Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 58: Die Regenbogenbrücke -------------------------------- „Hey, Link, jetzt bleib doch mal für einen Moment stehen und lass uns in Ruhe überlegen, was wir jetzt tun sollten.“ Navi, die dem rastlos am Rand des Lavagrabens auf und ab laufendem Herrn der Zeiten bis jetzt stetig hinterher geflogen war, ließ sich erschöpft auf einen großen Felsblocken sinken und sah ihren Schützling besorgt an. Seit Ganondorf Zelda entführt hatte, war Link wie von Sinnen. Obwohl die Hitze, die von dem flüssigen Gestein unter ihnen ausging, die Luft trocken und schwer zu atmen machte, hatte der junge Mann sich in der letzten Stunde noch keine Pause gegönnt. Der Schweiß lief ihm in breiten Bahnen über den Körper und färbte seine rote Tunika dunkel, aber Link schien dies überhaupt nicht zu bemerken. Stattdessen tigerte er unruhig hin und her und murmelte unablässig vor sich hin: „Es muss einen Weg auf die andere Seite geben – Ganondorf und seine Lakaien können die Festung ja auch irgendwie betreten…“ Navi seufzte tief auf, als ihr bewusst wurde, dass ihr Freund sie überhaupt nicht gehört hatte. Er war derart in seine eigenen Gedanken vertieft, dass er ihre Anwesenheit vollkommen ausblendete. Die Fee ließ ihren Blick auf die andere Seite des Lavagrabens wandern und überlegte, ob sie ein weiteres Mal herüberfliegen und nach einem Schalter oder dergleichen suchen sollte, der die Zugbrücke ausfahren würde. Gleich, nachdem sie an Ganondorfs Festung angekommen waren, hatte Link sie mit diesem Auftrag hinüber geschickt, aber sie war erfolglos zurückgekehrt, weil sie nichts hatte entdecken können. Aber vielleicht war sie nicht gründlich genug gewesen…? Gerade, als Navi sich wieder in die Lüfte schwingen wollte, passierte jedoch, wovor sie sich schon seit Minuten gefürchtet hatte: Link, der vor Ungeduld immer näher an den Rand des Lavagrabens gerückt war, trat auf einen losen Stein und drohte in die Tiefe zu stürzen. Navi streckte reflexartig einen Arm nach ihm aus, obwohl sie ihn niemals hätte halten können, und schrie: „NEIN!“ Link ruderte wie wild mit den Armen und versuchte verzweifelt, sein Gleichgewicht wiederzufinden – doch ohne Erfolg… Nach nur wenigen Sekunden siegte die Schwerkraft und sein Körper wurde in die Tiefe gerissen. Seltsam unbeteiligt bemerkte Link, dass die Zeit plötzlich langsamer zu laufen schien, und dachte, dass er nie in Erwägung gezogen hatte zu verbrennen. Obwohl der Gedanke an den eigenen Tod schon seit langem ein stetiger Begleiter war, war ihm nie in den Sinn gekommen, dass er auf andere Weise sterben könnte als von einem Gegner niedergestreckt zu werden oder bei einer seiner waghalsigen Klettertouren in die Tiefe zu stürzen. Verbrennen… Ein grausamer Tod… Ihm würde zunächst die Haut schmelzen, bevor Fleisch und Knochen Feuer fangen würden. Er konnte nur hoffen, dass die plötzliche Hitze der Lava seinem Körper einen derartigen Schock versetzen würde, dass er augenblicklich das Bewusstsein verlor. Wie aus weiter Ferne nahm er wahr, dass Navi sich am Rand des Grabens die Seele aus dem Leib schrie und dann in lautes Schluchzen ausbrach. Es tat ihm leid, dass sie seinetwegen so litt. Er wollte sich entschuldigen… Dann schlug er plötzlich auf etwas Hartem auf und ihm wurde die Luft aus den Lungen gepresst. Aber abgesehen davon passierte… nichts. Weder verlor er das Bewusstsein noch wand er sich vor Hitze und körperlichen Qualen. Sollten die Göttinnen trotz seines Versagens so gnädig gewesen sein, ihm einen derart schellen, schmerzlosen Tod zu gewähren? Blinzelnd schlug der Recke die Augen, die er ängstlich zusammengekniffen hatte, wieder auf und erschrak heftig. Er schwebte einige Meter über der Lavaoberfläche in der Luft! Aber er war doch auf harten Untergrund aufgeschlagen, das hatte er deutlich gespürt… Wie war das möglich? Nur mit Verzögerung nahm der junge Held war, dass sein Blick hinab auf die Lava nicht klar, sondern von einem milchig-weißen Schleier getrübt war. Doch bevor er sich darüber Gedanken machen konnte, warf sich ihm plötzlich Navi gegen die Wange und schlug mit ihren zierlichen Fäusten auf ihn ein. „Du Dummkopf! Du unvorsichtiger, leichtsinniger, kopfloser Dummkopf!“ Bunt schillernde Tränen rannen ihr übers Gesicht und ihr schmaler Körper erbebte unter heftigen Schluchzern. „Ich… Es… Es tut mir leid“, stammelte Link eine Entschuldigung, während er noch immer zu verstehen versuchte, was passiert war. Warum zum Deku lebte er noch? Hatte Navi ihn mit einer Art Feenzauber gerettet? Gerade, als er seine Begleiterin danach fragen wollte, nahm er aus dem Augenwinkel plötzlich eine Bewegung wahr und drehte den Kopf. Auch Navi, die noch immer laut schniefte, sah sich um und keuchte überrascht auf. Vom Himmel her schwebten sechs verschiedenfarbige Lichtkugeln zu ihnen herab, die Link und Navi sehr vertraut vorkamen: die Weisen! Kaum, dass sie die gleiche Höhe wie die beiden Abenteurer erreicht hatten, nahmen die Lichtwesen ihre früheren Gestalten an und betrachteten den Herrn der Zeiten mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken. Während Rauru missbilligend aus der Wäsche blickte, schien Darunia nur schwer ein Lachen unterdrücken zu können. Impa wirkte als sei sie mit den Gedanken bereits wieder bei Zelda und kümmere sich nicht um das Missgeschick ihres Helden. Naboru sah aus als würde sie sich fremdschämen und Salia und Ruto zeigten einen Ausdruck tiefster Erleichterung. Vorsichtig und langsam rappelte sich Link auf, damit er den Weisen nicht kniend begegnen musste und sah seine früheren Freunde fragend an. Als hätte sie seine Gedanken gelesen, erklärte Salia: „Wir haben unsere Kräfte vereinigt, um eine unsichtbare Brücke zu erschaffen. Du kommst jetzt ohne weitere Probleme auf die andere Seite.“ Link nickte als würde er verstehen und schob zaghaft einen Fuß nach vorn. Trotz Salias Worte erwartete ein Teil von ihm, wieder in die Tiefe zu stürzen. „Das kommt ja reichlich früh!“, giftete Navi, der der Schrecken noch immer tief in den Gliedern saß. „Hättet ihr euch nicht nützlich machen können, bevor Link beinah in den Tod gestürzt und ich vor Angst fast gestorben wäre?!“ Raurus missbilligende Miene verfinsterte sich noch und Link suchte verzweifelt nach Worten, die den Angriff seiner Fee abmildern würden, als Ruto entgegnete: „Wir haben so früh geholfen wie wir konnten, aber derartige Wunder brauchen eben ihre Zeit.“ „Genau. Außerdem mussten wir noch einiges für den finalen Kampf gegen Ganondorf vorbereiten“, pflichtete Naboru bei. „Was genau wollt ihr eigentlich tun, um mich dabei zu unterstützen? Rauru sagte damals, die Weisen würden dem Herrn der Zeiten zur Seite stehen, aber Zelda sagte vorhin, ihr würdet Ganondorf lediglich ins Schattenreich bannen – im Kampf selbst wäre ich jedoch auf mich allein gestellt. Ehrlich gestanden fühle ich mich ziemlich im Stich gelassen!“ Link biss sich auf die Zunge und wünschte augenblicklich, er könnte seine Worte zurücknehmen. Er schämte sich für seinen Ausbruch und hatte das Gefühl nicht das Recht zu haben, so mit den Weisen zu sprechen. Trotzdem erforderte es eine Menge Willenskraft, seine ehemaligen Freunde nicht lauthals anzuschreien, warum sie ihn allein gelassen hatten! Bis zu diesem Moment war ihm überhaupt nicht bewusst gewesen, wie verbittert er war und wie sehr er sich von den Weisen allein gelassen fühlte. Trotz aller Versicherungen, die Weisen sollten den Herrn der Zeiten unterstützen, hatten sie nie wirklich etwas für ihn getan. Navi war die Einzige gewesen, die stets an seiner Seite gewesen war und ihm Mut gemacht hatte, wenn er am Verzweifeln war. Selbst Salia, seine beste Freundin, hatte im Kampf gegen die Twinrova bis zur letzten Sekunde gewartet, bevor sie sich bemerkbar gemacht hatte! Plötzlich wurde ihm bewusst wie verraten und ausgenutzt er sich fühlte. Zelda hatte ihn über Monate hinweg belogen und in der Gestalt des Shiek mit seinen Gefühlen gespielt. Wie viel Selbstzweifel und Pein hätte sie ihm ersparen können, wenn sie sich ihm von Anfang an offenbart hätte? Und seine besten Freunde hatten ihn die ganze Zeit über beobachtet, aber nie Kontakt zu ihm aufgenommen, obwohl sie es problemlos gekonnt hätten wie er inzwischen wusste. Während die Weisen angesichts von Links wütendem Ton besorgte Blicke wechselten, beschloss der junge Mann, fortzugehen, sobald er seine Pflicht erfüllt hätte. Er wusste zwar nicht, wohin er gehen sollte, aber er spürte deutlich, dass er nicht in Hyrule bleiben wollte… Navi, die den Zorn und die Verbitterung ihres Freundes gut nachfühlen konnte, blickte zornig von einem schweigenden Weisen zum anderen. „Keine Antwort? Heißt das, ihr wollt einfach die Hände in den Schoß legen und wieder einmal tatenlos zuschauen wie Link sein Leben riskiert?!“ Salia zog ein Gesicht als breche ihr das Herz und sie öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, aber Rauru schnitt ihr das Wort ab: „Wir sind nicht hier, um uns vor dem Herrn der Zeiten zu rechtfertigen. Jeder von uns spielt seine Rolle in diesem Stück so gut er kann und nur, wenn wir uns alle an die uns zugewiesenen Aufgaben halten, können wir Hyrule noch retten. Also hört endlich auf, euch selbst zu bemitleiden und setzt euren Weg fort. Ganondorf wird mit jeder Sekunde mächtiger und für uns wird es auch wieder Zeit, ins Heilige Reich zurückzukehren. Sobald Link auf der anderen Seite ist, werden wir uns wieder zurückziehen und die von uns errichtete Brücke hinter ihm abbrechen.“ Navi wurde angesichts von Raurus kleiner Ansprache dermaßen zornig, dass ihr der Atem stockte und ihr gesamter Körper dunkelrot anlief. Am liebsten hätte sie ihn mit wüsten Beleidigungen und Verwünschungen überschüttet, aber Link neben ihr wurde plötzlich stocksteif und entgegnete eisig: „Natürlich, Weiser des Lichts. Ich werde meine Rolle erfüllen – nur keine Angst.“ Dann wandte er sich ruckartig ab und stakste auf unsicheren Beinen auf den Eingang zu Ganondorfs Festung zu. Salia stellte sich ihm in den Weg und schien ihn aufhalten zu wollen, doch Link schritt einfach durch sie hindurch. Trotz der unbändigen Wut, die Navi in diesem Moment den Weisen gegenüber empfand, zerriss es ihr bei diesem Anblick das Herz. Salia blickte Link mit so viel Schmerz in den Augen hinterher, dass die Fee am liebsten zu ihr herübergeflogen wäre, um sie zu trösten. Link jedoch wandte sich nicht einmal mehr um, als er das andere Ende der Brücke erreicht hatte. Stattdessen sprach er über die Schulter hinweg: „Gut, ich bin jetzt drüben. Ihr könnt in die Halle der Weisen zurückkehren.“ Dann fügte er mit beißendem Zynismus, sodass jede Silbe ein Dolchstoß in die Herzen seiner Freunde war, an: „Oh, und natürlich vielen Dank für meine Rettung. Wirklich, sehr uneigennützig von euch!“ Navi, die noch immer zwischen den Weisen in der Luft schwebte, beobachtete nachdenklich, wie Link anschließend durch das Eingangsportal der Festung schritt, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Vielleicht, überlegte sie, sollte sie ihn zurückhalten. Sie konnte seine Gefühle gut verstehen, aber sie war sich ebenso sicher, dass er es früher oder später bereuen würde, wenn er seine Freunde nun verstieß. Rauru hatte sich bereits wieder in eine Lichtkugel verwandelt und schwebte gen Himmel. Die anderen Weisen folgten ihm jedoch nur zögernd. Die meisten schienen sich eine Aussprache mit Link zu wünschen, doch in einem Punkt hatte der Weise des Lichts tatsächlich Recht: die Zeit drängte. Also verließen auch die anderen einer nach dem anderen diese Welt und kehrten in den Tempel des Lichts zurück. Salia blieb am längsten und blickte unendlich traurig auf den dunklen Torbogen, durch den Link verschwunden war. Dann seufzte sie schließlich auf und wandte sich an Navi, die noch immer wie gelähmt an ihrem Platz verharrte: „Pass gut auf ihn auf.“ Bevor die Fee etwas erwidern konnte, verwandelte sich auch die Weise des Waldes in einen Lichtball und schickte sich an, ins Heilige Reich zurückzukehren. Kaum, dass die letzte Weise diese Welt verlassen hatte, leuchtete die bislang unsichtbare Brücke in bunten Farben auf, sodass es für einen Moment aussah als sei der Lavagraben von einem Regenbogen überspannt. Dann zersprang die Regenbogenbrücke plötzlich in Scherben und fiel in die Lava, wo die einzelnen Bruchstücke langsam versanken. In einem Anflug von Wehmut dachte Navi, dieser Anblick sei eine treffende Analogie für das Leben, das Link und sie bislang geführt hatten. Am Ende zerfiel alles zu Scherben… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)