Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 9: Im Schloss --------------------- Als sie das Schloss erreichten, hatte sich bereits die Dämmerung herabgesenkt und abendlicher Nebel schwebte kurz über dem Boden. „Das Wetter kommt uns gelegen“, überlegte Navi, während Link nach einer Möglichkeit suchte, das große Eingangstor zu umgehen. „Bei dem Nebel dürfte es den Wachen schwer fallen, uns auszumachen.“ „Das werden wir gleich sehen.“ Link deutete auf eine kräftige Kletterpflanze an der Wand, an der man bis zu einem Felsvorsprung hochklettern konnte. So schnell er konnte erklomm er die Felswand und schlich über das Mauerwerk des Tors, doch in diesem Moment stieg gerade ein Soldat, der seine Pause mit einem Tee versüßen wollte, die Leiter im Dach des Tors zum Pausenraum herab und entdeckte den Jungen. Unsanft wurde Link herausgeworfen und stürzte in den Dreck, während Navi dem Wachmann einen Schwall Schimpfworte hinterherschickte. Frustriert klopfte Link den Schmutz aus seinen Kleidern und schlurfte mit finsterer Miene wieder in Richtung Stadt davon. „Ich vermute, ein zweiter Versuch hat heute keinen Sinn mehr. Denn jetzt sind die Wachen vorgewarnt.“ Wütend trat er gegen einen herumliegenden Stein, der mit einem lauten Krachen knapp neben einem Kopf mit rotbraunem Haar gegen die Felswand knallte. „Malon! Entschuldige bitte! Ich hab dich gar nicht gesehen.“ Erschrocken eilte Link auf seine neue Bekannte zu, die lässig an der rauen Steinwand lehnte. „Kein Problem.“ Das Mädchen lächelte ihn herzlich an. „Du versuchst ins Schloss zu kommen?“ Link nickte und guckte deprimiert. „Ja, aber das kann ich mir jetzt wohl abschminken.“ Malon legte den Kopf schief und überlegte kurz. „Ich werde dir helfen, aber dafür musst du mir einen Gefallen tun. Mein Vater ist heute Morgen aufgebrochen, um Milch auszuliefern, und ist bis jetzt noch nicht zurückgekehrt. Ich bin mir sicher, er ist mal wieder irgendwo eingeschlafen. Deswegen bitte ich dich darum, Ausschau nach meinem Vater zu halten, wenn du da drin bist, und ihn nach Hause zu schicken, wenn du ihn findest. Hier, nimm dies. Es wird dir bei meinem Vater gute Dienste leisten.“ Malon kicherte leise und reichte Link ein schlafendes Huhn. „Sobald die Sonne aufgeht, wacht dieses kleine, fleißige Tierchen auf und kräht dann auf Befehl. Du musst ihm einfach nur den Hals kraulen.“ Plötzlich beugte sich das Mädchen vor, hauchte dem verblüfft aus der Wäsche guckenden Link einen Kuss auf die Wange und lief dann zum Tor, um die Wachen in ein Gespräch zu verwickeln. Link steckte das schlafende Tier in seinen Wunderbeutel und hoffte, dass ihm das nicht schadete. Sobald er den Felsvorsprung erreicht hatte, befreite er das Huhn wieder aus dem Ledersack, tastete sich leise weiter und sprang in die Tiefe. Geschickt rollte er sich auf dem Boden ab, wobei er das Federvieh mit seinem Körper vor Verletzungen schützte, und schlich durch den weitläufigen Park auf das riesige Schlossgebäude zu. Schon von weitem konnte er die großen Holzkisten mit dem aufgedruckten Kuhkopf sehen, die vor dem Bediensteteneingang abgeladen worden waren. Neben dem Rinderkopf prangte auf jeder Seite in dicken, braunen Lettern das Wort „Lon-Lon-Farm“. Link schlich um die Kisten herum und entdeckte einen großen, dickbäuchigen Mann in blauer Latzhose, der sich auf dem Boden zusammengerollt hatte und in tiefen Schlaf gesunken war. „Das ist wohl der Vater des Mädchens“, vermutete Navi, die bei diesem Anblick angewidert die Nase kraus zog. „Na, dann werden wir ihn doch mal wecken.“ Vorsichtig setzte der Junge das ihm anvertraute Huhn ab und trat an den Schlafenden heran, um ihn ordentlich zu schütteln. „Hey! Aufstehen!“, befahl er flüsternd, doch sein Gegenüber zeigte keinerlei Reaktion und schnarchte munter weiter. Link begann den Mann so heftig zu rütteln, dass dessen Zähne aufeinander schlugen, doch noch immer blieb sein Unterfangen ohne Erfolg. Resignierend ließ er den Schlafenden wieder auf den Boden sinken und sah Navi keuchend an: „Offensichtlich hatte Malon Recht und wir brauchen das Huhn, um ihren Vater zu wecken.“ „Richtig... Das wacht aber erst im Morgengrauen auf. Was machen wir so lange?“ „Schlafen.“ Navi entgleisten sämtliche Gesichtszüge und sie starrte ihren Begleiter wütend an: „Was?! Aber dadurch verlieren wir nur unnötig Zeit! Du bewegst jetzt sofort deinen Hintern in dieses Schloss!“ „Jetzt reg dich ab, Navi. Malons Vater liegt im Weg, deswegen müssen wir wohl warten, bis er weg ist.“ Link begann, sich einen windgeschützten Platz zwischen den Kisten zu suchen. „Der Mann liegt im Weg? Ach ja?“ Die Fee zog abfällig blickend die rechte Augenbraue in die Höhe und schaute zum Bediensteteneingang rüber. Link folgte ihrem Blick, rollte sich dann aber gähnend zwischen den Kisten zusammen. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich einfach durch diese Tür spazieren kann: ‚Guten Tag, ich bin Link. Ich möchte Prinzessin Zelda sehen, aber keine Angst, ich habe keine unlauteren Absichten.’ Ja, klar...“ Navi ließ sich neben ihm auf dem Boden nieder. „Ja, da hast du vermutlich Recht“, überlegte sie, während sie auf der Unterlippe kaute. „Wie sieht dein Plan aus?“ „Siehst du den Abwasserschacht dort drüben?“ Link deutete über den Schlossgraben und Navi verzog angewidert das Gesicht. „Da flieg ich nicht durch!“ „Wirst du wohl müssen.“ „Hmpf!“ „Aber keine Angst: Wie es aussieht ist das lediglich der Abfluss für die künstlichen Gewässer der Innenhöfe – nicht für die königlichen Toiletten.“ Link kicherte leise bei dem Gedanken daran, Navi bei Gelegenheit mal in ein Kanalisationsrohr zu werfen, und schlief ein. Die Sonne schickte ihre ersten, goldenen Strahlen über die saftigen, grünen Wiesen des Schlossparks, erfasste das Schloss selbst und ließ die in den Steinen des Mauerwerks eingeschlossenen Minerale glitzern, sodass es aussah als wären die Mauern mit Edelsteinen besetzt. Langsam tasteten sich die Sonnenstrahlen weiter und erreichten schließlich das junge Huhn, das gegen Link gelehnt zwischen den Kisten noch immer schlief. Das Sonnenlicht breitete sich wie eine Decke über das ganze Gelände aus und während Link sich noch einmal wohlig seufzend umdrehte und weiterschlummerte, begannen die Augenlider des Huhnes zu flattern. Mit einem ohrenbetäubenden Gackern schlug es die klaren, schwarzen Augen auf und riss damit Link, Navi und den dickbäuchigen Milchbauern aus dem Schlaf. Der Junge sprang vor Schreck mit einem Satz auf die Beine und starrte ungläubig das Huhn an, das – nun wieder still – fröhlich durch die Gegend lief. „Heiliger Deku!“, stammelte auch Navi, die auf Links Brust geschlafen hatte und beinah in den Schlossgraben gepurzelt wäre, als der Junge so überstürzt auf die Füße gesprungen war. Lediglich der schwarzhaarige, fast kahle Mann schien von der Lautstärke des zierlich aussehenden Huhns kein Stück überrascht zu sein. Er reckte sich und kniete sich dann vor das Federvieh, das sich bereitwillig von ihm kraulen ließ. „Na, Krawall, wie bist du denn hierhergekommen?“ Der Mann schaute zu Link und Navi herüber und grinste die beiden breit an: „Seid gegrüßt. Ich bin Talon. Malon hat euch geschickt, richtig?“ „Ja, Sir.“ Link nickte steif und kam sich fürchterlich lächerlich dabei vor. Navi seufzte und verdrehte die Augen: „Ja, Ihre Tochter hat uns geschickt. Die Arme macht sich fürchterliche Sorgen um ihren stinkfaulen Vater, der es nicht einmal schafft, einen so einfachen Job wie eine Milchlieferung abzuschließen, ohne dabei in einen Tiefschlaf zu fallen, auf den selbst Tote neidisch wären!“ Link blickte die Fee, deren ganze Körperhaltung Feindseligkeit ausdrückte, mit weit aufgerissenen Augen an. Talon starrte ebenfalls eine Zeit lang in Navis wütend glitzernden Augen, schnappte sich dann das junge Huhn und rannte in einem Affenzahn davon. Link schaute ihm ein wenig hinterher und begann dann, die beiden Kisten zu verschieben, bis eine von ihnen ein Stück weit über die Kante des Schlossgrabens hing und kletterte auf sie. Dann holte er einmal tief Luft, konzentrierte sich, nahm auf der Kiste so viel Anlauf wie möglich und sprang beherzt über den Wassergraben. Auf der anderen Seite angekommen, kroch er durch den engen Schacht in die Innenhöfe. Sein Weg führte Link durch mehrere kleine Höfe, die allesamt von wunderschön angelegten Gärten mit dunkelgrünem Rasen, buschigen, saubergeschnittenen Hecken und kunstvollen Springbrunnen dominiert wurden. Leider hatte der junge Recke keine Möglichkeit, sich an der Schönheit der Innenhöfe zu erfreuen, da er seine ganze Konzentration dafür brauchte, sich an den Wachen vorbei zu schleichen. Als er sich gerade an einem mächtigen Springbrunnen entlangdrückte, konnte er ein Gespräch zwischen zwei Soldaten belauschen, die ihre Arbeit nicht ganz so ernst nahmen: „Warum müssen wir die Schichten eigentlich mal wieder doppelt besetzen?“ Der jüngere Soldat klang mehr als nörgelig, was den älteren genervt aufseufzen ließ. „Die Prinzessin hält sich im hintersten Innenhof auf. Du weißt doch, wie besorgt der König um sie ist.“ Link und Navi grinsten sich vielsagend an. Jetzt kannten sie ihr genaues Ziel. Schnell rannte der Junge durch die Innenhöfe, immer darauf bedacht, den wachsamen Augen der Wachmänner zu entgehen – auch wenn das in einem Fall bedeutete, dass er sich kopfüber in einen Busch stürzen musste. Mit säuerlicher Miene rieb er sich die aufgeschrammten Arme, während Navi sich auf die Unterlippe beißen musste, um ein Lachen zu unterdrücken. Schließlich betraten die Beiden einen runden Hof, der sehr viel größer war als die anderen, die sie auf ihrem Weg hierher durchquert hatten. Zunächst huschte Link von einem Schatten zum nächsten und presste sich dicht an die Wände, um nicht aufzufallen, bis er bemerkte, dass sich in diesem Innenhof gar keine Wachen befanden. Langsamen Schrittes überquerte er den mit roten und gelben Blumen gespickten Rasen und trat vor eine kleine Treppe, die zu einem Podest vor einem breiten Fenster führte, durch das man in den Thronsaal sehen konnte. Vor diesem Fenster stand in leicht gebückter Haltung ein etwa zwölfjähriges Mädchen in einem langen, lilaweißen Kleid, das wie gebannt in den Saal starrte und Link gar nicht bemerkte, bis dieser sich zaghaft räusperte. Ganz langsam, beinah wie in Zeitlupe, drehte das Mädchen sich um. Auf seinem Gesicht stand das blanke Entsetzen und pure Ungläubigkeit, als es Link erblickte. Die tiefblauen Augen waren weit aufgerissen und die blassrosa gefärbten, fein geschwungenen Lippen standen ein wenig offen als würde das Mädchen seine Überraschung in Worte fassen wollen. Es konnte nicht fassen, dass jemand die Sicherheitsvorkehrungen der königlichen Garde hatte umgehen können. Als Link das Gesicht des Mädchens erblickte, wurde er blass und trat erschrocken einen Schritt zurück. Navi sah ihn ein wenig irritiert von der Seite an, doch er schüttelte bloß den Kopf. Er brauchte ein paar Sekunden, um seine Überraschung und Verwirrtheit niederzukämpfen. Dieses Mädchen war das Mädchen aus seinem Traum, das ihn mit dieser unnatürlichen Intensität angesehen hatte. Was hatte das zu bedeuten? Link hob wieder seinen Blick, den er abgewandt hatte, um sich zu beruhigen, und schaute erneut in die großen, dunklen Augen seines Gegenübers, das ihn mit schief gelegtem Kopf durchdringend musterte. „Du bist ein Feen-Junge aus dem Wald, nicht wahr?“ Zum ersten Mal hörte Link die zarte, melodische Stimme, die zu dem Mädchen aus seinen Träumen gehörte, und machte unwillkürlich noch einen Schritt zurück. „Ja, das bin ich.“ Seine Stimme klang unsicher und Link versuchte, sich geräuschlos zu räuspern, um ihr ihre Festigkeit zurückzugeben. Auf einmal leuchteten die Augen des Mädchens auf und es klatschte aufgeregt in die Hände, was Link noch ein Stück zurückweichen ließ. Diese plötzliche Begeisterung war ihm nicht geheuer. „Zeig mir den Stein! Oh, bitte, zeig mir den Stein! Du hast diesen glitzernden, grünen Stein mit der Goldfassung doch dabei, oder?“ Link legte die Stirn in Falten und versuchte, in den blauen Augen, die auf ihn gerichtet waren, irgendwelche Hintergedanken zu lesen. Woher wusste dieses Mädchen von dem Kokiri-Smaragd? Unbewusst legte er eine Hand auf den ledernen Beutel an seinem Gürtel und drehte die rechte Körperhälfte weg, um den Beutel vor den Blicken des Mädchens zu verbergen. Er verengte die Augen zu Schlitzen und blickte sein aufgeregt von einem Fuß auf den anderen tretendes Gegenüber durchdringend an. Dieses unbesonnen und naiv wirkende Mädchen konnte doch unmöglich Prinzessin Zelda sein! „Ich weiß nicht, von was Ihr redet“, zischte er und wandte sich noch mehr ab. „Oh.“ Das Mädchen senkte den Kopf und seine Stimme wirkte mit einem Mal klein und dünn. Dann straffte es plötzlich die Schultern, riss das Haupt wieder in die Höhe, strich eine blonde Strähne, die ihm aus der lilaweißen Haube gerutscht war, zurück und blickte mit einem kalten, arroganten Ausdruck auf Link herab. „Wer bist du überhaupt und woher nimmst du die Frechheit, dich in die königlichen Gärten einzuschleichen? Was erlaubst du dir?!“ Der Junge versuchte, ebenso eisig und vor allem festentschlossen zu wirken. „Ich habe eine dringliche Botschaft für Prinzessin Zelda. Ich hoffe, Ihr versteht, dass ich diese Botschaft nur der Prinzessin selbst überbringen darf und dass Ihr Euch im Klaren darüber seid, dass es nur in Eurem Interesse sein kann, mit mir zu kooperieren. Ihr wollt doch nicht den Zorn der Thronfolgerin auf Euch ziehen, bloß weil der Bote Euch unsympathisch ist. Ich hatte gehört, die Prinzessin befände sich in diesem Innenhof, doch ich scheine sie verpasst zu haben. Hättet Ihr bitte die Freundlichkeit, mir zu sagen, wo ich sie finde?“ Navi schaute ihn mit einem stolzen Glänzen in den Augen an. Mit den leicht verengten Augen, den aufeinandergepressten Lippen und der felsenfesten Entschlossenheit in seiner Stimme wirkte er tatsächlich wie ein Held und nicht bloß wie der leicht tollpatschige Junge, der er normalerweise war. Das Mädchen schürzte die Lippen und betrachtete Link nachdenklich, dann wanderte ihr Blick weiter zu Navi. Als es schließlich zu einem Schluss gekommen war, lächelte es wieder. „Es tut mir leid.“ Seine Stimme klang warm und die aufgesetzte, eisige Arroganz schien wieder vollständig verflogen. „Ich war wegen deines Erscheinens so aufgeregt, dass ich ganz vergessen habe, mich vorzustellen.“ Das Mädchen räusperte sich und schob die eigenwillige Haarsträhne, die ihm schon wieder ins Gesicht hing, zurück unter die Haube. „Ich bin Zelda, Prinzessin von Hyrule, Nachfahrin des von den Göttinnen gesegneten Königsgeschlechts.“ Links Gesichtszüge entglitten ihm für einige Momente und er konnte nichts weiter tun als das Mädchen anzustarren. Noch vor wenigen Minuten hatte es wie ein ungestümes Kleinkind gewirkt, doch jetzt war es von einer unbestimmten Autorität umgeben, die jeden seiner Zweifel im Keim erstickte. Dennoch fuhr er sich mit der Zunge über seine trockenen Lippen und fragte trotzig: „Ihr seid Zelda? Verzeiht, wenn ich Euch das nicht einfach so glauben kann. Die Botschaft ist wirklich streng vertraulich und ich habe den Auftrag, sie ausschließlich der Prinzessin auszurichten.“ Das Mädchen nickte, winkte ihn zu sich herüber und streckte die linke Hand aus, als er neben es trat. Geradezu ehrfürchtig berührte Link die langen, filigranen Finger und betrachtete eingehend den Siegelring, der am Mittelfinger steckte. „Ihr seid tatsächlich Prinzessin Zelda“, flüsterte er, während er die feinen Ornamente und das Triforce-Zeichen auf dem Ring begutachtete. „Ja, die bin ich.“ Das Mädchen nickte und sah ihn dann mit schief gelegtem Kopf an. „Dürfte ich jetzt erfahren, wer du bist und was du mir so Wichtiges mitzuteilen hast?“ Der Junge trat einen Schritt zurück und nahm als Zeichen seiner Ehrerbietung die Mütze ab, sodass sein langes, braunes Haar in der Morgensonne seidig schimmerte. „Mein Name ist Link. Der Deku-Baum schickt mich.“ Für einen kurzen Augenblick flackerte ein unbestimmtes Erkennen in Zeldas Augen auf. „Link...“, murmelte sie, „Link... Dieser Name kommt mir seltsam vertraut vor, auch wenn er neu für meine Ohren ist. Es ist, als hätte ich ihn in einem früheren Leben schon einmal gehört und hätte ihn seither in meinem Herzen bewahrt.“ Sie legte den Kopf schief und sah Link mit einem scheuen Lächeln an. „Das klingt unglaublich kitschig, oder?“ Link, der selbst das Gefühl hatte, Zelda schon länger als nur ein paar Minuten zu kennen, schüttelte den Kopf. „Nein. Es klingt... irgendwie treffend. ...Und ein bisschen kitschig“, fügte er mit einem Grinsen hinzu. Zelda streckte ihm die Zunge heraus und grinste zurück. „Für einen heimlichen Eindringling bist du ganz schön frech“, neckte sie ihn mit einem schelmischen Blitzen in den Augen. Navi hüstelte und zog verstimmt die Stirn kraus, als Link und Zelda zu ihr aufsahen. „Es ist ja wunderbar, dass ihr euch so gut versteht und ich unterbreche eurer Getändel ja wirklich nur ungern, aber wir sind nicht zum Spaß hier.“ Blut schoss den beiden Halbwüchsigen in die Wangen und sie wandten sich schnell voneinander ab, um ihre Schamesröte zu verbergen. „Navi hat Recht“, setzte Link an und räusperte sich, um die Prinzessin einzuweihen. „Der Deku-Baum hat mich hergeschickt, weil das Triforce in Gefahr ist. Ein Dämon aus der Wüste versucht, es in seine Hände zu bekommen. Das müssen wir um jeden Preis verhindern!“ „Ein Dämon aus der Wüste...“, Zeldas Stimme klang weit entfernt und ihre Augen wirkten wie von einem Schleier verhangen. „Ja, genau. Der Deku-Baum sagte, ich solle dir das hier geben, um dich von der Wahrhaftigkeit meiner Worte zu überzeugen.“ Link griff in seinen Wunderbeutel und holte den heiligen Schatz des Waldes heraus. Vorsichtig übergab er ihn an Zelda, die beinahe zärtlich über dessen glatte Oberfläche strich. „Der Kokiri-Smaragd. Der Heilige Stein des Waldes, der einst Farore gehörte“, murmelte sie vor sich hin, während sie in die Ferne starrte. Dann richtete sie ihren Blick wieder auf Link und sah ihn ernst an. Mit einem Mal wirkte sie wie eine echte Herrscherin, die Verantwortung für ein ganzes Land trug, und nicht mehr wie das überschwängliche Mädchen, das sie vorher gewesen war. „In Ordnung. Ich glaube und vertraue dir“, setzte sie an und schaute Link tief in die Augen, um den folgenden Worten mehr Ausdruck zu verleihen. „Weißt du, ich hatte die letzten Wochen jede Nacht wieder ein und denselben Traum.“ Link nickte verständnisvoll. Wie sich das anfühlte, wusste er nur all zu genau. „In diesem Traum sehe ich das ganze Land Hyrule unter mir ausgebreitet und über der Gerudo-Wüste im Westen türmen sich tiefschwarze Sturmwolken auf. Diese Wolken überziehen nach und nach ganz Hyrule und unser schönes Land versinkt in Finsternis und mit dieser Finsternis kommt das Leid. Unsägliches Leid senkt sich über uns alle.“ Zelda schniefte kurz und ihre Stimme vibrierte leicht, als sie die Emotionen niederrang, die durch die Erinnerung an diesen Traum ausgelöst wurden. „Doch plötzlich durchbricht ein goldener Lichtstrahl die Wolkendecke. Dieses Licht kommt direkt aus dem Kokiri-Wald im Südosten und breitet sich immer weiter aus. Es wird strahlender und strahlender und drängt die schwarzen Wolken immer weiter zurück, bis sie sich schließlich ganz auflösen. Dann verwandelt sich das Licht und es wird zu einem grüngewandeten Jungen, der von einer Fee begleitet wird und den Kokiri-Smaragd in der Hand hält.“ Link sah sie mit weit aufgerissenen Augen an und Zelda nickte langsam. „Genau, dieser Junge bist du. Ich habe dich gleich erkannt, als ich mich umgedreht habe, doch ich war so überwältigt, dass ich nicht begreifen konnte, was ich sah.“ Link nickte wieder – auch das konnte er nur zu gut verstehen. Er wollte ihr gerade erzählen, dass auch er von ihr geträumt hatte, als sie die Rede wieder aufnahm: „Jetzt weiß ich, wer das Licht aus meinem Traum ist... und ich glaube, ich weiß auch, für wen die Wolken stehen.“ Ihre Stimme wurde immer leiser, während sie sprach, bis sie nur noch flüsterte. „Wirf einen Blick durch dieses Fenster.“ Zelda wies mit einem Kopfnicken hinter sich und trat zur Seite. Mit langsamen Schritten ging Link auf das Fenster zu. Sein Herz hämmerte wie wild gegen seine Rippen und er spürte einen beinah übermächtigen Fluchtreflex. Er ahnte, wen er im Thronsaal erblicken würde. Dennoch zwang er sich weiter vorwärts, bis er das Fenster erreicht hatte. Er atmete noch einmal tief durch und hob dann den Kopf. Als er den hochgewachsenen Mann im Thronsaal erblickte, krampften sich alle seine Muskeln schmerzhaft zusammen und ihm drehte sich der Magen um. Dort auf dem marmornen Boden kniete der dämonische Reiter aus seinen Träumen und schien mit dem König zu sprechen. Link stieß keuchend Luft aus seinen Lungen und musste sich an der Fensterbank festhalten, als ihn mit einem Mal ein Schwindel erfasste. Als Traumgestalt war dieser rothaarige Hüne schon furchteinflößend genug, doch ihn real vor sich zu sehen, drohte Link zu überfordern. Er holte ein paar Mal tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen, als Zeldas Stimme wie durch Watte an seine Ohren drang: „Das ist Ganondorf, der König der Gerudos. Er hat meinem Vater die ewige Treue geschworen, aber ich glaube ihm nicht. Die Gerudos sind ein altes Geschlecht aus der Wüste. Sie sind allesamt Diebe. Doch das ist es nicht, weshalb ich an der Aufrichtigkeit Ganondorfs zweifle. Die Gerudos mögen Diebe sein, aber sie sind durchaus ehrenhaft. Dieser Mann da ist jedoch vollkommen skrupellos. Er strahlt eine unglaubliche Bösartigkeit und tiefe Finsternis aus. Ich bin mir sicher, dass die Wolken für ihn stehen. Er wird Verderben über Hyrule bringen, wenn man ihn nicht aufhält.“ Link schloss die Augen und versuchte noch immer, das Schwindelgefühl zu vertreiben, während Zelda immer weitersprach. „Ich habe natürlich versucht, mit meinem Vater darüber zu reden, aber er glaubt mir nicht, dass der Traum eine Bedeutung hat. Ich fühlte mich so hilflos. So allein.“ Sie griff nach Links Hand und drückte sie leicht, als dieser sie ansah. „Aber jetzt bist du ja hier. Du glaubst gar nicht, wie viel sicherer ich mich deswegen fühle.“ Sie lächelte ihn sanft an, doch er wandte sich ab, weil er spürte wie seine Wangen schon wieder zu brennen begannen. Was war das für ein Gefühl? Warum fühlte er sich so leicht im Kopf, wenn sie ihn anlächelte? Warum wollte er sie in den Arm nehmen und ins Ohr flüstern, dass alles gut werden würde? Warum fühlte es sich so verdammt gut an, dass sie seine Hand in ihrer hielt? Seine Gedanken wirbelten wild durch seinen Kopf wie trockenes Herbstlaub im Wind, doch dann traf er plötzlich den stechenden Blick Ganondorfs, der aus dem Fenster blickte. Erschrocken quiekte Link auf und wich zurück, doch Zelda legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Unterarm. „Er ahnt nicht, dass wir seine Pläne kennen. Keine Angst.“ Sie lächelte und alle Befürchtungen, die ihm eben noch durch den Kopf geschossen waren, lösten sich in Wohlgefallen auf. „Aber wie können wir ihn aufhalten?“, fragte Link, während er Ganondorf, der sich im Thronsaal neben einigen Soldaten postiert hatte, verstohlen aus dem Augenwinkel musterte. „In einer Legende, die von Generation zu Generation innerhalb der Königsfamilie weitergegeben wird, heißt es, man brauche vier Dinge, um das Portal zum Heiligen Reich zu öffnen. Zum einen braucht man die drei Heiligen Steine der Göttinnen: den grasgrünen Anhänger der Farore, den feuerroten Stein aus dem Diadem der Din und einen wasserblauen Ohrring der Nayru. Doch mit den Heiligen Steinen alleine kann man das Portal nicht öffnen. Man braucht außerdem noch ein Relikt, das seit Anbeginn der Zeit im Besitz der königlichen Familie ist.“ Zelda beugte sich so weit vor, dass ihre Lippen fast Links Ohr berührten, und flüsterte: „Die Okarina der Zeit.“ Link musste unwillkürlich an die Okarina in seinem Beutel und an Salia denken und blickte ein wenig beschämt. Warum fühlte er sich, als würde er seine beste Freundin betrügen, wann immer Zelda ihn anlächelte und sein Herz einen Sprung machte? Diese sprach unterdessen weiter: „Ich schlage vor, du brichst wieder auf und suchst nach den fehlenden Steinen. Ich werde hierbleiben und die Okarina beschützen.“ Die Prinzessin gab ihm den Kokiri-Smaragd zurück. „Den hier nimmst du am besten wieder mit, damit Ganondorf keinen Verdacht schöpfen kann.“ Link nickte und verstaute den Stein wieder in dem kleinen Lederbeutel. Zelda legte angesichts der geringen Größe des Beutels verwundert die Stirn in Falten, sagte aber nichts. Stattdessen griff sie nach einem Block und einem Stift, die in der Nähe lagen. Offensichtlich hatte die Prinzessin gezeichnet, bevor der König der Gerudos sie abgelenkt und dazu veranlasst hatte, durch das Fenster zu blicken. Schnell bewegte sie den Stift über das Papier, riss es heraus und reichte es Link. „Sollte es Probleme geben, kannst du dich mit diesem Brief als meinen persönlichen Diener ausweisen.“ Der Junge steckte den Brief ein, blickte noch einmal in Zeldas ungewöhnlich offen wirkende Augen und wandte sich dann ab, um zu gehen. „Warte!“ Link drehte sich um und betrachtete die junge Prinzessin, die unschlüssig auf der Unterlippe kaute. Schließlich siegte ihre warmherzige Natur über ihr anerzogenes Ständedenken und sie drückte den überrascht blickenden Link fest an sich. „Pass auf dich auf! Ich werde hier mit der Okarina auf dich warten und dann werden wir zusammen das Triforce dazu nutzen, um Ganondorfs Pläne zu vereiteln.“ Sie drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und lächelte ihn an, während er überrascht die Augen aufriss. Dann schob sie ihn von sich und forderte: „Aber jetzt geh. Impa, meine Gouvernante, wird dich aus dem Schloss geleiten, damit du nicht gefangengenommen und in den Kerker geworfen wirst.“ Vorsichtig strich Link Zelda mit dem Fingerknöchel über die Wange, nickte, sprang die wenigen Stufen des Podests herab und trabte auf die junge Frau auf der anderen Seite des Innenhofes zu. Impa stand im Schatten des hohen Mauerwerks und blickte den Jungen, der auf sie zukam, prüfend an. Es war wahrhaftig der Junge aus Zeldas Träumen. Genauso hatte die Prinzessin ihn immer und immer wieder beschrieben. Die junge Frau ließ ihren Blick zu Zelda gleiten und betrachtete sie nachdenklich. Der Junge aus ihrem Traum war tatsächlich aufgetaucht, doch bedeutete das wirklich, dass der Traum prophetischen Charakter hatte? Impa dachte daran, was alles hätte passieren können, hätte der König die Worte seiner Tochter ernst genommen und Ganondorf öffentlich angeklagt. Die Gerudos hätten das niemals auf sich sitzen lassen und Hyrule wäre in einen schrecklichen Krieg gestürzt worden. Das Herz der Prinzessin war rein und aufrichtig, doch Zelda war noch zu jung und zu naiv, um die politischen Geschicke um sie herum zu verstehen. Dennoch würde sie Hyrule eines Tages eine weise und gerechte Herrscherin sein. Sollte es ihr und dem Jungen tatsächlich gelingen, das Triforce zu erlangen, stünde Hyrule ein goldenes Zeitalter bevor. Impas Blick wanderte wieder zurück zu Link, der inzwischen den halben Hof durchquert hatte. Doch konnten sie diesem Jungen wirklich glauben? Was würde mit Hyrule passieren, wenn er eigene Ziele verfolgte und sich in diesem kindlichen Körper ein dämonischer Geist verbarg? Er war im Besitz des Kokiri-Smaragds, das hatte Impa sehen können, als er den Heiligen Stein Zelda gereicht hatte. Der Deku-Baum hatte ihm also offensichtlich vertraut, sonst hätte er dem Jungen nicht den größten Schatz des Waldes überlassen. „Also sollte ich ihm ebenso trauen“, dachte Impa, während sie Links glänzendes Haar betrachtete, das sanft vom Wind bewegt wurde. Der Schutzpatron der Wälder kannte seine Schutzbefohlenen inn- und auswendig und wer war sie schon, dass sie sich erlauben konnte, dessen Urteil in Zweifel zu ziehen? Dennoch blieb ein leichtes Gefühl von Unbehagen, bis sie in die großen, klaren Augen Links blickte, der ein wenig schüchtern zu ihr hochsah. In diesem tiefen Blau spiegelte sich eine Aufrichtigkeit, die Impa bisher nur von Zeldas Augen kannte. Sie legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter und lächelte ihn freundlich an. „Du bist also der sehnlichst erwartete Feen-Junge.“ Link lächelte scheu zurück und nickte. Es bereitete ihm Unbehagen, dass er eine derart große Rolle in einer Mission spielen sollte, von deren Gelingen das Schicksal des ganzen Landes abhing. Zudem fühlte er sich seltsam, nun auch noch der zweiten Reiterin aus seinem Traum gegenüberzustehen. „Wunderbar. Wir zählen auf dich, junger Held.“ Impa lächelte erneut und kniete sich dann vor ihn, damit er sie verstand, als sie im Flüsterton weitersprach: „Die Prinzessin hat dir einen Brief gegeben, um dich ausweisen zu können, doch du wirst auf deiner Reise mit Sicherheit auch Sturköpfen begegnen, die sich nicht von der Authentizität des Briefes werden überzeugen lassen. Für diese Fälle werde ich dir jetzt ein Lied beibringen, das nur die engsten Vertrauten des hylianischen Könighauses und die Regenten der anderen Geschlechter kennen. Es ist ein altes Wiegenlied, das ich vor vielen Jahren auch für Zelda gesungen habe, wenn sie nicht schlafen konnte. Merk dir die Melodie gut.“ Impa schloss die Augen und begann, eine wunderschöne, leicht wehmütige Melodie zu summen. Link lauschte konzentriert und versuchte, sich jede einzelne Note einzuprägen. Dann holte er seine Okarina heraus, die er von Salia geschenkt bekommen hatte, und spielte so leise wie möglich das königliche Wiegenlied nach. Zeldas Gouvernante öffnete die Augen, richtete sich wieder auf und lächelte ihn wohlwollend an. „Sehr gut, du kannst es. Du hast ein ausgezeichnetes Gehör. Jetzt sollten wir uns beeilen und aufbrechen. Du hast noch eine weite Reise vor dir.“ An Impas Seite schritt Link durch die Gärten, deren Schönheit er auf seinem Hinweg nur am Rande wahrgenommen hatte. Jetzt betrachtete er verträumt die bunten Blumen, das weiche, saftige Gras und das kristallklare Wasser in den Bachläufen und Brunnen. Als sie in der äußeren Parkanlage an einer Weggabelung vorbeikamen, blieb Impa stehen und schaute in die Sackgasse zu ihrer Linken. Link folgte ihrem Blick und betrachtete ein wenig verwirrt die Felsen, die nach einem Erdrutsch am Ende des Weges lagen. Warum war Impa hier stehen geblieben? Er schaute zu der großen, schlanken Frau mit dem kurzen, weißblonden Haar hoch, die sich wieder in Bewegung setzte. Als sie ein paar Schritte gegangen waren, fragte Impa leise: „Du hast vorhin in der Sackgasse den leicht vorstehenden Felsen gesehen, nicht wahr?“ Link nickte und sah sie irritiert an. Auf was wollte sie hinaus? „Solltest du irgendwann einmal in Besitz von Bomben kommen, kehre hierher zurück und versuche, diesen Felsbrocken zu sprengen. Einer Legende zufolge soll sich dahinter eine Feen-Quelle befinden. Der Geschichte nach soll es drei Feenschwestern gegeben haben – allesamt mächtige Feenköniginnen. In ihrer Macht unterstanden die Schwestern nur den drei Göttinnen, doch das reichte ihnen nicht. Um ihre Macht zu vergrößern sollen sie der Legende nach die stärksten Zauber der Göttinnen gestohlen haben. Die Göttinnen seien daraufhin fürchterlich erzürnt gewesen sein, heißt es. Angeblich stritten sie sich heftig mit den Feenköniginnen, schrien und tobten, aber die Zauber blieben verschollen und die drei Schwestern schoben die Schuld auf andere ihres Geschlechts. Aus Rache für ihren wertvollen Verlust soll Din sämtliche Feenköniginnen für immer in ihren Quellen eingeschlossen haben. Der Legende nach soll sich eine dieser Quellen hier befinden.“ „Glaubst du daran?“, fragte Link aufgeregt, als sie durch das riesige Eisentor traten, das am Eingang zum Schlosspark stand. „Ich weiß es nicht genau, aber ich denke, einen Versuch ist es wert.“ Eilig überschritten die Beiden den Marktplatz, auf dem genau wie am Vortag das Leben pulsierte und die Menschen in einem wilden Durcheinander übereinander zu purzeln schienen. Schließlich traten sie über die hölzerne Brücke zurück auf die hylianische Steppe. Impa folgte einige Meter lang dem Bachlauf, über den die Zugbrücke der Stadt gelegt war, und deutete dann mit dem ausgestreckten Arm auf den kegelförmig zulaufenden Gipfel eines weit entfernten Berges. „Das ist der Todesberg, Heimat der Goronen. In den Büchern heißt es, Din habe sich besonders zu diesen Bergbewohnern hingezogen gefühlt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der zweite Heilige Stein sich im Besitz der Goronen befindet.“ Link betrachtete den Todesberg, dessen Gipfel von einem Ring weißer Wolken umgeben war, und fragte sich, ob das Monster aus der Wüste versucht hatte, auch diesen Heiligen Stein an sich zu reißen und ähnlich erfolglos wie beim Deku-Baum gewesen war oder ob er zu spät kam. Impa sprach unterdessen weiter und deutete nun auf eine in den Fels gehauene Treppe: „Auf diesem Plateau am Fuß des Todesbergs liegt die Stadt Kakariko. Ich habe sie vor einigen Jahren rund um mein Geburtshaus gegründet, um Flüchtlingen und Ausgestoßenen ein Zuhause zu geben. Es ist ein ruhiges Plätzchen, an dem jeder Reisende herzlich empfangen wird. Du kannst dich dort ein wenig ausruhen, bevor du dich an den beschwerlichen Aufstieg machst. Wenn du Lust hast, solltest du auch den Friedhof meines Volkes besichtigen.“ Link zog die Stirn kraus und sah Impa an. „Warum befindet sich der Friedhof so weit weg von Hyrule-Stadt, wo viel mehr Menschen leben?“ Die junge Frau lächelte ihn nachsichtig an und bekam dann einen wehmütigen Blick. „Ich bin keine Hylianerin, Link. Ich bin eine Shiekah. Die Shiekah sind ein altes Kriegergeschlecht, das seit Anbeginn der Zeit über die Königsfamilie von Hyrule wacht. Wir haben in jedem von Hyrules Kriegen ehrenhaft gekämpft und die königliche Familie mit unserem Leben geschützt. Heute sind die Shiekah so gut wie ausgestorben. Es heißt sogar, ich sei die letzte Überlebende, aber das will ich nicht glauben.“ Link sah zu ihr auf und traf ihren traurigen Blick. „Ich bin mir sicher, irgendwo gibt es noch mehr Shiekah“, versuchte er sie aufzumuntern und wandte dann seinen Blick wieder auf den Todesberg. „Warum haben sich deine Vorfahren überhaupt für die Könige eines anderen Volkes geopfert?“ „Vor Äonen von Jahren gab es zwei beste Freunde. Der eine war Hylianer, der andere ein Shiekah. Der Hylianer war sehr klug und weise, aber leider blind. Der Shiekah war ein starker Krieger, doch er verstand nicht viel von Politik. Beide wurden von ihren Völkern zum Herrscher bestimmt, doch keiner fühlte sich der Aufgabe gewachsen. Daher schlossen die Beiden einen Pakt, in dem sie festlegten, dass sie zusammen regieren wollten. Der Blinde sollte die politischen Dinge regeln, während der Krieger in die Schlacht ziehen sollte. Der eine wollte der Geist, der andere das wache Auge des Herrschers sein. Leider ergab es sich eines Tages, dass der Hylianer kurz nach der Geburt seines ersten Sohnes einem Attentat zum Opfer fiel. Die Trauer des Shiekah war schier unermesslich – vor allem, weil er sich die Schuld gab. Er hatte als Auge versagt. Viele Tage zog er sich zurück und ergab sich seinem Schmerz, doch als er endlich wieder seine Gemächer verließ, hatte er einen Entschluss gefasst: Er mochte zwar bei seinem besten Freund versagt haben, doch er würde seine Schuld sühnen, indem er und alle seine Nachfahren die Nachkommen des Hylianers schützen würden – notfalls mit dem eigenen Leben. Seither sind wir durch eine Blutschuld an das Königshaus gebunden.“ Impa blickte schuldbewusst zu Boden und stieß mit der Stiefelspitze einige lose Steine an, die auf dem Boden lagen. „Ich habe die königliche Familie dafür gehasst und wollte mich meiner Pflicht verweigern. Doch dann begegnete ich an diesem Tag vor über zehn Jahren Zelda. Sie konnte gerade erst laufen und doch hatte sie auf einem Spaziergang ihre Zofe ausgetrickst und war davongelaufen. Sie war schon immer stur und eigenwillig.“ Impa lachte leise und fuhr dann fort: „Ich arbeitete zu der Zeit bei einem Händler als Kurier und kam gerade von einer Warenzustellung zurück zu dem Stand meines Herrn, als ich sie ohne Aufsicht über den Markt irren sah. Sie hatte sich verlaufen, fürchtete sich und war den Tränen nah. Als ich sie so sah wurde mir klar, dass ich meiner Bestimmung nicht entrinnen konnte. Ich würde es mir niemals verzeihen, wenn diesem Mädchen etwas zustoßen würde. Das verstehst du sicherlich.“ Link nickte und Impa lächelte ihn erneut an. „Du solltest dich jetzt auf den Weg machen. Beeil dich und denk daran, dass die Prinzessin und ich dich im Schloss erwarten.“ Link wollte sich gerade verabschieden, als Impa mit einem lauten Knall einen Beutel auf den Boden warf, der zerplatzte und einen grellen Lichtblitz freiließ. Erschrocken riss Link die Arme hoch, um seine Augen zu schützen und versuchte, gegen das Licht anzublinzeln. Als er endlich wieder etwas erkennen konnte, war Impa verschwunden. „Imposanter Abgang“, murmelte Navi, die mal wieder auf Links Schulter saß und zu den Türmen des Schlosses empor schaute. Link blickte wieder zum Gipfel des Todesberges hinauf. Impas Stimme erklang noch immer in seinen Ohren. „Das verstehst du sicherlich...“ Wieder sah Link Zeldas Gesicht vor sich, wie sie ihn anlächelte und ein unbekanntes Kribbeln ergriff seinen Körper. Doch plötzlich verschoben sich die Gesichtszüge und verwandelten sich in eine anklagend guckende Maske, die Salias Züge trug. Mit einem Mal spurtete Link los und rannte den Weg Richtung Wald entlang. Navi, die bei seinem abrupten Start von seiner Schulter gefallen war, flog ihm aufgeregt vors Gesicht. „Stopp! Wo willst du denn hin?!“ „Ich muss Salia sehen.“ „Was?! Bleib sofort stehen!“ Link verlangsamte seine Schritte, bis er schließlich ganz stehen blieb. „Du hast eine Mission! Du kannst nicht einfach Urlaub machen!“ Navi starrte ihn wütend an, doch er hielt ihrem wilden Blick stand. „Aber ich muss Salia sehen. Ich muss!“ Wie ein trotziges Kind stampfte er mit dem Fuß auf. Navi legte für einen Augenblick den Kopf schief und sah ihn nachdenklich auf der Unterlippe kauend an. „Also gut. Wir können gerne zuerst nach Salia sehen, aber erst morgen früh.“ Sie deutete auf die Sonne, die schon tief am Himmel stand. „Ich werde nicht noch einmal eine Nacht in dieser Steppe verbringen!“ Bei dem Gedanken an die wandelnden Skelette ging ein Schauer durch den zierlichen Körper der Fee. Link ließ seinen Blick schweifen und deutete schließlich auf eine nicht allzu weit entfernte Farm. „Vielleicht können wir dort übernachten.“ Noch bevor Navi etwas antworten konnte, hatte er sich bereits umgedreht und war in Richtung Farm davon gestapft. Hosted by Animexx e.V. 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