut rann in breiten Bahnen aus beiden Nasenlöchern und lief in einem schaurig schwarzroten Bach an der Wange des Gerudo herunter. Von diesem ersten Erfolg beflügelt, prügelte Link weiter auf den am Boden Liegenden ein. „Und das ist für alles, was du den Goronen angetan hast! Und das für die Zoras! Und das hier für…“ Doch er kam nicht mehr dazu, auszuführen, für wen oder was sein vierter Schlag sein sollte. Ganondorf, dessen Gesicht inzwischen reichlich verquollen war, hatte ihn an der Gurgel gepackt und stand nun langsam auf, wobei er Links Kehle fest umklammert hielt. Da der Gerudo den Herrn der Zeiten um deutlich mehr als eine Kopflänge überragte, baumelten Links Füße nun frei schwebend in der Luft, während der junge Mann mit dem Ersticken kämpfte. „Du Wurm! Wie kannst du es wagen?!“ Das zornverzerrte Antlitz des Großmeisters des Bösen wirkte durch all das Blut, das noch immer aus seiner Nase tropfte und sich inzwischen breitflächig verteilt hatte, noch furchteinflößender als es ohnehin schon ausgehen hätte. „Ich werde dich zerquetschen und zermalmen und deine Leiche ausstellen, damit deinen so genannten Freunden auch noch das letzte Bisschen Hoffnung vergeht!“ Als er Link anschrie, spritzte dem Herrn der Zeiten ein wenig mit Blut vermischter Speichel ins Gesicht. Navi, die sich noch immer hinter ihren Händen versteckt hatte, sah bei dem Geschrei wieder auf und erstarrte vor Schreck. Links Lippen liefen bereits blau an und ihr Schützling kämpfte hörbar um jeden noch so kleinen Atemzug, während er wild mit den Füßen strampelnd an Ganondorfs ausgestrecktem Arm baumelte. Die Fee war schon halb durchs Fenster wieder ins Innere geklettert, um den Gerudo hoffentlich soweit abzulenken, dass er den Griff um Links Kehle etwas lockern würde, als Navi plötzlich etwas einfiel. Sie blieb wie angewurzelt in der Luft stehen und riss die Augen weit auf. Das war es! Die Lösung zu ihrem Problem! So laut sie konnte rief sie ihrem Schützling zu: „Link! Die Lichtpfeile, Link!“ Dieser schien im ersten Moment nicht zu reagieren, aber dann sah Navi, dass sich eine seiner Hände von Ganondorf löste und zu dem Lederbeutel an seiner Hüfte wanderte. Nur Sekunden später zog er einen goldenen Gegenstand hervor und schlug damit auf Ganondorfs Unterarm ein. Der Großmeister des Bösen ließ ihn daraufhin fallen wie eine heiße Kartoffel und machte einen Satz zurück, während sich ein Ausdruck der Panik in seinen Augen breit machte. Endlich hatten sie eine Waffe gegen ihn gefunden! Obwohl er es vorgezogen hätte, auf dem Boden sitzen zu bleiben und nach Luft zu schnappen, hechtete Link seinem Widersacher hinterher und rammte ihm den Lichtpfeil mit der Kraft der Titanenhandschuhe mitten ins Herz. Während sich Links keuchender Atem allmählich normalisierte, holte nun der Großmeister des Bösen zunehmend röchelnd Luft. Es war fast als entzöge der Herr der Zeiten seinem Feind die Luft zum Atmen… Dennoch hievte sich der Gerudo mühsam auf die Füße und schlug Link derart heftig gegen die verletzte Brust, dass dieser in die Knie ging wie eine Marionette, deren Fäden durchtrennt worden waren. „Glaub… ja… nicht… dass… du… schon… gewonnen… hast…“ Obwohl Ganondorf sich kaum noch auf den Beinen halten zu können schien, sammelte er wieder Energie in seiner Handfläche und beäugte den noch immer auf dem Boden knienden Herrn der Zeiten mit einem wahnsinnigen Blick. Die Energiekugel, die er dieses Mal bildete, war viel größer als die anderen zuvor und explodierte zu einer Art Funkenflug kaum, dass Ganondorf sie von sich geschleudert hatte. Bei diesem Anblick fragte sich Link, der von dem Luftmangel zuvor noch immer ein wenig benebelt war, für einen Moment, ob er bereits gewonnen hatte und die Einwohner Hyrules nun ein Feuerwerk für ihn veranstalteten. Doch dann wurde ihm die tödliche Bedrohung bewusst und er rappelte sich schnell wieder auf und zog sein Schwert, das er vor seiner Faustattacke gegen Ganondorf in seine Scheide zurückgesteckt hatte. Navi, die das Ganze mit wild schlagendem Herzen beobachtete, wollte ihm noch zurufen, er solle Nayrus Umarmung einsetzen, aber es war schon zu spät. Die Energiekugeln schienen den Herrn der Zeiten in sich einzuschließen und seine Fee war sich bereits sicher, dass er es nicht mehr lebend dort herausschaffen würde. Doch dann ertönte plötzlich ein weiterer Kampfschrei und die Energiebälle stoben in alle Richtungen hervor. Im Zentrum dieser Explosion stand Link, das Master-Schwert vor sich gestreckt, und wirbelte um die eigene Achse. Einige der Energiekugeln hatten ihn getroffen, sodass sich frische Brandwunden in seinem Gesicht, an einem Knie und an der Hüfte zeigten, aber das schien der tapfere Recke kaum wahrzunehmen. Stattdessen warf er das Schwert zur Seite und holte mit einer blitzschnellen Bewegung seinen Bogen und einen weiteren Lichtpfeil hervor. Ganondorf glotzte ihn mit einem idiotischen Gesichtsausdruck überrascht an und schien nicht fassen zu können, was er sah. Der Großmeister des Bösen schien vor Verblüffung noch immer bewegungsunfähig zu sein, als Link anlegte und schoss. Der goldene Pfeil surrte beinah geräuschlos durch die Luft und bohrte sich Ganondorf direkt zwischen die Augen. Für einen Moment blieb der Gerudo trotz des Treffers stehen und schien auf das Geschoss in seiner Stirn zu starren. Dann gaben schließlich seine Knie nach und Ganondorf sackte in sich zusammen wie ein einstürzender Turm. Auch Link fiel wieder auf die Knie und blickte keuchend auf seinen Feind. Es war tatsächlich geschafft! Er hatte es wirklich getan! Der Großmeister des Bösen war endlich besiegt! Kapitel 64: Flucht aus der Festung des Bösen -------------------------------------------- Kaum, dass Ganondorf zusammengebrochen war, gaben auch Links Knie nach und der junge Held sank ebenfalls zu Boden, wo er in einen beinah hysterischen Weinkrampf ausbrach. Er hatte es tatsächlich endlich geschafft… Der tapfere Recke hatte kaum noch wahrgenommen, wie groß der Druck gewesen war, der auf ihm gelastet hatte. Erst jetzt, wo sich die Anspannung in ihm langsam löste, wurde Link wieder richtig bewusst, wie schwer die Last seines Schicksals und der Zukunft Hyrules auf seinen Schultern gelegen hatte. Navi, die mit angehaltenem Atem das Ende des Kampfes vom Fenster aus beobachtet hatte, stürzte sich, ebenfalls weinend, auf ihren Schützling und überschüttete ihn mit Lob, während sie sich an seine Halsbeuge schmiegte: „Du Teufelskerl! Du hast den Großmeister des Bösen einfach in den Boden gestampft! Zack – bumm – und Ganondorf wusste gar nicht, wie ihm geschah!“ Link, der aus dem Augenwinkel sah, dass Zelda und die Möbel, die Ganondorf zuvor auf magische Weise hatte verschwinden lassen, wieder auftauchten, zog geräuschvoll die Nase hoch und wischte sich mit dem Handrücken einige Tränen von der Wange, bevor er mit einem zittrigen Lachen erwiderte: „So leicht war es leider nicht. Zwischendurch habe ich wirklich gedacht, es wäre alles aus. Wären dir nicht die Lichtpfeile wieder eingefallen, hätte Ganondorf mich mit Sicherheit erwürgt. Also bist eigentlich du der Held – nicht ich.“ Navis Wangen bekamen einen zarten Rotschimmer und sie lächelte verlegen, aber das Funkeln in ihren Augen verriet deutlich, wie stolz sie auf sich selbst war. Inzwischen war Zelda, deren magisches Gefängnis sich durch Ganondorfs Tod aufgelöst hatte, vollständig in das Turmzimmer zurückgekehrt und trat nun mit schüchtern wirkender Miene an die beiden Abenteurer heran. Während Navi mit einem strahlenden Lächeln zu ihr aufsah, bedachte Link die Prinzessin mit einem eigentümlichen Blick, den diese nicht zu deuten vermochte. Einige Herzschläge lang verwoben sich die Blicke der zwei und es wirkte als versuchten beide, die Gedanken des jeweils anderen zu lesen. Navis Augen zuckten derweil unruhig zwischen Held und Prinzessin hin und her, während die Fee stumm darauf hoffte, die beiden würden sich jede Sekunde vor Freude um den Hals fallen und die vorangegangenen Spannungen vergessen. Doch nach einem langen Moment wandte Link sich derart ruckartig ab, dass Navi vor Schreck zusammenzuckte und Zelda den Kopf hängen ließ und betreten zu Boden sah. Den Blick stur auf die zerstörten Buntglasfenster neben ihm geheftet, versuchte der junge Mann verzweifelt, Herr über das Gefühlschaos in seinem Inneren zu werden. Ein Teil von ihm wollte aufspringen und Zelda umarmen, weil sie die Bedrohung, die seit nunmehr sieben Jahren wie ein Schatten über Hyrule gelegen hatte, endlich abgewendet hatten. Ein anderer Teil von ihm wollte die Prinzessin anschreien, wie sie es hatte wagen können, ihn derart zu belügen und wie eine Schachfigur zu manipulieren. Ein dritter Teil von ihm wünschte sich unterdessen nichts mehr als diesen grausigen, unglückseligen Ort schnellstmöglich zu verlassen und mit seinem Schicksal als Herr der Zeiten endlich abzuschließen. Da ihm dieser dritte Teil als der vernünftigste erschien, holte Link seinen Rest blauen Elixiers hervor und heilte seine Wunden. Die unzähligen Löcher in seiner Kleidung konnte der Heiltrank jedoch nicht flicken, sodass sie noch immer in Fetzen an seinem schlanken Körper hing. Als Navi dies bemerkte, flachste sie in der Hoffnung, die angespannte Situation zwischen Held und Prinzessin ein wenig auflockern zu können: „Schäm dich, Link! Du siehst aus wie ein Bettler! So kannst du dich doch nicht deiner Regentin zeigen!“ Link warf Zelda einen eisigen Blick zu und murrte an seine Fee gewandt: „Ich sehe aus wie ein Krieger, der gerade den härtesten Kampf seines Lebens bestritten hat. Wenn das blaublütigen Anwesenden nicht passt, kann ich da auch nichts für!“ Navi biss sich auf die Lippe und zog betroffen die Schultern nach vorn. Das war wohl ein Schuss nach hinten gewesen… Doch als Link trotz seiner garstigen, abwehrenden Worte die Zora-Rüstung hervorholte und die zerschlissenen Überreste seiner Goronen-Tunika abstreifte, schnellten die Mundwinkel der Fee sogleich wieder in die Höhe. Er mochte noch so wütend und enttäuscht sein, der Gedanke, vor Zelda eine schlechte Figur zu machen, bereitete dem jungen Mann dennoch Bauchgrimmen – auch wenn er dies niemals freiwillig zugegeben hätte. Zelda, die um die Nase herum rot anlief, sobald sich Link die zerfetzte Oberbekleidung über den Kopf zog, wandte sich verlegen ab, beobachtete jedoch weiterhin aus den Augenwinkeln wie der Herr der Zeiten sich umkleidete. Da er unter der Tunika noch ein Hemd und seinen Kettenanzug trug, gab es dabei nicht besonders viel zu sehen – auch wenn beides ähnlich lädiert war wie die abgelegte Goronen-Rüstung. Dennoch hinderte dies Navi nicht daran, laut zu hüsteln, als sie die Blicke der Prinzessin bemerkte. Die wortlose Ermahnung der Fee ließ Zelda noch tiefer erröten, brachte sie aber trotzdem nicht dazu wegzusehen. Den Kopf schüttelnd lächelte Navi nachsichtig in sich hinein. Es war derart offensichtlich, dass Link und Zelda sich zu einander hingezogen fühlten, dass es schon beinah lächerlich wirkte… Nichtsdestotrotz hätte Link momentan lieber mit einer der Twinrova das Bett geteilt als der Prinzessin seine wahren Gefühle zu zeigen. Navi konnte seine Reaktion zwar verstehen, hoffte aber gleichzeitig, ihr Freund würde sich nicht aus Trotz die Chance auf eine glückliche Zukunft verbauen. Daher nahm sie sich fest vor, ein ernstes Wort mit ihm zu reden, sobald er die Gelegenheit gehabt hatte, etwas Abstand zu den Erlebnissen der letzten Monate zu gewinnen. Unterdessen hatte Link seine Oberbekleidung gewechselt und sogar seinen Zopf, aus dem sich während des Kampfes einige Strähnen gelöst hatten, neu gebunden. Dennoch sah er wegen der Brandlöcher, die Ganondorfs Energiebälle in den Ellbogen sowie das rechte Knie des Kettenanzugs gebrannt hatten, ein wenig mitgenommen aus. Das schien ihm jedoch herzlich egal zu sein. Viel mehr schien ihn die Frage zu beschäftigen, was er nun mit den Überresten der Goronen-Tunika tun sollte. Sollte er sie mitnehmen, obwohl die Rüstung durch die unzähligen Löcher sicherlich völlig unbrauchbar war? Oder war es in Ordnung, sie wegzuschmeißen, obwohl sie ein Geschenk der Goronen gewesen war? Eine Zeit lang stand Link mit der zerfetzten Tunika in der Hand da und zog ein gequältes Gesicht, während er mit sich selbst rang. Dann zuckte er schließlich mit den Schultern und legte das zerschlissene Kleidungsstück fein säuberlich gefaltet auf Ganondorfs Schreibtisch. Es einfach auf den Boden fallen zu lassen wie einen ausgedienten Putzlappen, hatte der junge Mann nicht übers Herz gebracht. Dennoch erschien es ihm irgendwie richtig, die durchlöcherte Tunika ebenso hier zurückzulassen wie all die schlechten Erinnerungen, die er mit dem Großmeister des Bösen verband. Als er sich wieder zu seinen beiden Begleiterinnen umwandte, wirkte er so entspannt wie lange nicht mehr – ganz so als hätte er tatsächlich alle Sorgen und Schmerzen der vergangenen Monate zusammen mit der ausgedienten Rüstung abgelegt. Zelda lächelte ihm zaghaft zu, aber als Link seinen Blick stur auf Navi heftete und so tat als wäre die Prinzessin nichts weiter als Luft, ließ sie ihre Mundwinkel schnell wieder sinken. Navi setzte daraufhin eine strenge Miene auf und versuchte, ihrem Schützling mit Blicken zu bedeuten, er solle gefälligst freundlicher zu Zelda sein. Zumindest ein wenig. Angesichts des stummen Tadels seiner Fee stieß Link einen Seufzer des Widerwillens aus, öffnete aber dennoch den Mund, um endlich das eisige Schweigen zwischen ihm und Zelda zu brechen. Die Prinzessin kam ihm jedoch zuvor, indem sie mit Blick auf Ganondorfs Leiche laut nachdachte: „Ganondorf… eine bedauernswerte Kreatur… Sein Hunger nach Macht hat ihn blind und unzugänglich für die wahren Freuden des Lebens gemacht, bis er aus kaum mehr bestand als aus Leere, Traurigkeit und dem konstanten Streben nach Mehr.“ Navi zog eine Augenbraue in die Höhe und machte ein ungläubiges Gesicht. „Bei allem Respekt, Eure Hoheit, Ganondorf war ein Monster, das Euch, Link und vielen anderen mehr nach dem Leben trachtete! Mitleid erscheint mir hier fehl am Platz.“ Link hingegen betrachtete die sterblichen Überreste seines Erzfeindes mit neuen Augen und überraschte die anderen beiden, indem er sich auf Zeldas Seite schlug: „Du hast natürlich Recht, Navi. Ganondorf war ein Monster und hat Unverzeihliches getan, wofür seine Seele hoffentlich noch in tausend Jahren büßt! Aber ich kann trotzdem verstehen, warum Zelda Mitleid mit ihm hat. Stell dir nur einmal vor, wie seine Kindheit gewesen sein muss. Als einziger Mann seines Volkes musste er schon früh die Verantwortung eines Königs übernehmen. Viel Zeit zum Kindsein blieb da vermutlich nicht. Und denk dran, wer ihn aufgezogen hat: die Twinrova! Da ist es vermutlich kein Wunder, dass sein Herz vom Bösen durchdrungen war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ganondorf je erfahren hat, was Liebe ist oder dass die alten Schachteln ihm jemals beigebracht haben, was richtig und was falsch ist. Wahrscheinlicher erscheint mir, dass er nur dann ein bisschen Zuwendung bekommen hat, wenn er sich als nützlich für die Pläne der Hexen erwiesen hat und noch ein wenig mächtiger und kaltblütiger geworden war. Kannst du ihn unter diesen Umständen wirklich noch von ganzem Herzen hassen, ohne einen Funken Mitleid?“ Bei diesen Worten lächelte Zelda Link erneut hoffnungsvoll an, was dieser jedoch wie zuvor geflissentlich ignorierte. Navi verschränkte unterdessen die Arme vor der Brust und wollte gerade protestieren, dass Link selbst unter ähnlich lieblosen Umständen aufgewachsen, aber im Gegensatz zu Ganondorf trotzdem nicht zum wahnsinnigen Oberschurken geworden war. Doch bevor die Fee auch nur den Mund hatte öffnen können, ließ plötzlich ein mächtiges Beben den Turm erzittern. Zelda verlor das Gleichgewicht und landete etwas schmerzhaft auf dem Hintern, während sich die anderen beiden geschockt ansahen. „Was war das?“ Instinktiv sah Link sich nach Monstern um, konnte jedoch nichts entdecken. Zelda rieb sich den schmerzenden Steiß und mutmaßte mit leichenblassem Gesicht: „Ich schätze, es ist eine letzte Bösartigkeit Ganondorfs. Ein Zauber, der – sollte Ganondorf je in einem Kampf unterliegen – den Teufelsturm in sich zusammenstürzen lässt und so den Gewinner nachträglich noch in den Tod reißt.“ Navi ballte die Hände zu Fäusten und knurrte: „Ich hasse schlechte Verlierer!“ Link zog unterdessen die Augenbrauen zusammen und betrachtete Zelda mit zornigen Blicken. Die Prinzessin hatte mit einer seltsamen Ruhe gesprochen, die dem Herrn der Zeiten sauer aufgestoßen war. Es hatte geklungen als hätte sie ihren eigenen Tod bereits akzeptiert und würde nicht einmal versuchen wollen, zu fliehen… Als der resignierte Ausdruck nicht aus Zeldas Augen wich, packte Link sie plötzlich am Handgelenk und zerrte sie grob auf die Füße. Egal, wie enttäuscht er von ihr war – er würde sie hier nicht sterben lassen. Niemals. Selbst dann nicht, wenn er sie dafür gegen ihren Willen zur Flucht zwingen musste! Zelda sah Link ob seiner Grobheit irritiert an und zuckte beim Anblick seiner zornfunkelnden Augen zusammen, was dieser jedoch als Reaktion auf das Krachen der einstürzenden Decke wertete. Während um sie herum Putz herabbröselte und Deckentrümmer zu Boden krachten, stieß Link Zelda unsanft in Richtung Tür und schrie „Dann nichts wie raus hier, verdammt!“ Die Prinzessin erwachte nur langsam aus der Starre, die der Schock über Ganondorfs letzte Tat ausgelöst hatte, aber dann lief sie so schnell sie konnte zum Ausgang herüber. Link sah ihr kopfschüttelnd nach und fragte sich, wie sie sich in diesen Schuhen und diesem Kleid so schnell bewegen konnte. Dennoch würde es vermutlich verdammt eng werden, die Festung noch rechtzeitig zu verlassen, bevor alles in sich zusammenstürzen würde. Zelda, die Links sorgenvolle Blicke, die er mit Navi wechselte, missdeutete, ballte trotzig die Hände zu Fäusten und unterdrückte nur mühsam den Impuls, sich zu den beiden umzudrehen und sie anzufauchen, dass sie, als sie ihre Kleider ausgewählt hatte, nicht damit gerechnet hatte, aus einer in sich zusammenfallenden Festung fliehen zu müssen. Doch als sie die Türklinke herunterdrückte und daran zog, waren alle Gedanken an die vermeintlich missbilligenden Gesichter der anderen schlagartig vergessen. „Link!“ Der schrille Tonfall der Prinzessin ließ den Herrn der Zeiten, der gerade das zuvor fallengelassene Master-Schwert wieder aufsammelte, sofort alarmiert zu ihr herüberschauen. Beim Anblick ihres angstverzerrten Gesichts lief es dem Recken eiskalt den Rücken herunter: Sie war tatsächlich noch blasser geworden als zuvor – er hatte nicht geglaubt, dass dies möglich wäre. „Was ist los?“ Sofort war die Anspannung, die nach dem Kampf gegen Ganondorf von ihm abgefallen war, wieder da. Auch Navis Miene war ungewohnt ernst und besorgt, während ihre Augen zwischen Zelda, Link und der Decke hin und her zuckten, um die anderen beiden notfalls vor herabstürzenden Trümmern warnen zu können. „D-Die Tür“, erklärte Zelda atemlos, „sie lässt sich nicht öffnen!“ Link erstarrte wie vom Blitz getroffen in der Bewegung und starrte die Prinzessin aus riesigen, schreckgeweiteten Augen an, während er stammelte: „A-Aber das be-bedeutet ja…“ „… dass wir in der Falle sitzen wie Ratten“, beendete Zelda seinen Satz und nickte zur Bekräftigung. Wie sollten sie bloß aus dieser Situation lebend wieder herauskommen? „Es hat keinen Zweck…“ Link musterte die Tür mit einem säuerlichen Blick. In der verzweifelten Hoffnung, Zelda sei nur zu schwach, um die durch einen Energieballtreffer verzogene Tür zu öffnen, hatte der Recke selbst am Türgriff gerüttelt und gerissen, bevor er versucht hatte, die Tür einzutreten. Als auch dies erfolglos blieb, hatte er sogar den Goronenhammer hervorgeholt, um kurzerhand das Türblatt zu zerschlagen. Die metallene Tür hatte sich jedoch als widerstandsfähiger als erhofft erwiesen. Navi betrachtete auf der Unterlippe kauend wie Zelda und Link mit hoffnungslosen Gesichtern auf die vermaledeite Tür starrten. Während der Herr der Zeiten sich noch Mühe gab, nicht aufzugeben, hatte sich die Prinzessin neben dem Türrahmen niedergelassen und die Arme um die angezogenen Beine geschlungen. Die Fee schüttelte sich leicht und schluckte an einem Kloß in ihrer Kehle. Sie musste hier raus… Sie ertrug die Trostlosigkeit dieses Anblicks nicht länger… Mit belegter Stimme rief sie: „Ich sehe mich mal draußen um, ob ich dort etwas entdecke, das uns weiterhelfen könnte.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, schlüpfte die Feenfrau durch eines der zerborstenen Buntglasfenster und verschwand. Link sah seiner Fee hinterher, während Zelda mit resigniertem Gesichtsausdruck die demolierten Goldverzierungen im Türblatt betrachtete, ohne sie wirklich zur Kenntnis zu nehmen. Ihr Blick war in Wirklichkeit auf die bodenlose Schwärze gerichtet, die sie in ihrem Inneren empfand. „Das muss Teil von Ganondorfs Zauber sein“, überlegte sie laut. „Er hat die Tür bestimmt magisch verriegelt, um uns an der Flucht zu hindern.“ Der hoffnungslose Ton der Prinzessin schürte erneut Links Zorn und der junge Kämpfer brüllte sie derart laut an, dass sie sich ängstlich ein Stück von ihm abrückte: „Und wenn schon! Dann finde ich eben einen Weg, diesen verdammten Zauber zu brechen! Ich bin nicht so weit gekommen, habe nicht so viel gekämpft und gelitten, um mich jetzt noch auf so feige Weise besiegen zu lassen! Ich habe Ganondorf bereits einmal geschlagen und ich werde es wieder tun – also tu mir im Namen der Göttinnen einen Gefallen und hör endlich auf, so zu tun als wäre alles verloren!“ Zelda zog angesichts dieser Zurechtweisung ein Gesicht, das zwischen Schreck, Trotz und Bewunderung schwankte. Doch bevor sie sich entscheiden konnte, was sie entgegnen wollte, kam Navi zurück und klatschte aufgeregt in die Hände. „Hast du etwas entdeckt?“ Hoffnung erhellte Links Gesicht und er betete stumm zu den Göttinnen, seine Fee möge gute Nachrichten bringen. Als diese nickte, fiel dem Herrn der Zeiten ein Stein vom Herzen und vor Erleichterung wären ihm beinah die Knie eingeknickt. „An der Außenfassade der Festung führt eine Balustrade bis ins Erdgeschoss herab. Du musst nur dieses Fenster da drüben zerstören.“ Navi deutete auf eine noch überraschend intakte Buntglasscheibe auf der gegenüberliegende Raumseite. Sofort stürmte Link zu dem angezeigten Fenster herüber, wobei er über einige herabgestürzte Deckentrümmer klettern musste. Das konstante Beben, das den Teufelsturm immer wieder erzittern ließ, machte dies zu einem erstaunlich schwierigen Unterfangen. Mehr als einmal drohte der Herr der Zeiten abzurutschen oder das Gleichgewicht zu verlieren. Als er endlich am Fenster angekommen war, holte der Krieger sogleich den Goronenhammer wieder hervor und schlug die bunten Scheiben mitsamt ihrer Einfassungen heraus. Scherben in allen Farben des Regenbogens fielen wie ein Regen aus Edelsteinen an der Außenfassade des Turms herab in die Tiefe. Hinter dem Fenster kam die Balustrade zum Vorschein, die sich als kaum mehr als ein schmaler Metallsteg entpuppte – gerade breit genug, dass Link beide Füße nebeneinander abstellen konnte. Nur ein einziger Fehltritt würde ausreichen, um in den sicheren Tod zu stürzen… Trotzdem war es ihre beste Chance aus der Festung zu entkommen. Ungeduldig warteten der Herr der Zeiten und seine Fee neben dem ausgeschlagenen Fenster auf die Prinzessin, die sich mit ihrem langen Rock und den Schuhen mit Absatz verständlicherweise schwer tat, über die Trümmerbrocken hinweg zu steigen. Link warf Navi einen genervten Blick zu und flüsterte: „Bei den Göttinnen! Wenn sie noch langsamer macht, geht sie gleich rückwärts!“ Navi konnte ein amüsiertes Zucken ihrer Mundwinkel nicht verbergen, entgegnete jedoch: „Hab etwas Verständnis. In derart unpraktischen Kleidern wärst du auch nicht schneller. Hilf ihr lieber, anstatt dich zu beschweren!“ Der junge Recke wollte gerade etwas Zynisches antworten, als plötzlich ein Zittern den Turm erfasste, das viel heftiger war als die vorangegangenen Beben. Das Schlimmste daran war, dass auf einmal der Boden des Zimmers mit einem lauten Krachen in ungleich große Teile brach. Mit schockgeweiteten Augen beobachtete Navi wie die Steinfliesen unter Zeldas Füßen zerbröselten und in die Tiefe stürzten, so als bestünden sie lediglich aus trockenem, lockerem Sand. Unterdessen reagierte Link instinktiv, noch bevor er die Situation rational hatte erfassen können. Mit einem beherzten Sprung hechtete er zu der Prinzessin herüber und packte gerade noch rechtzeitig ihr Handgelenk. Mit einem schrillen Kreischen stürzte Zelda in die Tiefe, bevor sie erkannte, dass sie nicht dem Tode geweiht war. Zumindest noch nicht. Im ersten Moment sah sie irritiert zu Link auf, der bäuchlings auf dem bröckelnden Boden lag und mit beiden Händen ihren Unterarm umklammerte. Ihm standen dicke Schweißperlen auf Stirn und Oberlippe, aber Zelda wusste nicht, ob sie von ihrem Gewicht herrührten oder von der Befürchtung, ihr mit der Macht der Titanenhandschuhe womöglich die Knochen zu zermalmen. Als die erste Schrecksekunde überstanden war, packte Zelda mit der freien Hand Links Arm und half ihm so gut sie konnte, sie aus dem Loch zu ziehen. Dann hasteten beide zum Fenster, während der Boden unter ihnen immer weiter in sich zusammenfiel. An der Balustrade angekommen, drehte sich die Prinzessin noch einmal um, um das Ausmaß der Verwüstung in Augenschein zu nehmen, und erstarrte, als sie durch den zerstörten Boden im Stockwerk unter sich eine vertraute Gestalt ausmachte. „Mutter…?!“ Wie hypnotisiert ging Zelda immer weiter auf den Abgrund zu, die Augen fest auf die von herabstürzenden Trümmern fast vollständig bedeckte Leiche der hylianischen Königin gerichtet. Als Link bemerkte, was los war, packte er Zelda an den Schultern, riss sie grob zu sich herum und sagte in eindringlichem Ton: „Deine Eltern sind seit Jahren tot! Das, was du da unten siehst, ist nur eine der vielen Gemeinheiten Ganondorfs, die unsere Seelen und unsere Moral brechen sollen – also reiß dich zusammen!“ Die Prinzessin nickte, machte aber noch immer ein verstörtes Gesicht, während Navi tadelte: „Das hätte man aber auch netter sagen können.“ Ihr tat die junge Frau leid, die ganz offensichtlich unter Links ungewohnter Feindseligkeit litt. Für Zelda hatte sich durch die Offenbarung ihrer wahren Identität nichts verändert und es fiel ihr schwer, Links Zorn und Enttäuschung nachzuvollziehen. „Wir haben keine Zeit, auf Nettigkeiten zu achten!“ Die Miene des Herrn der Zeiten war hart und undurchdringlich, aber er war deutlich sanfter als zuvor, als er Zelda aus dem Fenster auf die Balustrade hinaus schob. „Man hat immer Zeit für einen höflichen Ton und etwas Nachsicht“, beharrte Navi, doch Link blaffte wütend zurück: „Aber nicht jetzt! Nicht, während der Turm um uns herum zusammenfällt und ich uns alle irgendwie unbeschadet hier rausbringen muss. Nicht, während Frau Hochwohlgeboren mir das Leben zusätzlich schwer macht, indem ich permanent auf sie achten muss!“ Er warf der Prinzessin einen wütenden Blick zu und rollte bei dem, was er zu Gesicht bekam, genervt mit den Augen. „Heiliger Deku, sieh dir das an!“ Zelda fühlte sich von Links zornigem Ausbruch dazu angestachelt, ihm zu beweisen, dass sie sehr wohl selbst auf sich aufpassen konnte, und hatte sich in Bewegung gesetzt. Sie war die Balustrade bereits ein Stück weit entlang balanciert, aber das konstante Beben der Festung und ihr unpassendes Schuhwerk ließen sie schwanken wie einen betrunkenen Matrosen auf Landgang. Link schüttelte resigniert den Kopf. „Sie bricht sich noch das Genick…“ „Dann hilf ihr doch endlich!“ Allmählich ging Navi das feindselige Verhalten ihres Schützlings auf die Nerven. Dieser rollte erneut mit den Augen und murmelte: „Als hätte ich etwas anderes vorgehabt…“ Trotz des konstanten Schwankens des Turms war der Recke mit wenigen Schritten bei der Prinzessin und hob sie mit einer schwunghaften Bewegung hoch. „Was im Namen der Göttinnen soll das werden?!“ Zelda kämpfte ein wenig gegen die sie haltenden Arme an, hatte Links durch die Titanenhandschuhe zusätzlich verstärkten Kraft aber nichts entgegenzusetzen. Also ergab sie sich in ihr Schicksal, jedoch nicht, ohne eine sauertöpfische Miene aufzusetzen. Links Verhalten, das er seit ihrem Aufeinandertreffen in der Zitadelle der Zeit an den Tag gelegt hatte, hatte sie tief verletzt und sie wollte seine Hilfe nicht! Sie wollte sein Mitleid nicht! Sie wollte nicht, dass er nur deshalb bei ihr war, weil er es als seine Pflicht ansah, ihr zu helfen. Sie wollte, dass er sie noch einmal so ansah wie zu der Zeit, in der er noch geglaubt hatte, sie sei Shiek… Link wirbelte die Prinzessin herum, sodass sie auf seinem Rücken saß und die Beine um seine Hüften schlingen konnte. Trotz der angespannten Situation musste Zelda sich eingestehen, dass sich die körperliche Nähe ausgesprochen gut anfühlte und sie schmiegte sich noch ein wenig näher an den Herrn der Zeiten. Dieser schien überraschenderweise durch den engen Körperkontakt ebenfalls ein wenig besänftigt zu sein und fragte in unerwartet sanftem Ton: „Sitzt du bequem?“ Dennoch verriet die Anspannung in seinen Rücken- und Schultermuskeln, dass er sich nicht gänzlich wohl in seiner Haut fühlte. Navi, die neben den beiden in der Luft schwebte, lächelte angesichts dieser zaghaften Annäherung in sich herein und strahlte sogar noch mehr, als Zelda zur Antwort nickte und dabei ihre Wange dicht an Links Hals brachte. Dieser errötete leicht und nuschelte, um seine Verlegenheit zu überspielen: „Äh… fein. Dann halt dich gut fest. Ich versuche, uns so schnell wie möglich runter zu bringen.“ Trotz des zusätzlichen Gewichts bewegte sich der junge Recke erstaunlich leichtfüßig über die schmale Balustrade. Wegen des ständigen Bebens musste er immer wieder innehalten und seine Balance erneuern, aber insgesamt kam er flott vorwärts. Einige Minuten lang schwiegen die drei Abenteurer und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Navi betete zu den Göttinnen, dass sie keine weiteren unliebsamen Überraschungen erleben mochten. Link konzentrierte sich völlig auf seine nächsten Schritte und Zelda fragte sich, wie es mit Hyrule weitergehen sollte. Sie war die rechtmäßige Thronerbin und als Weise der Harmonie zur Königin bestimmt. Aber war sie auch bereit, dieses Schicksal anzunehmen? Während der sieben Jahre, die sie als Shiek durch die Lande gestreift war, hatte sie eine Freiheit kennen gelernt, die es am königlichen Hof nie gegeben hatte. Obwohl sie ständig hatte fürchten müssen, von Ganondorf enttarnt und gefangen genommen oder gar getötet zu werden, hatte sie sich seltsam unbeschwert gefühlt. Sie hatte hingehen können, wohin sie wollte und hatte tun und lassen können, wonach auch immer ihr der Sinn stand. Zusammen mit der hylanischen Krone kamen jedoch auch eine Menge Pflichten und Aufgaben auf sie zu, die ihre Selbstbestimmtheit massiv beschneiden würden. Von ihr würde erwartet werden, eine Lösung für die Sorgen ihrer Untertanen zu haben und ein Vorbild an Sittsamkeit, Besonnenheit und Liebenswürdigkeit zu sein. Selbst dann, wenn in ihr Trauer und die Sehnsucht nach wahrer Freiheit herrschten… Vielleicht, dachte sie mit einem kleinen Lächeln auf den fein geschwungenen Lippen, sollte sie mit Link und Navi fortgehen. Einfach davon laufen. Niemand wusste, dass sie Ganondorfs Angriff vor sieben Jahren überlebt hatte. Mit einem leisen Seufzen gestand sie sich jedoch ein, dass sie ihre Pflichten nicht ausschlagen konnte. Sie hätte für den Rest ihres Lebens ein schlechtes Gewissen ihren Untertanen gegenüber und würde nie wirklich glücklich werden. Außerdem hatte Link ein Anrecht auf einen Neubeginn – ohne sie… Er sollte die Chance bekommen, sein Leben so zu gestalten wie er es sich immer erträumt hatte. Plötzlich platzte Navi in ihre Gedanken: „War es eigentlich sehr schlimm, von Ganondorf gefangen genommen zu werden? Hattet Ihr große Angst?“ Zelda schüttelte den Kopf. „Hör auf, mich anzureden als wäre ich bereits Königin. Im Moment bin ich nicht mehr als eine weitere Weise, die ihr befreit habt.“ Sie lächelte die Fee an, die erst zögerlich, dann aber über das ganze Gesicht zurückgrinste. Erst danach antwortete die Prinzessin: „Ich hatte große Angst, ja. Aber weniger um mich als um euch. Ich hatte die Befürchtung, meine Entführung könnte euch womöglich dazu verleiten, etwas Unüberlegtes zu tun und euch in unnötige Gefahr zu begeben.“ Navi bedachte Link mit einem viel sagenden, wissenden Blick, den dieser jedoch gar nicht wahrzunehmen schien. Er war völlig von der Aufgabe absorbiert, auf der schmalen Balustrade einen Fuß vor den anderen zu setzen. Unterdessen fuhr Zelda fort: „Ganondorf selbst habe ich kaum zu Gesicht bekommen. Er war wohl zu beschäftigt damit, sich auf die Konfrontation mit Link vorzubereiten.“ „Wo ward Ihr… Wo warst du eigentlich, nachdem Ganondorf dich hat verschwinden lassen?“, wollte Navi wissen und schämte sich ein bisschen wegen ihrer unstillbaren Neugierde. Zelda schien daran jedoch keinen Anstoß zu nehmen. Stattdessen schürzte sie die Lippen und dachte einen Moment nach, bevor sie antwortete: „Das weiß ich selbst nicht so genau. Ich glaube, er hat mich auf eine andere Ebene oder in eine andere Dimension gehoben oder so.“ Sie schüttelte den Kopf, weil sie nicht verstand, was mit ihr geschehen war. „Für mich sah es aus als wäre ich noch immer in dem Turmzimmer und Ganondorf und ihr wärt verschwunden. Ich konnte zwar noch eure Stimmen hören, aber ich konnte euch nicht sehen. Es war sehr merkwürdig…“ Navi machte ein nachdenkliches Gesicht, während sie zu begreifen versuchte, was Zelda widerfahren war – jedoch ohne Erfolg. Was immer der Großmeister des Bösen mit der Prinzessin getan hatte, es überstieg die Vorstellungskraft der Fee. Da Navi ins Grübeln verfallen war, legte sich erneut Schweigen über die Gruppe. Inzwischen hatten die Drei schon einiges an Weg zurückgelegt und passierten nun die Fenster des zweiten Stocks. Link stand vor Anstrengung der Schweiß auf der Stirn und er keuchte leicht beim Atmen. Zelda wollte ihm gerade anbieten, von seinem Rücken zu steigen und alleine weiterzugehen, als ein heftiges Beben die Festung erzittern ließ. Diese erneute Erschütterung fiel deutlich stärker aus als die vorangegangenen und Link fuchtelte wild mit den Armen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während Zelda sich instinktiv noch fester an ihn klammerte. Nach mehreren Minuten ließ das Beben wieder nach und die drei Abenteurer wollten bereits wieder aufatmen, als plötzlich die Balustrade unter ihnen brach und schräg nach vorn kippte. Wie auf einer Rutsche schlidderte Link mit einer kreischenden Zelda auf dem Rücken auf den Abgrund zu. Der Herr der Zeiten versuchte, die Füße in den Boden zu stemmen und so ihre Rutschpartie zu stoppen, aber die metallene Balustrade war derart glatt, dass er keinen Halt fand. Navi raufte sich vor Angst die Haare und rief: „So tu doch was, Link!“ Der junge Mann hätte angesichts dieser überflüssigen Aufforderung am liebsten laut aufgelacht. Wenn er wüsste, was er tun sollte, täte er es lange… Unterdessen kam der Abgrund immer näher. Unaufhaltsam. Zelda kniff die Augen fest zusammen und presste die Lippen aufeinander, um ihr panisches Gekreische zu unterdrücken. Ein Sturz aus dieser Höhe war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich. Dabei hatte sie gerade angefangen, daran zu glauben, dass Link sie alle sicher aus der Festung bringen konnte… Es waren nur noch wenige Zentimeter bis zum Abgrund, als sich der Herr der Zeiten plötzlich zur Seite warf. Es war eine Verzweiflungstat und er hatte nicht den Hauch einer Ahnung, ob der Plan, den er sich schnell zurechtgelegt hatte, überhaupt funktionieren konnte. Navi riss bei diesem Anblick die Augen noch weiter auf und keuchte: „Oh, Farore, halte deine schützende Hand über ihn…“ Zu ihrer aller Glück schien die Göttinnen des Mutes ihrem Auserwählten tatsächlich noch immer wohlgesinnt zu sein: Durch die plötzliche Verlagerung seines Körpergewichts konnte Link Zeldas und seine Flugbahn so verändern, dass sie anstatt auf den Abgrund, auf den Turm zuschossen. „Din, Farore, Nayru… Lasst es klappen… bitte…“ Link zog die Beine an und zog Zelda im Fallen nach vorne auf seinen Bauch, bevor er sich so drehte, dass er dem Turm den Rücken zuwandte. Navi schlug sich die Hände vors Gesicht und hielt gespannt den Atem an. Jetzt waren es nur noch Sekunden bis zum Aufprall. Es dauerte nur noch wenige Wimpernschläge lang, bis sich herausstellen würde, ob Links Plan funktionierte oder fulminant scheiterte. Die Zeit schien plötzlich stillzustehen und der Fee kam es so vor als würden sich Krieger und Prinzessin in einzelnen, starren Bildern durch die Luft bewegen, anstatt in einer fließenden Bewegung. Dann zerriss ein lautes Klirren die Stille und Zelda und Link krachten durch ein Fenster ins Innere des Turmes. Navi atmete erleichtert auf und dankte stumm den Göttinnen. Wäre Links Aufprallpunkt nur leicht verschoben gewesen, der Herr der Zeiten wäre mit voller Wucht gegen die massive Steinwand des Turms gekracht und zusammen mit Zelda in den Tod gestürzt. Unterdessen schirmte Link Zelda mit seinem Körper so gut es ging gegen herumfliegende Scherben und den harten Aufprall ab. Ein Glassplitter bohrte sich in seine Schulter, blieb aber glücklicherweise bereits in den oberen Hautschichten hängen. Als sich die beiden endlich ausgerollt hatten und zum Stillstand kamen, verharrten sie für einen Moment in inniger Umklammerung. Zelda musterte mit feuchten Augen Links Gesicht, das ihrem eigenen so nah war und vor Erleichterung und Dankbarkeit strahlte. „D-Du hast mir das Leben gerettet.“ Sie brachte nur ein heiseres Flüstern zustande, aber mehr brauchte es auch nicht. Link zog einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln nach oben und Zelda spürte plötzlich den beinah unbändigen Drang, ihn zu küssen. „Stets zu Diensten, Majestät.“ Noch Minuten zuvor hätte die Prinzessin eine solche Entgegnung als verletzend empfunden, doch nun lag solch eine Wärme in Links Augen, dass sie nicht anders konnte als zurückzulächeln. Navi, die nach den beiden sehen wollte, verharrte am zerbrochenen Fenster, als sie das leise Tuscheln hörte. In solch einem Moment wollte sie nicht stören. Zelda legte Link eine Hand gegen die Wange und zeichnete mit dem Daumen seine Lippenkonturen nach. Im ersten Moment schreckte der junge Mann vor der Berührung zurück, ließ sie dann aber dennoch zu. Sein Herz schlug unterdessen derart heftig gegen seine Rippen, dass Zelda jedes Pochen fühlte als wäre es ihr eigenes. In diesem Moment verstand Zelda endlich wie verletzlich Link in Wirklichkeit war und dass sich hinter der Fassade des auserwählten Helden ein ängstlicher Junge versteckte, der bereits zu großes Leid erfahren hatte zu oft enttäuscht worden war. Ihrem Impuls nachgebend, schob sie ihren Körper noch ein wenig näher an seinen und hob den Kopf, um ihre Lippen auf seine zu pressen. In Links Augen schlich sich ein Ausdruck von Panik, der sie lächeln ließ und sie wollte ihm versichern, dass er keine Angst zu haben brauchte. Doch in diesem Moment wurde sie plötzlich aus seinen Armen und in die Luft gerissen. Eine skelettartige Hand umklammerte ihren Hinterkopf und hob sie derart hoch, dass ihre Beine hilflos in der Luft strampelten. Vom Fenster her hörte Zelda wie Navi erschreckt aufkeuchte, aber der Blick der Prinzessin war fest auf Link geheftet, der sich vor ihren Augen vom sensiblen Jungen zurück in den abgebrühten Herrn der Zeiten verwandelte und wieder auf die Füße sprang. Mit einem bedrohlich wirkenden Gesichtsausdruck musterte der Krieger sein Gegenüber und sagte in trügerisch ruhigem Ton: „Ich dachte, ich hätte dich getötet.“ Der Skelettkrieger schien zu grinsen, obwohl er keine Lippen mehr hatte, die er hätte verziehen können. „Du warst nah dran, Herr der Zeiten, nah dran…“ Link blickte demonstrativ an dem Mykono-Bruder vorbei als suche er jemanden und fragte mit einem süffisanten Lächeln: „Ich sehe deinen Bruder nirgends. Hatte ich bei ihm mehr Erfolg?“ Die rotglühenden Augen des Stalfos‘ wurden zu harten, funkensprühenden Murmeln und der Skelettkrieger krallte seine Finger noch fester in Zeldas Nacken, was diese leise wimmern lies. Navi kaute unterdessen am Nagel ihres Daumens und hoffte, Link wusste was er tat, wenn er sein Gegenüber so reizte. „Allerdings“, gab der Mykono-Bruder widerwillig zu, bevor er zunächst die von seiner Hand baumelnde Zelda und dann wieder Link mit schief gelegtem Kopf ansah und sagte: „Und genau deswegen werde ich dir jetzt auch etwas nehmen, das du liebst. Sag ‚Lebwohl, Prinzessin‘!“ Zelda kniff die Augen fest zusammen und Navi stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus, während der Herr der Zeiten sich schneller bewegte als es sein Feind oder seine Freunde für möglich gehalten hätten. Mit einer fließenden, drehenden Bewegung riss er sein Schwert aus der Scheide und ließ die Klinge auf das Ellbogengelenk des Skelettkriegers niedersausen. Der Knochen zersplitterte mit einem leisen Krachen und Zelda landete unsanft auf den Füßen. Da sie mit dem Sturz nicht gerechnet hatte, verlor sie das Gleichgewicht und fiel nach vorn auf die Knie. Sofort war Navi an ihrer Seite, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen: „Alles noch dran, Majestät?“ Zelda nickte benommen und wollte die Fee daran erinnern, dass sie eine derart formelle Anrede nicht besonders mochte, erstarrte aber plötzlich, als sich die abgehakte Hand in ihrem Nacken bewegte. Navi deutete ihren geschockten Gesichtsausdruck als Zeichen des Schmerzes und betastete besorgt das Gesicht der Prinzessin. Als sie die Hand samt Unterarm bemerkte, die sich mit den Fingern trippelnd auf den Skelettkrieger zubewegte, stieß sie ein schrilles Kreischen aus und machte einen beeindruckenden Satz nach hinten. Während die Gesichter von Prinzessin und Fee zu Masken des Horrors verzogen waren, beobachtete der Mykono-Bruder seinen Arm mit einem amüsierten Glänzen in den Augen. Link hingegen schaute beinah gelangweilt aus der Wäsche. Bevor die Hand ihren Besitzer erreichen konnte, trat der Herr der Zeiten seinem Gegenüber plötzlich mit voller Wucht gegen die Brust, sodass einige Rippen brachen und mit einem hellen Klacken auf die Steinfliesen fielen. Der Skelettkrieger, der nicht mit der Attacke gerechnet hatte, taumelte einige Schritte rückwärts und zog dann seinerseits mit zornfunkelnden Augen sein Schwert. „Du willst es also auf die schmutzige Art?“ Die Stimme des Stalfos‘ war ein wütendes Grollen, das ein wenig wie ein herannahendes Sommergewitter klang. Link schüttelte den Kopf und schwang bereits wieder sein Schwert in Richtung seines Gegners. „Nein, ich will es auf die schnelle Art! Es mag dir ja nicht aufgefallen sein, aber diese Festung bricht in sich zusammen – und ich wäre gerne draußen, bevor sie ganz kollabiert.“ Einige Minuten lang hieben die beiden Kontrahenten aufeinander ein, wobei sie nicht nur auf die Hiebe des jeweils anderen, sondern auch noch auf herabstürzende Trümmer achten mussten. Link umklammerte zornig das Heft des Master-Schwerts. Er hatte keine Zeit für diesen Kampf! Sie mussten so schnell es irgend ging aus der Festung heraus… Der Herr der Zeiten überlegte noch immer, wie er den Skelettkrieger überlisten und ausschalten konnte, als er überraschend Hilfe bekam. Der Mykono-Bruder trieb Link gerade mit mächtigen Schlägen, die dieser nur mit Mühe mit seinem Hylia-Schild parieren konnte, an Zelda und Navi vorbei, als die Prinzessin ein Bein ausstreckte und den Stalfos zum Stolpern brachte. Das Skelett machte ein paar unbeholfene Hüpfer nach vorn, in der Hoffnung, sein Gleichgewicht wiederzufinden. Doch Link, der schnell mitgedacht hatte, wirbelte um den Stalfos herum und verpasste ihm einen Tritt in den Rücken, sodass er kopfüber in eine brennende Fackel fiel. Der Herr der Zeiten und seine Begleiter atmeten erleichtert auf, da sie glaubten, die trockenen Knochen des Skelettkriegers würden nun zu einem Haufen Asche verbrennen und die Gefahr wäre damit gebannt. Tatsächlich fing der Stalfos Feuer, aber anders als erwartet fiel er nicht in sich zusammen und starb. Stattdessen wirbelte er fuchsteufelswild herum und kam erneut auf Link zu. Die Fackel, in die das Skelett gefallen war, war umgestürzt und die brennenden Kohlen waren gegen einen Wandteppich gerollt, der sogleich Feuer fing. Dicker, schwarzer Rauch füllte allmählich den Raum. Mit angstgeweiteten Augen beobachtete Link das brennende Monster, das schwertschwingend auf ihn zukam, und rief seinen beiden Begleiterinnen panisch zu: „Macht, dass ihr hier rauskommt! Sofort!“ Navi, die aus Erfahrung wusste, dass ihr Schützling sich nur dann voll auf einen Kampf konzentrieren konnte, wenn er sie in Sicherheit wusste, schoss bereits auf die nach unten führende Tür zu, aber Zelda stand kopfschüttelnd auf. „Ich werde dich nicht allein lassen!“ Der Herr der Zeiten warf ihr einen schnellen, aber nichtsdestotrotz eindringlichen Blick zu und brüllte sie an: „Doch! Verschwinde endlich! Bring dich in Sicherheit!“ Zu seiner Überraschung machte sich ein Ausdruck des Zorns auf dem Gesicht der Prinzessin breit und sie stemmte wütend die Fäuste in die Hüften. Navi eilte zurück an ihre Seite und flüsterte in ihr Ohr: „Zelda, ich bitte dich! Link hat jetzt keine Zeit, uns zu beschützen. Du hilfst ihm viel mehr, wenn du jetzt gehst – vertrau mir!“ Doch die besänftigend wirkenden Worte brachten Zelda nur noch mehr auf und sie rief, die Arme in einer theatralischen Geste in die Luft werfend: „Wieso haltet ihr mich eigentlich für derart wehrlos?! Ja, ich trage unpassende Kleider für Balanceakte und schnelle Fluchten, aber das heißt noch lange nicht, dass ich zu nichts zu gebrauchen bin! Ich habe mich sieben Jahre ohne euch durchgeschlagen – ich brauche euren Schutz nicht!“ Mit diesen Worten streckte sie eine Hand in Richtung eines besonders großen Trümmerhaufens und schien sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Link hatte keine Gelegenheit, sie zu beobachten – er musste den Angriffen des Mykono-Bruders ausweichen – aber Navi staunte nicht schlecht über das, was sie sah: zwischen den gespreizten Fingern der Prinzessin erstrahlte plötzlich ein lilafarbenes Licht und die Trümmer begannen zu schweben. „Link, runter! Duck dich!“ Der Herr der Zeiten hatte keine Ahnung, warum Zelda dies von ihm verlangte, ließ sich aber dennoch ohne zu zögern auf den Bauch fallen. Nur Sekunden später spürte er knapp über sich einen starken Luftzug und nur einen Wimpernschlag später wurde der brennende Skelettkrieger von Steinbrocken erfasst, gegen die nächste Wand geschleudert und von den Trümmern begraben. Einige Herzschläge lang rechnete Link damit, der Stalfos würde die Brocken einfach abschütteln und erneut greifen, aber alles blieb still und ruhig. Da der Mykono-Bruder besiegt zu sein schien, wandte sich der junge Recke wieder seinen beiden Begleiterinnen zu und hätte bei deren Anblick beinah laut aufgelacht. Während Zelda eine übertrieben triumphierende Miene zur Schau trug, glotzte Navi sie mit unverhohlener Bewunderung aus kreisrunden Augen an. „Du… du beherrscht Telekinese?!“ Angesichts von Navis Begeisterung mischte sich Verlegenheit unter den trotzigen Triumph, der noch immer Zeldas Gesichtszüge beherrschte. Ihre Stimme hingegen klang deutlich bescheidener, als sie mit einem Achselzucken sagte: „In meiner Zeit als Shiekah habe ich einiges über Zauberei gelernt.“ „Wow!“ Navi sah aus als wollte sie auf der Stelle alles über Zeldas Magiewissen erfahren, aber Link fasste die Prinzessin an der Schulter und schob sie sanft Richtung Tür. „Wir sollten hier so schnell wie möglich verschwinden!“ Vom stetig stärker werdenden Beben begleitet, hastete die kleine Gruppe den Turm herunter. Offenbar waren auch in den unteren Stockwerken einige Fackeln aus ihren Halterungen gefallen und die gesamte Festung stand lichterloh in Flammen. Sehnsüchtig dachte Link an seine zerstörte Goronen-Rüstung, während er sich mit Navi und Zelda einen Weg zurück in die Haupthalle der Festung bahnte. Um sich selbst ein wenig Mut zu machen, lächelte er seine Begleiterinnen an und sagte: „Jetzt ist es nicht mehr weit!“ Die Beiden nickten und lächelten zurück, wobei Navi dennoch ein wenig besorgt aussah. Je näher sie dem Ausgang der Festung kamen, desto mehr beschäftigte sie die Frage, wie Link und Zelda den Lavagraben überqueren sollten. Ob die Weisen wohl wieder ihre Regenbogenbrücke errichten würden? Kaum, dass Link über die Zähne des Drachenmauls in die Halle getreten war, verdrängte jedoch eine andere Sorge vorrübergehend alle anderen aus Navis Geist. Eine der Leichen, die noch immer in den Rüstungen der hylianischen Soldaten steckten, setzte sich plötzlich in Bewegung und umklammerte von hinten Links Beine. Der Recke stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden und biss sich beim Aufprall die Lippe auf, während Zelda reflexartig nach dem Angreifer trat. Als ihr Schuh mit der spitzen Hacke im modrigen Fleisch der Leiche steckenblieb, verzog die Prinzessin angewidert das Gesicht. Dennoch ließ sie sich nicht davon abhalten, den zweiten Schuh auszuziehen und damit auf den Zombie einzuschlagen. Navi feuerte sie dabei an und zog ihrerseits an den Haaren der Leiche, die unter dem Visier des stählernen Helmes hervorlugten. Die Fee hatte keine Ahnung, ob der Zombie überhaupt Notiz von ihren Bemühungen nahm, aber alles war besser als nichts zu tun. Tatsächlich lenkten die beiden Frauen den Angreifer genug ab, dass Link sich aus der Umklammerung befreien und die Leiche mit einem gezielten Tritt in die Flammen eines brennenden Teppichs stoßen konnte. Anders als der Mykono-Bruder verwandelte sich der Zombie glücklicherweise nicht in eine noch gefährlichere Version seiner selbst, sondern verbrannte vollends. Der Herr der Zeiten rappelte sich schnell wieder auf und wandte sich seinen Begleiterinnen zu, um sich zu bedanken. Als sein Blick jedoch durch das Drachenmaul zurück in den Teufelsturm fiel, erbleichte er und verschob seinen Dank auf später. Stattdessen packte er Zelda am Handgelenk und forderte: „Lauf!“ Kleine Steinsplitter bohrten sich in die nackten Sohlen der Prinzessin, doch sie rannte tapfer weiter, obwohl sie nicht wusste, wovor sie davonliefen. Navi, die neben ihrem Kopf in der Luft flog, wandte im Gegensatz zu Zelda den Kopf und schüttelte sich vor Ekel: aus dem Eingang zum Teufelsturm drängten noch mehr Zombies, die mit ihren verfaulten Armen nach Link und der Prinzessin haschten. Glücklicherweise erwiesen sich die lebenden Leichen als nicht besonders schnell, sodass es der kleinen Gruppe leicht gelang, vor ihnen davonzulaufen. Auch ansonsten begegneten sie keinerlei Schwierigkeiten mehr, bis sie aus dem Eingangstor der Festung ins Freie traten. Navi sog gierig Luft ein, obwohl sie nach Schwefel und Rauch roch. Ganondorfs Festung endlich wieder zu verlassen, war ein Segen und sie fühlte sich sogleich befreiter, auch wenn die Gefahr noch nicht vorüber war. Wie die Fee schon erwartet hatte, hatten die Weisen keine neue Brücke errichtet… Link bremste gerade noch rechtzeitig ab und blieb gemeinsam mit Zelda am Rand des Lavagrabens stehen. „Verdammt!“ Seiner Stimme war seine Frustration deutlich anzuhören. „Das hatte ich ja ganz vergessen!“ Die Augen des Kriegers zuckten unruhig hin und her, während er verzweifelt nach einer Lösung suchte. Navi tastete unterdessen erneut die Außenfassade der Festung ab und hoffte darauf, eine Art Schalter oder irgendetwas anderes zu finden, das ihnen weiterhelfen konnte. Es musste einen Weg auf die andere Seite geben! „Äh, ich könnte doch…“, setzte Zelda an, aber Link schnitt ihr grob das Wort ab: „DA! Das ist unsere Chance! Renn!“ Einer der kleineren Ecktürme stürzte gerade direkt vor ihrer Nase in den Graben. Link fasste erneut Zeldas Unterarm und wollte sie dazu bringen, auf den stürzenden Turm zu klettern. Zu seiner großen Überraschung zog die Prinzessin jedoch ihren Arm zurück und schüttelte den Kopf. „Zelda! Was soll das?! Wir haben keine Zeit!“ Entsetzt starrte er die Prinzessin an, die ein latent genervtes Gesicht zog, das auch Navi irritierte. „Wenn du mich hättest ausreden lassen“, setzte Zelda seufzend an, „wüsstest du, was das soll. Deine Idee ist unnötig halsbrecherisch. Ich werde nicht über einen umstürzenden Turm rennen, um im letzten Moment abzuspringen und zu hoffen, dass ich es auf die andere Seite schaffe!“ Link blickte sie entgeistert an und versuchte, ihr Verhalten zu begreifen. Als sie auch noch über seinen Gesichtsausdruck lachte, war seine Verwirrung komplett. Doch dann streckte sie ihren Arm in Richtung des Turmes, der kurz davor war, auf der Lava aufzutreffen, und Link begriff! Vor Anstrengung bildeten sich feine Schweißperlen über Zeldas Oberlippe, aber sie schaffte es, den Turm so präzise zu bewegen, dass er sich zwischen der Festungsinsel und dem Festland festklemmte und eine perfekte Brücke bildete. „Du bist unglaublich!“ Ohne nachzudenken packte Link Zelda bei den Hüften und wirbelte sie lachend herum. Im ersten Moment war die Prinzessin erschrocken, brach dann aber in losgelöstes Kichern aus. Auch Navi grinste breit vor sich hin. Nicht nur, weil Link und Zelda gerettet waren. In erster Linie freute sie sich darüber, dass die Anspannung zwischen den beiden offenbar gelöst war. Doch nach dem ersten Moment der Euphorie wurde Link bewusst, was er tat und er lief schlagartig puterrot an. Genauso schnell stellte er Zelda wieder ab und deutete mit dem Kinn auf den Turm. „Ich… äh… ich geh vor und teste, wie sicher der Überweg ist.“ Zeldas Augen spiegelten deutlich die Verletzung, die sie in diesem Moment empfand, aber sie nickte nur. Vermutlich war es sowieso besser für sie beide, wenn sie ein wenig Distanz zu einander bewahrten, denn schon bald würden sie in verschiedenen Welten leben… Dennoch hätte sie Link, der bereits behände den Turm erklomm, gern zurückgerufen und sich in seine Arme geworfen. „Reiß dich zusammen!“, ermahnte sie sich selbst und beobachtete mit zu Fäusten geballten Händen wie Link auf die andere Grabenseite balancierte. Navi runzelte angesichts ihrer starren Haltung irritiert die Stirn, sagte aber nichts. Sie hätten noch alle Zeit der Welt, um über Gefühle zu reden, sobald sie diesen trostlosen Ort verlassen hatten. Sekunden später hatte Link die gegenüberliegende Seite erreicht und bedeutete Zelda, dass sie sich gefahrlos herübertrauen konnte. Da sie ihre unpraktischen Schuhe verloren hatte, stellte sie sich dabei deutlich geschickter an als zuvor auf der Balustrade. Als auch die Prinzessin die Brücke überquert hatte, atmeten die drei Abenteurer auf und Zelda sank sogar zu Boden und schloss vor Erschöpfung und Erleichterung die Augen, während Link und Navi mit morbider Faszination zusahen wie Ganondorfs Festung vollends in sich zusammenfiel. Sie hatten es tatsächlich lebend aus dieser Mörderfalle herausgeschafft! Kapitel 65: Seine letzte Schlacht --------------------------------- Link wusste nicht, wie lange er schon am Rand des Lavagrabens stand und zu den Überresten von Ganondorfs Festung herüberstarrte. Angesichts der Tatsache, dass die schwarze Burg inzwischen vollständig in sich zusammengefallen war, musste es sich um etliche Minuten handeln, aber der junge Mann hatte jedes Zeitgefühl verloren. Er nahm ebenfalls nicht wahr, dass von Osten her dunkle Gewitterwolken heranzogen und orangerotes Wetterleuchten den Nachthimmel erleuchtete. Auch die ersten Regentropfen, die dem Gewitter vorausgingen, registrierte er nicht. Links Geist war vollauf damit beschäftigt, zu begreifen, was er vollbracht hatte. Der Großmeister des Bösen war besiegt und sie waren alle mit dem Leben davon gekommen! Noch immer konnte der Herr der Zeiten nicht vollständig glauben, dass er sein Schicksal erfüllt hatte und er nun endlich Gelegenheit haben würde, sein eigenes Leben zu leben. Ein wenig verstohlen warf er einen Blick über die Schulter zu Zelda, die noch immer neben dem umgestürzten Turm auf dem Boden saß und sich leise mit Navi unterhielt, die erschöpfter und ausgelaugter wirkte als Link sie je gesehen hatte. Was würden die Beiden nun, da die Gefahr abgewendet war, wohl tun? Wie würden sie ihre Zukunft gestalten? Link hatte wenig Zweifel daran, dass Zelda ihr Erbe als Kronprinzessin antreten und den hylianischen Thron besteigen würde. Obwohl er immer gewusst hatte, dass sie dazu bestimmt war, Regentin zu werden, fühlte sich der Gedanke, Zelda würde bald Königin werden, für Link komisch an – vor allem, wenn er daran dachte, was er mit ihrem Alter Ego Shiek alles erlebt hatte. Irgendwie konnte er sich Zelda besser als Anführerin einer Diebes- oder Piratenbande vorstellen denn als Königin. Aber was würde Navi nun tun? Ursprünglich hatte sie sich nur mit Link zusammengetan, weil der Deku-Baum dies von ihr verlangt hatte. Inzwischen waren die Beiden jedoch zu Freunden geworden – mehr noch, zu einem Duo zusammengewachsen – und Link konnte sich ein Leben ohne seine Fee kaum noch vorstellen. Doch ging es ihr diesbezüglich ähnlich oder freute sie sich bereits darauf, endlich wieder eigene Wege gehen zu können? Als hätte sie seine Gedanken gelesen oder zumindest seinen Blick auf sich gespürt, wandte Navi den Kopf, lächelte zu ihrem Schützling herüber und rief: „Willst du da eigentlich Wurzeln schlagen oder kommst du endlich her und überlegst dir mit uns, was wir jetzt machen?“ Das Strahlen in Navis Augen vertrieb die trüben Gedanken, die für einen kurzen Moment Links Herz bedrückt hatten. Selbst wenn Navi ihn nun, da ihr Abenteuer überstanden war, nicht mehr permanent begleiten würde, sie würden für immer Freunde bleiben und sich gegenseitig besuchen – da war sich der junge Mann vollkommen sicher. Mit einem vergnügten Grinsen auf den Lippen überbrückte er die wenigen Schritte zu den beiden Frauen hinüber und ging in die Hocke, damit Zelda nicht den Kopf in den Nacken legen musste, wenn sie ihm ins Gesicht schauen wollte. „Dann schießt mal los“, forderte er von plötzlichem Tatendrang beseelt, „wie sehen eure Pläne aus?“ „Ich habe vorgeschlagen, zunächst nach Kakariko zu gehen und uns dort ein wenig auszuruhen“, sagte Navi. Zelda nickte und ergänzte: „Nachdem wir uns ein paar Tage Auszeit gegönnt haben, sollte ich mich auf Reisen begeben und die anderen Völker Hyrules besuchen. Fast alle von ihnen müssten einen neuen Herrscher ernennen und ich hoffe, dass ich ihnen dabei behilflich sein kann. Außerdem kann ich bei der Gelegenheit mein Anrecht auf den hylianischen Thron deklarieren. Ich halte es zwar für relativ unwahrscheinlich, dass mir jemand mein Erbe streitig machen wollen wird, aber es kann nicht schaden, die neuen Regenten der anderen Völker hinter mir zu haben.“ Bei diesen Worten grinste Link noch ein wenig breiter als zuvor und korrigierte seinen früheren Gedanken. Er konnte sich Zelda sehr gut als Piratenanführerin und als Königin vorstellen! Lachend fragte er: „Und ich spiele die Leibwache und begleite dich? Es wäre schön, meine alten Freunde mal wiederzusehen, ohne ständig den Gedanken an Ganondorfs nächste Bösartigkeit im Hinterkopf zu haben.“ Während Navi angesichts von Links offensichtlich guten Laune wie ein Honigkuchenpferd strahlte und vergnügt „Oh ja!“ rief, schien Zelda diese überhaupt nicht zu bemerken. Sie nestelte nervös am Saum ihres Kleiderärmels und blickte mit einer Trauermiene, die vollkommen fehl am Platz wirkte, zu Boden. Der Herr der Zeiten und seine Fee wechselten bei diesem Anblick irritierte Blicke, aber die Prinzessin ließ ihnen keine Zeit für Fragen. Stattdessen fuhr sie mit der Planung ihrer nächsten Schritte fort: „Danach sollte ich nach Kakariko zurückkehren und mit der Rekrutierung einer neuen Armee beginnen. Vielleicht kann ich mir sogar ein paar Soldaten der anderen Völker ausleihen. Auf jeden Fall wird es Zeit, dass Hyrule-Stadt von diesen widerlichen Zombies gereinigt wird, damit wir es wieder neuaufbauen können.“ Link, der noch immer bemüht war, seinen Part dieses Plans zu entdecken, hakte nach: „Und Navi ist dabei deine strategische Beraterin und ich der Hauptmann deiner neuen Armee?“ Die Fee klatschte begeistert in die Hände und rief: „‚Strategische Beraterin‘ klingt super!“ Zelda jedoch schien die Freude erneut nicht teilen zu können. Stattdessen stahl sich ein gequälter Ausdruck auf ihr Gesicht, der Link alarmierte. Besorgt streckte er eine Hand nach ihrem Kinn aus und zwang sie sanft, ihn anzusehen. „Was ist los? Warum guckst du wie sieben Tage Regenwetter, obwohl wir allen Grund zum Feiern haben?“ Als Zelda daraufhin stumm seinen Blick erwiderte, zuckte Link vor Schreck ein wenig zusammen. Er hatte noch nie Augen gesehen, in denen so viel Trostlosigkeit und Verzweiflung gestanden hatten. Was quälte sie nur derart? Der junge Mann suchte nach Worten, aber ihm wollte partout nichts einfallen, was er in dieser Situation hätte sagen können. Auch Navi schien es ausnahmsweise die Sprache verschlagen zu haben. Sie schwebte neben Zeldas Gesicht in der Luft und blickte zwischen der Prinzessin und Link hin und her als rekonstruiere sie in Gedanken das vorangegangene Gespräch, um zu verstehen, was Zeldas Reaktion ausgelöst haben mochte. Vielleicht, dachte der Recke und setzte sich dicht neben Zelda, waren Worte im Moment gar nicht so wichtig. Zaghaft, so als wäre er sich nicht ganz sicher, ob er sie berühren durfte, schob er einen Arm über die Schultern der Prinzessin und zog sie leicht an sich. Zunächst versteifte Zelda sich unter der Berührung und Link war bereits drauf und dran, seinen Arm wieder zurückzuziehen. Dann aber warf sich die Prinzessin regelrecht in die Umarmung und klammerte sich am Kragen von Links Tunika fest als stürzte sie ohne diesen Anker in eine bodenlose Tiefe. Der Herr der Zeiten und seine Fee sahen sich besorgt an. Was war nur los? Link strich Zelda in der Hoffnung, sie auf diese Weise ein wenig beruhigen zu können, sanft über den Rücken und murmelte: „Es ist alles gut. Wir haben es überstanden.“ Als ihm eine mögliche Erklärung für Zeldas Verhalten in den Sinn kam, fügte er an: „Du musst die Bürde der Krone nicht alleine tragen. Wir stehen dir jederzeit zur Seite, wenn du das möchtest.“ Navi nickte bekräftigend und sagte: „Stimmt genau. Oder du überlässt dem Thron einfach jemand anderem.“ Bei diesen Worten krümmte sich Zelda zusammen als hätte sie jemand in den Magen geboxt und sie konnte nur mit Mühe ein Schluchzen unterdrücken. Link sah hilflos zu Navi hoch, die genauso ratlos war wie er und mit den Schultern zuckte als wollte sie sagen: „Frag nicht mich.“ Da ihm nichts Besseres einfiel, zog Link Zelda noch ein wenig näher an sich heran und flüsterte verzweifelt: „Was hast du denn nur?“ Die Prinzessin schüttelte den Kopf und vergrub ihr Gesicht in seiner Halsbeuge. Allmählich machte sie ihm ernsthaft Angst… Doch bevor Link einen erneuten Versuch unternehmen konnte, Zeldas Verhalten zu ergründen, ertönte aus Richtung der zusammengefallenen Festung plötzlich das Geräusch aufeinanderschlagender Steine. Sofort schnellten die Köpfe der Drei herum, um das Gelände mit den Augen nach der Ursache des Lautes abzusuchen. Als sie nichts entdecken konnten, mutmaßte Link: „Sieht so aus als wäre unser Mykono-Freund womöglich immer noch am Leben. Wirklich hartnäckig, diese Skelettkrieger!“ Mit einem Seufzen versuchte er, sich wieder aufzurichten, aber Zelda hielt ihn fest und flüsterte: „Nein, geh nicht weg! Ich… Ich brauche dich doch!“ Angesichts dieses Geständnisses machten sich zugleich Schmerz und Freude auf Links Gesicht breit und er sah erneut hilfesuchend zu seiner Fee, die ähnlich betroffen aus der Wäsche guckte wie er. „Aber Zelda“, hob Navi mit sanfter Stimme an, „Link muss gehen und diesem lästigen Stalfos ein für alle Mal den Garaus machen. Stell dir nur vor, wir würden jetzt gehen und das Monster so auf direktem Wege nach Kakariko führen!“ Für einen Moment sah Zelda aus als wollte sie erneut protestieren, aber dann glättete sich ihr Gesicht zu einer starren Maske und sie stieß Link regelrecht von sich. Dieser blinzelte ob ihres plötzlichen Stimmungsumschwungs irritiert, schüttelte dann jedoch den nur den Kopf und beschied, dass er keine Zeit hatte, sich darum Gedanken zu machen. Vielleicht war derartiges Verhalten genau das, über was sich Ehemänner beschwerten, wenn sie über die Launen ihrer Gattinnen klagten. Link hatte dergleichen schon öfter gehört, wenn er in einem Wirtshaus gegessen oder durch die Straßen Hyrule-Stadts oder Kakarikos gegangen war. Achselzuckend machte der Herr der Zeiten sich daran, den als Brücke fungierenden Turm zu erklimmen. Was immer der Grund für Zeldas Stimmungswechsel war, es war ihm in diesem Moment reichlich egal. Der Mykono-Bruder war ein ernstzunehmender Gegner und er brauchte jedes bisschen Konzentration, um als Sieger aus dem Gefecht herauszugehen. Auf der anderen Seite des Lavagrabens angekommen, folgte der Recke dem immer wieder ertönenden Geräusch von Stein auf Stein. Es klang als würde jemand oder etwas versuchen, sich aus einem Trümmerhaufen herauszugraben, was Link in seiner Annahme, der Mykono-Bruder sei noch am Leben und Verursacher der Laute, noch bestärkte. Es dauerte nur wenige Minuten, bis Link die Geräuschquelle entdeckte: Es war ein riesiger Geröllhaufen in der Mitte des Geländes, in dessen Inneren sich etwas zu bewegen schien. Routiniert zog Link sein Schwert und wartete. So lange der Gegner noch von Schutt bedeckt war, hatte ein Angriff wenig Sinn. Also legte Link sich lieber auf die Lauer und hoffte auf eine Gelegenheit, blitzschnell zuzuschlagen, sobald sich das Monster freigewühlt hätte. Doch plötzlich gab es einen lauten Knall wie bei einer Explosion und die Geröllbrocken schossen in alle Himmelsrichtungen davon. Es gelang Link nur knapp, seinen Kopf noch rechtzeitig einzuziehen und einem herumfliegenden Stück Wand auszuweichen. Der wahre Schrecken fuhr dem Herrn der Zeiten jedoch erst in die Glieder als er den Kopf hob und sah, mit wem er es zu tun hatte. Lautes Keuchen aus Richtung Hyrule-Stadt bezeugte, dass Navi und Zelda den Feind ebenfalls entdeckt hatten. Ganondorf! Seine Augen, die zuvor trotz des Rotstiches in den Iriden stets menschlich gewirkt hatten, waren nun komplett rot, was ihm ein schauriges Aussehen verlieh. Seine Haare flatterten wie lodernde Flammen im Wind und seine Haut war von unzähligen Riss- und Schnittwunden übersät. Links Blick klebte jedoch am Schaft des Lichtpfeils, der noch immer in der Stirn Ganondorfs steckte. Wie, im Namen der Göttinnen, konnte der Großmeister des Bösen noch leben?! Link schüttelte leicht den Kopf und kniff sich möglichst unauffällig in den Oberschenkel, in der Hoffnung, sich in einem sehr realistischen Albtraum zu befinden. Der Schmerz, der seinen Schenkel augenblicklich durchzuckte, bewies ihm jedoch, dass er nicht träumte. Das hier war die Realität… Aber wie war das möglich…? Ganondorf richtete seine blutrot glühenden Augen auf Link und keuchte wie nach einem langen Lauf. Offenbar bereitete ihm selbst diese minimale Bewegung große Schmerzen. Dennoch stahl sich ein kaltes Grinsen auf seine Lippen, als er den Herrn der Zeiten entdeckte. „Hast du etwa geglaubt, es sei schon vorbei, Bürschchen? Ich lasse mich nicht besiegen – schon gar nicht von einem Kind wie dir! Nun wirst du die wahre Macht des Triforce-Fragments der Kraft erfahren!“ Der Gerudo brach in schallendes Gelächter aus und warf den Handschuh seiner linken Hand fort, bevor er Link den Rücken seiner Faust präsentierte. Zuerst verstand dieser nicht, was er sah, aber dann erkannte er, dass Ganondorf – genau wie er selbst – ein Triforce-Mal auf dem linken Handrücken hatte. Doch anders als bei Link trat beim Großmeister des Bösen nicht das untere linke Fragment besonders deutlich hervor, sondern das obere. Bevor sich der Herr der Zeiten fragen konnte, warum Ganondorf ihm sein Mal zeigte, begann dieses plötzlich zu leuchten und zu strahlen wie eine Supernova. Es war so hell, dass Link die Augen zukneifen und das Gesicht abwenden musste. Selbst Zelda und Navi, die das Geschehen vom Rand des Lavagrabens aus gespannt verfolgten, hoben die Arme, um ihre Augen abzuschirmen. Link hatte keine Ahnung, was mit Ganondorf, der komplett von dem seltsamen Leuchten eingehüllt wurde, passierte, aber das Knirschen und Knacken, das wie das Brechen von Knochen klang, verhieß nichts Gutes. Es dauerte mehrere Minuten, bis das blendende Leuchten endlich an Intensität verlor und Link einen erneuten Blick auf seinen Feind werfen konnte. Was er dabei zu sehen bekam, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren und er stolperte einige Schritte rückwärts, bis er sich daran erinnerte, dass er als Herr der Zeiten nicht fliehen durfte… Vor ihm stand ein riesiges, unförmiges Monster, das abgesehen von der langen, feuerroten Mähne mit dem Gerudo von zuvor nichts mehr gemein hatte. Es war höher als ein Haus, hatte stechende, gelbe Augen, eine Schweinsnase und ein schmallippiges Maul mit rasiermesserscharfen Zähnen. Sein Körper war von blau-grünen Schuppen besetzt und nur am Unterkörper von einem zottigen, schwarzbraunen Pelz bewachsen. Durch die krummen Oberschenkel konnte Link einen langen, umherpeitschenden Schwanz erkennen, der mit spitzen Stacheln besetzt war und groteskerweise in allen Farben des Regenbogens leuchtete. Am beeindruckendsten waren jedoch die riesigen Schwerter mit goldfarbenen, leicht gezackten Klingen, die in etwa so lang waren wie Link hoch. Bei diesem Anblick wurden sämtliche Glieder des Herrn der Zeiten dermaßen weich, dass ihm beinah das Master-Schwert aus der Hand gerutscht wäre. Ein knackendes Geräusch wie von brechenden Knochen erklang in mehrfacher Folge, während sich das Monstrum zu voller Größe aufrichtete und die Schultern straffte. Link musste den Kopf in den Nacken legen, um seinem Gegenüber ins Gesicht zu sehen, was diesen süffisant lächeln ließ. Offenbar gefiel es der Bestie, dass Link sich neben ihr fühlte wie ein hilfloses Kind. „Warum dieses entsetzte Gesicht, Herr der Zeiten? Noch nie einen Schweinedämon gesehen?“ Das Monster lachte und Link wich noch einen Schritt zurück. Obwohl sich sein Aussehen radikal verändert hatte, sprach Ganondorf noch immer mit seiner normalen, menschlichen Stimme. Dies wirkte derart grotesk, dass es Link noch mehr gruselte als das abstoßende, brutal wirkende Äußere der Bestie. Als der Herr der Zeiten nicht antwortete, fuhr das Monster fort: „Gestatte mir, dass ich mich dir erneut vorstelle. Mein Name ist Ganon, Prinz der Schweinedämonen!“ Bei der Erwähnung dieses Namens ging ein Ruck durch Links Körper als wäre er vom Blitz getroffen worden und vor seinem geistigen Auge tauchten Bilder auf, die er zunächst nicht einzuordnen vermochte. Er sah sich selbst wie er umringt von einer Schar Soldaten einer gigantischen Schweinebestie entgegen rannte – ähnlich jener, der er nun gegenüberstand. Schräg vor ihm ritt eine junge Frau mit rotblondem Haar auf einem Schimmel und reckte angriffslustig ein bereits blutbeflecktes Florett in die Höhe. Im ersten Moment konnte sich Link nicht erklären, woher diese Bilder kamen, doch dann wandte die Reiterin ihm das Gesicht zu und ihm fiel wieder ein, wo er ihrer früher schon einmal ansichtig geworden war: Während seines magischen, siebenjährigen Schlafes hatte er im Traum Erinnerungen an die früheren Leben, die seine Lichtwelt-Seele bereits durchlebt hatte, gesehen. Darunter war auch der Tod des ersten Herrn der Zeiten gewesen, der nach einer schweren Schlacht auf den Stufen vor dem Zeitfels verblutet war. An seiner Seite hatte die erste Weise der Harmonie gesessen und um ihn geweint. Es war dieselbe Frau gewesen, die in seiner jetzigen Vision mit ihm in den Kampf zog. Plötzlich platzte Ganon mit seinem grollenden Lachen in seine Gedanken, ganz so als wären die Bilder vor Links geistigem Auge auch für ihn sichtbar gewesen: „Ja, wir sind uns bereits in einem früheren Leben begegnet, Herr der Zeiten. Damals konntest du meinen sterblichen Körper vernichten, was mich dazu zwang, mich zurückzuziehen, bis ich ein neues geeignetes Gefäß gefunden hatte. Du selbst hast in jenem Kampf dein Leben gelassen, obwohl du um einiges älter und reifer als heute, erfahrener im Kampf und von vielen Untergebenen unterstützt warst. Was, glaubst du, kannst du dieses Mal gegen mich ausrichten?“ Unterdessen beobachteten Zelda und Navi die Geschehnisse von der anderen Seite des Lavagrabens aus. Während die Prinzessin bang die Hände wrang und leise murmelnd zu den Göttinnen betete, um sie um Beistand zu bitten, war die Fee hin und her gerissen zwischen bleiben und zur Hilfe eilen. Auf der einen Seite wusste sie ganz genau, dass Link sie in derartigen Situationen, in denen die Gefahr nicht einzuschätzen war, am liebsten in Sicherheit wusste. Dann konnte er sich voll auf den Kampf konzentrieren, ohne sich auch noch um sie sorgen zu müssen und aufzupassen, dass ihr kein Leid zugefügt wurde. Andererseits konnte sie ihn aber auch nicht einfach im Stich lassen – schließlich war er ihr Freund! Mit sich selbst ringend flog Navi am Rand des Lavagrabens hin und her und versuchte, die Situation einzuschätzen. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sich Ganondorf vor ihren Augen zu einer gigantischen Bestie verwandelt hatte. Die bösartige Aura, die von dem Monstrum ausging, war dermaßen stark, dass es Navi die feinen Härchen an den Armen und im Nacken aufstellte, obwohl sie einige Meter entfernt war. Dennoch schien der Dämon Link nicht angreifen zu wollen, zumindest noch nicht. Navi verstand zwar kein Wort, konnte aber das Gemurmel von Stimmen hören, das ihr verriet, dass Krieger und Bestie für den Moment noch mit Reden beschäftigt waren. Die Feenfrau fragte sich, über was die beiden wohl sprachen. Versuchte Ganondorf Link einzulullen und abzulenken? Oder wollte Link sich ein wenig Zeit verschaffen, um einen Plan auszuhecken? Diese letzte Überlegung brachte Navi endlich zu einer Entscheidung: Sie konnte Link nicht alleine lassen – nicht, wenn auch nur die geringste Möglichkeit bestand, dass sie ihm mit einem Tipp oder einer Beobachtung den entscheidenden Hinweis geben könnte. Da sie selbst nicht aktiv in den Kampf eingebunden war, sah sie ganz andere Dinge als Link, der sich permanent darauf konzentrieren musste, am Leben zu bleiben. „Ich…“, setzte die Fee an, um Zelda über ihr Vorhaben zu unterrichten, aber diese nickte, bevor Navi ihren Satz beenden konnte, und sagte: „Ich weiß. Geh und steh ihm zur Seite. Ich werde für euch beide beten.“ „Du willst nicht mitkommen? Mit deinen magischen Fähigkeiten könntest du Link bestimmt von Nutzen sein.“ Navi warf der Prinzessin einen Blick zu, der zwischen Vorwurf und Verständnis schwankte. Zelda schüttelte den Kopf, sodass ihr langes, blondes Haar sanfte Wellen schlug. „Ich werde meine Kräfte noch brauchen, fürchte ich. Wenn wir Weisen ein Portal zur Schattenwelt schaffen wollen, um Ganon ein für alle mal in seine Heimat zu verbannen, muss ich so ausgeruht wie möglich sein – sonst geht der Zauber noch schief oder das Siegel wird zu schwach werden, um Ganon dauerhaft zu bannen.“ Einige Herzschläge lang wunderte sich Navi über diese Antwort. Weshalb gingen die Weisen davon aus, dass der Dämon in jedem Fall mit Magie versiegelt werden musste? Wäre es nicht sinnvoller, Link im Kampf zu unterstützen und so dafür zu sorgen, dass Ganon endgültig vernichtet würde? Oder wussten die Weisen womöglich etwas, das sich Links und Navis Kenntnis entzog? War diese Bestie womöglich unsterblich? Nachdem sie einige Herzschläge lang vor der Prinzessin in der Luft gestanden und sie skeptisch gemustert hatte, entschied Navi schließlich, dass es ihr egal war, ob Zelda mitkam oder nicht. Sie ließ Link auf jedenfalls nicht im Stich! Also wandte sie sich ruckartig ab und flog in Richtung der eingestürzten Festung davon. Link betrachtete die gewaltigen Schwerter Ganons und die dicken, festen Muskelstränge, die sich unter der schuppigen Haut abzeichneten. Allein die Oberarme des Schweinedämons hatten den Umfang von Links Brustkorb. Der junge Krieger verspürte bei diesem Anblick mehr Furcht als je zuvor in seinem Leben… Trotzdem richtete er den Blick fest auf die gelbglühenden Augen seines Gegenübers und antwortete wahrheitsgemäß: „Ich weiß es nicht. Vielleicht bin ich in diesem Leben zu schwach, um dir auch nur einen Kratzer zuzufügen. Vielleicht bin ich bereits in wenigen Minuten tot.“ Er zuckte mit den Achseln als wäre ihm sein eigenes Schicksal völlig egal, fasste dann jedoch das Master-Schwert fester und setzte eine entschlossene Miene auf, bevor er weitersprach: „Aber eines weiß ich ganz genau – ich werde dich bis zu meinem letzten Atemzug bekämpfen!“ Irgendwie hatte Link damit gerechnet, Ganon würde bei dieser Kampfansage in Lachen ausbrechen. Stattdessen überraschte der Schweinedämon ihn jedoch damit, dass ein freudiges Funkeln in seine Augen trat und er antwortete: „Nichts anderes habe ich erwartet, Herr der Zeiten!“ Dann bewegte sich die Bestie trotz ihrer gewaltigen Masse plötzlich derart schnell, dass Link kaum Zeit zum Reagieren blieb. Mit nur einem langen Schritt war Ganon direkt vor ihm und ließ eines seiner Schwerter auf ihn niedersausen. Link riss im letzten Moment das Master-Schwert nach oben, um den Schlag abzulenken, unterschätzte jedoch die Kraft seines Gegners. Das Aufeinandertreffen der beiden Klingen geschah mit so viel Wucht, dass Link seine Waffe regelrecht aus der Hand gerissen wurde. Das heilige Schwert flog in hohem Bogen durch die Luft als hätte der Herr der Zeiten es fortgeschleudert. Navi, die die Flugbahn der Waffe kreuzte wurde beinah aufgespießt und starrte mit wild schlagendem Herzen dem Schwert hinterher, das sich neben Zelda in den Boden bohrte. Die Prinzessin stieß einen spitzen Schrei aus und machte vor Schreck einen Satz nach hinten. Zu Links Erleichterung fasste sich Zelda jedoch schnell wieder und ergriff die heilige Klinge, um sie Link zuzuwerfen. Einige Herzschläge lang fragte sich die junge Frau, ob sie kräftig genug war, das Master-Schwert weit genug zu werfen. Mit einem energischen Kopfschütteln wischte sie jegliche Bedenken zur Seite. Selbst wenn sie das Schwert in den Lavagraben werfen sollte, war das kein Beinbruch – dann würde sie halt ihre telekinetischen Fähigkeiten nutzen, um es wieder nach oben zu holen! Trotzdem atmeten alle drei Helden erleichtert auf, als das Master-Schwert mit lautem Scheppern auf der Festungsseite des Lavagrabens aufschlug und schlingernd zu liegen kam. Navi, die unbewusst die Daumen gedrückt hatte, löste die verkrampfte Haltung ihrer Hände und applaudierte, was Zelda mit einem Winken beantwortete. Doch als Link sich ruckartig umwandte und in Richtung Lavagraben rannte, um seine heilige Waffe aufzusammeln, schlug die Erleichterung der Drei schnell wieder in Anspannung um. Die Schweinebestie schüttelte ihren massiven Kopf und warnte: „Denk nicht mal dran!“ Dann schnippte sie mit den Fingern und zwischen dem Herrn der Zeiten und seiner Waffe flammte eine haushohe Feuerwand auf, die sich schnell ausbreitete. Link konnte gerade noch rechtzeitig abstoppen und kam stolpernd zum Stehen. Dennoch verriet der unverwechselbare Gestank nach verbranntem Haar überdeutlich wie knapp der Recke dem Feuertod entkommen war. Dennoch hielt er nicht inne, sondern suchte nach einem anderen Weg zu seiner heiligen Waffe, bis Navi ihm zurief: „Das hat keinen Sinn!“ Durch ihre erhöhte Position erkannte die Fee sofort, was Link noch nicht begriffen hatte: Die Flammen hatten sich zu einem Ring geschlossen, der das Gelände der zusammengestürzten Festung komplett einschloss und so jeden Weg zum Rand der Festungsinsel abschnitt. Link schluckte hart, als er begriff, was Navi ihm sagen wollte, und wandte sich mit heftig schlagendem Herzen wieder zu Ganon um. Er war allein, ohne seine Waffe und ohne die geringste Fluchtmöglichkeit, während er einem körperlich überlegenen Gegner gegenüberstand, der offenbar über magische Fähigkeiten besaß. Der einzige positive Gedanke, der ihm in dieser Situation einfallen wollte, war, dass es unmöglich noch schlimmer kommen konnte… Während Ganon mit schweren Schritten, die den Boden ringsum erzittern ließen, auf Link zu stapfte, schloss Navi endlich zu ihrem Schützling auf. In ihrem Gesicht spiegelte sich die gleiche Ratlosigkeit, die auch Link empfand, und sie bemerkte zur Begrüßung lakonisch: „Das… äh… ist ziemlich dumm gelaufen.“ Dabei fixierte sie das Master-Schwert, das trotz der prasselnden Flammen noch immer am Rand der Festungsinsel auf dem Boden zu erkennen war. Link hingegen ließ seinen herannahenden Gegner nicht aus den Augen und antwortete: „Was du nicht sagst! Hast du vielleicht eine Idee, wie ich dieses Problem lösen kann oder bist du nur hier, um Offensichtliches festzustellen?“ Angesichts seiner harschen Wortwahl schnitt die Fee eine Grimasse in seine Richtung, wurde aber schnell wieder ernst und entgegnete: „So viel Dunkelheit wie ich in seiner Aura spüre, würde ich darauf wetten, dass du mit den Lichtpfeilen einigen Schaden anrichten kannst.“ Der Herr der Zeiten dachte an den Pfeil, der noch immer zwischen Ganons Augenbrauen saß und dem Schweinedämon offenbar nicht allzu viel ausmachte. Mit kraus gelegter Stirn hakte der junge Krieger deswegen nach: „Und worauf soll ich zielen? Die vermutlich empfindlichste Stelle habe ich schon getroffen – aber das scheint ihn eher noch stärker gemacht zu haben!“ Navi schüttelte den Kopf und wollte erklären, dass Ganondorfs Verwandlung in die riesige Bestie, der Link nun gegenüberstand, nichts mit dem Lichtpfeiltreffer zu tun hatte. Genau wie in dem Herr der Zeiten und den sieben Weisen hatte auch in Ganondorf eine uralte Seele gelebt, die jedoch aus der Welt der Schatten stammte und dem Bösen entsprungen war. Es war diese Seele, die durch den Tod ihrer Mittelwelthülle entfesselt worden war und nun ihr wahres Gesicht zeigte. Doch als Navi sah, wie nah Ganon bereits war, verlor sie kein Wort darüber. Stattdessen sagte sie nur: „Schieß einfach irgendwohin – Hauptsache, du triffst seinen Körper. Das Licht, das von den Pfeilen ausgeht, wird ihn über kurz oder lang von innen heraus vergiften.“ Link, der bereits eine Hand in seinem Wunderbeutel hatte, zog seinen Bogen und die verbliebenen Lichtpfeile in seinem Lederköcher hervor und knurrte mit Blick auf Ganon, der schon fast in Schlagweite war: „Hoffentlich eher kurz als lang…“ Navi warf einen Blick auf die wenigen goldenen Pfeile, die in dem Köcher lagen und nickte. Zelda hatte ihnen leider nur eine Handvoll der mit Lichtmagie verstärkten Munition gegeben und zwei Pfeile waren bereits verbraucht. Sie konnten nur hoffen, dass die noch verbliebenen Pfeile ausreichen würden, um Ganon in die Knie zu zwingen… Dieser hatte die beiden Abenteurer inzwischen erreicht und höhnte: „Ich fürchte, ich muss eure heimelige Plauderei nun unterbrechen…“, bevor er Link mit einem seiner riesigen Schwerter attackierte. Dieser sprang jedoch in letzter Sekunde zur Seite und brachte sich so in Sicherheit. Zum wiederholten Male staunte Navi stumm über die gelassene Routine mit der ihr Schützling solche Ausweichmanöver inzwischen durchführte. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie er bei seinen ersten Kämpfen wie Espenlaub gezittert hatte. Damals hatte sie kaum daran glauben können, dass dieser zierliche Junge, den der Deku-Baum ihr anvertraut hatte, der Auserwählte sein sollte. Nie im Leben hätte sie sich träumen lassen, dass er eines Tages die Abgebrühtheit besitzen würde, mit dem Ausweichen bis zum allerletzten Moment zu warten, um den Gegner in falscher Sicherheit zu wiegen. Auch Ganon war auf diese Verzögerungstaktik hereingefallen und hatte mit voller Wucht zugeschlagen, sodass sich die scharfe Schneide seines Schwertes tief in den Steinboden gegraben hatte, wo sie nun feststeckte. Während der Schweinedämon am Heft seiner Waffe zog, um sie wieder aus dem Stein zu ziehen, wirbelte Link blitzschnell herum und schoss einen Pfeil in die Seite von Ganons Knie. Das Geschoss drang leicht schräg ein und durchschlug Haut, Sehnen und Fleisch, bevor es von hinten auf das Kniegelenk traf und stecken blieb. Das getroffene Monster stieß einen fauchend klingenden Schrei aus und riss mit einem wütenden Funkeln in den Augen den Kopf herum, um den Herrn der Zeiten wieder zu fixieren. Dieser warf seiner Fee einen kurzen Seitenblick zu und murmelte: „Ich glaube, das hat ihn lediglich sauer gemacht. Toller Plan!“ Navi schluckte hart und bekam erste Zweifel an ihrer Theorie, das Licht aus den goldenen Pfeilen würde Ganon vergiften, als sie sah, dass sich die Bestie recht unbeeindruckt von dem Angriff zeigte. Zwar zog Ganon nun das rechte Bein leicht nach, aber das war auch schon alles. Da der Fee jedoch keine andere Idee einfallen wollte, riet sie ihrem Schützling: „Gib nicht auf! Versuch es weiter!“ Dieser nickte und legte einen weiteren Pfeil ein, obwohl er alles andere als überzeugt wirkte. Es war allein sein Vertrauen auf Navis Intelligenz, ihr strategisches Geschick und ihren Einfallsreichtum, das ihn weitermachen ließ. Die Feenfrau krampfte nervös die Hände ineinander. Was sollten sie bloß tun, wenn sie sich irrte?! Inzwischen hatte Ganon sein Schwert wieder befreien können und das Monstrum wandte den Oberkörper, um eine erneute Attacke auf Link zu starten. In diesem Moment ließ der Herr der Zeiten einen weiteren Pfeil von der Sehne sausen. Der Pfeil zischte von einem leisen Summen begleitet durch die Luft und bohrte sich tief in Ganons Augapfel. Vor Schmerz ging die Bestie in die Knie und ließ eines ihrer Schwerter fallen, um nach dem verletzten Auge zu greifen. Ein gequältes Wimmern stieg aus ihrer Kehle hervor und drehte Link den Magen um. Er hatte nie gerne gekämpft und Auseinandersetzungen wie diese, in denen er sich schmutziger Tricks oder besonderer Brutalität bedienen musste, um sein Leben zu retten, hasste er ganz besonders. Obwohl Ganon bereits in seiner menschlichen Form nur Leid und Verderben über alle, die mit ihm in Kontakt gekommen waren, gebracht hatte, wollte Link ihm keine Grausamkeiten antun… Während er die Göttinnen stumm für sein Schicksal, das ihn immer wieder in derlei Situationen brachte, verfluchte, jubelte Navi: „Hah! Siehst du? Es funktioniert doch!“ Die Heiterkeit der Fee verflog jedoch schnell, als Ganon sich wieder aufrichtete und sich den Pfeil mitsamt dem Augapfel, in dem er steckte, herausriss. Zähflüssiges, grünlich-schwarzes Blut schoss in einem dicken Schwall aus der leeren Augenhöhle und lief dem Dämon übers Gesicht, bevor es vom Kinn zu Boden tropfte. Dort, wo Blutstropfen auf den Steinboden fielen, stiegen kleine Rauchsäulen auf, die verrieten, dass Ganons Blut sich in den Stein ätzte. Link und Navi starrten die Schweinebestie gleichermaßen fassungslos wie geschockt an. Die Schmerzen des Monsters mussten schier unerträglich sein… Dennoch war Ganon sich offenbar noch immer sicher, die Oberhand zu haben. Mit zornverzerrtem Gesicht fauchte er Link an: „Wag das nie wieder oder ich zermalme jeden einzelnen Bewohner deines ach so kostbaren Hyrules zu Staub und lasse dich dabei zusehen!“ Der junge Recke machte einen unsicheren Schritt nach hinten. Seine Beine fühlten sich plötzlich weich und wackelig an. Er hatte keinerlei Zweifel daran, dass Ganon seine Drohung ohne mit der Wimper zu zucken wahrmachen würde. Was also, wenn er, Link, diesen Kampf nicht gewinnen konnte? Vielleicht war es ja das Klügste für Hyrule, wenn er einfach aufgab? Dann wäre sein Leben zwar vorbei und Ganon würde das Land weiterhin ausbeuten, aber zumindest würden seine Bewohner weiterleben können. Oder? Navi hingegen schien von Ganons Drohung regelrecht beflügelt zu sein. Eine Faust auf die Fläche der anderen Hand schlagend rief sie: „Das ist es! Schieß ihm noch einen Pfeil ins andere Auge – dann ist er blind!“ Links Blick zuckte verunsichert zwischen seiner Fee und dem Schweinedämon hin und her. Weiterkämpfen und auf einen schier unmöglich erscheinenden Sieg hoffen oder aufgeben, das eigene Leben verschenken und hoffen, dass Ganon die Bewohner Hyrules verschonen würde? Es war Salias Stimme, die ihn aus seiner Schockstarre befreite: „Gib nicht auf. Auch wenn es so aussehen mag – du bist nicht allein. Wir werden dir helfen, Ganon zu besiegen! Du musst es nur irgendwie schaffen, ihn so weit zu schwächen, dass unser Zauber wirken kann.“ Mit einem angedeuteten Nicken fasste Link seinen Bogen, den er beinah hätte zu Boden fallen lassen, wieder fester und griff nach einem weiteren Pfeil. Salia hatte Recht! Er durfte nicht aufgeben. Er hatte schon oft in ausweglos erscheinenden Situationen gesteckt und es trotzdem irgendwie geschafft, als Sieger daraus hervorzugehen. Also warum ließ er sich von diesem zu groß geratenen Rüsselvieh dermaßen einschüchtern?! Mit neuem Selbstvertrauen drückte der Herr der Zeiten den Rücken durch und antwortete Ganon: „Dafür musst du erst einmal an mir vorbei!“ Der Schweinedämon hob überrascht die Augenbrauen, was einen erneuten Schwall Blut aus seiner leeren Augenhöhle drückte. Als wollte er seinem Gegner erklären, was er gemeint hatte, legte Link den bereits aus dem Köcher gezogenen Pfeil an und schoss ihn auf Ganons zweites Auge ab. Dieses Mal schien das Monster jedoch mit der Attacke gerechnet zu haben und schaffte es, das Geschoss abzuwehren, indem es den Pfeil im Flug zur Seite wegschlug. Statt in Ganons Augapfel bohrte sich der Pfeil in die Überreste eines Pfeilers. Ein Lichtblitz wie von einer zerbrechenden Deku-Nuss verriet, dass der Lichtzauber des Geschosses verbraucht und der Pfeil damit nutzlos geworden war. Ganon schnappte sich sein fallengelassenes Schwert und ging erneut auf Link zu, wobei er seine Waffen vor sich kreisen ließ wie zwei Flügel einer Windmühle. Der Herr der Zeiten wich langsam zurück und versuchte verzweifelt, einen weiteren guten Treffer zu laden. Statt des Auges der Bestie traf der Recke jedoch nur ihren Hals, das Jochbein und vor allem den Unterarm, wenn sie diesen zum Abblocken des Angriffs nach oben gerissen hatte. Einige Pfeile wurden jedoch auch von dem Schweinemonster umgelenkt und verbrauchten ihren Lichtzauber an Festungstrümmern. Einmal traf ein Pfeil sogar beinah Navi, die sich glücklicherweise mit einem geschickten Flugmanöver gerade noch rechtzeitig retten konnte. Als Link seine Hand ein weiteres Mal in den Köcher steckte und nur noch einen einzigen, letzten Pfeil ertastete, krampfte sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Jetzt kam es drauf an… Mit zitternden Fingern legte der Herr der Zeiten den Pfeil an, während Ganon ihn mit seinen kreisenden Schwertern immer weiter zurücktrieb. Eigentlich hätte Link zum Zielen gerne etwas mehr Abstand zu seinem Gegner gehabt, aber für jeden Schritt, den Ganon machte, musste er selbst mindestens fünf machen. Als er dann auch noch mit dem Rücken gegen eine noch fast vollständig stehende Wand der ehemaligen Festung stieß, war jede Hoffnung auf eine optimale Schussdistanz dahin. Jetzt oder nie… Link zielte auf Ganons zweites, gelbglühendes Auge und konzentrierte sich auf das rhythmische Kreisen seiner Schwerter. Er musste den Schuss zeitlich so abpassen, dass Ganon keine Gelegenheit mehr haben würde, ihn zu blocken, der Pfeil aber auch nicht an einer Schwertklinge abprallte. Als er die Sehne losließ, kniff Link reflexartig die Lider zusammen und betete stumm. Navi hingegen starrte wie gebannt auf den Pfeil, der sich wie in Zeitlupe zu bewegen schien. Das Geschoss flog schnurgerade durch die Luft, während es sich um die eigene Achse drehte. Es war ein schöner Schuss – kraftvoll, hoch, gerade. Trotzdem war schon im Ansatz klar, dass der Pfeil Ganons Kopf um mehrere Zentimeter verfehlen würde. Aus Angst und Anspannung, daneben zu schießen, hatte Link den Bogen im letzten Augenblick verrissen… Navi fragte sich bereits bang, was sie nun tun sollten, als der Pfeil plötzlich seine Flugbahn änderte. Wie ferngesteuert, flog das Geschoss plötzlich eine enge Kurve und bohrte sich doch noch in das Auge des Schweinedämons. Dieser schrie aus Überraschung und Schmerz laut auf und schlug blind um sich, um Link irgendwie zu erwischen. Während der Herr der Zeiten, der beim Aufschrei des Monsters die Augen wieder aufgerissen hatte, den ziellosen Attacken mühelos auswich, suchte Navis Blick nach Zelda. Sie hatte doch nicht etwa…? Als sie die Prinzessin mit ausgestrecktem Arm am Rand des Lavagrabens entdeckte, bestätigte sich der Verdacht der Fee jedoch schnell – erst recht, als Zelda hochsah, bemerkte, dass Navi sie anstarrte und ihr grinsend zuwinkte. Ganz offenbar hatte die Prinzessin ihre telekinetischen Fähigkeiten genutzt, um den letzten Pfeil sein Ziel finden zu lassen. Navi lächelte breit zurück und deutete zum Dank eine Verbeugung an. Zelda hatte ihnen wirklich sehr geholfen! Ein blinder Gegner war weitaus weniger gefährlich als ein sehender. Dennoch war Link noch weit von einem Sieg entfernt. Das wurde Navi spätestens dann klar, als ihr Schützling fragte: „Und was jetzt? Das Master-Schwert ist immer noch unerreichbar und ich habe keine Ahnung, wie ich Ganon ohne Lichtpfeile schaden soll!“ Navi musterte den Schweinedämon nachdenklich und beobachtete, wie er sich bewegte. Trotz seiner Blindheit schien er recht gut einschätzen zu können, wo sich Link befand. Zwar waren die Schwertschläge deutlich weniger präzise als zuvor, doch sie gingen stets in die richtige Richtung. Wie konnte das sein? „Vermutlich hört er, wo Link ist…“, überlegte die Fee, nachdem sie das Katz-und-Maus-Spiel der beiden für eine Weile beobachtet hatte. Zudem fiel ihr jedoch noch etwas anderes an Ganons Bewegungen auf. Also sauste sie so schnell sie konnte zu ihrem Schützling und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich glaube, Ganons Schwachpunkt ist sein Schwanz. Achte mal drauf, wie er ihn immer in der Nähe seiner Beine hält, um nicht versehentlich irgendwo mit ihm anzustoßen. Ich bin mir sicher, sein Schwanz ist sehr schmerzempfindlich!“ Link nickte langsam und entgegnete: „Ich glaube, ich kann zwischen seinen Beinen hindurchrutschen. Und dann schlag ich mit dem Goronenhammer auf seinen Schwanz ein!“ „Gute Idee“, bestätigte Navi, warnte ihren Freund jedoch noch: „Aber sei leise! Ich glaube, Ganon hört an deinen Schrittgeräuschen, wo du dich befindest.“ Link nickte erneut und ging sofort in die Knie, um seine Stiefel auszuziehen. So musste er zwar besser darauf achten, nicht in Scherben zu treten, aber er konnte sich auch deutlich leiser fortbewegen. Um Ganon zusätzlich in die Irre zu führen, warf er die ausgezogenen Stiefel einige Meter von sich. Tatsächlich riss das Monster irritiert den Kopf zur Seite und hielt in der Bewegung inne. Wahrscheinlich überlegte es, so dachte Link bei sich, wie sich sein Gegner von jetzt auf gleich so weit von der Stelle bewegen konnte. Die kurzfristige Verwirrung des Monstrums ausnutzend, schlich Link um es herum und holte seinen Goronenhammer hervor. Der Herr der Zeiten hob das mächtige Relikt hoch über den Kopf und betete stumm zu den Göttinnen, Navi habe Recht mit ihrer Vermutung. Diese drückte die Daumen und hielt angespannt die Luft an. Doch bevor der Krieger zuschlagen konnte, peitsche Ganon plötzlich mit dem Schwanz. Der mit bunten Schuppen besetzte und mit Stacheln bewehrte Schweif des Dämons prallte so hart gegen Links Brust, dass dieser den Goronenhammer fallen ließ. Anschließend wurde der Recke von den Füßen gerissen und gegen einen in der Nähe stehenden Wandrest geschleudert. Navi und Zelda keuchten vor Sorge und Überraschung und sahen mit Schrecken, dass Link wie ein nasser Sack von der Wand abprallte und zu Boden fiel, wo er reglos liegen blieb als wäre er ohnmächtig. Oder Schlimmeres… Putz und kleinere Steinchen bröselten von dem Mauerwerk, das dort, wo Link aufgeprallt war, erschreckend deutlich verschoben und eingedellt war, auf den Herrn der Zeiten nieder und bedeckten ihn mit weißlichgrauem Staub, so als würde er schon seit langer Zeit dort liegen. Unterdessen ließ Ganon sein schauriges Lachen erklingen. „Ihr naiven Kinder! Habt ihr wirklich geglaubt, ich bräuchte meine Augen, um zu wissen, wo mein Gegner ist? Ich bin ein Schweinedämon! Ich rieche meine Kontrahenten!“ Navi starrte die Bestie aus weit aufgerissenen Augen entsetzt an. Das hatte sie überhaupt nicht bedacht! Es war ihre Schuld, dass Link in Ganons Falle getappt war. Sie hatte diese gewissermaßen sogar vorbereitet! Würde Link ihr das je verzeihen? Konnte sie sich das je verzeihen? Link dröhnte der Schädel und es fühlte sich an als hätte er sich jeden einzelnen Knochen im Körper gebrochen. Zudem schmeckte er Blut, obwohl er sich ziemlich sicher war, sich nicht auf die Zunge gebissen zu haben. Trotzdem bemühte er sich schwerfällig wieder auf die Füße zu kommen, sobald der Schwindel nachgelassen und die Welt aufgehört hatte, sich vor seinen Augen zu drehen wie ein Brummkreisel. Ein Stechen in seiner Flanke, das sich anfühlte als stecke ein Dolch in seiner Seite, verriet dem jungen Krieger, dass er sich tatsächlich mindestens eine Rippe gebrochen hatte. Bei jedem Atemzug bohrte sich die scharfe Bruchkante des Knochens in sein Fleisch und verursachte ihm grausame Schmerzen. Navi schwebte neben seinem Gesicht in der Luft und murmelte eine Entschuldigung nach der anderen, obwohl er sich auf keine davon einen Reim machen konnte. Es war doch nicht ihre Schuld, dass er unvorsichtig gewesen war und sich zu sehr darauf verlassen hatte, ein blinder Gegner stelle keine Gefahr dar. Als er ihr antworten und sie bitten wollte, mit den Selbstvwürfen aufzuhören, kam jedoch nur ein beängstigend großer Schwall Blut aus seinem Mund. Navi krampfte ängstlich ihre zierlichen Hände ineinander, während sie zusah wie sich ihr Schützling zitternd erbrach. Schwarzrotes Blut, Reste des blauen Elixirs, schleimig-grüner Gallensaft und Magensäure vereinigten sich zu einer unappetitlich ausehenden, stinkenden Mischung. Ganon brach währenddessen in Lachen aus, das noch schallender wurde, als er hörte wie Link stöhnend versuchte, sich wieder aufzurichten, nur um dann vor Schmerzen wieder zu Boden zu sinken. „Du bist zäher als ich erwartet habe, Herr der Zeiten! Vielleicht habe ich doch nicht nur die Macht deines Triforce-Fragmentes unterschätzt… Aber das spielt nun auch keine Rolle mehr. Dein Leben wird schon bald enden!“ Mit diesen Worten setzte sich der Schweinedämon wieder in Bewegung und schickte sich an, seinem Gegner den Gnadenstoß zu versetzen. Sich an der Wand hinter sich abstützend, kam Link endlich wieder auf die Füße und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Der rasende Schmerz, der in seinem Brustkorb und Kopf pulsierte, machte dies jedoch zu einer schier unmöglichen Aufgabe. Glücklicherweise übernahm Navi das Denken für ihren Schützling: „Such den Goronenhammer! Ich versuche so lange, Ganon irgendwie abzulenken.“ Link nickte benommen, obwohl er nicht so recht wusste, wie er irgendetwas suchen sollte, während er das Gefühl hatte, nicht einmal geradeaus gucken zu können. Unterdessen stürzte Navi sich todesmutig auf die Schweinebestie und riss an dem noch immer in ihrem Augapfel steckenden Pfeilschaft. Ganon brüllte vor Schmerz auf und schlug in der Hoffnung, Navi irgendwie zu erwischen, wild um sich. Der flinken Fee gelang es jedoch zum Glück recht mühelos, den Angriffen des Monsters auszuweichen. Währenddessen suchte Link mit den Augen den Boden ab, wobei er immer wieder blinzeln musste, um seinen Blick scharf zu stellen. Unwillkürlich drängte sich ihm die Frage auf, ob er sich wohl eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte. Doch der junge Recke hatte keine Zeit, sich um seine Verletzungen zu sorgen. Er musste so schnell wie möglich seine Waffe widerfinden, um Navi zur Hilfe zu kommen. Momentan schien Ganon ihr zwar nichts antun zu können, während sie an seinen Haaren, seinen Ohren und dem Pfeil in seinem Auge riss, aber Link wollte sich leider nicht darauf verlassen, dass der Dämon sich keine dreckigen Tricks einfallen lassen würde. Die gebrochene Rippe bohrte sich bei jedem Schritt in sein Fleisch und ließ den Herrn der Zeiten immer wieder vor Schmerz innehalten. Allein gerade zu stehen schien bereits ein Ding der Unmöglichkeit zu sein und immer wieder drohten heftige Übelkeitswellen, die von dem Geschmack nach Blut begleitet wurden, ihn zu überwältigen. Trotzdem suchte der Krieger weiterhin tapfer nach seiner verlorenen Waffe. Unterdessen kniete Zelda mit geschlossenen Augen am Rand des Lavagrabens und murmelte ein Gebet. Nur zu gerne hätte sie das Geschehen auf der anderen Seite des Grabens besser im Blick behalten und gegebenenfalls erneut eingegriffen. Doch der Prinzessin war schmerzlich bewusst, dass sie ihre Kräfte auf anderes konzentrieren musste, wenn sie Ganon endgültig besiegen wollten. Während Link und Navi das Einstürzen der Festung beobachtet hatten und sie gegen den als Brücke dienenden Turm gelehnt auf dem Boden gesessen hatte, hatte sich Rauru, der Weise des Lichts, auf telepathischem Wege mit ihr in Verbindung gesetzt. Er hatte gewusst, dass Links Kampf noch nicht vorbei gewesen war. Doch der Weise hatte nicht Kontakt zu Zelda aufgenommen, um sie zu warnen, sondern um ihr zu verbieten an Links Seite in den Kampf zu ziehen. Mit eindringlicher Stimme hatte er sie an den Plan erinnert, den Rauru schon vor Jahrhunderten, nach dem ersten Auftauchen Ganons ausgearbeitet hatte: Der Herr der Zeiten sollte gegen Ganon in den Kampf ziehen und ihn so weit schwächen, dass die Weisen mit vereinten Kräften einen Zauber über den Dämon sprechen und ihn so in die ewige Finsternis der Schattenwelt verbannen konnten. Dafür würde die Prinzessin all ihre Kräfte brauchen, weshalb der Weise des Lichts ihr strikt untersagt hatte, sich in die Auseinandersetzung zwischen Held und Bestie einzumischen. Bereits für das Ablenken des verschossenen Pfeils hatte sich Zelda eine Standpauke anhören müssen, die sich gewaschen hatte. Sie war sich augenblicklich wieder vorgekommen wie ein kleines Kind. Die Kampfgeräusche und ihre damit verbundenen Sorgen auszublenden, erforderten jedoch mehr Konzentration als die junge Frau aufbringen konnte. Immer wieder hob sie blinzelnd die Augenlider, um sich zu vergewissern, dass Link und Navi noch lebten. Nur zu gerne hätte sie die Beiden mit einem Schutzzauber belegt… Aber sie hatte Angst, Rauru könnte Recht haben und sie würde dadurch im entscheidenden Moment womöglich zu erschöpft sein, um zusammen mit den anderen Weisen den Bannzauber über Ganon zu sprechen. Also verharrte sie stumm und untätig in ihrer knienden Position und versuchte, durch Gebete ihre Kräfte zu sammeln und zu bündeln. Als Link endlich den Goronenhammer entdeckte, stieß er einen leisen Fluch aus und wünschte, er hätte sich nicht zuvor seiner Stiefel entledigt, um leiser schleichen zu können: das Goronen-Relikt lag nämlich inmitten unzähliger Scherben, die dem Aussehen nach von den Buntglasscheiben des Turmzimmers stammten. Einige Herzschläge lang sah sich der Recke nach seinem fortgeworfenen Schuhwerk um, aber als er es nicht in der Nähe entdecken konnte, biss er in den sauren Apfel und trat nur mit Socken bekleidet in den Scherbenhaufen. Obwohl die dicke Wolle die kleineren Scherben abhielt, waren Links Fußsohlen bereits nach wenigen Schritten vollkommen zerschnitten. Jedes Auftreten tat höllisch weh und drückte die scharfkantigen Glasreste noch tiefer in das weiche Fußfleisch, bis der Recke nur noch humpeln konnte. Dennoch kämpfte Link sich mutig vorwärts, bis er den Goronenhammer wieder an sich gebracht und den Scherbenhaufen wieder verlassen hatte. Dann zog er sich schnell die verbliebenen Splitter aus den Fußsohlen und rannte anschließend so schnell er auf seinen geschundenen, brennenden Füßen konnte zu Navi und Ganon herüber. Die Fee war noch immer damit beschäftigt, den Schweinedämon zu triezen und musste zu ihrer Schande gestehen, dass es ihr sogar ein wenig Spaß machte, Ganon an der Nase herumzuführen und ihn vor Schmerzen schreien zu lassen, indem sie den Pfeil in seinem Auge bewegte. Trotzdem war sie erleichtert, als sie sah, dass Link mit dem Goronenhammer angelaufen kam. Ihre Erleichterung vermischte sich jedoch mit Sorge, als sie die blutigen Fußabdrücke entdeckte, die ihr Schützling bei jedem Schritt hinterließ. Navi wollte zu ihm herüberfliegen und fragen, was passiert war, doch in diesem Moment schloss sich plötzlich Ganons riesige Pranke um sie. Der kurze Moment der Unaufmerksamkeit hatte der Bestie ausgereicht, um ihre flinke Piesakerin endlich doch noch zu fassen zu bekommen. Navi schrie in Panik auf, während Ganon seine klauenartigen Finger allmählich immer fester zusammenpresste. Offenbar wollte er sie in seiner Faust zermalmen – und dies auch noch so langsam, dass er jede Sekunde und jeden kleinen Schmerzenslaut auskosten konnte. Vielleicht, überlegte Navi, war dies die Strafe dafür, dass sie beim Quälen des Monsters fast so etwas wie Freude empfunden hatte… Trotzdem dachte die Fee nicht im Traum daran, sich kampflos in ihr Schicksal zu ergeben. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen Ganons Finger, biss und kratzte ihn und versuchte, durch einen Fingerzwischenraum zu entfliehen. Ohne Erfolg… Inzwischen hatte der Schweindämon seine Faust so fest zusammengepresst, dass Navi nur noch flach auf dem Rücken liegen konnte und kaum noch Luft bekam. Aus Richtung ihres Brustkorbs drang ein schauriges Knirschen, das das baldige Nachgeben ihrer Knochen ankündigte. Doch gerade, als die Fee sich mit ihrem Ende abfinden wollte, stieß Ganon auf einmal einen trommelfellzerreißenden Schrei aus und stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden, wobei er den Griff um Navi soweit lockerte, dass diese aus seiner Faust schlüpfen konnte. Zunächst konnte sie sich keinen Reim auf ihre plötzliche Rettung machen, aber dann entdeckte sie Link, der breitbeinig über Ganons Schwanz stand und immer wieder mit dem Goronenhammer zuschlug. Bei jedem Schlag spritzte grün-schwarzes Blut und verätzte dem jungen Krieger das Gesicht. Sogar seine Arme wurden trotz des Kettenanzugs ein wenig in Mitleidenschaft gezogen. Der Schweinedämon wand sich in offensichtlichen Qualen auf dem Boden, während sein Schwanz zu Brei geschlagen wurde. Bei diesem Anblick hatte Navi fast Mitleid mit ihm, obwohl er sie nur Sekunden zuvor hatte zerquetschen wollen. Sie kam auch nicht umhin, seinen Kampfeswillen zu bewundern. Obwohl Ganon unübersehbar grausame Schmerzen durchlitt, schaffte er es, Link mit einem gezielten Tritt gegen die Brust von sich zu schleudern. Der Herr der Zeiten flog einige Meter durch die Luft, bevor er auf den Boden aufschlug und sich mehrfach überschlug, bevor er schließlich vor Schmerzen stöhnend liegen blieb. Kleine Steinchen und Glassplitter rissen ihm Kleidung und Haut auf und ließen ihn aus unzähligen Wunden bluten. Außerdem schien sich die gebrochene Rippe durch den Tritt in Links Lunge gebohrt zu haben, was den jungen Mann bei jedem Atemzug das Gesicht zu einer Fratze der Pein verziehen ließ. Der Herr der Zeiten rappelte sich mühsam wieder auf und spuckte einen Mund voll Blut aus, bevor er seine Waffe fester packte und humpelnd wieder zum Angriff überging. Das Rasseln, das bei jedem Luftholen in seinem Brustkorb erklang, verriet ihm, dass sich seine Lunge langsam mit Blut füllte. Wenn er den Kampf nicht schnell beendete, würde er ersticken. An Land ertrunken an seinem eigenen Blut… Plötzlich wurde der Himmel von einem gleisenden Blitz erhellt und die ersten Regentropfen, die sich innerhalb von Sekunden zu einem Wolkenbruch auswuchsen, fielen herab. Offenbar hatte das Gewitter, das sich im Osten über dem Todesberg zusammengebraut hatte, inzwischen Hyrule-Stadt erreicht. Es dauerte keine Minute, bis Link bis auf die Knochen durchnässt war. Zu allem Überfluss machte der Regen den steinernen Boden rutschig und glitschig, was schnelle Ausweichmanöver zusätzlich zu den Verletzungsschmerzen noch erschwerte. Ganon kämpfte sich mühselig wieder auf die Füße und warf einen gequälten Blick auf seinen Schwanz, von dem nur noch eine blutige, breiige Masse übrig war, die lose von Sehnen und Knochen zusammengehalten wurde. Als hätte dieser Anblick auf einmal den Zorn der Bestie heraufbeschworen, rannte Ganon plötzlich los und ließ seine Schwerter auf Link niedersausen. Der Herr der Zeiten hatte kaum noch Zeit, den Goronenhammer hochzureißen, um den Schlag abzublocken. Bei dem Aufprall der Waffen ging eine Vibrationswelle durch Links Körper, die in jeder seiner Wunden ein schmerzhaftes Ziehen verursachte und ihn in die Knie zwang. Mit einem schaurigen Grinsen drehte Ganon seine Handgelenke ein wenig und klemmte den Kopf des Goronenhammers zwischen den Klingen seiner beiden Schwerter ein. Dann machte er eine ruckartige Bewegung und riss Link das Goronen-Relikt aus den Händen. Horror machte sich in dem Herrn der Zeiten und seiner Fee breit, als der Hammer in hohem Bogen über die Kante der Festungsinsel flog und mit einem unverwechselbaren Platschen in der Lava landete. Schnell ging Navi im Geiste die restlichen Ausrüstungsgegenstände ihres Schützlings durch, doch egal wie sie es drehte und wendete – Link schien keine Waffe mehr zu besitzen, mit der er Ganon etwas anhaben konnte. Er stand seinem Erzfeind nun vollkommen ohne Verteidigung gegenüber und war noch dazu bereits ziemlich angeschlagen… Erschwerend kam hinzu. dass Ganon durch die Verstümmelung seines Schwanzes in Rage geraten zu sein schien. Wie ein Berserker stürmte er hinter Link her, der zunehmend Schwierigkeiten mit dem Ausweichen hatte. Das Blut, das langsam seine Lunge füllte, machte jeden Atemzug mühsamer als den vorangegangenen und seine geschundenen Füße, schmerzten so sehr, dass er am liebsten gar nicht mehr aufgetreten wäre. Zelda beobachtete unterdessen das Geschehen mit krampfendem Herzen von der anderen Seite des Lavagrabens aus und versuchte verzweifelt, sich auf ihre Gebete zu konzentrieren, um alle in ihr schlummernden Kräfte für den entscheidenden Moment zu mobilisieren. Mehrere Minuten lang rannte Link trotz seiner Schmerzen von einem Ende der Festungsinsel zur anderen, immer in der Hoffnung, Ganon würde schneller ermüden als er. Der Schweinedämon schien jedoch noch lange nicht am Ende seiner Kräfte angelangt zu sein – ganz im Gegenteil! Wann immer ihm ein Trümmerhaufen oder die Überreste einer Wand im Weg waren, rannte er das Hindernis einfach um als bestünde es lediglich aus Pappmasche. Dem Herrn der Zeiten wurde ganz anders, als er sah wie die mächtigen Schwerter des Monsters durch Stein schnitten wie durch Butter. Er wollte sich lieber nicht vorstellen, was diese Klingen mit seinem Körper anstellen würden, sollte er es einmal nicht schaffen, ihnen auszuweichen… Navi sah mit wachsender Sorge zu, wie ihr Schützling Haken schlagend über das Gelände der einstigen Festung spurtete, aber zunehmend langsamer wurde. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Ganon ihn erwischen würde. Obwohl ihr die beinah-Begegnung mit dem eigenen Tod noch in den Knochen steckte, stürzte sich die Fee mutig gegen den Schaft des Pfeils, der dem Monstrum noch immer im Auge steckte. Ganon blieb sofort wie angewurzelt stehen und fauchte vor Zorn und Qual, während Navi zu Link herüberschoss und rief: „Such dir ein Versteck! Schnell!“ Dem Herrn der Zeiten war zwar bewusst, dass sein Gegner sehr schnell erschnüffeln würde, wo er war, aber er war trotzdem dankbar für die kurze Verschnaufpause. Mit einem Hechtsprung ging er hinter einem umgestürzten Pfeiler in Deckung, rollte sich ab und blieb auf dem Hintern sitzen. Tränen der Erleichterung stiegen ihm in die Augen, als er die Beine ausstreckte und seinen gepeinigten Füßen ein wenig Ruhe gönnte. Navi schwebte neben seinem Gesicht und versuchte sich an einer aufmunternden Miene, die ihr jedoch gründlich misslang. Ihre Sorge und ihre Angst waren ihr deutlich ins Antlitz geschrieben. Link legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und holte tief Luft, was ihn in trockenes Husten ausbrechen ließ. Navi musste sich auf die Unterlippe beißen, um nicht laut aufzuschluchzen, als ihr Schützling mit jedem Keuchen einige dicke, dunkelrote Blutstropfen aushustete. Noch schlimmer war es, seine raue, von einem asthmatischen Pfeifen begleitete Stimme zu hören: „Ich glaube, dieses Mal schaffe ich es wirklich nicht… Ich kann nur hoffen, dass ich dieses Monstrum mit mir in den Tod reiße!“ An einem Kloß in ihrer Kehle schluckend schüttelte Navi den Kopf und flüsterte: „Sag doch soetwas nicht.“ Link blinzelte sie unter halb geöffneten Lidern hinweg an und seine Fee erschrak, wie glasig seine Pupillen bereits wirkten. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, ihr Freund stand bereits mit einem Bein im Grab. Verzweifelt suchte die Fee nach Worten – nach irgendetwas, das sie sagen konnte, um ihm den Glauben an einen glorreichen Sieg zu geben – doch bevor ihr etwas einfallen wollte, tauchte Ganon mit erhobenen Schwertern hinter Links Versteck auf. „Vorsicht!“ Am liebsten hätte Navi Link zur Seite gestoßen, um ihn aus der Gefahrenzone zu bringen, aber sie wusste nur zu genau, dass er es vermutlich kaum gespürt hätte, selbst wenn sie sich mit vollem Gewicht gegen ihn geworfen hätte. Glücklicherweise funktionierten seine antrainierten Reflexe offenbar noch immer wunderbar: Der Herr der Zeiten warf sich augenblicklich zur Seite und rollte sich ab, bevor er wieder auf die Füße kam. Trotz der schnellen Reaktion rissen ihm umherfliegende, scharfkantige Steinsplitter die dünne Haut an Hals und Ohrmuscheln auf. Sobald seine zerschnittenen Fußsohlen wieder den Boden berührten, verzog der junge Krieger das Gesicht zu einem Ausdruck tiefster Qual. Bei diesem Anblick zerriss es Navi endgültig das Herz und sie warf sich erneut auf Ganon, um notfalls den Kampf selbst zu beenden! Doch der Schweinedämon erwies sich leider als lernfähig… Mit einer unwirschen Handbewegung wischte er Navi einfach beiseite wie eine lästige Schmeißfliege und knurrte: „Nicht schon wieder!“ Die Fee wurde mit voller Wucht getroffen und knallte nach wenigen Metern hart gegen einen Trümmerhaufen. Die obersten Geröllstücke lösten sich, stürzten zu Boden und begruben Navi unter sich. „Navi! NEIN!“ Link stand nur eine Schwertlänge von seinem Gegner entfernt, aber er nahm ihn gar nicht mehr wahr. Stattdessen starrte er mit weit aufgerissenen Augen auf die Trümmer, unter denen seine Fee begraben war. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie leichtsinnig es war, seinem Widersacher den Rücken zuzukehren, rannte Link zu dem Geröllhaufen herüber und begann, den Schutt beiseite zu schaffen. Zelda bemerkte unterdessen mit Schrecken, dass Ganon sich anschickte, die Unaufmerksamkeit des Herrn der Zeiten auszunutzen. Mit einem gehässigen Grinsen auf den Lippen baute sich die Schweinebestie hinter dem knienden Krieger auf und hob eines ihrer Schwerter, um Link aufzuspießen wie einen besonders seltenen Schmetterling. „Ach, zum Teufel mit Raurus Verbot!“ So schnell sie konnte, rappelte Zelda sich auf und konzentrierte sich auf einen besonders großen Pfeilerrest. Vor Anstrengung traten ihr feine Schweißperlen auf die Schläfen, aber das nahm sie nur am Rande wahr. Ihre Aufmerksamkeit galt allein Link, der noch immer nach Navi grub, und Ganon, der gerade Maß nahm, um dem Herrn der Zeiten das Herz zu durchstoßen. Genau in dem Moment, in dem der Dämon seine Waffe herabsausen ließ, riss Zelda ihre ausgestreckten Arme zur Seite. Der Pfeilerrest flog zur Seite und erfasste Ganon, der in der letzten Sekunde noch den Kopf zur Seite riss, an der Flanke. Die riesige Schweinebestie wurde von der Wucht des Aufpralls mehrere Meter zur Seite geschoben, bevor sie schließlich das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte. Link, der die Geschehnisse um ihn herum vor Sorge um Navi völlig ausgeblendet hatte, zuckte bei dem dumpfen Dröhnen erschrocken zusammen und wirbelte herum. Als er erkannte, wie knapp er dem Tod entkommen war, richtete er sich schweren Herzens auf und wandte sich von dem Trümmerhaufen ab. „Du hast hier einen Kampf zu bestreiten – konzentrier dich!“, rief er sich selbst ins Gedächtnis, obwohl jede Faser seines Körpers darauf drängte, weiter nach Navi zu suchen. „Sie würde dich auch nicht im Stich lassen!“, rief eine entrüstete Stimme in seinem Inneren. „Du kannst ihr sowieso nicht mehr helfen“, hielt der Pessimist in ihm dagegen, was den Realisten dazu veranlasste bestärkend anzufügen: „Also entehre ihr Opfer nicht, indem du dein Leben achtlos wegwirfst.“ Der Herr der Zeiten schüttelte leicht den Kopf, um die körperlosen Stimmen aus seinem Geist zu vertreiben. Er konnte sich jetzt kein Zwiegespräch mit sich selbst erlauben. Er musste zu allererst Ganon irgendwie ausschalten – dann hätte er vielleicht immer noch Zeit, Navi zur Hilfe zu eilen. Unterdessen wurde der Regen noch stärker und ein Blitz jagte den nächsten über den pechschwarzen Himmel. Der Regenvorhang wurde dermaßen dicht, dass alles, das weiter als anderthalb oder zwei Meter entfernt war, dahinter verschwand. Wasser lief gurgelnd und Blasen werfend in kleinen Bächlein auf die Ränder der Festungsinsel zu und spülten kleine Steine und Glasscherben davon. Ganon hievte sich schwerfällig wieder auf die Beine. Offenbar hatte sich bei seinem Sturz eine lange Metallstange in seinen Oberarm gebohrt und bereitete ihm nun Schmerzen. Link vermutete, der golden schimmernde Metallstab habe früher als Vorhangstange gedient. Ein lautes Donnergrollen ließ die ganze Gegend erbeben und schluckte beinah Zeldas herübergerufene Worte: … erlischt!“ „WAS?“ Link versuchte, gegen den aufkommenden Wind anzubrüllen, ohne seinen Blick von Ganon zu nehmen, der sich die Stange aus dem Arm zog und damit nach Link warf. Die Prinzessin schrie aus Leibeskräften, aber egal, wie sehr sie sich auch bemühte, bei Link kamen nur Bruchstücke dessen an, was sie ihm zurief: „… Feuer… -schwert hol–…“ Der Krieger schüttelte irritiert den Kopf. Was immer Zelda ihm auch sagen wollte, er hatte keine Zeit, es zu enträtseln. Ganon stürmte bereits wieder auf ihn zu wie ein wildgewordener Stier. Der Herr der Zeiten rannte so schnell er mit seiner protestierenden Lunge und seinen kaputten Füßen auf dem rutschigen Untergrund konnte davon und stolperte gleich mehrfach über Trümmerstücke, die er wegen des dichten Regens nicht gesehen hatte. Während er stumm über den Regen fluchte, kam ihm dadurch jedoch eine Idee: Vielleicht konnte er Ganon ja dazu bringen, über die Kante der Festungsinsel in die Lava zu stürzen, wenn er ihn nah genug an den Rand lotste! Ohne eine weitere Sekunde zu verschwenden, rannte der junge Mann auf den Lavagraben zu – und stieß beinah mit Zelda zusammen, die offenbar auf dem Weg ins Zentrum der ehemaligen Festung war. „Was machst du denn hier?!“ Link starrte die Prinzessin an als hätte er einen Geist gesehen. Diese deutete auf den Rand der Festungsinsel und rief über den immer stärker werdenden Sturm hinweg: „Der Regen hat das Feuer gelöscht. Such das Master-Schwert. Ich kümmere mich um Navi!“ Vor Dankbarkeit, dass sie sich für seine Fee in die Gefahrenzone begab, wäre Link ihr am liebsten um den Hals gefallen. Stattdessen nickte er jedoch nur und rannte an der Kante der Insel entlang, um den Boden nach seiner heiligen Waffe abzusuchen. Zelda ging unterdessen vor dem Trümmerhaufen, unter dem Navi begraben war, in die Knie und schaufelte mit bloßen Händen Gesteinsbrocken zur Seite. Ganon hielt kurz darauf plötzlich in der Bewegung inne und schnüffelte, anstatt Link weiterhin zu verfolgen. Als er Zelda ganz in der Nähe witterte, huschte ein grimmiges Grinsen über sein Gesicht. Es spielte für ihn keine Rolle, ob er zuerst den Herrn der Zeiten oder die Weise der Harmonie tötete. Er wollte nur, dass beide starben. In welcher Reihenfolge war egal. In sich herein lachend brach er die Verfolgung Links ab und stapfte stattdessen auf die Prinzessin zu. Als Link das Master-Schwert endlich entdeckte, rutschte ihm das Herz in die Hose. Eines der Bächlein, die das Regenwasser von der Festungsinsel in den Lavagraben spülten, verlief direkt unter der heiligen Waffe und hatten sie bereits soweit über den Rand hinweg getragen, dass die kleinste Erschütterung ausreichen würde, um sie auf Nimmerwiedersehen in die Lava stürzen zu lassen. Zelda riss sich beim Graben die Finger auf, bis sie bluteten, aber das hielt sie nicht auf. Stattdessen grub sie mit Feuereifer weiter und weiter, bis sie Navi endlich freigelegt hatte. Ihr Feenglanz war erloschen, ein Flügel fast vollständig abgerissen und an ihrer Stirn prangte eine beeindruckend große Platzwunde. Zelda blieb bei diesem Anblick das Herz stehen, bis sie bemerkte, dass die Fee noch schwach atmete. Sofort streckte die Prinzessin ihre Hände nach Navi aus, um sie mit Hilfe eines Zaubers zu heilen. Unterdessen kam Ganon unaufhaltsam näher. Der Schweinedämon malte sich im Geist bereits aus wie er seine Schwerter in Zeldas Rücken rammte und das splitternde Geräusch ihres brechenden Rückgrats genoss. Ohne lange nachzudenken, hechtete Link mit einem Bauchplatscher nach vorn und griff nach dem Heft des Master-Schwerts. Durch die Vibrationen des Aufpralls kippte die heilige Waffe nach vorn und der Herr der Zeiten hielt gespannt die Luft an. Für den Bruchteil einer Sekunde schien das Schwert an der Inselkante festzuhängen, dann stürzte es in die Tiefe – doch genau in dem Moment schlossen sich Links Finger um das sich wohlig-vertraut anfühlende Heft. Er hatte endlich seine Waffe zurück! Obwohl er bei jedem Luftholen das Gefühl hatte durch einen feuchten Schwamm hindurch zu atmen und jede einzelne Faser seines Körpers schmerzte wie noch nie zuvor in seinem Leben, empfand er mit dem Master-Schwert in der Hand wieder ein wenig Zuversicht. Navis Lider flatterten und sie schlug langsam die Augen auf. „P-Prinzessin… Ha-Haben wir…?“ Zu sprechen fiel der Fee noch immer sehr schwer, doch sie spürte wie das Leben allmählich wieder in sie zurückkehrte. Zelda schüttelte den Kopf, wobei einige Strähnen ihres nassen Haares an ihrer Stirn kleben blieben. „Nein, Link kämpft noch immer.“ In diesem Moment erklang plötzlich Ganons schauriges Lachen im Rücken der Prinzessin: „Der Herr der Zeiten ist genauso verloren wie ihr!“ Zelda wirbelte erschrocken herum. Sie hatte gewusst, dass sie sich einem Risiko aussetzte, indem sie sich in die Kampfzone wagte, aber sie hätte niemals erwartete, dass Ganon von Link ablassen würde. Mit wild hämmerndem Herzen beobachteten Prinzessin und Fee wie der Schweinedämon seine Waffen hob, um mit nur einem Schlag Zeldas Körper in Zwei zu schlagen. Zelda murmelte einen Schutzzauber, war sich aber nicht sicher, ob sie ihn beenden konnte, bevor Ganon zuschlug. Doch plötzlich tauchte aus dem Regenvorhang eine blaugewandete Gestalt mit einem blitzenden Schwert in der Hand auf. Als Link erkannte, dass Ganon drauf und dran war, Zelda und Navi zu töten, handelte er ohne nachzudenken. Todesmutig sprang er dem Schweinedämon von hinten auf den Rücken und kletterte an ihm bis zu den Schultern hinauf. Der Regen hatte die Schuppen des Ungetüms glitschig gemacht und dass Ganon versuchte, ihn irgendwie abzuschütteln, machte die Kletterpartie nicht gerade einfacher. Zelda und Navi beobachteten mit angehaltenem Atem wie Link trotz Ganons Bemühungen, den Herrn der Zeiten loszuwerden, dessen Schulter erklomm und ihm das Master-Schwert tief in die Kehle stach. Das Monster schrie fürchterlich und rannte plötzlich wie von der Tarantel gestochen los. Zuerst konnte Link sich keinen Reim auf diese Reaktion machen, aber als er die immer näher kommende Wand bemerkte, wurde ihm schlagartig klar, was Ganon vorhatte: Er wollte Link zwischen seinem Körper und der Wand zerquetschen. Dem Herrn der Zeiten blieb nichts anderes übrig als sich zu Boden fallen zu lassen. Das laute Knacken und der darauffolgende, stechende Schmerz verrieten dem jungen Krieger überdeutlich, dass er sich beim Aufprall den Knöchel gebrochen hatte. Hinter sich hörte er Zelda irgendetwas murmeln, aber der Sturm um ihn herum war zu laut, um auch nur ein Wort zu verstehen. Ganon wirbelte zu ihm herum und schlug mit seinen Schwertern auf den Herrn der Zeiten ein. Dieser konnte sich nur mit seinem Hylia-Schild verteidigen, der unter Ganons Hieben zunehmend verbeulte. Jegliche Zuversicht, die Link beim Wiedererhalt des Master-Schwerts verspürt hatte, löste sich schlagartig wieder auf. Mit dem verletzten Knöchel würde er Ganons Attacken nicht ausweichen können und sobald der Hylia-Schild zerstört wäre, wäre es auch um ihn geschehen… Unterdessen sprach Zelda mit Hilfe ihrer telepathischen Fähigkeiten zu den Weisen: „Ich bitte euch, ihr Weisen, leiht Link eure Kraft! Ich weiß, ihr glaubt, wir brauchen all unsere Macht, um ein Siegel zu erschaffen, dass Ganon auf ewig bannen kann – aber wenn wir dem Herrn der Zeiten jetzt nicht beistehen, werden wir niemals die Gelegenheit bekommen, irgendein Siegel zu schaffen, weil es dann keinen Sieg über Ganon geben wird!“ Ohne eine Antwort abzuwarten, legte die Prinzessin ihre Hände so aneinander, dass zwischen ihren Daumen und Zeigefingern ein Dreieck entstand und konzentrierte sich auf all die Energie in ihrem Inneren. Nur Sekunden später schoss plötzlich ein blendend helles, goldenes Licht aus ihren Händen hervor, das auf Ganons Rücken traf, ihn durchschlug und die gesamte Bestie einhüllte. Link stolperte bei diesem Anblick erschrocken zurück und ließ beinah sein Schwert fallen, als dieses zuerst in den Farben der Weisen und dann golden aufleuchtete. Wegen des Sturms wandte sich Zelda, die vor Anstrengung in die Knie ging, telepathisch an Link: „Schnell, versetz ihm den Gnadenstoß!“ Sogleich ließ der Herr der Zeiten seinen demolierten Schild fallen und humpelte auf den am Boden kauernden Ganon zu. Offenbar lähmte Zeldas Lichtmagie ihn und machte ihn so gut wie bewegungsunfähig. Link nahm Maß, hob das Master-Schwert über den Kopf und trieb dem Schweinedämon die heilige Klinge tief ins Hirn. Im ersten Moment war der junge Mann lediglich verblüfft darüber, dass er einen stechenden Schmerz im Brustkorb verspürte, als er Ganon das Master-Schwert in den Schädel rammte. Dann hörte er Navi und Zelda aufschreien und sah an sich herab. In seiner Brust steckte die Spitze von Ganons Schwert und trotz des durchnässten Stoffes war der dunkelrote Fleck, der sich rundherum auf Links Tunika ausbreitete, gut zu erkennen. Offenbar war der Dämon doch nicht vollständig gelähmt gewesen… Link sah noch wie sich unter Ganons Körper ein weiß schimmerndes Portal auftat, dann gaben seine Knie nach und er stürzte zu Boden, wo er liegen blieb wie weggeworfene Flickenpuppe. Während die restlichen sechs Weisen Ganon zurück in das Schattenreich schickten, aus dem er einst nach Hyrule gekommen war, stürzten Navi und Zelda zu Link herüber. Der Herr der Zeiten lag auf dem Rücken und obwohl seine Augen geöffnet waren, sah er nicht wie sich die beiden Frauen weinend über ihn beugten. Auf seinen Lippen lag ein seltsam entrückt wirkendes Lächeln, das nicht recht zu seinen Verletzungen und vor allem dem klaffenden Loch in seiner Brust passen wollte. Navi war jedoch sofort klar, was ihren ehemaligen Schützling lächeln ließ: Seine Aufgabe war erfüllt, seine letzte Schlacht geschlagen… Epilog: -------- „Nein! Du stirbst nicht!“ Zelda schüttelte Link an den Schultern und versuchte irgendwie, den Herrn der Zeiten wieder zu Bewusstsein zu bringen. Dicke Wasserströme rannen der Prinzessin über die Wangen, aber sie wusste selbst nicht, ob es sich dabei um Regen, Tränen oder beides handelte. Link gab ein leises Röcheln von sich, reagierte aber ansonsten nicht auf Zeldas Bemühungen, ihn am Leben zu halten. Das Blut, das aus seinen unzähligen Wunden sickerte, wurde sofort vom Regen fortgewaschen, sodass sich ein blassrotes Rinnsal von der Mitte der Festungsinsel bis zum Lavagraben gebildet hatte. Zeldas Herz krampfte schmerzhaft, wann immer sie daran dachte, wie viel Blut Link bereits verloren haben musste. Seine ansonsten so rosige Gesichtsfarbe war inzwischen zu einem wächsern wirkenden Aschgrau geworden und seine offenstehenden, aber dennoch blinden Augen waren von einem trüben Schleier verhangen. Wäre da nicht das schwache Heben und Senken seines Brustkorbs gewesen, Zelda hätte geglaubt, Link sei bereits tot. Sie musste etwas tun. Irgendetwas! „Warum heilst du ihn nicht mit einem Zauber, so wie bei mir vorhin?“ Navis Stimme war ein leises Flüstern, das fast im Heulen des Windes und dem Prasseln des Regens unterging. Sie starrte mit ungläubigen, kreisrunden Augen auf den Körper ihres Freundes und schien vollkommen paralysiert zu sein. Gedanken tröpfelten nur zäh in ihren tauben Geist, so als müssten sie sich erst durch ein zu engmaschiges Sieb drücken, und ihr Körper fühlte sich an wie der einer Fremden, als wäre sie gar nicht richtig mit ihm verbunden. Link konnte nicht sterben. Nicht hier. Nicht jetzt. Navi hatte schon oft um das Leben ihres Schützlings gebangt, aber ihr war niemals klar gewesen, dass sie nie wirklich daran geglaubt hatte, er könnte tatsächlich sterben. Bis jetzt… Zelda warf ihr einen unendlich traurigen Blick zu und schüttelte zaghaft mit dem Kopf. „Das habe ich schon versucht. Aber ich kriege leider keinen Zauber mehr zustande – egal, wie sehr ich mich auch konzentriere. Ich fürchte, die Lichtmagie, mit der ich Ganon paralysiert habe, hat mich meine ganze Energie gekostet.“ Navi schien die Antwort der Prinzessin gar nicht wahrgenommen zu haben. Stattdessen starrte sie weiterhin vollkommen unbewegt auf Link, so als wäre sie zur Salzsäule erstarrt. Vor ihrem geistigen Auge sah sie verschiedene Situationen aus den vergangenen Jahren, sah sich ein weiteres Mal mit Link zu einer Einheit zusammenwachsen. Jedes einzelne Bild ließ einen weiteren Riss in ihrem Herzen entstehen, bis es schließlich zerbarst wie ein Glasbehälter, auf den zu viel Druck ausgeübt wurde. Sie dachte an das erste Mal, dass sie ihren Schützling gesehen hatte. Damals hatte er noch im Bett gelegen und sich von Albträumen geplagt hin und her geworfen. Er hatte so klein und zerbrechlich gewirkt, wie er in den durchgeschwitzten Laken um sich getreten hat, dass Navi direkt wieder umdrehen und dem Deku-Baum sagen wollte, dass er sich geirrt hatte. Dieser Junge konnte unmöglich der Auserwählte sein… Doch sie war geblieben und Link hatte sie ein aufs andere Mal überrascht, entweder indem er sich im Kampf als geschickter und einfallsreicher erwies als Navi es ihm zugetraut hatte oder indem er sein großes, mitfühlendes Herz offenbar hatte. Und er hatte sie zum Lachen gebracht… Oft hatte sie ein wenig genervt getan, wenn sie sich spielerisch beharkt hatten, aber in Wirklichkeit hatte sie diese Kabbeleien stets genossen. Sie hatten ihr – und auch Link – die Kraft gegeben, nicht zu verzweifeln, obwohl um sie herum die ganze Welt in Schatten versank. Navi wusste nicht, wann es passiert war – es musste wohl ein schleichender Prozess gewesen sein – doch irgendwann hatte sie sogar angefangen, in Link mehr als einen Freund zu sehen. Auch wenn sie unterschiedlichen Spezies angehörten, er war ihr Bruder. Sie konnte nicht schon wieder ihre Familie verlieren… Plötzlich explodierte etwas in Navi und sie schrie Zelda an: „Dann nimm meine, verdammt nochmal!“ Die Prinzessin biss sich auf die Unterlippe und schien hin und her gerissen zu sein. „Aber das könnte dich –“ „Töten?“, fiel die Fee ihr unwirsch ins Wort. „Und wenn schon! Ich werde nicht tatenlos hier herumstehen und dabei zusehen wie Link stirbt!“ Zelda strich sich das völlig durchnässte Haar aus dem Gesicht, dessen Züge furchtbar gequält wirkten. „Ich weiß, wie du dich fühlst, Navi. Ich will doch auch nicht, dass er stirbt, aber…“ Sie holte tief Luft und sah dann zum ersten Mal von Link zu Navi herüber. „Ich weiß nicht, ob deine Energie ausreichen wird. Womöglich bringe ich dich bei dem Versuch, Link zu retten um, ohne dass es irgendetwas an seinem Ende ändert.“ Navi betrachtete Links Gesicht, das ihr vertrauter war als ihr eigenes. Sein Pferdezopf hatte sich während des Kampfes ein wenig gelockert, sodass einige der kürzeren Strähnen wirr neben seinen Ohren hingen. Die blasse Haut war von oberflächlichen Schnitten übersät und die frischen Narben, die er sich in Ganondorfs Festung zugezogen hatte, traten unnatürlich deutlich hervor. Auf seinen Wangen lag der dunkle Schatten neusprießender Bartstoppeln und seine Lippen waren blutleer und rissig. Vor Navis geistigem Auge verheilten all die Wunden und Narben ihres Schützlings bis er wieder aussah als wäre er bei bester Gesundheit und ihr vergnügt und ein bisschen verschwörerisch zulächelte. Sie liebte dieses Lächeln, das so breit war, dass man seinen leicht schief stehenden rechten Eckzahn sehen konnte. Es spielte keine Rolle, was mit ihr geschah, so lange es den Hauch einer Hoffnung gab, dass es Link das Leben retten konnte. Er hatte zu viel gelitten, zu viel entbehrt, um so zu enden… „Du musst es trotzdem versuchen.“ Navi streckte Zelda die Hände entgegen, damit diese den nötigen Körperkontakt herstellen konnte, indem sie der Fee einen Finger reichte. Als Navi bemerkte, dass die Prinzessin zögerte, stellte sie klar: „Das ist keine Bitte! Nimm meine Energie!“ Zelda rang noch einen Moment mit sich, dann legte sie ihren Zeigefinger auf Navis ausgestreckte Hände. Die Fee umklammerte sofort ihren Finger als fürchte sie, Zelda könne einen Rückzieher machen. Mit einem Seufzen schloss die Prinzessin die Augen und stellte sich Navis Energie als einen Strom goldenen Lichtes vor, der den Körper der Fee bis in die letzten Winkel durchdrang. Dann ließ sie diesen Strom langsam über ihren Zeigefinger in ihren eigenen Körper und von dort in ihre linke Hand fließen, die mit gespreizten Fingern auf Links Brust lag. Navi atmete erleichtert auf, als sie das goldene Schimmern zwischen Zeldas Fingern bemerkte, das anzeigte, dass ein Heilzauber im Gange war. Bildete sie sich das bloß ein oder begann die klaffende Wunde in Links Brustkorb bereits, sich langsam zusammenzuziehen? Das Hochgefühl währte jedoch nicht lange, da Navi schon bald die Nebenwirkungen des Energieentzugs zu spüren bekam. Zuerst überkam sie leichter Schwindel, der immer stärker wurde, bis sie sich schließlich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und auf den Boden setzen musste. Dann wurde ihr furchtbar übel und in ihren Extremitäten breitete sich von den Fingern beziehungsweise Zehen ausgehend vollkommene Taubheit aus. Als nächstes wurde ihr Kopf zu schwer, um ihn aufrecht zu halten, sodass sie mit dem Kinn gegen die Brust stieß. Als Letztes wurden ihre Lider dermaßen bleiern, dass sie die Augen nicht mehr offenhalten konnte. Alles in allem fühlte es sich an als würde ihr Körper allmählich versteinern, während ihr Leben in den Leib eines anderen strömte. Sie konnte nur hoffen, dass ihr Opfer etwas brachte und Link eine zweite Chance bekommen würde. Doch plötzlich riss Zelda ihren Finger weg und unterbrach so den Energiefluss. Sofort kehrte das Leben in Navis eigenen Körper zurück, der darauf mit heftigem Kribbeln reagierte. Zuerst wollte Navi die Prinzessin deswegen anschnauzen, aber dann sah sie Zeldas Gesicht und schloss ihren Mund wieder, bevor auch nur eine Silbe ihre Lippen hatte verlassen können. Zeldas Lippen bebten und ihr ganzer Körper wurde von heftigen Schluchzern erschüttert. „Es… es tut mir leid, Navi, a-aber ich kann das nicht! Sieh doch nur! Ich hätte dich fast getötet, aber der Erfolg ist nur marginal!“ Sie machte eine unwirsche Handbewegung in Links Richtung, bevor sie sich sehr unadelig Rotz von der Nasenspitze wischte. Navi betrachtete die Wunde in Links Brust und musste widerwillig zugeben, dass Zelda Recht hatte. Zwar war an den Rändern der Ansatz neuer Haut zu erkennen, doch das Loch war noch immer viel zu groß, um damit leben zu können. Zudem war Links Atem noch flacher geworden, was sicher kein gutes Zeichen war. Plötzlich mischte sich unbändige Wut unter die gequälten Gesichtszüge der Prinzessin und sie legte den Kopf in den Nacken, bevor sie dem Himmel entgegenschrie: „So tut doch endlich was! Din! Farore! Nayru! Er ist euer Auserwählter! Er hat seine Kindheit, seine Jugend, seine Freunde und seine Unschuld geopfert, um euch zu Diensten zu sein und Hyrule zu beschützen – was, wenn ihr mich fragt, eigentlich eure Aufgabe gewesen wäre! Also lasst ihm verdammt nochmal wenigstens sein Leben!“ Für einen langen Moment passierte gar nichts, außer dass Zelda sich ein wenig erleichtert fühlte, weil sie ihrem Zorn Luft gemacht hatte. Dann verzog Navi die Lippen zu einem schiefen Grinsen und brüllte: „Genau! Rettet ihn gefälligst oder ich verspreche euch, Ganon wird nicht euer schlimmster Albtraum gewesen sein! Ich schwöre euch, ich bin furchterregender als ich aussehe!“ Trotz der dramatischen Situation musste Zelda bei dieser Drohung lachen. Vor Scham über diese Reaktion schlug sie sich die Hand vor den Mund, so als hoffte sie, sie könnte das Geräusch nachträglich noch einfangen und aufhalten. Dass Navi sie aus riesigen Augen wie gebannt anstarrte, verstärkte das schlechte Gewissen der Prinzessin noch. Doch dann riss die Fee den Arm hoch, deutete auf Zeldas Handrücken und rief: „Sieh doch!“ Irritiert streckte Zelda den Arm aus und begutachtete ihren linken Handrücken. Zu ihrer großen Überraschung leuchtete ihr Triforce-Mal wie von innen beleuchtet. Soetwas hatte sie erst einmal gesehen – bei Ganondorf, kurz bevor er sich in die gigantische Schweinebestie verwandelt hatte – und die Prinzessin konnte sich keinen Reim darauf machen, bis sie plötzlich spürte wie ihr Körper auf einmal wieder vor Energie strotzte. „Du scheinst sie überzeugt zu haben. Offenbar erzittern sogar Göttinnen vor deinem Zorn.“ Die Prinzessin bedachte Navi mit einem dankbaren Lächeln und legte all ihre neue Kraft in einen erneuten Heilzauber. Jetzt konnte sie Link retten, da war sie sich sicher! Ihm war als triebe er auf warmem Wasser dahin, während die Welt um ihn herum vollkommen leer war. Da war nichts. Absolut nichts. Kein Lachen, kein Weinen, kein Zeichen von Leben, kein Krieg. Nur erholsame, alles einnehmende Stille. Link war nicht bewusst gewesen, wie sehr er sich danach gesehnt hatte, endlich ausruhen zu können, bis er an diesen seltsamen Ort gelangt war. Ein Teil von ihm machte sich Sorgen um Navi und Zelda, aber dieser Part schien weit weg zu sein. Es war als hörte er seine eigene Stimme, aber durch dicke Stofflagen gedämpft, bis die Worte nicht mehr zu verstehen waren. Ganz selten drangen auch andere Stimmen durch die alles einnehmende Stille, aber Link hörte nicht hin. Er wollte lieber weiterhin auf dem Kuschelwasser dahintreiben und an nichts denken. Er fühlte sich frei. Geborgen. Doch dann zerriss plötzlich ein stechender Schmerz die friedvolle Szenerie und Link schreckte hoch, so als wäre gerade kurz vor dem Ertrinken gewesen. Als müsste er aus den Tiefen eines Sees oder Meeres zurückkehren, wurde sein Geist nach oben getragen, bis er schließlich die Oberfläche durchschlug und ins Leben zurückkehrte. Das Erste, das er wieder spürte war das Trommeln des Regens auf seinem Gesicht. Dann fühlte er das Gewicht winziger Füße auf seiner Brust und das Streichen einer zarten Hand an seiner Wange. Navi und Zelda… Obwohl er wusste, dass sie darauf warteten, dass er die Augen aufschlug, hielt er sie noch einen Moment geschlossen und versuchte, sich zu sortieren. Was war passiert? Er erinnerte sich an seinen Kampf gegen Ganon. Er war hoffnungslos unterlegen gewesen, aber mit vereinten Kräften hatten Zelda, Navi und er es trotzdem irgendwie geschafft, den Schweinedämon zu besiegen. Link entsann sich, dass er der Bestie das Master-Schwert in den Schädel gerammt hatte und dann… Leere. Das unscharfe Bild eines gewaltigen Schwertes, das aus seiner Brust ragte, tauchte vor den Augen des Helden auf. Aber konnte das sein? War er tatsächlich… gestorben? Vorsichtig hob er ein Augenlid, um herauszufinden, wo er war. Sogleich warf sich Navi gegen seinen Hals und schluchzte: „Du bist zurück! Du bist wirklich zurück!“ Nein, er konnte unmöglich tot sein! Vorsichtig setzte er sich auf, wobei er schützend eine Hand über Navi hielt, damit sie nicht herunterpurzelte. Seine Glieder fühlten sich ein wenig steif an und seine Brust kribbelte, aber ansonsten fühlte er sich erstaunlich gut. Verwirrt blickte er zu Zelda herüber, in der Hoffnung, sie würde ihm erklären, was passiert war. Doch als er in ihre rotgeweinten Augen sah, schluckte er die Fragen, die ihm bereits auf der Zunge lagen, wieder herunter. Stattdessen streckte er einen Arm nach ihr aus und zog sie sanft gegen seine Brust, was die Prinzessin nur zu gern geschehen ließ. So saßen die Drei eine ganze Weile und hielten sich an einander fest wie Schiffsbrüchige an einem Stück Treibgut. Um sie herum zog das Gewitter allmählich weiter und der tosende Sturm flaute zusehends ab. Auch der Regen hatte fast gänzlich aufgehört, als Link schließlich Zelda sanft von sich weg schob, um ihr ins Gesicht zu sehen. Eigentlich hatte er vorgehabt, sie nach den Geschehnissen nach dem Ende seines Kampfes gegen Ganon befragen, entschied sich dann aber doch anders. Wenn er genau darüber nachdachte, wollte er gar nicht wissen, wie nah er dem Tod wirklich gewesen war. Er war noch am Leben und das war alles, was zählte. Daher sagte er stattdessen: „Ich schätze, es wird langsam Zeit, diesen grausigen Ort zu verlassen. Lasst uns nach Kakariko gehen und uns mal so richtig ausschlafen. Außerdem habe ich einen Bärenhunger! Ich könnte ein ganzes Schwein verdrücken!“ Während Navi kicherte und nickte, zeigte Zelda erneut dieses gequälte Gesicht, das sie bereits vor dem Auftauchen von Ganon gezogen hatte. Link legte bei diesem Anblick die Stirn in Falten, doch bevor er nachfragen konnte, was ihre verdrossene Miene verursachte, entgegnete Zelda: „Wir sollten zuerst zur Zitadelle der Zeit gehen.“ „Wieso das denn?“ Navi war derart verblüfft, dass ihr nicht einmal auffiel wie schroff ihre Worte klangen. Link, der sich im Geiste dieselbe Frage gestellt hatte, legte den Kopf schief und sah Zelda neugierig von der Seite an. Diese atmete tief ein und stieß die Luft nach einem kurzen Moment mit geblähten Backen wieder aus, bevor sie antwortete: „Du musst das Master-Schwert wieder in den Zeitfels stoßen, um das Siegel gegen alles Böse zu erneuern. Bei dieser Gelegenheit werde ich dich in deine Kindheit zurückschicken.“ Dabei sprach sie derart schnell, dass die Worte nahtlos ineinander übergingen und die beiden anderen Probleme hatten, sie zu verstehen. Während Link die Prinzessin nur verständnislos anglotzte, begriff Navi sofort. Zelda wollte ihr persönliches Glück opfern, um Link die Chance auf ein anderes Leben – ein Leben ohne jahrelanges Kämpfen – zu ermöglichen! „Das hattest du von Anfang an vor, oder?“, hakte die Fee nach. „Deswegen hast du so trauernd aus der Wäsche geschaut, als wir uns vor Ganons Erscheinen über die Zukunft unterhalten haben.“ Zelda fummelte mit der rechten Hand nervös am Nagel ihres linken Daumens und nickte zaghaft, bevor sie einräumte: „Ja. Deswegen und weil Rauru mich kontaktiert hatte, um mir zu sagen, dass der Kampf noch nicht vorbei war.“ „Was?! Du hast das gewusst?!“, stieß der Herr der Zeiten ungläubig aus, während Navi zeitgleich rief: „Du hättest Link warnen müssen!“ „Ich…“ Zelda wollte sich rechtfertigen und erklären, dass sie in diesem Moment von der Neuigkeit vollkommen erschlagen und überfordert gewesen war, dass sie keinen klaren Gedanken hatte fassen können, dass sie es nicht hatte wahrhaben wollen und sich bis zum Schluss an die Möglichkeit geklammert hatte, Rauru würde sich irren. Doch alles, was über ihre Lippen kam, war nur ein leises „Ich weiß.“ Link rückte von ihr ab und stand auf, während Navi auf ihren Stammplatz auf seiner Schulter kletterte. Die Enttäuschung, die in ihren Blicken geschrieben stand, war fast mehr als Zelda aushalten konnte. Als hätte jemand die Zeit zurückgedreht, kehrte Link schlagartig zu dem unterkühlten Verhalten zurück, das er nach Offenbarung von Shieks wahrer Identität an den Tag gelegt hatte. In verletzend geschäftsmäßigem Ton fragte er: „Und warum willst du mich in meine Kindheit zurückschicken?“ Zelda rappelte sich ebenfalls auf und hoffte, er möge verstehen, dass sie nur sein Bestes wollte, als sie erklärte: „Du sollst die Möglichkeit bekommen, dein Leben noch einmal zu leben – so als hättest du mich nie getroffen. Ich hätte dich niemals in dies alles mit hereinziehen dürfen… Aber ich war damals zu jung und zu naiv und habe gedacht, ich könnte es mit Ganondorf aufnehmen. Doch er hat mich nach allen Regeln der Kunst ausgespielt und unsere Bemühungen, Hyrule zu retten, gegen uns verwandt. Wenn du damals nicht das Tor zum Heiligen Reich geöffnet hättest, hätte Ganondorf niemals das Triforce-Fragment der Kraft an sich reißen und zum Großmeister des Bösen werden können.“ Die Prinzessin schüttelte über ihr jüngeres Ich den Kopf und fuhr fort: „Ich werde dich an den Tag zurückschicken, an dem wir uns damals getroffen haben. Im Gegenzug bitte ich dich nur um eines: Lebe dein Leben so wie du es dir immer gewünscht hast!“ „Das ist lächerlich!“ Link verschränkte die Arme vor der Brust und machte ein verdrießliches Gesicht. „Ich bin der Herr der Zeiten. Es war mein Schicksal, in all dies hereingezogen zu werden. Ich bestreite nicht, dass wir Fehler gemacht haben, aber spiel dich nicht so auf und tu als hätte das Glück Hyrules allein in deinen Händen gelegen. Dein Vater hätte genauso gut erkennen können, welche Gefahr Ganondorf darstellte, anstatt ihn mit offenen Armen zu empfangen.“ Navi nickte zustimmend, guckte dabei aber recht nachdenklich aus der Wäsche. „Link hat Recht. Es war nicht allein deine Schuld.“ Auch ihre Stimme klang als wäre die Fee mit den Gedanken weit weg. Dann fügte sie nach einer Weile, in der eisiges Schweigen zwischen den Dreien geherrscht hatte, vorsichtig an: „Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob du nicht etwas übersiehst.“ Die Fee wollte ihre Bedenken erläutern, aber Zelda warf zornig die Arme in die Luft und rief: „Oh, bei den Göttinnen! Schön! Dann tu ich Link vielleicht keinen Gefallen, wenn ich ihn zurückschicke! Aber er könnte Hyrule etwas Gutes tun und ihm sieben Jahre Leid unter Ganondorfs Herrschaft ersparen, indem er die Vergangenheit ändert!“ Ohne eine Antwort abzuwarten, stapfte Zelda in Richtung Hyrule-Stadt davon. Alles in ihr schien ein einziger Schmerz zu sein. Sie würde Link furchtbar vermissen, aber es war das einzig Richtige, ihn zurückzuschicken. Wieso nur konnte er es ihr nicht ein wenig leichter machen, indem er sich über diese Möglichkeit freute? Stattdessen musste er garstig und abweisend sein und ihr den Abschied damit noch schwerer machen, weil auf diese Weise für immer ein fader Nachgeschmack bleiben würde, wenn sie an Link dachte... Während sie den sanften Hügel, der zur Stadt hinabführte, erklomm, musste sie wieder an die enttäuschten Gesichter von zuvor denken. Seufzend gestand sich die junge Frau ein, dass sie vermutlich so ziemlich alles falsch gemacht hatte, zumindest was Link betraf. Sie war nie auf die Idee gekommen, dass er sich hintergangen fühlen könnte, wenn sie ihm in Gestalt eines Shiekah-Mannes half. Zu allem Überfluss hatte sie ihn nun schon wieder verletzt, weil sie zu feige gewesen war, um der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, und ihn nicht vor Ganons Auftauchen gewarnt hatte. Und jemand wie sie war die Auserwählte des Triforce-Fragments der Weisheit… Die Göttinnen hatten wahrlich einen kranken Sinn für Humor! Link und Navi sahen ihr eine Weile unbewegt hinterher und beobachteten wie sie den gewundenen Pfad entlang marschierte, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Zelda hatte bereits den Hügel erklommen, als Navi schließlich fragte: „Wimmelt es in der Stadt nicht immer noch vor Zombies?“ „Vermutlich.“ Link nickte. „Sollten wir ihr dann nicht hinterherlaufen und aufpassen, dass ihr nichts passiert?“ „Wahrscheinlich schon. Wobei… Eigentlich kann sie doch ganz gut auf sich selbst aufpassen.“ „Link!“ Navis Stimme nahm einen drohenden Unterton an, der ihren Freund aufseufzen ließ. „Ja, ja. Ist ja gut.“ Dann setzte er Zelda in lockerem Laufschritt nach, blieb jedoch ein paar Meter hinter ihr. Navi lehnte sich gegen seinen Hals und fiel nach nur wenigen Schritten in tiefen Schlaf. Die Ereignisse der letzten Stunden hatten die Feenfrau vollkommen ausgelaugt, psychisch wie physisch. Bis sie den Zeitfels im hinteren Teil der Zitadelle der Zeit erreichten, sprach keiner ein weiteres Wort. Zur großen Überraschung von Prinzessin und Held war ihnen auf dem Weg zu dem alten Tempel kein einziger Zombie begegnet. Doch ob dies bedeutete, dass die lebenden Leichen sich nach Ganons Tod zurückgezogen hatten oder nur in einem anderen Stadtteil umherschlurften, vermochte keiner zu sagen. Zelda blieb neben dem Zeitfels stehen und streckte die Hand aus. „Die Okarina der Zeit, bitte. Ich werde sie brauchen, um das Siegel zu vervollständigen.“ Link holte das mystische Musikinstrument aus seinem Wunderbeutel und betrachtete es nachdenklich. Es hatte ihm im Verlauf seiner Reise viele gute Dienste geleistet und irgendwie fühlte es sich an als würde er einen Freund verabschieden. Doch die Okarina war von Anfang an nur geliehen gewesen, das wusste er. Sie gehörte der königlichen Familie und er hatte keinerlei Anrecht darauf. Trotzdem zögerte er ein wenig, bevor er die Flöte Zelda überreichte. Die Hand noch immer auf der Okarina, fragte Link: „Und was, wenn ich gar nicht in meine Kindheit zurückgeschickt werden möchte? Vielleicht würde ich ja gerne hier, im Jetzt, bleiben.“ Er sah Zelda fest an und lief von den Ohren ausgehend rot an. Gerne hätte er der Prinzessin gesagt, dass er auf einen Neuanfang mit ihr hoffte, aber seine Zunge klebte plötzlich an seinem Gaumen und ließ sich nicht mehr bewegen. Der junge Mann wusste nicht so recht, ob er zu schüchtern war, seinen Wunsch auszusprechen, oder ob Zelda ihn durch ihre bisherigen Handlungen derart tief verletzt hatte, dass sein Unterbewusstsein nun versuchte, ihn durch das erzwungene Schweigen zu schützen. Wahrscheinlich ein bisschen von beidem, dachte Link, als Zelda ihm die Okarina und damit auch ihre Hand entzog. Die Prinzessin sah ihn aus großen Augen schweigend an, was Link fälschlicherweise als Zeichen der Ablehnung wertete. In Wahrheit war sie jedoch von Links Wunsch vollkommen überrumpelt. Sie hatte immer gehofft, dass er an ihrer Seite bleiben wollen würde. Aber sie hatte sich nie getraut, tatsächlich daran zu glauben. Auch jetzt fragte sie sich, ob sie Link wirklich richtig verstanden hatte oder ob sie seine Worte auf Grundlage ihrer eigenen Wünsche fehlinterpretierte. Nach einem langen Moment, in dem Zelda mit ihren widersprüchlichen Gefühlen und Gedanken gekämpft und noch immer kein Wort gesagt hatte, winkte Link unwirsch ab und sagte: „Ach, vergiss es. Schick mich einfach zurück.“ In seiner Brust machte sich ein ziehender Schmerz breit wie er ihn noch nie gespürt hatte. Es war als würde sich von seinem Herzen ausgehend eine Blase ausbreiten, die alle Luft aus seinen Lungen drückte und sein Blut am Zirkulieren hinderte. Auf Zeldas Gesicht machte sich tiefe Enttäuschung breit, aber sie wandte sich derart schnell ab, dass Link dies nicht bemerkte. In erzwungen ruhigem Ton fragte sie: „Was ist mit Navi? Will sie hier bleiben oder auch zurückgeschickt werden?“ Link stupste die auf seiner Schulter leise schnarchende Fee sanft an und riss sie damit aus dem Schlaf. Benommen rieb sie sich über die Augen und murmelte: „Wasnlos?“ Während Zelda ihre Frage wiederholte, wurde Navi allmählich wieder richtig wach und registrierte die verschlossenen Mienen der beiden. Nachdenklich ließ die Fee ihren Blick zwischen Prinzessin und Held hin und her zucken und fragte sich, welchen Stein des Anstoßes sie verschlafen haben mochte. Als sie hörte, dass Link sich entschieden hatte, in die Vergangenheit zurückzukehren, entschied Navi jedoch, dass, was immer die beiden schon wieder entzweit hatte, unwichtig war. Schon bald würden sie in verschiedenen Welten leben und ihr Zwist wäre hinfällig. Nachdem Zelda geendet hatte, sah sie Navi nachdenklich an. Diese antwortete ohne das geringste Zögern: „Ich werde Link begleiten – was für eine Frage!“ Sie lächelte ihren Freund breit an, der ihr Grinsen etwas gequält erwiderte. Die Prinzessin nickte und bedeutete Link mit einer Handbewegung, er solle sich vor den Zeitfels stellen. „Stoß einfach das Master-Schwert in den dafür vorgesehenen Schlitz, so wie du es immer getan hast, wenn du in der Zeit zurückreisen wolltest. Den Rest erledige ich.“ Ohne einen weiteren Blick auf Zelda brachte Link sich in Position. Als er das Schwert über den Kopf hob, setzte Zelda die Okarina an ihre Lippen und begann die Hymne der Zeit zu flöten. Sofort schoss ein blauweißes Licht aus dem Zeitfels hervor und Link stieß das Master-Schwert auf ihn hinab. Sogleich zog sich sein Körper in bereits bekannter Manier von Knacken und Knirschen begleitet zusammen. Durch das blendende Licht, das ihn einhüllte, sah er nicht wie dicke Tränen über Zeldas Wangen liefen und ihre Hände so stark zitterten, dass sie ihr Musikinstrument kaum halten konnte. Wenige Herzschläge später zog sich das Licht wieder zurück und Link ließ das Heft des Master-Schwerts los, bevor er die Hände vor sich ausstreckte und sie nachdenklich betrachtete. Er war tatsächlich wieder zurück in seinem Kinderkörper… Er war weniger von der Tatsache überrascht, dass er wieder ein Kind war – dies hatte er bereits früher erlebt – als viel mehr von dem Gefühl der Endgültigkeit, das sich in ihm breit machte. Er konnte zwar nicht sagen, warum, aber er war sich sicher, dass er das Master-Schwert nicht mehr aus dem Zeitfels ziehen konnte. Auch Navi war zurück in ihrem kindlichen Körper und schien sich darin noch nicht wieder gänzlich wohl zu fühlen. Doch bevor Link sie fragen konnte, ob sie sich auch irgendwie fehl am Platz fühlte, deutete das Feenmädchen auf das Zeitportal und rief: „Schnell, Link! Raus hier! Das Tor schließt sich!“ Erschrocken wirbelte der Junge herum und tatsächlich! Das massive, doppeltürige Tor schob sich langsam zusammen. Wenn sie sich nicht beeilten, würden sie in der Schwert-Kammer eingeschlossen und jämmerlich an Hunger oder Durst verenden. So schnell sie konnten rannten die beiden Abenteurer auf den vorderen Teil der Zitadelle zu und schafften es gerade noch, sich durch das Tor zu zwängen, bevor es sich endgültig schloss. Link stieß einen langgezogenen Seufzer aus und ließ sich auf die Stufen vor dem Zeitportal fallen. „Und jetzt?“ Navi zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich nehme an, das liegt ganz bei dir.“ Als sie die bedrückte Miene ihres Schützlings bemerkte, hakte sie zaghaft nach: „Freust du dich denn gar nicht über diese zweite Chance? Jetzt hast du die Möglichkeit, die sieben Jahre, die dir geraubt wurden, nachzuholen.“ Link rieb sich über die Schläfe als habe er Kopfschmerzen und antwortete ehrlich: „Keine Ahnung. Frag mich das in sieben Jahren nochmal. Vielleicht werden sie die beste Zeit meines Lebens, aber vielleicht werde ich mir stattdessen hinterher wünschen, man hätte sie mich verschlafen lassen. Wer weiß das schon?“ Für eine Weile schwiegen die Beiden, dann fragte Link: „Du meintest vorhin… also… in der Zukunft… dass Zelda bei ihrem Plan womöglich etwas übersehen habe. Was meintest du damit?“ „Naja, sie wollte uns an den Tag zurückschicken, an dem ihr euch das erste Mal getroffen habt, stimmt’s?“ „Ja.“ Link nickte und deutete auf den Altar vor ihm, auf dem keiner der Heiligen Steine zu sehen war. „Offenbar hat sie auch genau das getan.“ Goronen-Opal und Zora-Saphir mussten sich zu diesem Zeitpunk noch im Besitz von Darunia und Ruto befinden. Lediglich bei dem Kokiri-Smaragd war Link sich nicht sicher, wo sich dieser befand. Ob er auf magische Weise in seinen Wunderbeutel zurückgekehrt war? Während Link die Hand in seinen Lederbeutel steckte, um seine Vermutung zu überprüfen, fuhr Navi fort: „Zu diesem Zeitpunkt hat Ganondorf bereits Dodongos-Höhle versperrt und er wird schon bald Lord Jabu-Jabu verfluchen.“ Erkenntnis erhellte Links Gesicht und er rief erregt: „Die Goronen leiden also Hunger, wenn wir nichts unternehmen, und Ruto wird von Jabu-Jabu verschluckt werden!“ Navi nickte und zog ein trauriges Gesicht. „Genau. Ich bin mir sicher, dass Zelda dir ein Leben ohne Kämpfe ermöglichen wollte, aber ganz ist ihr das nicht gelungen, fürchte ich.“ Link zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne. Dann stahl sich plötzlich ein Grinsen auf sein Gesicht, das Navi ein Stein vom Herzen fallen ließ. Sie hatte schon befürchtet, er habe sein Lachen schlussendlich doch noch verloren. „Ich weiß, wie wir’s machen!“ Link sah Navi mit einem Funkeln in den Augen an, das sie lange nicht mehr bei ihm gesehen hatte. „Ich werde den Goronen und Zora erneut helfen. Immerhin weiß ich dieses Mal, was auf mich zukommen wird, und ich habe inzwischen viel Härteres hinter mir – da werden diese Kämpfe ein Klacks! Du fliegst am besten schon mal zu den Zora vor und warnst sie, damit Ruto sich von Jabu-Jabu fern hält. Ich komme nach, sobald ich King Dodongo besiegt habe. Und dann gehen wir beide fort und nehmen den Kokiri-Smaragd mit. Auf diese Weise muss niemand leiden und Ganondorf kommt niemals ins Heilige Reich!“ Navi nickte begeistert. „Das ist ein super Plan! Aber, wohin gehen wir dann?“ Link grinste noch eine Spur breiter. „Irgendwohin. Wo immer es uns gefällt!“ Dann mischte sich eine andere Form der Aufregung unter seine plötzlich neu aufgeflammte Abenteuerlust: „Zuerst werde ich aber Zelda aufsuchen und ihr unseren Plan erklären. Es ist wichtig, dass sie erfährt, wie gefährlich Ganondorf wirklich ist.“ Navi nickte nachdenklich. „Du wirst dich aber von ihr nicht dazu hinreißen lassen, unseren Plan umzustürzen und doch den Zugang zum Heiligen Reich zu öffnen?“ Der Fee bereitete es noch immer leichtes Bauchgrimmen, dass sie nicht wusste, was in der Zukunft zwischen Link und Zelda vorgefallen war, bevor die Prinzessin sie zurückgeschickt hatte. Link lachte. „Nein, ganz sicher nicht! Der Herr der Zeiten hat seine Pflicht erfüllt. Auf uns warten andere Abenteuer!“ Mit diesen Worten trennten sich die beiden Abenteurer und zogen ihrer eigenen Wege, einer ungewissen Zukunft entgegen. Würde es ihnen tatsächlich gelingen, das Schicksal Hyrules zu ändern? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)