Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 54: Das Geheimnis des Eisenprinzen ------------------------------------------ Durch die mit Silber- und Goldbeschlägen geschmückte Tür gelangten die zwei Abenteurer in einen mit rotem Teppich ausgelegten Flur, der sich in einer flachen Wendeltreppe nach oben bog und den beiden erschreckend vertraut vorkam. Während Link langsam die Stufen nach oben stieg, warf er seiner Fee mit grimmigem Gesichtsausdruck einen Seitenblick zu. „Denkst du dasselbe wie ich?“ „Ich denke schon.“ Navi nickte und erinnerte sich an die letzten beiden Male, die sie einen solchen Gang durchquert hatten. Am Ende dieser Flure hatte sie bisher jedes Mal ein von einem Eisenprinzen bewachter Thronsaal erwartet. Auf was sie wohl dieses Mal stoßen würden? Vor der in den nächsten Raum führenden Tür blieb Link kurz stehen und schloss die Augen, um sich zu sammeln. Was, wenn sie dieses Mal wieder nur auf einen Eisenprinzen treffen würden? Der junge Mann hatte keine Idee mehr, wo er noch nach dem Versteck der Twinrova suchen sollte… Navi, die seine Befürchtungen teilte, legte ihrem Schützling eine Hand aufs Kinn und versuchte, ihm Mut zu machen: „Ich weiß, du hast Angst das hier könnte eine Sackgasse sein. Aber denk dran: jedes Mal, wenn wir einen solchen Flur durchquert haben, hat uns das einen Schritt vorangebracht. Beim ersten Mal haben wir anschließend die Krafthandschuhe gefunden und beim zweiten Mal den Spiegelschild. Ich bin mir sicher, wir sind hier richtig!“ Die Fee war selbst überrascht davon, wie zuversichtlich und überzeugt sie ihre Stimme klingen lassen konnte. Ein kleines Lächeln zuckte über Links Lippen und der Herr der Zeiten nickte bedächtig. „Ja, du hast Recht. Außerdem bringt es uns überhaupt nicht voran, hier rumzustehen und Trübsal zu blasen. Lass uns schauen, was wir hier wirklich gefunden haben!“ „Jawohl, Sir!“ Navi sprang auf die Füße, straffte den Rücken und salutierte, was endgültig ein Lachen in Links Gesicht zauberte. Dann fasste der Recke mit neuem Mut den Türgriff und öffnete den Zugang zum nächsten Raum. Im ersten Moment war es als würden die Befürchtungen der beiden Abenteurer wahr: Sie befanden sich wieder einmal in einem langgezogenen, von reich verzierten Säulen umsäumten Saal, an dessen Ende ein gewaltiger Thron stand, auf dem ein Eisenprinz saß als hätte er sie bereits erwartet. Doch dann fiel Links Blick auf die beiden weißhaarigen Gestalten am Fuß des Throns und wurde von Angst und Kampfeslust gleichermaßen erfasst. Vor dem Thron kauerten zwei uralt wirkende, kleine Frauen auf deren Stirnen jeweils ein etwa faustgroßer Edelstein prangte, der durch ein hinter dem Kopf zusammenlaufendes Goldband gehalten wurde. „Die Twinrova!“ Navis Stimme schwankte zwischen Furcht, Abscheu und Ehrfurcht. „Ich hab noch nie eine derart mächtige magische Aura gespürt… Pass bloß auf, Link! Die Beiden sind heute noch mächtiger als bei unserer kurzen Begegnung vor sieben Jahren!“ Bei dem Ertönen der fremden Stimme wandten sich die zwei alten Frauen, die bisher zu dem Eisenprinzen hoch gesehen hatten und nur eine Hälfte ihres Gesichts gezeigt hatten, vollständig Navi und Link zu. Die Feenfrau erstarrte beinah vor Panik, als der Blick der Hexe mit dem roten Edelstein auf der Stirn direkt auf sie fiel. Obwohl sie ein schlechtes Gewissen hatte, ihren Schützling im Stich zu lassen, verschwand Navi so schnell sie konnte in Links Hemdtasche. Mit ihrem eingerissenen Flügel, redete sie sich ein, war sie ihrem Freund sowieso keine Hilfe und er konnte sich besser auf den Kampf konzentrieren, wenn er sich nicht auch noch Sorgen um ihre Sicherheit machen musste. „Sieh mal einer an, was der Wüstenwind hereingeweht hat!“ Die Hexe mit dem roten Edelstein auf der Stirn ließ ihren Blick nun, da Navi derart blitzartig verschwunden war, über Links Körper gleiten. Trotz ihres offensichtlichen Alters leuchteten ihre Augen noch immer in einem beeindruckenden Bernsteingelb und hatten eine Intensität, dass Link sich beinahe nackt fühlte, während sie musternd über ihn wanderten. Als nun auch die zweite Hexe ihren Blick über den Herrn der Zeiten schweifen ließ, konnte dieser sehen, dass die beiden Frauen sich zwar ansonsten bis aufs Haar glichen, ihre Augenfarben jedoch unterschiedlich waren. Die Iriden Hexe mit dem blauen Juwel waren dunkler als die ihrer Schwester und gingen schon beinah ins Braune über. „Sehr interessant, Koume“, antwortete die Angesprochene nun. „Ist das nicht der Bengel, der vor sieben Jahren bereits durch unseren Tempel geschlichen ist und die Krafthandschuhe gestohlen hat?“ Der Blick der ersten Hexe huschte zu Links Unterarmen. „Du hast Recht, Kotake! Wir sollten ihn endlich für diese Ungezogenheit bestrafen. Denkst du nicht?“ „Auf jeden Fall, Schwester!“ Link, der allmählich die Nase voll davon hatte, nur herumzustehen und zuzuhören wie die Twinrova über ihn redeten als wäre er ein Kind, platzte zornig heraus: „Ihr seid die Einzigen hier, die für irgendetwas bestraft gehören! Ihr habt aus Ganondorf den größenwahnsinnigen Irren gemacht, der heute Hyrule tyrannisiert. Ihr habt bereits seit Jahrhunderten Menschen verflucht oder sie spurlos verschwinden lassen, wenn sie euch in die Quere kamen. Und ihr habt Naboru entführt!“ Bei seinem Wortschwall wechselten die beiden Schwestern einen schnellen Seitenblick, was Link einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen ließ, als er sah wie gut sich die Zwillinge auch ohne Worte verstanden. Es wirkte beinah als herrsche zwischen den Beiden eine Art telepathische Verbindung, von der er ausgeschlossen war. Kotake verzog ihre schmalen Lippen zu einem bedrohlich wirkenden Lächeln. „Deswegen bist du also hier – um uns zur Rechenschaft zu ziehen. Und wir hatten schon geglaubt, du seist ein einfacher Tempelräuber!“ Plötzlich schnaubte es in Links Hemdtasche und eine Stimme schimpfte: „Tempelräuber! Ich glaube, es hakt! Wie kann man den Herrn der Zeiten für einen gewöhnlichen Dieb halten?!“ Obwohl Navi leise gesprochen hatte und ihre Stimme durch die Stofflagen über ihr gedämpft wurde, war sie dennoch deutlich zu verstehen. Link lief augenblicklich scharlachrot an und wünschte sich einmal mehr, seine Fee hätte ein etwas weniger aufbrausendes Temperament, während die beiden Hexen ihn mit neuem Interesse beäugten. „Soooo… der Herr der Zeiten also…“, stieß Koume hervor und ihre Schwester ergänzte: „Wenn das so ist, wird es uns eine ganz besondere Freude sein, dich zu töten! Ganondorf wird begeistert sein, wenn wir ihm deine Überreste zu Füßen legen!“ „Versucht’s doch!“ Link verzog die Lippen zu einem wölfischen Grinsen, suchte sich festen Stand und zog Schwert und Schild. Als die alten Frauen den Spiegelschild sahen, hoben sie beinah simultan die Augenbrauen und tauschen einen weiteren ihrer gruseligen Seitenblicke. Dann schüttelte Kotake betont gelangweilt den Kopf und sagte: „Wir machen uns an dir doch nicht selbst die Hände schmutzig!“ „Wir haben hier jemanden, der darauf brennt, mit dir zu spielen“, fügte Koume an, bevor sie dem Eisenprinzen das Knie tätschelte und sich überraschend schnell mit ihrer Schwester zurückzog. Link konnte noch sehen, dass die beiden Hexen durch einen Hinterausgang verschwanden, dann hievte sich der Eisenprinz schwerfällig aus dem Thron und schritt langsam und leise lachend auf den jungen Mann zu. Anders als die Eisenprinzen, die Link bereits bekämpft hatte, schulterte dieser keine schwere Breitaxt, sondern hielt stattdessen einen überdimensionierten Krummsäbel in den Händen. Außerdem wirkte am Bewegungsmuster des Prinzen irgendetwas anders als bei seinen Artgenossen zuvor. Der Herr der Zeiten konnte nicht sagen, was ihn störte, aber er war sich sicher, dass er auf der Hut sein musste. Dieser Eisenprinz war etwas Besonderes. Dennoch versuchte es der Krieger mit der Strategie, die sich bereits gegen den letzten dieser Gegner bewährt hatte: Anstatt selbst anzugreifen, provozierte er sein Gegenüber mit Worten, während er sich außerhalb dessen Schlagweite hielt und darauf hoffte, der Eisenprinz möge aus Frustration seine Waffe nach ihm schleudern und sich so wehrlos machen. Doch zu Links Frustration schien dieser Eisenprinz zu klug zu sein, um auf diese Falle hereinzufallen. Stattdessen blieb er in einiger Entfernung zum Herrn der Zeiten stehen und schien seinerseits darauf zu warten, dass sein Gegenüber den ersten Schritt tat. „Navi, es funktioniert nicht!“, wandte sich Link hilfesuchend an seine Fee. Navis Wissen über die Monster, die Hyrule schon seit Anbeginn der Zeit bevölkerten, war wesentlich größer als das seine. Vielleicht hatte Navi ja eine Idee wie man den Eisenprinzen aus der Reserve locken konnte – immerhin hatte sie auch gewusst, dass es sich bei diesen Ungetümen um verzauberte Rüstungen handelte, die – vorausgesetzt man kam in Reichweite – leicht zu besiegen waren. „Reagiert er überhaupt nicht auf das, was du sagst?“ „Kein bisschen. Er steht einfach nur da und scheint sich sogar noch über meinen kläglichen Versuch, ihn zu reizen, zu amüsieren.“ „Hm…“ Navi kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf, was Link leicht kitzelte, als der Ellbogen seiner Fee nur durch den dünnen Hemdstoff von seiner nackten Haut getrennt über seine Brust strich. Navi bekam jedoch von dem Zucken in Links Brustmuskel nichts mit. Sie war völlig in Gedanken versunken. Wieso reagierte der Eisenprinz nicht auf Links Provokationen? In jedem Schriftstück, das Navi über Eisenprinzen gelesen hatte, war die fehlende Intelligenz der verzauberten Rüstungen betont worden – weshalb die Fee beim Kampf gegen den letzten Eisenprinzen überrascht war, dass dieser überhaupt verstanden hatte, dass Link ihn beleidigt hatte. Konnte es sein, dass dieser Prinz, dem der Herr der Zeiten sich nun gegenübersah, schlicht zu dumm war, um die Provokationen zu verstehen? Dazu passte jedoch nicht, dass Link sagte, er habe den Eindruck, der Eisenprinz amüsiere sich über ihn. Außerdem hatte es in allen Aufzeichnungen geheißen, Eisenprinzen wären derart aufs Kämpfen fixiert, dass sie sich ohne Rücksicht auf Verluste jedem Gegner sofort entgegenwarfen. Warum nur verhielt sich dieser Prinz so anders als seine Artgenossen?! „Ich… Ich habe leider keine Ahnung…“ Man hörte der Stimme der Fee deutlich an, wie schwer es ihr fiel, ihr fehlendes Wissen einzugestehen. „Vielleicht ist dieser Eisenprinz von den Hexen verzaubert worden, um ihn klüger zu machen als seine Artgenossen“, riet Navi ins Blaue hinein, als Link enttäuscht aufseufzte. „Du meinst, ich habe es hier womöglich mit einem Eisenprinzen zu tun, der über menschliche Intelligenz verfügt?!“ Entsetzen und Horror über diese Vorstellung machten die Stimme des jungen Mannes rau und kratzig. Link konnte sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen als einen derart gut gepanzerten und bewaffneten Gegner, der auch noch denken und womöglich seinen nächsten Zug im Voraus erahnen konnte. „Es ist nur eine Theorie…“, versuchte Navi abzuwiegeln, da sie hörte wie Links Herz zu rasen begann. „Willst du den ganzen Tag nur herumstehen und mich beleidigen? Ich dachte, der Herr der Zeiten hätte ein wenig mehr zu bieten als das. Deine Armseligkeit enttäuscht mich.“ Die Worte waren durch das dicke Metall der Rüstung gedämpft und verzerrt, dennoch rührte ihr Klang an einer Erinnerung. Das Grauen darüber, dass der Eisenprinz sprechen konnte, war jedoch so groß, dass es jeden anderen Gedanken übertünchte. „Nur eine Theorie, ja…?“ Link schluckte hart und umklammerte das Heft des Master-Schwerts noch fester, während er stumm dem glücklichen Umstand dankte, dass er Handschuhe trug – seine Handflächen waren inzwischen so schwitzig, dass ihm andernfalls womöglich das Schwert aus der Hand gerutscht wäre. Navi schlug das Herz inzwischen auch bis zum Hals. Sie hatte so gehofft, ihre fixe Idee würde sich als falsch herausstellen… „Ich fürchte, dir bleibt nur eine Chance“, flüsterte die Fee gegen die Brust ihres Schützlings, wobei sie sich Mühe geben musste, das Dröhnen seines wilden Herzschlags zu übertönen. „Du musst deine Wendigkeit ausspielen. Egal, wie intelligent und gut gepanzert dieses Wesen auch sein mag, denk immer daran: Seine Rüstung schränkt seine Bewegungsfreiheit stark ein. Und seine Waffe mag zwar vernichtenden Schaden anrichten, aber dafür muss er dich damit erst einmal treffen.“ Der Herr der Zeiten nickte und wollte gerade den Spiegelschild ablegen, um so flink und wendig zu sein wie irgendwie möglich, als der Eisenprinz beschloss, dass er die Nase voll davon hatte, herumzustehen und darauf zu warten, dass Link die Plauderei mit seiner Fee beendet hatte. Mit einer überraschend schnellen Bewegung riss der Prinz seinen Säbel in die Höhe und ließ ihn auf seinen Kontrahenten hinabsausen. Diesem blieb keine andere Wahl als den Schlag mit seinem Schild abzublocken. Ein Knirschen wie von splitterndem Glas verriet, dass dies jedoch keine allzu gute Idee gewesen war… Link blieb allerdings keine Zeit, den Schaden zu inspizieren. Stattdessen ließ er den Schild einfach fallen, wich einem weiteren Schlag aus und versuchte, durch die Beine des Eisenprinzen hindurch zu rutschen, um so an dessen verwundbare Stelle am Rücken zu gelangen. Der Prinz schien seine Absicht jedoch zu erahnen, machte einen Ausfallschritt zur Seite und trat dem Herrn der Zeiten mit Wucht in die Seite, sodass der Recke gegen die nächste Wand geschleudert wurde als wäre er nicht mehr als ein Spielball. Der Aufprall presste Link sämtliche Luft aus den Lungen und ein widerliches Knacken ließ vermuten, dass eine oder mehrere Rippen der Belastung nicht standgehalten hatten. Link fiel wie ein nasser Sack zu Boden, schaffte es jedoch noch irgendwie sich so abzufangen, dass er Navi in seiner Hemdtasche nicht zerquetschte. „Bring dich in Sicherheit!“ Der junge Krieger stützte sich auf seine Unterarme, um seiner Fee genügend Platz gab, um aus ihrem Versteck zu kriechen und irgendwo anders Schutz zu suchen. Die beinah unerträglichen Qualen, die ihm seine vermutlich gebrochenen Rippen dabei bereiteten, waren ihm überdeutlich ins Gesicht geschrieben. Kaum nachdem Navi aus seiner Hemdtasche gekrochen und sich auf die Suche nach einem sicheren Plätzchen gemacht hatte, würgte Link einen Schwall Blut hervor, während er sich redlich bemühte, wieder auf die Füße zu kommen. Der Fee zog sich bei diesem Anblick ihr Innerstes zusammen. Wenn sie doch nur etwas tun könnte… In diesem Moment fiel Navi plötzlich etwas ein, das ihre Mutter ihr erzählt hatte, als sie noch ganz klein gewesen war. Es war inzwischen so lange her, dass sich die Fee nicht einmal sicher war, ob es sich dabei an eine wirkliche Erinnerung oder einen Traum handelte. Aber sie musste es versuchen! Während der Eisenprinz mit schweren Schritten auf Link zuschritt, kauerte Navi sich in einer Ecke des Raums auf den Boden und stimmte einen leisen Singsang in der Sprache der Feen an, der von den beiden Kämpfern glücklicherweise unbemerkt blieb. „Erbärmlich…“ Der Eisenprinz hatte den noch immer am Boden liegenden Link erreicht und hob nun seinen Säbel, um dem Herrn der Zeiten den Gnadenstoß zu versetzen. Dieser grinste jedoch plötzlich verzerrt, spuckte noch ein wenig mehr Blut und fragte: „Hat dir noch nie jemand gesagt, dass es erst vorbei ist, wenn es vorbei ist?“ Einen Herzschlag lang wirkte der Eisenprinz irritiert, doch dann hieb er seine Waffe dennoch gen Boden, bloß um dann verwirrt im Raum umher zu schauen, als seine Waffe auf den harten Stein der Fliesen prallte anstatt durch Fleisch und Knochen zu schneiden. Link war verschwunden! „Hier bin ich, mein Dickerchen!“ Dem Krieger tropfte noch immer Blut vom Kinn, aber immerhin stand er wieder auf den Füßen, wenn auch nicht aufrecht… „Wie…? Wie hast du das gemacht?!“ Der Eisenprinz blickte vollkommen konsterniert zwischen Link und der Stelle, wo er nur Sekunden zuvor noch gelegen hatte, hin und her. Der Herr der Zeiten, dessen Schmerzen im Brustkorb allmählich abflauten, wischte sich mit dem Handrücken das Blut vom Gesicht und lachte, als er anschließend den Gegenstand hochhielt, den er die ganze Zeit fest umklammert hatte. Es war ein kristallener Oktaeder in dessen Mitte ein Gewitter zu toben schien. Farores Donnersturm! „Ich muss sagen, ich bin ein wenig enttäuscht“, witzelte Link, während er den Zauber wieder in seinem Wunderbeutel verstaute. „Ich hatte gehofft, ich würde mich in eine furchteinflößende Sturmwolke verwandeln und durch den Raum wirbeln. Aber naja, ich schätze, man kann nicht alles haben. Und seinen Dienst hat der Zauber ja getan.“ Der Eisenprinz umklammerte den Griff seines Säbels derart fest, dass es klang als würde sich der Stahl verbiegen. „Elende Feenköniginnen!“ „Oh, wenn du sie jetzt schon nicht magst, wirst du sie gleich hassen!“ Man hörte Link das schiefe Grinsen, das auf seinen Lippen lag, deutlich an. Bevor sein Gegenüber irgendwelche Fragen stellen konnte, zog Link seine Hand wieder aus seinem Wunderbeutel hervor und aktivierte Nayrus Umarmung. Dieser Zauber verbrauchte mehr geistige Energie als seine Gegenstücke und Link hatte augenblicklich das Gefühl, seine gesamte Energie flösse aus ihm heraus wie Blut aus einer geöffneten Arterie. Er musste sich beeilen… Trotz seiner verletzten Rippen rannte der Herr der Zeiten mit wildem Kampfgeschrei auf den Eisenritter zu als wolle er ihn rammen. Dieser hob seinerseits seine Waffe und schlug nach Link, doch die Klinge prallte an dem magischen Schutzschild, das den Krieger umgab, ab und wurde dem Prinzen aus der Hand gerissen. Als Link sah wie der mächtige Krummsäbel durch die Luft sauste, mit lautem Scheppern auf den Steinfliesen landete und bis zur nächsten Wand rutschte, deaktivierte er Nayrus Umarmung sofort wieder, um nicht unnötig Kraft zu verschwenden. Der Eisenprinz hingegen wirkte plötzlich wie gelähmt – als hätte der Verlust seiner Waffe seine Welt zerstört oder zumindest seinen Willen gebrochen. Link nutzte diese Untätigkeit und stieß sich vom Boden ab, um sich mit einem Bocksprung über die Schulter des Prinzen hinweg auf dessen Rückseite zu befördern. Dort wirbelte er augenblicklich herum und durchtrennte die Bänder, die die Rüstung des Eisenprinzen zusammenhielten, mit dem Master-Schwert. Augenblicklich fielen die einzelnen Rüstungsteile von lautem Dröhnen begleitet zu Boden, doch die Erleichterung, die Link beim Durchtrennen der Rüstungsriemen gefühlt hatte, wurde von blankem Grauen verdrängt, als er sich zu seinem vermeintlich besiegten Gegner umdrehte. Dort, wo Sekunden zuvor noch der Eisenprinz befunden hatte, stand nun Naboru und durchbohrte Link mit zornigen Blicken! Im ersten Moment konnte Link nicht verstehen, was geschehen war, aber dann fügten sich die Einzelteile zu einem Bild zusammen: die unerklärliche Intelligenz des Eisenprinzen, das leicht andere Bewegungsmuster, die Fähigkeit zu sprechen… Er hatte die ganze Zeit gegen Naboru gekämpft! Diese trat nun die umherliegenden Rüstungsteile beiseite, hob ein Bein ihrer Pluderhose und zog einen langen, mit bunten Edelsteinen verzierten Dolch. „Du wirst es büßen, dass du meine Rüstung ruiniert hast! Ich gebe zu, ich habe dich unterschätzt, weil du dich anfangs so unfähig gezeigt hast – aber das passiert mir kein zweites Mal!“ Link stieß mit dem Rücken gegen die Wand, als er Naborus Attacke auswich und stöhnte bei dem erneuten Schmerz in seinem Brustkorb leise auf. „Naboru! Ich… Ich will nicht gegen dich kämpfen! Ich bin hier, um dich aus dem Würgegriff der Twinrova zu befreien!“ „Pah!“ Die Gerudo warf mit einer schnellen Kopfbewegung eine Haarsträhne zurück, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte ihr ins Gesicht gefallen war. „Wenn du dich nicht wehrst, wird das hier ein verdammt kurzer Kampf – und dabei fing er doch gerade erst an, interessant zu werden!“ Trotz seiner protestierenden Rippen wich Link Naborus ununterbrochenen Angriffen aus, indem er sich duckte, zur Seite tänzelte oder den Oberkörper zurückbeugte. „Erinnere dich, Naboru! Als wir uns das erste Mal getroffen haben, warst du in diesem Tempel, weil du eine Waffe gegen Ganondorf finden wolltest. Ich wollte dir dabei helfen!“ „Schwachsinn!“ Der Gerudo holte erneut mit ihrer rasiermesserscharfen Waffe aus und verfehlte Links Gesicht nur um Millimeter. Die zu Boden schwebenden Spitzen einiger Ponyfransen verrieten wie knapp der Herr der Zeiten unverletzt geblieben war. „Ich würde niemals etwas tun, das dem großartigen Ganondorf schaden könnte!“ Bei diesen Worten drehte sich Link der Magen um und er schrie: „Dem großartigen Ganondorf?! Hast du überhaupt eine Ahnung, was du da redest?! Ganondorf ist ein Monster, das euch Gerudo bloß ausnutzt! Du bist die wahre Anführerin deines Volks – nicht dieser Irre!“ „Schweig!“ Anstatt weiterhin mit dem Dolch nach ihm zu schlagen, trat Naboru Link plötzlich hart gegen die Brust. Dieser ging sofort in die Knie und schmeckte erneut Blut in seiner Kehle aufsteigen. Dessen ungeachtet appellierte er weiter an die wahre Naboru, die hinter dem Zauber der Twinrova noch immer existent war, da war er sich sicher: „Wenn du dich schon nicht an mich erinnerst, dann wenigstens an deine Gefährtinnen! Denk an Dinah, Aveil, Miccahia und die kleine Zeherasade! Erinnere dich, verdammt nochmal! Du lässt deine Freundinnen schon zu lange im Stich!“ Für einen kurzen Moment schien etwas in Naborus Augen zu flackern, aber dann holte sie erneut aus, um Link den Dolch ins Herz zu bohren. Der Krieger in ihm reagierte reflexartig: Anstatt zum wiederholten Mal auszuweichen, packte Link die Handgelenke der Gerudo und riss sie zur Seite. Eigentlich hatte er ihr an der nahen Wand lediglich die Waffe aus der Hand schlagen wollen, doch durch die Macht der Krafthandschuhe wirbelte er ihren ganzen Körper herum und Naboru knallte mit einem widerlichen Knacken gegen den Stein und erschlaffte augenblicklich. Schockiert über seine eigene Tat ließ Link ihre Unterarme los als hätte er sich verbrannt und beugte sich über seine Kontrahentin. Sie lag in sich zusammengesunken wie eine Lumpenpuppe auf der Seite und unterhalb ihres Kopfes bildete sich allmählich eine große Blutlache, während ihre gebrochen wirkenden Augen stumpf ins Nichts starrten. „NEIN!“ Link zog Naborus leblosen Körper auf seinen Schoß und suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, das Grauen rückgängig zu machen. „Navi! NAVI! Wo bist du verdammt nochmal?!“ Unkontrollierte Schluchzer brachen aus den Tiefen seiner Brust hervor, während dicke Tränen über sein Gesicht strömten. Es war nicht wahr… Es durfte nicht wahr sein… Link bemerkte Navi erst, als sie sagte: „Ich bin hier.“ Sie hatte ihm eine Hand aufs Knie gelegt und sah mit gequält wirkender Miene zu ihm hoch. „Ich… Ich hab dir jemanden mitgebracht“, fügte sie mit brüchiger Stimme an und deutete auf einen Feenweisen, der hinter ihr stand. „Was?“ Der Herr der Zeiten starrte den winzigen, geflügelten Greis an, dessen rosa Leuchten bunte Muster auf den Boden malte. „Als du verletzt wurdest“, setzte Navi zu einer Erklärung an, „habe ich mich daran erinnert, dass meine Mutter mir von einer Beschwörung erzählt hat, mit der wir Feen telepathischen Kontakt zu unseren Königinnen aufnehmen können. Ich habe die in der Oase lebende große Fee um Hilfe gebeten, während du gekämpft hast. Vingor ist hier, um dich zu heilen.“ Link zog geräuschvoll die Nase hoch und schüttelte heftig mit dem Kopf. „Nein! Heil sie, nicht mich. Heil sie!“ Dabei streichelte er Naboru, deren Blut allmählich durch die Maschen seiner Kleider sickerte, sanft über die Wange. Der Feenweise zog ein bedauerndes Gesicht und erläuterte mit leiser Stimme: „Es tut mir leid, mein Sohn, aber ich kann die Toten nicht ins Leben zurückholen.“ Bei diesen Worten brach ein animalischer Schrei aus Link hervor und er krümmte sich über den Leichnam auf seinem Schoß als wolle er Naboru vor Angriffen schützen. Navi kletterte an seiner Kleidung empor, bis sie ganz nah an seinem Ohr war und flüsterte: „Ich weiß, du machst dir schreckliche Vorwürfe, aber sie wollte dich töten. Du hast dich nur verteidigt. Außerdem war ihr Tod besiegelt in dem Moment, in dem Ganondorf das Triforce an sich gerissen hat. Erinnerst du dich daran, was im Wassertempel mit Ruto geschehen ist? Die Auserwählten sterben, sobald die Seelen der in ihnen lebenden Lichtwesen ihre Körper verlassen.“ Link nickte zaghaft, während ihm die Tränen wie Sturzbäche übers Gesicht liefen und von seinem Kinn tropften. „Ich weiß“, entgegnete er mit brüchiger Stimme, „ich weiß, dass Naboru sterben musste. Aber… Aber… doch nicht so! Ich habe einen Menschen getötet, Navi. Einen Unschuldigen!“ Die letzten Worte schrie er regelrecht hinaus. „Ja, das hast du“, räumte Navi ein, „aber es war nicht deine Schuld.“ „DOCH! Wenn ich nur zu ihr durchgedrungen wäre… Wenn ich wenigstens endlich gelernt hätte, die Macht der Krafthandschuhe richtig zu kontrollieren…“ „Shht!“ Navi legte ihm eine Hand auf die bebende Unterlippe. „Siehst du nicht, dass die wahren Schuldigen die Twinrova sind?“ Als hätte er diese Möglichkeit noch gar nicht in Betracht gezogen, stutzte der junge Mann bei diesen Worten und warf seiner Fee einen Seitenblick zu. „Wie meinst du das?“ Selbst die Schluchzer, die ihn seit der Entdeckung von Naborus Tod ununterbrochen durchgeschüttelt hatten, flauten etwas ab. Navi streichelte ihm beruhigend über die Wange und erklärte: „Naboru und du, ihr wart nur Schachfiguren in ihrem Spiel der Intrigen. Sie haben Naboru gegen dich antreten lassen, weil sie wussten, dass diese dich entweder töten oder ihr Tod dich brechen würde. Egal, wie eure Duell ausgehen würde, ihnen war klar, die wahren Sieger wären sie.“ Einige Herzschläge lang starrte Link ins Nichts und ließ die Worte seiner Fee auf sich wirken. Auf die Idee, dass derartige Niedertracht auf der Welt existierte, wäre er im Traum nicht gekommen. Aber Navi hatte Recht! Der Herr der Zeiten erinnerte sich an das gehässige Grinsen Koumes als sie den vermeintlichen Eisenprinzen auf ihn gehetzt hatte – sie hatte gewusst, wer sich unter der Rüstung verbarg! Plötzlich brandete eine Welle des Hasses, wie Link sie noch nie gespürt hatte, durch seinen Körper und er ballte entschlossen die Hände zu Fäusten. Er würde die Twinrova vernichten! Und wenn es das Letzte sein sollte, was er tat… Behutsam legte er Naborus toten Körper beiseite, bevor er aufstand und zu Vingor herunter sah. „Alles klar. Bitte, heile meine Wunden.“ Der Feenweise nickte und schwirrte um Link herum, während sein rosa Schein immer heller und heller strahlte. Der Herr der Zeiten spürte wie es in seiner Brust kribbelte, als sich seine Rippen wieder zusammenzogen und sich an der Bruchstelle neuer Knochen bildete. Nachdem er sein Werk vollendet hatte, flog Vingor Link vors Gesicht und sagte: „Du bist vollständig wiederhergestellt und zumindest körperlich bereit, dich den Hexen zu stellen.“ Der Krieger presste die Lippen aufeinander und knurrte: „Nicht nur körperlich!“ Unter erneutem Nicken entgegnete der alte Feenmann: „Sehr schön. Ich werde hier auf deine Rückkehr warten, falls du meiner Hilfe noch einmal bedürfen solltest.“ Link bedankte sich knapp und suchte dann nach dem Spiegelschild, den er zuvor hatte fallen lassen. Obwohl es erst wenige Minuten her war, kam es ihm vor als hätte der Kampf gegen Naboru vor Urzeiten oder gar in einem anderen Leben begonnen. Die letzten Minuten erschienen ihm so unwirklich… Als er den Spiegelschild schließlich fand, stöhnten Krieger und Fee gleichermaßen auf. Dort, wo Naborus mächtiger Krummsäbel auf das Schild geschlagen hatte, befand sich nun eine Kerbe, von der ausgehend sich Sprünge wie ein Spinnennetz über die gesamte Oberfläche des Schilds zogen. „Ob der noch zu gebrauchen ist?“ Navi legt den Kopf schief und betrachtete das einstmals so schöne Relikt. „Ich hab keine Ahnung. Aber ich werde es herausfinden!“ Mit grimmiger Entschlossenheit schnallte sich Link den ramponierten Spiegelschild um und machte sich daran, den Hexen zu folgen. Navi war gar nicht wohl dabei, aber welche Wahl hatten sie schon? Das Fehlen einer Lichtkugel über Naborus Leiche verriet deutlich, dass Link mit seiner Befürchtung Recht gehabt hatte: So lange die Twinrova lebten und ihr Fluch über Naboru noch immer Bestand hatte, konnte die sechste Weise ihr Schicksal nicht erfüllen. Navi konnte nur hoffen und beten, dass der Spiegelschild halten würde… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)