Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 32: Winterwunderland ---------------------------- Epona schritt langsam den schmalen Pfad entlang, der sich neben dem Zora-Fluss durch die felsige Landschaft Hyrules schlängelte. Link saß aufrecht im Sattel und zog fröstelnd sein frisch gewaschenes Hemd fester zu. „Verdammt, ist das kalt hier!“ Sein Atem hinterließ kleine, weiße Wölkchen in der eisigen Luft und er schlang die Arme um die Brust, um sich selbst zu wärmen. Er war sich sicher, Epona würde den richtigen Weg auch ohne seine Anweisungen finden. „Ich frage mich, woher diese unnatürliche Kälte kommt.“ Navi blickte sich fragend um und machte große Augen, als sie plötzlich etwas am Himmel entdeckte. „Sieh nur!“ Zunächst sah Link nur die dicke, undurchdringlich wirkende Masse grauer Wolken, doch dann bemerkte er die kleinen, weißen Flöckchen, die leicht wie Daunenfedern Richtung Erde schwebten. „Schnee!“ Mit einem knurrenden Laut beobachtete Navi die langsam zu Boden tanzenden Schneeflocken. Sie hatten fast die Größe von Links kleinem Fingernagel und bedeckten die Welt um die beiden Abenteurer herum mit blendendweißem Puder. „Ich wüsste nicht, dass ich es schon je einmal so schneien gesehen hätte.“ „Doch, natürlich!“, protestierte der Hylianer. „Im Kokiri-Wald lag jedes Jahr ganz viel Schnee!“ „Ja, das ist schon richtig“, knurrte die Fee zurück, „aber nicht mitten im Sommer!“ Je mehr sich die beiden Abenteurer dem Wasserfall näherten, der den Zugang zu dem Reich der Zoras verdeckte, umso mehr kühlte sich die Luft um sie herum ab und desto dichter wurde der Schneefall. Link rieb sich mit den Händen, deren Fingerspitzen bereits leicht blau angelaufen waren, über die Oberarme und wünschte sich, er hätte so einen schönen, kuscheligen Winterumhang dabei wie jenen, den er in seiner Kindheit während der kalten Monate getragen hatte. „Diese Eiseskälte scheint tatsächlich aus der Zora-Höhle zu kommen“, murmelte Navi, während sie ihren Blick auf einen Fleck in weiter Ferne richtete. Im Gegensatz zu Link zitterte sie kein bisschen und hätte beinah entspannt gewirkt, wäre die tiefe Sorgenfalte zwischen ihren Augenbrauen nicht gewesen. „W-Was m-meinst d-du, w-woher d-d-dieser F-Frost k-k-o-ommt?“, fragte Link, der inzwischen so heftig fror, dass er ununterbrochen mit den Zähnen klapperte. Die kleine Feenfrau, die zwischen Eponas aufmerksam aufgestellten Ohren saß, legte den Kopf schief und schien einige Zeit über diese Frage nachzudenken. Doch als das tosende Donnergrollen des Wasserfalls an ihre Ohren drang, schüttelte sie den Kopf. „Ich habe keine Ahnung. Aber wir sollten es schnell herausfinden, bevor du mir noch erfrierst.“ Während Navi etwas besorgt das kältebedingte Rot seiner Nase und Ohrenspitzen betrachtete, ließ Link sich aus dem Sattel gleiten und bedeutete Epona, an dieser Stelle auf ihn zu warten. Die restlichen hundert Meter auf den glatten, mit einer dünnen Eisschicht überzogenen Felsausläufern waren zu gefährlich und der junge Mann fürchtete, seine wertvolle Stute könnte womöglich ausrutschen und sich ein Bein brechen. „Ich wünschte, ich hätte Dornen unter den Sohlen oder so.“ Ganz, ganz langsam setzte Link einen Fuß vor den anderen, wobei er die Arme ausbreitete, um das Gleichgewicht zu halten. Schon sieben Jahre zuvor war der schmale, sich windende Felsweg unwegsam und schwer begehbar gewesen, aber die unnatürliche Kälte hatte das Sprühwasser des Wasserfalls gefrieren lassen, sodass der glatte Fels nun tödlich und spiegelglatt war. Dennoch schaffte der junge Hylianer es irgendwie, das goldene Triforce-Emblem zu erreichen, ohne auch nur ein einziges Mal auszurutschen. Navi, die noch immer auf Eponas Kopf saß, atmete erleichtert auf und ließ die lange, seidige Mähne der Stute los, in die sie sich vor Nervosität hineingekrallt hatte. Link hatte gerade das Wiegenlied beendet, als seine Fee neben ihm erschien. Sie lächelte ihn an und setzte sich auf seine Schulter, bevor sie gemeinsam darauf warteten, dass das Vordach ausgefahren wurde. „Ich glaub das nicht!“ Link stand am Rand des riesigen Wasserbassins und ließ entsetzt seinen Blick schweifen. Auch Navi machte große Augen und schüttelte ungläubig mit dem Kopf, wobei ihr langes, goldenes Haar sanfte Wellen in der Luft warf. Alles in der Zora-Höhle war von einer dicken Schicht weißen Raureifs überzogen und das Wasserbassin, in dem sieben Jahre zuvor klares, leicht türkisenes Wasser geglitzert hatte, war komplett zugefroren. Sogar der kleine Wasserfall, der sich hier einst in die Tiefe gestürzt hatte, war vollständig zu Eis erstarrt. „Sieht aus, als wäre diese mörderische Kälte unglaublich plötzlich und schnell gekommen.“ „Wie kommst du darauf?“ Der Hylianer legte die Stirn in Falten und machte ein ratloses Gesicht, während seine Fee auf den Wasserfall deutete. „Deswegen. Wäre der Frost langsam gekommen, dann wäre das Wasser nach und nach zugefroren, was bedeutet hätte, dass der Wasserfall immer kleiner und dünner geworden wäre, bis er gänzlich verschwunden wäre. Hätte diese Eiseskälte nicht schlagartig eingesetzt, würdest du von dem Wasserfall höchstens ein paar Eiszapfen sehen. Aber so sieht er eher aus wie... schockgefrostet.“ Langsam und noch immer fassungslos vor Entsetzen wandte Link sich um und schritt in Richtung Thronsaal davon. Geistesabwesend registrierte Navi wie sich das Licht durch einen besonders dicken und klaren Eiszapfen in viele einzelne, bunte Farben brach. Gerne hätte sie ihren Schützling darauf aufmerksam gemacht, doch sie befürchtete, er könnte ungehalten reagieren. Denn obwohl sie sich eingestehen musste, dass sie das glitzernde und funkelnde Eis unglaublich bezaubernd fand, war sie sich sicher, dass Link angesichts der Situation diese Auffassung nicht geteilt hätte. Deswegen erfreute sie sich stumm an der stillen Schönheit der Eisblumen, die sich die grauen Felswände emporrankten. Im Thronsaal erwartete die Beiden jedoch schon der nächste Schock, als sie eine leblose Gestalt auf dem Thron sitzen sahen. Schnell stürzte Link zu dem imposanten Zora herüber und trommelte mit den Fäusten gegen das dicke, rot schimmernde Eis, das den Körper des alten Regenten einschloss. „Ich glaube, das ist sinnlos.“ Navis Stimme war kaum mehr als ein kleines, dünnes Flüstern und doch fielen ihre Worte tonnenschwer in die eisige Stille. Link wollte sie gerade anfahren, dass sie die Hoffnung viel zu früh aufgab, als plötzlich eine andere Stimme ertönte: „Du irrst dich, holde Fee. Dies ist kein gewöhnliches Eis.“ Erschrocken wirbelten Link und Navi herum und entdeckten Shiek, der in dem schmalen Durchgang stand, durch den Link sieben Jahre zuvor von den aufgebrachten Zoras getrieben worden war. Mit offen stehendem Mund beobachtete der Hylianer, wie sich der Shiekah eine Strähne aus dem Auge strich, und fragte sich, warum dieser sonderbare Mann ihn nicht einfach gleich begleitete, wenn er sowieso ständig dort auftauchte, wo er hin ging. „Dieses rote Eis ist nicht etwa Resultat der extremen Wetterverhältnisse, die hier zurzeit herrschen, sondern Ergebnis eines Schutzzaubers“, erklärte Shiek, während er gemäßigten Schrittes den beiden Abenteurern näherte. Navi zog zweifelnd die Augenbrauen zusammen, während Link schnell von einem Fuß auf den anderen trat, um seinen ausgekühlten Körper wieder ein wenig aufzuwärmen. „Besonders geschützt sieht er aber nicht aus.“ Die Fee deutete mit einem Kopfnicken in Richtung des Zora-Königs. Shiek zuckte mit den Schultern und entgegnete: „Das mag sein, aber auch wenn es schwer vorstellbar ist, im Inneren dieses roten Eiskristalls ist es schön warm und vermutlich sehr viel angenehmer als hier.“ „D-Dann hat sich Kö-König Z-Zora also n-noch re-retten kön-nen, be-bevor hier a-a-alles zu Ei-Eis ersta-starrte?“, schaltete sich Link ins Gespräch ein, aber Shiek schüttelte wieder einmal mit dem Kopf. „Nein. König Zora ist nicht in der Lage, Magie zu wirken. Lord Jabu-Jabu war derjenige, der den Schutzzauber ausgesprochen hat. Vermutlich sollte er die gesamte Zora-Höhle einschließen, doch ich muss wohl nicht erwähnen, dass das nicht gelungen ist.“ Navi umschwirrte den seltsamen, roten Eiskristall und versuchte, ein Lebenszeichen von dem eingefrorenen Regenten zu entdecken. Als dieser kurz blinzelte, zuckte sie dennoch heftig zusammen, weil sie trotz der Worte des Shiekahs nicht daran geglaubt hatte, dass der Zora-Regent noch lebte. Mit einem Lächeln in der Stimme fragte Shiek: „Siehst du? Ich spreche die Wahrheit.“ Die Fee brummte eine unverständliche Antwort und verzog sich in Links lange Mütze. Dieser Shiekah war ihr unheimlich, doch sie konnte nicht sagen, warum eigentlich, und kam sich lächerlich vor. Wenn er wenigstens gelogen hätte, hätte sie ihre Gefühle besser verstehen können, doch so war sie beinah beleidigt, dass Shiek auf ihrer Seite zu stehen schien. „H-Hast d-d-du ei-eine A-A-Ahn-n-n-nung-g, w-warum d-d-der Sch-Sch-Schutz-z-zaub-b-ber sch-schief gega-a-ng-g-gen i-i-ist?“ Jetzt, wo Link sich langsam an den Anblick des zugefrorenen Zora Reichs gewöhnte und das Adrenalin seinen Blutkreislauf verließ, schlich sich die Kälte wieder in seine Knochen und ließ ihn erneut heftig mit den Zähnen klappern. „Ich weiß es nicht genau“, räumte Shiek ein, „aber ich vermute, dass der Zauber außer Kontrolle geriet, als Lord Jabu-Jabu noch während der Anwendung erfror.“ Link machte große Augen und wollte etwas sagen, doch bevor er ein Wort über die zitternden Lippen bekommen konnte, fuhr Shiek fort: „In der Nähe der Quelle gibt es eine Höhle, in der schon seit Urzeiten das legendäre blaue Feuer brennt. Finde diese Höhle und bring ein wenig von diesem Feuer hierher, um damit König Zora aufzutauen.“ „Toller Plan!“, tönte es aus den Tiefen von Links Mütze und Navi krabbelte geschwind zurück auf seine Schulter. „Wenn wir ihn auftauen, erfriert er hier doch sofort!“ Mit einem unglücklichen Gesicht legte Link den Kopf schief. „D-D-Da h-ha-a-att s-s-sie w-w-w-wohl rech-ch-cht-t-t.“ „Nicht, wenn du ihm das hier gibst.“ Der Shiekah langte unter seinen Brustschutz und zog eine kleine Ampulle hervor, in der eine goldene Flüssigkeit hin und her schwappte. „Was ist das?“ Navi riss neugierig die Augen auf und beobachtete Links Versuche, die kleine Ampulle trotz der heftig zitternden Hände in seinem Lederbeutel zu verstauen. „Das sind wenige Milliliter Göttinnentränen. Sie schützen vor Hunger und Durst, aber auch vor extremer Hitze und Kälte.“ Shiek taxierte Link mit einem fast besorgten Ausdruck in seinem unverdeckten Auge. „Leider ist dieses Wundermittel nur sehr schwer zu beschaffen, deswegen kann ich dir bedauerlicherweise keine Ration für dich selbst geben. Du wirst dich hiermit begnügen müssen.“ Mit einer flinken Bewegung langte der junge Mann hinter seinen Rückenschutz und zog einen sorgfältig gefalteten Wollumhang hervor, der auf der Innenseite mit flauschigem Tierfell besetzt war. „Hier, nimm diesen Umhang. Er wird dich vor dem Erfrierungstod retten.“ Dankbar nahm Link das Kleidungsstück entgegen und warf es sich über die Schultern. Sofort breitete sich eine wohlige Wärme in seinem ausgekühlten Körper aus und er kuschelte sich tiefer in den weichen Stoff. Zwar würde er für den Moment ohne Schild auskommen und die Schwertscheide an seiner Hüfte befestigen müssen, doch für nichts auf der Welt hätte er in diesem Moment den Umhang wieder hergegeben. Als er Shiek danken wollte, kam dieser ihm jedoch abermals zuvor: „Finde das blaue Feuer. Ich muss noch etwas erledigen, bin aber bald wieder da.“ Mit diesen Worten wandte er sich um und rannte den Gang hinab. „Warte!“ Link, dem wieder bewusst wurde, dass dieser Weg zum Wasserfall führte, stürzte hinter dem Shiekah her, um ihn zu warnen, doch er war zu langsam. Er sah nur noch wie Shiek über die gefrorenen Wassermassen sprang und in die Tiefe stürzte. Erschrocken eilte Link bis zum Rand und staunte nicht schlecht, als er hinab blickte. Shiek war leichtfüßig wie eine Katze gelandet und lief offensichtlich ohne Verletzungen über die wie blankpoliert wirkende Eisfläche. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)