Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 61: Die letzten Siegel ------------------------------ Eigentlich hatte Link vorgehabt, sich den Licht-Raum bis zuletzt aufzusparen, da er keinerlei Lust verspürte, erneut auf Rauru zu treffen – in welcher Form auch immer. Aber im Feuer-Raum kam er zurzeit nicht weiter und die Kammer der Schatten befand sich am gegenüberliegenden Ende der Halle. Also schob er seinen Widerwillen beiseite und schickte sich an, den Raum hinter der sonnengelben Tür zu betreten. Beim Herunterdrücken der Türklinge dachte der Herr der Zeiten bei sich, wie unpassend und deplatziert diese fröhliche Farbe in der ansonsten so düsteren und bedrohlich erscheinenden Festung wirkte. Im Gegensatz zu dem Raum der Geister war die Licht-Kammer hell erleuchtet und Link kniff geblendet die Augen zusammen. Blinzelnd bewegte der mutige Kämpfer sich in das Zimmer hinein und wartete darauf, dass sich seine Pupillen an die ungewohnte Helligkeit anpassten – jedoch ohne Erfolg. Selbst nach mehreren Minuten konnte er die Augen nicht länger offen halten als für ein paar Sekunden. Langsam ging es ihm gehörig auf die Nerven immer wieder blind umher stolpern zu müssen! Wenigstens schien sich zur Abwechslung mal kein Monster in diesem Raum aufzuhalten… Dafür erklang plötzlich ein merkwürdiges Schleifen, das näher zu kommen schien und Link die Haare zu Berge stehen ließ. Das Geräusch klang als eindeutig als würde Stein über Stein schaben – ganz so als senkte sich die Decke langsam auf ihn herab! Ängstlich hob der junge Mann den Blick und versuchte verzweifelt blinzelnd, irgendetwas zu erkennen. Bevor er jedoch hatte ausmachen können, ob die Decke tatsächlich herunter kam, ließ ihn ein anderes Geräusch heftig zusammenzucken und herumwirbeln. Was er dann sah, ließ dem Recken endgültig das Blut in den Adern gefrieren: Massive Eisenstangen waren vor der Tür zur Halle aus dem Boden geschossen und blockierten nun den einzigen Ausweg. Jetzt war Link sich sicher, dass sich die Decke herabsenkte… Er sollte vor Angst zitternd darauf warten, dass er zerquetscht wurde, während er in der Falle saß wie irgendein lästiges Ungeziefer. Das sah Ganondorf ähnlich! „Beruhige dich“, sprach Link sich selbst Mut zu, „du bist nicht ohne Grund der Herr der Zeiten! Du kannst einen Ausweg aus diesem Schlamassel finden. Bestimmt deaktiviert sich diese Falle wieder, wenn du das Siegel auf dem Medaillon brichst!“ Halb blind wagte sich der Recke tiefer in den Raum hinein und stieß einen leisen Schmerzenslaut aus, als er gegen eine unsichtbare Wand stieß. Irritiert klopfte er mit dem Fingerknöchel gegen das Hindernis stellte verwundert fest, dass es sich dabei um simples Glas handelte. Warum stellte Ganondorf mitten im Zimmer eine Glasscheibe in den Weg? Im ersten Moment konnte sich Link keinen Reim darauf machen, doch dann setzte seinen Herz einen Schlag lang aus, als ihm die Lösung in den Sinn kam: ein Labyrinth aus Glas und Spiegeln, das ihn verwirren und Zeit kosten sollte, damit er das Medaillon auf keinen Fall rechtzeitig fand. „Mögen dich sämtliche Flüche dieser und aller benachbarten Welten treffen, du Bastard!“ Link konnte nicht sagen warum, aber er war sich sicher, dass Ganondorf ihn hören konnte. Wahrscheinlich sah er ihm gerade auf die gleiche magische Weise zu wie er ihn und Zelda in der Zitadelle der Zeit beobachtet und belauscht hatte. Einige Herzschläge lang ließ sich der Herr der Zeiten dazu hinreißen, seinem Widersacher derart bildgewaltig verschiedenste Qualen und Abscheulichkeiten an den Hals zu wünschen, dass Navi stolz auf ihn gewesen wäre. Dann besann er sich wieder der Dringlichkeit seiner Situation und stürzte sich in das Labyrinth. Während er, die gesunde Hand stets schützend nach vorn gestreckt, durch die verschlungenen Gänge eilte und betete, er möge instinktiv den richtigen Weg finden, schob sich die Decke immer weiter Richtung Boden. Feiner Steinstaub rieselte auf den angeschlagenen Helden herab und brannte wie Feuer in seinen Wunden. „Beeil dich, Link!“, spornte sich der Krieger selbst an und schüttelte mit einem angedeuteten Lächeln leicht den Kopf. Es amüsierte und irritierte ihn noch immer zu gleichen Teilen, dass seine innere Stimme in solchen Situationen wie Navi klang. „Wenigstens ist sie jetzt nicht hier bei mir, sondern in Sicherheit“, schoss es Link durch den Kopf als erneut eine Staubwolke auf ihn niederging. Hustend zwang er sich weiter vorwärts und jubelte innerlich auf, als er nur wenige Meter vor sich das Medaillon des Lichts entdeckte. Er konnte es schaffen! Freudig erregt rannte er darauf zu – und prallte mit voller Wucht gegen eine weitere Wand! „Autsch…“ Link spuckte Blut aus, doch sein Mund füllte sich sogleich wieder mit der metallisch schmeckenden Flüssigkeit. Offenbar hatte er sich bei dem Aufprall auf die Zunge gebissen. Außerdem hatte er sich das rechte Knie angeschlagen, das bereits leicht anschwoll. Zum Jammern blieb jedoch keine Zeit… Heftig blinzelnd versuchte der Recke, etwas mehr von seiner Umgebung zu erkennen und erstarrte, als er seine eigene Reflektion sah. Ein Spiegel! Das Medaillon war nicht in greifbarer Nähe, sondern am anderen Ende des Raums! Inzwischen hatte sich die Decke soweit herabgesenkt, dass lautes Knirschen und Klirren verriet, dass die oberen Ränder der gläsernen Wände eingedrückt wurden. Einige Herzschläge lang war Link drauf und dran in Panik zu verfallen, doch dann brachte ihn das Geräusch von splitterndem Glas auf eine Idee. Mit flinken Fingern griff er in seinen Wunderbeutel und holte den Goronenhammer hervor. Mit einem wilden Kampfschrei, der alle Frustration der letzten Stunden enthielt, schlug sich der Herr der Zeiten eine Bresche durch die gläsernen Wände. Scharfkantige Scherben flogen durch die Luft und ritzten ihm die Haut über dem rechten Jochbein auf, aber das registrierte er überhaupt nicht. Für ihn zählte nur noch, das Licht-Medaillon rechtzeitig in die Hände zu bekommen. Bildete er sich das bloß ein oder senkte sich die Decke inzwischen immer schneller? Er hatte den Raum erst halb durchquert, als er sich bereits ducken musste. Inzwischen bedeckten unzählige Spiegelscherben und Glassplitter den Boden und Link drohte mehrfach auszurutschen. Dennoch schaffte er es irgendwie, das Podest, auf dem das Medaillon aufgebahrt worden war, zu erreichen, bevor es zerstört wurde. Obwohl die Decke nur wenige Millimeter davon entfernt war, ihm die Finger zu zerquetschen, griff der junge Mann beherzt zu und riss das heilige Relikt an sich. Im ersten Moment passierte gar nichts und Link fürchtete schon, er habe sich geirrt und der Siegelbruch würde die Falle gar nicht unschädlich machen. Doch dann blieb die Decke endlich stehen und bewegte sich kurz darauf sogar wieder nach oben. Auch die Eisenstäbe vor der Tür versanken wieder im Boden. Vor Erleichterung gaben Links Knie nach und er sackte wie ein nasser Sack zu Boden, wo er in Tränen ausbrach wie ein Kind. Glücklicherweise hatte das Medaillon-Podest weit genug von den gläsernen Wänden entfernt gestanden, sodass die Steinfließen an dieser Stelle weitgehend splitter- und scherbenfrei waren. Links Körper wurde von wilden, unkontrollierten Schluchzern durchgeschüttelt, während der psychisch völlig entkräftete Held sich an das goldfarbene Medaillon klammerte als könnte es ihn irgendwie vor den noch kommenden Gefahren bewahren. Rauru entschied sich unterdessen offenbar dafür, den Herrn der Zeiten sich selbst zu überlassen und ihm keine aufmunternden Worte mit auf den Weg zu geben wie es die anderen Weisen getan hatten. Etwa zur gleichen Zeit gab Navi ihre nutzlosen Versuche, ihr gläsernes Gefängnis vom Regal zu stoßen, auf und ließ sich schwer atmend auf den Hintern fallen. Ihre Schulter schmerze höllisch und Schweiß klebte ihr das lange Haar an den Körper, aber die Flasche, in der sie sich befand, hatte sich keinen Millimeter bewegt. Frustriert und voller Zorn beobachtete die Fee wie der Ladenbesitzer einige Monsterteile nachzählte und sich anschließend eine Notiz machte. Offenbar war es kurz vor Verkaufsschluss und die Bestände mussten aktualisiert werden. Wenn sie es doch nur irgendwie bewerkstelligen könnte, dass er ihr zuhörte… Aber entweder er hörte ihr Rufen tatsächlich nicht oder es war ihm egal. In den vergangenen Stunden hatte Navi immer wieder versucht, Kontakt zu ihm aufzunehmen, doch er hatte nicht einmal zu ihr herübergesehen. Sie saß verdammt tief in der Patsche… Dicke, in den Farben des Regenbogens funkelnde Tränen liefen ihr über die Wangen und sie schlang sich die Arme um die angezogenen Beine – ganz so wie sie es früher oft getan hatte, wenn sie aus Trauer über den Tod ihrer Familie geweint hatte. Link… Bei dem Gedanken an ihren Freund fühlte es sich an als würde ihr Herz zersplittern und die scharfkantigen Scherben schienen sich bei jedem Atemzug tiefer in ihr Fleisch zu bohren, bis sie keine Luft mehr bekam. Allein die Vorstellung, dass er sterben könnte, schnürte ihr die Kehle zu. Wenn sie dann auch noch daran dachte, er könnte dies womöglich in dem Glauben tun, sie hätte ihn im Stich gelassen, war es als stürzte sie in bodenlose Dunkelheit. Vor ihrem geistigen Auge sah sie den etwas tollpatschigen Knaben vor sich, der er einst gewesen war, und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Sie liebte ihn… genauso wie sie einst ihre beiden Schwestern geliebt hatte. Sie hatte sich früher nie vorstellen können, einen Bruder zu haben, doch wenn sie jetzt an Links strahlendblaue Augen, sein stets leicht zerzaustes Haar oder sein latent schiefes Lächeln dachte, kam es ihr so vor als wäre er schon immer Teil ihrer Familie gewesen. Die Irrlichter hatten ihr bereits ihre leibliche Familie genommen – sie wollte nicht auch noch ihren hylianischen Bruder verlieren! Von neuem Eifer beseelt sprang die Fee wieder auf die Beine und schickte sich voller Grimmigkeit an, sich erneut gegen die Flaschenwand zu werfen, als plötzlich das Glöckchen über der Eingangstür klingelte und eine alte Vettel den Laden betrat. Es dauerte mehrere Minuten, bis Link sich wieder beruhigt hatte und sich auf seine noch immer ein wenig wackeligen Beine hievte. Auch seine Finger zitterten noch leicht, als er den achtlos fallengelassenen Goronenhammer einsammelte und in seinem Wunderbeutel verstaute. Bereits im Geistertempel hatte der Herr der Zeiten deutlich gespürt, dass die psychische Dauerbelastung, der er jetzt schon seit Monaten fast ununterbrochen ausgesetzt war, allmählich ihren Tribut forderte. Ausgerechnet jetzt, wo er all seine Kräfte brauchen würde, spürte er deutlich, dass er nicht mehr so belastbar war wie früher. Er steckte selbst kleinere Verletzungen und vor allem Stresssituationen inzwischen deutlich schlechter weg als zu Beginn seiner Reise. Er fühlte sich alt und ausgebrannt, dabei hatte er das Erwachsenenalter gerade erst erreicht – und hatte noch dazu sieben Jahre seines Lebens in einem magischen Schlaf verbracht… Trotzdem hatte er bereits genügend Schmerzen und Aufregung für mehrere Leben durchgestanden. Er wünschte sich nur noch ein ruhiges, überschaubares, einfaches Leben. Vielleicht, überlegte er, während er mit schweren Schritten zu dem Tablett mit den Vertiefungen herüberging, um das Medaillon des Lichts einzusetzen, vielleicht würde er Zelda nach seinem Sieg über Ganondorf um etwas Land bitten, auf dem er eine kleine Farm errichten konnte. Ein Lächeln huschte ihm über das müde wirkende Gesicht, als er daran dachte, wie er einige Ziege und Schafe – und vielleicht sogar eine Kuh – hielt und sein eigenes Gemüse anbaute. Vor den Ställen der Tiere würde er eine Hundehütte aufbauen, in der ein alter, struppiger Hütehund hausen würde, der den ganzen Tag nichts anderes machte als zu schlafen oder zu fressen. Und Epona würde ihm dabei helfen, alle Erzeugnisse seiner Farm, die er nicht für sich selbst brauchte, nach Kakariko oder das neu errichtete Hyrule-Stadt zu bringen, wo er sie auf dem Markt verkaufen würde. Allein die Vorstellung eines solchen Lebens erfüllte sein Herz mit wohliger Wärme, auch wenn sich ein Teil von ihm fragte, ob er sich allein unter Tieren nicht doch irgendwann einsam fühlen würde. Für den Bruchteil einer Sekunde schob sich das Bild eines ganz anderen Lebens vor sein geistiges Auge: Zelda und er, beide in kostbare Gewänder gehüllt, Schulter an Schulter auf zwei mächtigen Thronen sitzend und auf ihr Volk herabblickend. Mit einem ruckartigen Kopfschütteln vertrieb der junge Mann dieses Traumbild jedoch schnell wieder. Er hatte die Nase voll davon, Verantwortung für das ganze Reich zu tragen. Wenn er etwas ganz bestimmt nicht sein wollte, dann König! Außerdem war er immer noch sauer auf Zelda, weil sie ihn so lange belogen hatte… Trotzdem ließ ihn das Gefühl nicht los, dass sie zusammen gehörten und er ohne Zelda auf Dauer nicht glücklich werden würde – ganz egal, was er tat. „Verdammte Lichtwesenseelen!“, murmelte Link, als er das Medaillon des Lichts in die dafür vorgesehene Vertiefung drückte. „Verfluchtes, vorherbestimmtes Schicksal!“ Während das Kraftfeld um den Turm herum in schon bekannter Manier auf das Einfügen eines neuen Medaillons reagierte, erinnerte sich der Herr der Zeiten an eine Unterhaltung, die er mit Navi im Waldtempel geführt hatte. Sie waren nach dem Kampf gegen Ganondorfs Phantom auf dem Weg aus dem Tempel heraus gewesen, als Navi ihn wegen seiner Schwärmerei für die Prinzessin ein wenig aufgezogen hatte. Dabei hatte sie ihm allerdings auch erzählt, dass die Seelen des Herrn der Zeiten und der Weisen der Harmonie durch eine Liebe aus einem früheren Leben auf ewig mit einander verbunden waren. Damals hatte diese Vorstellung Link irgendwie gefallen. Sie hatte ihm Hoffnung gegeben, dass auch ein einfacher Junge vom Land wie er auf eine Zukunft an der Seite der Prinzessin hoffen durfte. Inzwischen jedoch hasste er diesen Gedanken! Er fühlte sich als hätte man ihm jede Entscheidungsfreiheit über sein Leben genommen. Er musste ein Held sein, obwohl er das Kämpfen verabscheute und womöglich konnte er sich nicht einmal aussuchen, mit wem er sein Leben verbringen wollte… Resigniert aufseufzend wandte sich der Recke der lilafarbenen Tür zur Schattenkammer zu. Warum verschwendete er eigentlich auch nur einen Gedanken an diese Angelegenheit? Wenn es ihm vorherbestimmt war, konnte er sich noch so sträuben, es würde nichts ändern. Also konnte er sein Schicksal auch gleich annehmen. Außerdem gab es sicherlich Schlimmeres als ein Leben an der Seite einer wunderschönen Frau, die noch dazu reich und mächtig war… Zusätzlich war Zelda zumindest als Kind witzig und warmherzig gewesen – Charakterzüge, die er auch bei Shiek, der ja Zelda war, immer wieder hatte durchblitzen sehen. Ja, vielleicht war sein Schicksal bei genauerer Betrachtung eigentlich gar nicht so schlimm… Dennoch konnte Link ein unbestimmtes Gefühl von Unbehagen nicht abschütteln, als er den Türknauf herumdrehte und das nächste Zimmer betrat. Die Kammer der Schatten schien auf den ersten Blick vollkommen leer und ungefährlich zu sein. Lediglich ein Altar mit dem aufgebahrten Medaillon stand mitten im Raum und lud dazu ein, sich das heilige Artefakt zu schnappen und dann wieder gelassen aus dem Zimmer zu schlendern. Es war jedoch genau diese offenkundige Harmlosigkeit, die Link stutzig machte und innehalten ließ. Schnell steckte er eine Hand in seinen verzauberten Lederbeutel und holte einen der Deku-Kerne hervor, die er als Kind als Munition für seine Schleuder benutzt hatte. Dann warf er den Kern nach vorn und beobachtete gespannt, wie dieser über die steinernen Fliesen rollte und plötzlich in den Boden hinein fiel. „Wusste ich’s doch!“, triumphierte der Herr der Zeiten stumm und holte das Auge der Wahrheit hervor. Obwohl der Fluch, der auf dem Shiekah-Relikt lastete, nur einmal bei Link zugeschlagen hatte und dieser seitdem dagegen immun zu sein schien, war der junge Mann noch immer jedes Mal nervös, wenn er das magische Auge benutzte. Zu seiner großen Erleichterung blieben die wispernden Gespensterstimmen, die den Fluch damals begleitet hatten, auch dieses Mal wieder stumm und er behielt die Oberherrschaft über seinen Geist und Körper. Ein blendendweißer Blitz zerriss Links Blickfeld, bevor sich der Blick des Abenteurers für magische Illusionen schärfte und er erkennen konnte, dass weite Teile des Steinbodens in Wirklichkeit gar nicht da waren. Nur ein schmaler, gewundener Pfad führte zu dem Altar herüber, neben dem dank des Auges der Wahrheit eine große Holztruhe sichtbar geworden war. Sich das Shiekah-Artefakt vors Auge haltend balancierte Link langsam und vorsichtig zu dem Altar herüber. Neben dem Steinsteg, der nur in etwa so breit war wie Links Unterarm lang, ging es mehrere Meter in die Tiefe und der Boden schien von spitzen Speeren und Pfählen bedeckt zu sein. Vor Konzentration standen dem Recken dicke Schweißperlen auf der Stirn, als er endlich das Plateau mit dem Altar erreichte. Ein paar Herzschläge lang atmete Link einfach nur tief durch, dann wandte er sich dem Medaillon und der Truhe zu. Was von beidem sollte er zuerst in Augenschein nehmen? Seine Erfahrung sagte ihm, dass die Truhe womöglich eine Falle war. Trotzdem riet ihm eine innere Stimme, sie zuerst zu öffnen. Für einige Sekunden war der Herr der Zeiten hin und her gerissen, dann entschied er sich, seiner inneren Stimme zu vertrauen und trat kräftig gegen das Truhenschloss, das sofort aufsprang und den Blick auf den Truheninhalt freigab. Auf einem in rote Seide eingeschlagenen Kissen lagen… die Krafthandschuhe! Link glaubte seinen Augen kaum! Es gab zwei Paar Krafthandschuhe?! Bei genauerem Hinsehen entdeckte der Abenteurer jedoch ein paar Unterschiede zwischen den Handschuhen, die er soeben gefunden hatte und jenen, die er im Geistertempel an sich gebracht hatte: Während die Rücken von letzteren mit versilberten Drachenschuppen besetzt gewesen waren, glänzte der neue Fund golden. Außerdem waren die Rubine, die diese Handschuhe verzierten, noch ein wenig größer und dunkler als die auf den Krafthandschuhen. Ob diese Handschuhe den gleichen Effekt hatten wie die anderen? Dann könnte er den Gesteinsbrocken im Feuer-Raum bewegen, sobald Navi mit einem Heilmittel für seinen Arm zurückkehrte und er an der linken Hand wieder einen Handschuh tragen konnte! Neugierig zog Link sich den verbliebenen Handschuh aus und taumelte augenblicklich unter einem leichten Schwächeanfall. Er hatte ganz vergessen, wie viel Energie von den Krafthandschuhen ausgehend durch seinen Körper geflossen war. Offenbar hatte es eine Art Entzugserscheinungen zur Folge, wenn man das alte Gerudo-Artefakt für längere Zeit getragen hatte. Warum sich der Schwächeanfall erst jetzt bemerkbar machte und nicht schon zuvor zugeschlagen hatte, als Link einen der Krafthandschuhe ausgezogen hatte, um das Triforce-Mal auf seiner Hand in Augenschein zu nehmen, oder als der linke Handschuh verbrannt war, wusste der junge Held nicht zu sagen. Vielleicht hatte die von dem verbliebenen Handschuh ausgehende Energie ausgereicht, um ihn davor zu bewahren… Der Herr der Zeiten holte tief Luft, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, und griff nach dem rechten der neu gefundenen Handschuhe. Ihm war etwas mulmig dabei zumute, ein Relikt zu benutzen, das er in Ganondorfs Reich gefunden hatte. Aber da er keine Ahnung hatte, wie er ohne ein intaktes Paar Krafthandschuhe an das Medaillon des Feuers kommen sollte, war die Hoffnung größer als die Vorsicht. Und tatsächlich! Kaum, dass Link in den Handschuh geschlüpft war, rollte eine riesige Energiewelle über ihn hinweg – so heftig, dass es ihn buchstäblich umhaute und er sich am Rand der Schatztruhe festklammern musste, um nicht ohnmächtig zu Boden zu gehen. Es fühlte sich an als schwöllen sämtliche Muskeln seines Körpers an, bis sie vor Kraft nur so strotzten. Was immer dies für Handschuhe waren, sie verfügten über deutlich mehr Macht als die Krafthandschuhe! Link keuchte heftig, als das Gefühl in Flammen zu stehen endlich wieder abflaute und er mit zitternden Fingern den zweiten goldenen Handschuh für später in seinen Wunderbeutel steckte. Dann schnappte er sich das Medaillon der Schatten vom Altar und rechnete fest damit, dass der Pfad zurück zur zentralen Halle einzustürzen beginnen würde. Zu seiner großen Überraschung passierte jedoch nichts dergleichen. Offenbar hatte die Herausforderung der Schattenkammer lediglich im Durchschauen der Illusion und einem Balanceakt bestanden. Eine willkommene Abwechslung! Während er sich vorsichtig zurück zur Tür begab, hörte er Impas Stimme in seinem Kopf: „Rette die Prinzessin!“ Link nickte zur Antwort lediglich und schickte sich an, das vorletzte Medaillon in das Tablett einzusetzen. Irgendwie verärgerte ihn Impas Wunsch, ohne dass er genau sagen konnte, warum. Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass er sowieso keine andere Wahl hatte als Zelda zu retten… In einigen Kilometern Entfernung beobachtete Navi derweil wie die Vettel von dem Ladenbesitzer geradezu überschwänglich begrüßt wurde: „Asa, meine Liebe – welch Ehre! Was darf ich heute für dich tun?“ Navis Mundwinkel zuckten unwillkürlich nach oben, als die steinalt wirkende Frau den Mann nur mit einem gelangweilten Blick bedachte und, ohne auf seinen einschleimenden Ton einzugehen, forderte: „Ich brauche sechs Echsalfos-Klauen, dreizehn Dekuranha-Zähne, eine Oktorok-Leber und…“ Ihr Blick fiel auf Navi, der es sogleich eiskalt den Rücken herunterlief. „… und eine Fee“, schloss die Alte. Navi schüttelte heftig mit dem Kopf, schrie und tobte, aber weder Verkäufer noch Kundin schienen davon Notiz zu nehmen. „Aber natürlich, Asa“, flötete der Ladenbesitzer widerlich vergnügt und machte sich sogleich daran, die gewünschten Artikel zusammenzusuchen. Als er die Flasche, in der Navi gefangen war, auf den Tisch stellte, versuchte die Fee erneut durch wildes, ausladendes Gestikulieren auf sich aufmerksam zu machen, aber ohne Erfolg. Es kam ihr beinah so vor als starrte die Vettel ganz bewusst in eine andere Richtung. Als der Verkäufer auch die letzten geforderten Waren herangeschafft hatte, steckte die die alte Frau alles in einen Beutel aus grobem Leinen und Navi gab auf. Es war als würde irgendetwas in ihr zerbrechen und sie hatte plötzlich nicht mehr die Kraft, weiterhin zu kämpfen. Resigniert setzte sie sich auf den Flaschenboden und dachte seltsam ruhig: „Das war’s dann also. Ich werde als Zutat für irgendeinen Zaubertrank enden.“ Sie stieß einen langgezogenen Seufzer aus und fügte dann in Gedanken gehässig hinzu: „So wie die Alte aussieht, wird sie mich bestimmt für einen Verjüngungstrank töten. Dabei ist da sowieso schon Hopfen und Malz verloren…“ Die Fee hörte wie einige Rubine klimpernd den Besitzer wechselten, dann schien die Erde plötzlich zu beben und zu schwanken, als Asa sich wieder in Bewegung setzte und den Laden verließ. Etwa zur gleichen Zeit schlug Link frustriert die Tür zum Feuer-Raum hinter sich zu. Er hatte gehofft, die Macht seiner neuen Handschuhe sei groß genug, den störenden Gesteinsbrocken mit nur einer Hand bewegen zu können. Jedoch hatte sich diese Hoffnung als falsch erwiesen… So lange Navi nicht zurück und sein Arm wieder verheilt war, saß der Herr der Zeiten fest. Er konnte weder die Festung verlassen, noch das Kraftfeld lösen, das ihn daran hinderte, zu Ganondorf vorzudringen. Genervt ließ sich der junge Mann an der Wand entlang zu Boden gleiten und starrte missmutig auf seine Stiefelspitzen, wobei er ein paar kleine Glassplitter entdeckte, die sich in der Kammer des Lichts in das dicke Leder gebohrt hatten. Mit flinken Fingern zog er die Splitter heraus und ließ sie neben sich zu Boden fallen, während er sich ärgerlich fragte, wo seine Begleiterin bloß blieb. Sie wusste doch, dass die Zeit drängte! Für einen Moment ließ die Sorge, Navi könnte etwas passiert sein, sein Herz sich bang zusammenkrampfen, aber er schob den Gedanken bestimmt zur Seite. Er durfte die Hoffnung nicht aufgeben, dass sie bald wieder auftauchen würde. Wenn er sich jetzt auch noch fragte, ob seine Freundin womöglich in der Klemme steckte, würde er den Verstand verlieren, da war er sich sicher. Der Weg zu Asas Haus war ziemlich lang – selbst wenn man den altersbedingt langsamen Gang der Vettel berücksichtigte – daher nahm Navi an, dass die Alte am Rand der Kleinstadt lebte. Einen Moment lang überlegte die Fee, ob Asa schon immer in Kakariko gelebt hatte oder erst nach dem Fall von Hyrule-Stadt hierher umgezogen war. Doch als die alte Frau die Tür zu ihrem Heim aufstieß, entschied Navi, dass Asas Herkunft ihr völlig egal war. Die Alte legte ihren Einkaufsbeutel auf dem Esstisch ab und holte sogleich Navis Flasche heraus, um die Fee neugierig zu betrachten. Navi erwiderte ihren Blick aus trüben, müden Augen, machte sich aber nicht die Mühe aufzustehen oder gar zu rufen. Es wäre ja doch sinnlos… Asa zog die Augenbrauen zusammen als wäre sie irritiert und sagte dann: „Du flatterst ja gar nicht mehr umher wie ein aufgeregtes Glühwürmchen!“ Beim Sprechen entblößte sie grauschwarze Zahnstummel, die Navi furchtbar anwiderten. Doch das war nicht der Grund, weshalb sich die Fee bei diesen Worten abwandte und mit zu Fäusten geballten Händen an die Wand starrte. Die Ursache hierfür war vielmehr Wut! Hatte die Alte es etwa amüsant gefunden wie sie verzweifelt um Aufmerksamkeit gekämpft hatte?! Navis Zorn verrauchte jedoch sogleich wieder, als die Vettel die Flasche entkorkte und sie aufforderte, herauszukommen: „Raus mit dir. Du hast doch eine Aufgabe zu erfüllen oder irre ich mich da?“ Die Stimme der Alten klang so rau und heiser, dass Navi sich für sie räuspern wollte. Ein wenig misstrauisch, aber vor allem neugierig schwebte die Fee aus dem Flaschenhals empor in die Freiheit. Wie gut es tat, endlich wieder frische Luft zu atmen! Navi tat ein paar tiefe Atemzüge, dann wandte sie sich mit kraus gelegter Stirn Asa zu: „Woher weißt du von meiner Aufgabe?“ Die alte Frau lachte keckernd und machte eine Armbewegung, die auf das gesamte Innere ihres Heims deutete. „Sieh dich um“, forderte sie, „dann wirst du es bestimmt verstehen.“ Navi ließ ihren Blick durch das kleine, aus nur einem einzigen Raum bestehende Haus schweifen und staunte nicht schlecht, als sie große Kessel mit dubios wirkendem Inhalt sowie unzählige Regale entdeckte, die bis zum Bersten mit allerlei Zaubermaterialien gefüllt waren. „Du bist eine Hexe?“, schlussfolgerte die Fee zaghaft und atmete erleichtert auf, als Asa nickte. Irgendwie machte die Alte ihr Angst, obwohl sie ihr bislang nur Freundlichkeit entgegen gebracht hatte – zumindest seit sie allein waren. Asa sah Navi erwartungsvoll an als würde sie auf weitere Eingebungen der Fee warten, aber diese starrte bloß verwirrt zurück und fragte dann: „Das ist ja… äh… schön, aber was hat das mit meiner Aufgabe zu tun?“ Erneut ließ die Vettel ihr seltsames Lachen erklingen, das wie eine Mischung aus aufeinander klackenden Steinen und einem pfeifenden Teekessel klang, und mutmaßte: „Du weißt nicht viel über Hexen, oder?“ Navi wollte gerade einwerfen, dass die einzigen Hexen, denen sie je begegnet war, die Twinrova gewesen waren, als Asa auch schon abwinkte und murmelte: „Eigentlich sollte mich das nicht verblüffen, schätze ich. Seit die grässlichen Gerudo-Hexen unseren Berufsstand in Verruf gebracht haben, verbringen meine Schwestern und ich unser Leben im Verborgenen.“ Die Alte ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen und betrachtete die Fee vor sich aus erstaunlich wachen Augen. „Aber früher, musst du wissen, hat es viele Hexen in Hyrule gegeben. Sie entstammten den verschiedenen Geschlechtern unseres Landes und arbeiteten mit den Herrschern der verschiedenen Königshäuser zusammen, um den Frieden und Wohlstand in Hyrule zu bewahren. Und deswegen weiß ich auch von…“ Asa lächelte, als Navi wie vom Donner gerührt aus der Wäsche guckte und rief: „Von Links Queste!“ „Genau.“ Die Hexe nickte bedächtig. „Vor sieben Jahren stand plötzlich Impa auf meiner Schwelle und berichtete mir, was passiert war: Ganondorf hatte das Triforce-Fragment der Kraft an sich gerissen und war zum Großmeister des Bösen geworden; Zelda war mit Hilfe uralter Shiekah-Magie als ein Junge aus Impas Volk getarnt worden und der Herr der Zeiten war unauffindbar.“ „Das Master-Schwert hatte ihn gebannt“, erklärte Navi. „Er wurde von der heiligen Klinge in einen siebenjährigen Schlaf versetzt, weil er zu jung war, um sie zu führen.“ Die Alte nickte erneut. „Ja, das erklärt so manches.“ Dann fügte sie nach einer kurzen Pause mit einem erneuten Blick auf Navi an: „Aber Impa kam damals nicht nur zu mir, um einen netten Plausch zu halten und mich auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen. Sie hatte in erster Linie eine Aufgabe für mich.“ Navi folgte gespannt Asas ausgetrecktem Arm, als diese auf eine riesige, handgemalte Karte Hyrules deutete, die an eine Wand genagelt worden war. Fasziniert bemerkte Navi, dass auf der Karte zwei farbige Punkte funkelten: ein großes, grünes Licht befand sich innerhalb des ehemaligen Schloss Hyrules und ein kleinerer, blauer Lichtpunkt leuchtete am Rand von Kakariko. Mit vor Überraschung geweiteten Augen wandte sich Navi wieder der Hexe zu, die abermals nickte. „Ganz recht. Impa hat mich damals gebeten, einen Ortungszauber für den Herrn der Zeiten und seine Begleiterin zu sprechen, damit wir sie schnellstmöglich finden würden.“ „Deswegen wusste Shiek… ich meine, Zelda auch immer, wo wir uns befanden!“ Navi fühlte sich wie vom Blitz getroffen. Asa grinste breit, sagte aber nichts dazu. Stattdessen fragte sie: „Aber möchtest du mir nicht erklären, was du im hiesigen Zauberladen gemacht hast? Ich muss gestehen, ich war etwas irritiert, als ich die Position deines Lichtes auf der Karte gesehen habe.“ Dieses Mal war es die Fee, die nickte, bevor sie die Situation schnell zusammenfasste. Sie berichtete, wie Link sich verletzt hatte, dass sie sich aufgemacht hatte, um eine Feenweise zu finden und wie der Zauberladenbesitzer sie dabei gefangen genommen hatte. „Verstehe“, war der einzige Kommentar, den Asa zu Navis Geschichte abgab. Dann hievte sie sich schwerfällig wieder auf die Beine und schlurfte zu dem Kessel herüber, dessen Inhalt im Kaminfeuer munter vor sich hin blubberte. „Dann trifft es sich ja gut, dass ich heute erst ein wenig blaues Elixier gekocht habe.“ Die Alte nahm sich eine leere Flasche aus einem Regal und füllte sie mit Hilfe eines Schöpflöffels randvoll mit einer dunkelblauen Flüssigkeit. Navi, die sich ihr neugierig über die Schulter geschaut hatte, verzog angewidert die Lippen. „Was ist das denn für ein Gebräu? Sieht ja giftig aus!“ „Es schmeckt auch ziemlich ekelhaft“, räumte Asa ein, „aber es heilt sämtliche Verletzungen. Ein Schluck genügt schon, um erste Verbesserungen zu spüren.“ „Das ist ja sagenhaft!“ Navis Miene leuchtete auf vor Begeisterung, doch dann trübten sich ihre Gesichtszüge wieder. „Aber die Flasche ist viel zu schwer für mich. Die kriege ich niemals bis zu Ganondorfs Festung herüber geschleppt…“ Ein schelmisches Funkeln trat in Asas Augen, als sie Navi spielerisch tadelte: „Na, na! Du vergisst, wem du gegenüberstehst.“ Als die Fee sie daraufhin verständnislos ansah, lächelte die Hexe nur und sagte: „Du wirst die Flasche nur kurz festhalten und an deinen Freund denken müssen. Denk ganz fest an ihn, so dass du ihn regelrecht vor dir siehst.“ Navi war noch immer hochgradig irritiert, klammerte sich aber ohne weitere Fragen an die warme Flasche und kniff die Augen zusammen, um sich besser auf ein Bild von Link konzentrieren zu können. Dann spürte sie wie sie mit etwas pudrigem bestäubt wurde und hörte Asa leise murmeln: „Hylia, Göttin von Zeit und Raum, Mutter unseres Landes, trag dein Kind auf Windesschwingen an den Ort, den sein Herz begehrt.“ Die alte Hexe schnippte mit den Fingern und plötzlich schien alles Licht der Welt um Navi herum zu explodieren. Die Fee fühlte sich als wäre sie auf einmal in der Mitte eines Strudels und sie klammerte sich mit aller Kraft an die Flasche mit dem blauen Elixier. Nur Sekunden später schien sich die Welt um die Fee herum wieder beruhigt zu haben, aber sie traute sich nicht, die Augen aufzuschlagen, bis sie Links irritierte Stimme hörte: „Navi?!“ Vorsichtig hob die Angesprochene ein Augenlid und entdeckte ihren Schützling, der gegen die Wand gelehnt auf dem Boden saß und offenbar gerade eine Rast eingelegt hatte. Neben ihm stand eine fast gänzlich geleerte Flasche Lon-Lon-Milch und auf seinem Schoß hatten sich einige Brotkrumen gesammelt. Bei seinem Anblick drückte sich ein Schluchzer Navis Kehle hinauf – zum einen vor Erleichterung, dass sie es endlich zu ihm zurück geschafft hatte, zum anderen, weil er wahrhaft übel zugerichtet aussah. Sein Gesicht war über und über mit kleinen Kratzern bedeckt und zusätzlich durch vier tiefe Schnitte entstellt, auf seiner Schulter klaffte offensichtlich eine Bisswunde und das rohe Fleisch seines verbrannten Armes, den er wieder aus dem provisorischen Verband befreit hatte, um etwas Luft an die Wunde zu lassen, sah bereits leicht entzündet aus. Gegen Tränen anblinzelnd flog Navi zu ihrem Freund herüber und verkündete strahlend: „Ich hab dir blaues Elixier mitgebracht!“ Der Herr der Zeiten nahm ihr die Flasche ab, sobald sie in Reichweite war und betrachtete sie mit einem fragenden Ausdruck in den Augen. „Äh… danke, nehm ich an. Aber was genau ist blaues Elixier?“ Bei der verwunderten Miene ihres Schützlings musste Navi unwillkürlich lachen. Sie war unendlich froh, dass sie es noch rechtzeitig zu ihm zurück geschafft hatte! Wenn Ganondorf endlich besiegt war, würde sie zu Asa zurückkehren und sich gebührend bedanken! Nachdem ihr Anfall spontanen Amüsements vorüber war, erklärte Navi Link schnell, was blaues Elixier war und wie sie überhaupt an soetwas Seltenes gekommen war. Während er ihr zuhörte, weiteten sich Links Augen immer mehr und er ballte wütend die Hände zu Fäusten. „Diesem Zauberladen-Heini werd ich was erzählen, wenn wir das nächste Mal in Kakariko sind!“ Navi schmunzelte über seine Worte und deutete dann auf die Flasche in seinen Händen. „Mach dir darüber mal keinen Kopf. Ich hab es ja trotzdem geschafft, zurückzukommen. Trink lieber dein Elixier.“ Irgendwie hatte Navi fast damit gerechnet, dass Link noch ein wenig über den Ladenbesitzer schimpfen würde, aber stattdessen setzte er die Glasflasche mit dem blauen Inhalt an seine Lippen und trank sie in einem Zug halb leer. Dann verzog er angewidert das Gesicht und machte ein würgendes Geräusch, wobei er die Zunge herausstreckte. Navi bemerkte amüsiert, dass die Oberfläche seiner Zunge nun leicht blau war. „Uargh… Das schmeckt ja wirklich schauderhaft…“ Link schüttelte sich heftig, aber jeder Gedanke an den Geschmack des Gebräus war vergessen, als sich seine Wirkung zeigte. Innerhalb von Sekunden hatten sich sämtliche Wunden geschlossen. Dort, wo noch einen Augenblick zuvor rohes Fleisch zu sehen gewesen war, zeigte sich nun neue, zart rosafarbene Haut. „Es mag widerwärtig schmecken, aber es wirkt“, stellte Navi überflüssigerweise fest und lächelte ihren Schützling breit an. Dieser starrte fasziniert auf die Flasche in seinen Händen und rief: „Das ist ja ein tolles Zeug!“ Dann schien ihm plötzlich etwas einzufallen und er verstaute das Elixier schnell im Wunderbeutel. Im Austausch holte er dabei den zweiten Handschuh, den er in der Kammer der Schatten gefunden hatte, wieder hervor. Als Navi den neuen Ausrüstungsgegenstand sah, klappte ihr der Mund auf und sie stieß verblüfft aus: „Wo hast du denn die Titanenhandschuhe gefunden?! Ich wusste nicht mal, dass es sie tatsächlich gibt und sie nicht nur ein Märchen sind!“ Link betrachtete seine neuen, goldenen Handschuhe mit verhaltenem Interesse und zuckte dann mit den Schultern. „Hab sie in der Schattenkammer gefunden.“ Navi sah ihn entgeistert an. „Ganondorf lässt die Titanenhandschuhe einfach unbewacht herumliegen? Die Titanenhandschuhe?! Und was viel wichtiger ist“, fügte sie aufgebracht hinzu, „du ziehst einfach so einen Ausrüstungsgegenstand an, den du in der Festung deines Erzfeindes findest?“ Der Herr der Zeiten sprang lachend auf die Füße. Er fühlte sich plötzlich wieder ganz wunderbar, so als hätte das blaue Elixier nicht nur seine Wunden geheilt sondern auch seine geistigen Reserven wieder ein bisschen aufgefüllt. „Ich hatte meine Gründe“, versicherte er seiner Fee, die ihn noch immer fassungslos anstarrte. „Außerdem ist alles gut gegangen. Also hör auf, dich aufzuregen und komm lieber mit. Wir haben ein Kraftfeld zu brechen!“ Mit diesen Worten lief Link beschwingt in Richtung des Feuer-Raums davon und Navi musste sich sputen, ihn wieder einzuholen. Glücklicherweise hatte die Feuerkammer keine weiteren Überraschungen mehr auf Lager und Link konnte das Medaillon des Feuers problemlos an sich nehmen, nachdem er den störenden Felsblock aus dem Weg geräumt hatte. Kaum, dass sich seine Finger um das Medaillon geschlossen hatten, ertönte Darunias Stimme hinter seiner Stirn: „Jetzt hast du es fast geschafft, Bruder.“ So schnell er konnte, setzte Link auch noch das letzte Medaillon in die dafür vorgesehene Vertiefung ein und beobachtete mit einiger Genugtuung wie das Kraftfeld in sich zusammenfiel. Jetzt konnte es endlich weitergehen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)