Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 31: Schloss und Schlüssel --------------------------------- Als Link am nächsten Morgen die Augen aufschlug, brauchte er ein paar Minuten, um sich zu orientieren. Er lag auf einem dicken Strohlager und blickte an eine niedrige Holzdecke aus kaum behandelten, dunkelbraunen Brettern. Navi hatte sich in einer Falte seiner grünen Tunika eingerollt und schlief leise schnarchend auf seiner Brust. Er schloss wieder die Augen und ließ sich zurück aufs Lager fallen, um zu rekapitulieren, wie er hierhergekommen war. Nach dem Kampf mit Volvagia hatte Hector ihm aus dem Tempel geholfen und ihn zu einer im Vulkan lebenden Feenkönigin gebracht, die Links Verletzungen geheilt hatte. Wieder in Goronia angekommen, hatte der junge Hylianer zuallererst das Goronengewand gegen seine geliebte Kokiri-Tunika eingetauscht und seine Mütze wieder aufgesetzt. Er konnte es zwar nicht erklären, aber ohne seine Kopfbedeckung fühlte der junge Mann sich stets ein wenig unwohl – fast so als würde ein Teil von ihm fehlen. Danach hatte er zusammen mit Hector Darunias Sohn aufgesucht, der fürchterlich geweint hatte, als er davon erfahren hatte, dass sein Vater von nun an als Weiser des Feuers im Heiligen Reich leben würde. Anschließend hatte Hector seinen hylianischen Freund bis nach Kakariko begleitet, wo dieser in Impas Haus ein Quartier bezogen hatte. Laut gähnend streckte der junge Held seine Glieder und kratzte sich an der Brust, wo Navi unwillige Laute von sich gab und darum bettelte noch ein wenig länger schlafen zu dürfen. Sanft nahm Link seine Fee in die Hände und legte sie vorsichtig aufs warme Stroh, bevor er aufstand und ans Waschbecken trat, um sich mit dem kalten Wasser zu waschen, das in einem dezent bemalten Porzellankrug bereitstand. Er stand gerade mit nacktem Oberkörper vor der Waschschüssel, als die Hausvorsteherin breit lächelnd an ihn herantrat. „Guten Morgen, Link. So früh schon wach?“ Der junge Mann griff nach einem bereitliegenden Handtuch und trocknete sich Gesicht, Nacken und Achseln ab, bevor er ein wenig schüchtern zurücklächelte. Obwohl er seine mit Silberketten durchwirkte Leinenhose trug, fühlte er sich ohne seine Tunika vollkommen nackt. „Ja, ich konnte nicht mehr schlafen. Ich glaube, so lange Ganondorf nicht besiegt ist, werde ich nie wieder ruhig schlafen können.“ Gähnend rieb er sich über die Augen mit den dunklen Ringen, während sein Gegenüber verstehend nickte. „Es ist sehr mutig von dir, dich gegen den Großmeister des Bösen zu stellen. Ich wünschte, dieses Land hätte mehr Helden wie dich. Du warst schon als Kind weniger ängstlich als viele dieser selbsternannten ‚Helden’. Aber wie auch immer... Du hast bestimmt Hunger, oder?“ Der junge Hylianer nickte zaghaft und die Hausvorsteherin lächelte ihn erneut an, bevor sie in ihrer schmalen Küche verschwand. Als Link sich seinem Lager zuwandte, um sich wieder anzukleiden, saß Navi aufrecht auf dem Stroh und strahlte ihn an. „Guten Morgen, Großer. Ausgeruht?“ Er grinste breit zurück und stupste sie leicht mit dem Zeigefinger an, als er sich nach seinem Kettenhemd bückte. „Dasselbe könnte ich dich fragen, Schlafmütze.“ Nachdem er sich wieder vollständig angezogen hatte, betrat der Herr der Zeiten gemeinsam mit seiner treuen Begleiterin das winzige Esszimmer, das nahezu vollständig von einem großen, rechteckigen Holztisch mit insgesamt acht Stühlen ausgefüllt wurde. Als er den fast kahlen Mann in blauer Latzhose und weißem Hemd erkannte, der am Kopfende des Tischs saß und eine große Portion Rührei in sich hineinschaufelte, schnappte Link überrascht nach Luft. „Talon!“ Der Besitzer der Lon-Lon-Farm blickte von seinem Frühstück auf und beobachtete Link, der sich auf einen benachbarten Stuhl setzte und ihn unverwandt ansah. „Was machst du denn hier?“ Talon musterte ihn eingehend und legte dann die verbogene Metallgabel zur Seite. In seinem dichten Schnauzbart hingen einige Eierreste, die beim Sprechen auf und ab hüpften, was Link ziemlich ablenkte. „Bist du das, Link?“ Der junge Mann nickte und zwang sich, den Blick endlich von den weißgelben Eierresten abzuwenden. „Ja, ich bin’s. Lange nicht gesehen. Aber sag: Was machst du hier?“ Mit grimmiger Stimme erzählte Talon davon, wie er von Basil von der Farm vertrieben worden war und deswegen hier in Kakariko Zuflucht gesucht hatte, und unterbrach sich nur kurz, als die Hausvorsteherin Link sein aus goldgelbem Rührei, warmem Brot und knusperigem Speck bestehendes Frühstück brachte. Mit der Zunge schob der junge Held einen Bissen Brot in die Wangentasche und nickte, während er mit einer Holzgabel in seinem Rührei herumstocherte. „Davon hab ich bereits gehört, als ich vor kurzem auf der Farm war. Aber ich glaube, du kannst jetzt dorthin zurückkehren. Ich... habe ein ernstes Wort mit Basil gesprochen und glaube nicht, dass er noch einmal Probleme machen wird.“ Nachdem er sein Frühstück beendet hatte, suchte er einen in der Nähe ansässigen Barbier auf und ließ sich rasieren, bevor er seine Waffen, die noch neben seinem Lager lagen, wieder an sich nahm und sich auf den Weg zur Zitadelle der Zeit machte. Epona trank gerade aus dem klaren, in der Nähe fließenden Fluss, als Link und Navi die Treppe herabkamen, wandte sich aber sofort wiehernd um und begrüßte ihren Herrn, als sie seinen Geruch erkannte. Schnell schwang sich der junge Hylianer in den Sattel und lenkte seine treue Stute in Richtung Hyrule-Stadt. „Diese Viecher sind mir nicht geheuer.“ Argwöhnisch betrachtete Link zwei Zombies aus den Augenwinkeln, die über den heruntergekommenen Marktplatz der ehemaligen Hauptstadt schlurften, und fasste die Zügel fester. Navi machte ein schnaufendes Geräusch und betrachtete mit hochgezogenen Augenbrauen ihre schimmernden Fingernägel. „Du verwandelst dich noch in ein echtes Mädchen... Erst bist du plötzlich eitel und jetzt hast du auch noch Angst vor ein paar harmlosen Untoten.“ Errötend berührte Link die glatte Haut über seinen hohen Wangenknochen, schob beleidigt die Unterlippe vor und presste Epona die Unterschenkel gegen die Flanken, was sie in leichten Trab verfallen ließ. Er konnte selbst nicht erklären, warum ihm der Gedanke, Shiek unrasiert und dreckig gegenüberzutreten, unangenehm war, aber deswegen musste Navi noch lange nicht darauf herumreiten… Als er die Zitadelle betrat, dachte Link zunächst, sie sei leer und seufzte enttäuscht. Navi wollte bereits einen gemeinen Witz über seine geplatzte Verabredung machen, als sie Shiek auf den Treppen zum Zeitfels sitzen sahen. Mit einem seltsamen Gefühl in der Magengegend stellte Link fest, dass der Shiekah an genau derselben Stelle saß wie die rothaarige Zelda aus seiner Traumerinnerung. Wenn Link genauer darüber nachdachte, hockte Shiek sogar in der gleichen Position auf den flachen Stufen. Doch bevor er sich weitere Gedanken dazu machen konnte, wandte der Shiekah den Kopf und sah direkt zu ihm herüber. „Du bist endlich hier. Sehr schön.“ Link stemmte eine Faust in die Hüfte, verlagerte sein Gewicht auf das linke Bein und grüßte mit der anderen Hand, während Navi über seine Schulter spazierte. „Du wolltest, dass ich herkomme. Warum?“ Shiek erhob sich langsam und ging auf seinen Besucher zu. „Weil ich dir etwas zeigen wollte.“ Er musterte Link mit einem amüsiert wirkenden Glitzern in seinem Auge. „Hast du eine Ahnung, warum man den legendären Helden den ‚Herrn der Zeiten‘ nennt?“ Der Hylianer zuckte vorsichtig die Schultern, wobei er darauf achtete, seine Fee nicht versehentlich hinunter zu schubsen. „Ich nehme an, weil seine Seele die Zeiten überdauert.“ Shiek schüttelte den Kopf, wodurch seine seidig schimmernden Haare ihm zart über die helle Gesichtshaut strichen. „Nein, das ist nicht der Grund.“ Mit einer eleganten Bewegung deutete er auf den Zeitfels hinter sich. „Der Herr der Zeiten hat die Macht, der Zeit selbst zu gebieten.“ Überrascht riss Link die Augen auf, während Navi ein ungläubiges Gesicht machte. „Du meinst, unser Kleiner hier kann den Lauf der Zeit beeinflussen?“ Mit schief gelegtem Kopf blickte der Shiekah zu der zweifelnden Fee herauf. „Nicht direkt. Aber der Herr der Zeiten hat die Gabe, durch die Zeit zu reisen. Doch dafür braucht er zwei Dinge.“ Der zierliche Mann wandte sich halb um und zeigte wieder auf den kleinen, rechteckigen Stein in der Mitte des Podests. „Der Zeitfels ist das Schloss zum Tor der Zeit und“, er zog dem völlig verdutzten Link sein Schwert aus der Scheide und ließ die edle Klinge im hellen Sonnenlicht, das durch die Buntglasfenster fiel, aufblitzen, „das Master-Schwert ist der Schlüssel dazu.“ Link verschränkte die Arme vor der Brust, während Navi mit offenem Mund auf die heilige Waffe in Shieks Hand starrte. Sie konnte nicht glauben, dass der Shiekah das Master-Schwert anfassen konnte, ohne sich vor Schmerzen zu winden. Eigentlich hätte nur der Herr der Zeiten selbst in der Lage sein dürfen, es in die Hand zu nehmen… „Verstehst du, was ich damit sagen will?“ Shiek sah Link mit einem derartig durchdringenden Blick in seine Augen, dass der Hylianer das Gefühl hatte, der andere Mann würde in ihn hineinschauen. Zögerlich fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen, bevor er sein Schwert wieder an sich nahm, das Shiek ihm mit dem Heft zuerst entgegenhielt. „Wenn ich das Master-Schwert wieder in den Zeitfels stecke, kann ich beliebig durch die Zeit reisen?“ Wieder schüttelte der junge Shiekah den Kopf und bedachte Link mit einem seiner sonderbar liebevollen Blicke. „Nicht beliebig, nein. Durch Zeitfels und Master-Schwert kannst du zwar ein Tor zum Zeitfluss öffnen, doch es ist beschränkt. Du kannst nur zwischen zwei Knotenpunkten hin und her reisen. Steckst du deine heilige Klinge wieder in den Fels, wirst du dich an jenem Tag wiederfinden, an dem du das Zeitportal geöffnet hast. Ziehst du es wieder heraus, reist du zu dem Tag, an dem du es zuletzt hineingestoßen hast.“ „Ich... kann zu jenem Tag zurück?!“ Link starrte Shiek mit großen Augen an, während Navi unruhig mit dem Fuß wippte. „Du wirst Ganondorf nicht daran hindern können, das Heilige Reich zu betreten“, erriet Shiek Links Gedanken. „Selbst wenn du ihn in der Zitadelle entdecken solltest, als Kind bist du ihm nicht gewachsen. Er würde dich umbringen, wenn du ihn angreifen würdest – und dann wäre alles verloren.“ Navi umfasste ihr Kinn mit Daumen und Zeigefinger und legte die Stirn in Falten. „Aber was, wenn Ganondorf dann das Master-Schwert selbst aus dem Zeitfels zieht?“ Ihr Glauben an die Abwehrmechanismen des Schwerts war durch Shieks lockeren Umgang mit der geheiligten Klinge zutiefst erschüttert, aber der Shiekah schüttelte den Kopf. „Das könnte er nicht. Nur rechtschaffende Personen mit einem reinen Herzen sind in der Lage, das Schwert überhaupt zu berühren.“ Link nickte bedächtig und steckte seine Waffe wieder in die dafür vorgesehene Scheide. „Ich danke dir, dass du mir dies alles erzählt hast. Aber ich sollte mich jetzt langsam wieder auf den Weg machen und den nächsten Weisen suchen.“ Shiek legte ihm eine seiner zierlichen, mit schmalen Leinenbändern umwickelten Hände auf die Schulter, was Link zu seiner eigenen Verwunderung nicht unangenehm fand. „Bevor du das tust, solltest du Zoras Reich einen Besuch abstatten. König Zora hat etwas, das du brauchen wirst.“ „Hab Dank für all deine Hilfe.“ Der junge Hylianer wollte sich bereits abwenden und gehen, als der Shiekah den Druck auf seine Schulter erhöhte. „Warte. Ich habe noch einen letzten Rat. Es wird der Tag kommen, an dem du schnell hierher zurückkommen musst. Wie du gesehen hast, befindet sich auch hier eine Teleportierplattform. Höre genau zu und präge dir die Kantate des Lichts gut ein, dann wirst du jederzeit in Windeseile hierherkommen können.“ Mit diesen Worten zückte Shiek seine goldene Lyra und stimmte eine kurze, aber fröhliche Melodie an, in die Link schon bald laut summend miteinfiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)