Ocarina of Time von Labrynna ================================================================================ Kapitel 3: Eine unerwartete Einladung mit Hindernissen ------------------------------------------------------ Unruhig warf Link sich auf dem weißen Laken hin und her, während er sich in seinem Traum mal wieder Richtung Schloss Hyrule kämpfte. Auf seiner Stirn glitzerten kleine Schweißtropfen im Mondlicht und die dünne, verschwitzte Decke klebte an seinem nackten Oberkörper. Ein leises Wimmern entwich tief aus seiner Brust, als er den Kopf ruckartig zur linken Seite warf. Inzwischen kannte er den Traum so gut, dass er den Moment, in dem das dämonische Pferd in seinem Rücken schnauben würde, vorausahnen konnte. Er spürte die Spannung, die dem Schockmoment vorausging, und sie jagte ihm sowohl im Traum als auch auf seinem Bett liegend eine Gänsehaut über den Körper. Alles in ihm strebte danach aufzuwachen, um nicht den kalten Augen dieses Mannes ausgesetzt zu sein, doch auch diese Nacht war ihm ein frühzeitiges Erwachen nicht vergönnt. Er sah sich selbst mit weit aufgerissenen Augen diesem berittenen Teufel gegenüberstehen und langsam zurückweichen. In der Handfläche des Mannes sammelte sich Energie, die sich zu einem blitzenden Elektrizitätsball formte. Link wollte nur noch davonlaufen und strampelte wie wild mit den Beinen, doch sein Traum-Ich blieb wie angewurzelt stehen. Mit einer lässigen Handbewegung schickte der Mann das tödliche Energiebündel los, das wie in Zeitlupe auf den Jungen zuzukommen schien. Link sah deutlich die kleinen Blitze, die über die Oberfläche der Kugel zuckten, und spürte panische Angst in sich aufsteigen. Gerade, als er schützend die Arme hoch reißen wollte, zerplatzte der zuckende Ball kurz vor seinem Gesicht und eine aufgeregte, aber dennoch zarte Stimme drang an sein Ohr: „Hey! Link! Hey! Jetzt wach endlich auf! Hey, Link!“ Langsam öffnete Link die Augen und wurde sogleich von einem hellen Licht geblendet. Mit einem unterdrückten Stöhnen riss er den Kopf zur Seite und versuchte so der grellen Lichtquelle zu entkommen, die in seinen Augen schmerzte. „Bei den Göttinnen! Was für eine Schlafmütze!“, grummelte die fremde Stimme empört. Link blickte mit pochendem Herzen gegen die Wand. Wer oder was konnte dieses sprechende Glühwürmchen sein? Es konnte doch nicht etwa... Als sich seine Augen ein wenig an das Licht gewöhnt hatten, das von dem seltsamen Besuch ausging, setzte Link sich auf und schaute den Eindringling neugierig an. Tatsächlich! Eine Fee! Link traute seinen Augen kaum. Er musste noch immer träumen. Es konnte doch nicht die Wahrheit sein, dass auch er endlich eine Fee bekommen haben sollte! „Bist du jetzt wach?“ Das kleine, geflügelte Mädchen stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn prüfend an. Link setzte zu einer Antwort an, doch sein Mund war zu trocken und er musste schlucken, bevor er einen neuen Versuch starten konnte. „Ja, ich bin wach.“ Dabei kniff er sich heimlich in den Oberarm, um sicher zu gehen, dass er wirklich nicht mehr träumte. „Fein.“ Mit einem Mal lächelte die Fee und wirkte um einiges entspannter. „Ich bin übrigens Navi. Der Deku-Baum schickt mich. Ich soll dich zu ihm bringen.“ Überrascht schaute Link die flimmernde Erscheinung vor ihm an. Was konnte der Deku-Baum nur von ihm wollen? Hatte er sich etwas zuschulden kommen lassen? Vielleicht hätte er gestern doch nicht mit der Schnitzerei nach Mido werfen sollen... Entnervt rollte Navi mit den Augen. „Wir sollten uns beeilen...“ Bei dem folgenden Versuch, sich möglichst schnell anzukleiden und das Haus zu verlassen, stolperte Link gleich mehrere Male über seine achtlos in die Ecke geworfenen Stiefel und schürfte sich den Ellenbogen am Regal auf, als er noch mit der Tunika über dem Kopf in Richtung Tisch laufen wollte, um seinen dort abgelegten Gürtel zu holen. Endlich vollständig bekleidet, grinste der Junge zu seinem Gast herüber, der ungeduldig mit den Flügeln schlagend an der Tür wartete. Doch statt eines Lobes entwich Navi nur ein erleichterter Seufzer: „... Ich dachte schon, du schaffst es eher, dich umzubringen, als dich anzuziehen...“ Zur Antwort streckte Link ihr die Zunge heraus und schritt betont langsam zum Ausgang herüber, um seine Wohnung zu verlassen. Als er vor sein Haus trat, kam die Sonne gerade hinter den Wipfeln der Bäume hervor und tauchte das Dorf in ein mildes Licht. Eine kühle Brise wehte zu Link herüber und ließ ihn leicht frösteln. „Was stehst du hier wie angewurzelt rum?“ Navi packte ihn am Kragen und versuchte verzweifelt, ihn vorwärts zu ziehen. „Der Deku-Baum wartet!“ Link nickte und sprang beherzt von seinem Balkon hinunter. Die bereitstehende Leiter ignorierte er einfach. Navi blickte verdutzt dem Jungen hinterher, der in einen lockeren Lauf verfiel und zielstrebig Richtung Deku-Baum trabte. „Wenn der Kleine sich Mühe gibt, ist er ja direkt zu etwas zu gebrachen...“ Mido stand mit zur Seite geneigtem Kopf vor Link und verschränkte die Arme. „Nur noch mal fürs Protokoll: Du willst zum Deku-Baum, weil er dich angeblich zu sich gerufen hat?“ „Jaaaaaa doch!“ Link nickte so heftig, dass ihm beinah seine grüne Zipfelmütze vom Kopf rutschte. Der rotblonde Anführer der Kokiri zog die rechte Augenbraue in die Höhe und blickte sein Gegenüber geringschätzig an. Hilfesuchend ließ Link seinen Blick zu Navi hochwandern, die voller Arbeitseifer so schnell an Mido vorbei geschossen war, dass er sie nicht hatte sehen können, und nun Grimassen schneidend hinter ihm in der Luft schwebte. Mit einem resignierenden Seufzer zuckte diese die Schultern und flog vor Mido, der plötzlich gar nicht mehr selbstsicher wirkte und erschrocken drein blickte. „Wir stören ja wirklich nur ungern, aber der Deku-Baum hat diesen Jungen zu sich befohlen“, flötete die Fee fröhlich mit ihrer zuckersüßen Stimme. Mido warf einen argwöhnischen Blick auf Link, der leicht verlegen hinter der funkelnden Fee stand und erahnen konnte, was gerade in seinem Gegenüber vor sich ging. Zum Waldwächter gerufen zu werden, war eine große Ehre, die nur selten einem Kokiri zuteilwurde. Dass dieses Privileg nun ausgerechnet dem Außenseiter und Rivalen gewährt wurde, musste Mido rasend vor Wut und Neid machen. „Was will der Deku-Baum ausgerechnet von dem da?“ Link zuckte angesichts des harschen Tons ein wenig zusammen, doch Navi blieb völlig unberührt und erklärte mit einem lieblichen Lächeln: „Das, mein Lieber, weiß nur der weise Deku-Baum allein. Aber er wird seine Gründe haben, da kannst du sicher sein. Also würdest du jetzt bitte die Freundlichkeit besitzen und zur Seite treten, sodass wir passieren können?“ Link grinste verstohlen, während er Midos Mienenspiel beobachtete. Es missfiel ihm ganz offensichtlich, seinen Erzrivalen durchzulassen, doch die kluge Fee hatte ihn matt gesetzt. Jegliche Weigerung würde einer Missachtung eines direkten Befehls gleichkommen, was eine grobe Beleidigung des Deku-Baumes gewesen wäre. Schließlich biss Mido sich auf die Unterlippe und sah zuerst Navi, dann Link von unten herauf mit gesenktem Kopf an. „Ich würde dich ja gerne gehen lassen, aber seit ein paar Tagen sprießen auf diesem Weg die Dekuranhas nur so. Es wäre einfach unverantwortlich, einen Unbewaffneten gehen zu lassen. Das muss auch der Deku-Baum einsehen. Tut mir leid.“ Navi ballte die kleinen Hände zu Fäusten und sah aus als wollte sie sich jeden Augenblick auf Mido stürzen, doch Link grinste und fragte mit gespielter Unschuld in der Stimme: „Das heißt, wenn ich irgendwo eine Waffe auftreiben könnte, würdest du mich passieren lassen?“ „Ja, ja“, murmelte Mido verwirrt. Woher wollte Link um alles in der Welt eine Waffe auftreiben? Im ganzen Wald gab es keine einzige. Als er das Leuchten in Links Augen sah, setzte er jedoch vorsichtshalber nach: „Sofern du ein Schwert und einen Schild auftreiben kannst, werde ich dich gehen lassen.“ „Alles klar!“ Link nickte Mido kurz zu und wandte sich dann zum Gehen. Navi folgte ihm aufgeregt und umschwirrte ihn wie eine Fliege an einem heißen Sommertag die Kuh. „Du hast doch etwas vor. Das sehe ich dir an der Nasenspitze an.“ Link steuerte zielstrebig auf Salias Haus zu, aber Navi flog mit in die Hüften gestemmten Händen vor ihn und sah ihn mit großen Augen erwartungsvoll an. Er wich ihr mit einem kurzen Haken aus, begann jedoch seinen Plan zu erläutern: „Mido erwartet von mir, dass ich mich bewaffne – also werde ich genau das tun. Einen Schild zu besorgen, ist ein Kinderspiel. Im Laden können wir einen für vierzig Rubine kaufen. Deswegen schau ich jetzt kurz bei Salia vorbei. Sie wird mir sicherlich helfen, die Summe zusammenzubekommen. Danach kümmern wir uns um ein Schwert. Einer Erzählung nach gibt es hier irgendwo ein verstecktes Schwert – der Schatz dieses Dorfs. Ich habe vor, es zu finden.“ Salia saß gerade auf ihrem Bett und stopfte einen Socken, als Link ins Zimmer stürmte. Erschrocken ließ sie ihre Arbeit fallen und stand auf. Link hatte gerötete Wangen und leuchtende Augen, aus denen er sie unverwandt ansah. Hinter ihm schwebte eine silbrig glänzende Fee, die sich nun mit einer eleganten, fließenden Bewegung auf seiner Schulter niederließ und Salia angrinste. Bevor Salia etwas dazu sagen konnte, platzte es aus Link heraus: „Du wirst es kaum glauben, aber als ich heute Morgen wach wurde, war da plötzlich diese Fee – Navi – und hat mir gesagt, dass ich zum Deku-Baum gerufen wurde, aber Mido will mich nicht passieren lassen, weil es seiner Meinung nach wegen der vielen Monster zu gefährlich ist. Deswegen hat er gefordert, ich solle mich zuerst bewaffnen. Ich soll ein Schwert und einen Schild auftreiben. Hast du nicht ein paar Rubine, die du mir leihen könntest?“ Das Kokiri-Mädchen blickte ihn aus großen Augen irritiert an. „Okay, jetzt noch einmal langsam. Du sollst ein Schwert und einen Schild besorgen, damit Mido dich zum Deku-Baum gehen lässt?“ „Genau.“ Als Link nickte, wippte der Zipfel seiner grünen Mütze ungeduldig in der Luft. „Und wozu brauchst du Rubine?“ Salia war noch immer verwirrt. „Damit ich im Laden einen Kokiri-Schild kaufen kann.“ Link lächelte sie nachsichtig an. Er wusste, dass er sie überfallen und überrascht hatte, weswegen es ihr schwerer fiel zu ihm aufzuschließen als gewöhnlich. „Und woher gedenkst du das Schwert zu bekommen?“, fragte Salia ehrlich neugierig. „Erinnerst du dich an die Legende der heldenhaften Walküre, die der Deku-Baum uns vor einiger Zeit erzählt hat?“ Nachdenklich nickte Salia und schaute Link noch immer leicht irritiert an. Worauf wollte er hinaus? „Ich fand die Geschichte faszinierend und hab mir einige Gedanken darüber gemacht. Ich bin davon überzeugt, dass es mehr als nur ein schönes Märchen ist und ich glaube, ich weiß, wo das Schwert versteckt ist. Den Hinweisen der Erzählung folgend, kann es eigentlich nur ein Ort sein.“ „Und was machst du, wenn du dich irrst?“ „...Ich weiß nicht. Aber einen Versuch ist es trotzdem wert. Denkst du nicht?“ „Stimmt. Zu verlieren hast du schließlich nichts.“ Das Kokiri-Mädchen lächelte ihren Freund an warm an, was dieser ebenso herzlich erwiderte. „Eben. Kannst du mir denn mit ein paar Rubinen aushelfen? Ich verspreche auch, dass ich dir dein Geld zurück bringe, sobald ich kann.“ Man hörte Links Stimme deutlich an, wie unangenehm es ihm war, Salia um Hilfe zu bitten. Diese warf einen Blick auf Navi, die sich auf Links Schulter räkelte und erwartungsvoll schaute. So langsam beschlich Salia der Verdacht, dass sie wusste, warum der Deku-Baum ihren besten Freund sehen wollte… „Ja, ich habe ein paar Ersparnisse, mit denen ich dir aushelfen kann.“ „Du bist die Beste!“ Link fiel ihr um den Hals und küsste sie auf die Wange. Das Blut schoss ihr ins Gesicht und sie drehte sich schnell von ihm weg, damit er nicht sah, dass sie rot wurde. Jetzt, wo es so schrecklich nah schien, dass er sie verlassen musste, wollte sie ihm nicht zeigen, dass sich ihre Gefühle für ihn verändert hatten. Schon seit geraumer Zeit empfand sie mehr als bloß Freundschaft für den warmherzigen Jungen mit den strahlend blauen Augen… „Ich hol kurz meinen Rubinbeutel“, murmelte sie leise und lief durch den Raum. An der gegenüberliegenden Wand stand eine alte Holztruhe, deren Scharniere protestierend ächzten, als Salia den Deckel anhob. Nachdem sie einige Zeit darin herumgekramt hatte, kam sie wieder auf Link zu. Während der Suche nach dem kleinen Lederbeutel hatte sie sich wieder gefasst und das Rot ihrer Wangen war wieder ihrer üblichen Elfenbeinfarbe gewichen. „Hier drin sind zwanzig Rubine. Damit hast du die Hälfte schon zusammen.“ Sie lächelte Link an und er erwiderte dieses Lächeln mit einem breiten Grinsen. „Du bist wirklich ein Schatz!“ Erneut drückte er sie kurz an seine Brust und schickte sich dann an, ihr Haus wieder zu verlassen. „Du bekommst es bald zurück. Versprochen.“ „Behalt es. Ich schenk es dir.“ Für einen kurzen Moment guckte Link verblüfft, dann strahlte er und warf seiner Freundin eine Kusshand zu. „Danke!“ Salia blickte ihm nach, wie er aus der Tür verschwand und davon joggte. Plötzlich war ihr zum Weinen zumute. „So, hier müsste es sein.“ Link warf Navi einen Blick zu, der zwischen Abenteuerlust und Stolz auf sich selbst schwankte, und deutete auf ein Loch in einer Felswand, die im Kokiri-Dorf aufragte. Die Fee blickte ihn skeptisch an. „Bist du dir sicher?“ „Ja, ich denke schon.“ Der Junge nickte nachdenklich, ohne den Blick von dem engen Tunnel abzuwenden, vor dem er stand. „In der Geschichte, die der Deku-Baum uns erzählt hat, trainierte die kühne Walküre hier auf diesem Platz, auf dem ihr zu Ehren dieser Trainingsparcours errichtet wurde. Der Legende nach versteckte sie ihr Schwert in der Nähe ihrer Trainingsstätte, kurz bevor sie ihren Wunden, die sie in einem besonders schweren Kampf mit einem spinnenähnlichen Wesen erlitten hatte, erlag. Doch es wurde nie gefunden...“ Er schaute verschwörerisch zu Navi hoch, die abwartend eine Augenbraue in die Höhe zog. So langsam konnte der Bursche auf den Punkt kommen... „Diesen Tunnel habe ich erst vor kurzem entdeckt, als ich mich beim Sprungtraining im Winkel vertan hab und in diesem Busch gelandet bin.“ Link zeigte auf einen stacheligen Brombeerstrauch, der den Zugang zum Tunnel fast vollständig verdeckte, und verzog den Mund. Offensichtlich war die Erinnerung an die spitzen Dornen noch sehr präsent. Navi legte den Kopf schief und dachte nach, während sie Link musterte. Er presste die Lippen aufeinander und seine saphirblauen Augen funkelten. Er sah wild entschlossen und zu allem bereit aus. Schließlich zuckte sie mit den Schultern und machte sich dazu bereit, herauszufinden, was hinter diesem dunklen Loch zu finden war. „Alles klar. Einen Versuch ist es allemal wert.“ Die beiden Abenteurer nickten sich zu und atmeten tief durch. „Nach Ihnen, der Herr.“ Navi flog neben Link und machte eine auffordernde Geste. Langsam ging dieser in die Knie und schob vorsichtig den Brombeerstrauch zur Seite. Dann kroch er in den engen, dunklen Schacht, ohne zu wissen, was ihn auf der anderen Seite erwartete. Nach einigen Metern fiel endlich wieder Licht in den Tunnel, was Link erleichtert aufatmen ließ. Er hatte schon beinah befürchtet, sich in einer Sackgasse zu befinden! Als er endlich das Ende erreicht hatte, richtete er sich schnell auf und klopfte den Dreck aus seinen Kleidern. Der feine Staub stieg ihm in die Nase und ließ ihn niesen. „Gesundheit.“ Navi grinste Link an und schaute sich um. Sie standen in einem unzugänglichen Bereich des Waldes, der ringsherum von hohen Felsformationen eingeschlossen war, die das Eindringen beinah unmöglich machten. Die Fee pfiff leise durch die Zähne und machte große Augen. „Ich bin beeindruckt. Wie es aussieht, könnten wir hier wirklich etwas entdeckt haben! Jedenfalls bezweifle ich, dass sich oft jemand hierher verirrt.“ Link grinste stolz und schritt mutig in das unbekannte Terrain voran. Langsam kämpfte er sich durch das hüfthohe Gras, das sich wie ein Meer vor ihm ausbreitete und sacht im Wind hin und her wogte. Navi flog neben seinem Kopf her und genoss die ersten Sonnenstrahlen, die über die Baumkronen hinweg auf die Wiese fielen. Plötzlich stolperte Link und fiel mit einem gedämpften Aufschrei zu Boden. Mit grimmigem Blick rollte er sich auf den Rücken und versuchte auszumachen, was ihn zu Fall gebracht hatte. „Blöde Wurzel!“ Er versetzte dem Übeltäter einen Tritt und schwang sich wieder auf die Füße. Missmutig schaute er auf seine Hände, die er sich bei dem Versuch, seinen Sturz abzufangen, aufgeschürft hatte. Dann zuckte er mit den Schultern, rieb sich Schmutz und Blut an seiner Tunika ab und blickte sich um. „Ich frage mich, woher diese Wurzel kommt. Der nächste Baum steht viel zu weit entfernt.“ „Da hast du Recht.“ Navi ließ ihren Blick schweifen und entdeckte weit und breit keine zu der Wurzel gehörende Pflanze. Doch irgendwoher musste sie doch kommen... Blitzschnell schoss Navi in die Höhe und grinste zufrieden, als sie die Lösung des Rätsels sah. „Du stehst neben einem Baumstumpf.“ Als sie wieder neben Links Kopf schwebte, wurde ihr Grinsen noch eine Spur breiter. „Ich glaube, wir haben gefunden, was wir gesucht haben. Auf diesem Stumpf steht eine Kiste. Irgendjemand hat hier seinen Schatz versteckt. Hoffen wir, dass es wirklich die legendäre Walküre war und wir nicht bloß den geheimen Essensvorrat von einem deiner verfressenen Nachbarn entdeckt haben.“ Eiligen Schrittes schlug Link sich zu dem Baumstumpf durch, der in dem Gräsermeer vollständig unterging und so unsichtbar wurde, sofern man nicht wie Navi die Gelegenheit hatte, von einer höheren Position aus einen Blick auf die Wiese zu werfen. Mit einem Satz sprang Link auf den Stumpf und berührte geradezu ehrfürchtig die alte Truhe. Wind und Wetter hatten dem moosbewachsenen Holz über Jahrzehnte hinweg zugesetzt und es fühlte sich seltsam weich an, als der Junge mit der flachen Hand über den Deckel strich. Dann legte er beide Hände an das inzwischen verrostete Schloss, atmete tief durch und brach es einfach auf. Navi zog ungläubig beide Augenbrauen in die Höhe und applaudierte anerkennend. In den dünnen Armen dieses Kindes steckte mehr Kraft als man vermutete. Auf einmal zweifelte sie weniger daran, dass Link trotz seines geringen Alters die Aufgaben bewältigen konnte, die vor ihm lagen. Langsam und bedächtig hob Link den Truhendeckel an und schob ihn nach hinten, sodass er den Blick auf den Inhalt der Kiste frei gab. Das Innere der Kiste war mit roter Seide ausgeschlagen, die im Morgenlicht sanft schimmerte. In der Mitte des gepolsterten Bodens lag eine schlichte, blaue Schwertscheide, aus der ein goldener Griff heraus ragte. Mit einem breiten Grinsen drehte sich Link zu Navi um, die ihn verblüfft ansah. „Ich hab es gewusst!“, triumphierte der Junge, der sich freute, dass der schwierigste Teil der Ausrüstungssuche abgeschlossen war. Vorsichtig hob er die Scheide aus der Truhe, um mit einer schnellen, geschmeidigen Bewegung die Klinge herauszuziehen. Zischend schwang er das silbrig glänzende Kurzschwert durch die Luft und wirkte dabei so selbstsicher als wäre er mit einem Schwert in der Hand aufgewachsen. Schließlich steckte er die Waffe wieder in die Scheide und warf sie über die Schulter, um das dünne Lederband, das am oberen Ende der Schwertscheide befestigt war, an dem dafür vorgesehenen Ring am unteren Ende festzuknoten. Dann setzte er eine entschlossene Miene auf und wirkte mit einem Mal nicht mehr wie ein Kind, sondern wie ein Krieger, der in die Schlacht zog. Auf dem Weg zum Dorfladen legten die Beiden noch einen kurzen Zwischenstopp bei Links Haus ein, um die fehlenden zwanzig Rubine zu besorgen. „Gut, dass ich in letzter Zeit ein wenig gespart habe. Eigentlich wollte ich davon ein Geschenk für Salia kaufen, aber sie wird es schon verstehen, dass der Schild Vorrang hat.“ Mit langen Schritten eilte Link auf den Shop zu, wobei der Zipfel seiner langen Mütze unruhig durch die Luft flatterte. Der Kokiri-Schild, den er im Laden erstand, war aus alter, abgeplatzter Borke des Deku-Baumes geschnitzt. Das Holz war ungewöhnlich hart und strapazierfähig, doch leider auch leicht entzündlich. Sollte ein Feind mit Feuer angreifen, würde der Schild kaum Schutz bieten, aber gegen die riesigen, fleischfressenden Pflanzen, die sich auf dem Weg zum Deku-Baum breitgemacht hatten, würde er gute Dienste leisten. Link befestigte den Schild so an der Schwertscheide, dass er sowohl Schwert als auch Schild in Windeseile ziehen konnte. Dann machte er sich im Eilschritt auf, um endlich Mido dazu aufzufordern, zur Seite zu treten. Dieser riss überrascht die Augen auf, als Link ihn mit seiner neuen Ausrüstung konfrontierte. „Woher... Woher hast du dieses Schwert?“ Link musste angesichts von Midos ungläubigem Gesichtsausdruck breit grinsen. Endlich einmal hatte er den Anführer der Kokiri vorgeführt und nicht umgekehrt! „Das tut nichts zur Sache, Mido. Die Hauptsache ist, dass ich deine Bedingung erfüllt habe – also lass mich jetzt endlich passieren. Ich habe den Deku-Baum schon viel zu lange warten lassen.“ Navi nickte anerkennend und empfand plötzlich beinah mütterlichen Stolz ihrem neuen Schützling gegenüber, der genügend Mut aufbrachte, vor seinem Erzrivalen, der ihn über Jahre hinweg schikaniert hatte, eine unerschütterliche Selbstsicherheit an den Tag zu legen. Mido warf einen grimmigen Blick auf die Fee und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust, trat aber zur Seite. „Ich verstehe noch immer nicht, was der Deku-Baum von so einem will...“ „Das muss einer wie du auch nicht verstehen“, versetzte Navi spitz mit einer derartigen Eiseskälte in der Stimme, dass sich die milde Frühlingsluft um sie herum für einen Moment abzukühlen schien. Dann ließ sie sich auf Links Schulter nieder, der das Kinn leicht in die Luft reckte und geradezu majestätisch an Mido vorbei schritt. Kaum hatten die Beiden das Dorf so weit hinter sich gelassen, dass sie außer Hörweite waren, brachen sie in schallendes Gelächter aus. „Hast du sein Gesicht gesehen? Einfach zu herrlich! Ich danke dir, Navi. Dieser Blick hat mich für die zurückliegenden Jahre mehr als entschädigt.“ Amüsiert grinsend marschierte Link weiter, während Navi eine Strähne ihres langen, goldenen Haares auf einen ihrer Zeigefinger wickelte. Plötzlich schnellte neben ihnen das riesige, blaue Maul einer Dekuranha hoch und schnappte nach Links Bein, doch dieser sprang zur Seite und schlug dem Angreifer mit einem gezielten Schwertstreich den Kopf ab, bevor eine zweite Attacke möglich war. „Na, das nenn ich mal schnelle Reflexe“, murmelte Navi, die bei Links blitzschnellem Ausweichmanöver von dessen Schulter gefallen war und sich ängstlich an eine Falte seiner grünen Tunika klammerte. Nachdem die Fee ihren Platz auf der Schulter des Jungen wieder eingenommen hatte, setzten die Beiden ihren Marsch weiter fort. Auf dem weiteren Weg zum Deku-Baum begegneten sie noch mehreren angriffslustigen Pflanzen, die ein ähnlich schnelles Ende fanden wie der erste Angreifer. Schließlich durchbrach Link die dichten Baumreihen und trat auf eine weite Lichtung, in deren Mitte der majestätische Deku-Baum aufragte. Sein Stamm war mehrere hundert Meter dick und das Astwerk, das die Baumkronen aller anderen Bäume um einige Meter überragte, erstreckte sich über die gesamte Lichtung, sodass das Licht, das durch die Blätter fiel, einen zarten Grünstich bekam. Ehrfürchtig näherte sich Link dem riesigen Schutzpatron der Wälder, der sanftmütig auf seine Besucher herunter blickte und sie mit knarzender Stimme begrüßte: „Da bist du wieder, Navi. Und du hast den Jungen mitgebracht, wie ich dich gebeten habe. Ich danke dir.“ Die Fee flog auf den riesigen Baum zu und machte in der Luft ehrerbietig einen Knicks, während der Deku-Baum fortfuhr: „Und du, Link, fragst dich sicherlich, warum ich dich hierher bestellt habe. Nun, ich habe eine Bitte an dich. Vor einiger Zeit war ein düsterer Mann aus der Wüste hier und forderte den heiligen Schatz des Waldes von mir. Als ich nicht kooperierte, hat mich dieser Dämon mit einem Fluch belegt. Deswegen brauche ich dich und die Reinheit deiner Jugend, um diesen Fluch zu brechen. Wirst du diese Aufgabe auf dich nehmen?“ Link schluckte, um das flaue Gefühl in seinem Magen zu vertreiben und eine feste Stimme zu haben, als er dem Waldwächter antwortete: „Ja, weiser Deku-Baum. Ich werde alles tun, um dich von deinem Leiden zu befreien.“ „So sei es denn... Tritt ein.“ Mit lautem Knacken und Krachen öffnete sich ein Zugang zu dem Inneren des Wächterbaumes, dessen unheilverkündende Finsternis Link einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Er atmete tief durch, um gegen das steigende Unwohlsein anzukämpfen, und wollte gerade einen Schritt über die Schwelle ins Innere setzen als Navi ihn zurückhielt. „Warte!“ Link wandte ihr den Kopf zu und schaute die lächelnde Fee mit großen Augen an. Diese erklärte: „Ich werde dich begleiten, aber vorher möchte ich dir noch etwas geben.“ Flink schoss sie in die Höhe und verschwand für einige Augenblicke zwischen den Ästen des Deku-Baumes, um dann plötzlich wieder neben Link aufzutauchen. „Hier. Ich denke, das könnte sehr nützlich sein.“ Navi reichte ihm einen kleinen Lederbeutel, den Link sogleich an seinem Gürtel befestigte, auch wenn er nicht genau wusste, warum Navi ihm diesen Beutel gegeben hatte. „Öhm… Danke!“ Navi grinste breit und stemmte die Hände in die Hüften, als sie den Oberkörper zu ihm beugte. „Du wirst schon sehen, wozu dieses Wunderding gut ist.“ Sie zwinkerte ihm zu und wies dann in das Innere des Deku-Baumes. „Wir sollten uns nun auf den Weg machen. Die Zeit drängt.“ Link nickte, zog sein Schwert aus der Scheide und trat über die Schwelle. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)