Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 56: Die Weise der Geister --------------------------------- Navi lief noch immer unruhig auf und ab und knabberte vor Nervosität an den Fingernägeln, als plötzlich eine orangefarbene Lichtkugel aus Naborus Körper emporstieg und die Konturen der Gerudo annahm. Vingors Lippen umspielte ein väterliches Lächeln, während Navi die Weise der Geister zunächst vollkommen konsterniert anstarrte und dann einen Freudenschrei ausstieß: „Er hat es geschafft! Er hat es tatsächlich geschafft!“ Die Licht-Naboru sah sich irritiert in dem thronsaalartigen Raum um und fragte mit deutlicher Verwirrung und einem Hauch Angst in der Stimme: „Wo bin ich hier? Und wie bin ich überhaupt hierhergekommen?“ Dann entdeckte sie ihren unbewegt daliegenden Körper, unter dem sich eine beachtliche Blutlache ausgebreitet hatte, und stieß ein schrilles Kreischen aus: „Was ist mit mir passiert?!“ Anstatt ihr zu antworten, hob Navi lediglich die Hände vor sich als wolle sie die Gerudo notfalls mit Gewalt zurückhalten und sagte: „Wir werden dir alles erklären, aber zuerst muss ich Link holen. Nicht weggehen!“ Ohne Naborus Reaktion abzuwarten, wirbelte die Feenfrau herum und rannte den Flur herunter zu dem großen Saal, in dem der Kampf gegen die Twinrova stattgefunden hatte. Sie war derart ungeübt im Rennen, dass sie mehrfach stolperte und lang hinschlug, doch das hielt sie nicht auf. Selbst als sie sich auf dem Teppich das Knie aufschürfte, rappelte sie sich ihren kaputten Flügel verfluchend wieder auf und hastete weiter. Der Gang erschien ihr unendlich lang, aber nach einer guten Minute hatte sie den Saal endlich erreicht. Hektisch sah sie sich nach Link um, den sie anhand seiner Goronen-Rüstung als roten Fleck auf dem großen Mittelpodest ausmachen konnte. Schräg über ihm rieselte eine riesige Staubwolke langsam zu Boden. Obwohl Navi bereits jetzt das Gefühl hatte, ihre Lunge würde wegen der ungewohnten Rennerei jeden Augenblick platzen, rief sie: „Link, du Teufelskerl! Du hast es geschafft!“ Der Link-Klecks schien den Kopf zu heben, sank jedoch kurz darauf völlig in sich zusammen wie ein Daunenkissen, das Federn verlor. Bei diesem Anblick blieb Navi das Herz stehen und sie bremste stolpernd ab. War Link womöglich verletzt? Tödlich verletzt?! Vor lauter Freude über seinen Sieg hatte sich Navi gar keine Gedanken um den Zustand ihres Freundes gemacht… Sie wollte bereits zurückhetzen, um Vingor zu holen, als sie eine Stimme hörte. Zwar konnte sie nur undeutliches Gemurmel verstehen, aber dieser Klang hatte sich tief in ihre Erinnerungen gebrannt: Koume, eine der Twinrova! Aber wie war das möglich? Sie hatte mit eigenen Augen gesehen wie der Bann, der auf der Weisen der Geister gelegen hatte, gebrochen war. Das konnte doch nur bedeuten, dass die Hexen besiegt waren – oder nicht? Reichte womöglich der Tod einer Hexe bereits aus, um den Bann zu brechen? Doch dann ertönte auch Kotakes Stimme und Navi verstand die Welt nicht mehr. Sie war sich so sicher gewesen… Die Verblüffung und Enttäuschung klebten Navi am Boden fest und sie vergaß für einen Moment, dass sie Vingor hatte holen wollen. Stattdessen starrte sie auf die sich noch immer lichtende Staubwolke und versuchte zu begreifen, was vor sich ging. Dabei lauschte sie angestrengt auf die Worte der Hexenschwestern, die sich lauthals zu streiten schienen, doch die wiedererwachte Stimme des Tempels flüsterte nahezu ununterbrochen dazwischen, sodass Navi von beidem nur Bruchstücke verstand. Genervt warf die junge Fee die Arme in die Luft und stieß einen Laut der Frustration aus. Das Ganze war doch zum aus-der-Haut-Fahren! Alles an diesem Tempel verhielt sich als wäre der auf ihm lastende Bann der Twinrova gebrochen – dabei waren die zwei ganz offensichtlich noch immer da! Navi konnte inzwischen, da sich der Staub ein wenig gelegt hatte, sogar ihre Gestalten über Link in der Luft schweben sehen! Doch irgendetwas an ihrem Erscheinungsbild war merkwürdig… Navi konnte nur nicht sagen, was. Der Link-Klecks rührte sich nicht, als hätte er aufgegeben oder wäre sich der Anwesenheit der Hexen nicht bewusst. Sorge schnürte seiner Fee die Kehle zu und sie musste einen dicken Kloß herunterschlucken, bevor sie aus vollen Lungen schreien konnte: „Pass auf, Link!“ Hoffentlich konnte er sie hören und war nicht zu schwer verletzt… Navi überlegte fieberhaft, was sie tun konnte, um ihrem Schützling zu helfen, wurde jedoch jäh in ihren Grübeleien unterbrochen, als Link plötzlich in schallendes Gelächter ausbrach. Im ersten Moment fragte Navi sich, ob ihr Freund womöglich vor Angst den Verstand verloren hatte – so hysterisch klang sein Gelächter. Nach und nach verlor sich dieser Unterton jedoch und ließ nichts übrig als befreites, glückliches Lachen, was Navi zunächst noch mehr verwirrte. Als sie kurz darauf bemerkte, dass sich die Körper der Hexen allmählich auflösten, wurde ihr allerdings schnell klar, weshalb ihr Freund lachen musste und stimmte sogar mit ein. Geister! Die Twinrova waren nur noch Geister gewesen! Jetzt machte auf einmal alles wieder Sinn: der offenbar gebrochene Fluch und das Merkwürdige am Erscheinungsbild der Hexen, das Navi zuvor nicht hatte benennen können. Jubelnd lief die Feenfrau auf das mittlere Podest zu, um ihrem Schützling zu seinem Sieg zu gratulieren und ihm zu erzählen, dass es funktioniert hatte: die Weise der Geister war befreit worden und nun bereit, ihre Pflicht im Heiligen Reich zu erfüllen. Nach wenigen Schritten blieb Navi jedoch schon wieder stehen, als ihr einfiel, dass sie Vingor hatte holen wollen, bevor die Stimmen der Twinrova sie aus dem Konzept gebracht hatten. Link könnte verletzt sein! Bevor sie in Richtung Thronsaal davonstürzen konnte, kam Link allerdings wieder auf die Füße und machte sich so behände an den Abstieg, dass Navi ein Stein vom Herzen fiel. Wer sich so geschmeidig bewegte, konnte nicht schwer verletzt sein. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht rannte die Fee auf ihren Freund zu, um mit ihm gemeinsam seinen Sieg zu feiern. Unterdessen hatte Link arge Probleme, an der Außenseite des Podests wieder hinabzuklettern. Seine Knie waren noch immer so weich wie Pudding und seine Hände zitterten so sehr, dass er sich kaum festhalten konnte. Entsprechend froh war er, als er endlich den Boden erreicht hatte. Kaum hatte er den zweiten Fuß auf die Steinfliesen gestellt, warf sich ein leichtes Gewicht gegen seinen Stiefelschaft und eine wohl vertraute Stimme rief aufgeregt: „Du Teufelskerl! Du hast es wirklich geschafft!“ Link beobachtete lächelnd wie Navi an seiner Kleidung empor zu ihrem Stammplatz auf seiner Schulter kletterte und bedauerte die winzige Körpergröße seiner Fee. Wie gerne hätte er sich in diesem Moment von seiner Freundin in die Arme schließen und ein wenig halten lassen! Stattdessen musste er sich damit begnügen, dass Navi sich in seine Halsbeuge kuschelte… Nachdem sie ihn auf diese Weise ein paar Herzschläge lang an sich gedrückt hatte, sah die Feenfrau zu dem Gesicht ihres Schützlings auf und sagte: „Nicht, dass ich je an deinen Fähigkeiten gezweifelt hätte, aber wie hast du die Twinrova besiegen können?“ Der Herr der Zeiten zuckte leicht mit den Achseln und antwortete: „Streng genommen war ich das gar nicht.“ Mit diesen Worten zog er den vollkommen ramponierten Spiegelschild hervor und zeigte ihn Navi. Von der einstmals wunderschönen Spiegeloberfläche waren nur noch Splitter übrig, die wie Zahnstummel im Mund einer alten Vettel im Rahmen stecken geblieben waren. Dort, wo das Kernstück des Schilds gesessen hatte, war die rubinrote Fassung von pechschwarzen Brandflecken übersät und warf stellenweise sogar Blasen. Navi riss bei diesem Anblick ungläubig die Augen auf. „Wie…?“ Mehr als dieses eine Wort brachte sie nicht hervor, aber es reichte aus, damit Link sie verstand. Langsam auf den Thronsaal zusteuernd, wo sie Vingor und Naborus Leiche zurückgelassen hatten, erzählte der junge Krieger seiner Fee, was passiert war, nachdem sie ihn verlassen hatte. Je weiter Link in seiner Erzählung fortschritt, umso größere Augen machte die Feenfrau. Obwohl die die Twinrova schon immer gefürchtet hatte, hätte Navi sich niemals träumen lassen, dass die Hexenschwestern die Fähigkeit besessen hatten, sich zu einem Wesen zu verschmelzen. Nachdem Link seinen Bericht beendet hatte, betrachtete Navi den ruinierten Spiegelschild, den Link noch immer in den Händen hielt und vor sich her trug, mit traurigen Blicken und sagte dann lächelnd: „Es ist wirklich schade um das gute Stück… Aber wenn es dir das Leben gerettet hat, dann soll’s mir recht sein.“ Der Herr der Zeiten wollte seine Fee gerade fragen, ob sie eine Idee hatte, woher Salia und Darunia gewusst hatten, dass er ihren Zuspruch nötig gehabt hatte, als Stimmengewirr erklang. Alarmiert ließ Link die Überreste des Spiegelschilds fallen und rannte die letzten Meter des Flurs zum Thronsaal herab. Navi war bei der plötzlichen Bewegung von seiner Schulter gefallen, hatte sich aber noch an seiner Tunika festhalten und vor einem Sturz in die Tiefe bewahren können. Nun versuchte sie, wieder auf ihren Stammplatz zu gelangen und ihrem Schützling gleichzeitig zu versichern, dass keine Gefahr drohte. Doch bevor die Feenfrau einen vollständigen Satz zustande gebracht hatte, blieb Link kabrupt stehen und betrachtete zunächst irritiert, dann amüsiert die sich ihm bietende Szene: Naboru hatte Vingor in eine Ecke gedrängt und verlangte lauthals von ihm zu erfahren, was mit ihr geschehen war, während der Feenweise abwehrend die Hände vor sich hielt und ihr immer wieder mit panischem Unterton versicherte, er habe keine Ahnung. Links Stimme vibrierte vor unterdrücktem Lachen, als er sagte: „Du solltest ihm glauben, Naboru, auch wenn er ein Mann ist. Er weiß wirklich nichts.“ Die Gerudo wirbelte mit angriffslustiger Miene zu ihm herum und funkelte ihn zornig an. Link war sich sicher, hätte sie noch ihren Bogen besessen, sie hätte in diesem Moment damit auf sein Herz gezielt. Navi, die inzwischen wieder Links Schulter erklommen hatte, blickte unruhig zwischen Naboru und Link, die sich stumm anstarrten als wollten sie die Stärke des jeweils anderen abschätzen, hin und her und fragte sich, ob ein Weiser auch nach seiner Erweckung noch sein Schicksal und seine Pflicht ablehnen konnte. Naboru sah in diesem Moment jedenfalls alles andere als bereit aus, sich ins Heilige Reich zu begeben. Vingor drückte sich unterdessen mit dem Rücken an der Wand entlang aus der Ecke, murmelte etwas davon, dass er offenbar nicht mehr gebraucht würde und verschwand mit beeindruckender Geschwindigkeit aus dem Saal. Anscheinend hatte Naboru ihn zu Tode erschreckt. Diese brach zur allgemeinen Überraschung auf einmal in Lachen aus und rief: „Bist du das, Kleiner?“ Der Herr der Zeiten nickte und Naboru klatschte begeistert in die Hände, während Navi erleichtert aufatmete. Sie wusste nicht, zu wie viel die Weisen in ihrer Lichtgestalt fähig waren, hatte bei der Wut, die zuvor in den Augen der Gerudo gebrannt hatte, jedoch mit dem Schlimmsten gerechnet. Nun schien sie Link zumindest nicht mehr an die Gurgel gehen zu wollen… Naboru legte den Kopf schief und betrachtete den jungen Mann vor sich mit neuem Interesse, bevor sie bewundernd sagte: „Sieh dich an, Kleiner! Wie groß du geworden bist! Ich sehe dich noch genau vor mir wie wir uns damals getroffen haben – du warst noch so jung und hast trotzdem dermaßen entschlossen gewirkt, dass es mich beeindruckt hat.“ Dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck plötzlich und sie wirkte auf einmal viel jünger und verletzlicher, als sie fragte: „Hast du… Hast du sie eigentlich je…?“ Link nickte erneut und hob eine Hand damit Naboru seinen Handschuh besser sehen konnte. „Es tut mir leid, dass ich sie dir nie gebracht habe.“ Trauer legte sich auf das Gesicht der Gerudo, aber sie schüttelte nur den Kopf und betrachtete ihre eigenen Hände. „Das ist schon in Ordnung. Wie es aussieht, hätten sie mir sowieso nicht gepasst.“ Sie stieß einen langgezogenen Seufzer aus und fügte leise murmelnd an: „Mir hätte klar sein müssen, dass sie für Männer gemacht sind…“ Sie klang frustriert. „Wir wollten sie dir bringen!“, stellte Navi schnell klar, damit Naboru nicht auf die Idee kam, von einem Mann übers Ohr gehauen worden zu sein. So wie die Fee die Gerudo einschätzte, hätte diese eine solche Tat niemals verziehen – erst recht keinem Mann. Den Blick stur zu Boden gerichtet fragte Naboru: „Ach ja? Was hat euch aufgehalten?“ „Die Twinrova.“ Links Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Er wusste nicht, an wie viel Naboru sich aus den letzten sieben Jahren erinnern konnte, und wollte keine unangenehmen Bilder heraufbeschwören. Dennoch riss die Gerudo den Kopf wieder hoch und starrte Link mit einem entsetzten Ausdruck an. „Ja! … Jetzt, wo du es sagst… Ich erinnere mich daran, dass ich Gelächter gehört habe, während ich in der Eingangshalle auf euch gewartet habe. Ich wollte nachsehen, woher es kam, aber dann…“ Sie stockte kurz als müsste sie ihre Gedanken ordnen und fuhr dann fort: „… aber dann kamen die alten Hexen plötzlich durch ein Loch in der Decke und stürzten sich auf mich. Ich bin aus dem Tempel gerannt und gestolpert…“ Link fragte sich, ob sie hinter ihren geschlossenen Augen die Bilder der Vergangenheit sah und auf diese Weise ihre Entführung erneut durchlebte. Auch Navi zog ein mitfühlendes Gesicht, das deutlich verriet, dass sie nachfühlen konnte wie schwer Naboru das Erinnern fallen musste. Diese erzählte unterdessen mit zitternder Stimme weiter: „… Ich hab dich meinen Namen rufen hören und habe mich nach dir umgesehen, aber dann kam eine der Hexen mit erhobenem Zauberstab auf mich zu und dann…“ Naboru zog die Augenbrauen zusammen und schien an einem imaginären Hautfetzen an ihrem Daumen zu knibbeln, während sie angestrengt nachdachte. Nach einer Weile schüttelte sie frustriert den Kopf und ließ die Schultern hängen. „Nichts! Danach erinnere ich mich an absolut nichts mehr…“ Der mitfühlende Ausdruck auf Navis Gesicht intensivierte sich noch. Sie konnte sich gut vorstellen, wie erschreckend es sein musste, an einem unbekannten Ort zu sich zu kommen und nicht zu wissen, wie man dorthin gekommen war – vor allem, wenn man dann auch noch seine eigene Leiche entdecken musste. Wieder drängt sich der Fee eine Frage auf, die sie bereits seit Langem beschäftigte: Verloren die Weisen und der Herr der Zeiten ihre Erinnerungen, wenn sich ihre Seelen in die Körper von Neugeborenen einnisteten? Link hatte zwar erzählt, dass er während seines siebenjährigen Schlafes Bilder aus vergangenen Leben gesehen hatte, aber weder er noch die erweckten Weisen schienen sich bewusst an irgendetwas vor dem aktuellen Leben zu erinnern. Navi dachte daran zurück, dass sie Link nach seinem Erwachen aus dem Bannschlaf erklärt hatte, in ihm würden zwei Seelen leben: die Seele des Sohnes seiner Eltern und die des Lichtwesens, das der Herr der Zeiten war. Heute glaubte sie nicht mehr an diese These… Inzwischen war sie vielmehr davon überzeugt, dass die Seelen der Lichtwesen die ihrer Wirtskörper ersetzten. Vielleicht bildete sich die Seele eines Lebewesens ja erst im Laufe der ersten Lebensjahre und bis dahin war jeder Körper ein leeres Gefäß, das die Lichtwesen gefahrlos besetzen konnten und so die Entwicklung einer eigenen Seele blockierten? Link befeuchtete unterdessen seine Lippen mit der Zungenspitze und erklärte Naboru in behutsamem Ton: „Die Twinrova haben dich gefangen genommen. Für die letzten sieben Jahre warst du ihre Geisel.“ Die Gerudo riss die Augen auf und fragte entsetzt: „Sieben Jahre?! Wie geht es meinen Mädchen?“ „Dinah und den anderen geht es gut. Wir waren erst vor kurzem bei ihnen und ich habe sie mit eigenen Augen gesehen. Aus ihnen sind hervorragende Kriegerinnen geworden, die gut auf sich selbst aufpassen können“, beruhigte Link sie. Für einen Moment erwiderte Naboru das Lächeln, das um seine Lippen spielte. Dann schien sie jedoch zu erröten und fragte zögerlich: „Hab ich… habe ich… habe ich unter der Kontrolle der alten Hexen irgendetwas Grauenhaftes getan?“ Der Herr der Zeiten zog ein bedauerndes Gesicht und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich war selbst für sieben Jahre im Heiligen Reich gebannt und habe keine Ahnung, was in der Zwischenzeit passiert ist.“ Als Naboru daraufhin verwirrt blickte, deutete Link auf das Heft des Master-Schwerts, das über seine rechte Schulter hinweg lugte, und murmelte: „Offenbar hat das Ding so eine Art Altersfreigabe. Kein Gefuchtel mit dem heiligen Bannschwert vor der Volljährigkeit oder so…“ Naboru sah noch immer aus als verstünde sie kein Wort, doch sie deutete nur auf ihre sterblichen Überreste und fragte: „Und wie ist das passiert?“ Link öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn jedoch schnell wieder, als er es nicht über sich brachte, Naboru zu gestehen, dass er sie getötet hatte. „Du wurdest als Weise der Geister ins Heilige Reich berufen“, sprang Navi ihrem noch immer um Worte ringenden Schützling zur Seite, „und deine Seele musste für diese Reise ihren Körper verlassen.“ Naboru runzelte die Stirn und betrachtete skeptisch die große Blutlache unter ihrem Körper. Um ihr keinen Raum für unangenehme Fragen zu geben, redete Navi hastig weiter, während Link schuldbewusst auf seine Stiefelspitzen starrte: „Hyrule ist in den letzten Jahren in großes Unglück gestürzt worden. Das hylianische Königshaus ist gefallen und womöglich wurden all seine Angehörigen getötet, die Goronen wurden durch die Rückkehr des Feuerdrachen Volvagia beinah vollständig ausgelöscht und durch den Wasserdämon Morpha wurde das Reich der Zora von einer dicken Eisschicht überzogen – und das alles nur, weil der Großmeister des Bösen die schlimmsten Dämonenfürsten, die seit Anbeginn der Zeit in unseren Landen gewütet haben, wieder zum Leben erwacht hat.“ Die Gerudo sah geschockt aus, blickte aber noch immer ein wenig störrisch, ganz so als wollte sie fragen, was das alles mit ihr zu tun habe. Navi lehnte sich in ihrer sitzenden Position ein wenig nach vorn und fixierte ihr Gegenüber ganz genau – ihre nächsten Worte würden Naboru vollständig auf ihre Seite ziehen, da war sich die Fee sicher. Nach einer dramatischen Kunstpause fuhr sie mit eindringlicher Stimme fort: „Wir brauchen dich, Naboru! Ohne dich kann selbst der Herr der Zeiten Ganondorf nicht aufhalten!“ In den Augen der Gerudo blitzte etwas auf und ließ ihre Augen leuchten – wie ein Funke, der Feuer fing. „Ganondorf ist zum Großmeister des Bösen geworden?!“ „Ja.“ Link nickte und sah endlich wieder von seinen Stiefeln auf. „Er ist vor sieben Jahren ins Heilige Reich eingedrungen und hat das Triforce an sich gerissen. Glücklicherweise ist es bei seiner Berührung zerbrochen und er konnte nur ein Fragment des Götterrelikts an sich bringen. Deshalb haben wir noch eine Chance, ihn aufhalten zu können – aber dafür brauche ich die Hilfe von euch Weisen. Von allen sieben. Wenn nur einer fehlt, mindert das–“ Link wollte erklären, wie stark es seine Siegchancen gegenüber Ganondorf schmälern würde, sollte Naboru ihre Hilfe verweigern, doch die Gerudo fiel ihm rüde ins Wort: „Du? Wieso brauchst du meine Hilfe? Ich dachte, nur der Herr der Zeiten kann jetzt noch etwas gegen Ganondorf ausrichten.“ Link fragte sich, ob er angesichts dieser Frage beleidigt sein sollte, aber Naboru hatte nicht abwertend geklungen, lediglich ehrlich neugierig. Unterdessen antwortete Navi an seiner Stelle: „Weil Link der Herr der Zeiten ist! Nur er kann das Böse jetzt noch aufhalten.“ „Der Herr der Zeiten, hm?“ Naboru betrachtete Link mit einem merkwürdigen Blick, so als würde sie ihn zum ersten Mal wirklich wahrnehmen, und lächelte dann. „Du bist ja ein richtiger Held geworden, Kleiner. Das überrascht mich gar nicht.“ Der junge Mann errötete tief, während seine Fee zustimmend nickte und die Gerudo nachdenklich zur Decke aufsah. „Wenn ich so dringend gebraucht werde“, überlegte sie laut, „sollte ich mich wohl auf den Weg ins Heilige Reich machen – wir haben schon genug Zeit mit reden vergeudet.“ Mit diesen Worten verwandelte Naboru sich in eine orange Lichtkugel und schwebte davon, während ihre Stimme ein letztes Mal erklang: „Pass auf dich auf, Kleiner… nein, Link, Herr der Zeiten… Sag meinen Mädchen, dass ich stolz auf sie bin!“ Link und Navi sahen der Lichtkugel hinterher wie sie durch die Decke hindurch davonschwebte und fragten sich beide stumm für sich, ob sich das Schweben für die erweckten Weisen genauso natürlich anfühlte wie das Gehen in ihrer sterblichen Gestalt zuvor. Jedenfalls schien bisher keiner von ihnen Probleme gehabt zu haben, sich an die neue Daseinsform zu gewöhnen. Nach einer Weile warf Link seiner Fee einen Seitenblick zu und fragte: „Und wohin jetzt?“ Navi zuckte die Schultern und erwiderte seinen Blick mit einem ratlosen Gesichtsausdruck. Es war das erste Mal seit sie damals keine Ahnung gehabt hatten, wo sie den dritten Heiligen Stein suchen sollten, dass sie nicht wussten, wohin sie als nächstes gehen sollten. „Ich denke, wir sollten Dinah und den anderen erzählen, was mit Naboru geschehen ist. Bei der Gelegenheit können wir auch gleich Epona wieder abholen. Sie vermisst uns sicherlich schon schrecklich“, schlug Link vor. Zu ihrer eigenen Verwunderung wollte Navi widersprechen und stattdessen den Vorschlag machen, nach Shiek zu suchen. Vielleicht hatte der gerissene Shiekah ja inzwischen etwas über den siebten Weisen herausgefunden und wusste, wo man ihn suchen musste. Doch in dem Moment, in dem sie den Mund aufmachte, erklang plötzlich Raurus Stimme: „Gut gemacht, Herr der Zeiten!“ An Navis überraschtem Gesichtsausdruck konnte Link ablesen, dass sie den Weisen des Lichts ebenfalls hörte. Dieser sprach unterdessen weiter: „Du hast die Bannsiegel, die auf den fünf Türmen unserer Länder lasteten, gebrochen und die mit den heiligen Stätten verbundenen Weise erweckt. Deine Aufgabe ist beinahe erfüllt. Du musst nur noch den siebten Weisen finden und Ganondorf besiegen! Doch kehre zunächst in die Zitadelle der Zeit zurück. Dort erwartet dich jemand, der sich schon lange nach einem Treffen mit dir sehnt.“ Krieger und Fee verharrten noch eine Weile schweigend und warteten ab, ob Rauru noch etwas anfügen würde, aber der Weise des Lichts schien die Verbindung zu ihnen bereits wieder gelöst zu haben. Als sie sich sicher war, dass Rauru nichts mehr sagen würde, stieß Navi schnaubend Luft aus den Nasenlöchern und murrte: „‚Du musst nur noch Ganondorf besiegen‘ – der Alte hat ja echt Nerven! Als wäre ein Kampf gegen den Großmeister des Bösen nicht schwieriger als einem Kind die Bonbons zu klauen…“ Die Fee sah ihren Schützling erwartungsvoll an und hoffte zumindest auf ein Zucken seiner Mundwinkel, das ein unterdrücktes Lächeln andeuten würde. Link hatte ihr jedoch überhaupt nicht zugehört. Sein Herz pochte dermaßen heftig, dass das Rauschen seines Blutes so laut in seinen Ohren dröhnte, dass es jedes andere Geräusch übertönte. Konnte es sein? Hatte Rauru womöglich wirklich von Zelda gesprochen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)