Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 34: Auf dem Trockenen ----------------------------- „Shiek hat gesagt, ich solle es einfach draufkippen, oder?“ Link stand neben dem rot schimmernden Eisklotz, der den Regenten der Zoras einschloss, und warf Navi, die auf einem Ziergeländer hinter dem Thron balancierte, einen fragenden Blick zu. „Ja, das stimmt. Aber jetzt frag mich nicht, ob es einen Unterschied macht, ob du das Feuer von oben, mittig oder ganz unten drauf kippst. Ich habe keine Ahnung.“ Unschlüssig kaute der junge Hylianer auf der Unterlippe und grübelte weiter. Schon seit fast zehn Minuten dachte er darüber nach, wo er die mit der blauen Flamme gefüllte Flasche, die er in der Hand hielt, am besten entleerte. Vom Deku-Baum hatte er gelernt, dass Feuer immer von unten nach oben brannte und man deswegen ein Lagerfeuer immer am untersten Ende entzünden sollte. Doch wie verhielt es sich mit dieser blauen Flamme? Sie brauchte anscheinend gar nichts, um zu brennen. Würde es sich auch wider die Naturgesetze über das gesamte Eis ausbreiten, wenn er es einfach irgendwohin kippen würde? „Jetzt entscheid dich endlich! Wir haben nicht ewig Zeit!“ Navi klang allmählich ernsthaft ungehalten. Link seufzte und zuckte mit den Schultern. „Du hast ja Recht. Und wenn es schief geht, holen wir uns einfach neues blaues Feuer. Jetzt wissen wir ja, wo es ist.“ Als er die einfache Glasflasche entkorkte und sie auf etwa Schulterhöhe hielt, zitterten seine Hände. Ob dies Auswirkungen der Kälte oder der Nervosität waren, vermochte er jedoch selbst nicht zu sagen. Mit einer schnellen Drehung des Handgelenks, kippte er die Flasche auf den Kopf, während er leise vor sich hin murmelte und die Göttinnen darum bat, nicht wieder in die Eishöhle zurück zu müssen. Mehrere Herzschläge lang tat sich gar nichts und Link hatte bereits das Bedürfnis der Flamme durch kräftiges Klopfen auf den Flaschenboden ein wenig auf die Sprünge zu helfen, als es sich dann doch endlich in Bewegung setzte. Zäh und langsam wie klebriger Honig rollte das blaue Feuer durch den breiten Flaschenhals und hing für kurze Zeit wie süßer Ahornsirup am Ausguss, bevor es schwer auf das Gefängnis des Zoras tropfte. Als die Flamme das rote Eis berührte, begann es fast augenblicklich laut zu zischen und rötliche Dampfschwaden stiegen in feinen Säulen auf gen Saaldecke. Zu Links Erstaunen verbreitete sich das blaue Feuer mit einer Geschwindigkeit, als wäre König Zora lediglich in rotes Pergament eingeschlossen, aber nicht in mehrere Zentimeter dickes Eis. Nach nur wenigen Sekunden kündigte ein lautes Knacken davon, dass das Gefängnis des fischigen Regenten erste Risse bekam, und nur etwa einen Herzschlag später durchbrach der Gefangene das Eis mit dem rechten Arm. Danach dauerte es nur noch wenige Atemzüge, dann war das rote Feuer komplett geschmolzen und mit ihm hatte sich auch das blaue Feuer rückstandslos aufgelöst. Link war von diesem Naturschauspiel derart fasziniert, dass er völlig vergaß, dass gerade dies ein kritischer Moment war. Erst, als Navis gereizte Stimme an seine Ohren drang, erinnerte er sich an die kleine Phiole in seinem Beutel. „Willst du, dass der König der Zoras erfriert, du Trottel? Die Göttinnentränen, Link! Schnell!“ „Ja! Natürlich! Sofort...“ Schnell griff der Herr der Zeiten in seinen von den Feen verzauberten Lederbeutel und zog die kleine Ampulle aus dünnwandigem Glas heraus. Die goldene Flüssigkeit darin schwappte sachte hin und her, wobei sie karamellfarbene Schliere auf der Innenwand der Phiole hinterließ. „Hier, König Zora, trinkt dies. Es wird Euch vor der Kälte schützen.“ Link streckte den Arm aus und hielt dem wie Espenlaub zitternden Zora das kleine, kunstvoll gearbeitete Fläschchen entgegen, das wie ein Lilienkelch geformt war. Als das mächtige Fischwesen die kleine Phiole annahm und sie zu seinen Lippen führte, hielten Link und Navi ihre Hände schützend darunter, um die zerbrechliche Ampulle auffangen zu können, falls der Zora sie mit seinen zitternden Fingern fallenlassen würde. Doch wenige Augenblicke später war die kostbare Flüssigkeit gänzlich im Magen des Fischwesens verschwunden und das Zittern des Zora-Regenten nahm merklich ab, während er seine beiden Besucher mit einem dankbaren Blick bedachte. „Habt Dank, ihr edlen Recken. Es war sehr umsichtig von euch, an die Göttinnentränen zu denken. Wir Zoras reagieren äußerst empfindlich auf kalte Temperaturen.“ „Wer reagiert nicht empfindlich auf diese Schweinekälte?“, murmelte Link, doch dann blickte er dem König der Zoras fest in die Augen. „Euer Dank ehrt uns, doch er gebührt uns nicht. Ein junger Shiekah hat die Göttinnentränen für Euch besorgt.“ Bei der Erwähnung Shieks huschte ein eigenartig hintergründiges Lächeln über das aufgedunsen wirkende Gesicht des fettleibigen Regenten, was Navi missbilligend und verwirrt zur Kenntnis nahm. Was hatte König Zora mit Shiek zu schaffen? „Ja, dies ist mir bekannt. Das rote Eis mag mich zur Bewegungslosigkeit verdammt haben, doch ich habe dennoch alles um mich herum wahrgenommen“, erklärte der Regent. Schaudernd dachte Navi daran, wie sie gesehen hatte, dass der Zora im Eis geblinzelt und sie damit fast zu Tode erschreckt hatte. „Deshalb ist mir ebenfalls bekannt, dass Ihr Euch in die Eishöhle begeben habt, um mich von dem roten Eis zu befreien. Und auch wenn der Shiekah die Göttinnentränen beschafft haben mag, so ward doch Ihr es, die mich befreit und mir die wertvolle Flüssigkeit ausgehändigt habt.“ Verlegen kreiste Link mit den Schultern, so als müsste er den Dank des Zoras möglichst schnell wieder von sich schütteln. „Das war doch keine große Sache. Ich nehme mal an, das sind einfach die Dinge, die man als Herr der Zeiten zu erledigen hat.“ König Zora hob eine seiner schuppigen Augenbrauen, während Navi verschlagen grinste und Link ein wenig gegen die Wange knuffte. „Heißt es nicht immer, Helden würden alle Gefahren überstehen, die bösen Monster besiegen und dafür dann die wunderschöne, frisch gerettete Prinzessin heiraten? Also, wenn der da deine Prinzessin ist, bist du ganz schön angeschmiert.“ Link wurde angesichts der im Scherz implizierten Beleidigung gegen den Zora-Regenten kreidebleich und rechnete jeden Moment mit einem Wutausbruch des Zoras, aber dieser erblasste ebenfalls und patschte sich seine flossenartigen Hände ins schwabbelige Gesicht. „Prinzessin Ruto! Oh, meine geliebte, wunderschöne Tochter!“ Der Schmerz und die Trauer in seiner Stimme erweichten sogar Navi, die ihre forsche Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag, herunterschluckte. Link machte ein besorgtes Gesicht und blickte das riesige Fischwesen an, als wäre es ein kleiner Junge, dem sein liebstes Haustier entlaufen ist. „Vielleicht konnte Ruto auch von Lord Jabu-Jabus Zauber gerettet werden oder sie ist gar nicht hier gewe–“ Bevor der junge Hylianer seinen Satz beenden konnte, fiel ihm der tiefe Bass des Zora-Regenten ins Wort: „Natürlich war sie hier! Doch dieser Shiekah hat sie retten können. Ich bin mir sicher, meine tapfere Tochter ist in den Wassertempel geeilt, um unser Reich zu retten. Findet sie. Ich bitte Euch!“ Die Stimme des riesigen Fischwesens bebte vor Sorge und seine trübblauen Augen schienen bis zu den Grundfesten von Links Seele blicken zu wollen. Der junge Held kratzte sich am Hinterkopf und erinnerte sich mit einem Schmunzeln an Rutos dickköpfiges Verhalten, während ihres gemeinsamen Abenteuers vor sieben Jahren. Ja, sich kopfüber in Gefahr zu stürzen und wahrscheinlich völlig unbewaffnet durch einen vermutlich von wilden Monstern bevölkerten Tempel zu streifen, sah ihr definitiv ähnlich. Navi landete auf seiner Schulter und krabbelte so nah an sein Ohr heran, dass ihn ihre feinen Haare kitzelten, er sie jedoch auch verstehen konnte, wenn sie flüsterte. „Shiek hat doch vorhin auch etwas vom Wassertempel gesagt. Erinnerst du dich?“ Link nickte stumm, während er an den verträumten Blick des Shiekahs dachte, der mit so viel Leidenschaft das kleine Gedicht über die Macht des Wassers vorgetragen hatte. „Vielleicht“, fuhr die Fee fort, „sollten wir unserem Übervater hier den Gefallen tun und Ausschau nach seiner rebellischen Tochter halten, während wir im Tempel nach dem nächsten Weisen suchen, und ordentlich abkassieren…“ Link warf ihr einen entsetzten Seitenblick zu, den sie mit einem unschuldigen Lächeln beantwortete. Irgendeiner von ihnen musste doch praktisch denken und wenn sie sowieso vorhatten, in den Tempel zu gehen, wäre es blöd, eine mögliche Belohnung des Zora-Regenten auszuschlagen… Link hingegen schüttelte nur missbilligend den Kopf und wandte seine Aufmerksamkeit wieder König Zora zu, der ihn noch immer mit bangem Blick anstarrte. „Wir hatten eh geplant, in den Wassertempel zu gehen. Möglicherweise hält sich dort einer der sieben Weisen auf, deren Hilfe ich brauchen werde, wenn ich mich gegen Ganondorf stellen will. Die Suche nach dem Weisen wird also Vorrang haben, aber ich werde die Augen offen halten. Doch erlaubt mir eine Frage: Warum glaubt Ihr, dass Prinzessin Ruto in den Wasserpalast gegangen sein könnte?“ Etwa einen Herzschlag lang betrachtete König Zora den jungen Mann, als hätte er gefragt, ob es wehtue, wenn man den Kopf mit voller Wucht gegen die Wand schlägt. Doch dann fing der Regent sich wieder und erklärte mit ruhiger Stimme: „Ich bin mir sicher, unsere tapfere Prinzessin würde alles tun, um ihrem Volk zu helfen.“ Navi rollte mit den Augen. „Ja, blabla, das habt Ihr bereits gesagt. Aber warum sollte sie das ausgerechnet im Wassertempel versuchen?“ König Zora verengte die runden Augen zu schmalen Schlitzen und Link war sich sicher, dass der Regent Navi aus dem Raum hätte entfernen lassen, wären seine Wachen anwesend gewesen. Dieser Verdacht verstärkte sich noch, als der Zora bei seiner Antwort ausschließlich den jungen Hylianer vor sich ansah. „Der Tempel wurde zu Ehren unserer Schutzgötter errichtet und noch heute werden die großen Opferfeiern und Messen dort abgehalten. Und zu wem sollte man in einer solchen Krise beten, wenn nicht zu Nayru und ihrem Gefolge?“ Link zog die rechte Augenbraue in die Höhe und überlegte, ob der Zora-Regent gerade Din und Farore als Nayrus Gefolge bezeichnet hatte und wie die beiden Göttinnen darauf wohl reagieren mochten. Doch als er den Mund wieder aufmachte, kam etwas anderes heraus: „Alles klar. Wir werden nach Prinzessin Ruto Ausschau halten und sie aus dem Tempel begleiten, falls wir sie finden.“ Der Herr der Zeiten wollte sich bereits abwenden, als ihn König Zora noch einmal zurückhielt: „Habt Dank, edler Held. Doch so kann ich Euch noch nicht gehen lassen.“ Link blinzelte irritiert und zog verwirrt die Stirn kraus. „Warum nicht?“ „Der Tempel befindet sich im Hylia-See.“ „Ihr meint wohl am Hylia-See“, korrigierte Link lächelnd, der die Aussage des Zoras lediglich für eine Ortsangabe hielt, aber nicht als Hinweis verstand. Der Regent schüttelte seinen gewaltigen Kopf und verzog den Mund. Er konnte es nicht leiden, wenn man ihn verbesserte. „Nein, er befindet sich tatsächlich im Hylia-See. Deshalb sind große Teile des Gebäudes überflutet. Und darum könnt Ihr so noch nicht gehen. Eure Kleidung ist nicht angemessen.“ „Bitte?!“ Link, der glaubte, wieder einmal eine modische Lektion zu bekommen, riss ungläubig die Augen auf und fragte sich, was das eine mit dem anderen zu tun haben sollte. „Kehrt in unseren Laden ein, bevor Ihr geht. Ich bin mir sicher, dass Ihr dort in der Auslage eine Zora-Rüstung finden werdet, die Euch passt.“ „Öhm... danke...“ Die Verunsicherung in Links Stimme ließ den Zora-Regenten schmunzeln. „Sie erlaubt Euch, unter Wasser zu atmen und wird Euch deshalb im Wassertempel gute Dienste leisten.“ „Ich kann damit unter Wasser atmen?“ Link gab sich nicht einmal Mühe, seinen Unglauben zu verstecken. Auch Navi machte ein wenig überzeugtes Gesicht, obwohl sie einräumen musste, schon einmal etwas von den sagenhaften Fähigkeiten der Zora-Rüstung gehört zu haben. König Zora nickte mit einem stolzen Glänzen in den Augen. „Das ist korrekt. Doch ich kann Euch leider nicht verraten, wie dieses Wunder funktioniert. Das ist ein Geheimnis der Zoras.“ Link grübelte für einige Momente, ob er genauer nachhaken sollte, entschied sich aber dagegen. Wenn er Ganondorf erst einmal besiegt hatte, hatte er alle Zeit der Welt, um sich mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen. Also nickte er König Zora nur einmal kurz zu und wandte sich dann der Treppe zu, um den zuvor erwähnten Laden zu suchen. Als Link wenig später über die Schwelle zum Laden trat, der in der Nähe des künstlich angelegten Felsstrandes am Wasserbassin gelegen war, zerbrach laut knirschend ein etwas größerer Eiskristall unter seinen Sohlen, was Navi erschrocken zusammenzucken ließ. Ein wenig verstimmt deutete sie auf ein breites Holzregal, das sich hinter dem niedrigen Verkaufstresen an die Ladenwand schmiegte. „Vermutlich finden wir die Zora-Rüstung irgendwo unter diesem Gerümpel…“ Link verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln und stupste seine Fee mit dem Zeigefinger an. „Jetzt sei doch nicht immer so mies gelaunt...“ Sie streckte ihm die Zunge heraus und grinste frech zurück. „Na, irgendeiner muss doch aufpassen, dass du nicht noch irgendwann glaubst, auf einem Sonntagsausflug zu sein.“ Der junge Hylianer stöhnte leise auf und verdrehte die Augen, bevor er das Regal genauer in Augenschein nahm. Neben kleinen, blaugeschuppten Opferfischen, die nun in einem glitzernden, viereckigen Eisklotz steckten, lagen einige trockene Äste und Zweige, die man als Fackeln benutzen konnte, auf den Regalbrettern. Des Weiteren entdeckte Link die dicken, rosafarbenen Nüsse des Deku-Baums, aus deren Inneren angeblich das Pulver gewonnen wurde, das die Shiekah in ihre ominösen Lederbeutel füllten. Es hieß, schon eine einzelne, unbehandelte Nuss würde einen blendenden Lichtblitz erzeugen, wenn sie geöffnet wurde. Zwischen diesem mehr oder weniger nutzlosen Plunder fand Link aber außerdem noch einige Bomben und Pfeile, was ihn sich unsicher umblicken ließ. Navi zog die Augenbrauen zusammen und beobachtete ihn ein wenig irritiert, bis sie von ihrer Neugierde übermannt wurde. „Sag mal, hast du irgendwelche Krämpfe oder warum hampelst du hier so rum?“ Der verunsichert wirkende Herr der Zeiten schüttelte stumm den Kopf und beugte sich so nah zu seiner Fee herunter, dass sein Atem ihre Wange streifte, als er flüsterte: „Siehst du die Pfeile und Bomben da?“ Verwirrt schielte Navi um ihn herum und betrachtete die in den Regalfächern liegenden Waren. „Klar. Aber na und?“ „Psst! Nicht so laut!“ Link warf einen beunruhigten Blick über die Schulter und schien aus dem Raum hinauszuhorchen. Für einen Moment blickte Navi ihn aus großen Augen an, doch als der Groschen endlich fiel, breitete sich ein verschlagenes Grinsen auf ihrem Gesicht aus. „Steck sie einfach ein.“ Link wurde kalkweiß und schlug blind nach ihr in die Luft, während er sich geradezu panisch umguckte. „Nicht so laut, Navi!“ Die Fee rollte genervt mit den Augen und seufzte. „Warum nicht? Es kann uns eh niemand hören. Hier ist außer uns niemand, der nicht von meterdickem Eis bedeckt ist.“ Nach Luft schnappend ließ Link den Pfeil sinken, den er nervös zwischen den Fingern gedreht hatte. „Daran hab ich ja noch gar nicht gedacht!“ „Daran, dass wir hier theoretisch tun und lassen könnten, was wir wollen?“, versuchte Navi seine Gedanken zu erraten, aber der junge Hylianer blinzelte sie verwirrt an und verzog dann beinah ärgerlich das Gesicht. „Quatsch! Mir kam nur gerade der Gedanke, dass die Zoras diese Eishölle niemals überlebt haben können. Das ist schrecklich! Ein ganzes Volk ausgerottet, einfach so!“ Navi schüttelte den Kopf und betrachtete den Pfeil, der locker in Links Hand lag. Die Spitze war nicht aus Silber, sondern nur aus mehrfach geschmiedetem Stahl und auch die Feder am Ende des etwa unterarmlangen Geschosses war bei weitem nicht so edel wie bei den Pfeilen, die Link im Waldtempel gefunden hatte, aber dennoch war der Pfeil von ausgesuchter Qualität. „Ich würde die Zoras nicht so schnell aufgeben“, entgegnete die Fee bestimmt. „Sie sind extrem zäh und außerdem heißt es, sie könnten in eine Art Starre verfallen, in der sie zwar wie tot wirken, aber einige Zeit auch unter widrigsten Bedingungen überleben können.“ Link verstaute alle Bomben und Pfeile, die er finden konnte, in seinem Lederbeutel und machte sich dann daran, das restliche Sortiment zu sondieren. „Dann sollten wir hoffen, dass ich Ganondorf besiegen kann, bevor der letzte Zora erfroren ist“, murmelte er, während er an einer merkwürdig grünen, seltsamerweise nicht gefrorenen Flüssigkeit roch, die in einem kunstvoll bemalten Topf aufbewahrt wurde und eher giftig als genießbar wirkte. Navi zog die Unterlippe zwischen die Zähne und stolzierte grübelnd über die Ladentheke. „Vielleicht musst du Ganondorf gar nicht schlagen, um die Zoras zu retten.“ Link, der vor dem Regal gekniet hatte, stand bei dieser Überlegung ruckartig auf, wobei er sich den Kopf an einem der Bretter anstieß, und fluchte leise. „Vielleicht ist es wie bei den anderen Tempeln.“ Navi legte den Zeigefinger der rechten Hand über ihre Lippen und starrte in eine Ladenecke, ohne wirklich etwas zu sehen. Der Herr der Zeiten rieb sich über die schmerzende Beule und warf ihr einen kurzen Blick zu. „Was meinst du damit?“ „Nun ja, nachdem du den Fluch gebrochen hattest, der auf dem Waldtempel gelegen hatte, verschwanden die Monster aus dem Kokiri-Dorf. Und nach deinem Kampf gegen Volvagia hat sich auch etwas getan.“ Irritiert zog der junge Hylianer die Stirn kraus. „Ach ja? Was denn?“ Navi seufzte theatralisch und schüttelte den Kopf. „Das ist ja wieder mal so typisch, dass dir das nicht aufgefallen ist. Nach Volvagias Tod hat der Wolkenring um den Todesberg herum wieder seine typische weiße Farbe angenommen und der Vulkan steht nicht mehr kurz vor dem Ausbruch.“ „Der Todesberg stand kurz vor der Eruption? Und wir sind da reingegangen?!“ Links Augen waren vor Entsetzen kreisrund, doch Navi zuckte nur grinsend mit den Schultern. „Tja, du weißt doch: Held sein stinkt.“ Sprachlos wandte der Herr der Zeiten sich wieder dem Regal zu, während seine Fee laut weiterdachte. „Vielleicht legt sich diese Kälte ja, wenn wir den Fluch auf dem Wassertempel brechen.“ „Du meinst falls auf dem Wassertempel ein Fluch liegt. Das wissen wir schließlich nicht mit Gewissheit“, wandte Link ein, während er die Schubladen des Verkaufstresens durchwühlte. Navi rollte angesichts seines Einwands mit den Augen und rief: „Ich bitte dich! Ich gehe nicht davon aus, dass Ganondorf schlampig gearbeitet und auch nur einen der Tempel Hyrules ausgelassen hat.“ Link wollte gerade noch etwas dazu sagen, als ihm ein kleines, mit schwarzer Farbe beschriebenes Preisschild auffiel, das an einem Stück blauen Stoffs hing. „Puh! Fünfhundert Rubine für eine einfache Tunika. Das ist ja Wucher pur!“ Navi betrachtete ein wenig abwesend das dunkelblaue Kleidungsstück, das aus feinen Fäden gewebt war, bloß um dann überrascht die Augen aufzureißen. „Ich glaube, das ist die Zora-Rüstung!“ Bei dieser Eröffnung knallte Link die Kinnlade herunter und er starrte seine Fee ungläubig an. „Das soll die Zora-Rüstung sein?!“ Navi nickte mit leicht schief gelegtem Kopf. „Ja. Was wundert dich daran so sehr?“ „Der Name. Unter einer Rüstung hatte ich mir etwas Massiveres vorgestellt als eine einfache Tunika.“ „Bei der Goronen-Rüstung hat es dich doch auch nicht gestört.“ Navi schüttelte mit zusammengezogenen Augenbrauen den Kopf, so als würde ihr diese Namensdebatte gehörig auf die Nerven gehen. „Ist ja gut…“ Ein wenig murrend ließ Link seinen warmen Umhang von den Schultern rutschen, um die Tuniken zu wechseln. „Beim Goronengewand konnte ich mir den Alternativnamen ‚Rüstung‘ wenigstens noch erklären. Schließlich schützte es vor enormer Hitze.“ Seufzend beobachtete Navi wie Link sich seine grüne Tunika über den Kopf zog. „Und die Zora-Rüstung schützt dich vor dem Ertrinken. Das ist doch auch was.“ Nur wenig später stand Link in dem neuen Zoragewand vor seiner Fee, die begeistert applaudierte. „Toll! Das Teil steht dir richtig gut. Das bringt deine Augen so hübsch zum Leuchten.“ Angesichts des unerwarteten Komplimentes färbten sich die Wangen des jungen Mannes in einem zarten Rot und er wandte schnell das Gesicht ab, was Navi kichern ließ. „Ehrlich! Darin siehst du wirklich gut aus.“ Link verstaute sein Kokirigewand und die dazugehörige Mütze, die er aus Rücksicht auf Navis sensibles Modeempfinden abgenommen hatte, in seinen Lederbeutel und tat als erfordere dies seine volle Konzentration. Danach erst wandte er sich wieder seiner Fee zu und setzte eine entschlossene Miene auf. „Los geht’s! Der Wassertempel wartet.“ „Warum hast du eigentlich nicht die Serenade des Wassers ausprobiert?“ Navi saß rücklings zwischen Eponas Ohren und bewunderte das Lichtspiel auf Links fein gewebter Zora-Tunika, die aus seidig schimmernden Fäden bestand. Der junge Hylianer verzog den Mund und lenkte Epona in Richtung eines kleinen Eichenhains, neben dem der Zora-Fluss auf seinem Weg zum Hylia-See entlang floss. Die beiden Abenteurer hatten bereits ungefähr die Hälfte des Weges zurückgelegt und der erschöpfte Held wollte eine ausgiebige Rast einlegen. „Wir konnten doch Epona nicht in der Kälte stehen lassen.“ Jetzt, wo die Zwei den eisigen Klammergriff des Zora-Reichs hinter sich gelassen hatten, stand dem Herrn der Zeiten der Schweiß auf der Stirn und er stopfte seinen Umhang in seinen Lederbeutel, sobald er im Schatten einer besonders großen Eiche abgestiegen war. Navi rutschte Eponas Hals herab und grinste wissend. „Du traust Shiek auch nicht.“ Link, dem ihre Freude darüber missfiel, warf ihr einen bösen Blick zu und ging zum Fluss, um seine Flasche mit frischem Wasser zu füllen. „Das habe ich nicht gesagt. Mir behagt nur der Gedanke nicht, mich zu teleportieren. Das macht mir einfach Angst. Was, wenn dabei etwas schief läuft?“ Epona folgte ihrem Herrn und begann aus dem Fluss zu trinken, während Link ihr geistesabwesend den Hals tätschelte und mit kraus gezogener Stirn auf das feuchte Nass zu seinen Füßen blickte. „Früher führte der Zora-Fluss auch mal mehr Wasser, oder?“ Navi räkelte sich in der hoch am Himmel stehenden Mittagssonne und genoss das warme Prickeln auf der Haut. „Wundert dich das wirklich? Die Zora-Quelle, die den Fluss speist, ist doch vollständig zugefroren.“ Link machte große Augen und wandte seinen Blick auf seine bunt funkelnde Fee. „Daran hab ich gar nicht mehr gedacht, dass der Fluss und die Quelle im Zora-Reich zusammenhängen. Aber woher kommt dann dieses Wasser?“ Träge deutete Navi auf den hohen Felsengürtel, der ganz Hyrule einschloss und vom Rest der Welt trennte. „Dort oben gibt es zahlreiche Gletscher, deren Schmelzwasser in den Flüssen und Bächen Hyrules landet.“ Langsamen Schrittes ging Link zurück zu der großen Eiche und setzte sich gegen den Stamm gelehnt ins trockene Gras, wobei Epona ihm wie ein dressierter Hund folgte. Tief in Gedanken versunken holte der junge Hylianer eine Hand voll Beeren aus dem Heiligen Reich und einen Laib Brot, den er bei seinem letzten Aufenthalt in Kakariko gekauft hatte, aus seinem Beutel und begann zu essen. Navi ließ sich auf seinem angewinkelten Knie nieder und sah ihn aus ihren großen, goldgrünen Augen mit den langen, geschwungenen Wimpern aufmerksam an. „Worüber denkst du nach?“ Der junge Mann holte tief Luft und seufzte laut, bevor er antwortete: „Ist das so offensichtlich, dass ich über etwas nachdenke?“ Die quirlige Fee grinste breit und nickte, wobei ihr langes, glattes Haar sanfte Wellen in der Luft warf. „Ich kenne dich halt schon ein paar Tage lang. Also: Was ist los?“ Link zog sein Zopfband heraus und ließ sein etwas über kinnlanges Haar sich offen im Wind bewegen. Eine seiner langen Pony-Strähnen, die ihm bis zu den hohen Wangenknochen reichten, wurde über seine Nasenwurzel geweht und blieb hängen. Mit einer unwirschen Handbewegung strich er sie zurück und richtete seinen Blick auf die Felsenkette, die sich als schwarzer Strich in weiter Ferne abzeichnete. Erst dann setzte er zu einer Antwort an: „Mir ist nur gerade bewusst geworden, dass ich mir nie Gedanken gemacht habe, wie die anderen Länder neben Hyrule aussehen könnten. Ich kenne ja nicht einmal ganz Hyrule.“ Navi ließ sich im Schneidersitz nieder und legte den Kopf schief. „Und?“ „Und was?“ Links Stimme klang schroff und seine Wangen flammten in einem tiefen Rot auf, was Navi ein noch breiteres Grinsen als zuvor aufs Gesicht zauberte, weil es ihr zeigte, dass sie einen Nerv getroffen hatte. „Na, irgendwas muss doch noch sein. Du bekommst doch nicht nur wegen der fremden Länder so einen wehmütigen Blick“, bohrte sie unnachgiebig weiter. Unwillig knurrend wandte der junge Hylianer das Gesicht ab. „Noch nie etwas von Fernweh gehört?“ Doch dann gab er seufzend nach und riss geistesabwesend mehrere, lange Grashalme heraus. „Ich musste an Zelda denken. Ich habe mich einfach gefragt, ob sie in eines der Länder jenseits der Berge geflohen ist und irgendwo ein neues Leben angefangen hat.“ Navi wickelte eine Strähne ihres inzwischen fast hüftlangen, goldenen Haares um den Zeigefinger und musterte ihren Begleiter eingehend. „Du hast Angst, dass sie dich vergessen hat.“ Link presste die Kiefer fest zusammen und schwieg, den Blick stur in die Ferne gerichtet, während Navi verschlagen grinste und es sichtlich genoss, dass sie Link mit ihrem Wissen um seine Gefühle für Zelda piesacken konnte. Doch dann wechselte sie plötzlich scheinbar das Thema: „Weshalb kämpfst du eigentlich gegen Ganondorf? Also, mal abgesehen davon, dass es deine Bestimmung als Herr der Zeiten ist.“ Link blinzelte überrascht und sah sie verwirrt an. „Warum fragst du?“ Die zierliche Fee zuckte geschmeidig mit den Schultern und flötete mit unschuldiger Stimme: „Einfach nur so.“ Leise knurrend verdrehte Link die Augen. „Du tust nie irgendetwas einfach nur so.“ Anstatt weiter nachzuhaken, pulte er jedoch einen Hautfetzen von seinem Daumen und begann mit einer Erklärung: „Anfangs wollte ich nur den Deku-Baum rächen und dafür sorgen, dass er stolz auf mich gewesen wäre, hätte Gohma ihn nicht umgebracht. Doch seit meiner Bannung im Heiligen Reich hat sich meine Motivation verändert.“ Er wischte ein paar Krümel von seinem Schoß und verstaute das halb verzehrte Brot in seinem Beutel. „Seit ich erfahren habe, dass Ganondorf das Heilige Reich nur betreten konnte, weil ich das Siegel gebrochen habe, habe ich tiefe Schuldgefühle. Ich fühle mich dafür verantwortlich, dass er zum Großmeister des Bösen werden konnte, und will meinen Fehler wieder gutmachen.“ Gerne hätte Navi ihn daran erinnert, dass es nicht seine Schuld war – denn schließlich hatte nicht einmal der weise Deku-Baum gewusst, dass das Master-Schwert den Jungen bannen würde – doch da sie glaubte, dass das schlechte Gewissen ein mächtiger Antrieb war, den der eigentlich sehr sensible Mann brauchte, um genügend Kräfte für die kommenden Kämpfe zu mobilisieren, stichelte sie stattdessen weiter: „Und Prinzessin Zelda hatte nie etwas damit zu tun? Kämpfst du nicht auch, weil du hoffst, sie wiederzusehen?“ Link zuckte mit den Schultern und lief erneut ein wenig rot an. „Naja, vielleicht ein bisschen…“, setzte er an, aber dann stoppte er sich selbst und schubste seine Fee mit einem leichten Fingerschnippen von seinem Knie. „Oh, du… Du bist fürchterlich!“ Lachend krabbelte Navi wieder an seinem Hosenbein nach oben und grinste ihren Freund breit an. Obwohl er sich vorgenommen hatte, sie dieses Mal spüren zu lassen, dass sie zu weit gegangen war, konnte er nicht umhin, angesichts ihres freien, losgelösten Lachens zurück zu grinsen. Solch unbeschwerte Momente waren viel zu selten geworden in seinem Leben. Navi wandte ihren Blick auf die inzwischen stark gesunkene Sonne, die den Horizont im Westen brennen ließ. Der rosaorangerote Sonnenuntergang bildete einen wunderschönen Kontrast zu dem kobaltblauen Himmel und ließ den Abend unendlich friedlich wirken. Link gähnte herzhaft und warf Epona, die in der Nähe graste, einen liebevollen Blick zu. Dann streckte er mit einem knurrenden Geräusch, das tief aus seiner Brust kam, seine Arme, sprang auf die Füße und ging auf seine Stute zu, um sie abzusatteln. Er vertraute ihr so sehr, dass er ihr sogar das Zaumzeug abnahm und sie völlig frei umherlaufen ließ. Mit müden Gliedern ging er auf den Fluss zu, wo er sich seiner hohen Lederstiefel entledigte, seine Hose aufkrempelte, Tunika, Ketten- und Leinenhemd über den Kopf zog und ins Wasser stieg, um sich zu waschen. Navi betrachtete fasziniert die festen Muskeln, die sich an Brust, Bauch und Rücken unter der hellen Haut bewegten, und staunte, was aus dem kleinen, tollpatschigen Jungen geworden war, den sie sieben Jahre zuvor kennen gelernt hatte. Mit einem amüsierten Grinsen dachte sie an die merkwürdigen Muskelaufbauübungen, die Rauru im Heiligen Reich mit dem bewusstlosen Link gemacht hatte. Damals hatte sie sich darüber gewundert, doch als sie den halbnackten Mann vor sich sah, wurde ihr der Sinn der Anstrengungen des Weisen bewusst. Hätte sich sieben Jahre lang niemand um Links Körper gekümmert, wäre er mit schlaffen, verkümmerten Muskeln wieder erwacht und wäre kaum in der Lage gewesen zu stehen oder gar zu kämpfen – was nicht gerade heldenhaft gewesen wäre. Link selbst schien sich über seinen muskulösen Körper in keiner Weise zu wundern und ihn mit der Arroganz eines von Natur aus sportlichen Mannes zu betrachten. Epona ließ sich mit einem dumpfen Geräusch ins Gras fallen, wobei eine dicke, gräuliche Staubwolke aufgewirbelt wurde. Link wrang sich die frisch gewaschenen Haare aus, die so nass in einem tiefdunklen Braun glänzten, und kam danach mit Stiefeln und Oberbekleidung in der Hand auf Navi und seine Stute zu. Mit einer schnellen Handbewegung warf der junge Mann sein Schuhwerk, das krachend gegen den Stamm knallte, in Richtung der Eiche. Dann zog er sich sein weißes Leinenhemd und die blaue Zora-Tunika über den Kopf und holte seinen wollenen Umhang wieder aus dem Lederbeutel hervor. Gähnend streckte er sich unter dem hohen Baum aus, wobei ihm der Umhang als Decke und Eponas Sattel als Kopfkissen dienten. Navi ließ sich auf seiner Brust nieder und betrachtete die letzten Reste des Abendrots, die noch in der Luft hingen und die träge über den Himmel treibenden Wolken rötlich färbten. Im Osten ging bereits der Mond auf und die ersten Sterne wurden mit blassem Leuchten sichtbar. Link war schon fast ins Land der Träume abgedriftet, als Navi ihr vorheriges Gespräch wieder aufgriff: „Ich glaube nicht, dass sie Hyrule verlassen hat.“ „Was?“ Links Stimme klang brummig und er blinzelte mehrfach, während er krampfhaft versuchte, die Augen offen zu halten. „Zelda“, präzisierte Navi ihre vorherige Aussage. „Ich glaube, dass sie noch irgendwo hier ist.“ Sofort setzte sich der junge Herr der Zeiten ruckartig auf, sodass seine Fee unsanft auf seinen Schoß purzelte. „Wie kommst du darauf? Ist das wieder so eine Feensache á la ‚Der Baum hat’s mir verraten‘?“ Navi machte ein beleidigtes Gesicht und funkelte ihn aus zu Schlitzen verengten Augen böse an. „Jetzt mach dich nicht schon wieder darüber lustig. Unsere Fähigkeiten können sehr praktisch sein! Aber falls es dich beruhigt: Nein, meine Annahme hat nichts mit meinem Volk zu tun. Sich in ein anderes Land zu flüchten und alles hinter sich zu lassen, würde einfach nicht zu der jungen Prinzessin passen, die wir damals kennengelernt haben und die bereit war, für ihre Überzeugung zu kämpfen.“ Link kaute grübelnd auf der Unterlippe und starrte ins Nichts. „Und wenn Impa sie zur Flucht gezwungen hat?“ Navi schüttelte den Kopf und betrachtete den schwarzblauen Himmel der jungen Nacht. „Das glaube ich nicht. Shiekah sind ein Volk stolzer Krieger. Ich bin mir sicher, dass sie einen Ort hier in Hyrule gefunden hat, an dem sie Zelda verstecken konnte, sodass sie selbst zurückkommen und gegen Ganondorf kämpfen kann und die Prinzessin immer darüber informiert ist, was in ihrem Land vor sich geht.“ Link lehnte sich wieder zurück und sah hinauf zum funkelnden Sternenzelt. Er hatte das Gefühl, die glitzernden Sterne, die nicht von Wolken verhangen waren, würden Zeldas Gesicht an den Himmel malen, doch er war unfähig, es scharf zu sehen. Schon oft hatte er sich gefragt, wie sie inzwischen wohl aussehen mochte, aber jeder Versuch endete in einer verwässerten Überlappung der Bilder der jungen Zelda, die er kannte, und der rothaarigen Zelda aus seinem Traum. „Meinst du wirklich, dass sie noch hier ist?“, flüsterte er leise, während Navi sich auf seinem Bauch zusammenrollte und gähnend nickte. „Definitiv. Ich bin mir sicher, sie hat bereits von deinen Heldentaten gehört.“ Sofort schoss Link das Blut in die Wangen, doch auf Grund der Dunkelheit um ihn herum störte es ihn ausnahmsweise nicht. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief er ein. Nachdem auch Navi in einen tiefen Schlaf gesunken war, regte sich eine dunkle Gestalt, die die ganze Zeit über unbemerkt in einer der Baumkronen gesessen hatte, und ließ sich vollkommen lautlos auf den Boden fallen. Einige Herzschläge lang verharrte die Gestalt in zusammengekauerter Position nah über dem Boden und lauschte in die Dunkelheit, ob Link oder Navi sie trotz aller Vorsicht bemerkt hatte. Als sie sich vergewissert hatte, dass die Beiden noch tief und fest schliefen, richtete sich die schattenhafte Gestalt langsam wieder auf und schlich auf das kleine Lager zu. Lediglich Epona hob den Kopf und schnaubte, doch als der Schatten die Hand nach ihr ausstreckte, ließ die Stute sich über die leicht geblähten Nüstern streicheln und besänftigen. Sobald Epona beruhigt war und den Kopf wieder gesenkt hatte, schlich die dunkle Gestalt weiter, bis sie ganz nah vor Link stand, der ihr das Gesicht zugewandt hatte und selig schlummerte. Gerade, als sich der nächtliche Besucher zu dem schlafenden Herrn der Zeiten hinabbückte, zogen die Wolken, die bisher den Vollmond verhangen hatten, weiter und das helle, silberne Licht fiel in breiten Bahnen auf Shieks Gesicht. Mit flinken Fingern tastete der Shiekah nach dem verzauberten Wunderbeutel des Hylianers und zog ihn an sich. Mit einer schnellen Bewegung riss er das schmale Bändchen auf, welches das weiche Leder zusammenhielt, und fasste hinein. Wenn er überrascht war, es leer vorzufinden, so konnte man dies nicht in seinem unverhüllten Auge ablesen. Navi machte ein knurrendes Geräusch und warf sich auf die andere Seite, schien dort aber auch keine bequeme Position zu finden. Genau in dem Moment, in dem der Shiekah sich wieder aufrichtete und einen glänzenden Gegenstand in der Hand hielt, schlug die Fee ihre Augen auf. Ein wenig schlaftrunken rieb sie sich übers Gesicht und erstarrte dann, als sie die Gestalt neben Link entdeckte. „Was machst du denn hier?!“ Shiek starrte die winzige, geflügelte Frau auf Links Bauch einige Sekunden lang stumm an, dann warf er ihr den länglichen Gegenstand zu, den er in der Hand gehalten hatte – die Okarina der Zeit. „Ihr solltet in Zukunft ein wenig vorsichtiger sein. Man weiß nie, wo der Feind lauert.“ Mit diesen Worten drehte der mysteriöse Shiekah sich um und verschwand in der Dunkelheit, während Navi, die von dem schweren Musikinstrument beinah erschlagen worden wäre, sich frei kämpfte und ihm fassungslos hinterher starrte. Erst, als das dumpfe Leuchten seiner teilweise weißen Kleidung nicht mehr zu sehen war, fand die Fee ihre Stimme wieder und stapfte entschlossen auf Links Ohr zu, um ihn zu wecken. Dieses Mal musste er ihr einfach glauben, dass diesem Mann nicht zu trauen war! Wäre sie nicht zufällig aufgewacht, hätte er sie ganz sicher bestohlen! Aufgebracht wandte sie den Kopf in die Richtung, in die der Shiekah verschwunden war. Dass er offensichtlich wusste, wie man mit Feenzauber umgehen musste, gefiel ihr gar nicht. Doch bevor sie ihr Ziel erreicht hatte, drehte sich der Hylianer auf den Bauch, wobei er die wertvolle Okarina halb unter sich begrub. Unglücklicherweise rutschte auch Navi von seiner Brust und rollte über das trockene Gras, bis sie hart mit dem Kopf gegen den Stamm der großen Eiche stieß und ohnmächtig wurde. Die Sonne im Osten kroch langsam über die Felsenkette und breitete ihren goldenen Teppich über der hylianischen Steppe aus, während Link auf dem Rücken seiner rotbraunen Stute in Richtung Hylia-See ritt. Navi saß wieder einmal zwischen den aufgestellten Ohren des Pferdes und schimpfte wild gestikulierend: „Verdammt noch mal! Es war so! Warum glaubst du mir eigentlich nicht?!“ Der junge Held legte den Kopf schief und machte ein grübelndes Gesicht. „Weil es absurd klingt. Was sollte Shiek mit der Okarina wollen?“ Die kleine Fee zog die rechte Augenbraue in die Höhe und blickte ihn missbilligend an. „Vielleicht arbeitet dein supertoller Shiek ja doch für Ganondorf. Auf die Idee, dass ein mächtiges Relikt wie die Okarina der Zeit für immense Bedeutung für den Großmeister des Bösen sein könnte und er deswegen seine Schergen ausschickt, um es ihm zu beschaffen, bist du wohl noch nicht gekommen, oder?“ Link warf ihr einen giftigen Blick zu und schaffte es nur mit Not, seiner langjährigen Begleiterin nicht ihre offensichtliche Eifersucht vorzuwerfen. Stattdessen atmete er tief durch und starrte verbissen nach vorn, wo sich am Horizont die weißen Säulen eines riesigen Tores, durch das man zum Hylia-See gelangte, abzeichneten. „Doch, daran gedacht habe ich bereits, aber das würde absolut keinen Sinn machen. Weshalb hätte Shiek uns in der Vergangenheit helfen sollen, wenn er eigentlich auf der gegnerischen Seite steht?“ „Heiliger Deku, wie naiv bist du eigentlich?!“ Gekränkt verzog Link den Mund und krampfte die Hände fester um Eponas Zügel. Er wusste, dass Navi Recht hatte, auch wenn er es nicht glauben wollte. Dickköpfig klammerte er sich an seine Theorie, seine Fee habe sich den nächtlichen Besuch bloß eingebildet, und stellte sich blind und taub für ihre Argumente, obwohl es eigentlich keine andere Erklärung dafür gab, dass die Okarina an diesem Morgen im Gras gelegen hatte, anstatt in seinem Beutel zu stecken. Als er das teure Musikinstrument zwischen dem bereits herabgefallenen Laub der imposanten Eiche entdeckt hatte, hatten ihm seine Sinne einen Streich gespielt. Die Löcher der Flöte hatten sich plötzlich verändert und waren zu einer Vielzahl von Shieks rötlich glänzendem Auge geworden, das ihn mit einem amüsierten Glitzern und einer Spur Häme angesehen hatte. Und dennoch wollte er partout nicht glauben, dass der Shiekah gegen ihn arbeitete. Da war etwas zwischen ihnen, dass Link nicht erklären, aber deutlich spüren konnte – eine Art alte Freundschaft, wie aus vergessenen Kindertagen oder einem früheren Leben. „Hörst du mir eigentlich zu?!“ Navi funkelte ihn wütend an und stemmte die Fäuste in die Hüften, als Link blinzelnd aus dem Reich seiner Erinnerungen und Gedanken zurück in die Wirklichkeit kam. Entschuldigend hob er die Schultern und schenkte ihr ein schiefes Lächeln, was sie aufseufzend mit dem Kopf schütteln ließ. „Ich sagte, dass Shieks Hilfsbereitschaft möglicherweise eine clevere Finte war, um sich dein Vertrauen zu erschleichen – was ja auch gut geklappt zu haben scheint.“ „Navi!“ Link verlor sämtliche Gesichtsfarbe und riss erschrocken die Augen auf. Seine Fee legte den Kopf schief und kratzte sich verwirrt hinter dem linken Ohr. „Jetzt sag nicht, dass der Gedanke dir tatsächlich dermaßen fremd ist.“ „Was?“ Irritiert blinzelnd fokussierte der Hylianer seinen Blick auf die silberglänzende Frau vor sich. „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen“, erklärte diese. „Dabei hab ich doch nur gesagt, dass auch Shieks Unterstützung zu der Theorie passt, dass er zu den Feinden gehört…“ Geistesabwesend starrte Link mit riesigen Augen zum Horizont und winkte ab. „Das meinte ich doch gar nicht. Dreh dich mal um! Das gibt es nicht…“ Langsam wandte Navi sich um und schaute in die Richtung, in die Link deutete. Hinter den sanften, grasbewachsen Hügeln, die unter Eponas gewaltigen Hufen sanft vibrierten, sollte sich eigentlich die glitzernde, blaue Fläche des Hylia-Sees erstrecken, doch alles, was zu sehen war, war eine ausgetrocknete, erdbraune Mulde. „Was zum...“ Die restlichen Worte ihres Satzes blieben der Fee vor lauter Entsetzen im Halse stecken. Mit kreidebleichem Gesicht drehte sie sich wieder zu Link, der seine Stute inzwischen auf dem höchsten Hügel angehalten hatte, und mit fest aufeinander gepressten Lippen hinabblickte. Die kleine Insel in der Mitte des Sees ragte wie ein einzelner, fauliger Zahn im Mund einer alten Vettel aus dem Boden hervor, der von der sengenden Sonne dermaßen ausgetrocknet war, dass die Erde aufgeplatzt war und die Risse sich wie ein fein gewebtes Netz über die gesamte Fläche erstreckten. Lediglich an einem tieferen Bereich vor der Insel, auf der ein einzelner Baum ohne Blätter sich in den Himmel reckte, glitzerte ein letzter Rest silbrigen Wassers. „Ich frage mich, wie das passieren konnte.“ Navis Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und der Schock ließ ihre Glieder unkontrolliert zittern. „Die Antwort hast du doch gestern selbst gegeben“, erinnerte Link sie, „Zoras Quelle ist zugefroren…“ „Das ist einfach schrecklich!“ In den goldgrünen Augen der Fee schimmerten bunt glitzernde Tränen und sie zog geräuschvoll die Nase hoch, als sie plötzlich davon flog. „Wo willst du hin?“ Link blickte ihr irritiert hinterher und schwang sich mit einer geschmeidigen Bewegung aus dem Sattel, als er keine Antwort bekam. In wenigen hundert Metern Entfernung verlief das nahezu ausgetrocknete Bett des Zora-Flusses, durch das sich nun nur noch ein schmalbrüstiges Bächlein schlängelte, das sich auf seinem Weg immer mehr ausdünnte, bis es als kleines Rinnsal in der «Pfütze» vor der Insel endete. Navi schwebte über dem kühlen Nass, während stumme Tränen über ihre Wangen liefen. Ein wenig verlegen trat Link an sie heran und streckte die Hand aus. „Komm her. Ich weiß, dieser Anblick ist für dich unerträglich, aber wir werden das schon wieder gerade biegen. Versprochen.“ Schniefend wandte die Fee sich zu ihm um und warf sich zu seiner Überraschung hemmungslos weinend an seine Brust. Verunsichert legte Link seine Hand um sie und hielt sie fest, bis sie schließlich mit rotgeränderten Augen zu ihm aufblickte. „Naja, etwas Gutes hat die Sache ja: So dürfte es um einiges einfacher sein, den Eingang zum Wassertempel zu finden.“ Kleine Staubwolken wirbelten auf, als Link langsam auf den armseligen Rest Seewassers zuging, der sich in der Mulde vor der Insel gesammelt hatte. In einiger Entfernung trottete Epona über die hügeligen Wiesen und graste gemütlich, während Navi sich noch immer leicht zitternd an Links Haaren festkrallte. Mit einem kurzen Kopfnicken deutete der Hylianer in Richtung der Insel. „Und du bist dir sicher, dass der Eingang zum Wassertempel da ist?“ Die fürchterlich mitgenommen wirkende Fee schien in die Ferne zu lauschen und nickte dann zögerlich. „Ja, ich denke schon.“ Link warf ihr einen prüfenden Seitenblick zu. „Es fällt dir im Moment schwer, dich zu konzentrieren, oder?“ Unter ihrem silbernen Schimmer wurde Navi schlagartig ein wenig rot und sie schob beleidigt die Unterlippe vor, was ihren Begleiter zum Kichern brachte. „Ist schon in Ordnung“, versuchte der Herr der Zeiten seine Begleitung zu beruhigen. „Selbst wenn du dich irrst und die ‚Stimme‘ des Hylia-Sees missverstanden haben solltest, ist das ja auch kein Beinbruch.“ Navi stieß geräuschvoll Luft zwischen den Zähnen hervor. „Das wäre ja auch noch schöner, wenn nur du Mist bauen dürftest.“ „Ah, ich seh schon!“ In Links Augen blitzte der Schalk und er stupste seine Fee sanft mit dem Zeigefinger an. „Dir geht’s langsam wieder besser – deinen Sarkasmus hast du jedenfalls schon wiedergefunden.“ Grinsend kuschelte Navi sich in Links Halsbeuge und blickte lächelnd durch seine Haare hindurch auf die Landschaft vor ihnen. In Momenten wie diesem fiel ihr immer wieder auf, dass sie echtes Glück gehabt hatte, als der Deku-Baum ihr vor Jahren den kleinen, feenlosen Jungen anvertraut hatte. Zwar war er manchmal tollpatschig und ungeschickt, doch dafür verstand er ihre Art und ihren teilweise verletzenden Humor. Das einzige Thema, bei dem sie wirklich aneinander gerieten, war dieser elende Shiekah! Wieder einmal sah Navi die Ereignisse der letzten Nacht vor ihrem geistigen Auge. Sofort spürte sie wie ihr Puls in die Höhe schnellte, als sie daran dachte, wie knapp sie den Diebstahl verhindert hatte. Sie rief sich Shieks Gesicht wieder ins Gedächtnis und knirschte mit den Zähnen, denn obwohl sie sich sicher war, dass der Shiekah sie hatte beklauen wollen, passte etwas nicht ins Bild. Der Ausdruck, mit dem dieser mysteriöse Mann sie angesehen hatte, wollte sich einfach nicht mit Navis Vorstellung von einem fiesen, hinterhältigen Dieb in Übereinstimmung bringen lassen. In seinem Blick hatte derart viel Schmerz, Sehnsucht und Schwermut gelegen, dass es Navi ernsthaft verwirrte. Dennoch hätte sie Link niemals etwas von ihren Zweifeln erzählt! Er vertraute diesem dahergelaufenen Shiekah sowieso schon viel zu sehr… Die eifersüchtige Fee war so in Gedanken versunken, dass sie es gar nicht mitbekam, als Link plötzlich am Rand des erschreckend kleinen Wasserrestes stehen blieb und verkündete: „Du hattest Recht.“ Bei dem Klang seiner Stimme zuckte Navi zusammen und dachte im ersten Moment, sie habe womöglich laut gedacht und Link hätte ihr endlich bei diesem leidigen Thema zu gestimmt, aber dann bemerkte sie, dass er angestrengt auf die leicht bewegte Wasseroberfläche starrte, und folgte seinem Blick. Einige Meter unter dem Wasserspiegel war ein massives Eisentor zu erkennen, das den Zugang zu einer Höhle versperrte, die unter die Insel zu führen schien. „Meinst du wirklich, dass ist der Eingang zum Wassertempel?“, fragte Navi skeptisch. Link zog irritiert die Augenbrauen zusammen und warf seiner Begleiterin einen kurzen Seitenblick zu. „Natürlich. König Zora hat gesagt, der Tempel befände sich im Hylia-See und du hast doch selbst gesagt, deine Feensinne würden dir verraten, dass wir hier suchen sollten.“ „Hm.“ Navi kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. „Ich weiß nicht. Das sieht irgendwie so… billig aus.“ Link verdrehte die Augen und seufzte, bevor er sich ohne jedes weitere Wort ins Wasser stürzte. Kaum, dass er das kühle Nass berührt hatte, spürte er plötzlich ein starkes Kribbeln auf der Haut, so als drängen tausende Luftbläschen durch die Maschen seiner Zora-Kleidung. Im ersten Moment fühlte es sich extrem unangenehm an und Link konnte nur mit Mühe den Reflex unterdrücken, sich zu kratzen, doch dann machte sich eine seltsame Erfrischung breit und der Hylianer bemerkte, dass das Gewicht, das beim Luftanhalten normalerweise auf seine Lunge drückte, verschwand. Geschwind kehrte der junge Herr der Zeiten um und tauchte auf. Sobald er die Wasseroberfläche durchbrochen hatte, grinste er zu Navi herauf und strich sich ein paar nasse Strähnen aus der Stirn. „Dieses Zoragewand ist einfach klasse! Ich wollte es nicht glauben, aber damit kann ich tatsächlich unter Wasser atmen... in gewisser Weise.“ Doch anders als erwartet, machte die Fee kein begeistertes Gesicht, sondern kaute auf der Unterlippe und blickte ihren Begleiter aus großen, besorgt wirkenden Augen an. Irritiert legte Link die Stirn in Falten und paddelte ein wenig näher an sie heran. „Was hast du?“ „Nichts weiter“, wiegelte sie in barschem Ton ab. „Ich mache mir nur Gedanken, ob du ohne mich klar kommst.“ Link fiel die Kinnlade herunter und es dauerte einige Herzschläge lang, bis er seine Stimme wiederfand. „Wieso denn ohne dich? Du kommst doch mit, oder?“ Die kleiner silberne Fee sank zu ihm herab und schwebte kurz über der Wasseroberfläche, sodass es aussah, als würde sie über das glitzernde Nass laufen. „Ich würde dich wirklich gerne begleiten, aber ich kann nicht. Wir Feen sind nicht gerade die besten Schwimmer, musst du wissen.“ Der junge Held sah seine Begleiterin mit einem Gesichtsausdruck an, der zwischen Überraschung, Unglaube und Enttäuschung schwankte. „Aber als ich damals durch das Portal zum Hylia-See geschwemmt wurde, nachdem die Zoras mich den Wasserfall hinuntergestoßen hatten, warst du doch auch dabei.“ Navi machte ein abfälliges Geräusch und strich sich eine Strähne ihres langen Haares hinter das rechte Ohr. „Als wäre das freiwillig gewesen… Wenn ich ehrlich sein soll, war es reine Glückssache, dass ich nicht ertrunken bin. Wir Feen können nicht besonders lange die Luft anhalten.“ Langsam watete Link aus dem winzigen Seerest und ließ sich hart auf den rissigen Boden fallen, wo er die Beine anzog und plötzlich lustlos den Kopf auf die Knie stützte. Navi tapste weiter mit traurigem Gesichtsausdruck übers Wasser, wobei sie hübsche, gekringelte Muster auf der Oberfläche entstehen ließ. Während zwischen den Beiden für einige Zeit betretenes Schweigen herrschte, schoben sich dicke, schwarze Wolken vor die Vormittagssonne. Nur wenig später fielen auch schon die ersten, dicken Tropfen klatschend zu Boden und Link fröstelte. Navi wandte ihr Gesicht zum Himmel und schien den duftenden Sommerregen zu genießen. Da kam dem Herrn der Zeiten endlich eine Idee! „Ich hab’s!“ Mit leuchtenden Augen blickte er zu Navi herüber, die betrübt zurückschaute. „Was hast du?“ „Ich glaube, ich weiß, wie ich dich in den Wassertempel mitnehmen kann.“ Schnell griff er nach seinem Wunderbeutel und seine Fee kam neugierig guckend ein wenig näher, doch als sie sah, was er in der Hand hielt, schüttelte sie energisch den Kopf. „Vergiss es!“ „Aber warum denn?“, verteidigte der Hylianer seinen Einfall. „Da drin ist es trocken und –“ Aufgebracht und wild mit den Armen fuchtelnd fiel ihm die kleine Feenfrau ins Wort: „Ich habe gesagt, du sollst es vergessen. Ich lasse mich nicht in einer Flasche durch die Gegend tragen. Darin bekomme ich Platzangst!“ „Dann eben nicht“, blaffte Link zurück und stopfte seine Flasche wieder in den Beutel. „So wichtig kann es dir also gar nicht sein, mich zu begleiten. Denn du musst schließlich zugeben, dass dir das Wasser in der Flasche nichts anhaben könnte, wenn ich sie in den Beutel stecke…“ Plötzlich riss Navi, die verlegen an einem Fingernagel gepult hatte, den Kopf hoch und sah ihren Begleiter aus weit aufgerissenen Augen an. „Das ist es doch!“ „Was? Sind Eure Hoheit jetzt doch bereit, im Flaschenexpress zu reisen?“ Genervt winkte die Fee ab und deutete auf den kleinen Lederbeutel an Links Gürtel. „Nein, aber ich könnte mich direkt in den Beutel stecken lassen.“ Der zweifelnde Recke machte ein unwilliges Gesicht. „Meinst du wirklich, das ist eine gute Idee?“ „Klar. Und ich muss es wissen, schließlich war ich an dem Zauber beteiligt.“ Wieder im Wasser tauchte Link an dem eisernen Tor herab und suchte nach einem Mechanismus, um den Zugang zum Tempel öffnen zu können. Durch das Wasser um ihn herum war sein Blick verschwommen und seltsam verzerrt, weshalb er sich zum Großteil mit Hilfe seiner Hände orientierte. Langsam und behutsam tastete er den Torbogen und die restliche Außenfassade ab, doch ohne Erfolg. Nirgends konnte er einen Schalter oder eine Taste erfühlen. Erst, als er resigniert wieder auftauchen wollte, blieb er mit dem Gürtel an einem leicht hervorstehenden, diamantförmigen Ding hängen. Genervt versuchte Link, sich zu befreien, aber er hing fest! Obwohl er wusste, dass er nicht auftauchen musste, so lange er das Zoragewand trug, drückte sich bitter schmeckende Panik seinen Hals hinauf und schnürte seine Kehle zu. Wie wild strampelte er mit den Beinen und schlug mit den Armen um sich, doch nichts schien zu helfen. „Du musst ruhig bleiben. Ruhig, ganz ruhig…“, versuchte er sich selber zuzureden und bedauerte, dass er nicht einfach tief durchatmen konnte. Verzweifelt stemmte er die Füße gegen die Wand und stieß sich mit aller Kraft ab. Endlich rutschte der Gürtel unter der Kante des eigenartigen Dings hervor und Link kam wieder frei. Was jedoch viel wichtiger war: Bei Links verzweifelten Befreiungsversuchen hatte sich das Eisengitter vor dem Wassertempel ein wenig bewegt. Er hatte also endlich den gesuchten Schalter gefunden! Sofort stürzte der Herr der Zeiten sich auf das Ding, das wie er endlich feststellte aus türkisbemaltem Holz bestand, und zog und zerrte daran, doch egal wie sehr er sich auch anstrengte, es bewegte sich nur wenige Zentimeter. „Moment mal! Das Ding ist aus Holz! Warum benutze ich nicht einfach meinen Fanghaken?“ So schnell er konnte, tauchte der junge Hylianer auf, watete aus dem Wasser und suchte sich festen Stand. Dann zielte er gewissenhaft und feuerte den Haken ab, der sich tief in das Holz bohrte. Siegessicher grinsend löste er den Bolzen des Aufrollmechanismus – und wurde augenblicklich nach vorn gerissen. Mit einem lauten Klatschen schlug er hart auf der Wasseroberfläche auf, was ihm die Luft aus den Lungen presste, und sank in die Tiefe. Erst, als er bei seinem reflexartigen Einatmen Wasser schluckte, tauchte er hustend und spuckend wieder auf. „Verdammt! So geht’s also nicht. Ich bin viel zu leicht…“ Müde ließ er sich rücklings auf den Rücken fallen und trieb auf der Oberfläche dahin, während der dichte Regen auf sein Gesicht prasselte. Doch plötzlich setzte Link sich ruckartig wieder auf, wobei er für einen kurzen Moment wieder unterging. „Moment mal… zu leicht? Da war doch was… Shiek, du Fuchs! Du hast es gewusst…“ Mit einem tiefgründigen Lächeln auf den Lippen kehrte Link ans Ufer zurück und zog sich die schweren Eisenstiefel an, die der Shiekah ihm erst vor kurzem geschenkt hatte. Dieses Mal war der hölzerne Bolzen der vereinten Kraft von Links Gewicht und dem Fanghaken nicht gewachsen und er ließ sich gänzlich herausziehen. Als das Eisengitter ruckelnd hinabglitt, stiegen dicke Luftblasen an die Oberfläche und ein zufriedenes Lächeln machte sich auf Links Lippen breit. Der Weg in den Wassertempel war endlich frei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)