Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 24: Entschuldigung, kenne ich Sie? ------------------------------------------ Link saß stocksteif im Sattel, während Epona langsam durch die letzten Baumreihen schritt. Navi beobachtete besorgt, wie sich seine Hände vor Nervosität tief in die Mähne des Pferdes gruben. Jetzt hatte er schon so vielen Monstern gegenübergestanden und hatte so viele Gefahren gemeistert, doch der Gedanke an Mido und die anderen ließen ihm noch immer kalte Schauer über den Rücken laufen. Als er die ersten Häuser zwischen den Bäumen erspähte, warf er Navi einen ängstlichen Seitenblick zu: „Meinst du, sie sind immer noch sauer auf mich?“ „Ich glaube nicht. Die Sache mit dem Deku-Baum liegt sieben Jahre zurück und außerdem –“ Navi verstummte mitten im Satz, als Epona sich plötzlich aufbäumte und ein erschrockenes Wiehern ausstieß. Link hatte große Mühe, sich im Sattel zu halten, und blickte sich irritiert um, was seine Stute so erschreckt hatte. Neben ihrem Huf war plötzlich der Kopf einer riesigen Dekuranha aufgetaucht, aber anstatt ängstlich davon zu galoppieren, zermalmte Epona die angriffslustige Pflanze mit ihren Vorderhufen. Schnell sprang Link von ihrem Rücken und ließ seinen Blick schweifen. Sie standen am äußersten Rand des Kokiri-Dorfes, doch anstatt geschäftige oder faulenzende Kokiri zu sehen, erblickte Link nur weitere Deku-Piranias und ein paar vorwitzige Laubkerle. Mit großen, schmerzerfüllten Augen sah er zu Navi auf, die genauso erschüttert wirkte, wie er sich fühlte. „Was ist hier passiert?“ Mit dem Master-Schwert in der Hand kämpfte Link sich durch sein einstiges Heimatdorf in Richtung von Salias Haus. Seine treue Stute folgte ihm dabei auf Schritt und Tritt und zeigte sich mit Angriffen auf die fleischfressenden Dekuranhas als erstaunlich wehrhaft. Atemlos stieß er durch Salias Haustür, doch in dem kleinen Wohnschlafraum saß nur ein braunhaariges Mädchen von höchstens dreizehn Jahren, das überrascht aufblickte, als es ihn in den Raum stürmen sah. Das Mädchen, das erstaunliche Ähnlichkeit mit einer damaligen Freundin Salias hatte, stand langsam auf und kam auf ihn zu. „Kann ich etwas für Sie tun, der Herr?“ „Ich suche Salia. Sie lebt doch immer noch hier, nicht wahr?“ Zaghaft lächelnd nickte das Mädchen. „Sind Sie ein Freund von Salia?“ Link dachte an die vielen Tage und Nächte, die er und seine beste Freundin gemeinsam verbracht hatten. „Ja, wir standen uns früher sehr nah.“ Das Mädchen sah ihn ein wenig nachdenklich an. „Sie erinnern mich an jemanden...“ Dann zuckte es die Schultern und deutete in Richtung Tür. „Es tut mir leid. Salia ist nicht hier. Sie wollte in den Waldtempel in den Verlorenen Wäldern gehen und nach dem Rechten sehen. Etwas muss den Schutzgeistern zugestoßen sein, sonst würde es hier nicht so von Monstern wimmeln.“ „Verlorene Wälder sagtest du?“, vergewisserte sich der Herr der Zeiten mit angespannt klingender Stimme. Als das Mädchen nickte, sah Link den seltsamen Gebäudevorbau vor sich, den er auf der Heiligen Lichtung entdeckt hatte, als er Salia unbedingt hatte besuchen müssen. Schnell bedankte er sich bei dem Mädchen und eilte in Richtung Wälder davon. Am Eingang der Verlorenen Wälder drehte der junge Mann sich zu seiner folgsamen Stute um. „Du bleibst hier, Epona. Dort drinnen ist der Weg viel zu unbegehbar für dich und ich will nicht, dass du dich an irgendwelchen Dornenbüschen verletzt oder so. Schön im Dorf bleiben, hörst du?“ Das Pferd schnaubte, als habe es ihn verstanden, und blieb tatsächlich stehen, als Link sich umdrehte und in die dunklen Wälder stapfte. In den vergangenen sieben Jahren waren diese noch unwegsamer geworden und Link stolperte alle paar Meter über Wurzeln oder bekam tiefhängende Zweige ins Gesicht geschlagen. „Dort vorne ist der Durchgang, der hoch zur Lichtung führt.“ Navi deutete auf eine schmale Lücke zwischen der grünen Blätterwand. Link folgte ihrem ausgestreckten Arm mit den Augen und erstarrte. Vor dem Gang stand ein grüngewandeter Junge, der genauso aussah wie Mido damals. Sogar der Schnitt der rotblonden Haare war derselbe. Mit einem beklemmenden Gefühl in der Magengegend ging der Recke auf den jungen Kokiri zu und bat ihn höflich, zur Seite zu treten. Doch dieser holte nur eine bedrohlich wirkende Keule hinter dem Rücken hervor und sah Link skeptisch an. „Tut mir leid, edler Herr, aber ich habe einer Freundin versprochen, niemanden passieren zu lassen.“ Link zog es schmerzhaft den Magen zusammen, als er bemerkte, dass auch die Stimme des Jungen der Midos zum Verwechseln ähnlich war. Das seltsame Gefühl, etwas Wichtiges verpasst zu haben, beiseite schiebend insistierte der junge Mann: „Aber ich muss wirklich dringend auf die Lichtung. Ich habe dort etwas Wichtiges zu erledigen.“ „Nein, tut mir leid. Ich habe es versprochen und werde Salia nicht enttäuschen.“ Link zuckte ein wenig zusammen. Salia war also tatsächlich auf der Heiligen Lichtung. Wie würde sie wohl reagieren, wenn sie ihn wiedersehen würde? Die Ungeduld, seine beste Freundin so schnell wie möglich wiederzusehen, ließ Links Stimme gereizter klingen als beabsichtigt: „Jetzt komm schon, Kleiner, mach Platz. Ich hab wirklich keine Zeit für solche Spielchen!“ Der vorwitzige Junge lief dunkelrot an. „Spielchen? Ich, Mido, Anführer der Kokiri, spiele keine Spielchen. Das hier ist mein vollkommener Ernst!“ Link war wie vom Blitz getroffen. Mido?! Zaghaft befeuchtete der Herr der Zeiten seine plötzlich trockenen Lippen und fragte ein wenig zögerlich: „Sag mal, wie lange bist du schon Anführer der Kokiri?“ „Seit Ewigkeiten.“ „Auch schon vor sieben Jahren?“ „Was geht Sie das an?“ Link haderte mit sich. Konnte das tatsächlich der Mido sein, den er kannte? Und wenn ja, warum war er kein Stück gealtert? Hieß das etwa, dass das Mädchen aus dem Dorf tatsächlich Salias Freundin war, die er schon von früher kannte? Aber warum war er selbst dann erwachsen geworden? Weil er den Wald verlassen hatte? Die Gedanken wirbelten wie Herbstlaub durch seinen Geist und entzogen sich ihm immer wieder, bevor er sie wirklich zu fassen bekam. Er hatte das Gefühl, ihm würde jeden Augenblick der Schädel platzen. Link atmete tief ein und versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Vielleicht war es ja sogar besser, wenn Mido nicht wusste, wer er wirklich war… „Ich hab vor sieben Jahren in Hyrule-Stadt einen anderen Kokiri getroffen. Er hat mir von seinem kompetenten und klugen Anführer erzählt“, log er in der Hoffnung, dem Kokiri-Anführer mehr Informationen entlocken zu können. Mido blinzelte ihn irritiert an und ließ die Keule sinken. „Hat er? Das kann doch eigentlich nur Link gewesen sein... Aber… Ich hab immer gedacht, er hätte mich gehasst... Grund genug hätte er jedenfalls gehabt – und alles nur, weil ich neidisch auf sein enges Verhältnis zu Salia gewesen bin.“ Der rotblonde Junge stieß einen langgezogenen Seufzer aus. „Ich war so verdammt eifersüchtig damals und heute fehlt er mir...“ Link legte seinem früheren Rivalen eine Hand auf die Schulter und lächelte ihn warm an. „Ich bin mir sicher, das hat er immer gewusst.“ „Meinen Sie?“ „Bestimmt.“ „Danke. Aber passieren lassen kann ich Sie trotzdem nicht.“ „Würdest du Salias Wohl diesem Link anvertrauen?“ Für einen Moment zögerte Mido, doch dann nickte er mit auf den Boden gerichteten Blick. „Ja. Er hätte alles für sie getan, sogar sein Leben gegeben.“ „Dann vertrau das Mädchen auch mir an. Link hat es bereits getan. Als ich ihn damals getroffen habe, hat er mir ein Lied beigebracht, mit der Bitte, Salia an seiner statt zu beschützen, wenn er es irgendwann einmal nicht können sollte.“ Schnell zog Link die Okarina aus seinem Beutel und begann Salias Lied zu spielen. Midos Augen wurden groß und er starrte den jungen Mann vor sich mit offen stehendem Mund an. Als er sich endlich wieder gefasst hatte, trat er langsam zur Seite. „Offensichtlich hat er Ihnen wirklich vertraut – also werde ich das auch tun. Stehen Sie Salia bei, für Link und für mich.“ „Das werde ich. Versprochen.“ Der Herr der Zeiten wollte gerade an Mido vorbei gehen, als dieser ihn ein letztes Mal zurückhielt. „Wissen Sie eigentlich, dass Sie Link erstaunlich ähnlich sehen? Sie haben die gleichen Augen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)