Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 50: Mit dem reinen Herzen eines Kindes ---------------------------------------------- Nur einen Herzschlag später fanden die beiden Abenteurer sich im Kirchenschiff der Zitadelle der Zeit wieder. Navi, die zum ersten Mal auf diese Weise gereist war, blinzelte irritiert und stieß verblüfft aus: „Unglaublich! Man merkt ja wirklich gar nichts!“ „Hast du etwa an meinen Worten gezweifelt?“ Der junge Krieger warf ihr einen knappen, gespielt erbosten Seitenblick zu und setzte sich anschließend in Bewegung, um das Portal zur Vergangenheit zu öffnen. Nachdenklich die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen, erinnerte die Fee sich an den Tag zurück, an dem sie den Schattentempel betreten hatten. Damals hatte ihr Schützling ein weiteres von Shieks Liedern benutzen müssen, um den Tempeleingang erreichen zu können. Ein kalter Schauer rieselte Navis Rücken hinab, als wieder die Bilder vor Augen hatte wie sich Links Körper in viele kleine Kugeln aus lilafarbenem Licht aufgelöst hatte. Ja, zu ihrer Schande musste sie gestehen, dass sie ihrem Begleiter seine Bekundungen, diese Reiseform sei alles andere als unangenehm, nicht von ganzem Herzen geglaubt hatte. Stattdessen hatte sie sich insgeheim furchtbar vor dem Moment gefürchtet, an dem sie gezwungen sein würde, ebenfalls auf diese Weise zu reisen. Doch anstatt von ihren Zweifeln und Ängsten zu erzählen, ließ sie das Thema fallen und schloss schweigend zu ihrem Schützling auf. Dieser hatte den Zeitfels bereits erreicht und zog gerade das Master-Schwert, um es wieder in den Stein zu rammen. Als er Navi in seinem Augenwinkel bemerkte, fragte er: „Bist du bereit?“ Die zierliche Fee nickte und krallte sich an dem Kragen seiner Tunika fest. Kaum, dass Link die heilige Klinge in den Fels gestoßen hatte, leuchtete das bereits bekannte, blendend helle Licht auf und die Körper von Mann und Fee schrumpften von einem widerlichen, nach splitternden Knochen klingendem Knacken auf Kindergröße zusammen. Als das bläuliche Licht wieder verschwand, fielen goldene Sonnenstrahlen durch die knapp unter der Decke angebrachten Buntglasfenster. Wie beim letzten Mal hatte Link das Gefühl, dass das Hyrule seiner Kindheit wesentlich heller war als das der Zukunft. Konnte es wirklich sein, dass Ganondorf selbst die Sonne verdunkelt hatte? Mit einem knappen Kopfschütteln verdrängte der Knabe derlei Gedanken schnell. Er hatte keine Zeit, um wegen soetwas ins Grübeln zu verfallen – schließlich wartete der Geistertempel auf ihn. Geschwind schälte er sich aus seinen zu groß gewordenen Kleidern und zerrte eine Kindertunika aus seinem Wunderbeutel. Nachdem er sich diese über den Kopf gezogen hatte, wandte er sich an seine geduldig wartende Fee: „Dann wollen wir mal!“ Navi nickte und setzte sich auf ihren Stammplatz auf seiner Schulter. Während der Junge das Requiem der Geister auf der Okarina spielte, summte das Feenmädchen leise mit und wiegte sich sanft im Takt. Nach nur einem augenaufschlagkurzen Moment fanden die Beiden sich im Tal der Göttin wieder. Sie standen auf einer fast vollständig vom Sand verdeckten Steinplatte, die sich auf der Ostseite des Tempels befand. Von hier aus waren es einige Meter bis zum Eingang. Link sah sich aufmerksam nach allen Seiten hin um, ob er Gefahren ausmachen konnte. Tatsächlich standen unweit von ihm mehrere Kakteen, die genauso aussahen wie die Monster, die ihn als Mann beinah getötet hatten. Navi, welche die verdächtig wirkenden Pflanzen ebenfalls bemerkt hatte, sagte mit einem angespannten Unterton in der Stimme: „Das könnte gefährlich werden.“ Der junge Herr der Zeiten nickte und murmelte: „Ich werde versuchen, zum Tempeleingang zu rennen. Mit etwas Glück schaffe ich es, den Treppenabsatz zu erreichen, bevor die Viecher mich eingeholt haben. Doch zur Not, hab ich ja das hier…“ Er ließ seine rechte Hand in seinen Lederbeutel abtauchen und zog Nayrus Umarmung hervor. Den Zauber fest umklammert lief der Recke los und hielt stur auf den Eingang zu. Es dauerte nur Sekunden, bis die Kakteen ihn bemerkt hatten und auf ihn zuschossen. Wie schon beim letzten Mal sprießten die Pflanzenmonster plötzlich überall unangekündigt aus dem Boden und versuchten, den Rennenden mit ihren langen Stacheln aufzuspießen. Link hetzte Haken schlagend durchs Tal, ohne dabei sein Ziel aus den Augen zu verlieren. Die Kakteen schienen noch schneller als zuvor zu sein, aber das war allein der Tatsache geschuldet, dass Links kindlicher Körper kürzere Beine hatte und der Herr der Zeiten deswegen nicht mehr so schnell sprinten konnte. Doch zu seiner großen Freude brachte er in dieser Form auch wesentlich weniger Gewicht auf die Waage, weswegen er nicht mehr so tief im Sand versank, was das Laufen bedeutend leichter machte. Flink wie ein Wiesel huschte der Knabe zwischen den Monstern hindurch, sprang geschickt aus ihrer Reichweite und hielt entschlossen auf den Geistertempel zu. Navi klammerte sich unterdessen an seinem Kragen fest und betete stumm zu den Göttinnen, sie mögen ihre schützende Hand über Link halten. Tatsächlich gelang es dem Recken dieses Mal auch ohne den Einsatz von Nayrus Umarmung, den Treppenabsatz unverletzt zu erreichen. Seine Verfolger blieben vor dem niedrigen Steinpodest wie angewurzelt stehen und schienen wütend zu dem jubelnden Jungen heraufzustarren. Dieser streckte die Zunge heraus und drehte ihnen eine lange Nase, bevor er sich umwandte und die Stufen hinaufstieg. „Ich frage mich, woher diese Biester wissen, wo du bist“, grübelte Navi laut, während ihr Schützling sich dem Eingang näherte. „Keine Ahnung. Spielt das eine Rolle?“ „Naja, irgendwie schon. Nehmen wir mal an, sie würden dich mit Hilfe deines Geruchs orten. In diesem Fall wäre es vielleicht hilfreich, dich mit einem Parfum aus Kakteenblüte einzureiben oder so. Dann wäre nicht jede Taldurchquerung ein solcher Hürdenlauf.“ Link nickte verstehend, strich jedoch heraus: „Aber dafür bräuchten sie wohl so etwas wie eine Nase…“ Seine Fee seufzte auf und gestand: „Das ist das Problem an der Sache. Ich entdecke nichts an ihnen, das aussieht wie eine Nase oder Ohren. Ich glaube nicht, dass sie dich riechen oder hören können.“ Sie zog ein nachdenkliches Gesicht, das auf einmal von Erkenntnis erhellt wurde. „Sicher doch! Ich hab’s!“ Ihr Schützling warf ihr einen neugierigen Blick zu. „Tatsächlich?“ „Ja.“ Die Fee nickte eifrig, doch dann trübten sich ihre Augen. „Allerdings wird uns das nicht weiterhelfen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dich über die Erschütterungen im Boden ausfindig machen. Sobald du deinen Fuß auf den Sand setzt, kommen die kleinen Körner in Bewegung. Diese breitet sich für uns nicht wahrnehmbar immer weiter aus, bis sie die Kakteen erreicht und ihnen verrät, wo du bist.“ Der Herr der Zeiten blickte zweifelnd und blieb auf der Schwelle zum Tempel stehen. „Wie soll das denn funktionieren?“ „So ganz genau weiß ich das auch nicht“, räumte Navi zerknirscht klingend ein, „aber ich habe in einem Buch gelesen, dass manche Wissenschaftler vermuten, dass Raubfische ihre Beute auf eine ähnliche Weise ausfindig machen. Beweisen konnte es bislang jedoch keiner.“ „Hm.“ Wenig überzeugt verschränkte der Knabe die Arme vor der Brust, lehnte sich gegen den Türrahmen des Eingangsportals und schaute zu den sich allmählich wieder im Tal verteilenden Kakteenmonstern zurück. Konnte es wirklich so sein wie Navi vermutete? Es klang schon arg weit hergeholt… Die junge Fee ließ sich von der zweifelnden Miene ihres Freundes nicht beirren und strich heraus: „Denk doch mal dran: So lange du auf der Teleportierplattform gestanden hast, hat sich keines der Wesen geregt. Und sobald du die Treppe erreicht hattest, haben sie die Verfolgung aufgegeben. Sie greifen dich nur an, solange du dich auf Sand bewegst. Ich bin mir sicher, dass es damit zusammenhängt, dass sie dich ansonsten nicht orten können.“ „Ja, möglicherweise hast du Recht. Aber was bringt uns dieses vermeintliche Wissen?“ Link löste sich wieder vom Türrahmen und sah Navi herausfordernd an. Diese hielt trotzig dagegen: „Im Moment nicht viel, das stimmt. Aber vielleicht stampfst du auf dem Rückweg mal nicht auf den Boden wie ein übergewichtiger Gorone. Dann fällt es den Monstern bestimmt schwerer, dich zu finden und sie greifen dich nicht gleich in Massen an.“ Der junge Kämpfer zog ein latent beleidigtes Gesicht und murrte: „Ich werde mal sehen, was sich machen lässt…“ Dann wandte er sich um und betrat ohne weiteres Zögern den Geistertempel. Aufgrund seiner geringeren Körpergröße wirkte die Eingangshalle des Geistertempels dieses Mal noch imposanter. Der Junge blickte sich skeptisch um, um eventuelle Angreifer schnell ausfindig machen und abwehren zu können. Dass Navi und er bei ihrem letzten Besuch von den fliegenden Tonkrügen überrascht worden waren, hatte ihn vorsichtig werden lassen. Während der Knabe sich nur langsam schleichend in den Raum wagte, preschte seine Fee unbekümmert vor und warf ihrem Schützling einen ungeduldigen Blick zu. „Was machst du denn da? Wir haben nicht ewig Zeit!“ Link stieß ein abfälliges Schnauben aus und wies seine Begleiterin zurecht: „Du bist viel zu leichtsinnig! Wie soll ich dich beschützen, wenn du nicht in meiner Nähe bleibst?!“ Anstatt getroffen zu ihrem Freund zurückzukehren, machte Navi eine wegwerfende Handbewegung und lachte: „Vor was willst du mich hier denn schützen? Du bist ein echter Hasenfuß, Link.“ „Dürfte ich dich daran erinnern, dass du beinah von einem fliegenden Tontopf an der Wand zermatscht worden wärst, als wir zuletzt hier waren?“ Der Herr der Zeiten zog ein mürrisches Gesicht, während seine Fee ihn weiterhin amüsiert angrinste. „Das hab ich nicht vergessen. Aber sieh dich hier doch mal um.“ Die geflügelte Frau machte eine ausladende Geste, die den gesamten Raum einschließen sollte. „Fällt dir denn gar nichts auf?“ Link ließ seinen Blick irritiert durch die Halle wandern. Auf was wollte Navi heraus? Als der Junge nichts Auffälliges entdecken konnte und immer ratloser dreinschaute, seufzte seine Fee theatralisch auf und erklärte: „Die Krüge sind alle kaputt. Sieh mal dort…“ Sie deutete auf eine Raumecke und Link stellten sich augenblicklich die Nackenhaare auf. Auf dem Boden lagen die Scherben mehrerer Tonkrüge und glänzten matt im Fackelschein. Der Knabe ging neben der zerbrochenen Töpferware in die Knie und murmelte: „Wie kann das sein?“ Navi, die die ängstliche Reaktion ihres Begleiters nicht nachvollziehen konnte, schnaubte: „Na, wie wohl? Du hast sie doch vorhin selbst zerschlagen…“ Als Link den Kopf hob, um seine Begleiterin anzusehen, waren seine Augen stark geweitet und verliehen ihm einen panischen Ausdruck. „Das macht keinen Sinn, Navi. Wir waren in der Zukunft hier. Die Krüge, die ich kaputt gemacht habe, sind vielleicht noch nicht einmal hergestellt worden.“ Allmählich machte sich Verstehen auf dem Gesicht der Fee breit und sie flüsterte: „Aber das bedeutet…“ „Richtig“, fiel ihr Schützling ihr ins Wort, „das bedeutet, dass wir höchstwahrscheinlich nicht allein sind.“ Kaum, dass Link diese Erkenntnis ausgesprochen hatte, bohrte sich ein Pfeil neben seinem Kopf in die Wand. Die beiden Abenteurer sprangen erschrocken auseinander und blickten sich suchend um. Aus welcher Richtung war der Pfeil abgeschossen worden? Wo versteckte sich der Angreifer? „Eines muss man Ganondorf lassen – er weiß, wie man Eindringlinge fernhält!“ Navi huschte so schnell wie möglich unter Links Mütze und krampfte ihre winzigen Hände in sein Haar. Nur Sekunden später wurde ein weiterer Pfeil abgeschossen, der surrend durch die Luft zischte und das rechte Bein des jungen Recken nur knapp verfehlte. „Wagt es ja nicht, mich mit Ganondorf in einen Topf zu werfen!“ Die Stimme einer jungen Frau schallte durch den Raum und Link drehte sich kreiselnd um die eigene Achse, um die Angreiferin ausfindig zu machen – jedoch ohne Erfolg. Da ihm nichts Besseres einfiel, rief er schließlich: „Wenn du nicht zu Ganondorf gehörst, wer bist du dann? Und was suchst du dann hier?“ „Dasselbe könnte ich dich fragen!“ Die Stimme hallte von den hohen Wänden wider und schien aus mehreren, teils gegensätzlichen Richtungen gleichzeitig zu kommen. „Der Geistertempel ist seit Jahrhunderten das bedeutendste Heiligtum meines Volkes. Ich habe jedes Recht, hier zu sein – aber das gilt nicht für dich. Also lege mir deine Absichten offen oder verschwinde!“ Als wollte die Unbekannte ihren Worten zusätzliches Gewicht verleihen, feuerte sie einen dritten Pfeil direkt vor Links Füße. Dieser stieß einen erschrockenen Schrei aus und machte einen beeindruckenden Satz nach hinten. Seine Fee hingegen schnappte mit einem Laut der Erkenntnis nach Luft, schob ihren Kopf unter dem Saum der Mütze hervor und rief: „Naboru! Du bist Naboru, nicht wahr?“ Hinter einem der oberen Treppenpfeiler wurde ein feuerroter Haarschopf sichtbar und kurz darauf erhob sich die junge Gerudo vollständig. Ihren schwarz gebeizten Bogen hielt sie dabei schützend vor sich, einen Pfeil eingelegt und die Sehne halb gespannt. „Wer will das wissen?“ Ihre bernsteinfarbenen Augen funkelten skeptisch und der harte Zug ihrer vollen, grell geschminkten Lippen verriet Ablehnung. Auf den ersten Blick sah die Fremde wie eine gewöhnliche Gerudo-Kriegerin aus. Sie trug die übliche Uniform, in die sich auch die ordinären Wachen des Wüstenvolks hüllten. Jedoch strahlte ihre in einem blütenreinen Weiß, das lediglich um die Knie herum leicht verfärbt war. Link hatte sich während seines Aufenthalts in der Gerudo-Festung bereits zusammengereimt, dass es ein besonderes Privileg der Elitekriegerinnen war, die Farbe ihrer Uniform selbst zu wählen. Dieser Eindruck der Besonderheit wurde zusätzlich noch durch den fehlenden Schleier und ihren im Fackelschein schillernden Schmuck unterstrichen. Um ihre Oberarme wanden sich dicke Schlangen aus massivem Gold und an ihren Ohrläppchen hingen goldene Dreiecke. Ihr Halsband bestand ebenfalls aus kunstvoll gehämmertem Gold und war mit einem babyfaustgroßen Rubin versehen. Zusätzlich trug die Gerudo ein filigranes Diadem, das auf der Stirn der Frau, wo ein weiterer Edelstein im Fackelschein funkelte, zusammenlief. Selbst ihr Haarreif, der ihren kräftigen Zopf zusammenhielt, war mit einem blutroten Stein versehen. Ganz offensichtlich handelte es sich bei der jungen Frau um eine bedeutende Persönlichkeit. Als sich Links Zweifel an ihrer Identität verflüchtigten, entspannte sich sein verkrampfter Körper und er formte seine Lippen zu einem breiten Lächeln. „Du bist also tatsächlich Naboru.“ Sofort straffte die Gerudo den Rücken und zog die Bogensehne noch weiter zurück. „Spielt das irgendeine Rolle?“ „Allerdings.“ Der Knabe nickte eifrig, bevor er fortfuhr: „Wir sind auf der Suche nach dir.“ „Warum?“ Naboru verengte ihre blitzenden Augen zu Schlitzen und zielte mit ihrem Pfeil direkt auf Links Herz. „Weil wir deine Hilfe brauchen, um Ganondorf aufzuhalten.“ Vor Überraschung ließ die junge Frau den Bogen sinken, doch nur wenige Herzschläge später hatte sie sich wieder unter Kontrolle. „Ich gebe zu, du hast mein Interesse geweckt. Erzähl mir mehr. Was hast du vor? Und wozu brauchst du mich?“ Während Link Navi und sich vorstellte und von seiner Queste berichtete, hielt Naboru ihren Bogen ununterbrochen gespannt, um sofort zuschlagen zu können. Doch als der Junge endete, ließ sie die Waffe endlich sinken und sagte mit zweifelnd klingender Stimme: „Ihr glaubt also, ich sei die Weise der Geister?“ „Es sieht ganz danach aus“, bestätigte Navi mit einem fröhlichen Flöten. Die Fee war in Hochstimmung – den sechsten Weisen zu finden, war wesentlich einfacher gewesen als gedacht! Die Antwort der Gerudo verhagelte der geflügelten Frau jedoch sogleich wieder die Laune: „Ihr irrt euch. Ich bin keine Weise.“ Link stieg langsam die Treppe hinauf und lächelte Naboru milde an. „Die anderen Weisen kannten ihr wahres Wesen auch nicht, bis sie ihre Bestimmung schließlich erfüllen mussten. Wir haben dich vor deiner Zeit gefunden – wie gesagt, die Macht der Weisen wird erst in sieben Jahren gebraucht. Ich bin mir sicher, dass du die Sechste bist. Also geh bitte nach Hause und halte dich bedeckt, bis ich dich wieder aufsuche. Dann wird sich dein Schicksal erfüllen. Vertrau mir.“ Plötzlich stahl sich ein listiges Grinsen auf das Gesicht der Gerudo: „Ich habe keinen Grund, dir zu vertrauen. Vielleicht bist du ja doch nur ein besonders geschickter Lakai Ganondorfs, der mich endlich mundtot machen soll.“ Als der Herr der Zeiten protestieren wollte, legte sie ihm ihren Zeigefinger auf die Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Aber du kannst mir deine lauteren Absichten beweisen.“ „Wie?“ Der Junge legte den Kopf schief und sah sein Gegenüber aufmerksam an. Navi hingegen zog ein skeptisches Gesicht und kaute nachdenklich auf der Unterlippe. Wollte Naboru sie womöglich übers Ohr hauen? Die Gerudo grinste wölfisch. „Irgendwo in diesem Tempel ist ein uraltes Relikt meines Volkes versteckt. Es heißt, dass die Krafthandschuhe dem Träger übermenschliche Kräfte verleihen sollen. Ihretwegen bin ich hierhergekommen. Leider kann ich nicht ins Tempelinnere vordringen, da der Gang dort hinten blockiert und dieser Schacht hier zu schmal für mich ist. Aber du halbe Portion solltest dich hindurchzwängen können.“ Link betrachtete das Loch in der Wand, das er schon bei seinem letzten Besuch entdeckt hatte. „Mit anderen Worten: Ich soll dir die Krafthandschuhe bringen, um dir zu beweisen, dass wir auf derselben Seite stehen.“ Naborus Zähne schimmerten rotgolden im Fackelschein als sie noch breiter lächelte. „Du hast es erfasst. Bring mir meinen Schatz und ich werde dich in deinem Kampf gegen Ganondorf so gut unterstützen wie ich kann. Bis dahin werde ich es mir hier gemütlich machen und auf dich warten.“ „Alles klar. Navi, bist du bereit?“ Der junge Herr der Zeiten schielte zu seiner Fee herauf, die seine Stirn herabbaumelte und nickte. Dann ließ er sich auf die Knie fallen und schickte sich an, durch den engen Schacht ins Tempelinnere zu kriechen. Desto näher die beiden Abenteurer dem Schachtausgang kamen, umso staubiger wurde die Luft. Obwohl das Kriechen Link kaum anstrengte, schnaufte er bereits nach kurzer Zeit wie nach einem Sprint. Navi, die inzwischen auf seine Schulter geklettert war, um nicht zwischen seinem Kopf und der Schachtdecke eingeklemmt zu werden, tätschelte ihm die Halsseite. „Sieh mal, da hinten ist Licht. Gleich hast du’s geschafft.“ Link nickte und brummte: „Wenigstens ist es nicht so heiß wie ich befürchtet hatte.“ „Stimmt. Es ist überraschend kühl. Ich nehme mal an, die dicken Felswände verhindern, dass der Tempel sich aufheizt.“ „Was auch immer der Grund dafür ist – es gefällt mir.“ Mit diesen Worten zog der Recke sich aus dem Schacht und sah sich in dem dahintergelegenen Raum um. Doch bevor er sich orientieren konnte, sauste plötzlich ein Feuerball auf ihn zu. Link hatte kaum Zeit zu reagieren und so prallte das brennende Geschoss mit voller Wucht gegen seinen rechten Arm, den er in letzter Sekunde hatte hochreißen können, um sein Gesicht zu schützen. Das seltsame Fauchen, das der Feuerball ausstieß, ging beinah im Schmerzensschrei des Jungen unter, als die Flammen sich sofort in den Ärmel seiner Tunika fraßen und ihm Haut und Haare versengten. Während Link panisch versuchte, das Feuer durch Schläge zu ersticken, nahm Navi, die bei der plötzlichen Bewegung ihres Schützlings von dessen Schulter gefallen war und nun neben ihm in der Luft schwebte, den Angreifer genauer unter die Lupe. Als sie erkannte, was sich auf Link geschmissen hatte, sog sie scharf Luft ein und wirbelte zu ihrem Begleiter herum. „Link! Pass auf! Das ist ein Feuerflatterer – und er kommt schon wieder zurück!“ Ohne bewusst darüber nachzudenken, riss der Junge sein Schwert aus der Scheide und ließ es in einem vertikalen Schlag durch die Luft zischen. Ob es nur Glück oder die auf seiner Reise gesammelte Erfahrung war, dass er die brennende Fledermaus erwischte und sauber in zwei Hälften teilte, wusste er selbst nicht. Kaum, dass er die Angreiferin niedergestreckt hatte, sauste Navi um ihn herum und nahm seine Verletzung in Augenschein. Der Tunikaärmel war fast bis zur Schulternaht abgebrannt. Die Haut darunter leuchtete in einem hellen Rot, nässte und begann bereits erste, kleine Blasen zu werfen. Bei diesem Anblick verzerrte Sorge das Antlitz der Fee und sie sah aus großen, kummervollen Augen zu ihrem Schützling auf: „Oh, Link… Das sieht böse aus!“ Dieser nickte mit aufeinander gepressten Lippen und hielt Ausschau nach weiteren Angreifern, die glücklicherweise ausblieben. „Zumindest ist die Verletzung nicht so groß. Schwein gehabt“, versuchte Navi ihnen Beiden ein wenig Mut zuzusprechen. Wieder nickte Link lediglich. Sein gesamter Oberarm brannte als stünde er noch immer in Flammen und der Junge traute seiner Stimme nicht. Er fürchtete, man könnte ihm anhören, wie nah er den Tränen war, sollte er den Mund aufmachen. Navi, die sein Schweigen ein wenig fehlinterpretierte, legte ihm eine ihrer zierlichen Hände an die Wange und flüsterte: „Es tut mir so leid, dass ich keine heilenden Fähigkeiten habe…“ Link, der wegen seiner Schmerzen zu erschöpft war, um zartfühlend zu sein, schnaubte genervt und fand seine Stimme schließlich doch wieder: „Hör auf damit! Selbstmitleid bringt uns nicht weiter und heilt auch nicht meine Wunden. Lass uns lieber schnell die Krafthandschuhe finden und zu Naboru bringen damit ich zur großen Fee gehen und mich heilen lassen kann.“ Bei seinen Worten schnappte etwas in Navi ein und sie spürte, wie sie sich schlagartig verschloss. Die Arme vor der Brust verschränkt, wandte sie sich abrupt von Link ab. Fein! Wenn er es so wollte, würde sie sich zukünftig eben nicht mehr für seine Verletzungen interessieren! Und wenn er auf dem Zahnfleisch dahinkroch – das war ihr doch egal! Ein tiefer Seufzer ihres Begleiters bewegte die Luft um sie herum und blies ihr ihre Haare ins Gesicht. „Navi…“ Link klang auf einmal unendlich müde. „Ich hab’s nicht so gemeint. Tut mir leid. Du kannst ja nichts dafür. Und ich kann mir vorstellen, wie frustrierend es sein kann, wenn man sich hilflos fühlt.“ Ein wenig besänftigt drehte die junge Fee sich wieder um, damit sie ihren Schützling ansehen konnte. Während sie sein angespannt wirkendes Gesicht betrachtete, kam ihr plötzlich eine Erkenntnis: Er hatte Recht! Niemandem war damit geholfen, wenn sie bedauerte, was sie alles nicht konnte. Stattdessen sollte sie sich lieber aufs Mögliche konzentrieren und das Beste daraus machen. Vor allem aber brauchte Link, der so viel Verantwortung trug und schon dermaßen viel hatte erleiden müssen, jemanden, der für gute Laune sorgte und ihm ein paar seiner Sorgen nahm. Deswegen setzte Navi ein strahlendes Lächeln auf und verkündete so beschwingt wie möglich: „Ist schon in Ordnung. Jetzt sollten wir uns erst mal überlegen, was wir mit der Wunde machen, damit du keinen Dreck hineinbekommst.“ „Nichts. Wir haben kein Verbandszeug dabei.“ „Dann müssen wir halt improvisieren…“ Wenige Augenblicke später, hatte Navi Links Schulter mit Hilfe einer kaputt gerissenen Ersatztunika und der abgezogenen Bogensehne notdürftig verarztet und begutachtete ihr Werk. „Hm… Es ist nicht perfekt, aber für den Moment muss es reichen.“ Link bewegte probehalber den Arm und nickte: „Ich denke, es wird gehen. Danke, Navi!“ „Ich hoffe nur, dass der Stoff nicht zu sehr auf der Wunde festklebt.“ Der junge Recke zuckte scheinbar desinteressiert mit den Schultern. „Es ist die beste Alternative, die wir momentan haben. Ich beeil mich einfach damit, die Krafthandschuhe zu finden – dann muss ich mir darüber gar keine Gedanken machen.“ Er grinste zu seiner Fee hoch und wandte sich dann wieder dem Raum zu, um ihn endlich zu erkunden. Direkt vor ihm befand sich eine Falle, die unaufmerksame Abenteurer am weiteren Vordringen hindern sollte. Doch der Zahn der Zeit hatte unbarmherzig an dem Mechanismus genagt, sodass sich die Messer nur noch sehr langsam von einer Gangseite zur anderen schoben. Den richtigen Moment abzupassen, um die Falle gefahrlos zu passieren, stellte für Link keinerlei Problem dar. Hinter den schwerfällig rotierenden Klingen wand sich der Gang in einer weiten Kurve eine kurze Treppe zu einem den Rest des Raumes ausfüllenden Podest herauf. Dieses war oval geformt und führte zu zwei Türen sowie einem weiteren Schacht, durch den nur jemand Kleines und Schmales zu kriechen vermochte. Die Augen auf eine zweite, nur stockend kreisende Schwerterfalle gerichtet, murmelte Link: „Früher muss dieser Tempel eine wahre Todesfalle gewesen sein…“ Navi, die wieder einmal auf seiner Schulter saß und versuchte, eine schlecht beleuchtete Steintafel am anderen Ende des Raumes zu entziffern, nickte. „Wir können von Glück reden, dass hier alles so eingerostet ist!“ Der junge Recke passierte die uneffektive Falle und schritt auf eine in der Mitte des Raums stehende Monsterstatue zu. Sie hatte einen dicken, sich zum Sockel hin verjüngenden Leib und lange, spitze Hörner. Am interessantesten fand Link jedoch Schwert und Schild, mit denen der Steinmetz seine Kreatur ausgestattet hatte. Sie sahen so realistisch aus… Außerdem wurde der Junge das Gefühl nicht los, dass er diese oder zumindest eine sehr ähnliche Statue schon einmal gesehen hatte. Wo konnte das bloß gewesen sein? Einige Herzschläge lang starrte Link das steinerne Gebilde an und überlegte, aber als ihm die Antwort nicht einfallen wollte, verwarf er den Gedanken wieder und beschloss, dass es keine Rolle spielte. Er hatte momentan andere Probleme als hässliche Statuen. Also wandte er seinen Blick den beiden Türen zu und seufzte innerlich auf. Beide Ausgänge waren mit dicken Eisenstangen versperrt. Damit blieb ihm nur der Weg durch den Schacht… Dabei würde er sich garantiert die verletzte Schulter anstoßen… Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse des Widerwillens und stöhnte: „Na toll!“ Eigentlich hatte der junge Abenteurer mit einer Reaktion seiner Fee gerechnet, doch diese blieb überraschenderweise aus. Stattdessen starrte Navi noch immer mit in Falten gelegter Stirn auf die Steintafel. Das war doch frustrierend! Obwohl sie die Sprache der Gerudo lesen konnte, konnte Navi die Schrifttafel nicht entziffern. Es war als bewegten sich die Buchstaben vor ihren Augen und liefen ineinander. Das Feenmädchen überlegte bereits fieberhaft, welche Art Zauber hier am Werk sein mochte, als es endlich das verräterische Rascheln wahrnahm und verstand. Alarmiert riss Navi an den Haaren ihres Schützlings und rief: „Link! Vorsicht! Dort an der Wand sind noch mehr Fledermäuse!“ Der Junge ließ den Kopf herumschnellen und zog sein Schwert – doch zu spät. Als hätte die Fee sie mit ihrem Ausruf aufgeschreckt, hatten sich die Feuerflatterer in die Luft geschwungen und stürzten sich bereits mit ausgestreckten Krallen auf Link. Dieser duckte sich geschickt unter seinen Angreifern hinweg, verfehlte sie jedoch bei seinem Konter. Eine der Fledermäuse stieß einen hissenden Laut aus und flog eine Schleife, um den jungen Abenteurer erneut zu attackieren. Die andere hingegen schien zunächst abzudrehen und den Kampf aufzugeben. Die Erleichterung, die Link bei diesem Anblick empfand, schlug jedoch schlagartig in Schrecken um, als er erkannte, was seine Kontrahentin in Wirklichkeit vorhatte. Anstatt zu fliehen, flog die Fledermaus direkt in eine der im Raum aufgestellten Fackeln. Kaum, dass sie die Flammen berührt hatte, fingen ihre Flügel Feuer als wären sie mit Pech bestrichen. Sofort schien Links Brandwunde noch heftiger zu schmerzen, so als erinnerte sich die verschmorte Haut an den direkten Kontakt mit dem brennenden Element. „Wieso verbrennt das Vieh nicht?!“, schoss es dem Jungen durch den Kopf, als die panische Stimme seiner Fee an seine Ohren drang: „Duck dich!“ Er war von dem Anblick des brennenden Feuerflatterers so gebannt gewesen, dass er die zweite Fledermaus glatt vergessen hatte. Diese stürzte sich mit einem markdurchdringenden Schrei auf Link und traf ihn trotz Navis Warnung an der Schläfe. Blut quoll aus den Schnittwunden, die ihre Krallen hinterlassen hatten, und der junge Recke taumelte überrumpelt nach hinten, bis er mit dem Rücken gegen die Steinstatue stieß. Als die erfolgreiche Angreiferin sich anschickte, nachzusetzen und Link das Gesicht zu zerkratzen, sprang Navi von der Schulter ihres Schützlings ab und verpasste der Fledermaus eine schallende Ohrfeige, ohne darüber nachzudenken, welchem Risiko sie sich damit aussetzte. Sie war klein genug, um auf der Speisekarte ihrer Kontrahentin zu stehen. „Navi! Nicht!“ Link riss seinen verletzten Arm nach oben, um seine Fee aus der Gefahrenzone zu retten. Doch noch bevor er sie erreicht hatte, erwachte die Statue hinter ihm plötzlich zum Leben und schwang ihr mächtiges Schwert, sodass dem Jungen nichts anderes übrig blieb als zur Seite zu springen. Als er herumwirbelte und das Steinmonster auf ihn zukommen sah, fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen, wo er eine solche Statue bereits früher schon einmal zu Gesicht bekommen hatte: in Dodongos-Höhle. Damals war ihm nichts anderes übrig geblieben als die Beine in die Hand zu nehmen… Navi hatte den Moment der allgemeinen Irritation unterdessen dazu genutzt, um zu flüchten, aber die Fledermaus hatte bereits die Verfolgung aufgenommen und holte beständig auf. Zu allem Überfluss hatte sich auch der brennende Feuerflatterer dazu entschlossen, Jagd auf die kleine Fee zu machen, anstatt Link anzugreifen. Er näherte sich von der anderen Seite und schnitt Navi den Weg ab. Das Feenmädchen konnte gerade eben noch einen Haken schlagen und die beiden Fledermäuse austricksen, bevor es von ihnen in die Zange genommen werden konnte. In Folge dessen stießen die beiden Feuerflatterer zusammen, sodass Navi nun von zwei brennenden Gegnern verfolgt wurde – nicht gerade eine Verbesserung ihrer Situation… „LINK! HILFE!!!“ Der tapfere Recke hatte jedoch selbst alle Mühe, sich gegen die zum Leben erwachte Statue zu verteidigen. Diese rückte schwertschwingend immer weiter vor und drängte Link, der angestrengt versuchte, seine hin und her flitzende Fee im Auge zu behalten, allmählich gegen die Wand. Navi sah sich bereits ihren Schöpferinnen gegenüber, als die beiden Fledermäuse sie schließlich einkesselten und mit fauchenden Lauten ihre langen, rasiermesserscharfen Reißzähne entblößten. Doch in diesem Moment tat Link etwas völlig unvorhergesehenes. Als das Steinmonster mit dem Schwert nach ihm stach, sprang der Jung auf die Klinge, rannte über sie den Arm des Monsters bis zur Schulter hinauf und schmiss sein Kurzschwert mit voller Kraft auf einen der beiden Feuerflatterer. Diesem blieb keine Chance zu reagieren. Er wurde an der gegenüberliegenden Wand aufgespießt wie ein Schmetterling in der Sammlung eines Lepidopterologen. Kaum, dass das Leben aus dem Körper der Fledermaus gewichen war, erloschen ihre Flügel, so als hätte nur ihr Lebensodem das Feuer erhalten. Ohne sich über seinen Triumph zu freuen, schwang Link sich so schnell er konnte über die Schulter der Steinstatue und zerrte seinen Bumerang aus dem Wunderbeutel. Seine Füße hatten kaum den Boden berührt, als der junge Abenteurer die Wurfwaffe auch schon dem zweiten, vor Überraschung noch erstarrten Angreifer entgegenschleuderte. Der Bumerang wirbelte durch die Luft, trennte dem Feuerflatterer den Kopf vom Rumpf und sauste an Navi vorbei an die gegenübergelegene Wand, wo er laut klirrend zu Boden fiel. Dem Feenmädchen schlug das Herz bis zum Hals und es spürte, wie ihm vor Erleichterung die Knie weich wurden. Hätte es in diesem Moment gestanden, es wäre sicherlich auf dem Hintern gelandet. So trudelte Navi langsam an der Wand entlang nach unten, da ihre Flügel sie nicht mehr in der Luft trugen. Link hingegen hatte noch keine Zeit für eine Verschnaufpause. Das Statuenmonster hatte sich inzwischen mit überraschender Geschwindigkeit um die eigene Achse gedreht und kam wieder schwertschwingend auf ihn zu. Der junge Recke wich leichtfüßig tänzelnd aus, doch ewig würde er so nicht weitermachen können. Irgendwann würde ihm die Puste ausgehen und dann säße er richtig in der Patsche. Er musste sich etwas einfallen lassen… Als hätte sie seine Gedanken gelesen, rief Navi von der Seite: „Das Vieh ist aus Stein! Du weißt, wie man Steine kaputt macht. Benutz deine Bomben!“ Aber sicher doch! Warum war er nicht selbst darauf gekommen?! So schnell er konnte, holte Link eine Bombe hervor, rollte sich über die unverletzte Schulter zu einer der Fackeln, entzündete die Lunte der explosiven Kugel und warf sie der Statue vor die Füße. Glücklicherweise war das Monster nicht besonders intelligent, sodass es die Gefahr nicht erkannte. Nur Sekunden später wurde es von der Explosion in Stücke gerissen und in Form von Geröll und Steinmehl im ganzen Raum verteilt. Während Link und Navi erleichtert aufatmeten, sich den grauen Staub abklopften und darauf warteten, dass das Klingeln in ihren Ohren nachließ, begannen plötzlich die Eisenstäbe vor den beiden aus dem Raum führenden Türen zu wackeln. Mit einem breiten Grinsen beobachtete Link wie die massiven Stangen langsam im Boden verschwanden und den Weg tiefer in den Tempel freigaben. Anstatt sich sofort für einen Ausgang zu entscheiden, sammelte der Junge zunächst seine von sich geworfenen Waffen wieder ein und setzte sich neben seine mitgenommen wirkende Fee. Diese lehnte ihren Oberkörper sogleich gegen sein Bein und stieß einen langgezogenen Seufzer aus. Sie waren noch einmal mit dem Leben davon gekommen… Nachdem sie ein paar Minuten schweigend gerastet hatten, stupste Link seine Begleiterin vorsichtig mit dem Zeigefinger an. „Na, geht’s wieder?“ Navi horchte in sich hinein und nickte: „Ja, mir geht’s gut. Es kann weitergehen!“ „Alles klar.“ Obwohl er darauf gehofft hatte, dass seine Freundin noch einen Moment brauchen und er so eine Ausrede für eine ausgedehntere Pause haben würde, schwang sich der junge Recke sogleich auf die Füße und nahm die beiden Türen in Augenschein. „Die Frage ist nur, in welche Richtung es weitergeht.“ Die Arme vor der Brust verschränkt, ließ Link seinen Blick immer wieder von links nach rechts wandern und überlegte, welchen Ausgang er zuerst ausprobieren sollte. Was, wenn einer von ihnen eine Falle war und womöglich Messer aus dem Boden schossen, sobald er versuchen würde die Tür zu öffnen? Dann konnte er nur darauf hoffen, dass der Rost auch diesen Mechanismus nicht verschont und ihm ein wenig Reaktionszeit verschafft hatte. Navi schwirrte neben ihm in der Luft und legte den Kopf schief, während sie ebenfalls über das weitere Vorgehen nachdachte. Als ihr schließlich eine Idee kam, hieb sie sich mit der Faust auf die flache Hand und rief: „Hah! Ich hab’s!“ Ihr Schützling zog eine Augenbraue in die Höhe und bedachte sie mit einem neugierigen Seitenblick. „Steht ein Hinweis auf der Steintafel?“ Das Feenmädchen schüttelte den Kopf, sodass seine langen Haare wild umherpeitschten. „Leider nein. Es ist nur eine Gebetstafel, die wohl noch aus der Zeit stammt, als dieser Tempel noch als Religionsstätte genutzt wurde. Aber ich habe eine andere Idee.“ „Jetzt spann mich nicht auf die Folter… Was schlägst du vor?“ Link machte eine ungeduldige Handbewegung und drehte den Oberkörper, um seine Begleiterin besser ansehen zu können. Diese deutete mit dem Daumen über ihre Schulter und sagte: „Ich fliege schnell zurück und frage Naboru, ob sie etwas mehr über den Tempel weiß. Vielleicht hat sie ja sogar soetwas wie eine Karte oder so.“ „Manchmal könnte ich dich für deine Ideen küssen!“ Der Junge strahlte seine Freundin mit einem erfreuten Lächeln an. Als diese daraufhin errötete und verlegen zur Seite blickte, wurde sein Grinsen noch eine Spur breiter. „Ich… ähm… bin dann gleich wieder da.“ Von Links nur halbherzig unterdrücktem Lachen begleitet, sauste Navi durch den engen Spalt zurück in die Eingangshalle. Naboru saß auf dem Treppenabsatz und spielte geistesabwesend mit einer goldenen Schlange, die sie von ihrem Oberarm gezogen hatte. Ihren Bogen hatte sie sich quer über den Schoß gelegt, so als hätte sie Angst, den Kontakt zu ihrer Waffe zu verlieren. Navi erinnerte sich bei diesem Anblick an etwas, das Link ihr von einem Gespräch mit Aveil erzählt hatte. Die Gerudo hatte befürchtet, dass ihre Anführerin, die einst Ganondorfs erklärte Gegnerin gewesen war, von den im Geistertempel lebenden Twinrova entführt worden sei. Vielleicht war Naborus Angst davor, sich unbewaffnet in der Göttin des Sandes aufzuhalten also durchaus berechtigt. Um die gedankenversunkene Frau nicht zu sehr zu erschrecken, umrundete Navi Naborus Kopf so langsam wie möglich und schob sich bedächtig in ihr Sichtfeld. Dennoch zuckte die Gerudo heftig zusammen, als sie das geflügelte Wesen entdeckte, und riss instinktiv ihren Bogen hoch. Mit einem erschreckten Quieken hob Navi die Hände und rief: „Ich bin’s doch nur!“ Naboru musterte sie kritisch, bevor sie ihre Waffe endlich wieder sinken ließ. „Die Fee des kleinen Verrückten, der glaubt, ich sei die Weise der Geister… Was tust du hier?“ „Ich hab auch einen Namen, du arrogante Kuh!“, schoss es Navi angesichts der unhöflichen Begrüßung durch den Kopf. Doch anstatt sich zu beschweren, erklärte sie mit gespielter Süße in der Stimme: „Dieser Tempel erscheint uns sehr verwinkelt zu sein. Deswegen wollte ich dich fragen, ob du etwas weißt, dass uns weiterhelfen könnte. Vielleicht besitzt du ja sogar eine Karte – immerhin ist dies ein Tempel der Gerudo und du bist ihre Anführerin.“ Als Naboru mit dem Kopf schüttelte, hätte Navi am liebsten laut aufgeseufzt. Da zerplatzte ihre schöne Hoffnungsseifenblase… Es wäre ja auch zu schön gewesen! Die Gerudo schien die Enttäuschung der Fee gar nicht zu bemerken und verzog das Gesicht zu einer Fratze der Wut. „Früher hat es Karten für den Tempel gegeben. Sogar die Baupläne haben Jahrhunderte überdauert! Die Torwächterinnen haben sie aufbewahrt. Die Torwächterinnen waren–“ „Niedere Priesterinnen, die in der Wüstenburg, dem Tor zur Wüste lebten und das Zwischenglied zwischen Pilgern und Tempelpriesterinnen bildeten. Ich weiß“, fiel Navi ihr ungeduldig ins Wort. Auf was wollte Naboru hinaus? Diese stutzte für einen kurzen Moment über das Wissen der Fee, fuhr dann aber unbeirrt fort: „Wir Gerudo hatten riesige Bibliotheken voller antiker Schriften. Doch die Twinrova haben die meisten Aufzeichnungen vernichten lassen. Jahrtausende altes Wissen von den Flammen verschlungen, einfach so…“ Ihre Stimme verlor sich zu einem Flüstern, in dem Trauer und Wut zu gleichen Teilen mitschwang. Navi legte die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. Weshalb hatten die Twinrova die Tempelkarten und -baupläne zerstören lassen? Es war doch außer den Priesterinnen selbst sowieso niemand befugt, den Tempel zu betreten… Das konnte doch eigentlich nur bedeuten, dass… „Irgendwo in diesem Tempel gibt es einen versteckten Raum!“, platzte Navi heraus. Ihr Gegenüber sah sie daraufhin aus großen Augen irritiert an. „Wie kommst du darauf?“ „Weil es die einzige Erklärung für die Vernichtung der Karten ist. Der Raum muss auf ihnen eingezeichnet gewesen sein, weswegen es mit ihnen ein Leichtes gewesen wäre, das Versteck der Twinrova zu finden.“ Erkenntnis erhellte Naborus Gesicht und sie nickte Navi zu. „Du hast Recht, das macht tatsächlich Sinn. Vermutlich haben sie geahnt, dass sich die Gerudo irgendwann gegen sie auflehnen könnten. Wenn unsere Kriegerinnen dann aber hier angekommen wären, hätten sie die Twinrova nicht finden können – und du kannst niemanden bekämpfen, den du nicht ausfindig machen kannst.“ „Richtig.“ Dieses Mal war es die Fee, die nickte. „Aber was stand in den anderen Schriften, die sie haben vernichten lassen?“ „Vielleicht Hinweise darauf, wie man die beiden Hexen besiegen kann“, mutmaßte Naboru. „Ich habe gehört, dass normale Waffen ihnen nichts anhaben können.“ „Dann hoffe ich, dass wir ihnen nicht begegnen…“ Navi machte ein besorgtes Gesicht und dachte an Link, der auf der anderen Seite des Schachtes vermutlich schon ungeduldig auf sie wartete. Er hatte es auch so schon schwer genug, es mussten nicht auch noch Probleme mit übermächtigen, verrückten Priesterinnen dazu kommen. Bevor Naboru etwas entgegnen konnte, fügte Navi an: „Nun gut, ich weiß noch nicht, wie uns die Information über den geheimen Raum weiterhelfen kann, aber ich danke dir trotzdem. Wir werden einfach Augen und Ohren offen halten. Vielleicht bemerken wir ja etwas.“ Mit diesen Worten wandte sich die Fee flugs ab und verschwand im Schacht, ohne eine Antwort der Gerudo abzuwarten. Link hatte sich unterdessen in der Mitte des Raumes niedergelassen und vertrieb sich die Wartezeit damit, kleine Steinchen in die Fahrrinne der langsam kreisenden Messerfalle zu schnipsen. Wann immer sich einer der Kiesel zwischen den Zahnrädern des Mechanismus‘ verkantete, stockte das Messer für einen Moment – nur um sich dann träge weiterzudrehen, wenn das blockierende Gestein zwischen den Metallrädern zermalmt worden war. Gelangweilt ließ der Junge sich auf den Rücken fallen und verzog für einen kurzen Moment das Gesicht, als seine verbrannte Schulter auf den Boden traf. Was machte Navi nur so lange?! Die Stimmen von Fee und Gerudo drangen durch den Schacht zu ihm herüber, aber er konnte kein Wort verstehen. Offenbar war das sagenhafte Gehör der Hylianer, das mit ihren langen Ohren in Zusammenhang stehen sollte, nichts weiter als ein Gerücht. Als seine Freundin endlich zurückkam, richtete sich der junge Recke sogleich auf und rief ungeduldig: „Und? Was hat Naboru gesagt?“ Zu seiner Enttäuschung schüttelte das Feenmädchen niedergeschlagen mit dem Kopf. „Sie hat leider auch keine Ahnung. Wir werden uns wohl oder übel den richtigen Weg selbst suchen müssen.“ Mit einem brummelnden Laut der Unzufriedenheit hievte Link sich auf die Füße und wandte sich wieder den beiden Türen zu. Viel schlimmer konnte es kaum noch kommen… Sie waren völlig orientierungslos, das Tempelgebäude war offenbar mit unzähligen Fallen gespickt, er war an der Schulter verletzt, was seine Kampffähigkeiten stark einschränkte, und zu allem Überfluss fühlte er sich, seit er so viel Zeit in dem Körper eines Erwachsenen verbracht hatte, in seinem Kinderkörper nicht mehr wohl. Ihm war als säße die Haut zu eng und er vermisste die Stärke und Größe seines erwachsenen Leibs. Sein verstimmter Gesichtsausdruck weckte in Navi den unbändigen Drang, ihren Schützling ein wenig aufzuheitern. Daher fügte sie schnell an: „Aber ich habe etwas anderes herausgefunden. Offenbar gibt es irgendwo in diesem Tempel einen geheimen Raum, in dem sich die Twinrova vor möglichen Angreifern verstecken.“ „Na toll…“ Link stöhnte auf. Ihm hatte gerade noch gefehlt, dass ihn alte, verrückte Hexen aus dem Hinterhalt angreifen konnten! Als Navi bemerkte, dass sie mit ihrer Bemerkung das Gegenteil des Erwünschten erreicht hatte, zog sie unbehaglich die Schultern nach vorn und murmelte: „Sieh’s doch positiv – wenn die Beiden sich aus Angst vor einer Attacke in irgendeinem Loch verkriechen, können sie so mächtig gar nicht sein.“ Dass Naboru ihr von dem Gerücht erzählt hatte, dass die Twinrova angeblich von normalen Waffen nicht verletzt werden konnten, verschwieg das Feenmädchen in diesem Moment lieber. „Ja, vielleicht hast du Recht.“ Link zuckte mit den Achseln und trat an die rechte Tür heran. „Aber das ist gerade ziemlich egal. Ich konzentriere mich lieber darauf, Naboru die Krafthandschuhe zu bringen, damit ich sie in der Zukunft als Weise der Geister ins Heilige Reich schicken kann.“ Mit diesen Worten stieß er kraftvoll die Tür auf und sprang sofort zurück, um einer eventuellen Falle zu entgehen. Als jedoch nichts passierte, trat er aufatmend über die Schwelle. Navi nickte stumm und folgte ihrem Schützling in den nächsten Raum. Dieser war langgezogen und in der Mitte durch einen tiefen Graben geteilt. Link blieb irritiert an der Klippe stehen und sah mit großen Augen hinab. „Woa… Diese Kluft muss mehrere Stockwerke tief sein! Ich kann den Boden nicht einmal erahnen!“ Vor Ehrfurcht vor diesen gewaltigen Tiefen brachte der Junge nur ein Flüstern zustande. Navi, die das Rascheln von Fledermausflügeln vernommen hatte, sah sich aufmerksam im Raum um, anstatt dem Blick ihres Begleiters zu folgen. Auf der anderen Seite des Grabens hatte jemand einen feinmaschigen Metallzaun errichtet, dessen Rautenmuster sich bis zur Decke erstreckte. Offenbar hatte dieser jemand auf Nummer sicher gehen wollen, dass niemand auf die gegenüberliegende Seite gelangte. Aber weshalb? Während ihr Freund noch immer fasziniert in die Tiefe starrte, flog die Fee zu der Maschendrahtwand herüber, steckte ihren Kopf hindurch – und erschrak. Nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt kauerte eine Fledermaus, die Navi fälschlicherweise für einen Schatten gehalten hatte, an der Wand und schlief. Als das Feenmädchen erkannte, dass von dem dösenden Tier zumindest im Moment keine Gefahr ausging, beruhigte sich sein Herzschlag allmählich wieder. Dennoch zitterten ihre Finger, mit denen sie den Maschendraht umklammerte, während Navi sich auf der anderen Seite des Raumes umsah. Mindestens fünf Fledermäuse hatten sich in unregelmäßigen Abständen über die Wand verteilt und schienen selig zu schlummern. Doch was noch wesentlich interessanter war: Vor der gegenüberliegenden Mauer war eine Art kleiner Altar errichtet worden, auf dem ein silberner Schlüssel im Fackelschein schimmerte. Navi konnte sich gut vorstellen, dass sich dieser noch als nützlich erweisen würde. Doch leider war von dieser Raumseite aus kein Herankommen. Oder…? Vielleicht konnte sie sich ja durch die Wandmaschen zwängen, sich den Schlüssel schnappen und zu Link bringen, bevor die Fledermäuse erwachten? Das mutige Feenmädchen schob bereits seinen Oberkörper durch das Drahtnetz, als Link seinen Plan kaputt machte, indem er rief: „Siehst du irgendetwas Interessantes, Navi?“ Bei dem lauten Klang seiner Stimme, schreckten die Fledermäuse hoch und Navi sah sich plötzlich einem weit aufgerissenen, roten Auge gegenüber, das sie feindselig und hungrig musterte. Mit einem schrillen Kreischen drückte die Fee sich zurück durch die Zaunmasche – gerade noch rechtzeitig. Wo kurz zuvor noch ihr Kopf gewesen war, krachte nun eine Fledermaus gegen die Maschendrahtwand und verbiss sich fauchend im Draht. Ihre Artgenossinnen taten es ihr fast augenblicklich nach, sodass das Drahtnetz unter ihren Zähnen und Krallen vibrierte. So schnell sie konnte, flüchtete Navi sich zu ihrem betreten dreinblickenden Freund, der sie schützend in seine Hände nahm. „Tut mir leid. Wenn ich gewusst hätte, dass es da drüber vor Fledermäusen nur so wimmelt, wäre ich leiser gewesen…“ Die Fee schüttelte den Kopf und winkte ab. „Schon gut. Mir ist ja nichts passiert. Nur leider kann ich es jetzt vergessen, den Schlüssel zu holen.“ „Schlüssel? Was für ein Schlüssel?“ Nachdem seine Begleiterin ihm kurz zusammengefasst hatte, was sie gesehen hatte, schaute Link noch zerknirschter aus der Wäsche. „Und was machen wir nun?“ „Ich bin mir zwar nicht sicher, aber ich glaube, ich habe auf der anderen Seite eine Tür gesehen. Vielleicht kommen wir irgendwie dahin, wenn wir zurückgehen und es mit dem anderen Ausgang versuchen.“ Gesagt, getan. Link schob sich vorsichtig in den angrenzenden Raum und staunte nicht schlecht. Dieser hatte noch weniger Boden als der andere! Es gab lediglich auf beiden Seiten je ein kleines Podest, das wie ein Schwalbennest in den Raum ragte. Doch der junge Recke hatte keine Zeit, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie er auf die gegenüberliegende Seite gelangen sollte. Vor ihm ragte ein hämisch grinsender Skelettkrieger auf und schlug mit seinem gezackten Schwert nach ihm. Link sprang geschickt aus der Gefahrenzone, während Navi sich flugs unter seine Mütze flüchtete. Sein eigenes Schwert ziehend, dachte Link an seine bisherigen Begegnungen mit Skelettkriegern und ihm sank der Mut. Die untoten Kämpfer waren selbst für sein erwachsenes Ich eine Herausforderung. Wie sollte er in seinem deutlich schwächeren Kinderkörper bloß gegen eines dieser Monster bestehen?! Als könnte sie seine Gedanken lesen, sagte Navi: „Gib nicht auf, Link! Du bist diesem Vieh vielleicht unterlegen, aber denk dran: Was dir an Kraft fehlt, kannst du mit Geschicklichkeit wieder wettmachen!“ Zunächst konnte der Junge sich keinen Reim auf den Rat seiner Fee machen. Wie sollte er seine Geschicklichkeit ausspielen, wenn er nur mit Mühe und Not den Angriffen des Skeletts ausweichen konnte? An eine Gegenattacke war nicht einmal zu denken… Als Link einen Schlag des Monsters mit dem eigenen Schwert parierte und ihm die Waffe durch die Wucht des Aufpralls aus der Hand gerissen wurde, kam ihm jedoch eine Idee! Während er starr vor Schreck beobachtete, wie das Kokiri-Schwert über den Boden auf den Abgrund zu rutschte, formte sich allmählich ein Plan im Hinterkopf des Jungen. In letzter Sekunde wich er einer erneuten Attacke aus, doch anstatt zurück oder zur Seite zu springen, hechtete Link nach vorn und ließ sich nach hinten auf die Hände fallen. Dabei streckte er ein Bein lang aus und wirbelte nach links, um dem Skelett die Beine wegzuziehen. Anstatt zu fallen, sprang das Monster jedoch über Links Bein hinweg. Der Recke fluchte bereits stumm in sich hinein, als der Skelettkrieger plötzlich wie wild mit den Armen zu fuchteln begann. Bei seinem Ausweichmanöver war er zu nah am Abgrund gelandet und kämpfte nun um sein Gleichgewicht. Um sich schneller wieder stabilisieren zu können, ließ er sogar sein schweres Schwert fallen. Link rappelte sich so schnell er konnte wieder auf, schnappte sich die mächtige Waffe und rammte sie dem Skelett mitten in den Brustkorb. Durch den Aufprall verlor das Monster vollends die Balance und stürzte von einem jaulenden Schrei begleitet in die Tiefe. Der Junge atmete auf und fiel vor Erleichterung auf die Knie. Dass er diesen Kampf unversehrt überstanden hatte, war nichts weiter als Glück gewesen. Navi kroch unter seinem Mützensaum hervor und applaudierte: „Das war clever gemacht. Ich bin sehr stolz auf dich.“ „Danke.“ Link lächelte seine Freundin kurz an, bevor er sich wieder auf die Füße hievte und sein verlorenes Schwert aufsammelte. Dann wandte er sich der Schlucht zu und staunte nicht schlecht. „Hey, Navi!“ „Ja?“ „Bilde ich mir das ein oder ist da drüben wirklich so etwas wie eine hochgezogene Brücke?“ „Sieht ganz danach aus.“ „Hm…“ Link legte grübelnd den Kopf zur Seite. „Wie man sie wohl herablässt?“ „Moment. Ich gucke mir das mal aus der Nähe an.“ Flink überquerte das Feenmädchen den Graben und inspizierte die gegenüberliegende Seite. Am Rand des Podests war eine metallene Brücke befestigt, die offenbar durch einen Zahnradkreislauf hochgezogen oder herabgelassen werden konnte. Navi staunte stumm in sich hinein. Die antiken Gerudo mussten erstaunliches Wissen und Geschick besessen haben, dass sie derart komplizierte Mechaniken hatten bauen können. Doch das tat momentan nichts zur Sache. Wo war der Schalter, der den Mechanismus in Gang und die Brücke herablassen würde? Ob es der Kristallschalter in der Mitte des Podestes war? Navi warf sich mit vollem Gewicht dagegen, aber sie war zu schwach, um etwas auszurichten. Also sah sie sich noch einmal gründlich um und kehrte dann zu ihrem Schützling zurück. Kaum, dass sie ihn erreicht hatte, deutete sie auch schon hinter sich und sagte: „Da hinten ist ein Kristallschalter – siehst du ihn?“ Link kniff die Augen leicht zusammen und nickte. Daraufhin fuhr Navi fort: „Ich denke, damit lässt man die Brücke herunter. Ich konnte ihn nicht auslösen, aber vielleicht kannst du ihn mit Hilfe deines Bumerangs aktivieren.“ Nickend holte der Junge seine Wurfwaffe hervor und schleuderte sie mit voller Kraft in Richtung des Schalters. Das Wurfeisen sauste durch die Luft, prallte mit einem lauten Scheppern gegen den Kristall und fiel dann zu Boden, anstatt zu Link zurückzukommen. Dieser hielt daraufhin vor Anspannung den Atem an und sah ein wenig ängstlich zu seiner vor ihm schwebenden Fee auf. Dies war ihre einzige Chance gewesen. Wenn die Brücke sich nicht rührte, würden sie die Krafthandschuhe womöglich nie finden. Dann würde Naboru ihnen nie Vertrauen schenken und wäre als Weise der Geister vielleicht auf ewig verloren. Dann… Link zwang sich, aus dem Strudel seiner düsteren Gedanken aufzutauchen. Noch war nichts verloren. Kein Grund, in Panik zu verfallen! Für einen viel zu langen Moment geschah gar nichts, doch dann setzte sich endlich der Brückenmechanismus in Gang. Von einem lauten Schleifen und Quietschen begleitet, senkte sich die Brücke, bis sie eine Verbindung zwischen den beiden Raumseiten geschaffen hatte. Link stieß die angehaltene Luft aus und auch Navi seufzte vor Erleichterung auf. Diese Hürde war genommen! Der Junge überquerte behände die schmale Brücke, während seine Fee neben ihm her flog. Auf der anderen Seite angekommen, verstaute er zunächst seinen Bumerang im Wunderbeutel und öffnete dann die nächste Tür. Vor den beiden Abenteurern erstreckte sich ein langer, gewundener Steg, der sich kurz hinter der Tür aufteilte und zu einer weiteren vergitterten Tür sowie in einem weiten Bogen zur gegenüberliegenden Wand führte. Abseits des Steges fehlte der Boden und die Schwärze unendlich wirkender Tiefe lachte Junge und Fee entgegen. Etwa in der Mitte des Raumes bildete der Weg eine Art Podest, auf dem kreisende Messer darauf warteten, unvorsichtigen Tempelerkundern die Unterschenkel aufzuschlitzen. Glücklicherweise war auch diese Falle dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen, sodass sie keine ernstzunehmende Gefahr mehr darstellte. „Hey, Navi – was ist das?“ Link zog rätselnd die Stirn in Falten und deutete auf etwas hinter dem Podest, das aussah wie ein Haufen Lumpen. „Ich hab keine Ahnung.“ Die Fee kratzte sich nachdenklich hinterm Ohr und fügte an: „Ich seh’s mir mal aus der Nähe an.“ Doch kaum, dass sie sich dem ominösen Etwas genähert hatte, erwachte dieses plötzlich zum Leben und richtete sich auf. Navi hechtete mit einem schrillen Schrei zurück und verschwand zitternd unter Links Mütze – nur um gleich darauf ihren Kopf wieder unter dem Saum hervorzustrecken. Der junge Recke starrte das Monster aus geweiteten Augen an und staunte nicht schlecht. „Eine Mumie! Eine lebende Mumie!“ „Nicht ganz“, korrigierte seine Begleiterin ihn, „das ist ein Feuerfuchs Anubis. Dabei handelt es sich um einen bei lebendigem Leib mumifizierten Feuerfuchs, der mit Hilfe dunkler Magie am Leben gehalten wird.“ Navi machte eine kurze Pause und fuhr in nachdenklicherem Ton fort: „Feuerfüchse sind für die Gerudo heilige Tiere. Manche Schriften besagen sogar, dass sie glauben, die Göttin Din selbst wandle in Gestalt eines Feuerfuchses noch immer über die Welt. Hier muss ein wirklich wertvoller Schatz verborgen sein, wenn dieser Tempel von einem Anubis bewacht wird.“ Link zog ein gequältes Gesicht. „Das heißt, dieses Tier ist schon seit wer-weiß-wie-vielen Jahren zwischen Leben und Tod gefangen?“ Navi nickte traurig. „So sieht es aus.“ „Bemitleidenswerte Kreatur.“ Mit einem Seufzen machte der Junge einen weiteren Schritt in den Raum hinein, um nach einer Möglichkeit zu suchen, die verschlossene Tür zu öffnen. Zu seiner Überraschung begann die Fuchsmumie zu schweben und vollführte die gleiche Bewegung, jedoch in spiegelverkehrter Richtung. „Ob das immer so ist?“ Mit diesem Gedanken bewegte Link sich hin und her und beobachtete den Feuerfuchs. Dieser kopierte und invertierte tatsächlich jede Regung des Jungen. Unterdessen krabbelte Navi wieder vollständig unter der Mütze hervor und näherte sich behutsam der Tiermumie. Je näher sie dem mumifizierten Fuchs kam, desto stärker schlugen ihre Feensinne an. Ihr war fast als könnte sie die gefangene Seele zwischen den Leinenwickeln hindurch blitzen sehen. Vorsichtig ihren Geist öffnend, horchte Navi auf die Stimme der Mumie. Als die schaurig-jaulenden Worte in seiner Seele widerhallten, zuckte das Feenmädchen unwillkürlich ein wenig zusammen. Heeeelft miiiir… Bei dem Schmerz in der Geisterstimme schnürte es Navi die Kehle zu, sodass sie nur ein Flüstern zustande brachte: „Wie denn?“ Link sah mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihr auf und ließ seinen Blick dann zwischen Fee und Mumie hin und her huschen, als ihm klar wurde, dass seine Freundin Kontakt zu dem geheimnisvollen Wesen aufgenommen hatte. Befreit… meine… Seele… Navi wurde plötzlich von dem Drang überfall, den mumifizierten Feuerfuchs zu umarmen und ihn zu trösten. Stattdessen knetete sie jedoch nur ihre Finger, um ihre Hände irgendwie zu beschäftigen, und fragte: „Wie? Sag uns, was wir tun können!“ Anstatt zu antworten, wiederholte der Fuchs nur seine Bitte und ließ Navi ratlos zurück. Diese blickte in der Hoffnung, doch noch eine Antwort zu erhalten, für einen weiteren langen Moment in sein starres Gesicht, bevor sie sich schließlich abwandte und zu ihrem Schützling zurückkehrte. „Und? Was hat die Mumie gesagt?“ Link sah sie neugierig an, aber sie konnte nur mit dem Kopf schütteln. „Wir sollen ihre Seele befreien, verrät jedoch nicht, wie das funktionieren soll.“ „Hm.“ Der Junge zog die Unterlippe zwischen die Zähne und dachte nach. Als er wieder zu seiner Fee hochschaute, wirkte sein Blick fest und entschlossen. „Navi? Wie tötet man einen Anubis?“ „Was?! Jemand bittet dich um Hilfe und du willst ihn töten?!“ Das Feenmädchen starrte seinen Freund fassungslos an. Was war nur in ihn gefahren?! Er war doch sonst nicht so herzlos… Von ihrem Ausbruch unbeeindruckt, zuckte Link mit den Schultern. „Wenn ich so lange in diesem bedauernswerten Zustand gefangen wäre, würde ich mir nur wünschen, dass er endet – egal wie. Ich würde dem Fuchs wirklich gerne sein Leben zurückgeben, aber das kann ich nicht, Navi. Ich kann ihm nur den Frieden des Todes geben.“ Die junge Fee zog ein kummervolles Gesicht. Ihr Schützling hatte Recht, das sah sie ein. Aber es war so traurig… Sie wollte nicht daran glauben, dass dies der einzige Weg war. Trotzdem holte sie tief Luft und erklärte: „Soweit ich weiß, ist die dunkle Magie, die einen Anubis am Leben hält, mit seinem Körper verbunden. Wenn wir also einen Weg finden, seinen Körper zu zerstören, müsste der Fuchs frei sein.“ „Verstehe.“ Link musterte die in ungefähr zehn Meter Entfernung vor ihm schwebende Mumie. Die Leinenwickel waren alt, vergilbt und sahen sehr trocken aus. „Nach all der Zeit brennen sie bestimmt wie Zunder“, schoss es dem Recken durch den Kopf und er sah sich augenblicklich nach einer Feuerquelle um. Leider hingen alle Fackeln, die er entdecken konnte, viel zu hoch, um sie mit einem Deku-Stab zu erreichen. Es wäre ein Leichtes gewesen, Dins Feuerinferno aus dem Wunderbeutel zu holen und die Mumie der alles vernichtenden Feuerwalze des Zaubers auszusetzen. Doch der Junge fürchtete, durch den leichten Schwindel, der ihn beim Einsatz des Göttinnen-Zaubers jedes Mal überkam, auf dem schmalen Steg das Gleichgewicht zu verlieren und in die Tiefe zu stürzen. „Hey Link, sieh dir das hier mal an!“ Navi, die den Anblick des bemitleidenswerten Feuerfuchses nicht mehr ertragen und den Blick abgewandt hatte, hatte etwas Interessantes entdeckt. Vor der verschlossenen Tür war eine kreisförmige Rinne, deren Ränder verkohlt waren. Navi ließ sich auf den Boden nieder und betrachtete ihren Fund genauer. „Sieht aus als könnte man hier irgendwie ein Feuer entzünden.“ Überrascht riss Link die Augen auf und sah sich dann suchend um. „Da hinten ist ein Schalter! Vielleicht hat er etwas damit zu tun.“ So schnell er konnte, balancierte der tapfere Recke über den Steg auf das Podest zu. Die Fuchsmumie schwebte dabei unaufhaltsam auf ihn zu, so als würde sie magisch von ihm angezogen. Kurz vor dem Podest hielt Link inne, um sich den Rhythmus der hier kreisenden Falle einzuprägen. Eigentlich wäre es kein Problem gewesen, über die Fahrrinne des Messers hinweg in die Mitte des Podests zu treten und dort zu warten, bis man gemütlich auf die andere Seite wechseln konnte. Da der Junge jedoch in der Mitte mit der Mumie zusammenstoßen würde, musste er wohl oder übel in den Bereich der Falle ausweichen. Obwohl sich das Messer recht gemächlich drehte, blieb nicht viel Zeit, bis es das kleine Podest umrundet hatte. Link atmete einmal tief durch und hechtete dann nach vorn, wobei er extra lange Schritte machte. Gerade, als die kreisende Klinge gefährlich nah an ihn herankam, stieß er sich das letzte Mal ab und rettete sich mit einem Sprung aus der Gefahrenzone. Der Anubis hatte die Falle dank seiner Schwebefähigkeit ebenfalls unbeschadet überquert. Die letzten Meter bis zum Schalter führten über einen besonders schmalen Weg. Link presste seinen Rücken gegen die Wand und schob sich vorsichtig seitwärts. Als er schließlich an dem Bodenschalter ankam, stand ihm vor Anspannung der Schweiß auf der Stirn. Navi wartete dort bereits auf ihn, beachtete ihren Schützling jedoch kaum. Ihre Aufmerksamkeit galt der Fuchsmumie, die nun über dem Kreis vor der Tür schwebte. Mit schwerem Herzen riss die Fee sich von diesem Anblick ab und nickte ihrem Freund stumm zu. Dieser stellte sich daraufhin auf den Schalter, der von einem leisen Klicken begleitet in den Boden sank. Einen aufreibenden Augenblick lang passierte gar nichts, doch dann war ein leises Zischen zu hören und der Geruch nach Gas stieg auf. Kurz darauf erklang das Aufeinanderschlagen mehrerer Feuersteine und innerhalb weniger Sekunden schossen Feuersäulen aus dem Boden. Die trockenen Leinenwickel des Fuchses standen augenblicklich in Flammen. Das Feuer verbreitete sich in Windeseile über den gesamten Körper der Mumie und fraß sich mit einem lauten Knistern in ihn hinein. Navi keuchte bei diesem Anblick laut auf und schoss ohne darüber nachzudenken, was sie da tat, auf den Anubis zu. Link versuchte noch, sie aufzuhalten, aber sie wich seiner Hand geschickt aus. Als sie etwa die Hälfte des Raumes durchquert hatte, vernahm sie plötzlich die letzten Worte des Fuchses in ihrer Seele. Habt Dank… Tränenblind bremste die Fee ab und blieb in der Luft stehen. Mit zitternder Stimme antwortete sie: „Mach’s gut. Ich hoffe, du findest deinen Frieden!“ Während der Körper des Feuerfuchses allmählich in sich zusammenfiel, sahen Junge und Fee stumm zu ihm herüber als wollten sie einem gefallenen Krieger die letzte Ehre erweisen. Als nur noch ein Haufen Asche übrig war, hob Link schließlich den Fuß vom Schalter und die Flammen erloschen. Fast noch wichtiger war jedoch, dass die Eisenstäbe, die die Tür blockiert hatten, mit einem leisen Schleifen im Boden versanken. Weder Link noch Navi sprach ein Wort, während die beiden Abenteurer sich in Richtung Ausgang begaben. Erst, als der Junge neben dem Aschehaufen in die Hocke ging und begann, die Überreste des Fuchses in eine leere Flasche zu füllen, brach das Feenmädchen das Schweigen: „Was machst du denn da?“ Mit gepresst klingender Stimme erklärte Link: „Ich bringe ihn zurück nach draußen in die Wüste – dorthin, wo er hingehört.“ Mit Tränen in den Augen, warf Navi sich gegen den Hals ihres Begleiters und wünschte sich, dass sie diese Queste bald hinter sich hatten. Sie hatte genug von Leid, Trauer und Tod! Durch die nun passierbare Tür gelangten die beiden Abenteurer zurück in den Raum, in dem Navi den Schlüssel entdeckt hatte. Die aufgescheuchten Fledermäuse hatten sich inzwischen beruhigt und hingen dösend an der Maschendrahtwand. „Ich würde vorschlagen, du erledigst möglichst viele von ihnen mit dem Bumerang, bevor sie dich bemerken und sich auf dich stürzen.“ Navi stand auf der Schulter ihres Schützlings und flüsterte direkt in seine Ohrmuschel damit er sie verstand, obwohl sie die Worte nur hauchte, um keine der Fledermäuse aufzuschrecken. Der Recke schielte vorsichtig um die Ecke in den Raum hinein und suchte nach einem geeigneten Wurfwinkel. Mit etwas Geschick konnte er womöglich drei der sechs Fledermäuse mit nur einem Angriff ausschalten. Vor Anspannung zitterten ihm die Finger, als er seinen Bumerang hervorholte und zielte. „Oh, Farore, lass mich treffen!“ Link schickte der Göttin des Mutes ein stummes Gebet und warf. Die scharfkantige Waffe wirbelte mit einem zischenden Geräusch durch die Luft und streckte zwei Gegner nieder, bevor diese überhaupt realisieren konnten, was vor sich ging. Die dritte Fledermaus schaffte es gerade noch rechtzeitig, sich von der Drahtwand abzustoßen. Doch der Bumerang zerfetzte ihr die dünne Haut eines Flügels, sodass sie trudelnd zu Boden sank. Die restlichen Flugtiere flatterten aufgescheucht umher und suchten unter der Decke Schutz, bevor sie den Angreifer ausfindig machten und sich geschlossen auf ihn stürzten. Bei dem Anblick der vielen spitzen Krallen und Zähne verschwand Navi schnellstmöglich unter der Mütze ihres Schützlings. Sie hatte keine große Lust, womöglich doch noch im Magen eines Monsters zu landen. Link schleuderte den rasant näher kommenden Fledermäusen erneut seinen inzwischen wieder aufgefangenen Bumerang entgegen und zog sein Schwert. Einer Angreiferin wurde von dem Wurfeisen der Kopf vom Rumpf getrennt, während das Kokiri-Schwert durch den Körper einer zweiten Fledermaus schnitt wie durch Butter. Das dritte Monster schaffte es jedoch, beiden Waffen auszuweichen. Laut fauchend hieb es Link seine Krallen ins Gesicht und fügte ihm tiefe Kratzer zu. Dickflüssiges Blut quoll augenblicklich aus den Schnittwunden hervor, rann über die Wange des Jünglings und tropfte schließlich von seinem Kinn. Dieser beachtete die Wunde jedoch überhaupt nicht. Stattdessen fasste er sein Schwert fester, um auch die letzte Fledermaus bei ihrem nächsten Angriff niederzustrecken. Das geflügelte Monster drehte eine Schleife, während seine flugunfähige Artgenossin über den Boden krabbelte und ihre Zähne in Links Stiefel vergrub. Dank des dicken Leders konnte sie den Fuß des jungen Recken jedoch nicht erreichen. Nachdem die noch unverletzte Fledermaus eine Schleife in der Luft gedreht hatte, setzte sie zu einem erneuten Sturzflug an. Dieses Mal hielt sie jedoch nicht ihre Krallen vor sich, sondern schien mit ausgestreckter Zunge auf Links Schnittwunden zu zielen. Davon überrascht, machte der Junge einen Schritt zurück. Wollte sie etwa sein Blut trinken?! Link war von diesem Gedanken dermaßen irritiert und abgelenkt, dass er für einen Moment vergaß, sich zu verteidigen. Erst im letzten Moment riss er aus einem Instinkt heraus sein Schwert hoch und spießte die bluthungrige Angreiferin auf. Diese stieß ein letztes Fauchen aus, bevor das Licht in ihren Augen erlosch und ihr Körper leblos zusammensackte. Mit einem angewiderten Gesichtsausdruck zog Link den Kadaver von seiner Schwertschneide und legte ihn sanft auf den Boden. Er hatte keine andere Wahl als seine Angreifer zu töten – doch das war für ihn noch lange kein Grund, respektlos mit ihren Leichen umzugehen. Navi kroch unterdessen unter seinem Mützensaum hervor und beäugte kritisch den Raum. „Ist es vorbei?“ Der Junge nickte bedächtig, um seine Fee nicht von seinem Kopf zu schleudern, und guckte an sich herab. Die flugunfähige Fledermaus versuchte vergeblich, an seinem Stiefelschaft heraufzuklettern, rutschte jedoch immer wieder ab. „Eine ist noch übrig. Aber die stellt keine Gefahr für uns da.“ Mit diesen Worten löste Link das inzwischen ermüdete Tier von seinem Bein. Die Fledermaus schnappte nach seiner Hand, konnte sie aber nicht erreichen. Navi zog bei diesem Anblick die Augenbrauen in die Höhe und fragte sich, warum ihr Schützling dieses Monster verschonte. Nachdem er die Fledermaus neben sich auf den Boden gesetzt hatte, eilte Link auf den kleinen Altar zu und nahm den Schlüssel an sich. „Ich frage mich, wofür wir ihn brauchen.“ Der Jüngling drehte den filigranen Metallgegenstand zwischen den Fingern und rief sich alle bereits passierten Räume wieder in Erinnerung. Hatten sie irgendwo eine verschlossene Tür gesehen? „Ich hab keine Ahnung. Aber vielleicht sollten wir uns durch den Schacht in der Halle zwängen. Womöglich geht es dahinter tiefer in den Tempel hinein“, mutmaßte Navi. Ach ja, der Schacht… Link hatte diesen dritten Weg schon wieder völlig vergessen. Mit säuerlicher Miene dachte er an die Schmerzen, die ihm seine verbrannte Schulter beim Krabbeln bereiten würde. Weshalb hatte das Schicksal ausgerechnet ihn auserwählen müssen?! Bevor er seiner Fee etwas antworten konnte, erklang auf einmal ein metallenes Klicken, das von einem lauten Surren abgelöst wurde. Irritiert sah sich der kindliche Recke im Raum um, konnte jedoch bis auf die verletzte Fledermaus, die sich ihm wieder näherte, nichts entdecken. Doch dann riss Navi plötzlich an seinen Haaren und schrie auf: „Vorsicht! Da kommt etwas von oben!“ Ohne hochzuschauen sprang Link zurück, ließ sich nach hinten fallen und rollte sich ab. Als er dabei auf seiner verletzten Schulter landete, sog er scharf Luft ein, stoppte jedoch nicht. Er hatte sich kaum wieder auf die Füße gehievt, als vor dem Altar – dort, wo der Junge noch Sekunden zuvor gestanden hatte – eine riesige steinerne Hand auf den Boden knallte. Die Fledermaus, die Link hinterher gekrochen war, wurde von einem widerlichen Knirschen begleitet unter der Steinhand begraben. Navi verzog das Gesicht zu einer Grimasse des Ekels und stellte fest: „Das war verdammt knapp. Ich hatte nicht erwartet, dass der Schlüssel durch eine Falle geschützt sein könnte.“ Link schüttelte den Kopf als wollte er sagen, dass auch er nie im Leben mit soetwas gerechnet hatte, und zuckte heftig zusammen, als erneut ein metallisch klingendes Geräusch erklang. Sofort rissen die beiden Abenteurer die Blicke nach oben, aber über ihnen befand sich nur die Decke. Irritiert sahen die Beiden sich weiter im Raum um. „Sieh mal da!“ Navi deutete mit großen Augen hinter ihren Schützling und ließ ihre Mundwinkel dabei in die Höhe wandern. Neugierig wandte Link sich um und staunte nicht schlecht. Ein Teil der Maschendrahtwand war umgekippt und bildete nun eine Brücke über den Graben zur anderen Seite des Raums. „Eine Abkürzung!“, jubelte der Junge. „Ich frage mich, ob die Vibrationen des Aufpralls die Wand zum Umkippen gebracht haben.“ Navi legte ihre Stirn in Denkfalten, doch Link winkte ihre Grübeleien mit einer Handbewegung weg. „Ist doch völlig egal. Die Hauptsache ist, dass wir schneller wieder in der Halle sind.“ Ohne sich allzu viele Sorgen um die Stabilität der neu entstandenen Brücke zu machen, setzte der junge Herr der Zeiten einen Fuß auf den Maschendraht und balancierte leichtfüßig auf die andere Seite herüber. Seine Fee seufzte und fragte sich stumm, ob sie ihn für seinen Mut tadeln oder loben sollte. Da sie sich nicht entscheiden konnte, schwieg sie und folgte ihrem Schützling kommentarlos in die Halle. Link schritt schnurstracks zum Schacht herüber und ließ sich mit einem Seufzer davor auf die Knie sinken. Der Tunnel schien kurz zu sein, aber das erleichterte den Jungen nur wenig. Mit einem Schaudern dachte er an den Schmerz der ihm bevorstand. Navi, die sein Zögern bemerkte, flog neben ihn und legte ihm die Hand an die Wange. „Das wird schon nicht so schlimm. Der Verband ist dick und schützt die Wunde gut.“ Der Recke warf ihr einen skeptischen Seitenblick zu und nickte dann. Er hatte sowieso keine andere Wahl. Etwas Unvermeidliches heraus zu zögern, hatte wenig Sinn. Also legte er sich auf den Bauch und kroch, sich mit Ellbogen und Knien vorwärtsziehend, durch den Schacht. Obwohl er sich so schmal wie möglich machte und sich stark auf die linke, unverletzte Seite lehnte, schrappte seine verbrannte Schulter, wie erwartet, immer wieder über die Wand des engen Tunnels. Jedes Mal schoss ein Schmerz wie von tausend Eisnadeln durch Links Arm. Entsprechend erleichtert war der Junge, als er sich auf der anderen Seite endlich wieder aufrichten konnte. Zu seiner großen Überraschung war der Raum, indem er sich nun befand, winzig. Wenn Link die Arme ausbreitete, konnte er beide Wände gleichzeitig berühren und mit nur vier langen Schritten konnte er die komplette Länge abschreiten. Von einer verschlossenen Tür, für die der gefundene Schlüssel bestimmt sein könnte, war weit und breit nichts zu sehen. „Hörst du auch dieses Rascheln?“ Navi hatte den Kopf schiefgelegt und lauschte. Link zog die Stirn kraus und glaubte schon, seine Fee bilde sich etwas ein, als er ebenfalls ein leises Geräusch hörte. „Ich glaube, es kommt von oben.“ Er folgte Navis Blick und bemerkte erst jetzt, dass die Decke deutlich höher war als er erwartet hatte. Hoch über den Köpfen der beiden Abenteurer krabbelten zwei Spinnen über die Wand und erzeugten das eigentümliche Rascheln, wann immer ihr Knochenpanzer über das Mauerwerk strich. „Hey, siehst du das da?“ Link riss plötzlich den Arm hoch und deutete vage auf eine Stelle über den beiden Skultullas. Navi verengte die Augen zu Schlitzen, um besser sehen zu können. „Was meinst du?“ „Diesen Schatten da. Irgendwie sieht er komisch aus – findest du nicht? So als wäre er in Wirklichkeit gar kein Schatten, sondern ein Vorsprung oder so.“ Ohne ihrem Schützling zu antworten, schoss die Fee in die Höhe und nahm die benannte Stelle in Augenschein. Die beiden Spinnen beachteten sie zum Glück überhaupt nicht, was Navi erleichtert aufatmen ließ. So eng wie der Raum war, wäre es schwer geworden, ihren langen Beinen oder einem auf sie geschossenen Faden auszuweichen. Als Navi nach nur wenigen Herzschlägen zu Link zurückkehrte, grinste sie bis über beide Ohren. „Du hattest Recht. Da oben geht es tatsächlich weiter.“ Der Recke lächelte zurück, zog jedoch sogleich wieder ein besorgtes Gesicht, als ihm einfiel, dass er seine Schleuder als Erwachsener im Waldtempel zerbrochen hatte. „Was hast du?“ Navi hob die Augenbrauen und sah ihn irritiert an. „Mir fiel nur gerade ein, dass meine Schleuder kaputt ist. Die Spinnen mit dem Bumerang zu erwischen, wird schwer.“ Die Fee stieß bei seinen Worten ein Schnaufen aus und bedachte ihn mit einem abfälligen Blick. „Du hast immer noch nicht verstanden, wie die Magie deines Lederbeutels funktioniert, oder?“ Anstatt erleichtert dreinzuschauen wurde Link plötzlich kalkweiß. „Du meinst, der Wunderbeutel hätte sie repariert?“ „Was meinst du mit ‚hätte‘?“ Plötzliche Erkenntnis erhellte das Gesicht der Fee, das erst ebenfalls blass und dann wutrot wurde. „Jetzt sag mir nicht, dass du sie damals nicht mitgenommen hast!“ Link zog schützend die Schultern vor und dachte daran wie er die zerbrochene Schleuder einfach fallen gelassen und nicht wieder aufgehoben hatte. „Ich dachte, sie wäre sowieso von keinem Wert mehr für uns…“ „Oh, bei den Göttinnen! Womit hab ich es verdient, mit so einem Trottel geschlagen zu sein?!“ Navi warf in einer theatralischen Geste die Arme in die Höhe und kniff sich anschließend in die Nasenwurzel, um sich wieder zu sammeln. Ein Wutausbruch half ihnen auch nicht weiter und ein Weltuntergang war die verlorene Schleuder auch nicht. Trotzdem ärgerte sie der Gedanke, dass Link womöglich von den beiden Spinnen verletzt werden könnte, bloß weil er mit seiner Ausrüstung unachtsam gewesen war, maßlos. Dieses Abenteuer war doch kein Spiel! Link biss sich auf die Unterlippe und ließ den Kopf hängen, was ihn wie ein Häufchen Elend wirken ließ. Doch dann straffte er die Schultern und steckte eine Hand in seinen Lederbeutel. Bei seinem verbissenen Gesichtsausdruck, seufzte Navi kaum hörbar auf. Wem machte sie eigentlich etwas vor? Sie war nicht wütend auf ihn, sondern auf sich. Sie selbst hatte versagt. Es wäre ihre Pflicht gewesen, auf so etwas zu achten und ihn darauf hinzuweisen, dass er die Schleuderbruchstücke einsammeln sollte. „Link, ich… mir…“, setzte sie an, aber ihr Schützling winkte ab. „Komm her. Versteck dich unter meiner Mütze. Ich hab eine Idee.“ Seine Stimme klang kühl und distanziert, wie immer, wenn er versuchte, Emotionen in sich einzuschließen. Mit einem Stich im Herzen, kroch Navi unter seinen Mützensaum und krallte sich in seinem Haar fest. Kaum, dass er das vertraute, leichte Ziehen an seiner Kopfhaut spürte, aktivierte Link den Zauber, den er hervorgeholt hatte. Sofort schossen Feuersäulen in die Höhe und bildeten eine immer größer werdende Kuppel um den Jungen herum. Navi krabbelte so nah an sein Ohr heran wie sie konnte und brüllte gegen das Tosen der Flammen: „Link, es tut mir leid! Ich wollte nicht so grob zu dir sein. Ich…“ Sie suchte verzweifelt nach Worten, um den Knoten in ihrem Herzen beschreiben zu können. Als die verkohlten Spinnenleichen mit einem dumpfen Dröhnen auf den Boden stürzten, zuckte die Fee heftig zusammen – so sehr war sie in ihren eigenen Gedanken gefangen gewesen. Link wartete nicht darauf, dass sie ihren Satz beendete: „Ist schon gut.“ Er klang noch immer distanziert, aber zu Navis Erleichterung nicht mehr unterkühlt. „Ich weiß, dass es dir leidtut. Und du hattest ja Recht.“ Er schlug die Augen nieder und seufzte. Navi strampelte sich von seinen Haaren frei und flog vor ihn, um ihn ansehen zu können. „Nein, hatte ich nicht. Ich war der Volltrottel – nicht du. Ich hätte dich daran erinnern müssen. Es tut mir leid, dass ich nicht daran gedacht habe.“ Ein schelmisches Funkeln hatte sich in die Iriden des Jungen geschlichen, als er wieder zu seiner Fee aufsah. „Dann sind wir beide Volltrottel?“ Seine weißen Zähne blitzten im Fackelschein und Navi konnte nicht anders als zurückzugrinsen. „Darauf kannst du Gift nehmen.“ Die beiden Abenteurer brachen daraufhin in Gelächter aus, das erst verstummte, als Link sich an das Erklimmen der Wand machte. Das unebene Mauerwerk bot zum Glück genügend hervorstehende Steine, an denen der junge Recke sich festhalten und mit den Füßen abstützen konnte. Oben angekommen keuchte Link heftig und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Klettern fiel ihm zwar recht leicht, doch je höher er gekommen war, desto wärmer war der Raum geworden. Nun hatte er das Gefühl inmitten einer riesigen Waschküche zu stehen, so heiß und schwer war die Luft. Der Schweiß floss in breiten Bahnen über seinen gesamten Körper und klebte ihm die Tunika an den Leib. Die verletzte Schulter protestierte brennend gegen die salzige Drüsenflüssigkeit, die über die geschundene Haut rann. Navi, deren Feenschein in der Hitze rubinrot funkelte, flog bereits im Raum umher, während sie darauf wartete, dass ihr Schützling neuen Atem schöpfte. Anders als die bisher durchquerten Tempelräume besaß dieser keine geometrische Form. Die Grundfläche war zwar rechteckig, doch die nach innen gewölbte Steinwand ließ den Raum verschoben wirken. Das Feenmädchen achtete darauf jedoch kaum. Seine Aufmerksamkeit galt einer auf den Boden aufgemalten Sonne, deren Körper mit einem eigentümlich silber-gelb schimmernden Stein besetzt war. „Hey, Link! Sieh dir das mal an! Hier steht irgendetwas“, Navi deutete auf verwitterte Letter, die jemand mit grüner Farbe um die Sonne herum auf den Boden gepinselt hatte, „aber die Schrift ist so verblasst, dass ich kaum noch etwas lesen kann. Irgendwas mit ‚Weg öffnen‘ und ‚Sonne‘…“ Zu Navis Überraschung trat ihr Schützling jedoch nicht an sie heran und versuchte mit ihr gemeinsam das Rätsel zu lösen. Stattdessen schrie er: „Navi! Pass auf!“ Erschrocken wirbelte die Fee herum und entdeckte neben sich einen riesigen Echsenkrieger, dessen Säbelspitze genau über ihr in der Luft schwebte. Die Echse gab einen zischelnden Laut von sich und ließ ihre Waffe hinabsausen. Anstatt zur Seite zu springen, schrie Navi lediglich schrill auf. Sie war zu geschockt, dass sie den Angreifer nicht bemerkt hatte, um sich zu bewegen. Mit zusammengekniffenen Augen wartete die Fee auf den letzten Schmerz ihres Lebens, doch stattdessen erklang das Krachen von Metall auf Metall. Navi linste vorsichtig unter halb geöffneten Augenlidern hinweg nach oben und atmete erleichtert auf. Link war nach vorn gehechtet und hatte den Stich des Echsenkriegers mit dem eigenen Schwert abgewehrt. So schnell sie konnte, kletterte Navi am Stiefel ihres Schützlings hoch, um bei dem Gefecht nicht im Weg zu sein oder gar zertreten zu werden. Links Kontrahent überragte den Jungen um mindestens einen halben Meter und sein Krummsäbel war über doppelt so lang wie das Kokiri-Schwert. „Ganz ruhig. Du hast schon aussichtslosere Kämpfe gewonnen“, sprach Link sich selbst Mut zu, während er leichtfüßig tänzelnd den Schwerthieben der Echse auswich. Was Geschick und Geschwindigkeit anging, war der Junge deutlich überlegen, aber das nützte ihm gar nichts, solange er nicht eine Lücke in der Verteidigung seines Gegners entdecken konnte. Im Gegensatz zu ihm schien der Echsenkrieger keinerlei Probleme mit der Hitze zu haben. Wie sollte er nur einen Vorstoß wagen, wenn er mit seinem kurzen Schwert nicht einmal in die Nähe des Gegnertorsos kam? Stumm in sich hineinfluchend tadelte Link sich dafür, den verbrannten Kokiri-Schild nie ersetzt zu haben. Mit einem Schild wäre der Kampf deutlich einfacher gewesen. Er hätte einen Angriff der Echse mit dem Schild blocken, sich unter dem Arm des Gegners hinwegducken und ihm das Schwert ins Herz treiben können. Doch so blieben die Bilder in seinem Kopf nichts anderes als theoretische Überlegungen… Einem weiteren Schlag ausweichend wandte Link sich schließlich an Navi: „Du hast nicht zufällig einen Tipp für mich, oder?“ Die Fee klammerte an seinem Stiefelsaum und schüttelte den Kopf. „Ich würde sagen, seine Schwachstellen sind seine Kehle und der Bauch. Aber das nützt dir leider gar nichts, wenn du ihn nicht erreichen kannst.“ „Verdammt…“ Navi ließ in der Hoffnung, doch noch etwas zu entdecken, das Link helfen könnte, ihren Blick rastlos im Raum umher irren. Als sie in einer Ecke einen großen Sandhaufen entdeckte, kam ihr eine Idee: „Vielleicht kannst du ihn überraschen, wenn du dich von oben auf ihn stürzt. Da hinten ist ein Sandhügel, der dir genügend Höhe geben dürfte. Du musst nur schnell genug sein.“ Kaum, dass Navi ausgesprochen hatte, wirbelte Link herum und rannte auf den Sandhaufen zu. Eine Überraschungsattacke war vermutlich wirklich seine einzige Chance. Für einen kurzen Moment stand der Echsenkrieger tatsächlich verwirrt wirkend im Raum, aber dann stieß er sich vom Boden ab und katapultierte sich mit einem gigantischen Sprung vor Link, um ihm den Weg abzuschneiden. Der Junge riss erschrocken die Augen auf und rutschte bei seinem abrupten Bremsmanöver auf einigen Sandkörnern aus. Nur knapp konnte er dem herabsausenden Säbel seines Kontrahenten ausweichen. Der hervorschnellenden Hand des Reptils war jedoch nicht zu entkommen. Wie Schraubstöcke schlossen sich die krallenbewehrten Finger der Echse um Links verletzte Schulter. Der Recke stieß einen gellenden Schmerzensschrei aus, der seiner Fee durch Mark und Bein ging, und sackte kraftlos zu Boden. Sein Arm fühlte sich völlig taub an, abgesehen von dem stechenden Schmerz, den die sich in sein Fleisch grabenden Krallen des Gegners verursachten. Navi wusste nicht, was sie tun sollte, aber sie wusste genau, dass sie nicht tatenlos herumsitzen und zuschauen konnte, wie der Echsenkrieger ihren Freund tötete. Auch wenn sie chancenlos war, musste sie wenigstens versuchen, ihn zu beschützen! Doch bevor sie sich in die Lüfte schwingen konnte, verwandelte sich Links schmerzverzerrtes Gesicht zu einer Maske der Entschlossenheit. Die Zähne fest zusammengebissen umfasste er sein Schwert so fest er konnte und schlug mit voller Kraft gegen den Knöchel des Echsenkriegers. Das Geräusch von reißenden Sehnen und splitternden Knochen vermischte sich mit dem schrillen Schrei der Echse, als die scharfe Klinge die Füße des Kriegers von dessen Unterschenkeln trennte. Link rappelte sich so schnell er konnte wieder auf und durchtrennte dem in sich zusammenstürzenden Gegner die Kehle. Dann ließ er das Schwert zu Boden fallen und stürzte würgend auf die Knie. Navi schwebte um ihn herum und schreckte beinah vor seinem Anblick zurück. Sein Gesicht war über und über mit dem Blut der Echse bedeckt, was ihm das Aussehen eines skrupellosen Schlächters verlieh. Da sie nicht wusste, was sie sagen sollte, verharrte die Fee schweigend neben ihrem Schützling in der Luft und wartete, bis sein rebellierender Magen sich wieder beruhigt hatte. Wieder einmal fragte sie sich, warum die Göttinnen ausgerechnet einen sensiblen und mitfühlenden Jungen zum Herrn der Zeiten gemacht hatten. Womit hatte Link es verdient, diese seelischen Qualen und die körperlichen Torturen durchstehen zu müssen? Wieso konnte die Rettung Hyrules nicht in den Händen eines erfahrenen Soldaten liegen? Warum kümmerten die Göttinnen sich nicht einfach selbst darum?! Als Link schließlich wortlos sein Schwert aufhob und sich über den Mund wischend aufstand, brach es Navi das Herz. Er machte so viel durch und versuchte, all die Last allein zu tragen… Das war nicht fair. „Link, ich…“ Ihr versagte die Stimme und sie musste neu ansetzen. Doch Link hob eine blutbesprenkelte Hand und brachte seine Begleiterin zum Schweigen. „Nicht, Navi. Wenn ich jetzt anfange, mich darüber auszulassen, wie sehr ich das alles nicht mehr will, dann breche ich zusammen. Und ich weiß nicht, wann oder ob ich wieder auf die Beine komme.“ Bevor Navi sich entscheiden konnte, ob sie darauf etwas entgegnen wollte, deutete der Junge auf die auf den Boden gemalte Sonne. „Kannst du dir einen Reim darauf machen, was es damit auf sich hat?“ Obwohl ihr nicht wohl dabei war, ihn mit seinem Schmerz allein zu lassen, kam die Fee dem Wunsch ihres Schützlings nach und stieg auf das Thema ein: „Ich glaube, es hat etwas mit dem Öffnungsmechanismus der Tür dort hinten zu tun.“ Link nickte und trat näher an die Sonne heran. „Ja, das denke ich auch. Fragt sich nur, wie man es aktiviert.“ Navi flog zur Sonne herüber und ließ sich auf dem halbdurchsichtigen Stein in der Mitte nieder. „Ich glaube, es hat etwas mit Licht zu tun.“ Der Recke zog fragend die Augenbrauen hoch und seine Fee erklärte: „Ich finde, dieser Stein hat etwas von einer Linse. So als könnte er Sonnenlicht bündeln und weiterleiten. Vielleicht ist irgendwo in diesem Mechanismus ein dünnes Seil, das man durchbrennen muss oder so.“ „Hm…“ Link legte den Kopf schief und grübelte. „Aber woher sollen wir das Licht nehmen? Mit Feuer funktioniert es vermutlich nicht, oder?“ „Ich fürchte, es muss Sonnenlicht sein.“ Navi deutete auf ein Wort der verblassten Schrift auf dem Boden. Die Stirn in Falten gelegt sah der Junge sich im Raum um. Woher sollte das Sonnenlicht bloß kommen? Sie befanden sich mitten in einem Tempel ohne Fenster! Während er seinen Blick über die gebogene Felswand wandern ließ, platzte Link ohne nachzudenken heraus: „Ich glaub, wir befinden uns gerade in der Brust der Göttin des Sandes.“ Navi, die sich in der Zwischenzeit mit den verwitterten Schriftzeichen abgemüht hatte, um vielleicht doch noch einen Hinweis entziffern zu können, horchte auf. „Wie kommst du darauf?“ Link deutete mit einem knappen Fingerzeig auf die ihm gegenübergelegene Wand. „Diese Wölbungen sehen aus wie die Brüste der Göttin.“ Bei dieser Antwort rollte Navi mit den Augen und wollte bereits eine bissige Bemerkung über Männer und Brüste machen, als ihr eine Erkenntnis kam. Ihren Schützling erfreut anstrahlend rief sie: „Weißt du, was das bedeutet?“ „Dass wir schon einen weiten Weg im Tempel zurückgelegt haben und ganz schön weit hochgeklettert sind?“ Navi wischte seine Antwort mit einer unwirschen Handbewegung beiseite. „Nein, Dummerchen. Das bedeutet, dass es auf der anderen Seite dieser Wand jede Menge Sonnenlicht gibt! Wir müssen nur einen Weg finden, ein Loch hinein zu sprengen… Meinst du, das bekommst du mit deinen Bomben hin?“ „Versuch macht klug.“ Mit diesen Worten holte Link eine Bombe hervor und entzündete sie an einer in der Nähe stehenden Fackel. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, während er die herabbrennende Lunte beobachtete und abzuschätzen versuchte, wann er die explosive Kugel von sich schleudern musste. Navi versteckte sich unterdessen sicherheitshalber schon mal unter seiner Mütze und hielt sich die Ohren zu. Die Zündschnur war fast heruntergebrannt, als der Junge die Bombe mit voller Wucht gegen die Wand schleuderte und sich sogleich flach auf den Boden fallen ließ. Der Sprengsatz detonierte mit einem ohrenbetäubend lauten Krachen und die Explosionsdruckwelle fegte wie eine Orkanböe über Link hinweg. Kleine, spitze Steinchen schnitten ihm dabei in die nackten Oberschenkel, aber das war ihm völlig egal. Das Poltern von Geröll und der helle Streifen Sonnenlicht, der plötzlich in den Raum fiel, verrieten ihm, das er erfolgreich gewesen war. Navi streckte ihren Kopf unter seinem Mützensaum hervor und jubelte: „Das hast du gut gemacht!“ „Danke. Ich hoffe nur, dass dies wirklich die Lösung des Rätsels war.“ Neugierig rappelten sich die beiden Abenteurer auf und traten wieder an die aufgemalte Sonne heran. Der Mittelstein glühte im Sonnenlicht als wäre er selbst eine Lichtquelle, doch ansonsten schien sich nichts verändert zu haben. Navi wollte bereits meckern, als ein leises Klicken ertönte. Junge und Fee sahen sich gespannt an und warteten angespannt darauf, dass noch mehr passieren würde. Nach einem viel zu langen Moment versanken endlich die Eisenstäbe vor der weiter in den Tempel führenden Tür im Boden und die beiden Abenteurer stießen die unbewusst angehaltene Luft wieder aus. Endlich konnte es weitergehen. „Woa! Ist das riesig!“ Kaum, dass Link über die Schwelle getreten war, riss er staunend die Augen auf. Die Halle hinter der Tür war größer als jeder Raum, den der Recke bisher gesehen hatte – sogar die Zitadelle der Zeit konnte nicht mithalten. Zwar die Kirche in Hyrule-Stadt in etwa gleich lang wie diese Halle, doch in der Breite unterschieden sich die beiden deutlich. Während die Grundfläche der Zitadelle zu größten Teilen schmal und rechteckig war, bis sich der Raum des Master-Schwerts an das Kirchenschiff anschloss, war der Grundriss der Tempelhalle nahezu quadratisch. Zudem war die Decke so hoch, dass sie im Fackelschein nicht zu sehen war. Doch das wohl Beeindruckendste war wohl die gigantische Nure-Onna-Statue an der Rückwand der Halle. Der zusammengeschlungene Schwanz der Schlangenfrau nahm fast die gesamte Breite des Raumes ein, ihr Torso erstreckte sich über mindestens ein Stockwerk in die Höhe und ihre Handflächen hatte sie wie eine meditierende Gottheit nach oben gewandt. Ihre Brust war mit einem farbenprächtigen Brustharnisch bedeckt, der aussah als schimmerten verschiedene Edelsteine zwischen den aufgemalten Eisenplatten. Ihr Kopf verschwand in den Schatten unter der Decke. Während Link nicht aufhören konnte, die riesige Statue zu bestaunen, zog Navi unbehaglich die Schultern vor und ließ ihren Blick unstet umher huschen. „Das gefällt mir nicht…“ Ihr Schützling zuckte nur mit den Schultern. „Über Kunst lässt sich bekanntlich streiten. Aber findest du es nicht faszinierend, was manche Bildhauer schaffen können? Sie sieht aus als wäre sie aus nur einem Stein gehauen!“ Die Fee stieß ein genervtes Schnauben aus. „Das meinte ich nicht. Kunst ist mir gerade reichlich egal. Irgendetwas stimmt an diesem Raum nicht.“ Link zog die Stirn kraus und drehte sich, um seine Freundin, die hinter seiner Schulter in der Luft schwebte, besser ansehen zu können. „Was meinst du? Ich kann nichts Ungewöhnliches entdecken. Haben deine Feensinne angeschlagen?“ „Ja.“ Navi nickte bedächtig. „Ich verstehe die Stimmen des Tempels nur schlecht – so als wären sie durch einen Zauber blockiert oder so. Aber irgendetwas hier lässt es mir kalt den Rücken runterlaufen… Und die Nure Onna kann ich auch nur als Warnung begreifen.“ Link, der sich nie sonderlich für Mythologie interessiert hatte, warf einen kurzen Seitenblick zur Statue zurück. „Wieso? Was sagt man über Schlangenfrauen?“ „So hübsch diese Statue auch wirken mag, Nure Onna sind Monster. Es heißt, sie nutzen die Schönheit ihrer menschlichen Anteile, um unbedarfte Männer in die Falle zu locken – um Beispiel, indem sie eine ertrinkende Frau mimen. Wenn der Retter dann in der Nähe ist, kann sich eine Nure Onna angeblich mit der Schnelligkeit und Geschmeidigkeit einer Schlange bewegen und blitzschnell angreifen. In ihren Schlangenschwanz eingewickelt, ist das Opfer dann völlig wehr- und schutzlos und kann nichts dagegen machen, dass die Nure Onna ihm sein gesamtes Blut entzieht.“ Geistesabwesend legte Link sich eine Hand an den Hals und verzog das Gesicht. Navi fuhr unterdessen fort: „In manchen Sagen heißt es sogar, dass Nure Onna die Fähigkeit besitzen, ihre Opfer mit nur einem Blick bewegungsunfähig zu machen oder gar in Stein zu verwandeln.“ Sich schüttelnd murmelte Link: „Irgendwie finde ich die Statue auf einmal gar nicht mehr so schön.“ Navi verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln und wollte etwas Neckendes sagen, aber ihr Schützling sprach weiter: „Wenn jemand eine solche Skulptur in seinem Tempel errichten lässt, dann kann es eigentlich nur eine Intention dafür geben – Abschreckung. Vermutlich birgt die Statue irgendein Geheimnis, das besonders gut geschützt sein soll.“ Eine plötzliche Idee erhellte sein Gesicht und er strahlte seine Fee voller Enthusiasmus an. „Vielleicht sind die Krafthandschuhe irgendwo in der Nure Onna versteckt!“ Navi legte den Kopf schief und dachte nach. Links Argumentation war stichhaltig, das musste sie zugeben. Doch irgendetwas sagte ihr, dass er sich irrte. „Ich glaube, du liegst falsch.“ Vor Überraschung entgleisten Link die Gesichtszüge und er starrte seine Freundin völlig perplex an. „Wieso?“ „Die Krafthandschuhe sind ein jahrtausendealtes Relikt der Gerudo, das früher zusammen mit einem anderen Artefakt, dem Spiegelschild, für rituelle Zwecke eingesetzt wurde – davon hat der Deku-Baum mal erzählt. Die Krafthandschuhe sind also in gewisser Weise so etwas wie eine heilige Reliquie für die Gerudo.“ „Und was hat das damit zu tun, dass du nicht glaubst, dass die Handschuhe in der Skulptur versteckt sein könnten? Gerade so etwas Wichtiges würde ich besonders gut verbergen.“ Bildete Navi sich das ein oder klang Link tatsächlich ein wenig beleidigt? Die Fee schüttelte kurz den Kopf, um wieder klar denken zu können. Sie musste sich getäuscht haben. Es war nicht Links Art, einzuschnappen, bloß weil sie ihm widersprach. Er war einfach nur müde und wollte die Queste so schnell wie möglich hinter sich bringen. Vermutlich klang er deswegen etwas gereizter als normal und sie hatte seinen Tonfall im ersten Moment fehlinterpretiert. „Würdest du etwas, das dir heilig ist, einem Monster anvertrauen?“, fragte Navi in betont unbeschwertem Ton, um ihrem Schützling ein wenig seiner Anspannung zu nehmen. Dieser zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne und räumte dann ein: „Nein, vermutlich nicht.“ „Eben. Ich auch nicht – schon gar nicht, wenn das vermeintliche Versteck eine solch böse Aura verströmt wie in diesem Fall…“ Das Feenmädchen schüttelte sich als spüre es den Hauch des Todes auf seiner Haut und fuhr dann fort: „Außerdem wirkt die Statue als wäre sie erst nachträglich eingefügt worden. Siehst du das? Der Stein der Mauern scheint schon Jahrtausende alt zu sein – er ist noch nicht so glatt und gleichmäßig wie es zum Beispiel das Mauerwerk der Gerudo-Festung ist. Anscheinend haben die Gerudo zwischen dem Erbauen dieses Tempels und der Errichtung ihrer Festung bessere Werkzeuge entwickelt.“ Link nickte bedächtig und nahm seiner Begleiterin die Worte aus dem Mund: „Die Nure Onna wurde von jemandem mit ausgezeichnetem Werkzeug gestaltet. Der Stein wurde nahezu perfekt bearbeitet und abgeschliffen – ganz anders als bei der Göttin des Sandes selbst. Ihre Oberfläche ist rau und ihre Gliedmaßen teilweise ein wenig zu eckig.“ Navi bedachte ihn mit einem stolzen Lächeln. „Genau. Die Krafthandschuhe dürften aber in etwa so alt sein wie der Tempel selbst. Das heißt, es muss bereits einen Aufbewahrungsort für sie gegeben haben, bevor die Nure-Onna-Statue errichtet worden ist. Vermutlich gibt es irgendwo einen Altar oder so etwas in der Art.“ Link nickte erneut und schien seinen Feuereifer von zuvor wiedergefunden zu haben. „Alles klar. Lass ihn uns suchen!“ Mit diesen Worten drehte sich der junge Recke um die eigene Achse und deutete mit dem Kinn auf eine Treppe, die ins nächste Stockwerk führte. „Wie es aussieht, ist das der einzige Weg, der uns offensteht.“ Schaudernd dachte der Junge daran, dass er in seiner Begeisterung für die Schlangenfrauskulptur beinah über den Rand des Plateaus, auf dem sie sich befanden, getreten und gute drei Meter in die Tiefe gestürzt wäre. Der Fall hätte ihn zwar vermutlich nicht umgebracht, aber er hätte sich übel verletzen können. Die trüben Gedanken vertreibend machte Link sich schnell daran, die gewundene Treppe emporzusteigen. Doch oben angekommen war die Ernüchterung groß. „Wieso zum verfluchten Deku muss jede vermaledeite Tür in diesem Tempel vergittert sein?!“ Link trat entnervt gegen die Wand und verzog das Gesicht, als ein stechender Schmerz durch seinen großen Zeh fuhr. Navi, die den Ausbruch ihres Schützlings gut verstehen konnte, legte ihm zur Beruhigung eine Hand an die Wange. „Ich schau mich kurz um, ob ich einen Schalter entdecke. Es wäre doch gelacht, wenn wir dieses Rätsel nicht in Null Komma Nichts gelöst hätten.“ Der Junge brummte eine unverständliche Antwort und nickte, woraufhin sich seine Fee ohne weiteres Wort in die Lüfte schwang. Doch wo sollte sie mit dem Suchen anfangen? Die Tempelhalle war riesig! Einer inneren Stimme folgend schwebte Navi zurück zu der Tür, durch die beiden Abenteurer gekommen waren, und betrachtete die danebenstehende Skulptur eines Armos-Ritters. Weshalb manche dieser Statuen wohl zum Leben erwachten, wenn man in ihre Nähe kam, andere jedoch nicht? Während Navi die Skulptur betrachtete und Link ungeduldig mit den Füßen scharren hörte, fiel ihr Blick wie magnetisch angezogen auf ein metallisch glänzendes Quadrat am Boden, schräg unter dem Podest. Zunächst begriff sie nicht, worum es sich dabei handelte, doch als die Erkenntnis schließlich in ihr Bewusstsein sickerte, schoss die Fee zu ihrem Begleiter zurück. „Link! Link, ich hab’s!“ Vor Begeisterung vergaß Navi, rechtzeitig zu bremsen und klatschte ihrem Freund mitten ins Gesicht. „Hrmpf… Das ist ja schön…“, nuschelte dieser um ihre Beine herum. „Autsch!“ Sich die Stirn haltend rückte Navi wieder von Link ab und sah ihn mit einer Mischung aus Ärger, Schmerz und Freude an. Offenbar überlegte sie, ob sie ihren Schützling für den Zusammenstoß verantwortlich machen konnte. Doch anstatt Link dafür anzublaffen, dass er nicht ausgewichen war, deutete Navi nur nach unten und erklärte: „Ich habe einen Bodenschalter gefunden. Ich glaube, wenn du den Armos-Ritter dort unten vom Plateau herunterschiebst, landet er direkt auf dem Schalter.“ Link, dessen Gesicht noch immer mit dem angetrockneten Blut des Echsenkriegers besprenkelt war, lächelte sie dankbar an und sprintete schon im nächsten Augenblick die Treppe wieder herunter. Kurz darauf versanken die Eisenstäbe vor der oberen Tür im Boden und Navi klopfte sich selbst auf die Schulter, dass sie die Lösung des Rätsels so schnell gefunden hatte. Als Link wieder an sie herantrat, wirkte er ein wenig atemlos, aber das hinderte ihn nicht daran, schnurstracks durch die Tür in einen schmalen Korridor und von dort aus in den nächsten Raum zu marschieren. Dieser enthielt bis auf ein paar Stahlzyklopen – kleine Metallsäulen, die durch eine Linse am oberen Ende Feuerstrahlen aussenden konnten – keine Überraschungen. Dank gezielter Bombeneinsätze stellten auch die Zyklopen keine ernsthafte Bedrohung dar. Doch zu Links großem Unmut erwies sich auch der Ausgang dieses Raumes als vergittert. „Ich sag’s dir, Navi: Wenn ich in diesem Tempel auch nur eine einzige Tür entdecke, die nicht verriegelt ist, benenne ich mich um! Dann heiße ich zukünftig Baron Hieronymus von Irrenhausen!“ Die Fee stieß einen grunzenden Laut durch die Nase aus und lachte leise. „Wieso das denn?“ „Weil ich dann vor Freude vermutlich augenblicklich den Verstand verliere…“ „Du solltest dir das mit der Namensänderung trotzdem noch mal überlegen. Kleide dich lieber fortan in Lumpen, wirf mit Exkrementen um dich und behaupte, die seist der König von Hyrule. Damit machst du bestimmt mehr Eindruck.“ Link rollte mit den Augen und kletterte auf einen in der Nähe befindlichen Steinquader, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Der Raum war recht klein und von niedrigen Steinpalisaden durchzogen, sodass es wirkte als hätte jemand halbherzig versucht, einen Irrgarten anzulegen. Inmitten dieses vermeintlichen Labyrinths entdeckte der Junge einen Steinblock, auf dem genauso eine Sonne angebracht war wie in dem Raum mit dem Echsenkrieger. Unweit davon war eine Vertiefung im Boden, die aussah als würde der Quader genau hineinpassen. Sofort schwang Link sich wieder von seinem Aussichtspunkt herunter und nahm die fragliche Stelle in Augenschein. Navi beobachtete ihn dabei mit kraus gezogener Stirn. Bevor sie fragen konnte, was er dort tat, sah ihr Freund plötzlich zu ihr auf und deutete auf ein kleines, kaum sichtbares Loch im Boden. „Kannst du etwas darin erkennen?“ Die Fee ließ sich neben ihrem Begleiter nieder und blickte durch die Öffnung im Stein hinab. Das Bohrloch hatte kaum so viel Durchmesser wie ihr Daumen und schien mit Glas versiegelt worden zu sein. „Hmm… Nicht viel. Es ist zu dunkel und das Loch zu klein.“ „Es sieht aus wie ein dünnes Seil, findest du nicht?“ Navi kniff ein Auge zusammen, um besser sehen zu können. Sie konnte etwas Hellbraunes ausmachen, das sich anscheinend von einer Seite zur anderen spannte und leicht ausgefranst wirkte. „Ja, könnte sein. Wieso?“ „Dort hinten“, Link wies in Richtung der gegenübergelegenen Ecke, „ist ein Steinquader mit einer Sonne wie vorhin. Ich nehme an, dass der Block durchbohrt ist und das Sonnenlicht weiterleitet. Offenbar muss der Klotz an diese Stelle geschoben werden, damit das Seil durchgeschmorrt werden kann.“ Navi nickte und zog ein erstauntes Gesicht. Das war für Links Verhältnisse außerordentlich gut beobachtet! Normalerweise war sie es, die ihn auf derartige Feinheiten und Details hinweisen musste, nicht umgekehrt. Ohne ihren eigentümlichen Gesichtsausdruck zu beachten, richtete Link sich wieder auf und trabte zu dem besagten Steinquader herüber. Sich mit vollem Gewicht dagegen lehnend rief er seiner Fee zu: „Du kannst dich schon mal umsehen, ob du eine Möglichkeit entdeckst, wie wir das Sonnenlicht in den Raum lassen können.“ Vermutlich war es nur Glück, dass Navi zuerst nach oben sah und den dicken Vorhang entdeckte, doch das Feenmädchen setzte trotzdem ein überlegenes Lächeln auf. „Schon längst geschehen, Meister!“ Dann schwang sie sich in die Lüfte und begann, die Kordel der Bedeckung zu entknoten. Link hatte den Steinklotz kaum die Hälfte des Weges geschoben, als die dunklen Tuchbahnen auch schon auseinanderfielen und goldenes Sonnenlicht durch ein Loch in der Decke fiel. Keuchend schob der Junge den Quader in die dafür vorgesehene Vertiefung. Sein gesamter Körper schmerzte vor Anstrengung und er hatte das Gefühl, sein Besuch bei der Feenkönigin wäre schon eine Ewigkeit her. Doch anstatt sich etwas anmerken zu lassen, wischte er sich nur den Schweiß ab und sah abwartend zur Tür hinüber. Navi, die trotz Links Bemühungen, sich stark zu geben, spürte wie ausgelaugt ihr Schützling war, kreuzte beide Zeige- und Mittelfinger und betete stumm zu den Göttinnen. Als die Tür schließlich freigegeben wurde, atmeten Fee und Junge hörbar auf. Der dahintergelegene Korridor war lang und führte über eine niedrige, mit rotem Teppich ausgelegte Treppe zu einer weiteren Tür. „Hey, sieht so aus als hätte Hyrule einen neuen König! Oder soll ich dich wirklich Baron Irrenhausen nennen?“, witzelte Navi, als die beiden Abenteurer verblüfft verstellten, dass sie ausnahmsweise nicht von Eisenstangen am weiteren Vordringen gehindert wurden. „Ach, halt doch die Klappe!“ Das Grinsen in Links Gesicht verriet, dass er trotz seiner harschen Worte nicht ernsthaft sauer war. Navi streckte ihm kichernd die Zunge heraus, während er die Tür aufstieß. Doch das Lachen blieb ihr angesichts des nächsten Raumes im Hals stecken. „Das… Das sieht ja aus wie ein Thronsaal.“ Die Fee bestaunte die sechs kunstvoll verzierten Säulen, die wie salutierende Soldaten den langen, blutroten Teppich säumten. Jede einzelne von ihnen musste ein Vermögen wert sein, so viel Silber, Gold und Edelsteine schimmerten im Fackelschein. „Sieh mal, Link! Ist das nicht bezaubernd?“ Navi deutete auf die ihnen am nächsten stehenden Säule. „Die Malereien erzählen richtige Geschichten. Auf dieser geht es anscheinend um spirituelle Rituale. Ob dieser Silberkleks die Krafthandschuhe darstellen soll?“ „Navi!“ Bei dem gepressten Klang von Links Stimme horchte die Fee überrascht auf. Normalerweise war ihr Schützling doch immer für alles Schöne zu haben. Anders als bei seinem Tonfall erwartet, maß Link sie jedoch nicht mit einem tadelnden Blick, sondern starrte zum anderen Ende des Saals hinüber. Navi folgte mit den Augen und zuckte erschrocken zusammen. Wie sie erwartet hatte, stand dort hinten tatsächlich ein Thron – aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass jemand auf ihm sitzen könnte! Einen schrecklichen Moment lang dachte Link, er sähe sich Ganondorf gegenüber, aber dann fiel ihm wieder ein, dass der König der Gerudo zu diesem Zeitpunkt in Hyrule-Stadt sein musste. Er war Link bis zur Zitadelle der Zeit gefolgt und hatte beobachtet, wie der Junge den Zugang zum Master-Schwert geöffnet hatte, wie er das Heft umklammert hatte – nur, dass Link es dann wieder losgelassen, ein seltsames Lied gespielt und sich dann in Luft aufgelöst hatte. Trotz seiner Anspannung musste der Junge bei dem Gedanken an Ganondorfs blödes Gesicht grinsen. Was er wohl gedacht hatte, als Link direkt vor seinen Augen verschwunden war, ohne den Zugang zum Heiligen Reich zu öffnen? In diesem Moment durchzuckte Link eine Idee. Was, wenn er das Master-Schwert nicht wieder aus dem Zeitfels zöge? Wenn er damit warten würde, bis er alt genug wäre, um das Schwert zu führen, und bis dahin ein normales Leben genießen würde? Dann würde er nicht für sieben Jahre gebannt werden und Ganondorf wäre nie in der Lage, das Triforce an sich zu reißen! Doch so schnell wie die Hoffnung in ihm aufgestiegen war, so schnell machte sie der Ernüchterung Platz. Der König Hyrules war tot, genau wie der Großteil seiner Soldaten. Zelda und Impa waren auf der Flucht. Es gab niemanden, der sich Ganondorf in diesem Moment in den Weg stellen konnte – Triforce hin oder her, Ganondorf würde über Hyrule regieren und es in ein Land des Schreckens verwandeln. Womöglich würde er Link suchen und umbringen lassen, wenn dieser sich nicht in Raurus Obhut begab, und damit wäre Hyrules letzte Hoffnung verloren. Link konnte es drehen und wenden wie er wollte: Der Zeitpunkt, die Geschichte zu ändern, war lange verstrichen. Alles, was er jetzt tun konnte, war, sich an den Plan zu halten. Als die schwer gepanzerte Gestalt vom Thron aufstand, erkannte Link, dass sein Gegner deutlich kleiner und schmaler als der gewaltige Gerudo-König war. Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck zog der Recke sein Schwert und wandte sich an seine Fee: „Versteck dich irgendwo. Ich will nicht, dass du in die Gefahrenzone gerätst.“ „Alles klar.“ Navi nickte und verschwand hinter einer der Säulen. Der Eisenprinz kam gemächlichen Schrittes auf Link zu, der leicht in die Knie ging und das Heft seines Schwertes festumklammerte. Als er etwa zwei Meter entfernt war, blieb der Kontrahent schließlich stehen und schien den Jungen vor sich mit einem abschätzigen Blick zu mustern. Es machte Link nervös, dass er auf Grund der massiven Panzerung nichts von seinem Gegner sehen konnte – selbst die Augen waren hinter einem Eisengitter verborgen. Wie sollte er hier bloß eine Schwachstelle finden? Um seinen Widersacher aus der Reserve zu locken, spottete Link: „Wenn du glaubst, dass du mich ohne eine Waffe besiegen kannst, irrst du dich gewaltig. Ich hab keine Angst vor einem Haufen Altmetall!“ Als wäre ihm erst jetzt aufgefallen, dass er unbewaffnet war, blickte der Eisenprinz auf seine Hände. Doch anstatt sich zurückziehen, stieß er ein grollendes Lachen aus. Dann schnippte er einmal mit den Fingern und eine mächtige Streitaxt materialisierte sich vor ihm in der Luft. Angesichts der Leichtigkeit, mit der der Eisenprinz die schwere Waffe auffing, schluckte Link hart. „Heiliger Deku…“ „Das hast du jetzt davon, dass du so eine dicke Lippe riskieren musstest!“ Link konnte Navi nicht sehen, doch ihre Stimme hallte gut hörbar durch den ganzen Raum. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass er solche Tricks draufhat!“ Als wäre er von der Auseinandersetzung der beiden Abenteurer gelangweilt, holte der Eisenprinz aus und wirbelte seine Axt mit einem horizontalen Schlag durch die Luft. Link konnte gerade noch nach hinten ausweichen, aber das nutzte ihm kaum etwas. Der Eisenprinz bewegte sich langsam auf ihn zu und ließ seine Waffe dabei ununterbrochen kreisen. Jeder Schlag wirkte noch kräftiger als der vorherige – der Prinz verstand es, die Fliehkräfte gezielt zu seinem Vorteil einzusetzen. Link blieb nichts anderes übrig als auszuweichen – an eine Gegenattacke war nicht mal zu denken. Genau wie beim Echsenkrieger war seine Reichweite viel zu kurz. Die Axt des Eisenprinzen hätte ihn niedergestreckt, bevor er auch nur in die Nähe des Körpers seines Gegners gekommen wäre. Doch anders als beim Kampf mit der Echse hätte ihm eine größere Reichweite auch nicht viel gebracht… Jeder Angriff war dazu verdammt, an der Rüstung des Prinzen zu zerschellen. Link schluckte und versuchte trotz nassgeschwitzter Hände sein Schwert festzuhalten, als er mit dem Rücken gegen eine Säule stieß. War dies sein Ende? Oder womöglich seine große Chance? Mit wild schlagendem Herzen wartete Link mit dem Ausweichen bis zum letzten Moment. Die Axt seines Gegners traf hart gegen die Säule und verursachte das schrille Kreischen von Metall auf Stein. Link kauerte unweit davon auf dem Boden und betete stumm zu den Göttinnen, sie mögen ihm beistehen. Doch anstatt im Stein festzustecken, durchschlug die Streitaxt die Säule als wäre sie kaum mehr als ein etwas dickerer Ast. „NEIN!“ Vor Verzweiflung schrie Link laut auf. Wie sollte er einen Gegner besiegen, der massive Steinsäulen zerschlagen konnte, wenn seine einzige Waffe ein Kurzschwert, ein besserer Zahnstocher war?! „Reiß dich zusammen!“, rief er sich selbst zur Räson. „Dir steht mehr zur Verfügung als dein Schwert. Konzentrier dich!“ So schnell er konnte, ging er im Geist all seine Ausrüstungsgegenstände durch. Womit könnte er dem Eisenritter schaden? Als ihm schließlich eine Idee kam, schob er sein Schwert in seinen Gürtel, wirbelte er herum und sprintete auf eine der Fackeln zu, die schräg hinter dem Thron standen. Das laute «Klong-Klong» hinter ihm verriet ihm, dass sein Gegner ihm auf den Fersen war, auch wenn er mit dem flinken Jungen nicht mithalten konnte. Dennoch war sein Kontrahent näher hinter ihm als Link gedacht hätte. Beim dem Geräusch von splitterndem Holz zuckte der Recke heftig zusammen und warf einen Blick über die Schulter zurück. Die Axt des Eisenprinzen zerteilte den massiven Holzthron wie Pappmaschee. „Hey, Schrotthaufen! Ich hab hier etwas für dich!“ Ohne darüber nachzudenken, wie nah er seinem Gegner stand, warf Link dem Eisenprinzen eine Bombe vor die Füße. Dieser legte den Kopf schief als wüsste er nicht, um was es sich bei der runden Kugel handelte – und dann explodierte sie auch schon. Link sprang so weit zurück wie er konnte und hielt sich die Arme vors Gesicht, aber die Druckwelle der Detonation schleuderte ihn gegen die nächste Wand. Der Junge schlug hart mit dem Kopf gegen das Mauerwerk und fiel dann wie ein nasser Sack zu Boden. Bunte Lichtpunkte tanzten vor seinen Augen und Dunkelheit breitete sich von den Rändern seines Sichtfeldes ausgehend immer weiter aus. Trotzdem kämpfte Link verbissen gegen die Ohnmacht und versuchte, wieder auf die Füße zu kommen. Als ein Schatten auf ihn fiel, riss der Recke den Kopf hoch und wurde dafür mit heftigem Schwindel bestraft. Alles, was er erkennen konnte, war eine umher wirbelnde Masse aus Silber und Grau. Der Eisenprinz… Er lebte noch! Seine Rüstung schien nicht einmal ernsthaften Schaden genommen zu haben. Sich an der Wand abstützend hievte Link sich mühsam wieder auf die Beine. Wenn er schon sterben sollte, dann aufrecht und kämpfend. Das war er all den Menschen, die sich auf ihn verließen, schuldig. Mit letzter Kraft zog er sein Schwert und hielt es vor sich. Seine Hände zitterten vor Anstrengung so sehr, dass die Schwertspitze unkontrolliert in der Luft tanzte. Der Eisenprinz wirkte für einen Moment von so viel Kampfeswillen verblüfft, bevor er seine mächtige Axt hob und zum letzten Schlag ansetzte. Link biss die Zähne fest zusammen und wappnete sich für das Ende. Doch zu seiner großen Überraschung führte der Eisenprinz den Angriff nicht aus. Stattdessen erstarrte er mitten in der Bewegung und fiel plötzlich in sich zusammen. Mit lautem Dröhnen trafen die einzelnen Rüstungsteile auf dem Steinboden auf und dort, wo noch Sekunden zuvor der Eisenprinz gestanden hatte, schwebte ein zierliches, silber-goldenes Mädchen mit Flügeln in der Luft und umklammerte mit einem panischen Gesichtsausdruck einen scharfkantigen Steinsplitter. „Navi?!“ Der Schwindel nahm zu und Link musste sich an der Wand entlang zu Boden rutschen lassen. „Oh, bei den Göttinnen! Du lebst noch!“ Navi schmiss sich mit vollem Gewicht gegen seine Brust und krallte sich im Stoff seiner Tunika fest. Obwohl ihr Tränen in Kehle und Augen brannten, konnte sie nicht weinen. Stattdessen keuchte sie nur: „Ich dachte, dieses Mal hätte ich dich endgültig verloren!“ „Ja, das dachte ich auch.“ Link bemühte sich, die nach ihm greifende Dunkelheit wegzublinzeln und das Geschehene zu verstehen. „Wie hast du das gemacht?“ „Als deine Bombe explodiert ist, klang es so hohl. Da kam mir eine Idee. Ich erinnerte mich daran, dass ich mal etwas von verzauberten Rüstungen gelesen habe und dass der einzige Weg, sie zu besiegen, ist, sie auseinanderzunehmen. Dieser Eisenprinz wurde am Rücken von mehreren Bändern zusammengehalten – wie es bei Brustharnischen oft der Fall ist. Also hab ich mir aus den Resten der Säule einen scharfen Stein gesucht und gebetet, dass ich es rechtzeitig schaffe, die Bänder zu zerschneiden.“ „Danke, Navi. Von ganzem Herzen danke!“ Die Fee blickte auf ihre Handflächen, aus denen goldenes Blut sickerte. Auch auf Links Tunika hatte sie glitzernde Flecken hinterlassen. Mit einem Lächeln ballte sie ihre Hände zu Fäusten und sah zu ihrem Freund auf. Diese Narben würde sie bis zu ihrem Lebensende mit Stolz tragen. Sie hatte es geschafft, ihren Schutzbefohlenen zu retten. Sie war nicht nutzlos! Nach einer langen Rast, während der Link wieder ein wenig zu Kräften gekommen war, brachen die beiden Abenteurer erneut auf. In Links Kopf hämmerte es noch immer, aber immerhin war ihm nicht mehr schwindelig und übel. Navi hatte ihren Stammplatz auf seiner Schulter eingenommen und ließ sich durch einen weiteren Korridor nach draußen tragen. Junge und Fee staunten nicht schlecht, als sie über die Schwelle traten und sich tatsächlich im Freien wiederfanden. Link, der noch immer Angst vor einer plötzlich wiederkehrenden Schwindelattacke hatte, zog einen Flunsch. „Sieht aus als wären wir auf dem Arm der Göttin des Sandes.“ Navi nickte und deutete dann in Richtung Hand. „Sieh mal, eine Schatztruhe!“ „Die guck ich mir sofort an. Aber vorher…“ Link griff in seinen Lederbeutel und holte die Flasche mit der Asche des Anubis hervor. Navi beobachtete mit Tränen in den Augen, wie ihr Schützling die Flasche entkorkte und die Überreste des Feuerfuchses in den Wind schüttete. Während sie betrachtete, wie die Ascheflöckchen in die Wüste hinausgetragen wurden, wandte Link sich abrupt der Truhe zu und riss den Deckel auf. Wahrscheinlich war diese scheinbare Gleichgültigkeit der einzige Weg, wie der Junge mit der Trauer in seinem Inneren umgehen konnte, ohne zu zerbrechen. Navi kuschelte sich in seine Halsbeuge, um ihm Nähe und Trost zu spenden und sah ihm dabei zu, wie er den Inhalt der Schatztruhe aus ihrem Inneren hervorholte. Beim Anblick des Schatzes atmeten die beiden Abenteurer erleichtert durch. „Die Krafthandschuhe! Endlich!“ Link nahm das Gerudo-Relikt an sich und zog die Stirn kraus. „Hm… Nicht ganz das, was ich erwartet hatte.“ Navi nickte zustimmend. „Ich hätte auch nicht gedacht, dass wir sie in einer Kiste im Freien finden würden…“ Link warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. „Das meinte ich nicht. Ich hatte mir die Krafthandschuhe selbst anders vorgestellt. Sie wirken so… gewöhnlich.“ Navi betrachte das ihr entgegengehaltene Relikt und nickte erneut. Die Krafthandschuhe sahen aus wie ein herkömmliches Paar Lederhandschuhe, das auf dem Rücken mit Silberplatten und jeweils einem großen Rubin verziert worden war. Schwer zu glauben, dass sie dem Träger übermenschliche Kräfte verleihen sollten. „Naboru wird enttäuscht sein“, stellte Link in nachdenklichem Ton fest. „Meinst du? Ich denke, als Gerudo hat sie schon mal Bilder von den Krafthandschuhen gesehen und weiß in etwa, auf was sie wartet.“ Der Junge schüttelte den Kopf. „Ich denke, sie will die Krafthandschuhe aus einem bestimmten Grund haben – und zwar, um sie gegen Ganondorf einzusetzen. Aber sieh sie dir mal genau an. Diese Handschuhe sind für Männer gemacht. Naboru wird sie nicht tragen können.“ Navi riss staunend die Augen auf. „Stimmt, du hast Recht.“ „Eigentlich merkwürdig, dass ein Relikt eines Frauenvolks für Männer gemacht ist. Findest du nicht?“ „Ich nehme mal an, dass die Krafthandschuhe für den König gedacht waren.“ „Ja, damit könntest du natürlich Recht haben. Naja, kann uns auch egal sein. Lass uns die Dinger schnell zu Naboru bringen und von hier verschwinden.“ „Jawohl, Sir!“ Navi salutierte im Sitzen und zauberte damit ein Grinsen auf das müde wirkende Gesicht ihres Freundes, der die Krafthandschuhe in seinem Lederbeutel verschwinden ließ. Die Beiden hatten sich bereits wieder der Tür zugewandt, als ein lautes Rascheln sie zusammenfahren ließ. Erschrocken wirbelte Link herum und entdeckte die Eule des Rauru, die sich auf den Fingern der Göttin niederließ. „Sei gegrüßt, junger Held. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.“ Erleichtert aufatmend trat Link an die Eule heran. „Du hast mich erschreckt.“ „Das war nicht meine Absicht.“ „Dachte ich mir.“ Link ließ seinen Blick geistesabwesend über das Wüstental streifen. Die Sonne näherte sich im Westen bereits den Gebirgsausläufern und tauchte alles in ein unwirklich wirkendes, rötliches Licht. Von hier oben erschien die Welt so friedlich… Als gäbe es keinerlei Probleme. Link wünschte, er könnte diesen Moment irgendwie einfrieren und für immer bewahren. Unterdessen fragte Navi: „Was tust du hier?“ Die Eule drehte den Kopf um beinah 180° und sah zur Fee auf. Navi verzog das Gesicht zu einer Fratze. Sie hasste es, wenn Eulen das taten. Es sah immer aus als hätten sie sich das Genick gebrochen. „Ich hörte, dass der Herr der Zeiten hier sei. Deshalb bin ich hierhergekommen, um ihm einen Tipp zu geben.“ Links Kopf schnellte herum und er zog fragend die Augenbrauen in die Höhe: „Was für einen Ratschlag willst du mir geben?“ Die Eule drehte ihren Kopf wieder richtig herum, wobei ihre Federn ein leises Rascheln verursachten. „Du kannst die Twinrova nur mit einem Relikt der Gerudo schlagen. Also geh ihnen lieber aus dem Weg, solange du dies nicht besitzt.“ „Du meinst die Krafthandschuhe? Die haben wir schon.“ Navi deutete nach unten auf Links Wunderbeutel. Die Eule stieß einen gurrenden Laut aus. „Das habe ich gesehen. Aber nein, ich meinte den Spiegelschild. Die beiden Hexen sind nämlich nur mit ihrer eigenen Magie zu schlagen.“ Link verschränkte die Arme vor der Brust, was Navi leicht durchschüttelte. „Wie soll uns ein Schild dabei helfen, die Twinrova mit Magie zu besiegen?“ Bevor die Eule antworten konnte, zerriss plötzlich ein gellender Schrei die Stille des Tals. Link stürzte sogleich an den Rand des Göttinnenarms und entdeckte Naboru, die aus dem Tempel gerannt kam. Die junge Frau warf dabei immer wieder Blicke über die Schulter zurück und rief: „Lasst mich in Ruhe, ihr widerlichen Hexen!“ Die Eule des Rauru stieß ein traurig klingendes Gurren aus und wandte sich an Link: „Das ist dein Stichwort. Zeit, von hier zu verschwinden.“ Mit diesen Worten schwang sie sich wieder in die Lüfte und verschwand hinter der Göttin des Sandes. „Feigling!“, murrte Navi, wandte ihre Aufmerksamkeit jedoch sogleich wieder Naboru zu. Diese hatte inzwischen das Ende des steinernen Vorhofs erreicht und schien für einen Moment zu zögern. Dann setzte sie doch einen Fuß auf den Sand und rannte weiter. Sofort schossen die Kakteenwesen aus dem Boden hervor und nahmen die Verfolgung auf. Aus dem Inneren des Tempels tauchten zwei alte Frauen auf, die in schwarze Umhänge gehüllt waren und auf Besen durch die Luft ritten. Ihre langen, offen im Wind wehenden Haare waren so weiß wie ausgeblichene Knochen. „Das müssen die Twinrova sein“, flüsterte Navi, doch Link war zu angespannt, um zu antworten. Was sollte er bloß tun? Er konnte die zwei Hexen nicht besiegen – das hatte Raurus Eule ihm gerade erst gesagt. Aber er konnte doch auch nicht einfach nichts machen! Fieberhaft suchte er nach einem Plan, Naboru zu helfen. Vielleicht konnte er sich zur Teleportierplattform bringen lassen und zusammen mit Naboru wegteleportieren lassen, bevor die Twinrova sie erreichten. Doch er hatte gerade erst die Okarina der Zeit hervorgeholt, als die Gerudo stolperte und lang hinschlug. „NABORU!!!“ Link schrie aus Reflex auf, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Die beiden Hexen wandten die Köpfe und schienen sich kurz abzusprechen, bevor eine zu Naboru flog und die andere Kurs auf Link nahm. „Link?“ Naboru rappelte sich beim Klang seiner Stimme wieder ein wenig auf und wehrte ein Kakteenmonster ab. „Verschwinde von hier! Egal, wo du bist – verschwinde von hier! Ich komm schon klar!“ Der schwarze Strudel, der sich plötzlich unter ihr auftat und sie verschluckte, strafte die Worte der jungen Frau Lüge, aber Link hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Die Hexe, die sich um ihn kümmern sollte, war inzwischen so nah, dass er die Falten in ihrem altersfleckigen Gesicht und den eisblauen Kristall auf ihrer Stirn sehen konnte. Navi zerrte panisch an seinem Ohr und schrie: „Benutz die Okarina! Bring uns hier weg!“ Ohne nachzudenken setzte Link das Mundstück des heiligen Instruments an seine Lippen und spielte das erstbeste Teleportierlied, das ihm in den Sinn kam. Sein Körper löste sich sofort auf und schwebte als Lichtkugeln davon – gerade noch rechtzeitig. Denn nur einen Augenaufschlag später, krachte ein riesiger Eisbrocken genau auf die Stelle, an der er zuvor gekniet hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)