Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 33: Höhle des blauen Feuers ----------------------------------- Die Zora-Quelle bot einen traurigen Anblick und ließ Link bestürzt innehalten. Soweit er sehen konnte, war die komplette Quelle zugefroren und lag als glatte, weiße Platte vor ihm. Dort, wo vor sieben Jahren der gewaltige Lord Jabu-Jabu im Wasser gelegen hatte, befand sich nun ein seltsam geformter Schneeberg, der Link stutzen ließ. Es war unwahrscheinlich, dass sich an einer Stelle so viel Schnee angehäuft haben sollte, während die restliche Gegend von einer nur circa fünf Zentimeter dicken Schneeschicht überzogen war. Schaudernd wandte der junge Hylianer sich ab. Er wollte sich gar keine Gedanken darüber machen, wie es zu diesem Berg gekommen war oder ob der riesige Wal wohl noch immer an derselben Stelle lag wie bei seinem letzten Besuch. Navi flog vor ihm in der Luft und blickte sich suchend um, was sich wegen des heftigen Schneefalls ziemlich schwierig gestaltete. Link zog seinen Umhang fester und trat neben sie, um sie bei ihrer Suche nach der Höhle zu unterstützen. Die dicken Schneeflocken, die unermüdlich vom Himmel schwebten, setzten sich auf seinen Schultern, Haaren und Wimpern ab, wo sie nur zum Teil schmolzen. Etwas ungeduldig versuchte der junge Hylianer, eine dieser Flocken wegzublinzeln, die seine Sicht zusätzlich behinderte, als Navi plötzlich neben ihm ausrief: „Hab sie!“ Mit einer unwirschen Handbewegung strich Link sich sowohl den Schnee als auch eine seiner langen Strähnen aus den Augen und blickte in die Richtung, in die seine Fee deutete. Er musste sich stark konzentrieren, doch dann entdeckte er endlich den schmalen Höhleneingang in der Felswand, die sich wie eine natürliche Befestigungsanlage rund um die Quelle zog. Schnell strebte er auf die Höhle zu, wobei seine Schritte knarrende Geräusche auf dem frisch gefallenen Schnee machten. „Hörst du das?“ Navi spitzte ihre länglichen Ohren und lauschte in die einsetzende Dunkelheit. Link hatte seinen Blick stur auf den Höhleneingang gerichtet und marschierte weiter. „Nein. Was meinst du denn? Was soll ich gehört haben?“ „Da war so ein Knacken...“ Der junge Hylianer tat einen weiteren Schritt und drückte mehr Schnee mit seinem Körpergewicht zusammen. „Da! Da war es schon wieder!“ Navi sah sich alarmiert um, wobei sie sich um die eigene Achse drehte. Link musste unwillkürlich ein wenig lachen und warf seiner Fee einen amüsierten Seitenblick zu. „Ach, Navi. Das Geräusch entsteht doch immer, wenn man durch frischen Schnee läuft!“ „Das meinte ich doch gar nicht. Ich meinte–“ Navi kam nicht dazu, ihren Satz zu beenden, denn just in diesem Moment durchbrach ein sehr lautes Krachen die eisige Stille und der Boden unter Links Füßen begann zu schwanken. „Was zum–“ Plötzlich bemerkte der Herr der Zeiten, dass seine Füße in entgegengesetzte Richtungen glitten. Erschrocken warf er einen Blick auf den Boden und entdeckte endlich den großen Riss, der sich von hinten genähert hatte und immer weiter ausbreitete. Die dicke Eisdecke über dem tödlich kalten Wasser war gebrochen! „Link! Schnell!“ Navi biss sich vor lauter Angst um ihren Schützling, der nur wie gelähmt dastand und gebannt auf das schwarz wirkende Wasser im Riss starrte, auf die Unterlippe. Als er ihre Stimme hörte, schien der Hylianer endlich aus seinem Schockzustand aufzuwachen und brachte beide Füße auf dieselbe Seite, bevor er sich umsah. Inzwischen breitete der Riss sich wie ein fein gewebtes Spinnennetz aus und löste unterschiedlich große Platten aus der Eisdecke. Vereinzelte Brocken brachen ab und versanken in dem glitzernden Wasser, das aussah wie ein mit Silberfäden durchwirktes, schwarzes Seidentuch. Link suchte den Höhleneingang und machte sich bereit, so schnell wie er konnte, darauf zu zu rennen, aber es war bereits zu spät: Vor der Höhle war die Eisdecke in viele, kleine Einzelteile zersplittert, die leicht schwankend auf dem Wasser trieben. Der Recke stand noch ein wenig verunsichert da und starrte in Richtung Höhle, als Navi plötzlich neben seinem Ohr auftauchte und ihn anbrüllte: „Jetzt beweg endlich deinen Hintern! Spring von Scholle zu Scholle, dann müsstest du’s schaffen.“ „Aber was, wenn ich abrutsche?“ Link, der vor vielen Jahren dabei gewesen war, als ein Kokiri-Mädchen im Winter in dem kleinen Dorfteich eingebrochen und fast ertrunken wäre, schauderte, doch Navi bedachte ihn mit einem strengen Blick. Schließlich seufzte der junge Herr der Zeiten auf und atmete tief durch. Navi hatte Recht, er musste sich zusammenreißen, denn selbst wenn er nicht eine wichtige Aufgabe zu erfüllen gehabt hätte, hätte er sich einen Weg über die Schollen suchen müssen, schließlich war auch der Rückweg vollkommen zersplittert. Zum Glück trieben die Eisplatten nur selten mehr als eine Oberarmbreite auseinander, sodass er eigentlich gar nicht springen musste. Link war schon ein gutes Stück vorangekommen und sah den Höhleneingang, dessen Dunkelheit wenig einladend wirkte, trotz des dichten Schneefalls deutlich vor sich, als er das erste Mal zu einem Sprung ansetzen musste. „Spring hier her.“ Navi stand über einer besonders großen Scholle in der Luft und winkte ihn zu sich heran. Der junge Mann holte tief Luft und konzentrierte sich, bevor er sich sanft abstieß. Wie er befürchtet hatte, rutschte er bei der Landung auf dem glatten Eis aus und drohte in die tödliche Kälte des Wassers zu schlittern. Noch während er panisch überlegte, wie er seinen Schwung loswerden könnte, handelte sein Körper vollkommen automatisch. Bevor er wirklich wusste, wie ihm geschah, landete er auf dem Hintern. Er rutschte noch ein wenig, blieb dann aber sitzen, wobei sein Füße bereits über dem Wasser schwebten. Alle weiteren Sprünge absolvierte er mit derselben wenig eleganten, aber wirksamen Technik und er kam wenig später an der Höhle an. Er hatte sich sein Steißbein mehrfach schmerzhaft angestoßen und sein rechtes Knie war bei einer seiner Landungen in Mitleidenschaft gezogen worden und fühlte sich nun leicht geschwollen an, aber er hatte die Quelle hinter sich gelassen. Leise murmelnd schickte er ein Stoßgebet gen Himmel und bedankte sich bei den Göttinnen dafür, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Der sandige Boden knirschte laut unter Links harten Sohlen, während er langsam in die Höhle vordrang. In der eisigen Stille klang jeder seiner Schritte unwirklich laut und einsam. Der junge Held zog den dicken, pelzbesetzten Umhang aus brauner Schafswolle enger um sich und fühlte eine tiefe Dankbarkeit, dass er die mit Eisblumen bedeckten Felsgänge nicht allein erkunden musste. Navi trippelte mit vor der Brust verschränkten Armen über seine Schultern und machte ein grübelndes Gesicht. „Ich hoffe, wir finden das blaue Feuer tatsächlich in dieser Höhle“, murmelte sie leise, während sie den Blick auf die ferne Dunkelheit vor ihnen richtete. „Zweifelst du etwa daran?“ „Natürlich!“ Die Fee warf in einer übertriebenen Geste die Hände in die Höhe, um zu unterstreichen, wie unumgänglich ihre Bedenken waren. „Ich traue diesem Shiek noch immer nicht über den Weg – und das solltest du auch nicht. Was wissen wir denn schon von ihm?“ Link machte ein unwilliges Geräusch und verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust. Er war dieses Thema so was von leid… Seufzend antwortete der Herr der Zeiten: „Nicht viel. Nur, dass er uns bisher mehr als einmal geholfen hat. Aber darüber haben wir doch schon so oft diskutiert...” „Ich weiß und mir ist auch bewusst, dass deine Meinung über ihn feststeht. Trotzdem bleibe ich dabei: Irgendwas an dem Knaben ist faul.“ Navi setzte eine trotzige Miene auf und ließ sich ziemlich unelegant auf den Hintern fallen. Link presste die Lippen aufeinander und schluckte seine Antwort herunter. Es hatte keinen Sinn, Navis Misstrauen noch dadurch zu nähren, indem er zugab, dass er ebenfalls das Gefühl hatte, dass Shiek ihnen etwas Wichtiges verschwieg. Auch Navi blieb stumm und so gingen die beiden Abenteurer schweigend weiter durch die verschlungenen Gänge der Höhle. Lediglich das Knirschen des gefrorenen Sandes unter Links Sohlen durchbrach die unwirkliche Stille. Kein Tier war zu hören oder gar zu sehen. Es schien als hätte die unnatürliche Kälte dem Gebiet um das Zora-Reich herum jegliches Leben entzogen. Link lauschte dem Geräusch seiner gleichmäßigen Schritte und dachte an Ganondorf, den Großmeister des Bösen. Es wunderte ihn nicht, dass dieser Dämon eines der Völker Hyrules mit einem ewigen Winter gestraft hatte. Die Eiseskälte, die ein Blick Ganondorfs verbreiten konnte, stand den frostigen Temperaturen in dieser Höhle in nichts nach. Schaudernd dachte der junge Mann an sein erstes Aufeinandertreffen mit Ganondorf. Damals hatte er neben Zelda gestanden und durch ein Fenster in den Thronsaal geblickt, in dem der Gerudoführer dem König der Hylianer ewige Treue geschworen hatte. Link war sich sicher, dass Ganondorf in ihm zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als einen Spielkameraden der jungen Prinzessin gesehen hatte, als sich ihre Blicke getroffen hatten. Dennoch liefen ihm allein bei dem Gedanken an den Ausdruck in den Augen des Gerudos eiskalte Schauer über den Rücken, die eine breitflächige Gänsehaut auf Armen und Beinen hinterließen. Der junge Hylianer war derart in Gedanken versunken, dass er kaum noch darauf achtete, wohin ihn seine sich wie von selbst bewegenden Füße trugen. Erst, als Navi ihm plötzlich ihre langen Fingernägel in die Ohrmuschel schlug und panisch daran riss, kehrte er in die Realität zurück. „Was im Namen der Göttinnen hast du vor? Willst du uns Beide umbringen?!“ Die Stimme der Fee klang vor Panik ganz schrill und mindestens eine Oktave höher als üblich. Irritiert riss Link den Kopf hoch und entdeckte erst jetzt die riesige Sense aus schillerndem Eis, die sich wie ein tödlicher Kreisel in der Mitte des runden Raumes drehte, den der Herr der Zeiten betreten hatte, ohne es zu merken. Die rasiermesserscharfe Klinge der Sense sauste nur wenige Zentimeter vor ihm durch den Raum und zerteilte zischend die Luft. Mit wild pochendem Herzen stellte Link fest, dass nur ein Schritt zum sicheren Tod gefehlt hatte. Hätte Navi ihn nicht aus seinen Gedanken gerissen, hätte ihm die wild kreiselnde Eissense zumindest die Beine abgeschlagen, wenn nicht gar seinen Körper in der Mitte durchtrennt. Ein extrem schmerzhafter, langsamer Tod… „Wenn du weiterhin nur vor dich hinträumst, bringst du dich irgendwann noch versehentlich selbst um“, traf Navi den Nagel auf den Kopf. Doch anstatt sich durch den bissigen Ton der Fee gekränkt zu fühlen, riss der Seitenhieb Link endlich aus seiner Apathie. Sofort trat er einen Schritt zurück und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Ihm gegenüber führte ein düster wirkender Gang, dessen Eingang sich wie ein schwarzer Schlund in der grauweißen Felswand auftat, tiefer in die Höhle hinein. Das einzige Problem war die tödlich scharfe Eisschneide, die vor ihm durch die Luft wirbelte. Wie Link feststellen musste, war der Raum nicht perfekt rund, sondern viel mehr oval geformt und die Klinge der Eissense kratzte an den Längsseiten über die Wände, was es unmöglich machte, den nächsten Gang auf eine einfache Weise zu erreichen. „Ich frage mich, warum das Eis durch die Reibung nicht heiß wird und schmilzt…“, grübelte Navi, während Link versuchte, sich den Drehrhythmus der Sense einzuprägen. „Die Frage kann sich auch nur jemand stellen, der durch Magie geschützt ist und diese Eiseskälte nicht spürt…“ Obwohl Shiek ihm den Umhang gegeben hatte, setzte die frostige Luft ihm noch immer zu und er spürte, wie seine Finger und Zehen langsam taub wurden. Was hätte er in diesem Moment nicht alles für ein zusätzliches Paar dicker Wollsocken oder für Handschuhe mit geschlossenen Fingern gegeben! Der Herr der Zeiten wippte leicht auf dem Fußballen auf und ab, während die Eissense vor ihm bedrohlich durch die Luft zischte. Er hoffte inständig, dass er sich nicht überschätzte und sein Plan, den gegenüberliegenden Gang zu erreichen, nicht in einem Blutbad enden würde. Er schloss die Augen, lauschte dem gleichmäßigen «tschk, tschk» der Sense und holte tief Luft, bevor er plötzlich nach vorne stürzte und in Richtung Gang davonhetzte. Navi schwebte mit wild schlagendem Herzen über der Sensennarbe und beobachtete wie Link auf sein Ziel zu rannte. Hinter ihm holte die tödliche Eisklinge immer mehr auf und drohte, ihn aufzuschlitzen. Als die Schneide ihn fast eingeholt hatte, biss die vor ängstlicher Sorge zitternde Fee sich auf die Unterlippe und kniff die Augen fest zusammen. Sie rechnete jeden Augenblick mit einem fürchterlich gellenden Schrei des tödlich verwundeten Link, doch alles, was sie hörte, war seine amüsiert klingende Stimme, die sie fragte, ob sie da oben Wurzeln schlagen wolle. Zögernd schlug Navi die Lider auf und blickte sich um. Als sie Link entdeckte, der grinsend im Gang stand und sich offensichtlich bester Gesundheit erfreute, brannten Tränen der Erleichterung in ihren Augen. Sie atmete seufzend aus und schmeckte salziges Blut auf der Zunge – vor lauter Anspannung hatte sie sich die Lippe aufgebissen. Link, der sich mit einem beherzten Hechtsprung in den Gang gerettet hatte, bevor die eisige Klinge ihn hatte erreichen können, beobachtete fasziniert den goldbunt glitzernden Blutstropfen, der aus Navis voller Unterlippe quoll, als sie sich zu ihm gesellte. Er stupste sie leicht mit dem Zeigefinger und schickte sich dann an, dem Gang zu folgen. Die Fee lächelte, wobei die kleine Verletzung an ihrer Lippe stechend schmerzte, und folgte ihm tiefer in die Höhle hinein. Bei all den Rangeleien und Meinungsverschiedenheiten, die es zwischen ihnen gab, hatten sie sich doch gegenseitig ins Herz geschlossen. Der nächste Raum, den die Beiden betraten, war wesentlich größer als der mit der kreisenden Eissense und von Podesten und schmalen Stegen aus klarem Eis durchzogen. Zudem entdeckten die Zwei hier zum ersten Mal, seit sie das Reich der Zoras betreten hatten, ein Zeichen von Leben: von den hohen, mit Raureif überzogenen Felswänden hallte das leise Schlagen von Fledermausflügeln wider. Link blickte sich fragend um, doch er entdeckte weder das blaue Feuer noch einen Weg, der tiefer in die Höhle führte, was ihn zusehends frustrierte. „Vielleicht finde ich etwas, wenn ich da hoch klettere…“, überlegte er laut und deutete auf das höchste der vier Podeste. Geschwind packte er die Kante der niedrigsten Erhöhung und zog sich hoch. Dabei übersah er jedoch eine der schwarz bepelzten Fledermäuse, die sich mit gebleckten Zähnen auf ihn stürzte. Noch bevor der junge Hylianer registrieren konnte, dass das Geräusch der schlagenden Flügel direkt hinter ihm war, landete die Angreiferin auf seinem Rücken und schlug ihre spitzen Eckzähne in den wollenen Stoff seines Umhangs. Navi wirbelte überrascht herum und machte große Augen, als ihr Schützling plötzlich erschrocken aufschrie und die Podestkante losließ. Die Fledermaus war fuchsteufelswild und verbiss sich immer tiefer, während Link verzweifelt versuchte, sie abzuschütteln und Navi krampfhaft überlegte, wie sie ihm helfen konnte. Sie suchte fieberhaft nach einer Idee, doch als ihr nichts einfiel, musste sie hilflos mit ansehen, wie die Fledermaus ihre langen Zähne immer und immer wieder in Links Rücken hieb, während dieser versuchte, sie zu fassen zu kriegen und von sich zu ziehen. Als ihm bei diesen Versuchen der lederne Flügel der Angreiferin über die Wange streifte, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Die Haut der Fledermaus war so kalt, dass er das Gefühl hatte, sie könnte ihn an Ort und Stelle zu einem Eisklotz gefrieren. „Jetzt reicht’s aber! Ich habe es im Guten versucht, aber wenn du mich einfach nicht in Ruhe lassen willst, muss ich wohl andere Saiten aufziehen!“ Der junge Held wirbelte herum und warf sich mit vollem Gewicht mit dem Rücken zuerst gegen das Podest aus Fels und Eis. Die Fledermaus quiekte laut auf und versuchte, zu entkommen, doch es war zu spät. Als Link sich das zweite Mal gegen das Podest warf, brach es ihr das Genick. „Elendes Mistvieh“, brummte der laut schnaufende Hylianer mit einem letzten, angewiderten Blick auf die tote Angreiferin. Trotz der eisigen Kälte um ihn herum, standen ihm feine Schweißperlen auf der Stirn. „Alles in Ordnung mit dir?“ Navi musterte ihn ein wenig besorgt und warf dann einen Blick auf seinen Rücken, um sich das Ausmaß der Verletzung anzusehen. Doch zu ihrer Überraschung entdeckte sie zwar dort, wo die Fledermaus zugebissen hatte, feine Löcher im Umhang, doch keinen einzigen Blutstropfen. Als Link ihren verwirrten Gesichtsausdruck sah, klopfte er sich grinsend gegen den Rücken, wobei ein dumpfes, metallisches Geräusch entstand. „Das arme Tier hat sich an meinem Schild die Zähne ausgebissen“, erklärte er und grinste noch breiter als er Erkenntnis in Navis Augen aufflackern sah. Wenige Sekunden später stand Link auf dem mit einer dicken Eisschicht überzogenen Felspodest und blickte sich um. Obwohl er die Kälte verabscheute, konnte er nicht umhin, die bizarre Schönheit der Eishöhle zu bewundern. Alles sah aus, als wäre es mit durchsichtigem Zuckerguss übergossen und dann mit einer großen Prise Raureif-Puderzucker bestreut worden. Bei dem Gedanken an die süßen Leckereien, die er in einer Auslage in Kakariko gesehen hatte, lief ihm das Wasser im Mund zusammen und sein Magen meldete sich fordernd knurrend zu Wort, doch anstatt sich ein paar Beeren aus seinem Beutel zu genehmigen, balancierte er vorsichtig über den nächsten spiegelglatten Eissteg. Er würde eine ausgiebige Rast machen, sobald er raus aus dieser Kälte war. „Das kann doch nicht wahr sein!“ Frustriert stampfte Link mit dem linken Fuß auf und ließ seinen Blick ein weiteres Mal durch den Raum schweifen. Weit und breit war weder ein weiterer Gang noch das blaue Feuer zu entdecken. „Ich wusste doch, dass uns dieser Shiekah irgendwann reinlegen würde“, murmelte Navi, während ihr Schützling mit den Zähnen knirschend nachdachte. „Vielleicht haben wir irgendwo eine Abzweigung übersehen…“, überlegte der Herr der Zeiten, aber seine Fee hielt sofort dagegen: „Wo denn? Jeder Gang führte nur geradeaus und der Raum mit der Sense war ja wohl auch recht übersichtlich. Da war kein Winkel, hinter dem sich noch ein Weg hätte verstecken können.“ Link zuckte mit den Schultern und seufzte. „Lass uns trotzdem noch mal nachsehen.“ Irgendetwas sagte ihm, dass Shiek die Wahrheit gesagt hatte. Aber vielleicht wollte er das auch nur glauben... „Siehst du? Hier ist nichts. Absolut rein gar nichts.“ Navi saß auf seinem Kopf und machte ein brummiges Gesicht. Wieso vertraute Link einem daher gelaufenen Shiekah, der von Begegnung zu Begegnung nur mysteriöser wurde, mehr als ihr, mit der er schon so viel überstanden hatte? Eifersucht schwappte wie ätzendes Gift durch ihren Geist und sie schwor sich, bei ihrem nächsten Treffen herauszufinden, was Shiek hinter seinem Gesichtsschutz verbarg, als Link plötzlich den Arm hochriss. „Da! Sieh mal!“ Irritiert blickte Navi in die Richtung, in die ihr Freund deutete, und antwortete in sarkastischem Ton: „Eine Wand. Das ist ja unglaublich!“ Link stieß schnaubend Luft aus der Nase aus, wobei kleine weiße Wölkchen entstanden. „Jetzt schau doch mal genauer hin. Fällt dir gar nichts auf?“ Die Fee verengte ihre goldgrünen Augen zu Schlitzen und konzentrierte sich. Zunächst konnte sie nichts Ungewöhnliches entdecken, aber dann sah auch sie, was ihr hylianischer Begleiter zuvor bemerkt hatte. Bisher hatten die Beiden den gräulich schimmernden Sand hinter der Wand für ein Abbild des Bodens in diesem Raum gehalten, das sich in der Eisschicht auf dem Felsen spiegelte. Doch die sich noch immer unaufhaltsam drehende Eissense war nicht zu sehen, obwohl sie genauso hätte reflektiert werden müssen. Warum fehlte sie? „Das ist ja gar keine Wand, sondern nur Eis!“, rief Navi aus, als sie erkannte, dass sie durch die eisige Scheibe kein Spiegelbild sah, sondern in den Gang dahinter blicken konnte. „Bingo!“ Ihr Begleiter nickte und grinste breit vor Freude über seinen Fund. „Wenn ich es schaffe, sie zu durchbrechen, finden wir das blaue Feuer vielleicht doch noch.“ Kaum, dass die Sensenklinge die fragliche Wand passiert hatte, stürzte Link darauf zu und warf sich mit vollem Gewicht dagegen. Ein heißer Schmerz durchfuhr seine Schulter, als er gegen das harte Eis knallte, aber er beachtete es kaum. Viel wichtiger war, dass die Wand von einem Spinnennetz unterschiedlich dicker Risse durchzogen war. Er wollte gerade Anlauf nehmen und sich ein weiteres Mal dagegen werfen, als Navis panische Stimme an seine Ohren drang: „Link! Runter! Schnell!“ Verwirrt wandte er den Kopf und entdeckte im selben Moment, was seine Fee so in Furcht versetzt hatte: Die blitzende, tödlich scharfe Eissense war nur noch wenige Meter von ihm entfernt und kam unaufhaltsam näher. Obwohl er sofort reagierte und sich flach auf den Boden warf, wäre es fast zu spät gewesen. Die Kälte des gefrorenen Bodens kroch ihm in die Glieder und er war froh, als er nur wenige Sekunden später den scharfen Luftzug spürte, der ihm verkündete, dass die Sense über ihn hinweggefegt war. Sofort sprang er wieder auf die Füße und bearbeitete die Eiswand, die schließlich unter seinem Gewicht nachgab und klirrend zusammenbrach. Link stolperte über die aus dem Boden ragenden Eisreste und schlug lang hin, doch anstatt darüber zu fluchen, sah er mit einem strahlenden Lächeln zu Navi hoch, die über ihm in der Luft schwebte. „Weiter geht’s!“ Die Fee warf ihm jedoch einen merkwürdigen Blick zu und zog die Augenbrauen in die Höhe. „Warum hast du eigentlich nicht den Goronenhammer benutzt? Das wäre doch viel einfacher gewesen.“ Link, der sich langsam aufrichtete, blickte aus großen Augen zurück und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Doch als ihm bewusst wurde, dass er keine überzeugende Antwort hatte, sondern schlicht nicht an den mächtigen Silberhammer gedacht hatte, wandte er sich wortlos um und marschierte mit langen Schritten davon, während Navi leise vor sich hin kicherte. Der Gang hinter der Eiswand unterschied sich in keiner Weise von denen, die sie bereits durchschritten hatten. Der gefrorene Sandboden knirschte bei jedem Schritt und die dunkelgrauen Felswände waren mit einem komplizierten Muster aus Eisblumen verziert. „Unglaublich wie groß der ist!“ Navi landete auf Links Schulter und deutete nach oben. „Hast du so einen gigantischen Eiszapfen schon mal gesehen?“ Der Hylianer betrachtete kurz den Fund seiner Fee und schüttelte dann den Kopf. „Wäre das ein Eiszapfen, wäre er wirklich imposant. Aber ich muss dich enttäuschten. Das ist nur ein eingefrorener Stalaktit.“ Der Boden des nächsten Raumes bestand komplett aus Eis, so als wäre hier früher ein seichter Teich gewesen. Link lachte wie ein kleiner Junge, als er Anlauf nahm und über die spiegelnde Oberfläche schlitterte. Navi beobachtete ihn mit einem milden Lächeln auf den Lippen und fühlte einen tiefen Stich im Herzen, als ihr bewusst wurde, dass Link durch seine Bannung im Heiligen Reich viele seiner unbeschwerten Kindheitsjahre verloren hatte. Sie überlegte gerade, ob sie ihm irgendwann merklich fehlen würden, als seine Stimme sie zurück in die Gegenwart holte. „Sieh mal! Da oben scheint es weiter zu gehen. Hast du eine Idee, wie ich da hochkomme?“ Er deutete auf ein Loch, das ein wenig über seinem Kopf in der Wand klaffte und versuchte, es durch springen zu erreichen. Navi blickte sich suchend um und entdeckte in der gegenüberliegenden Ecke ein Stück von einem Stalaktiten, der von der Decke gefallen und dabei in zwei Stücke gebrochen sein musste. Das untere Stück lag auf der fast glatten Bruchseite und schien genau die richtige Höhe zu haben. Sofort rief sie ihrem Schützling zu: „Lass das Gehopse und sieh dir lieber das da an.“ Link folgte ihrem Blick und inspizierte kurze Zeit später das Felsstück, bevor er grinsend zu seiner Fee aufsah. „Perfekt!“ Der junge Mann stemmte sich mit voller Kraft gegen den kalten Fels, um ihn zu bewegen. Durch das Eis unter seinen Sohlen gestaltete sich das leider schwieriger als erwartet. Immer wieder rutschte er aus und schlug lang hin, doch er ließ sich nicht entmutigen. Er war bereits ein wenig außer Atem, als sich das Stalaktitbruchstück endlich bewegen ließ. „Es klappt! Es klappt!“, triumphierte der Hylianer, aber seine Freude währte nur kurz. Denn kaum, dass der schwere Fels an Fahrt gewann, wurde er unkontrollierbar und rutsche auf der spiegelglatten Oberfläche davon. „Halt! Das ist doch viel zu weit!“ Link rannte hinter dem Klotz her, doch dieser stoppte erst, als er gegen die gegenüberliegende Wand krachte. Missmutig lehnte der Herr der Zeiten sich gegen den Fels und grübelte. „So hat das keinen Sinn. Wenn ich weniger Kraft benutze, kann ich das schwere Teil nicht bewegen, aber wenn ich mit voller Kraft schiebe, rutscht der Brocken zu weit. Was mach ich denn jetzt?“ Navi balancierte über seine rechte Schulter und dachte angestrengt nach, als sich der junge Hylianer plötzlich mit der Faust auf die nach oben gerichtete Handfläche schlug. „Ich hab’s!“ Ohne weitere Erklärung sprang er auf und schlitterte so schnell er konnte zurück zu der Stalaktitfundstelle, wobei er die Arme weit ausbreitete, um die Balance zu halten. „Irgendwo hier muss es doch sein...“ Navi machte ein ratloses Gesicht und zupfte leicht an einer von Links Haarsträhnen, um sich bemerkbar zu machen. „Was suchst du denn?“ „Lass dich überraschen.“ Wenige Minuten später hatte Link endlich gefunden, was er gesucht hatte, und stemmte triumphierend den Rest des Stalaktiten in die Höhe. „Und was willst du damit? Das Teil ist zu kurz. Damit kommst du nicht hoch.“ „Will ich auch gar nicht.“ Schnell schlitterte er auf das Wandloch zu und platzierte das kleinere, aber trotzdem schwere Felsteil genau davor, bevor er zu dem anderen Bruchstück zurückkehrte. „Drück mir die Daumen, dass mein Plan klappt.“ Hylianer und Fee blickten sich für einen kurzen Moment tief in die Augen, dann lächelte sie und nickte. „Wird schon schief gehen.“ Link warf sich gegen das Stalaktitteil und beobachtete nervös, wie es auf sein Gegenstück zu schnellte. Als die beiden Teile aufeinandertrafen, krachte es laut und das kleinere Stück wurde gegen die nächste Wand geschleudert, wo es bröselnd zerbrach, doch der Aufprall hatte den großen Felsklotz gebremst. Der Weg nach oben war frei. „Das ist einfach wunderschön.“ Staunend blickten sich die zwei Abenteurer in dem kleinen Raum um und wussten doch nicht, wohin sie zuerst schauen sollten. Der feine Sand auf dem Boden war reinweiß und wirkte wie jungfräulicher Schnee und die Wände waren von dicken, glitzernden Eiskristallen überzogen und schimmerten fast genauso wie die der Quellen der großen Feen. Das Wichtigste und vielleicht Schönste im Raum war jedoch die im Zentrum errichtete, runde Feuerstelle, die mit weißen und dunkelblauen Mosaiksteinchen besetzt war. Die Flammen, die von dort in die Höhe schlugen, tauchten den Raum in ein unnatürliches, hellblau flackerndes Licht, das sich in den Eiskristallen der Wände brach und filigrane Muster auf den weißen Sand malte. „Hast du so etwas schon mal gesehen?“ Link wusste nicht, weshalb er flüsterte, doch irgendwie erschien es ihm unpassend angesichts so eines Naturschauspiels lauter zu sprechen. Navi schüttelte stumm den Kopf und betrachtete fasziniert die Flammenzungen des berühmten blauen Feuers. Es sah vollkommen anders aus, als sie es sich immer vorgestellt hatte. Sie hatte immer gedacht, dass es lediglich einen leichten Blaustich haben würde, doch diese Flammen brannten in vielen verschiedenen, aber klaren und intensiven Blautönen. „Hey, fühl mal! Das ist gar nicht heiß.“ Die Fee landete auf dem Rand der Feuerstelle und steckte ihre kleine Hand ins Feuer. Link schnappte hörbar nach Luft und trat näher heran. Ganz, ganz langsam senkte er die eigenen Hände und stutzte. „Du hast Recht. Es ist nicht einmal warm. Wie soll man denn damit das rote Eis schmelzen?“ Navi zuckte mit den Schultern und wandte sich ihrem Begleiter zu. „Ich habe keine Ahnung. Vielleicht ist das ja so eine magische Sa– Vorsicht! Hinter dir!“ Mit großen, panischen Augen deutete die Fee hinter Link, wo ein riesiger, weißer Schneewolf aufgetaucht war und sein gewaltiges Maul aufriss. Für einen kurzen Moment konnte Navi den bedrohlich roten Rachen des Tieres sehen, doch schon beim nächsten Atemzug hörte sie das laute Krachen der aufeinanderschlagenden Zähne. Link schrie überrascht auf und hechtete im letzten Moment zur Seite. Das laute Kreischen von reißendem Stoff hing in der Luft, als der Wolf den Umhang des Hylianers zu fassen bekam und einen Zipfel großzügig kaputt biss. „Pass bloß auf, du Fellknäuel. Ich mag euch Wölfe zwar, aber irgendwo hört’s auf!“ Der Herr der Zeiten funkelte den geduckten Schneewolf wütend an und wollte sein Schwert ziehen, bevor das Raubtier zur nächsten Attacke ansetzen konnte, jedoch war alles, was er zu fassen bekam, der pelzige Saum des Umhangs. „Du trägst dein Schwert an der Hüfte, du vergesslicher Dussel!“ Navis Stimme klang vor Panik ganz schrill und überschlug sich ein paar Mal, aber irgendwie schaffte die Fee es dennoch, verständlich zu sprechen. Der Wolf stieß ein kehliges Knurren aus und duckte sich noch tiefer in den schneeweißen Sand, bevor er sich abstieß und mit weit aufgerissenem Maul auf den Hylianer zu flog. Schnell griff Link nach seinem Schwertheft, aber er hatte kaum den Knauf berührt, als er plötzlich sah wie etwas Silbriges aufblitzte. Nur den Bruchteil einer Sekunde später stieß der Wolf ein lautes, schmerzerfülltes Quieken aus und schlug anschließend hart auf dem gefrorenen Boden auf. Mit großen Augen starrte der junge Mann auf das tote Tier, dessen Fell sich über dem Brustkorb langsam rot färbte. Zwischen den Rippen des Wolfs steckte ein kurzer, silberner Dolch mit einem dunkelgrauen Horngriff, in den kunstvolle Verzierungen geschnitzt waren. „Für einen legendären Helden bist du ziemlich unvorsichtig“, kam eine amüsiert klingende Stimme von der Seite. Überrascht wandte Link den Kopf und entdeckte Shiek, der am Ende des Gangs stand und ihn aus einem funkelnden Auge musterte. Link öffnete den Mund, um den Shiekah zu begrüßen, klappte ihn jedoch wieder zu, ohne etwas zu sagen, als dieser langsam auf ihn zukam. Shiek ließ seinen Blick an seinem Gegenüber hinabgleiten und verengte kaum merklich das sichtbare Auge, als er die Auswirkungen der Wolfattacke entdeckte. „Du hast meinen Umhang ruiniert.“ Obwohl seine Stimme eher belustigt als anklagend klang, begannen Links Wangen zu brennen und der Hylianer wandte verlegen das Gesicht ab. „Zum Glück ist das, was ich dir dieses Mal mitgebracht habe, ein wenig stabiler.“ Shieks unverdecktes Auge funkelte und Navi war sich sicher, trotz des hohen Mundschutzes ein klein wenig der rosafarbenen, zu einem breiten Grinsen verzogenen Lippen zu sehen. Für einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie ihre Pläne, dem Shiekah seinen Gesichtsschutz herunterzureißen, in die Tat umsetzen sollte, entschied sich dann aber doch dagegen. Immerhin hatte er ihnen bisher immer die Wahrheit gesagt, auch wenn sie das ungern zugab. Link blickte fragend zu Shiek herüber und bemerkte erst jetzt, dass dieser hohe Lederstiefel mit massiven Eisenbeschlägen in den Händen hielt. „Was soll ich damit?“ Am liebsten hätte der junge Hylianer sich sofort auf die Zunge gebissen. Zuerst hatte er wie ein alberner Stockfisch minutenlang geschwiegen und dann klang das Erste, was er sagte, wie die Anklage eines trotzigen Kleinkindes, das nicht das zum Geburtstag bekommen hatte, was es sich gewünscht hatte. Irgendwas an diesem Shiekah verhinderte, dass er klar denken konnte... Doch Shiek schien trotz Links undankbar wirkender Frage nicht gekränkt zu sein. Mit einer verwirrend geschmeidigen Bewegung stellte er die schweren Stiefel vor dem Hylianer ab und bedachte ihn mit einem milden Blick. „Du wirst sie brauchen. Vertrau mir.“ Navi machte ein abfälliges Geräusch. „Wenn Link mal vorhat, durch einen Orkan zu laufen oder sich im Hylia-See zu ertränken, sind die Dinger bestimmt nützlich, stimmt...“ Der Shiekah funkelte böse zu der Fee hoch, die nicht minder giftig zurückstarrte. Wenn Link es nicht besser gewusst hätte, hätte er geglaubt, die Beiden seien eifersüchtig aufeinander. Er seufzte leise und schüttelte dann mit dem Kopf, bevor er sich entschloss, sich da herauszuhalten, und die schweren Stiefel genauer betrachtete. Sie waren aus einem ähnlichen Leder gemacht wie die Exemplare, die er an den Füßen trug, doch sie hatten ein Innenfutter aus einem dunkelblau schimmernden, fein gewebten Stoff, der aussah wie Seide. Außerdem war unter die Sohle eine dicke Eisenplatte geschlagen worden, die zusammen mit einer Stahlkappe über dem Zehenbereich dafür sorgte, dass die Stiefel so schwer waren, dass Link sich fragte, ob er mit diesem Schuhwerk überhaupt einen Fuß vor den anderen würde setzen können. Schulterzuckend verstaute er die Eisenstiefel in seinem Wunderbeutel, als Shiek neben ihn trat. „Hast du dir schon überlegt, wie du das Feuer in die Zora-Höhle transportieren willst?“ „Ich habe einen getrockneten Hals einer Deku-Pirania dabei. Mit etwas Glück schaffe ich es zurück, bevor er abgebrannt ist.“ Der Shiekah schüttelte den Kopf und bedachte den Hylianer mit einem seiner irritierend liebevollen Seitenblicke. „Nein, das würde dir nicht gelingen. Sieh dir mal die Feuerstelle an. Fällt dir etwas auf?“ Link beugte sich über die flache Mosaikschale und starrte in das seltsam blaue Feuer, doch es war Navi, die erkannte, auf was Shiek aufmerksam machen wollte: „Das brennt ja vollkommen ohne Brennmaterial!“ Zur Belohnung für ihre Aufmerksamkeit erntete sie ein kurzes Nicken. „Stimmt. Das blaue Feuer brennt mit einer heiligen Flamme, die kein Holz oder ähnliches braucht, um sich zu nähren. Du hast nicht zufällig eine leere Flasche dabei?“ Obwohl Link sich nicht vorstellen konnte, dass man Feuer in einer Glasflasche transportieren konnte, reichte er Shiek die leere Flasche, die er vor sieben Jahren auf der Lon-Lon-Farm bekommen hatte. Mit einer schnellen Bewegung zog der Shiekah das Gefäß durch die flackernden Flammen und versetzte Navi und Link in Erstaunen. In der Mitte der Flasche, wenige Zentimeter über dem Glasboden, schwebte eine kleine, blaue Flamme. Shieks unverhülltes Auge funkelte amüsiert, als er die Überraschung in den Gesichtern der beiden Abenteurer sah. „Schütte dies auf das rote Eis, das König Zora einhüllt.“ Fasziniert nahm der Hylianer seine Flasche wieder entgegen und drehte sie zwischen seinen Fingern, während er noch immer ungläubig die züngelnde Flamme in ihrem Inneren betrachtete. Shiek beobachtete ihn einige Augenblicke lang und legte dann den Kopf schief. „Was hältst du eigentlich von Lyrik?“ Link war von dem abrupten Themenwechsel und dem unerwarteten Interesse des Shiekahs an seiner Person so überrascht, dass er die Flasche beinah fallen gelassen hätte. „Wie bitte?!“ „Ich habe dich gefragt, ob du Lyrik magst. Du weißt schon, Gedichte und dergleichen.“ Der junge Hylianer zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Ich hatte bisher nicht so viel Gelegenheit, mir darüber Gedanken zu machen.“ Shiek trat ein paar Schritte nach vorne, wobei Navi fasziniert bemerkte, dass der Shiekah sich trotz des gefrorenen Sands fast lautlos bewegen konnte. „Ich habe eine Schwäche für Lyrik. Sie fängt die Schönheit der Welt ein und verdoppelt sie mit kunstvollen Versen.“ Seine Stimme bekam einen verträumten Unterton, als er weiter sprach: „Ich habe vor Kurzem die Schriftrolle mit den Noten für die Serenade des Wassers gefunden. Diese Melodie bringt dich jeder Zeit zu der Teleportierplattform über dem Wassertempel. Allein für sich genommen, ist das schon ein enorm wichtiger Fund, doch den Noten lag auch noch ein kurzes Gedicht bei. Möchtest du es hören?“ Link lächelte und nickte. In seiner Begeisterung erinnerte Shiek ihn irgendwie an Salia, die sich mit ähnlichem Enthusiasmus an den Geschichten des Deku-Baums hatte erfreuen können. Shiek räusperte sich kurz und hob dann die Stimme, sodass sie in der Stille der Eishöhle geradezu majestätisch wirkte: „Zeit schwindet, Menschen scheiden – in ewig wie des Wassers Fluss. Zu königlichem Streben reift des Kindes Mut. Junger Liebe Knospen erblühen groß und stark. Des Wassers Kraft allein dies schafft! Lausche der Serenade des Wassers und trage sie in deinem Herzen.“ Mit diesen Worten holte der Shiekah seine Lyra hervor und begann die wenigen Noten zu zupfen, die sich zu einem langsam dahin fließenden Melodiefluss verwoben. Link schloss die Augen und prägte sich das kleine Meisterwerk genau ein. Als er geendet hatte, nickte Shiek, der Link inzwischen offenbar auch ohne Nachsummen glaubte, dass er sich die richtige Tonabfolge gemerkt hatte, seinem Gegenüber kurz zu und verschwand dann wie so oft in einem gleißenden Lichtblitz. Doch anders als die Male zuvor verspürte Link keine quälende Frustration. Zum ersten Mal seit sie sich kannten, hatte er das Gefühl, dem verschlossenen Shiekah ein wenig nähergekommen zu sein. Mit einem Lächeln auf den Lippen zog er den dicken Umhang fester um sich und beeilte sich, zu König Zora zurück zu gelangen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)