Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 16: Blaublütige Rebellin -------------------------------- Kaum, dass die Beiden die Höhle verlassen hatten, wurde Link auch schon unsanft von einer Schlosswache gepackt. Ein anderer Soldat stand ihm gegenüber und musterte ihn streng. „Das ist doch der kleine Hosenscheißer, der hier letztens schon rumgeschlichen ist. Was hast du hier gemacht?“ „Das geht dich gar nichts an!“ Navi schwirrte dem Mann wie eine Schweißfliege vorm Gesicht herum. Dieser versuchte, sie mit einer unwirschen Handbewegung zu verscheuchen und starrte Link, der stur die Lippen aufeinander presste, grimmig an. Ein junger Soldat, der in der Nähe stand, meldete sich zaghaft zu Wort: „Sir, ich glaube, er ist eine Art Freund von Prinzessin Zelda. Ich habe ihn jedenfalls vor ein paar Tagen zusammen mit Impa in den Innenhöfen gesehen.“ „Schweig!“ Die Stimme des Hauptmanns war schneidend und er ließ Link noch immer nicht aus den Augen, doch nach ein paar Atemzügen wandte er sich zum Gehen. „Schmeißt ihn raus und erklärt ihm, was passiert, wenn er hier noch mal ohne Voranmeldung auftaucht.“ Die Soldaten warfen Link unsanft auf den breiten Weg vor den Schlosstoren, sodass er stürzte und lang auf dem Boden aufschlug. Navi eilte zu ihm und warf den lachenden Männern, die langsam wieder ihre Posten bezogen, bitterböse Blicke zu. Als Link sich aufrichtete, spuckte er ein wenig Sand aus, den er in den Mund bekommen hatte, und verzog das Gesicht. Er war über und über mit staubigem Dreck bedeckt, sogar in seinen Haaren hingen vertrocknete Moosreste. Auf dem Weg zurück in Richtung Hyrule-Stadt sprach keiner der Beiden ein Wort, erst, als sie den überfüllten Marktplatz erreichten, fragte Link: „Wohin geht’s jetzt eigentlich? Hast du eine Ahnung, wo der letzte Stein ist?“ Navi sah ihn aus großen Augen und mit leicht offen stehendem Mund an. Es dauerte einige Herzschläge, bis sie ihm antwortete: „Daran hab ich noch gar nicht gedacht! Und ich hab leider auch keine Ahnung…“ „Hm. Und jetzt?“ Der Junge kratzte sich nachdenklich an der Schläfe, während seine Fee mit den Schultern zuckte. „Ich weiß auch nicht. Vielleicht sollten wir–“ Doch bevor Navi ausführen konnte, was die beiden Abenteurer ihrer Meinung nach als nächstes tun sollten, rief Link: „Ich weiß, was wir jetzt machen!“ Dann rannte er in Richtung Stadttore davon, ohne auf die Reaktion seiner Begleitung zu warten. Wenig später lag Link mit geschlossenen Augen langausgestreckt im Gras, genoss das heiße Prickeln der Mittagssonne auf seiner nackten Brust und lauschte dem leisen Gurgeln des neben ihm fließenden Flusses, während Navi mit schmollendem Gesichtsausdruck neben ihm saß. „Das ist echt unglaublich!“, keifte sie. „Wir haben eine lebenswichtige Aufgabe zu erledigen und du liegst hier faul herum und machst Urlaub!“ Der Junge hob sein rechtes Augenlid halb an und blinzelte zu ihr herüber. „Soll ich etwa halbnackt durch die Gegend laufen?“ „Tze, als wäre das eine Ausrede... Es hat dich ja niemand gezwungen, deine komischen, grünen Kartoffelsäcke zu waschen!“ „Es sind Tuniken und keine Kartoffelsäcke und auch keine Kleider oder Röckchen…“ Link stützte sich auf den linken Ellenbogen und fuhr sich mit der Hand durchs glatte, inzwischen fast trockene Haar. Seine lange Mütze lag neben seinen Stiefeln und mehreren Tuniken, die er in der Nähe zum Trocknen ausgebreitet hatte. Er hatte sogar seinen Gürtel mit dem Wunderbeutel, in dem er inzwischen auch seine Bomben aufbewahrte, abgenommen und neben sich ins weiche Gras gelegt. „Außerdem... Was ist so schlimm daran, dass ich die Zeit, in der ich nachdenke, wo der letzte Heilige Stein sein könnte, genutzt habe, um meine Kleider zu waschen?“, fragte er scheinheilig, woraufhin Navi ihn mit einem Blick bedachte, deutlich zeigte, dass sie sich für dumm verkauft fühlte. „Das Schlimme ist“, erklärte sie nur mühsam beherrscht, „dass du nicht aussiehst, als würdest du nachdenken!“ Mit einem gelangweilten Grunzen ließ Link sich wieder auf den Rücken fallen und streckte die Arme von sich, um möglichst viel von dem warmen Sonnenlicht aufzufangen. „Blablabla…“, murmelte er leise vor sich hin, während ihm eine sanfte Brise einige Haare ins Gesicht wehte. „Hmpf!“ Navi verschränkte die Arme vor der Brust und starrte wütend auf den Fluss, der silbern glitzernd an ihnen vorbeifloss. „Was ist das eigentlich für ein Fluss?“, fragte Link, dem Navis Stummheit nach ein paar Minuten unheimlich wurde. „Das ist der Zora-Fluss. Er entspringt einer Quelle im Reich der Zoras, zieht sich einmal quer durchs Land und speist den großen Hylia-See im Südwesten.“ Man hörte Navis Stimme deutlich an, dass sie lieber beleidigt geschwiegen hätte, der Verslockung, mit ihrem Wissen zu glänzen, aber trotzdem nicht hatte widerstehen können. Link setzte sich auf und betrachtete grüblerisch das Gewässer neben ihm. „Zoras… Zoras… Da war etwas…“ Navi sah zu ihm herauf und musterte sein angespanntes Gesicht mit den zusammengezogenen Augenbrauen und den leicht gespitzten Lippen. Den Mund zu einem maliziösen Lächeln verzogen stichelte sie: „Jetzt siehst du endlich aus, als würdest du nachdenken!“ Link beachtete sie jedoch gar nicht, sondern zog stattdessen seinen Lederbeutel zu sich und holte die Okarina heraus. Bevor Navi nachfragen konnte, was er vorhatte, hatte er die Flöte bereits an die Lippen gehoben und begonnen, die Melodie zu spielen, die Salia ihm beigebracht hatte. „Link! Es ist schön zu hören, dass du mein Lied benutzt!“ Der Junge zuckte zusammen, als der Wind die geflüsterten Worte direkt an seine Ohren trug. Doch trotz der seltsamen Form der Unterhaltung konnte er hören, dass seine beste Freundin ehrlich erfreut war. Während er antwortete, richtete er seinen Blick stur auf die Fee vor ihm, um das Gefühl, Selbstgespräche zu führen, in den Hintergrund zu drängen. „Salia, ich brauche deine Hilfe.“ Für mehrere Momente war es still und Link fragte sich bereits, ob er etwas falsch gemacht hatte, als ihm eine neue Böe Salias Antwort zutrug: „Klar. Was kann ich für dich tun?“ „Erinnerst du dich an die Geschichte, die der Deku-Baum uns über die drei Göttinnen erzählt hat?“, fragte Link etwas zögerlich. Salia lachte sanft. „Welche von den vielen meinst du? „Die, in der es um die besonders gesegneten Völker ging. Kannst du dich erinnern, welches Volk von welcher Göttin bevorzugt wurde?“ Navi guckte freudig überrascht ob der Wendung des Gespräches und lauschte angestrengt auf Salias Worte, doch nur Link war in der Lage sie zu hören. „Lass mich überlegen. Din liebte die stolzen und temperamentvollen Goronen, Farore hatte die verspielten und wagemutigen Kokiri am liebsten und…“ Ihre Stimme wurde allmählich leiser und verlor sich immer mehr, aber die letzten, entscheidenden Worte waren zum Glück gerade noch zu verstehen: „… Nayru bevorzugte die ruhigen und intelligenten Zoras. Link, du–“ Der Rest ihrer Worte wurde vom Wind verschluckt, doch Link verlor keine Zeit damit, sich Gedanken darum zu machen, was sie hatte sagen wollen. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen! Schnell raffte er seine Sachen zusammen und kleidete sich an, während Navi ihn verwirrt beobachtete. Dann wandte er sich mit entschlossener Miene zu seiner Fee um. „Wie komme ich am schnellsten in das Reich der Zoras?“ „Ich fasse es einfach nicht, dass mir das nicht selbst eingefallen ist!“, meckerte Navi leise vor sich hin. Die Beiden waren schon seit Stunden flussaufwärts unterwegs, doch noch immer konnte sie sich nicht damit abfinden, dass ihr nicht selbst die Idee gekommen war, dass der Ohrring der Nayru bei den Zoras sein könnte. Link ging stumm neben ihr und beobachtete einige Fische und Frösche, die durch den Fluss schwammen. Seine Versuche, Navi zu beschwichtigen hatte er schon vor einigen Kilometern aufgegeben. „Ich meine, ich weiß es doch eigentlich! Wie oft hat der Deku-Baum euch Geschichten über Nayru und die Zoras erzählt, während ich auf einem Ast saß und zugehört hab?“ Link seufzte und versuchte, ihr unentwegtes Gemecker auszublenden, als ein entferntes Rauschen an seine Ohren drang. Sofort blieb er wie angewurzelt stehen, spitzte die langen Ohren und lauschte angestrengt. „Was ist das?“ Eine Hand hatte er bereits am Griff seines Schwertes, um sich gegen eventuelle Gegner zu verteidigen, als Navi Entwarnung gab. „Klingt wie ein Wasserfall. Das heißt, wir haben es nicht mehr weit.“ „Was ist ein Wasserfall?“ Link, der den Großteil seines Lebens in den Kokiri-Wäldern verbracht hatte, war jetzt schon von dem vielen Wasser des beeindruckenden Flusses begeistert. Bisher hatte er lediglich kleinere Bachläufe und den künstlich verbreiterten Burggraben von Hyrule-Stadt gesehen. Was ein Wasserfall sein könnte, war ihm völlig schleierhaft. Doch als sie um die nächste Wegbiegung kamen und er die mit lautem Tosen herabstürzenden Wassermassen erblickte, blieb ihm vor Staunen der Mund offen stehen. Als er sich an Navi wandte, musste er aus vollen Lungen brüllen, um das laute Donnern des Wasserfalls zu übertönen: „Das ist ja gigantisch! Und hier leben die Zoras?“ Navi flog dicht an ihn heran und schrie ihm direkt ins Ohr, aber sie hatte dennoch Schwierigkeiten bei all dem Lärm verständlich zu sein: „Angeblich liegt ihr Reich hinter diesem Wasserfall. Doch soweit ich weiß, lassen sie nicht jeden herein. Und jeder, der es unbefugt versucht, wird von den Wassermassen fortgerissen und von der Strömung gegen die Felsen hier ringsum geschleudert. Es gibt nur wenige, die das überlebt haben.“ Link machte ein besorgtes Gesicht und fasste sich selbst an den Hals, so als würde er die Schlinge des Todes bereits um seine Kehle gelegt fühlen. Doch dann drückte er den Rücken durch und rief: „Dann wollen wir mal sehen, wie man da rein kommt!“ Die Lösung dieses Rätsels war jedoch einfacher als gedacht. Vor ihnen führten Felsausläufer wie zwei gebogene Arme hoch zum Wasserfall. Auf dem etwas weiter hinten und höher gelegenen Pfad entdeckte Navi ein goldenes Triforce-Emblem, ähnlich dem, das Link in der Feenhöhle gefunden hatte. Die einzige Schwierigkeit bestand darin, auf dem schmalen Fels nicht auszurutschen. An einigen Stellen war der glatte Stein mit Algen bewachsen und das Sprühwasser des Wasserfalls machte ihn zusätzlich glitschig. Konzentriert setzte Link einen Fuß vor den anderen und breitete die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten. Seinen Blick richtete er stur auf den Weg vor ihm. Dennoch geriet er zweimal ins Rutschen und wäre einmal sogar fast gestürzt. Trotzdem schaffte er es irgendwie ohne Verletzungen bei dem Triforce-Zeichen anzukommen. Erleichtert ließ er die Luft, die er unbewusst angehalten hatte, aus seinen Lungen entweichen und lockerte die angespannten Schultern, bevor er seine Okarina hervorholte. Eine feuchte Strähne hing ihm ins Gesicht und das grobe Leinen seiner klammen Tunika scheuerte über seine Haut, doch er konzentrierte sich voll auf das Wiegenlied der hylianischen Königsfamilie. Als er geendet hatte, ließ der Junge sein Musikinstrument sinken und wartete gespannt. Für unendlich lange Momente passierte gar nichts, doch dann schob sich langsam eine Art dreieckiges Dach aus der Felswand hinter dem Wasserfall, während die untergehende Abendsonne alles in ein warmes Orangerot tauchte. Die herabstürzenden Wassermassen trafen auf das massive Steindach und teilten sich in der Mitte, sodass sie den Blick auf einen unter dem Dach liegenden Höhleneingang freigaben. Navi und Link sahen sich mit einem begeisterten Glänzen in den Augen an und sprangen zu dem neu freigelegten Weg herüber. Nachdem sie ein paar Schritte zurückgelegt hatten, glitt das Dach zurück in seine Ausgangsposition, wobei die Zahnräder des Mechanismus protestierend ächzten. Der Junge beobachtete fasziniert, wie sich der undurchsichtige Wasservorhang wieder vor den Eingang legte. Link und Navi drangen langsam weiter in die Höhle vor. Unter ihnen war ein riesiges Wasserbassin, in dem sauberes, silbrig schimmerndes Wasser funkelte. Ihnen gegenüber stürzte ein weiterer Wasserfall in die Tiefe, doch er war um einiges schmaler als sein Gegenstück draußen und machte auch nur halb so viel Lärm. Die Wände waren mit glänzenden Muscheln überzogen, die das Licht der geschickt platzierten Fackeln so reflektierten, dass die gesamte Höhle taghell erleuchtet war. Alles in allem hätte das Reich der Zoras unendlich friedlich gewirkt, wären seine Bewohner nicht wie aufgescheuchte Hühner umher gelaufen. „Hier ist ja ganz schön was los“, murmelte Link, während er dem schmalen Felspfad weiter nach oben folgte. „Ich frage mich, ob das immer so ist oder ob etwas passiert ist.“ Navis Stimme klang angespannt und sie beobachtete zwei sich wild gestikulierend unterhaltende Zoras. Trotz ihrer offensichtlichen Aufregung wirkten die Wasserwesen beinah übernatürlich elegant. Sie waren allesamt groß – sie überragten Link um gute zwei Köpfe – und hatten einen androgynen Körperbau, sodass nicht auszumachen war, ob es sich um männliche oder weibliche Vertreter ihres Volkes handelte oder gar um beides. Ihre von bläulichweißen Schuppen besetzten Gliedmaßen waren schlank, aber muskulös und hatten an den Gelenken flossenartige Auswüchse. Das Auffälligste jedoch waren die unglaublich langen Hinterköpfe, die wie der Hinterleib eines Delphins geformt waren und den Zoras bis zu den Lenden hingen, und die großen, tiefschwarzen Augen. Navi wandte den Blick von den aufgebrachten Fischwesen ab und schaute zu Link, der mit schief gelegtem Kopf vor einem Wegweiser stand und rätselte. Rechts neben ihm flachte der Weg ab und führte hinab zum Wasser, links wand sich eine Treppe weiter nach oben. „Was hast du?“, fragte sie, als sie zu dem Jungen aufgeschlossen hatte. Er sah kurz zu ihr auf, widmete sich dann jedoch wieder dem Stück beschriebenen Holzes vor seiner Nase. „Ich frage mich, was das heißt.“ „Kannst du etwa nicht lesen?“ Navi war entsetzt und starrte den Jungen, der betreten auf den Boden sah, aus großen Augen an. „Ich bin nun mal mitten im Wald aufgewachsen!“, verteidigte sich Link mit kleinlauter Stimme. „Was willst du erwarten?“ Doch dann änderte sich sein Gesichtsausdruck und er blickte seine Fee ein wenig angesäuert an, bevor er rief: „Natürlich kann ich lesen! Ich bin weder dumm, noch hab ich nicht aufgepasst, wenn der Deku-Baum uns etwas beigebracht hat. Aber das da“, er deutete auf die großen, schwarzen Buchstaben auf dem hellen Holz, „ist weder eine Schrift, noch eine Sprache, die ich je in meinem Leben zuvor gesehen oder gehört habe.“ „Ist ja gut… Du musst nicht gleich so wütend werden, nur weil ich mal kurz an dir gezweifelt habe“, grummelte Navi leise, die Links bösen Blick im Rücken spürte, als sie sich den Wegweiser genauer ansah. „Das ist die Sprache der Zoras. Da steht, dass die Treppe hoch in den Thronsaal führt.“ Link sah sie ein wenig erschrocken an. „Daran hab ich noch nie gedacht, dass andere Völker meine Sprache vielleicht gar nicht sprechen. Was mach ich denn, wenn ich ihnen mein Anliegen nicht erklären kann?“ „Da dürftest du hier keine Probleme haben. Soweit ich weiß, sprechen alle Zoras Hylianisch. Die Königsfamilien sind recht eng befreundet und außerdem pflegen die Zoras enge Handelsbeziehungen mit Hyrule. Fast jeder Fisch, den du auf dem Markt kaufen kannst, wurde von einem Zora gefangen. Man sagt ihnen lediglich nach, dass sie einen sehr eigenartigen Dialekt sprechen.“ „Inwiefern eigenartig?“ „Keine Ahnung.“ Navi zuckte mit den Schultern und deutete die Treppe herauf. „Lass es uns herausfinden. Wenn hier einer weiß, wo sich der Heilige Stein befindet, dann vermutlich der König.“ Geschwind stieg Link die Stufen zum Thronsaal hinauf, nur um dann unsicher wieder ein paar Schritte zurückzuweichen. Der König der Zoras war ein riesiges Wesen, das mehr an einen gestrandeten Wal als an seine schlanken, eleganten Untertanen erinnerte. Er saß am gegenüberliegenden Ende des Saals auf einer von Wasser umspülten Erhöhung und brüllte mit ohrenbetäubender Lautstärke einen jungen Zora an. Link verstand keines der Worte, doch dass es keine Geburtstagsglückwünsche waren, machte schon allein der scharfe Ton klar. Dennoch drückte der Junge entschlossen den Rücken durch und schritt mutig auf das kleine Podest zu, von dem aus Besucher Anfragen an den König stellen konnten. Navi zog sich unter seine Mütze zurück und hob vorsichtig deren Saum ein wenig an, um trotzdem etwas sehen zu können. Mehre Minuten beachtete keines der anwesenden Wasserwesen den Jungen, der ziemlich verloren auf dem großen Steinpodest stand und sich immer wieder räusperte oder mit zaghaften Entschuldigungen für die Störung versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Navi begann in Gedanken bis fünfzig zu zählen und brüllte aus voller Lunge, als Link noch immer nicht zur Kenntnis genommen worden war, als sie die Fünfzig erreichte: „Sollen wir uns hier die Beine in den Bauch stehen, ihr verfluchten, versnobten Fischköpfe?“ Link zuckte bei ihrem Wutausbruch fürchterlich zusammen und schwor sich, demjenigen, der ihm erzählt hatte, Feen seien sanftmütige Wesen, bei der nächsten Gelegenheit für diese infame Lüge ordentlich vors Schienbein zu treten. Sämtliche Zoras im Raum verstummten abrupt und drehten sich mit einem verärgerten Ausdruck in den großen, schwarzen, leicht eckigen Augen zu ihm um. Lediglich die Augen des Königs waren rund und von einem blassen Hellblau, bemerkte Link, bevor das Geschrei wieder von vorne anfing. Die verschiedenen Stimmen wirbelten durch den Raum und verwoben sich zu einem unverständlichen Gemurmel. Doch als der König den Mund auftat, übertönten seine Worte alles andere Gesprochene im Raum. Vielleicht lag das aber auch nur daran, dass er als Einziger Hylianisch sprach, überlegte Link. Der König zeigte mit einem kurzen, viel zu dünnen Arm auf ihn: „Man werfe diese Ausgeburt der Impertinenz sofort hinaus! Hinfort mit ihm!“ Link stolperte rückwärts und versuchte den in einer Front auf ihn zukommenden Zoras auszuweichen, während er wild mit den Armen vor sich in der Luft fuchtelte. „Wartet! Wartet! Ich habe ein wirklich wichtiges Anliegen. Ich wollte nicht, dass euer König oder ihr beleidigt werdet, aber ihr kennt ja Feen…“ Er lachte nervös, als er ein paar Schritte zur Seite machte, um nicht die Treppe heruntergestoßen zu werden. Doch anstatt sich wieder in den Raum hinein zu bewegen, trieben ihn die Zoras einen anderen Gang hinab. Das etwa knöchelhohe Wasser, das den Boden in Thronsaal und Gang bedeckte, schränkte Links Bewegungsfreiheit stark ein, aber die Zoras schienen dadurch kein Stück beeinträchtigt zu sein. Hinter sich vernahm der Junge plötzlich das laute Tosen des Wasserfalls. „Na super… Das hat mir gerade noch gefehlt. Warum nur musst du immer so eine große Klappe haben, Navi?!“ Die Stimme der Fee klang ein wenig zerknirscht, als sie antwortete: „Entschuldige. Ich wollte doch nur, dass man dich beachtet.“ „Danke“, murmelte der junge Abenteurer zynisch, „aber das ist ein bisschen zu viel Beachtung…“ Die Zoras trieben Link immer weiter auf den Abgrund zu und Panik drückte sich seine Kehle hoch, als Navi eine Idee kam: „Vielleicht ist das jetzt der richtige Zeitpunkt, um Dins Feuerinferno zu testen.“ Link war sich nicht sicher, ob er so einen mächtigen Zauber tatsächlich gegen die Zoras einsetzen sollte, doch ein Blick über die Schulter zeigte ihm, dass er keine Zeit hatte, um zu zweifeln. Schnell griff er nach seinem Wunderbeutel, aber bevor seine Hand auch nur das Leder berührt hatte, stieß ihn eines der Wasserwesen den Wasserfall hinab. Von oben hörte er aufgebrachte Stimmen, doch Navis schrilles Kreischen machte ihre Worte unverständlich, bevor auch die Fee gurgelnd verstummte, als sie zusammen mit Link nach einem tiefen Fall ins Wasser stürzte. Sofort wurde der Junge von der Strömung unter die Oberfläche gerissen und davon gespült. Aus den Augenwinkeln sah er undeutlich eine Art breites, goldgefasstes Tor auf sich zu kommen. Kaum, dass die Strömung ihn durch den Durchgang gedrückt hatte, wurde er auch schon augenblicklich von unsichtbaren Kräften hin und her geworfen. Er drehte sich so heftig, dass er nicht einmal mehr wusste, wo oben und wo unten war. Plötzlich schlug er hart auf dem Boden auf und schluckte vor Überraschung einen ganzen Mund voll leicht abgestanden schmeckenden Wassers. Die Strömung ließ ihn über den sandigen Untergrund schrappen und schleuderte ihn schließlich mit voller Wucht gegen einen Felsen. Für einen kurzen Moment sah Link einen hellen Lichtblitz, gefolgt von kleinen Sternchen, doch schon im nächsten wurde die Welt um ihn herum schwarz. Er träumte, er säße zusammen mit Salia hoch oben im Wipfel des Deku-Baumes, wie er es so oft getan hatte, während der Schutzpatron der Wälder seinen Schützlingen eine Geschichte erzählt hatte. Eine leichte Brise strich über den Kokiri-Wald und brachte die Blätter der Bäume zu einem melodischen Rauschen. Salia saß neben ihm, hielt seine Hand und deutete auf einen hellen Klecks am Horizont. Was auch immer es war, es war zu weit weg, um es zu erkennen. Die grelle Mittagssonne ließ Salias elfenbeinfarbene Haut in einem unnatürlichen, fast gespenstischen Weiß leuchten, doch ihre Stimme klang so vertraut wie eh und je: „Dort lebt die Prinzessin. Sie wartet auf dich. Lass sie nicht warten, Link. Lass sie nicht warten…“ Das friedliche Bild seines Heimatwaldes und seiner besten Freundin entfernte sich immer mehr, bis es sich ganz auflöste und er allein in der Dunkelheit zurückblieb. Lediglich Salias Stimme blieb bei ihm, hüllte ihn ein und bewahrte ihn vor dem Sturz in die Finsternis. Doch irgendwie klang sie nun eigenartig… „Link! Hey! Link! Hörst du mich? Link!“ Langsam begannen seine Augenlider zu flattern und er hörte neben Salias Stimme das entfernte Plätschern von Wasser und leise Rufe von Nachtvögeln. „Link? Link! Oh, bei den Göttinnen! Du lebst!“ Endlich erkannte er, dass es nicht Salias, sondern Navis Stimme gewesen war, die er gehört hatte. Er schlug die Augen auf, würgte und spie einen Schwall Wasser aus, bevor er sich wieder mit geschlossenen Lidern auf den Rücken fallen ließ und tief Luft holte. Navi streichelte ihm über die Wange und murmelte beschwichtigend vor sich hin, aber Link war sich nicht sicher, ob sie ihn oder sich selbst beruhigen wollte. Über ihr konnte Link einen wunderschönen, sternenübersäten Nachthimmel sehen, der ihm ein Gefühl von Frieden und Ruhe vermittelte. Der Junge holte tief Luft und verzog das Gesicht. Seine vom geschluckten Wasser gereizten Lungen schmerzten ebenso wie sein gesamter Körper. Vorsichtig stützte er sich auf die Ellenbogen und blickte sich um. Er lag auf einer Wiese in der Nähe eines riesigen Sees mit dunkelblauem Wasser, Navi stand mit besorgtem Gesichtsausdruck auf seiner Brust und neben seinen Füßen kniete ein Zora, der ihn aufmerksam musterte. Erschrocken wich Link so gut er auf dem Rücken liegend konnte zurück. Navi purzelte bei seinem plötzlichen Rückzug von seinem Oberkörper und plumpste ziemlich unsanft auf den Boden. Der Zora jedoch blieb unbewegt sitzen und beobachtete ihn aus seinen großen Augen. „Link, hey, ganz ruhig. Das ist Mia. Sie hat dich gerettet, als du vorhin beinah im Hylia-See ertrunken wärst“, beeilte sich Navi zu erklären. Ängstlich betrachtete Link die junge Zora-Frau, die ihn zaghaft anlächelte. Als sie sprach, war ihre Stimme seidig und weich. „Ihr legt ein recht eigentümliches Verhalten an den Tag, Sire.“ Link warf angesichts der gestelzten Sprache Navi einen irritierten Blick zu, doch diese zuckte nur mit den Schultern. „Wie kommt es, dass Ihr so furchtsam auf einen Zora reagiert?“ Mia legte den Kopf schief und betrachtete den Jungen vor sich mit ehrlicher Neugierde. „Könnte daran liegen, dass ein paar von euch versucht haben, mich zu ertränken.“ Link erschrak selbst ein wenig darüber wie abweisend seine Stimme klang. Mia war in der Zora-Höhle nicht dabei gewesen. Warum behandelte er sie als hätte sie persönlich Hand an ihn gelegt? Er nahm sich vor, sich in Zukunft mehr zusammenzureißen und Mia so unbefangen wie möglich zu behandeln. Mias Augen wurden noch eine Spur größer und sie sah Link verständnislos an. „Bitte? Ich verstehe nicht.“ Schnell fasste Navi die zurücklegenden Ereignisse zusammen und berichtete ihrer neuen Bekannten, was passiert war, bevor diese Link bewusstlos im See treibend gefunden hatte. Als sie geendet hatte, blickte Mia nachdenklich auf ihre in ihrem Schoß gefalteten Hände. „Ich empfinde unendliches Bedauern, Sire. Ihr seid zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt in unser Reich gekommen. Unter normalen Umständen hätte das nie passieren können. Ich hoffe, Ihr könnt meinem Volk vergeben.“ „Aber was ist eigentlich los?“, fragte Link, der sich langsam aufsetzte und die Beine zu einem Schneidersitz übereinander legte. Mia seufzte übertrieben und richtete ihren Blick auf den ruhig daliegenden See. „Ihr werdet es nicht für möglich halten, Sire, aber unsere Prinzessin ist uns abhandengekommen.“ „Wie kann man denn eine Person verlieren, geschweige denn ein Mitglied der königlichen Familie?“ Navi klang zutiefst erstaunt und ihre Augen glitzerten erwartungsvoll. Die Zora-Frau wurde ein wenig rot, was im fahlen Mondlicht jedoch kaum zu erkennen war. „Der Sachverhalt ist ein wenig anders gelegen, Mylady.“ Navi machte ob der Anrede große Augen, doch Link gab ihr mit dem Zeigefinger einen leichten Klaps gegen den Hinterkopf und warf ihr einen drohenden Blick zu, der sie warnte, auf dem Teppich zu bleiben. „Die Wahrheit ist leider, dass Prinzessin Ruto… nun ja… Die junge Mistress hat sich freiwillig entschieden, dem Hofe fern zu bleiben… mal wieder.“ „Du meinst, sie ist abgehauen?!“ Mia machte angesichts von Navis Nachfrage ein zerknirschtes Gesicht und Link sah seine Fee tadelnd an. „Sei nicht immer so unsensibel!“ Eine Windböe fegte über die Wiese und ließ Link, dessen Kleider noch immer völlig durchnässt waren, frösteln. Dabei stach der Zora-Frau etwas ins Auge. „Da haben sich ein paar Schlingpflanzen in Eurem Gürtel verfangen, Sire.“ „Was? Oh, danke für den Hinweis.“ Link lächelte zu ihr herauf, was sie mit einem breiten Grinsen quittierte, bei dem sie eine Reihe blendendweißer, rasiermesserscharfer Haifischzähne zeigte. Schnell guckte der Junge weg und bemerkte etwas Glänzendes zwischen dem grünen Wirrwarr, das sich in seinem Gürtel verheddert hatte. „Hey, seht mal. In dem Grünzeug hing eine Flasche und da ist ein Brief drin.“ Er hob das schmale, mit einem Korken verschlossene Glasgefäß hoch und Navi trat aufgeregt von einem Fuß auf den nächsten. „Hui, Flaschenpost! Was steht drin? Das ist ja so spannend!“ Vorsichtig schüttelte der Junge das braune Stück Papier heraus und rollte es aus, bevor er laut vorlas: „Hilfe, ich bin im Bauch von Lord Jabu-Jabu und brauche jemanden, der mir hilft. Gezeichnet: Prinzessin Ruto. P.S.: Sag’s nicht meinem Daddy.” Langsam ließ Link das Papier sinken und blickte zu Mia hinüber, die stocksteif dasaß und ihn entsetzt anstarrte. „Das… das… kann nicht sein“, stammelte sie, doch schon bald erlangte sie ihre Fassung zurück. „Wir müssen diesen Brief sofort König Zora zeigen. Er wird an der Handschrift ablesen können, ob er wahrhaftig der Feder der jungen Mistress entstammt. Schnell, haltet Euch an mir fest. Ich bringe Euch durch das Portal zurück in die Zora-Höhle, Sire.“ Die Rückreise war auf Grund von Mias Schwimmfertigkeiten nur halb so holperig, aber dennoch nicht viel angenehmer. Link spürte noch immer die immensen Kräfte, die an ihm zogen und zerrten, und er klammerte sich fester an den Zora, der von der Strömung nicht das Geringste zu bemerken schien. Zwar fühlte er sich in Mias Armen schon irgendwie sicher, doch trotzdem war ihm wohler, als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Schnell wrang er seine Mütze aus, wischte sich die nassen Haare aus dem Gesicht und versuchte, so viel Wasser wie möglich aus seiner Tunika zu streichen, bevor er zu der jungen Zora-Frau aufschloss, die schon ungeduldig vor dem einzigen Wegweiser der Zora-Höhle wartete. Als sie den Thronsaal betraten, funkelten die anwesenden Zoras Link feindselig an. Der Junge zog instinktiv die Schultern leicht vor und versuchte, sich unter ihren Blicken hinweg zu ducken. Mia jedoch schritt zielstrebig auf das steinerne Podest zu. Ohne zum Sprechen aufgefordert worden zu sein, platzte es einfach aus ihr heraus: „Euer Hoheit, ich glaube, wir wissen, wo sich Eure Tochter aufhält!“ Sofort fixierte der feiste Regent sie mit seinen unnatürlich hellen Augen und sah sie erwartungsvoll an. „Dieser junge Recke hier“, sie deutete auf Link, der ein wenig verlegen in die Runde winkte, „hat eine Flaschenpost gefunden, die Aufschluss über den Verbleib der ehrwürdigen Prinzessin Ruto liefern könnte. Wir bitten Euch nur, die Echtheit des Briefes zu prüfen.“ Dann wandte sie sich an Link und beorderte ihn zu sich. „Sire, kommt näher und zeigt Euren wertvollen Fund.“ König Zora drehte und wendete das dünne Blatt Papier und studierte es eingehend, während Link es langsam mit der Angst zutun bekam. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was die Zoras mit ihm anstellten, sollte der Brief nicht echt sein. Dann endlich ließ der Herrscher den vergilbten Zettel sinken und starrte Link entsetzt an. „Das kann nicht sein! Sire, sagt, wo habt Ihr dieses Schreiben entdeckt?“ Bevor er antworten konnte, musste der Junge sich räuspern und wurde von mindestens sieben Augenpaaren ungeduldig gemustert. „Auf dem Grund des Hylia-Sees, glaube ich.“ „Ihr glaubt es lediglich und wisst es nicht?“ „Nun ja, ich war ohnmächtig und als ich wieder zu mir kam, hing die Flasche zwischen ein paar Pflanzen, die sich in meinem Gürtel verfangen hatten.“ Der imposante Zora machte ein nachdenkliches Gesicht, als sich sein Berater einschaltete: „Es ist durchaus möglich, dass die Flaschenpost bis zum Hylia-See gespült wurde, wenn Prinzessin Ruto sie in die Quelle geworfen hat.“ Der König taxierte Link für einige unendlich lang erscheinende Herzschläge und klatschte dann in die Hände. „So soll es sein. Sire, Ihr werdet unsere Prinzessin im Bauch von Lord Jabu-Jabu suchen. Sollte dieser Brief nicht der Wahrheit entsprechen, kann ich es nicht erlauben, dass auch nur ein Angehöriger meines Volkes nicht in den Gewässern Hyrules auf der Suche nach ihr ist. Deswegen werdet Ihr gehen.“ „Aber Eure Lordschaft!“, meldete sich ein weiterer Zora zu Wort. „Ihr könnt doch nicht wirklich gewillt sein, einen Hylianer zu Lord Jabu-Jabu zu schicken. Er ist unser Schutzgeist und darf unter keinen Umständen dermaßen entweiht werden!“ Link wollte bereits protestieren, dass er gar kein Hylianer, sondern Kokiri war, doch etwas in dem Blick des Zora-Regenten hielt ihn zurück. Außerdem war er sich ziemlich sicher, dass dieser Unterschied vermutlich gar nichts zur Sache tat. Der König bedachte den vorlauten Zora mit einem vernichtenden Blick und donnerte: „Schweigt still! Ich habe mich entschieden.“ Der Andere wollte noch etwas entgegnen, doch sein Regent hatte sich bereits wieder der kleinen Gruppe auf dem Podest zugewandt. „Lady Mia, Ihr besorgt den Opferfisch und Ihr, Lord Kallaha”, er richtete seinen Blick auf einen der Umstehenden, „geleitet unseren Gast zu Lord Jabu-Jabus Quelle.” Ein besonders muskulöser Zora trat vor und bedeutete Link und Navi, ihm zu folgen. Unterdessen entfernte Mia sich in Richtung Wasserfall, ohne sich von ihren neuen Bekannten verabschiedet zu haben. Kallaha führte die Beiden durch einen versteckt gelegenen Durchgang hinter den Thronsaal, während Link langsam hinter dem Fischwesenkrieger her schritt und Navi einen besorgten Blick zuwarf. Wozu im Namen der Göttinnen brauchten sie einen Opferfisch? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)