Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Epilog: -------- „Nein! Du stirbst nicht!“ Zelda schüttelte Link an den Schultern und versuchte irgendwie, den Herrn der Zeiten wieder zu Bewusstsein zu bringen. Dicke Wasserströme rannen der Prinzessin über die Wangen, aber sie wusste selbst nicht, ob es sich dabei um Regen, Tränen oder beides handelte. Link gab ein leises Röcheln von sich, reagierte aber ansonsten nicht auf Zeldas Bemühungen, ihn am Leben zu halten. Das Blut, das aus seinen unzähligen Wunden sickerte, wurde sofort vom Regen fortgewaschen, sodass sich ein blassrotes Rinnsal von der Mitte der Festungsinsel bis zum Lavagraben gebildet hatte. Zeldas Herz krampfte schmerzhaft, wann immer sie daran dachte, wie viel Blut Link bereits verloren haben musste. Seine ansonsten so rosige Gesichtsfarbe war inzwischen zu einem wächsern wirkenden Aschgrau geworden und seine offenstehenden, aber dennoch blinden Augen waren von einem trüben Schleier verhangen. Wäre da nicht das schwache Heben und Senken seines Brustkorbs gewesen, Zelda hätte geglaubt, Link sei bereits tot. Sie musste etwas tun. Irgendetwas! „Warum heilst du ihn nicht mit einem Zauber, so wie bei mir vorhin?“ Navis Stimme war ein leises Flüstern, das fast im Heulen des Windes und dem Prasseln des Regens unterging. Sie starrte mit ungläubigen, kreisrunden Augen auf den Körper ihres Freundes und schien vollkommen paralysiert zu sein. Gedanken tröpfelten nur zäh in ihren tauben Geist, so als müssten sie sich erst durch ein zu engmaschiges Sieb drücken, und ihr Körper fühlte sich an wie der einer Fremden, als wäre sie gar nicht richtig mit ihm verbunden. Link konnte nicht sterben. Nicht hier. Nicht jetzt. Navi hatte schon oft um das Leben ihres Schützlings gebangt, aber ihr war niemals klar gewesen, dass sie nie wirklich daran geglaubt hatte, er könnte tatsächlich sterben. Bis jetzt… Zelda warf ihr einen unendlich traurigen Blick zu und schüttelte zaghaft mit dem Kopf. „Das habe ich schon versucht. Aber ich kriege leider keinen Zauber mehr zustande – egal, wie sehr ich mich auch konzentriere. Ich fürchte, die Lichtmagie, mit der ich Ganon paralysiert habe, hat mich meine ganze Energie gekostet.“ Navi schien die Antwort der Prinzessin gar nicht wahrgenommen zu haben. Stattdessen starrte sie weiterhin vollkommen unbewegt auf Link, so als wäre sie zur Salzsäule erstarrt. Vor ihrem geistigen Auge sah sie verschiedene Situationen aus den vergangenen Jahren, sah sich ein weiteres Mal mit Link zu einer Einheit zusammenwachsen. Jedes einzelne Bild ließ einen weiteren Riss in ihrem Herzen entstehen, bis es schließlich zerbarst wie ein Glasbehälter, auf den zu viel Druck ausgeübt wurde. Sie dachte an das erste Mal, dass sie ihren Schützling gesehen hatte. Damals hatte er noch im Bett gelegen und sich von Albträumen geplagt hin und her geworfen. Er hatte so klein und zerbrechlich gewirkt, wie er in den durchgeschwitzten Laken um sich getreten hat, dass Navi direkt wieder umdrehen und dem Deku-Baum sagen wollte, dass er sich geirrt hatte. Dieser Junge konnte unmöglich der Auserwählte sein… Doch sie war geblieben und Link hatte sie ein aufs andere Mal überrascht, entweder indem er sich im Kampf als geschickter und einfallsreicher erwies als Navi es ihm zugetraut hatte oder indem er sein großes, mitfühlendes Herz offenbar hatte. Und er hatte sie zum Lachen gebracht… Oft hatte sie ein wenig genervt getan, wenn sie sich spielerisch beharkt hatten, aber in Wirklichkeit hatte sie diese Kabbeleien stets genossen. Sie hatten ihr – und auch Link – die Kraft gegeben, nicht zu verzweifeln, obwohl um sie herum die ganze Welt in Schatten versank. Navi wusste nicht, wann es passiert war – es musste wohl ein schleichender Prozess gewesen sein – doch irgendwann hatte sie sogar angefangen, in Link mehr als einen Freund zu sehen. Auch wenn sie unterschiedlichen Spezies angehörten, er war ihr Bruder. Sie konnte nicht schon wieder ihre Familie verlieren… Plötzlich explodierte etwas in Navi und sie schrie Zelda an: „Dann nimm meine, verdammt nochmal!“ Die Prinzessin biss sich auf die Unterlippe und schien hin und her gerissen zu sein. „Aber das könnte dich –“ „Töten?“, fiel die Fee ihr unwirsch ins Wort. „Und wenn schon! Ich werde nicht tatenlos hier herumstehen und dabei zusehen wie Link stirbt!“ Zelda strich sich das völlig durchnässte Haar aus dem Gesicht, dessen Züge furchtbar gequält wirkten. „Ich weiß, wie du dich fühlst, Navi. Ich will doch auch nicht, dass er stirbt, aber…“ Sie holte tief Luft und sah dann zum ersten Mal von Link zu Navi herüber. „Ich weiß nicht, ob deine Energie ausreichen wird. Womöglich bringe ich dich bei dem Versuch, Link zu retten um, ohne dass es irgendetwas an seinem Ende ändert.“ Navi betrachtete Links Gesicht, das ihr vertrauter war als ihr eigenes. Sein Pferdezopf hatte sich während des Kampfes ein wenig gelockert, sodass einige der kürzeren Strähnen wirr neben seinen Ohren hingen. Die blasse Haut war von oberflächlichen Schnitten übersät und die frischen Narben, die er sich in Ganondorfs Festung zugezogen hatte, traten unnatürlich deutlich hervor. Auf seinen Wangen lag der dunkle Schatten neusprießender Bartstoppeln und seine Lippen waren blutleer und rissig. Vor Navis geistigem Auge verheilten all die Wunden und Narben ihres Schützlings bis er wieder aussah als wäre er bei bester Gesundheit und ihr vergnügt und ein bisschen verschwörerisch zulächelte. Sie liebte dieses Lächeln, das so breit war, dass man seinen leicht schief stehenden rechten Eckzahn sehen konnte. Es spielte keine Rolle, was mit ihr geschah, so lange es den Hauch einer Hoffnung gab, dass es Link das Leben retten konnte. Er hatte zu viel gelitten, zu viel entbehrt, um so zu enden… „Du musst es trotzdem versuchen.“ Navi streckte Zelda die Hände entgegen, damit diese den nötigen Körperkontakt herstellen konnte, indem sie der Fee einen Finger reichte. Als Navi bemerkte, dass die Prinzessin zögerte, stellte sie klar: „Das ist keine Bitte! Nimm meine Energie!“ Zelda rang noch einen Moment mit sich, dann legte sie ihren Zeigefinger auf Navis ausgestreckte Hände. Die Fee umklammerte sofort ihren Finger als fürchte sie, Zelda könne einen Rückzieher machen. Mit einem Seufzen schloss die Prinzessin die Augen und stellte sich Navis Energie als einen Strom goldenen Lichtes vor, der den Körper der Fee bis in die letzten Winkel durchdrang. Dann ließ sie diesen Strom langsam über ihren Zeigefinger in ihren eigenen Körper und von dort in ihre linke Hand fließen, die mit gespreizten Fingern auf Links Brust lag. Navi atmete erleichtert auf, als sie das goldene Schimmern zwischen Zeldas Fingern bemerkte, das anzeigte, dass ein Heilzauber im Gange war. Bildete sie sich das bloß ein oder begann die klaffende Wunde in Links Brustkorb bereits, sich langsam zusammenzuziehen? Das Hochgefühl währte jedoch nicht lange, da Navi schon bald die Nebenwirkungen des Energieentzugs zu spüren bekam. Zuerst überkam sie leichter Schwindel, der immer stärker wurde, bis sie sich schließlich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und auf den Boden setzen musste. Dann wurde ihr furchtbar übel und in ihren Extremitäten breitete sich von den Fingern beziehungsweise Zehen ausgehend vollkommene Taubheit aus. Als nächstes wurde ihr Kopf zu schwer, um ihn aufrecht zu halten, sodass sie mit dem Kinn gegen die Brust stieß. Als Letztes wurden ihre Lider dermaßen bleiern, dass sie die Augen nicht mehr offenhalten konnte. Alles in allem fühlte es sich an als würde ihr Körper allmählich versteinern, während ihr Leben in den Leib eines anderen strömte. Sie konnte nur hoffen, dass ihr Opfer etwas brachte und Link eine zweite Chance bekommen würde. Doch plötzlich riss Zelda ihren Finger weg und unterbrach so den Energiefluss. Sofort kehrte das Leben in Navis eigenen Körper zurück, der darauf mit heftigem Kribbeln reagierte. Zuerst wollte Navi die Prinzessin deswegen anschnauzen, aber dann sah sie Zeldas Gesicht und schloss ihren Mund wieder, bevor auch nur eine Silbe ihre Lippen hatte verlassen können. Zeldas Lippen bebten und ihr ganzer Körper wurde von heftigen Schluchzern erschüttert. „Es… es tut mir leid, Navi, a-aber ich kann das nicht! Sieh doch nur! Ich hätte dich fast getötet, aber der Erfolg ist nur marginal!“ Sie machte eine unwirsche Handbewegung in Links Richtung, bevor sie sich sehr unadelig Rotz von der Nasenspitze wischte. Navi betrachtete die Wunde in Links Brust und musste widerwillig zugeben, dass Zelda Recht hatte. Zwar war an den Rändern der Ansatz neuer Haut zu erkennen, doch das Loch war noch immer viel zu groß, um damit leben zu können. Zudem war Links Atem noch flacher geworden, was sicher kein gutes Zeichen war. Plötzlich mischte sich unbändige Wut unter die gequälten Gesichtszüge der Prinzessin und sie legte den Kopf in den Nacken, bevor sie dem Himmel entgegenschrie: „So tut doch endlich was! Din! Farore! Nayru! Er ist euer Auserwählter! Er hat seine Kindheit, seine Jugend, seine Freunde und seine Unschuld geopfert, um euch zu Diensten zu sein und Hyrule zu beschützen – was, wenn ihr mich fragt, eigentlich eure Aufgabe gewesen wäre! Also lasst ihm verdammt nochmal wenigstens sein Leben!“ Für einen langen Moment passierte gar nichts, außer dass Zelda sich ein wenig erleichtert fühlte, weil sie ihrem Zorn Luft gemacht hatte. Dann verzog Navi die Lippen zu einem schiefen Grinsen und brüllte: „Genau! Rettet ihn gefälligst oder ich verspreche euch, Ganon wird nicht euer schlimmster Albtraum gewesen sein! Ich schwöre euch, ich bin furchterregender als ich aussehe!“ Trotz der dramatischen Situation musste Zelda bei dieser Drohung lachen. Vor Scham über diese Reaktion schlug sie sich die Hand vor den Mund, so als hoffte sie, sie könnte das Geräusch nachträglich noch einfangen und aufhalten. Dass Navi sie aus riesigen Augen wie gebannt anstarrte, verstärkte das schlechte Gewissen der Prinzessin noch. Doch dann riss die Fee den Arm hoch, deutete auf Zeldas Handrücken und rief: „Sieh doch!“ Irritiert streckte Zelda den Arm aus und begutachtete ihren linken Handrücken. Zu ihrer großen Überraschung leuchtete ihr Triforce-Mal wie von innen beleuchtet. Soetwas hatte sie erst einmal gesehen – bei Ganondorf, kurz bevor er sich in die gigantische Schweinebestie verwandelt hatte – und die Prinzessin konnte sich keinen Reim darauf machen, bis sie plötzlich spürte wie ihr Körper auf einmal wieder vor Energie strotzte. „Du scheinst sie überzeugt zu haben. Offenbar erzittern sogar Göttinnen vor deinem Zorn.“ Die Prinzessin bedachte Navi mit einem dankbaren Lächeln und legte all ihre neue Kraft in einen erneuten Heilzauber. Jetzt konnte sie Link retten, da war sie sich sicher! Ihm war als triebe er auf warmem Wasser dahin, während die Welt um ihn herum vollkommen leer war. Da war nichts. Absolut nichts. Kein Lachen, kein Weinen, kein Zeichen von Leben, kein Krieg. Nur erholsame, alles einnehmende Stille. Link war nicht bewusst gewesen, wie sehr er sich danach gesehnt hatte, endlich ausruhen zu können, bis er an diesen seltsamen Ort gelangt war. Ein Teil von ihm machte sich Sorgen um Navi und Zelda, aber dieser Part schien weit weg zu sein. Es war als hörte er seine eigene Stimme, aber durch dicke Stofflagen gedämpft, bis die Worte nicht mehr zu verstehen waren. Ganz selten drangen auch andere Stimmen durch die alles einnehmende Stille, aber Link hörte nicht hin. Er wollte lieber weiterhin auf dem Kuschelwasser dahintreiben und an nichts denken. Er fühlte sich frei. Geborgen. Doch dann zerriss plötzlich ein stechender Schmerz die friedvolle Szenerie und Link schreckte hoch, so als wäre gerade kurz vor dem Ertrinken gewesen. Als müsste er aus den Tiefen eines Sees oder Meeres zurückkehren, wurde sein Geist nach oben getragen, bis er schließlich die Oberfläche durchschlug und ins Leben zurückkehrte. Das Erste, das er wieder spürte war das Trommeln des Regens auf seinem Gesicht. Dann fühlte er das Gewicht winziger Füße auf seiner Brust und das Streichen einer zarten Hand an seiner Wange. Navi und Zelda… Obwohl er wusste, dass sie darauf warteten, dass er die Augen aufschlug, hielt er sie noch einen Moment geschlossen und versuchte, sich zu sortieren. Was war passiert? Er erinnerte sich an seinen Kampf gegen Ganon. Er war hoffnungslos unterlegen gewesen, aber mit vereinten Kräften hatten Zelda, Navi und er es trotzdem irgendwie geschafft, den Schweinedämon zu besiegen. Link entsann sich, dass er der Bestie das Master-Schwert in den Schädel gerammt hatte und dann… Leere. Das unscharfe Bild eines gewaltigen Schwertes, das aus seiner Brust ragte, tauchte vor den Augen des Helden auf. Aber konnte das sein? War er tatsächlich… gestorben? Vorsichtig hob er ein Augenlid, um herauszufinden, wo er war. Sogleich warf sich Navi gegen seinen Hals und schluchzte: „Du bist zurück! Du bist wirklich zurück!“ Nein, er konnte unmöglich tot sein! Vorsichtig setzte er sich auf, wobei er schützend eine Hand über Navi hielt, damit sie nicht herunterpurzelte. Seine Glieder fühlten sich ein wenig steif an und seine Brust kribbelte, aber ansonsten fühlte er sich erstaunlich gut. Verwirrt blickte er zu Zelda herüber, in der Hoffnung, sie würde ihm erklären, was passiert war. Doch als er in ihre rotgeweinten Augen sah, schluckte er die Fragen, die ihm bereits auf der Zunge lagen, wieder herunter. Stattdessen streckte er einen Arm nach ihr aus und zog sie sanft gegen seine Brust, was die Prinzessin nur zu gern geschehen ließ. So saßen die Drei eine ganze Weile und hielten sich an einander fest wie Schiffsbrüchige an einem Stück Treibgut. Um sie herum zog das Gewitter allmählich weiter und der tosende Sturm flaute zusehends ab. Auch der Regen hatte fast gänzlich aufgehört, als Link schließlich Zelda sanft von sich weg schob, um ihr ins Gesicht zu sehen. Eigentlich hatte er vorgehabt, sie nach den Geschehnissen nach dem Ende seines Kampfes gegen Ganon befragen, entschied sich dann aber doch anders. Wenn er genau darüber nachdachte, wollte er gar nicht wissen, wie nah er dem Tod wirklich gewesen war. Er war noch am Leben und das war alles, was zählte. Daher sagte er stattdessen: „Ich schätze, es wird langsam Zeit, diesen grausigen Ort zu verlassen. Lasst uns nach Kakariko gehen und uns mal so richtig ausschlafen. Außerdem habe ich einen Bärenhunger! Ich könnte ein ganzes Schwein verdrücken!“ Während Navi kicherte und nickte, zeigte Zelda erneut dieses gequälte Gesicht, das sie bereits vor dem Auftauchen von Ganon gezogen hatte. Link legte bei diesem Anblick die Stirn in Falten, doch bevor er nachfragen konnte, was ihre verdrossene Miene verursachte, entgegnete Zelda: „Wir sollten zuerst zur Zitadelle der Zeit gehen.“ „Wieso das denn?“ Navi war derart verblüfft, dass ihr nicht einmal auffiel wie schroff ihre Worte klangen. Link, der sich im Geiste dieselbe Frage gestellt hatte, legte den Kopf schief und sah Zelda neugierig von der Seite an. Diese atmete tief ein und stieß die Luft nach einem kurzen Moment mit geblähten Backen wieder aus, bevor sie antwortete: „Du musst das Master-Schwert wieder in den Zeitfels stoßen, um das Siegel gegen alles Böse zu erneuern. Bei dieser Gelegenheit werde ich dich in deine Kindheit zurückschicken.“ Dabei sprach sie derart schnell, dass die Worte nahtlos ineinander übergingen und die beiden anderen Probleme hatten, sie zu verstehen. Während Link die Prinzessin nur verständnislos anglotzte, begriff Navi sofort. Zelda wollte ihr persönliches Glück opfern, um Link die Chance auf ein anderes Leben – ein Leben ohne jahrelanges Kämpfen – zu ermöglichen! „Das hattest du von Anfang an vor, oder?“, hakte die Fee nach. „Deswegen hast du so trauernd aus der Wäsche geschaut, als wir uns vor Ganons Erscheinen über die Zukunft unterhalten haben.“ Zelda fummelte mit der rechten Hand nervös am Nagel ihres linken Daumens und nickte zaghaft, bevor sie einräumte: „Ja. Deswegen und weil Rauru mich kontaktiert hatte, um mir zu sagen, dass der Kampf noch nicht vorbei war.“ „Was?! Du hast das gewusst?!“, stieß der Herr der Zeiten ungläubig aus, während Navi zeitgleich rief: „Du hättest Link warnen müssen!“ „Ich…“ Zelda wollte sich rechtfertigen und erklären, dass sie in diesem Moment von der Neuigkeit vollkommen erschlagen und überfordert gewesen war, dass sie keinen klaren Gedanken hatte fassen können, dass sie es nicht hatte wahrhaben wollen und sich bis zum Schluss an die Möglichkeit geklammert hatte, Rauru würde sich irren. Doch alles, was über ihre Lippen kam, war nur ein leises „Ich weiß.“ Link rückte von ihr ab und stand auf, während Navi auf ihren Stammplatz auf seiner Schulter kletterte. Die Enttäuschung, die in ihren Blicken geschrieben stand, war fast mehr als Zelda aushalten konnte. Als hätte jemand die Zeit zurückgedreht, kehrte Link schlagartig zu dem unterkühlten Verhalten zurück, das er nach Offenbarung von Shieks wahrer Identität an den Tag gelegt hatte. In verletzend geschäftsmäßigem Ton fragte er: „Und warum willst du mich in meine Kindheit zurückschicken?“ Zelda rappelte sich ebenfalls auf und hoffte, er möge verstehen, dass sie nur sein Bestes wollte, als sie erklärte: „Du sollst die Möglichkeit bekommen, dein Leben noch einmal zu leben – so als hättest du mich nie getroffen. Ich hätte dich niemals in dies alles mit hereinziehen dürfen… Aber ich war damals zu jung und zu naiv und habe gedacht, ich könnte es mit Ganondorf aufnehmen. Doch er hat mich nach allen Regeln der Kunst ausgespielt und unsere Bemühungen, Hyrule zu retten, gegen uns verwandt. Wenn du damals nicht das Tor zum Heiligen Reich geöffnet hättest, hätte Ganondorf niemals das Triforce-Fragment der Kraft an sich reißen und zum Großmeister des Bösen werden können.“ Die Prinzessin schüttelte über ihr jüngeres Ich den Kopf und fuhr fort: „Ich werde dich an den Tag zurückschicken, an dem wir uns damals getroffen haben. Im Gegenzug bitte ich dich nur um eines: Lebe dein Leben so wie du es dir immer gewünscht hast!“ „Das ist lächerlich!“ Link verschränkte die Arme vor der Brust und machte ein verdrießliches Gesicht. „Ich bin der Herr der Zeiten. Es war mein Schicksal, in all dies hereingezogen zu werden. Ich bestreite nicht, dass wir Fehler gemacht haben, aber spiel dich nicht so auf und tu als hätte das Glück Hyrules allein in deinen Händen gelegen. Dein Vater hätte genauso gut erkennen können, welche Gefahr Ganondorf darstellte, anstatt ihn mit offenen Armen zu empfangen.“ Navi nickte zustimmend, guckte dabei aber recht nachdenklich aus der Wäsche. „Link hat Recht. Es war nicht allein deine Schuld.“ Auch ihre Stimme klang als wäre die Fee mit den Gedanken weit weg. Dann fügte sie nach einer Weile, in der eisiges Schweigen zwischen den Dreien geherrscht hatte, vorsichtig an: „Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob du nicht etwas übersiehst.“ Die Fee wollte ihre Bedenken erläutern, aber Zelda warf zornig die Arme in die Luft und rief: „Oh, bei den Göttinnen! Schön! Dann tu ich Link vielleicht keinen Gefallen, wenn ich ihn zurückschicke! Aber er könnte Hyrule etwas Gutes tun und ihm sieben Jahre Leid unter Ganondorfs Herrschaft ersparen, indem er die Vergangenheit ändert!“ Ohne eine Antwort abzuwarten, stapfte Zelda in Richtung Hyrule-Stadt davon. Alles in ihr schien ein einziger Schmerz zu sein. Sie würde Link furchtbar vermissen, aber es war das einzig Richtige, ihn zurückzuschicken. Wieso nur konnte er es ihr nicht ein wenig leichter machen, indem er sich über diese Möglichkeit freute? Stattdessen musste er garstig und abweisend sein und ihr den Abschied damit noch schwerer machen, weil auf diese Weise für immer ein fader Nachgeschmack bleiben würde, wenn sie an Link dachte... Während sie den sanften Hügel, der zur Stadt hinabführte, erklomm, musste sie wieder an die enttäuschten Gesichter von zuvor denken. Seufzend gestand sich die junge Frau ein, dass sie vermutlich so ziemlich alles falsch gemacht hatte, zumindest was Link betraf. Sie war nie auf die Idee gekommen, dass er sich hintergangen fühlen könnte, wenn sie ihm in Gestalt eines Shiekah-Mannes half. Zu allem Überfluss hatte sie ihn nun schon wieder verletzt, weil sie zu feige gewesen war, um der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, und ihn nicht vor Ganons Auftauchen gewarnt hatte. Und jemand wie sie war die Auserwählte des Triforce-Fragments der Weisheit… Die Göttinnen hatten wahrlich einen kranken Sinn für Humor! Link und Navi sahen ihr eine Weile unbewegt hinterher und beobachteten wie sie den gewundenen Pfad entlang marschierte, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Zelda hatte bereits den Hügel erklommen, als Navi schließlich fragte: „Wimmelt es in der Stadt nicht immer noch vor Zombies?“ „Vermutlich.“ Link nickte. „Sollten wir ihr dann nicht hinterherlaufen und aufpassen, dass ihr nichts passiert?“ „Wahrscheinlich schon. Wobei… Eigentlich kann sie doch ganz gut auf sich selbst aufpassen.“ „Link!“ Navis Stimme nahm einen drohenden Unterton an, der ihren Freund aufseufzen ließ. „Ja, ja. Ist ja gut.“ Dann setzte er Zelda in lockerem Laufschritt nach, blieb jedoch ein paar Meter hinter ihr. Navi lehnte sich gegen seinen Hals und fiel nach nur wenigen Schritten in tiefen Schlaf. Die Ereignisse der letzten Stunden hatten die Feenfrau vollkommen ausgelaugt, psychisch wie physisch. Bis sie den Zeitfels im hinteren Teil der Zitadelle der Zeit erreichten, sprach keiner ein weiteres Wort. Zur großen Überraschung von Prinzessin und Held war ihnen auf dem Weg zu dem alten Tempel kein einziger Zombie begegnet. Doch ob dies bedeutete, dass die lebenden Leichen sich nach Ganons Tod zurückgezogen hatten oder nur in einem anderen Stadtteil umherschlurften, vermochte keiner zu sagen. Zelda blieb neben dem Zeitfels stehen und streckte die Hand aus. „Die Okarina der Zeit, bitte. Ich werde sie brauchen, um das Siegel zu vervollständigen.“ Link holte das mystische Musikinstrument aus seinem Wunderbeutel und betrachtete es nachdenklich. Es hatte ihm im Verlauf seiner Reise viele gute Dienste geleistet und irgendwie fühlte es sich an als würde er einen Freund verabschieden. Doch die Okarina war von Anfang an nur geliehen gewesen, das wusste er. Sie gehörte der königlichen Familie und er hatte keinerlei Anrecht darauf. Trotzdem zögerte er ein wenig, bevor er die Flöte Zelda überreichte. Die Hand noch immer auf der Okarina, fragte Link: „Und was, wenn ich gar nicht in meine Kindheit zurückgeschickt werden möchte? Vielleicht würde ich ja gerne hier, im Jetzt, bleiben.“ Er sah Zelda fest an und lief von den Ohren ausgehend rot an. Gerne hätte er der Prinzessin gesagt, dass er auf einen Neuanfang mit ihr hoffte, aber seine Zunge klebte plötzlich an seinem Gaumen und ließ sich nicht mehr bewegen. Der junge Mann wusste nicht so recht, ob er zu schüchtern war, seinen Wunsch auszusprechen, oder ob Zelda ihn durch ihre bisherigen Handlungen derart tief verletzt hatte, dass sein Unterbewusstsein nun versuchte, ihn durch das erzwungene Schweigen zu schützen. Wahrscheinlich ein bisschen von beidem, dachte Link, als Zelda ihm die Okarina und damit auch ihre Hand entzog. Die Prinzessin sah ihn aus großen Augen schweigend an, was Link fälschlicherweise als Zeichen der Ablehnung wertete. In Wahrheit war sie jedoch von Links Wunsch vollkommen überrumpelt. Sie hatte immer gehofft, dass er an ihrer Seite bleiben wollen würde. Aber sie hatte sich nie getraut, tatsächlich daran zu glauben. Auch jetzt fragte sie sich, ob sie Link wirklich richtig verstanden hatte oder ob sie seine Worte auf Grundlage ihrer eigenen Wünsche fehlinterpretierte. Nach einem langen Moment, in dem Zelda mit ihren widersprüchlichen Gefühlen und Gedanken gekämpft und noch immer kein Wort gesagt hatte, winkte Link unwirsch ab und sagte: „Ach, vergiss es. Schick mich einfach zurück.“ In seiner Brust machte sich ein ziehender Schmerz breit wie er ihn noch nie gespürt hatte. Es war als würde sich von seinem Herzen ausgehend eine Blase ausbreiten, die alle Luft aus seinen Lungen drückte und sein Blut am Zirkulieren hinderte. Auf Zeldas Gesicht machte sich tiefe Enttäuschung breit, aber sie wandte sich derart schnell ab, dass Link dies nicht bemerkte. In erzwungen ruhigem Ton fragte sie: „Was ist mit Navi? Will sie hier bleiben oder auch zurückgeschickt werden?“ Link stupste die auf seiner Schulter leise schnarchende Fee sanft an und riss sie damit aus dem Schlaf. Benommen rieb sie sich über die Augen und murmelte: „Wasnlos?“ Während Zelda ihre Frage wiederholte, wurde Navi allmählich wieder richtig wach und registrierte die verschlossenen Mienen der beiden. Nachdenklich ließ die Fee ihren Blick zwischen Prinzessin und Held hin und her zucken und fragte sich, welchen Stein des Anstoßes sie verschlafen haben mochte. Als sie hörte, dass Link sich entschieden hatte, in die Vergangenheit zurückzukehren, entschied Navi jedoch, dass, was immer die beiden schon wieder entzweit hatte, unwichtig war. Schon bald würden sie in verschiedenen Welten leben und ihr Zwist wäre hinfällig. Nachdem Zelda geendet hatte, sah sie Navi nachdenklich an. Diese antwortete ohne das geringste Zögern: „Ich werde Link begleiten – was für eine Frage!“ Sie lächelte ihren Freund breit an, der ihr Grinsen etwas gequält erwiderte. Die Prinzessin nickte und bedeutete Link mit einer Handbewegung, er solle sich vor den Zeitfels stellen. „Stoß einfach das Master-Schwert in den dafür vorgesehenen Schlitz, so wie du es immer getan hast, wenn du in der Zeit zurückreisen wolltest. Den Rest erledige ich.“ Ohne einen weiteren Blick auf Zelda brachte Link sich in Position. Als er das Schwert über den Kopf hob, setzte Zelda die Okarina an ihre Lippen und begann die Hymne der Zeit zu flöten. Sofort schoss ein blauweißes Licht aus dem Zeitfels hervor und Link stieß das Master-Schwert auf ihn hinab. Sogleich zog sich sein Körper in bereits bekannter Manier von Knacken und Knirschen begleitet zusammen. Durch das blendende Licht, das ihn einhüllte, sah er nicht wie dicke Tränen über Zeldas Wangen liefen und ihre Hände so stark zitterten, dass sie ihr Musikinstrument kaum halten konnte. Wenige Herzschläge später zog sich das Licht wieder zurück und Link ließ das Heft des Master-Schwerts los, bevor er die Hände vor sich ausstreckte und sie nachdenklich betrachtete. Er war tatsächlich wieder zurück in seinem Kinderkörper… Er war weniger von der Tatsache überrascht, dass er wieder ein Kind war – dies hatte er bereits früher erlebt – als viel mehr von dem Gefühl der Endgültigkeit, das sich in ihm breit machte. Er konnte zwar nicht sagen, warum, aber er war sich sicher, dass er das Master-Schwert nicht mehr aus dem Zeitfels ziehen konnte. Auch Navi war zurück in ihrem kindlichen Körper und schien sich darin noch nicht wieder gänzlich wohl zu fühlen. Doch bevor Link sie fragen konnte, ob sie sich auch irgendwie fehl am Platz fühlte, deutete das Feenmädchen auf das Zeitportal und rief: „Schnell, Link! Raus hier! Das Tor schließt sich!“ Erschrocken wirbelte der Junge herum und tatsächlich! Das massive, doppeltürige Tor schob sich langsam zusammen. Wenn sie sich nicht beeilten, würden sie in der Schwert-Kammer eingeschlossen und jämmerlich an Hunger oder Durst verenden. So schnell sie konnten rannten die beiden Abenteurer auf den vorderen Teil der Zitadelle zu und schafften es gerade noch, sich durch das Tor zu zwängen, bevor es sich endgültig schloss. Link stieß einen langgezogenen Seufzer aus und ließ sich auf die Stufen vor dem Zeitportal fallen. „Und jetzt?“ Navi zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich nehme an, das liegt ganz bei dir.“ Als sie die bedrückte Miene ihres Schützlings bemerkte, hakte sie zaghaft nach: „Freust du dich denn gar nicht über diese zweite Chance? Jetzt hast du die Möglichkeit, die sieben Jahre, die dir geraubt wurden, nachzuholen.“ Link rieb sich über die Schläfe als habe er Kopfschmerzen und antwortete ehrlich: „Keine Ahnung. Frag mich das in sieben Jahren nochmal. Vielleicht werden sie die beste Zeit meines Lebens, aber vielleicht werde ich mir stattdessen hinterher wünschen, man hätte sie mich verschlafen lassen. Wer weiß das schon?“ Für eine Weile schwiegen die Beiden, dann fragte Link: „Du meintest vorhin… also… in der Zukunft… dass Zelda bei ihrem Plan womöglich etwas übersehen habe. Was meintest du damit?“ „Naja, sie wollte uns an den Tag zurückschicken, an dem ihr euch das erste Mal getroffen habt, stimmt’s?“ „Ja.“ Link nickte und deutete auf den Altar vor ihm, auf dem keiner der Heiligen Steine zu sehen war. „Offenbar hat sie auch genau das getan.“ Goronen-Opal und Zora-Saphir mussten sich zu diesem Zeitpunk noch im Besitz von Darunia und Ruto befinden. Lediglich bei dem Kokiri-Smaragd war Link sich nicht sicher, wo sich dieser befand. Ob er auf magische Weise in seinen Wunderbeutel zurückgekehrt war? Während Link die Hand in seinen Lederbeutel steckte, um seine Vermutung zu überprüfen, fuhr Navi fort: „Zu diesem Zeitpunkt hat Ganondorf bereits Dodongos-Höhle versperrt und er wird schon bald Lord Jabu-Jabu verfluchen.“ Erkenntnis erhellte Links Gesicht und er rief erregt: „Die Goronen leiden also Hunger, wenn wir nichts unternehmen, und Ruto wird von Jabu-Jabu verschluckt werden!“ Navi nickte und zog ein trauriges Gesicht. „Genau. Ich bin mir sicher, dass Zelda dir ein Leben ohne Kämpfe ermöglichen wollte, aber ganz ist ihr das nicht gelungen, fürchte ich.“ Link zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne. Dann stahl sich plötzlich ein Grinsen auf sein Gesicht, das Navi ein Stein vom Herzen fallen ließ. Sie hatte schon befürchtet, er habe sein Lachen schlussendlich doch noch verloren. „Ich weiß, wie wir’s machen!“ Link sah Navi mit einem Funkeln in den Augen an, das sie lange nicht mehr bei ihm gesehen hatte. „Ich werde den Goronen und Zora erneut helfen. Immerhin weiß ich dieses Mal, was auf mich zukommen wird, und ich habe inzwischen viel Härteres hinter mir – da werden diese Kämpfe ein Klacks! Du fliegst am besten schon mal zu den Zora vor und warnst sie, damit Ruto sich von Jabu-Jabu fern hält. Ich komme nach, sobald ich King Dodongo besiegt habe. Und dann gehen wir beide fort und nehmen den Kokiri-Smaragd mit. Auf diese Weise muss niemand leiden und Ganondorf kommt niemals ins Heilige Reich!“ Navi nickte begeistert. „Das ist ein super Plan! Aber, wohin gehen wir dann?“ Link grinste noch eine Spur breiter. „Irgendwohin. Wo immer es uns gefällt!“ Dann mischte sich eine andere Form der Aufregung unter seine plötzlich neu aufgeflammte Abenteuerlust: „Zuerst werde ich aber Zelda aufsuchen und ihr unseren Plan erklären. Es ist wichtig, dass sie erfährt, wie gefährlich Ganondorf wirklich ist.“ Navi nickte nachdenklich. „Du wirst dich aber von ihr nicht dazu hinreißen lassen, unseren Plan umzustürzen und doch den Zugang zum Heiligen Reich zu öffnen?“ Der Fee bereitete es noch immer leichtes Bauchgrimmen, dass sie nicht wusste, was in der Zukunft zwischen Link und Zelda vorgefallen war, bevor die Prinzessin sie zurückgeschickt hatte. Link lachte. „Nein, ganz sicher nicht! Der Herr der Zeiten hat seine Pflicht erfüllt. Auf uns warten andere Abenteuer!“ Mit diesen Worten trennten sich die beiden Abenteurer und zogen ihrer eigenen Wege, einer ungewissen Zukunft entgegen. Würde es ihnen tatsächlich gelingen, das Schicksal Hyrules zu ändern? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)