Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 43: Musizieren mit Bongo-Bongo -------------------------------------- Ohne darauf zu warten, dass die Feenweise die Heilung seines geschundenen Körpers abgeschlossen hatte, stürzte Link blindlings drauf los. Er musste Impa helfen – sofort! An etwas anderes konnte er gar nicht mehr denken. Zelda würde es ihm niemals verzeihen, sollte er ihre Gouvernante sterben lassen. Außerdem waren die Shiekah die Einzigen, die wussten wie man das Siegel des Schattendämons erneuerte. Ob auf den mysteriösen, flatterhaft wirkenden Shiek im Ernstfall tatsächlich Verlass wäre, konnte Link noch immer nicht sagen. Impas Leben zu retten war also aus verschiedenen Gründen sehr wichtig. Doch schon nach wenigen Metern wurde der Vorstoß des jungen Helden jäh gestoppt. Eigentlich hatte er vorgehabt einfach in den Fluss zu springen und schnell ans andere Ufer zu schwimmen. Der plötzlich aus den dunklen Fluten auftauchende Rücken eines Krokodilwesens erinnerte ihn jedoch daran, dass dieses Vorhaben eine verdammt dumme Idee war. Während Link noch fieberhaft überlegte wie er die gegenüberliegende Steinterrasse erreichen konnte, stritten sich die beiden geflügelten Frauen wild gestikulierend in seinem Rücken. „Das ist viel zu gefährlich! Außerdem würdet ihr mein Haus zerstören!“ Die alte Fee war völlig außer sich, doch Navi ließ sich nicht erweichen. Stattdessen keifte sie: „Man muss Prioritäten setzen! Und die liegen in diesem Fall sicher nicht bei deiner Unterkunft…“ Dann wandte sie sich abrupt ab und flog auf ihren Schützling zu, der bereits sichtlich am Verzweifeln war, weil er keinen Weg entdecken konnte, der zur anderen Seite führte. Ohne auf das Gezeter ihrer Artgenossin zu achten, deutete Navi auf etwas am gegenüberliegenden Ufer und fragte: „Siehst du das? Das könnte womöglich die Lösung sein.“ Link kniff die Augen zusammen und starrte angestrengt zu der gezeigten Stelle herüber. In dem schummerigen Licht der spärlich verteilten, schlecht brennenden Fackeln war es schwer kleine Details auszumachen. Doch nach einem unendlich lang wirkenden Moment erkannte der Hylianer endlich, auf was seine Fee hinauswollte. Am anderen Ufer waren zwei mehrere Meter hohe Säulen errichtet worden, die – wie schon so vieles andere im Schattentempel – an spitzschnabelige Raubvögel erinnerten. Sogar die ausgebreiteten Schwingen waren nicht vergessen worden und standen wie der Querbalken eines Kreuzes in einem fast rechten Winkel ab. Wesentlich wichtiger war jedoch, dass rund um die linke Säule ein knappes Dutzend Donnerblumen wuchs. Ihre schwarzen Körper glänzten matt in dem schwachen Licht und verschmolzen beinah mit den sie umgebenden Schatten. Bei dem Anblick der explosiven Gewächse schoss sogleich kribbelndes Adrenalin durch Links Blutbahnen und der Herr der Zeiten rief begeistert aus: „Du hast Recht!“ Seine Stimme klang vor Aufregung und Erleichterung ein gutes Stück höher als normal. „Das könnte tatsächlich unsere Rettung sein! Gepriesen seien deine guten Augen!“ Vor lauter Freude hätte er seine aufmerksame Begleiterin am liebsten geküsst. „Wagt es ja nicht! Ihr macht damit mein Haus kaputt, verdammt noch mal!“ Die alte Fee stemmte eine Faust in die Hüfte und erhob drohend den Zeigefinger der anderen Hand, während sie die beiden Abenteurer vor ihr mit wütenden Verwünschungen eindeckte. Der Herr der Zeiten ignorierte sie jedoch genauso wie seine Begleiterin zuvor. Anstatt die zeternde Feenweise zu beachten, schritt er zügig auf die in der Nähe brennende Fackel zu und zerrte seinen Bogen mitsamt einem Pfeil aus seinem Wunderbeutel. Während er Letzteren an den schwachen Flammen entzündete, dankte er stumm den Göttinnen für diese glückliche Fügung. Ohne diese Feuerquelle hätte er nicht gewusst, wie er die Donnerblumen hätte entzünden sollen. Sobald der Pfeilschafft brannte, legte der junge Held schnell an und zielte auf das am nächsten gelegene Gewächs. Bevor er die Sehne losließ und den Feuerpfeil auf seine kurze Reise schickte, murmelte der Hylianer eine leise Bitte an die Göttinnen: „Ich flehe euch an, lasst diese Donnerblumen reif sein!“ Kaum, dass der Pfeil abgeschossen worden war und mit einem kaum hörbaren Zischen durch die Luft sauste, ließ Link sich sofort auf den Boden fallen und erhob den Hylia-Schild, um sich vor der Explosion der vielen Fruchtkörper zu schützen. Navi eilte so schnell wie möglich zu ihm herüber und suchte ebenfalls Schutz hinter dem massiven Metallschild. Nur die alte Fee verschränkte mit einem beleidigten Gesichtsausdruck die Arme trotzig vor der Brust und starrte wütend zu den beiden Abenteurern herab. „In Deckung! Bring dich in Sicherheit!“ Panik schnürte Link die Kehle zu und ließ seine Stimme brüchig werden. Wenn die Feenweise nicht bald irgendwo Schutz suchte, würde sie von der Detonationswelle erwischt und womöglich zerrissen oder zumindest durch die Luft gewirbelt werden! Doch trotz der Aufforderung des besorgten Kriegers rührte die geflügelte Frau sich kein Stück, bis die erste Donnerblume laut krachend explodierte und die erhoffte Kettenreaktion auslöste. Ein ohrenbetäubender Knall hallte durch die Höhle und die entstehende Druckwelle wirbelte Staub, Dreck und Sand auf und ließ den Fluss schäumende Wellen schlagen, die bis zu Link und Navi herüberschwappten. Die alte Fee leistete beeindruckend lange Widerstand, aber dann drohte sie schließlich doch von der Wucht der Explosion fortgerissen zu werden. Ohne sich Gedanken um sein eigenes Wohl zu machen, ließ der mutige Recke seinen Schild fallen und stürzte zu der winzigen, geflügelten Frau herüber. Es war vermutlich nur Glück, dass er sie gerade noch rechtzeitig erreichte, bevor sie außer Reichweite geweht wurde. Der Druck der harten, auf ihn zukommenden Luftwand zog dem jungen Helden die Beine weg und drückte ihn tief in den Sand unter ihm, bevor sie ihn holpernd über den unebenen Untergrund rollen ließ. Kleine, spitze Steinchen rissen ihm die zarte Gesichtshaut auf und erneut fanden sich mehrere Krokodilwesen hungrig knurrend am Ufer zusammen. Als die Detonationswelle endlich über ihn hinweg gefegt war und abebbte, hatte sie Link bereits bis an den Rand der Sandbank geschoben. Sofort hob eines der wartenden Raubtiere seinen mächtigen Schädel aus dem Wasser und riss das imposante Maul auf, um nach dem benommenen Mann zu schnappen. Nur knapp gelang es dem Herrn der Zeiten noch rechtzeitig die Beine hochzureißen und dem Monster einen kräftigen Tritt gegen den Unterkiefer zu verpassen. Von der Gegenwehr überrascht hielt das Krokodilwesen für einen augenaufschlagkurzen Moment verdutzt inne, aber dann loderte Wut in seinen rötlich glimmenden Augen auf. Zornig knurrend kroch es an Land und schlug mit seinem langen, mit spitzen Panzerplatten bewehrten Schwanz nach dem rückwärtsstolpernden Hylianer. Dieser schob vorsichtig die ohnmächtige Fee in seine Hemdstasche und zog sein Schwert. Wenn dieses Krokodilvieh einen Kampf wollte, konnte es einen bekommen! Es würde noch bereuen, dass es sich mit ihm angelegt hatte! Doch noch bevor Link den ersten Streich ausführen konnte, erregte ein schleifendes Knirschen seine Aufmerksamkeit. Sogar der wütende Angreifer und seine Artgenossen wandten die Köpfe, um den Ursprung des Lauts ausfindig zu machen. Als Link erkannte, was das Geräusch ausgelöst hatte, hätte er sich am liebsten in den Hintern getreten. Vor lauter Aufregung hatte er ganz vergessen, warum er die Explosion überhaupt herbeigeführt hatte. Die Säule am gegenüberliegenden Ufer war von der Detonation aus ihrer Halterung gesprengt und von der Druckwelle ins Schwanken gebracht worden. Langsam, beinah wie in Zeitlupe, drehte sich die massive Steinrolle immer mehr zu einer Seite, bis sie schließlich von ihrem Sockel rutschte und zu Boden krachte. Die an ihr reißende Schwerkraft ließ sie rasend schnell fallen und Link verdankte es allein seinen fixen Reflexen, dass er es gerade noch schaffte sich mit einem Sprung nach hinten aus der Gefahrenzone zu bringen. Das angriffslustige Reptil vor ihm hatte nicht so viel Glück und wurde von der herabstürzenden Säule förmlich zermalmt. Erschrocken fauchend zogen sich die anderen Krokodilwesen vorerst in tiefere Gewässer zurück. Wesentlich wichtiger war jedoch die Tatsache, dass der Recke nun endlich in der Lage war das gegenüberliegende Ufer zu erreichen. Die umgestürzte Säule war so lang, dass sie den Fluss wie eine Brücke überspannte. Sofort holte Link die noch immer benommene Feenweise wieder aus seiner Tasche, um sie sanft neben ihrem Busch abzusetzen, der wie durch ein Wunder unbeschadet geblieben war. Dann hetzte der junge Held zu seinem Schild zurück, hob ihn mit einer geschmeidigen Bewegung wieder auf und befestigte ihn auf seinem Rücken. Navi, die sich unter dem leicht gebogenen Metallstück zusammengekauert und so die Explosion überstanden hatte, blinzelte ein wenig ängstlich zu ihrem Schützling herauf. Doch sobald sie sicher war, dass die Gefahr vorbei war, rappelte sie sich schnell auf und folgte Link zu der Säule. Während sie die neue Brücke genauer unter die Lupe nahm, fragte sie besorgt: „Meinst du, du schaffst es hierüber zur anderen Seite zu klettern?“ Die glatte Oberfläche des abgerundeten Steins machte der Fee Magenschmerzen. Eine falsche Bewegung und Link würde in den Fluss stürzen und womöglich doch noch von den Krokodilwesen zerfleischt werden. Die grimmige Miene, die der Herr der Zeiten zur Schau trug, ließ vermuten, dass ihn ähnliche Gedanken quälten, aber anstatt sich davon entmutigen zu lassen, wechselte er geschwind sein Schuhwerk und schwang ein Bein über die Säule, um sich breitbeinig darauf zu setzen. Dann nickte er Navi zu und murmelte: „Das werden wir gleich wissen.“ Anstatt über die Säule zu balancieren, ließ er die Beine zu beiden Seiten herabbaumeln und zog sich allein durch die Kraft seiner Arme vorwärts. So war es wesentlich einfacher das Gleichgewicht zu halten als wenn er es aufrecht gehend versucht hätte. Während er sich auf diese Weise langsam über den Fluss arbeitete, fragte Navi, die neben ihm schwebte, neugierig: „Warum hast du dir eigentlich die Pegasus-Stiefel angezogen?“ Die dicken Schweißperlen auf Links Stirn glänzten matt, als er ihr den Kopf zuwandte und keuchend ausstieß: „Aus Angst, abzurutschen. Ich dachte mir, sollte ich von der Säule fallen, könnte ich mich mit den Pegasus-Stiefeln vielleicht ans Ufer retten, bevor mich eines dieser Wassermonster erwischt.“ Als hätte es gespürt, dass über es gesprochen wurde, ließ eines der Reptilien sein knochiges Rückgrat die Wellen durchbrechen, während es unterhalb der Säule seine Runden zog und darauf hoffte, Link würde doch noch ins Wasser fallen. Schaudernd wandte dieser den Blick ab und zog sich erneut ein Stück nach vorn. Navi feuerte ihn unterdessen unermüdlich an: „Nur noch ein bisschen! Du hast es fast geschafft!“ Link lächelte dankbar zu ihr herüber, als plötzlich eine zweite, glockenhelle Stimme erklang: „Nicht nachlassen, Herr der Zeiten! Du bist fast da!“ Überrascht rissen die beiden Abenteurer die Köpfe herum und entdeckten die Feenweise, die wieder zu sich gekommen war und ihrem Retter zuwinkte. Anscheinend hatte er mit seinem mutigen Einsatz ihr Herz erobert. Dass ihr Haus zudem verschont geblieben war, tat sein Übriges zur guten Laune der Fee. Link lachte stumm in sich herein und zog sich mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen weiter vorwärts. Nur noch ein bisschen, dann konnte er sich endlich wieder auf die Suche nach Impa machen. Als er schließlich am anderen Ufer ankam, verlor er keine Zeit und trabte sogleich auf den Gang zu, der noch tiefer in den Tempel zu führen schien. Navi flog neben ihm und trug eine angespannte Miene zur Schau. Ihr Schützling vermochte jedoch nicht zu sagen, ob seine Begleiterin Angst um Impa hatte oder ob sie sich Sorgen um weitere Fallen machte. In dem Gang war es so dunkel, dass man kaum die eigene Hand vor Augen sah, und herabfallende Wassertropfen ließen eine schauerliche Melodie erklingen. Dennoch hielt Link unbeirrbar auf das flackernde Licht am anderen Ende zu. Impa brauchte ihn! Er hatte keine Zeit, um übervorsichtig zu sein. Glücklicherweise erwies sich der Korridor als vollkommen frei von jeglichen Stolpersteinen, sodass der junge Held schon nach wenigen Minuten wohlbehalten in dem nächsten Raum angelangte. Dieser war beinahe kreisrund und hatte hohe Decken, von denen jeder Schritt deutlich widerhallte. Das Auffälligste war jedoch das große Loch, das in seiner Mitte klaffte. Die beiden Abenteurer sahen sich aufmerksam um, konnten jedoch keinen weiteren Gang entdecken. Diese kleine Halle war anscheinend das innerste Zentrum des Schattentempels. „Ob Impa in dieses Loch gefallen ist?“ Navi schwebte über dem unendlich tief wirkenden Schacht und machte ein nachdenkliches Gesicht. Link trat ebenfalls an den Rand, ging in die Knie und zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne. „Hier ist sie jedenfalls ganz offensichtlich nicht.“ „Ob man so einen Sturz überleben kann?“ Die Stimme der Fee zitterte leicht, während sie erneut daran scheiterte die Fallhöhe zu schätzen. Ihr Schützling starrte stumm in die Tiefe und versuchte, den Boden unter ihm auszumachen. Hatte sich da gerade etwas bewegt? Ja, er war sich sicher einen vorbeihuschenden Schemen gesehen zu haben. Der Schattendämon! „Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.“ Ohne weiter darüber nachzudenken, was er da tat, ließ Link sich über die Kante fallen. Für ihn zählte in diesem Moment nur, dass er keine Sekunde verlieren durfte, sollte Impa sich tatsächlich hier unten beim Schattendämon befinden. Dass er sich soeben vielleicht in den sicheren Tod gestürzt hatte, war ihm kaum bewusst. Von Navis spitzem Schrei begleitet, raste er durch die Luft, wobei der Fallwind wütend an seinen Kleidern und Haaren riss. Der irgendwie pergamenten wirkende Boden kam rasend schnell näher und allmählich setzte sich bei dem Herrn der Zeiten die Erkenntnis durch, dass er ungebremst auf dem harten Untergrund aufschlagen würde. Das konnte niemand überleben! Panik ließ sein Herz in einem wilden Stakkato schlagen und er wünschte sich zum gefühlten tausendsten Mal, er könnte fliegen. Kurz bevor er auf dem Boden aufprallte, kniff er die Augen fest zusammen und verabschiedete sich in Gedanken von der Welt. Vor seinem geistigen Auge sah er noch einmal alle Personen, die ihm auf seiner langen Reise begegnet und wohlgesinnt gewesen waren. Als Letztes erschienen die Gesichter von Zelda und dem Deku-Baum und der Herr der Zeiten bat stumm: „Verzeiht mir, dass ich versagt habe.“ Kaum, dass er diesen Satz zu Ende gedacht hatte, berührten seine Füße auch schon den Boden. Sein ganzer Körper wurde schmerzhaft zusammengestaucht, sodass ihm die Luft aus den Lungen gedrückt wurde, doch dann gab der Untergrund plötzlich nach. Er bog sich weit nach unten, nur um sich dann schnell wieder gerade zu ziehen und den jungen Recken zurück in die Luft zu katapultieren. Dieser riss überrascht die Augen auf und staunte nicht schlecht, als er endlich verstand, was vor sich ging: Der vermeintliche Boden war nichts anderes als eine überraschend große Haut, die jemand über eine Art hohles Podest gespannt hatte, sodass eine überdimensionierte Trommel entstanden war. Rundherum ging es noch ein wenig in die Tiefe, aber der schwarzgeflieste, mit Wasser bedeckte Grund des Schachtes war bereits deutlich zu erkennen. Jedes Mal, wenn Link wieder auf das Trommelfell traf, ging ein wenig Energie auf das Instrument über, sodass der Rückstoß immer geringer wurde und der junge Held schließlich federnd zum Stehen kam. Wie aus dem Nichts tauchte Navi plötzlich neben ihm auf und ohrfeigte ihren Schützling mit aller Kraft, die sie ihren dünnen Armen abnötigen konnte. „Du dummer Idiot!“ Ihre Stimme überschlug sich vor Wut und klang ungewohnt schrill, während sie schimpfte wie ein Rohrspatz. „Was hast du dir bei dieser Aktion bloß gedacht?! Du hättest tot sein können!“ „Aber Impa–“ „Kein Aber! Wir hätten den Gang nach übersehenen Abzweigungen absuchen können! Aber nein! Du musst ja blindlings in das Loch springen! Bist du dir deiner Verantwortung überhaupt nicht bewusst, du… du… Kindskopf!?!“ Vermutlich hätte die aufgebrachte Fee noch mehrere Minuten lang gezetert, wenn nicht plötzlich das Trommelfell zu vibrieren begonnen hätte. Zunächst waren es nur leichte Schwingungen, doch schon bald wurden sie so stark, dass Link erneut in die Luft geschleudert wurde. „Was zum–“ Der Herr der Zeiten blickte sich irritiert um und auch seine Begleiterin verstummte abrupt und riss die Augen auf. In ihrer grüngoldenen Iriden spiegelten sich Überraschung und Angst. Zunächst konnte der Recke nichts erkennen, aber dann machte er endlich am Rand der Trommel ein seltsames Flackern in der Atmosphäre aus. Es erinnerte ihn irgendwie an die überhitzte, flirrende Luft über der sommerlichen Steppe und er kniff die Augen zusammen, um den Auslöser für dieses Phänomen besser erkennen zu können – jedoch ohne Erfolg. Navi, die das seltsame Schauspiel ebenfalls bemerkt hatte, legte nachdenklich die Stirn in Falten und versuchte, sich auf die Stimme des Tempels zu konzentrieren. Was konnten diese Luftverschiebungen nur bedeuten? Es war fast als würde man durch einen Vorhang aus Wasser gucken. „Das Auge der Wahrheit!“ Als ihr plötzlich die zündende Idee kam, platzte sie einfach damit heraus, ohne sich Gedanken darum zu machen, ob Link wohl verstand, auf was sie herauswollte. Glücklicherweise schaltete dieser sofort und zerrte das angesprochene Relikt so schnell wie möglich aus seinem Wunderbeutel. Kaum, dass er es sich vor Gesicht hielt, zuckte der schon bekannte weiße Blitz durch sein Sichtfeld, bevor sich seine Wahrnehmung schlagartig schärfte. Das Flirren klarte zunehmend auf, bis auf einmal ein riesiges Monster zu erkennen war. Es war in etwa so hoch wie ein Haus und seine Haut war von glänzenden, nachtschwarzen Schuppen überzogen. Sein Körper wirkte deformiert und bestand aus kaum mehr als einem langgezogenen, sich nach hinten verjüngenden Leib, kurzen Stummelarmen und einem riesigen, rotglühenden Augapfel, der wie ein Blütenkelch von spitzen, hervorstehenden Hautlappen umrahmt wurde. Was Link wirklich verstörte, waren jedoch die abgehackten Hände, die sich – obwohl sie offenbar jegliche Verbindung zu den Armen verloren hatten – noch immer bewegten als wären sie nie vom Körper abgetrennt worden. „Das muss die wahre Gestalt des Schattendämons sein!“ Der Herr der Zeiten stolperte rückwärts und wäre beinah gestürzt, als das Wesen eine seiner mächtigen Pranken auf das Trommelfell fallen ließ und dieses so heftig zum Schwingen brachte. Plötzlich wollte der junge Mann nur noch davonlaufen. Alles an diesem Monster strahlte etwas ungemein Gruseliges aus. Roch nicht sogar die Luft plötzlich nach Verwesung? „Schattendämon… Ihr Hylianer mit eurer beschränkten Sprache!“ Plötzlich hallte eine tiefe, schaurige Grabesstimme in Links Kopf wider. „Wer bist du? Was bist du?!“ Der verunsicherte Recke machte erneut einen Schritt zurück, obwohl ihm klar war, dass ihn das nicht vor der Stimme retten würde. Navi, die nichts gehört hatte, starrte ihn irritiert an und versuchte, sich einen Reim auf seinen Ausruf und sein knochenbleiches, verängstigtes Gesicht zu machen. Ein düster klingendes Lachen ertönte in Links Kopf. „Mein Name ist Bongo-Bongo. Aber weder dein Volk noch diese einfältigen Shiekah waren je in der Lage dazu seine wahre Bedeutung zu erfassen.“ „Was bedeutet er denn?“ Obwohl er sich nicht bewusst war, woher er diese Gewissheit nahm, war sich der Herr der Zeiten sicher, dass er dieses Wesen am besten so lange reden ließ wie möglich. Doch anstatt ihm eine brauchbare Antwort zu geben, lachte Bongo-Bongo nur erneut auf und versprach: „Ich werde es dir zeigen!“ Plötzlich wurde Links ganzer Körper von einer lähmenden Eiseskälte erfasst und all seine Muskeln krampften sich schmerzhaft zusammen. Selbst sein Herz machte ein paar stotternde Schläge und drohte stehenzubleiben, bevor es mit doppelter Intensität zu pochen begann. Der Herr der Zeiten war davon so abgelenkt, dass er beinah übersehen hätte, wie Bongo-Bongo mit einer seiner gigantischen Hände nach ihm schlug. Nur mit Glück schaffte der junge Mann es gerade noch, sich flach auf den Bauch fallen zu lassen, bevor ihn der Schlag treffen konnte. „Ich bin beeindruckt, kleiner Hylianer! Doch bilde dir nicht ein, dass du eine Chance gegen mich hast. Ich bin das Verderben, der Tod. Dein Tod!“ Mit einem weiteren, leicht irre klingenden Lachen ließ der Schattendämon seine geballte Faust auf Link hinabsausen. Dieser rollte sich geschwind aus der Gefahrenzone und rappelte sich fix wieder auf. Doch er stand kaum, als er bereits einen weiteren Sprung nach hinten machen musste, um einer erneuten Attacke auszuweichen. Er musste sich schnell etwas einfallen lassen, um Bongo-Bongo zu besiegen. Lange würde er dieses Tempo nicht durchhalten, so viel war sicher. „Sein Auge! Natürlich!“ Als der Held sich unter einem weiteren Schlag hinwegduckte und sein Blick auf die rotglühende Iris des Monsters fiel, wurde ihm schlagartig klar, wo der Schwachpunkt des Dämons lag. Ohne zu zögern riss er das Master-Schwert aus seiner Scheide und sprintete auf den gewaltigen Augapfel zu, wo er seine Klinge zischend durch die Luft wirbeln ließ. Anstatt Bongo-Bongo eine klaffende Wunde zuzufügen, traf die scharfe Schneide jedoch nur auf die mit dicken Schuppen verstärkten Hautlappen, die sich blitzschnell über dem Auge geschlossen hatten, und rutschte ab. Link presste grimmig die Lippen zusammen und dachte angestrengt nach, während das Schattenwesen ihn lachend verhöhnte: „Wozu machst du dir überhaupt die ganze Mühe, schwaches Menschlein? Du kannst mich nicht besiegen.“ Unterdessen schwebte Navi mit einem verwirrten Gesichtsausdruck in der Luft, rätselte über das scheinbar grundlose Herumspringen und Schwertfuchteln ihres Schützlings und fragte sich, ob er womöglich den Verstand verloren hatte. Als sie ihn schlussendlich darauf ansprach, ignorierte er sie völlig und holte stattdessen seinen Bogen hervor. Wollte er etwa auf sie schießen?! Erschrocken wich die Fee vor ihm zurück und starrte ihn panisch an. Mit einer schnellen, geübten Bewegung legte Link einen Pfeil ein und zielte – jedoch nicht auf seine Begleiterin, sondern scheinbar mitten ins Nichts. Navi runzelte noch irritierter als zuvor die Stirn. Ob sein merkwürdiges Verhalten mit etwas zusammenhing, das ihm das Auge der Wahrheit gezeigt hatte? Oder war es gar der Fluch, der nun doch noch zugeschlagen hatte? Sorge machte das Herz der Fee drückendschwer und ließ es ängstlich krampfen. Der Herr der Zeiten zog kraftvoll die Sehne zurück und betete stumm zu den Göttinnen, dass der Pfeil sein Ziel finden möge. Er war sich sicher, dass er hier mit derselben Taktik Erfolg haben würde wie damals bei Gohma. Bongo-Bongo würde sicherlich nicht in der Lage dazu sein, sein Auge vor einem derart schnell heransausenden Geschoss wie einem Pfeil zu schützen. Doch da er zum Spannen des Bogens beide Hände brauchte, konnte er sich nicht länger das Auge der Wahrheit vorhalten. Der Schattendämon war also wieder hinter der flirrenden Illusion verschwunden. Link konnte nur hoffen, dass er die Lage des Augapfels richtig schätzte und dass er den Pfeil auf seine Reise schicken konnte, bevor Bongo-Bongo ihn von den Beinen riss. Kaum, dass der Recke die Bogensehne losgelassen hatte, sauste der Pfeil zischend durch die Luft und durchschlug die Illusion, nur um dann im Nichts zu verschwinden. „Daneben!“, höhnte es keckernd hinter Links Stirn. Wütend über die Unverschämtheit des Monsters und fast wahnsinnig vor Angst schoss der am ganzen Leib zitternde Kämpfer eine ganze Schwadron Pfeile auf die flirrende Luft ab. Irgendein Pfeil musste doch sein Ziel treffen! Doch die einzige Reaktion, die Link für seinen Angriff erntete, waren Hohn und Spott: „Der Überlebenskampf von euch Sterblichen ist immer wieder überaus erheiternd. Nur zu, kleiner Hylianer, versuch ruhig noch einmal, mich zu treffen.“ Nein, so konnte es nicht klappen… Wenn Link weiterhin blind seine Pfeile verschoss, würde er bald keine mehr haben. Er musste sich etwas anderes einfallen lassen. Wenn es doch nur einen Weg gäbe, den Bogen zusammen mit dem Auge der Wahrheit einzusetzen… Da kam ihm plötzlich eine Idee! „Navi!“ Die Fee erschauerte leicht, als ihr Schützling ihren Namen rief. Hatte er sich in seinem vermeintlichen Wahnsinn nun doch noch an sie erinnert? Grübelnd auf der Unterlippe kauend musterte Navi den Herren der Zeiten aus sicherer Entfernung. Eigentlich wirkte er gar nicht irre. Sein Blick war klar und fest und er redete kein wirres Zeug. Ob er womöglich doch gegen einen für sie unsichtbaren Gegner kämpfte? „Ich bin hier oben. Was willst du denn?“ Zu ihrer eigenen Verärgerung zitterte ihre Stimme deutlich hörbar. Warum nur hatte sie plötzlich solch eine Angst vor Link? Sie kannte ihn seit er ein Kind war und hatte schon so vieles mit ihm zusammen erlebt. In all der Zeit hatte sie ihn stets nur sanftmütig und warmherzig kennen gelernt. Wieso nur glaubte sie plötzlich, er könnte ihr wehtun? „Komm her. Ich brauch deine Hilfe.“ Die Stimme des Hylianers klang aufrichtig und angespannt, so als wäre sein Anliegen wirklich dringlich. Dennoch zögerte seine Fee. Sie hatte das Gefühl an ihrem Aufenthaltsort festgeklebt oder erstarrt zu sein. Um ein wenig Zeit zu schinden, fragte sie: „Du wirst aber nicht auf mich schießen, oder?“ Der ängstliche Ton seiner Begleiterin ließ den Recken stutzen. Glaubte sie wirklich, er könnte ihr etwas antun wollen?! Wie konnte sie sich so etwas bloß vorstellen – nach allem, was sie gemeinsam durchgestanden hatten! Zornig rief er zurück: „Nur, wenn du nicht sofort hierherkommst!“ Ein gespenstisches Lachen jagte Link einen Schauer über den Rücken und er erinnerte sich daran, dass Navi ihn davor gewarnt hatte, die besondere Gefährlichkeit des Schattendämons ginge von seiner Fähigkeit aus, die Gedanken und Gefühle seiner Opfer manipulieren zu können. Hatte Bongo-Bongo von der Fee Besitz ergriffen und ihr eingeflüstert, ihr Schützling sei die Bedrohung? „Du Monster!“, fauchte der Kämpfer seinem Gegner entgegen und hielt sich wieder das Auge der Wahrheit vor, um sein Gegenüber klar zu sehen. Obwohl der Dämon keinen Mund und somit auch keine Lippen hatte, war Link sich sicher, das Schattenwesen würde ihn höhnisch angrinsen. Überhaupt schien alles an ihm sich über den Herrn der Zeiten lustig zu machen. Das Monster machte sich nicht einmal mehr die Mühe, nach ihm zu schlagen. Anscheinend wollte es ihm zeigen, dass es die von ihm ausgehende Bedrohung als so gering einstufte, dass es sie nicht ernst zu nehmen brauchte und ihn ausschalten musste. Ein zorniges Knurren drückte sich Links Kehle hinauf und er rief seiner Fee zu: „Lass dich von dem Schattendämon nicht ins Bockshorn jagen, Navi. Er manipuliert deine Gefühle! Ich werde dir nichts tun. Aber ich brauche deine Hilfe.“ Bongo-Bongo ließ erneut ein höhnisches Lachen erklingen und lobte ironisch: „Du bist klüger als du aussiehst. Das muss man dir lassen. Aber glaube ja nicht, dass dich das gegen mich bestehen lässt. Du kannst meinen Bann nicht brechen. Schwaches Menschlein.“ Während Link einen wütenden Blick auf das Monster warf und sich schwor, sich nicht von dessen Verunsicherungsversuchen beeindrucken zu lassen, blinzelte Navi irritiert und sah auf ihren Schützling herab. Er kämpfte dort unten mit dem Schattendämon?! Plötzlich ergab ihre merkwürdige Angst vor Link einen Sinn! Sie wollte sofort zu ihrem Begleiter hinabstürzen, aber neue Zweifel ließen sie erneut zögern. Was, wenn er log? Womöglich kämpfte er dort unten lediglich gegen Luft und wollte sie nur hereinlegen. Aber vielleicht sagte er ja doch die Wahrheit… Navis Gedanken überschlugen und verknoteten sich, bis die Fee das Gefühl hatte, ein riesiges, unentwirrbares Knäul in ihrem Kopf zu haben. Was sollte sie denken? Was glauben? Sie konnte auf einmal nicht mehr unterscheiden, was Wahrheit und was Lüge, was Gut und was Böse war. Licht und Schatten schienen ineinanderzulaufen, bis nur noch ein nichtssagendes Einheitsgrau zurückblieb. „Navi! Ich brauche dich!“ Link wurde von dem Zögern seiner Begleiterin zunehmend frustriert. Wie sollte er ihr bloß begreiflich machen, dass sie sich im Bann des Schattendämons befand? Vielleicht sollte er dem Monster gegen eine der gigantischen Hände treten, um ihr zu zeigen, dass er nicht halluzinierte und sich vor ihm wirklich ein Wesen aus Fleisch und Blut befand. Die Fee kämpfte unterdessen noch immer mit ihren Zweifeln. Sie hatte das Gefühl, allmählich selbst wahnsinnig zu werden, als Link auf einmal ausholte und gegen eine unsichtbare Wand zu treten schien. Im ersten Moment fragte Navi sich, ob er womöglich nur geschickt schauspielerte, doch dann wurde der junge Hylianer plötzlich von den Beinen gerissen und bis ans gegenüberliegende Ende der Trommel geschleudert. „Link!“ Schlagartig waren alle Zweifel und Befürchtungen vergessen. Alles, was die Fee in diesem Moment wahrnahm, war das hustende Keuchen und das gequälte Stöhnen ihres Schützlings, der sichtlich Mühe hatte, wieder auf die Füße zu kommen. Sofort eilte sie zu ihm herab und legte ihm eine Hand auf die Wange: „Alles in Ordnung?“ Dem Herrn der Zeiten lief ein dünnes Rinnsal Blut aus dem Mundwinkel und es fühlte sich an als wären ein paar Rippen gebrochen oder zumindest angeknackst. Bongo-Bongo hatte auf den Tritt mit einer fixen Handbewegung reagiert, die zu schnell für den Recken gewesen war. Er war von dem Schlag voll erwischt und durch die Luft geschleudert worden. Doch anscheinend hatte er sein Ziel dennoch erreicht: Navi war endlich wieder an seiner Seite und musterte ihn mit einem Blick, der völlig frei war von Angst oder Argwohn. In ihren glitzernden Iriden stand lediglich aufrichtige Sorge geschrieben, was Link ein schwaches Lächeln auf die Lippen zauberte. Der angeschlagene Recke quälte sich wieder auf die Füße und drückte seiner Fee das Auge der Wahrheit in die Hand. „Hier, halt mir das genau vors Gesicht. Ohne kann ich den Schattendämon nicht sehen, aber ich brauche beide Hände, um meinen Bogen zu spannen.“ Obwohl das Relikt so schwer war, dass es Navi beinah zu Boden zog, nickte diese nur. Sie wollte wieder gutmachen, dass sie an ihrem Freund gezweifelt hatte. Ein tiefes, durchdringendes Grollen erklang in Links Kopf: „Ich habe das Band zwischen euch unterschätzt, wie mir scheint. Aber das bedeutet gar nichts! Hörst du? Gar nichts!“ Bildete er es sich ein oder zitterte die Stimme des Monsters ein wenig? Hatte es nun womöglich doch Angst vor ihm? Mit einem kleinen Siegeslächeln legte Link einen weiteren Pfeil an, aber als er zielen wollte, schlug Bongo-Bongo hart auf das Trommelfell und katapultierte seinen Gegner so in die Luft. Doch anstatt sich davon beeindrucken zu lassen, ließ der Hylianer sein Geschoss von der Sehne schnellen. Zielsicher steuerte der Pfeil auf das dicke, rote Auge zu und bohrte sich tief in den Gelkörper. Der Schattendämon schrie heulend auf und schlug wild um sich, aber Link duckte sich geschickt unter den blind fuchtelnden Händen hinweg. Navi hatte unterdessen große Schwierigkeiten, ihm das Auge der Wahrheit vors Gesicht zu halten. Dennoch gelang es ihr irgendwie die Momente, in denen ihr Schützling auf die Kräfte des Relikts verzichten musste, gering zu halten. Trotz Bongo-Bongos Bemühungen, den Herrn der Zeiten zu erwischen, schoss dieser einen Pfeil nach dem anderen auf den inzwischen stark blutenden Augapfel des Monsters ab. Der Dämon versuchte immer wieder die schützenden Hautlappen zu schließen, doch die hervorstehenden Pfeilschafte ließen dies nicht zu. Als ihm schließlich die Munition ausging, ließ Link seinen Bogen achtlos fallen und zog erneut das Master-Schwert, um es seinem Gegner bis zum Heft in seine Schwachstelle zu treiben. Mit einem wilden Kampfschrei stürzte er sich auf das schon stark geschwächt wirkende Schattenwesen – nur um nach wenigen Metern abrupt anzuhalten. Wie aus dem Nichts war plötzlich Impa vor dem geschundenen Augapfel des Monsters aufgetaucht und herrschte den Recken wütend an: „Was tust du denn, Dummkopf?!“ Link, der sich angesichts des harschen Tons sofort wieder wie ein Kind fühlte, kam stolpernd zum Stehen und ließ die erhobene Klinge sinken, bevor er die Shiekah noch versehentlich verletzte. „Ich verstehe nicht, was du meinst. Der Schattendämon ist das Böse. Ich muss ihn bekämpfen.“ „Ahnungsloser Tor!“ Impas Stimme war schneidend und eisig und traf Link bis ins Mark – erinnerte sie ihn doch an den Tonfall, den Mido früher so oft angeschlagen hatte, wenn er den feenlosen Außenseiter des Dorfes vor allen anderen gedemütigt und für eine Kleinigkeit angeprangert hatte. Navi legte irritiert die Stirn in Falten und sah sich suchend um. Mit wem sprach Link bloß? Und warum hatte er seinen Angriff abgebrochen? Als ihr eine mögliche Erklärung einfiel, rief sie sofort: „Lass dich nicht in die Irre führen! Wen auch immer der Schattendämon dir zeigt, es ist nur eine Illusion!“ Doch ihre Warnung kam bereits zu spät. Bongo-Bongo erwischte den abgelenkten Kämpfer mit der Faust und schleuderte ihn mit solch einer Wucht durch die Luft, dass er auch nach dem Aufprall noch einige Meter über den Boden rollte und sich mehrfach überschlug. Das Master-Schwert schrammte über das Trommelfell, rutschte über die Kante und fiel mit einem leisen Platschen ins Wasser. „Au…“ Link wand sich stöhnend und würgte einen Schwall dickflüssigen Blutes hervor. Er war sich sicher, irgendeines seiner Organe musste beschädigt sein. Vielleicht hatte er einen Milzriss oder eine Zwerchfellquetschung. Jedenfalls waren die Schmerzen beinah unerträglich. Dass Bongo-Bongo zu allem Übel auch noch mit den Fingern auf dem Trommelrand einen schnellen Takt anschlug und ihn auf diese Weise durchschüttelte, machte es dem verletzten Kämpfer auch nicht einfacher wieder auf die Beine zu kommen. Navi ließ sich neben seinem Gesicht nieder und feuerte ihn an: „Du schaffst es, Link! Das Vieh ist doch schon fast besiegt. Beiß die Zähne zusammen und steh auf.“ Der Hylianer nickte und versuchte, sich aufzuraffen, aber ein reißender Schmerz in seinem Inneren ließ ihn wieder zusammenbrechen. „Ich kann nicht… Ich kann es wirklich nicht.“ „Aber du musst!“ Panik und Sorge ließen Navis Stimme schrill klingen und ihr Blick huschte unruhig hin und her. Sie musste sich etwas einfallen lassen, um ihrem Schützling etwas Zeit zu verschaffen. Dann würde er sicher wieder aufstehen können. Doch was konnte sie tun? Sie konnte Bongo-Bongo ja nicht einmal sehen. Womöglich schwebte seine Hand bereits über ihnen und würde sie jeden Moment zermalmen. Plötzlich schoss ein kleiner, rosafarbener Lichtball auf die beiden Abenteurer zu. Im ersten Moment wollte Link danach schlagen, um ihn abzuwehren, aber dann erkannte er die Feenweise von zuvor. Auch Navi wurde von plötzlicher Erkenntnis erfasst und keuchte überrascht: „Was machst du denn hier? Mach, dass du wegkommst. Hier ist es gefährlich!“ Ohne ihre Artgenossin zu beachten, wandte sich die alte Fee an Link: „Ich habe Kampfgeräusche gehört und dachte mir, ich könnte hier vielleicht gebraucht werden. Wie ich sehe, lag ich damit vollkommen richtig.“ Mit diesen Worten legte sie Link eine Hand auf die Stirn und senkte die Lider, um sich auf den Heilzauber zu konzentrieren. Sofort wurde das heftige Ziehen und Reißen im Oberkörper des jungen Helden merklich schwächer. „Navi, schnell, gib mir das Auge der Wahrheit.“ Der Herr der Zeiten streckte die Hand aus und ließ sich das mächtige Relikt aushändigen, um es sich sofort vors Gesicht zu halten. Bongo-Bongo kam langsam näher, wobei er eine rote Blutspur hinterließ. Offenbar war er wirklich schwer angeschlagen und machte nun bitteren Ernst. Kaum, dass er in Reichweite war, hob er eine Faust und ließ sie auf seinen Angreifer und die beiden Feen niedersausen. „Weg hier!“ Link stieß die Feenweise von sich und brachte sich mit einer Rolle aus der Gefahrenzone. Dank des Heilzaubers verspürte er dabei kaum noch Schmerzen, nur noch ein leichtes Stechen unter den rechten Rippenbögen. Leider war die zu seiner Rettung herbeigeeilte Fee nicht schnell genug gewesen… Die Hand des Schattendämons hatte sie erwischt und auf dem Trommelfell zerquetscht, wo ihr Glanz mit einigem Flackern erlosch. Ohnmächtige Wut stieg in dem Recken auf, doch ohne sein Schwert konnte er nichts ausrichten. Er musste zuerst seine heilige Waffe wiederfinden, bevor er Rache nehmen konnte. Das heftige Vibrieren der straff gespannten Haut unter seinen Füßen verriet, dass Bongo-Bongo immer näher kam. Link suchte den Bereich rund um die Trommel mit den Augen ab. Irgendwo hier musste das Schwert heruntergefallen sein! Sein Blick huschte geradezu panisch umher, bis er an einem im Wasser treibenden, menschlichen Körper hängenblieb. Obwohl die Person auf dem Bauch lag, erkannte der junge Held sofort, dass es sich um Impa handelte. Ohne zu zögern schwang sich der Herr der Zeiten über den Trommelrand und watete durchs kniehohe Wasser auf Zeldas Gouvernante zu. Zwar wusste er tief in sich drin, dass die Shiekah bereits tot war, aber er sich davon überzeugen, dass sie wirklich nicht mehr zu retten war. Ein schleimiger Film überzog Impas schneeweiße Haut und ihr Kopf hing in einem unnatürlichen Winkel nach hinten, als Link sie umdrehte und ihren Oberkörper anhob. Offenbar hatte der Schattendämon ihr das Genick gebrochen. Ein Schleier aus Tränen verhängte Links Sicht und er hätte am liebsten laut aufgeschrien, aber kein Laut wagte sich über seine zusammengenähten Lippen. Navi strich ihm tröstend über die Wange und murmelte beruhigende Worte in der Sprache der Feen. Ihr war bewusst, dass ihr Schützling nichts verstand, doch er hörte vermutlich sowieso nicht hin. Wahrscheinlich war er viel zu sehr damit beschäftigt, sich Vorwürfe zu machen, weil er nicht schnell genug gewesen war. Navi wünschte, sie hätte irgendwas tun können, um sein Gewissen zu erleichtern, doch in dieser Beziehung war Link sturer als ein Esel. Als er nach einem langen Moment seine feuchten Augen auf sie richtete, versuchte die Fee aufmunternd zu lächeln und sagte: „Ich hab dein Schwert gefunden.“ Nickend legte Link Impas Leiche ab und schritt wortlos in die gezeigte Richtung davon. Die Zärtlichkeit und Vorsicht, die er beim Umgang mit Impas totem Körper zeigte, schnürte Navi das Herz ab. Sobald er das Master-Schwert aufgehoben hatte, sprang der Recke an der Trommel nach oben und zog sich keuchend über den Rand. Das Auge der Wahrheit, das er noch immer mit der rechten Hand umklammerte, hielt er sich dabei stets vors Gesicht, um nicht von Bongo-Bongo überrascht zu werden. Dieser schlug sofort nach Link, als er bemerkte, dass der Hylianer wieder zum Angriff überging. Immer wieder sausten die mächtigen Fäuste durch die Luft, aber der Herr der Zeiten schaffte es stets, ihnen knapp auszuweichen, während er auf den Augapfel des Schattendämons zu rannte. Der Anblick von Impas Leiche hatte den jungen Mann mit Hass erfüllt und ihm neue Kraft verliehen. Alles, was er in diesem Moment wollte, war Bongo-Bongo zu töten. Kaum, dass er in Schlagweite war, riss Link seine heilige Waffe in die Höhe, stieß sich von dem federnden Untergrund ab und rammte dem Monster die Klinge mit der Wucht seines vollen Körpergewichts ins Auge. Der Dämon fauchte schmerzerfüllt auf und versuchte, seinen Angreifer abzuschütteln, aber dieser krallte sich an einem der hervorstehenden Hautlappen fest. „Verreck, du Biest!“ Von rasendem Zorn getrieben, schlug der Herr der Zeiten immer wieder zu. Blut und Gewebe spritzten aus den Wunden und bedeckten Links Gesicht, seine Hände und Arme, doch das nahm er kaum wahr. Nur ganz langsam registrierte er, dass der Schattendämon seine letzten, röchelnden Atemzüge tat und sich bereits aufzulösen begann. Seine Rachegelüste hatten ihn zu einem wilden Berserker gemacht! Als hätte er sich plötzlich verbrannt wich Link von dem sterbenden Monster zurück und beobachtete dessen Ende aus sicherer Entfernung. Der Schattendämon hatte sich bereits fast vollständig in eine Rauchsäule verwandelt, als plötzlich ein lilafarbenes Licht erstrahlte und den ganzen Raum mit seinem Glanz erfüllte. Geblendet blinzelten Link und Navi, die sich inzwischen auf seiner Schulter niedergelassen hatte, gegen die intensive Helligkeit an. „Du hast den Fluch auf dem Schattentempel gebrochen. Ich danke dir.“ Vor Überraschung klappte Link der Mund auf. Konnte das sein?! Oder hatte er sich verhört und glaubte nur, die Stimme wiederzuerkennen? „Impa? Bist du das?“ Mit zu Schlitzen verengten Augen versuchte der Hylianer, etwas im Inneren der auf ihn zu schwebenden Lichtkugel zu erkennen. „Allerdings. Überrascht dich das?“ Die Gouvernante klang amüsiert und überhaupt nicht ärgerlich darüber, dass Link sie hatte sterben lassen, was ihm einen Stein vom Herzen fallen ließ. Bevor er etwas antworten konnte, war es jedoch Navi, die das Wort ergriff: „Nein. Eigentlich war es total logisch!“ Verblüfft warf ihr Schützling ihr einen Seitenblick zu: „Ach ja? Warum?“ Das Gesicht der Fee glühte förmlich, als sie aufgeregt die ihr gerade gekommene Erkenntnis verkündete: „Denk doch mal nach! Rauru war Hylianer, Salia Kokiri, Darunia Gorone und Ruto Zora. Anscheinend ist jedes Volk im Kreis der Weisen vertreten.“ „Das bedeutet, einer der zwei noch fehlenden Weisen ist ein Gerudo“, schlussfolgerte Link. Impa, die inzwischen ihr Astral-Ich angenommen hatte, nickte wohlwollend und wollte etwas sagen, doch der Herr der Zeiten überlegte weiter: „Aber was ist mit dem Zweiten? Gibt es noch ein Volk, das vielleicht nur in Vergessenheit geraten ist?“ „Du wirst es früh genug herausfinden, Link. Jetzt ist nicht die Zeit, um darüber zu grübeln.“ Die Weise der Schatten deutete auf ein Loch in der Wand in etwa fünfzig Metern Entfernung. „Dort hinten wirst du einen Zugang zu dem unterirdischen Fluss finden, der das Wassersystem des Tempels speist. Mein Boot liegt dort vor Anker. Du kannst es nehmen, um nach draußen zu gelangen. Ich habe nun keine Verwendung mehr dafür.“ Link nickte folgsam und erntete dafür erneut ein breites Lächeln vom Impa. „Als du damals als Junge vor mir standst, hatte ich Zweifel, ob du deiner Aufgabe gewachsen sein würdest. Doch nun bist du zu einem stolzen Helden geworden, der den Beschreibungen in den Legenden in nichts nachsteht. Du solltest stolz auf dich sein.“ Mit diesen Worten wollte die Weise der Schatten sich auf den Weg ins Heilige Reich machen, aber Links Stimme hielt sie noch einmal zurück: „Wie geht es Zelda? Ist sie noch am Leben? Ist sie in Sicherheit?“ Wohlige Wärme breitete sich im Herzen der Shiekah aus, als sie antwortete: „Du wirst dich schon bald selbst davon überzeugen können.“ Im ersten Moment wirkte der junge Hylianer konsterniert, doch dann machte sich ein breites Lächeln auf seinen blassen Lippen breit und er wandte sich ohne ein weiteres Wort ab, um den Ausgang aus dem Schattentempel zu suchen. Impa blickte ihm noch ein wenig hinterher, dann zog auch sie sich zufrieden zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)