Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 51: Eine letzte Ruhepause --------------------------------- Als Link vorsichtig blinzelnd seine Augen wieder aufschlug, schlug ihm das Herz noch immer bis zum Hals. Wo waren sie gelandet? Er konnte sich nicht daran erinnern, welches Teleportierlied er gespielt hatte, um der Hexe zu entkommen. Es war wie ein Reflex gewesen, er hatte nicht darüber nachgedacht. Unter seinen halbgeschlossenen Lidern hinweg konnte er nichts weiter erkennen als dunkles Grün, was ihn überrascht die Augen ganz aufreißen ließ. Doch bevor er seine Verblüffung in Worte fassen konnte, hörte er Navi fragen: „Die Heilige Lichtung? Warum zum Deku sind wir in den Verlorenen Wäldern?!“ Link zuckte mit den Schultern und atmete den harzig-moosigen Geruch der Wälder tief ein. Bei genauerer Betrachtung war es gar nicht so überraschend, dass er sich in seiner Panik in die Wälder geflüchtet hatte. Nach Hause… Navi lehnte sich mit einem Seufzen gegen den Hals ihres Schützlings. „Naja, im Grunde ist es auch egal, wo wir gelandet sind. Die entscheidendere Frage ist wohl: Was machen wir jetzt?“ „Ich weiß nicht.“ Der Junge schüttelte traurig den Kopf. „Wir müssen Naboru so schnell wie möglich befreien. Aber ich habe keine Ahnung, wie wir das anstellen sollen.“ Navi strich sich nachdenklich mit dem Daumennagel über die Lippen, dann hieb sie plötzlich ihre Faust auf die offene Handfläche. „Die alte Eule hat uns doch gesagt, dass du die Twinrova nur mit dem Spiegelschild besiegen kannst. Wir sollten zur Gerudo-Festung zurückkehren und mit Dinah und den anderen sprechen. Vielleicht erfahren wir so, wo wir den Schild finden können.“ „Vermutlich–“ Was Link vermutete, sollte Navi nie erfahren, da ihr Freund plötzlich durch eine von hinten kommende Stimme unterbrochen wurde: „Link? Bist du es wirklich?“ Die beiden Abenteurer wirbelten herum und entdeckten ein zierliches, in Grün gewandetes Mädchen, das sie groß anstarrte und plötzlich erbleichte. „Oh, bei den Göttinnen! Link, du siehst furchtbar aus!“ Navi gab einen grunzenden Laut von sich, als sie versuchte, nicht zu lachen, und murmelte etwas über Anti-Komplimente. Link hingegen gaffte verblüfft zu dem Mädchen herüber und stieß atemlos seinen Namen aus: „Salia…“ Sofort schoben sich die Erinnerungen an seine letzte Begegnung mit ihr vor sein geistiges Auge. Er sah wieder die grüne Lichtgestalt vor ihm, hörte erneut ihre Stimme, die ihm sagte, sie sei stolz auf ihn. Tränen schossen ihm in die Augen, als Trauer und Schuldgefühle wie eine Welle über ihm zusammenbrachen. Obwohl er inzwischen wusste, dass ihr Leben in dieser Welt durch ihr Schicksal als Weise des Waldes so oder so versiegt wäre, fühlte er sich noch immer als hätte er an ihr versagt. Als hätte er seine beste Freundin im Stich gelassen… „Oh, Salia!“ Ohne darüber nachzudenken, was er tat, machte der Junge einen Satz nach vorne und warf sich dem überraschten Mädchen in die Arme. Navi fiel bei seinem überstürzten nach-vorne-Hechten von seiner Schulter, doch als sie ihren schluchzenden Schützling sah wie er sich an Salia klammerte als würde er ohne sie von der Dunkelheit verschluckt, schob sie die ihr auf der Zunge liegende Bemerkung beiseite. Anstatt ihn zu tadeln, dass er nicht auf sie geachtet hatte, wartete sie geduldig, bis er sich wieder beruhigt hatte, bevor sie zu ihm aufschloss. Salia, die ihn die ganze Zeit schweigend gehalten hatte, sah mit einer Mischung aus Verwirrung und Sorge zu ihm hoch, als Link schließlich von ihr abrückte und sich mit dem Handballen über die Augen wischte. Als könnte sie ihm durch Körperkontakt Halt und Sicherheit geben wie ein Anker griff Salia nach Links Hand und fragte: „Was im Namen der Göttinnen ist mit dir passiert? Du bist ja völlig fertig! Und… ist das dein Blut?“ Geistesabwesend berührte Link seine Wange. Er schien erst jetzt zu bemerken, dass er noch immer mit dem inzwischen getrockneten Blut des Echsenkriegers besudelt war. Sofort sah er wieder die abgetrennten Füße der Echse wieder vor sich und fröstelte. „Nein.“ Link schüttelte müde den Kopf. Er wollte nicht, dass Salia wusste, dass er so schreckliche Dinge tun musste. Obwohl ihm bewusst war, dass er als Herr der Zeiten keine andere Wahl hatte, fühlte er sich in Gegenwart seiner besten Freundin plötzlich wie ein Mörder. So unauffällig wie möglich entwand er ihr seine Hand und ballte sie zur Faust, was Navi besorgt die Stirn in Falten legen ließ. Wie konnte er Salia mit diesen Händen anfassen, an denen so viel Blut klebte, die so viele Leben beendet hatten? Doch das Kokiri-Mädchen schien sich daran nicht zu stören. Salia berührte ihn mit derselben Selbstverständlichkeit wie sie es immer getan hatte. Sie legte ihm sanft eine Hand auf den rechten Oberarm, knapp unter den provisorischen Verband und streichelte mit dem Daumen seine Haut. „Aber du bist trotzdem verletzt, nicht wahr?“ Die Sorge im Gesicht seiner besten Freundin rührte den Jungen und er nickte lediglich zur Antwort, da er wegen des Kloßes in seiner Kehle keinen Ton herausbekam. „Ein Feuerflatterer hat ihm die Schulter verbrannt und ich fürchte, er könnte eine Gehirnerschütterung haben. Jedenfalls ist er ganz schön übel mit dem Hinterkopf gegen eine Wand geknallt“, mischte Navi sich in das Gespräch ein. Vielleicht wusste Salia ja einen Rat, wie man zumindest die Brandwunde behandeln konnte. Zu Links Überraschung riss Salia ihm mit einer schnellen Bewegung die Mütze vom Kopf und inspizierte die Rückseite seines Schädels. Als Navi plötzlich mit erbostem Gesichtsausdruck vor sein Gesicht flog, blinzelte der Junge seine Begleiterin irritiert an. „Wieso hast du Trottel mir nicht gesagt, dass du eine Platzwunde hast?!“ „Was?“ Verwirrt befühlte Link seinen Hinterkopf und sog scharf Luft ein, als seine Berührung an einer Stelle heftig brannte. Er zog den Arm zurück und betrachtete seine Hand. Die Fingerkuppen waren rostrot. „Das ist mir gar nicht aufgefallen.“ Seine Stimme klang selbst in seinen eigenen Ohren weit weg. Allmählich wuchs ihm das Ganze über den Kopf. Er fühlte sich erschöpft und unendlich müde… Als Link wieder hochsah, begegnete er den Blicken seiner beiden Freundinnen. Während Navi wütend wirkte, war Salias Miene von tiefer Sorge gekennzeichnet. „Das gefällt mir nicht!“, stieß sie plötzlich mit einer für sie ungewöhnlichen Intensität aus. „Ich weiß, dass der Deku-Baum gesagt hat, dieses Abenteuer sei dein Schicksal – aber es gefällt mir nicht!“ Salia machte sich nicht mal die Mühe, zu versuchen, die dicken Tränen, die ihr über die Wangen kullerten und im Licht der untergehenden Sonne glitzerten, zu verbergen. Link streckte hilflos einen Arm nach ihr aus, ließ ihn jedoch unverrichteter Dinge wieder sinken. Im Trösten war er schon immer schlecht gewesen… Navi hingegen strich dem Mädchen sanft über die Wange und sagte: „Mach dir um Link keine Sorgen. Er ist zwar ein Trottel, aber er ist zäh. Außerdem hat er ja noch mich.“ Salia gab einen schluchzenden Laut von sich, der entweder ein Lachen oder ein unterdrücktes Aufheulen sein konnte. Navi warf einen hilfesuchenden Blick zu Link, der sich unwohlwohl fühlend auf den Fußballen wippte. „Navi hat Recht“, pflichtete er bei, „du musst dir keine Sorgen machen.“ „Das sehe ich…“ Salia fixierte übertrieben deutlich seine verletzte Schulter. „Für die Gegner, mit denen Link es zu tun hatte, sieht er echt noch gut aus.“ „Stimmt. Mir hätte es deutlich schlechter gehen können!“ Link dachte an seine knappe Rettung vor dem Eisenprinz und grinste Navi dankbar an. Salia wischte sich jedoch mit einem grimmigen Gesichtsausdruck über die Nase und stellte fest: „Ihr Zwei seid miserable Tröster! Soll es mich wirklich beruhigen, dass Link dieses Mal Glück hatte?!“ Link zog zerknirscht den Kopf ein, während Navi betonte: „Das war Können, kein Glück!“ Unwirsch abwinkend sagte Salia: „Lass es gut sein. Gegen das Schicksal kann ich sowieso nichts ausrichten. Ob ich damit einverstanden bin oder nicht, Link wird bald wieder aufbrechen und sein Leben für etwas riskieren, dass die Göttinnen ihm aufgebürdet haben. Das Einzige, das ich tun kann, ist euch so gut wie möglich zu unterstützen. Kommt mit.“ Ohne einen weiteren Blick auf die beiden Abenteurer zu werfen, setzte sich das Kokiri-Mädchen in Bewegung und strebte vom Waldtempel davon. Link schlurfte betreten hinter seiner besten Freundin her. Er hasste es, ihr Sorgen zu bereiten. Sie sollte seinetwegen lachen, nicht weinen! Doch was sollte er tun? Er konnte nicht einfach aufhören, der Herr der Zeiten zu sein. Navi setzte sich auf Links unbedeckten Kopf – Salia hielt Links Mütze noch immer fest – und war verblüffend still. Das Feenmädchen war ebenso wie die anderen beiden tief in Gedanken versunken. Mitgefühl mit Salia erfüllte Navis Geist. Sie konnte nur zu gut verstehen, wie die Kokiri sich fühlen musste. Sie selbst hatte schon häufiger mit dem Schicksal gehadert und empfand es als unsagbar unfair, dass Link die Zukunft Hyrules in den Händen halten musste. Nach etwa einer Viertelstunde blieb Salia schließlich vor einem großen Busch stehen und drehte sich zu ihren Begleitern um. „Wir sind da.“ Mit diesen Worten zog sie die Zweige des Busches ein wenig auseinander und machte mit der freien Hand eine einladende Geste. Link blinzelte sie irritiert an und Navi sprach aus, was er dachte: „Öhm… Wie genau soll es uns helfen durch einen Busch gegen eine Felswand zu krabbeln?“ Obwohl Link sich noch Sekunden vorher genau dasselbe gefragt hatte, nickte er Salia zu und verkündete: „Ich vertraue Salia. Wenn sie sagt, dass es uns hilft, dann glaube ich ihr.“ Ohne eine Reaktion seiner beiden Freundinnen abzuwarten, ging der Junge auf die Knie und kroch in den Busch hinein. Immer wieder schlugen ihm feine Äste ins Gesicht, aber zu seiner Überraschung waren sie so weich und biegsam, dass sie keine Kratzer auf seiner empfindlichen Haut hinterließen. Wirklich ins Staunen geriet Link allerdings erst, als er das silbrige Licht entdeckte, das in der Ferne durch die Blätter schien. Nur zu gerne hätte er Navi oder Salia dazu befragt, ein Blick über die Schulter zurück verriet ihm jedoch, dass die beiden ihm nicht gefolgt waren. Daher zog er von Neugierde getrieben das Tempo an und fand sich schon bald an einem vertraut wirkenden Ort wieder. Ein Feenbrunnen? Lebte in den Verlorenen Wäldern tatsächlich eine Feenkönigin? Link runzelte die Stirn und sah sich etwas genauer um. Nein, er hatte sich getäuscht. Dieser Ort sah den Quellen der großen Feen zwar verblüffend ähnlich, doch einiges war auch anders. Die Wände schienen hier ebenfalls aus flüssigen Edelsteinen zu sein, aber der kunstvoll gestaltete Brunnen fehlte ebenso wie die ihn flankierenden farbigen Fackeln. Stattdessen führte ein schmaler Gang zu einer mit Marmor ausgekleideten Senke, die mit aquamarinblauem, leicht fluoreszierendem Wasser gefüllt war. Über diesem Teich schwebten unzählige rosafarbene Feen durch die Luft und ihre zarten Stimmen verwoben sich zu einem der schönsten Klänge, die Link je gehört hatte. Langsam, fast zögerlich – so als beträte er heiligen Boden – ging der Junge auf die tanzenden Feen zu. Als diese ihn bemerkten, ging ein Aufschrei durch ihre Reihen und die geflügelten Frauen stoben in alle Himmelsrichtungen auseinander, um sich zu verstecken. Link riss in einer Geste der Friedfertigkeit die Arme hoch und rief: „Habt keine Angst! Ich will euch nichts tun! Ich habe nur eine Bitte an euch.“ Eine noch recht jung wirkende Feenweise mit kurzen, brombeerfarbenen Haaren lugte aus ihrem Versteck hervor und fragte ängstlich: „Du hast also nicht vor, uns einzufangen und in Flaschen zu stecken?“ Irritiert blinzelnd starrte der Junge zu der Fee herüber. Wer tat denn sowas?! „Äh… nein. Ich bin im Kampf verletzt worden und wollte euch bitten, meine Wunden zu heilen. Das ist alles.“ Lächelnd schickte die geflügelte Frau sich an, aus ihrem Unterschlupf zu kriechen, doch eine ältere Artgenossin hielt sie zurück. „Warte, Hira! Das könnte eine Falle sein!“ Dann wandte sich die alte Fee an Link. Ihre Iriden waren derart leuchtend Pink, dass der Junge sich wie hypnotisiert fühlte von diesem ungewöhnlichen Anblick. „Sag uns, wer du bist, Fremder!“ „Ich heiße Link.“ Bei seinem Namen ging ein Raunen durch die Reihen, doch Link sprach unbeirrt weiter: „Obwohl ich Hylianer bin, bin ich im Kokiri-Dorf aufgewachsen. Dort kannte man mich lange als den ‚feenlosen Jungen‘, bis der Deku-Baum mir Navi an meine Seite stellte.“ Während sich einige der jüngeren Feen schon wieder hervortrauten, durchbohrte die Pinkäugige Link noch immer mit Blicken. „Du behauptetest also, der auserwählte Junge zu sein, den der Deku-Baum höchstpersönlich unter seine Fittiche genommen hat?“ „Ja!“ Link nickte nachdrücklich. So langsam ging ihm die alte Schachtel mit ihrer Skepsis auf die Nerven. Als hätte er Zeit zu verschenken! Die Fee zog mit einem hochnäsigen Gesichtsausdruck die Augenbrauen in die Höhe. „Wenn du wirklich Link bist, wo ist dann Navi?“ Der Junge stöhnte genervt auf und deutete mit dem Daumen über seine Schulter hinweg nach hinten. „Draußen. Sie wartet zusammen mit Salia darauf, dass ich zurückkomme.“ In Gedanken fügte er hinzu: „Vermutlich fragen die Beiden sich schon, warum ich so lange brauche.“ „Du bist ein Lügner!“, donnerte die alte Fee. „Du versuchst, uns hinters Licht zu führen, damit du uns fangen und auf dem Markt für viel Geld verkaufen kannst!“ Angesichts dieser Anklage blieb Link der Mund offenstehen und er suchte ratlos nach einer Entgegnung. Gerade, als er die Feen auffordern wollte, draußen nachzusehen, ob Navi tatsächlich auf ihn wartete, mischte Hira sich ein: „Ich denke, du irrst dich, Raja.“ Zu Links Überraschung nickten fast alle der Feenweisen, was Raja beleidigt die Arme vor der Brust verschränken ließ. Hira fuhr davon unbeeindruckt fort: „Sieh ihm dir doch mal genau an. Wer so aufrichtige, offen wirkende Augen hat, lügt nicht.“ Link lächelte Hira dankbar an, während Raja die Nase rümpfte. „Grmpf. Macht doch, was ihr wollt! Aber denkt daran, wenn ihr in seinen Flaschen landet: Ich habe es euch gesagt!“ Mit diesen Worten verschwand die großmütterliche Fee wieder in ihrem Unterschlupf. Einige der anderen Feenweisen folgten ihrem Beispiel, die meisten versammelten sich jedoch um Hira, die sich Link näherte. „Wo bist du denn verletzt?“ Der Junge löste den provisorischen Verband von seinem Oberarm und stöhnte vor Schmerz, als er den verklebten Stoff von seinem rohen, nässenden Fleisch riss. Zwei Feenweisen eilten sofort herbei und sprachen einen Heilzauber über der Brandwunde aus. Sogleich ließ der Schmerz nach und Link atmete erleichtert auf. Während sich die Brandblasen auf seiner Schulter bereits langsam zurückzogen, deutete Link vage auf seinen Hinterkopf. „Außerdem hab ich da irgendwo eine Platzwunde. Navi vermutet zudem, dass ich eine leichte Gehirnerschütterung haben könnte.“ „Das haben wir gleich.“ Hira lächelte ihn an und wie auf ein geheimes Zeichen hin, flogen alle anwesenden Feenweisen zu Link herüber und legten ihm ihre winzigen Hände auf. Unwillkürlich musste der Junge an eine Wand denken, die er im Reich der Zoras gesehen hatte und die fast vollständig von Muscheln bedeckt gewesen war. Ob er mit dieser Hülle aus rosafarbenen Feenscheinen nun ähnlich aussah? Angenehme Wärme und das Gefühl vollkommener Leichtigkeit fluteten Links Körper, während die Feen um ihn herum leise Zauberformeln murmelten. Seine Haut begann von innen heraus zu glühen und sich vollständig zu erneuern. Sogar seine Fingernägel, die er sich beim Klettern mehrfach eingerissen hatte, wuchsen wieder zusammen und sahen auf einmal aus wie perfekt manikürt. Als die Feenweisen schließlich von ihm abließen, fühlte Link sich körperlich wie neu geboren. Lediglich die tief von Innen kommende Erschöpfung hatten die geflügelten Frauen ihm nicht nehmen können. „Habt Dank!“ Link lächelte die Feen, denen der Schweiß auf den Stirnen stand, strahlend an. Hira winkte ab und die Feenweise neben ihr sagte: „Nichts zu danken, Kleiner. Wir helfen gerne – jedenfalls die meisten von uns.“ Die Fee warf einen vielsagenden Blick in Richtung von Rajas Unterschlupf, als eine Artgenossin anmerkte: „Ich kann allerdings verstehen, dass Raja und die anderen vorsichtig geworden sind. In letzter Zeit kommen immer wieder irgendwelche Typen und fangen uns wegen unserer Heilfähigkeiten ein. Dabei ist ihnen völlig egal, wie unwohl wir uns in diesen engen Gefängnissen fühlen!“ Mitgefühl beschlich Link und er zupfte nachdenklich mit den Zähnen an seiner Oberlippe. Dann lächelte er die Feen wieder an und verkündete: „Ich werde Salia und die anderen Kokiri bitten, besser auf euch aufzupassen. Vielleicht kann ja immer einer Wache stehen oder so.“ „Oh, das wäre wundervoll!“, jauchzten die Feenweisen im Chor. „Dann mache ich mich mal wieder an den Rückweg, um es so schnell wie möglich mit den anderen zu besprechen. Habt noch mal vielen Dank!“ Mit diesen Worten wandte Link sich um und machte sich daran, erneut durch den Busch zu kriechen. Schon bevor er auf der anderen Seite durchs Blätterwerk brach, hörte Link wie sich Salia und Navi unterhielten. Anscheinend berichtete Navi von ihrer Reise – zumindest schilderte sie in diesem Moment Links Kampf gegen Volvagia. Der Pathos, den sie dabei an den Tag legte, ließ Link schmunzeln. Als er schließlich aus dem Busch kroch und Salia ihre Aufmerksamkeit sofort ihm zuwandte, wirkte Navi im ersten Augenblick fast pikiert, dass sie unterbrochen worden war. Doch dann erhellte ein strahlendes Lächeln ihr Gesicht. „Gut siehst du aus!“ „So fühle ich mich auch.“ Er nickte Salia dankbar zu und grüßte dann ihre Fee, die inzwischen ebenfalls aufgetaucht war und neben ihr schwebte, mit einem knappen Winken. „Wir sollten uns am besten gleich zur Gerudo-Festung aufmachen.“ Den Blick auf Navi gerichtet deutete Link grob in Richtung Westen. Er war bereits in Gedanken dabei, sich einen Plan für das weitere Vorgehen zurechtzulegen, sodass er bei dem scharfen Klang von Salias Stimme heftig zusammenzuckte: „Nein!“ Verwirrt ließ Link seinen Blick zwischen seiner besten Freundin und seiner Fee hin und her zucken. War in seiner Abwesenheit irgendetwas passiert? Navi sah Salia mit einem eigentümlich mitfühlenden Gesichtsausdruck an, und sagte: „Ich denke, Salia hat Recht. Wir sollten noch ein wenig bleiben und rasten.“ Links Irritation wurde immer größer. Wie konnte Navi so etwas sagen? Sie wusste doch, wie sehr die Zeit drängte! „Warum? Mir geht’s doch wieder gut.“ „Dein Körper hat sich erholt, ja. Aber du musst auch deiner Seele mal eine Verschnaufpause gönnen!“ Der Zorn in Salias Stimme erschreckte Link. So außer sich hatte er sie noch nie erlebt. Sie musste sich wirklich große Sorgen um ihn machen… „Salia, ich–“, setzte er an. Doch sie fiel ihm rigoros ins Wort: „Kein Aber. Ich akzeptiere in dieser Sache keinen Widerspruch. Du bleibst bis morgen Früh – und damit basta!“ Link warf einen hilfesuchenden Blick zu Navi, die ihn jedoch erneut überraschte, indem sie Salia beipflichtete: „Du brauchst wirklich mal eine Auszeit und ein wenig Ruhe.“ Als der Junge den Mund öffnete, um zu widersprechen, hob sie eine Hand und brachte ihn zum Schweigen. „Ich weiß, dass die Zeit drängt. Aber bis morgen Früh sind es nur ein paar Stunden. Das ist zu verschmerzen.“ Tief aufseufzend gab Link sich schließlich geschlagen. „In Ordnung. Wir bleiben! Eine Nacht im eigenen Bett wird mir sicher gut tun.“ Navi und Salia strahlten ihn dankbar an und sogar Tia, Salias Fee, lächelte erfreut. Auf einmal blitzte der Schalk in Salias Augen auf und sie fragte: „Weißt du, was dir außerdem gut tun würde?“ „Was denn?“ „Ein Bad!“ Die drei Mädchen verfielen in Gelächter, während Link ein gespielt genervtes Gesicht zog. Dann knuffte er seiner besten Freundin leicht gegen den Oberarm und machte sich auf den Weg ins Dorf. Salia schloss geschwind zu ihm auf und ging neben ihm. Die beiden Feen ließen ihnen ein wenig Vorsprung und folgten dann in gebührendem Abstand. Während Link Salia von seinem Besuch bei den Feenweisen und seinem Versprechen erzählte, hörte er Tia gespannt fragen: „Und? Wie konnte er den Feuerdrachen nun besiegen?“ Im Dorf angekommen steuerte Link schnurstracks auf den Teich zu, um zu baden und seine Kleidung zu waschen. Salia wollte sich unterdessen mit Tias Hilfe um das Abendessen kümmern. Navi hockte auf einem flachen Stein am Ufer und beobachtete, wie ihr Schützling durchs Wasser glitt. Es tat so gut, sich endlich den Wüstensand und vor allem das Blut abwaschen zu können! Allmählich fühlte sich Link wieder wie ein normaler Junge und nicht mehr wie ein Schlächter. Als er sich flach auf den Rücken legte und zusah wie langsam ein Stern nach dem anderen am Himmel aufleuchtete, sagte Navi: „Ich habe noch mal nachgedacht. Ich glaube, wir können uns den Weg zur Gerudo-Festung sparen.“ Überrascht riss Link den Kopf herum und ging bei der unbedachten Bewegung beinah unter. „Warum?“ „Naboru hat mir erzählt, dass die Twinrova alle Aufzeichnungen vernichten ließen, die womöglich Aufschluss über ihren Schwachpunkt hätten offenbaren können. Wenn der Spiegelschild nötig ist, um die beiden Hexen zu besiegen, sind garantiert sämtliche Berichte darüber lange verbrannt.“ „Hm.“ Der Junge machte ein nachdenkliches Gesicht. „Stimmt. Naboru wusste ja auch nicht, wo die Krafthandschuhe waren. Nur, dass sie irgendwo im Tempel sein mussten.“ Navi nickte, wobei ihr langes, goldenes Haar sanfte Wellen schlug. „Genau. Und dass der Spiegelschild ebenfalls im Geistertempel sein muss, weiß ich auch so. Dafür müssen wir uns nicht durch die Archive der Gerudo-Festung wühlen – was vermutlich eh vergebens wäre.“ „Wie kommst du darauf, dass der Schild im Tempel ist?“ Link warf ihr einen neugierigen Seitenblick zu. „Ich hab dir doch schon gesagt, dass der Deku-Baum mal von den Ritualen der Gerudo erzählt hat. Für eine bestimmte Zeremonie, die im Geistertempel stattfand, wurden die Krafthandschuhe und der Spiegelschild benötigt. Wenn die Handschuhe im Tempel aufbewahrt wurden, dann sicher auch der Schild.“ „Das macht Sinn. Aber ich fürchte, wenn wir jetzt zurückkehren, rennen wir den Hexen direkt in die Arme. Ich nehme an, dass meine Anwesenheit bei Naborus Gefangennahme sie ziemlich aufgescheucht haben wird.“ „Kann sein.“ Navi schöpfte etwas Wasser und ließ es sich geistesabwesend durch die Finger rinnen. „Aber wir sollten sowieso in der Zukunft zum Tempel zurückkehren.“ Link sah sie verblüfft an und richtete sich wieder auf. Im Stehen reichte ihm das Wasser an der tiefsten Stelle des Teiches bis unters Kinn. „Wieso das denn? In der Zukunft gibt es für mich keinen Weg ins Tempelinnere.“ Die Fee hob tadelnd einen Zeigefinger und belehrte ihren Schützling: „Du meinst, es gab keinen Weg für dich.“ Navi sah Link intensiv an, bis ihm dämmerte, worauf sie hinaus wollte. „Die Krafthandschuhe!“ „Genau. Du hast selbst gesagt, dass sie für Männer gemacht sind. Ich bin mir sicher, dass sie dir passen werden.“ „Und wenn sie wirklich übermenschliche Kräfte verleihen, dann kann ich vielleicht den riesigen Steinblock in der Eingangshalle verschieben!“ „Jetzt hast du meinen Plan begriffen!“ Als wolle er sofort losstürmen, watete Link ans Ufer und raffte seine abgelegten Ausrüstungsgegenstände zusammen. Dann lief er nass wie er war zu seinem Haus, um sich schnell abzutrocknen und sich saubere Kleidung anzuziehen. Anschließend warf er die gewaschenen Tuniken auf seine Wäscheleine neben seinem Hausbaum und joggte dann zu Salias Heim hinüber. Navi war bereits vorgeflogen, um ihrem Schützling ein wenig Privatsphäre und zumindest ein kleines bisschen Zeit ganz für sich allein zu lassen. Nach dem Essen saßen Link und Salia noch eine Weile zusammen, während ihre Feen schon lange schliefen. Link berichtete noch einmal aus seiner Sicht von seinem Abenteuer, ließ aber aus, dass Salia die Weise der Wälder war. Zwar fühlte es sich für ihn an als würde er sie belügen, doch er wusste nicht, ob sie so viel über ihr eigenes Schicksal überhaupt wissen wollte. Als Salia sich gerade darüber beklagte, wie trostlos das Hyrule der Zukunft klänge, fragte Link plötzlich vollkommen zusammenhangslos: „Was wolltest du mir damals… letztens eigentlich noch sagen?“ Überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel riss Salia die Augen auf. „Was meinst du?“ „Als ich letztens dein Lied benutzt habe, um mittels des Windes mit dir zu sprechen. Erinnerst du dich? Ich wollte wissen, ob du etwas über den dritten Heiligen Stein weißt.“ „Ja, ich erinnere mich.“ Trotz ihrer Worte blickte die Kokiri noch immer verwirrt drein. „Du hast am Ende des Gespräches noch etwas sagen wollen, aber die Verbindung ist abgerissen. Ich habe dich nie gefragt, was du mir noch hattest mitteilen wollen. Das tut mir leid.“ Milde lächelnd legte Salia ihrem Freund eine Hand auf den Unterarm und beugte sich vor, um ihn auf die Wange zu küssen. „Gräm dich deswegen nicht. Ich hatte dir nur sagen wollen, dass du mir fehlst.“ „Du mir auch.“ Link legte seinen Arm um Salias Schultern und zog sie an sich. Sie lehnte ihren Kopf gegen seinen Oberarm und schwieg für eine Weile, bevor sie die gedrückte Stimmung wieder aufzuheitern versuchte: „Kannst du dich noch daran erinnern wie Mido damals einen Schneemann verprügeln wollte, weil er über eine Wurzel gestolpert war und geglaubt hat, der Schneemann habe ihm ein Bein gestellt?“ Link brach bei der Erinnerung an den über und über mit Schnee bedeckten, wutschnaubenden Mido in schallendes Gelächter aus und berichtete seinerseits von Details des besagten Tages, an die er sich noch erinnern konnte. Die Beiden saßen noch etwa eine Stunde zusammen und kramten in ihren frühen Kindheitserinnerungen. Doch als Link schließlich herzhaft gähnte, schickte Salia ihn ins Bett. Der Junge nickte müde, sammelte seine schlafende Fee ein und verabschiedete sich mit einem Wangenkuss von seiner besten Freundin. Salia brachte ihn bis zur Tür und sah ihm hinterher, bis Link in seinem Wohnbaum verschwunden war. Es tat ihr geradezu körperlich weh, dass sie ihn bald wieder gehen lassen musste. Mit einem stummen Gebet an die Göttinnen, sie mögen ihr Link wohlbehalten zurückbringen, löste Salia sich schließlich vom Türrahmen und kroch in ihr Bett. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)