Aufstieg und Fall des Sonnenkönigs von Switch ================================================================================ Kapitel 3: Trollkriege II ------------------------- Es war einer der schönsten und sonnigsten Tage seit Langem in Quel’thalas und Lor’themar vergrub sich in seiner Arbeit. Sein Schreibtisch war voll von Bergen mit irgendwelchen Schreiben, die meisten davon Beschwerden oder Kritik. Obwohl Lor’themar, wie jeder andere Blutelf auch, die Sonne pries, war die Hitze, die sich in seinem kleinen Raum gestaut hatte, fast unerträglich. Das ging so weit, dass er Teile seiner Rüstung abgelegt hatte und nur noch in dünnen Leinenkleidern dasaß. Mit der einen Hand fächelte er sich etwas Wind zu, während er mit dem anderen nach einem Brief griff. Das Siegel darauf ließ ihn eine Braue hochziehen. Es zeigte das Wappen ihres Volkes, einen Phönix in Flammen, gekrönt von einem Bluttropfen. Mit einem Messer öffnete er das dünne Papier, senkte allerdings den Kopf und warf das Blatt angeekelt zur Seite. Er wusste, er hatte sich manchmal vor seinen bürokratischen Pflichten gedrückt. So sehr jedoch, dass ihn ein Brief, die Sonnenwanderer-Familie betreffend, nie erreicht hatte? Wahrscheinlich war das Schreiben zwischen hundert anderen untergegangen. Es war nicht mehr aktuell und der Elf, der diese Nachricht verfasst hatte, hatte sein Leben spätestens in der Scherbenwelt eingebüßt, wenn er nicht schon bei der Verteidigung seiner Heimat ums Leben gekommen war. Lor’themar gruselte sich vor dem Gedanken, dass einer seiner ehemaligen Brüder und Schwestern vielleicht als Todesritter durch die Welt streiften. Zugegeben, die Todesritter waren nicht mehr verhasst. Sie wurden akzeptiert und geduldet, weil sie ihren Völkern und der Horde treu gedient hatten, dennoch würde er sich nie gänzlich damit anfreunden können. Alles in allem tat es nichts zur Sache. Er griff nach dem nächsten Schreiben. Manchmal, es gab diese seltenen Augenblicke, da wünschte sich der Lordregent Sylvanas oder Anasterian, - ach, selbst Kael’thas! – wieder zurück. Sie waren weitaus bessere Herrscher gewesen als er es je sein mochte, auch wenn er sein Bestes gab, sein Volk ehrenvoll und diplomatisch zu vertreten, sowohl in der Horde als auch gegenüber der Allianz. Ein Klopfen an der Tür riss ihn schließlich aus seinen Gedanken. Ihm entglitt das Papier, das er gerade so noch in der Luft wieder einfangen konnte, um es vor sich auf dem Tisch abzulegen. Er sagte nichts, die Person, die auf der anderen Seite stand, verschaffte sich schließlich ohnehin selbst Eintritt und blieb in dessen Rahmen stehen. Ein schwaches Lächeln stand auf dem Gesicht seines guten Freundes, Halduron Wolkgenglanz, als dieser auf den wenig arbeitswütigen Lor’themar blickte. Der versuchte, den spottenden Augen des anderen Elfen auszuweichen, indem er zur Seite wegblickte, machte sich dann aber der Tatsache bewusst, dass sie nicht nur Freunde waren, sondern auch in einem politischen Verhältnis zueinanderstanden. „Was gibt es?“, fragte Lor’themar nach einer Weile des ungemütlichen Schweigens. „Nichts. Deswegen bin ich hier.“ Der Lordregent seufzte. „Du kannst nicht herkommen, nur, weil dir langweilig ist. Ich stecke bis zum Hals in Arbeit.“ „Ich weiß, ich weiß“, gestand Halduron und setzte sich auf die andere Seite des Schreibtisches. Er faltete die Hände auf seinem Schoß und musterte den Stapel, der sich vor ihm ertürmte. Der kleinste Hauch drohte, ihn umzuwehen und jeden Zettel in eine andere Himmelsrichtung zu zerstreuen. „Es geht um Sylvanas.“ Die jüngsten Trollangriffe hatten das stolze Volk der Hochelfen zum Handeln gezwungen. Zusammen mit seinem Ur-Enkel und dessen Sohn stand Dath’remar Sonnenwanderer auf dem Balkon des Palastes inmitten von Silbermond und beobachtete den kleinen Markt, der dort aufgebaut worden war. Die Händler boten die süßen Früchte und das zarte Fleisch der Tiere des Landes an, die meisten unterhielten sich und lachten, trotzdem war die angespannte Stimmung deutlich zu spüren. So als könne man sie direkt mit der Hand aus der Luft ziehen. „Wir wissen nicht, ob die Trolle tatsächlich vorhaben, einen Krieg anzufangen“, holte Anasterian ihn aus den Gedanken. Dath’remar nickte zwar, schien aber nicht ganz mitbekommen zu haben, was er gesagt hatte. Er erinnerte sich nur an die allerersten Trollangriffe, viele Jahrtausende, bevor die jetzige Generation Sonnenwanderer überhaupt geboren war. Es stimmte: Die Hochelfen hatten den territorialen Trollen eine ihrer ursprünglichen Kolonien genommen, weil der Ort vielversprechend war, voller Magie und Energie, um einen magischen Brunnen zu schaffen, heute der Sonnenbrunnen genannt, der ihnen ihre Kraft spendete und sie am Leben hielt. Er machte es überhaupt erst möglich, dass sie viele Jahrtausende existieren konnten, nicht an Krankheiten litten und jung und schön blieben. Der Zorn der Trolle auf die Elfen, die es gewagt hatten, sie zu verscheuchen, war wohl berechtigt. Sie würden jedoch wissen, was sie tun sollten, um ihre Heimat zu verteidigen. „Wissen wir nicht. Das stimmt. Die Waldläufer konnten noch nichts in Erfahrung bringen und jeder Troll, den wir gefangen nehmen konnten, wäre lieber gestorben, als uns etwas zu sagen.“ Kael’thas blickte zu den beiden älteren Männern auf. Auf den ersten Blick wirkten sie alle wie Gleichaltrige, aber bei genauem Hinschauen konnte man erkennen, dass Dath’remars Züge deutlich härter waren. Er hatte schon viel miterlebt, viel gesehen. Er hatte die Angriffe der Legion überlebt, sein Volk am Mahlstrom über das Meer führen können und mit einer Phiole aus dem Brunnen der Ewigkeit den Sonnenbrunnen erschaffen. Die Trolle waren nichts im Vergleich, aber sie waren dennoch eine Bedrohung, die sie auf keinen Fall unterschätzen durften. Sie waren clever, link und beherrschten abnorme Rituale. Sie hatten Geister, die über sie wachten, spielten irgendwelche Voodoospielchen und, zu allem Überfluss, wussten sie, wie man effizient Waffen baute. Auch Trolle waren magisch begabt. Sie nutzten ihr magisches Talent, um ihre Äxte und Speere zu verstärken und trotzten so den Angriffen der Elfen, genauso wie sie es so schafften, verheerende Löcher in ihre Formationen zu schlagen und große Gruppen an Waldläufern gnadenlos abzuschlachten. Mittlerweile waren die Elfen vorsichtiger geworden. Es brauchte zwar einige unfähige Generäle, ehe sie ihre Position begriffen hatten, allerdings waren sie nun schlauer. Sie konnten sich neu formatieren und mehrere Truppen zur Verteidigung ausbilden, während andere patrouillierten und Kundschafter regelmäßig Informationen über die nächsten Schritte ihrer verfeindeten Nachbarn liefern konnten. „Sie planen etwas Großes, so viel ist sicher“, fuhr Anasterian fort. Er drehte sich zu einem Tisch um, auf dem mehrere Karten verteilt lagen und griff sich eine, die erst kürzlich gezeichnet worden war, ehe er sie auf dem Tisch vor sich ausbreitete und Dath’remar mit dem Finger die sich immer wieder ändernde Position der Trolle bedeutete. „Die Waldläufer sagen, dass sie nicht lange an einer Stelle blieben, so als würden sie vorrücken wollen.“ Dath’remar legte seine Stirn in Falten und setzte sich an den Tisch, an dem seine beiden Nachfahren noch immer standen und sich einen raschen Blick schenkten, ehe sie wieder auf den Ältesten schauten. Nachdenklich zwirbelte er eine blonde Strähne, die von weiteren, silbernen, durchzogen war. Und mit einem Mal verharrte er in seiner Bewegung, sprang dann auf und schlug mit den flachen Händen auf den Tisch. „Wenn es soweit ist, müssen wir gewappnet seid. Gebt den Waldläufern Bescheid. Sie sollen sich bereithalten, den Wald zu verteidigen. Wir errichten eine Defensive direkt an den Mauern von Silbermond. Selbst wenn die Trolle es schaffen sollten, sich durch uns hindurch zu kämpfen … Quel’danas werden sie niemals erreichen.“ Erneut schenkten sich Anasterian und sein Sohn prüfende Blicke. Dath’remar hatte vollkommen Recht. Wenn die Trolle kamen, würden auch sie kämpfen müssen. „Was ist mit den Menschen?“ Dath’remar zuckte zusammen. Er wusste nicht, was er von den Menschen halten sollte. Sie hatten schon einmal mit ihnen eine Allianz geschlossen. Damals hatten sie einhundert von ihnen gestattet, die arkanen Künste bei ihnen zu lernen. Mittlerweile hatten die Menschen ganze Königreiche erbaut und gemeinsam mit ein paar anderen Elfen eine Hochburg für Magie und Magier erbaut. Sie wurden selbst von den Trollen flankiert und bekämpfen sie seit Jahrhunderten. Wahrscheinlich würden sie sich wieder als wertvolle Verbündete erweisen. „Ich schicke Boten in die Königreiche aus“, sagte Dath’remar. Anasterian nickte ihm zu und legte dabei die Hände an die Schultern seines Sohnes. Kael’thas hatte sich die ganze Zeit über aus diesem Gespräch rausgehalten. Er hatte sich seine eigenen Gedanken gemacht, war aber persönlich zu keinem Schluss gekommen. Er wusste nicht, wie es um einen Krieg stand oder wie er damit umzugehen hatte. Er war zu behütet aufgewachsen, als dass die Bedrohung durch Trolle ihm je wirklich aufgefallen wäre. Die meiste Zeit war er vertieft in seine Studien, ging durch die Stadt, um sich zu unterhalten oder bereitete sich darauf vor, selbst nach Dalaran zu reisen. Er hatte längst Briefe dorthin ausgesandt, um sich anzukündigen und Audienz zu erbitten. Im Gegensatz zu physischen Auseinandersetzen beherrschte er Diplomatie und Redekunst. „Verzeiht mir“, sagte er das erste Mal seit einer kurzen Zeit wieder und senkte demütig das Haupt. Ein paar seiner blonden Strähnen fielen ihm ins Gesicht, als er den Kopf wieder hob und befreite sich aus dem Griff seines Vaters. Er wusste, was er dachte. Anasterian würde nicht wollen, dass Kael’thas an der Front sein würde. Er würde das Leben seines Sohnes nicht opfern. Dath’remar winkte ihn fort. Er konnte sie immer noch reden hören, als er den Raum längst verlassen hatte. Statt in seine Gemächer einzukehren, machte Kael einen Spaziergang über den Basar. Der Tag war förmlich verflogen. Als er es geschafft hatte, sich endlich von einem seiner Bücher loszureißen, um diesem Treffen beizuwohnen, waren die meisten Stände gerade erst aufgebaut worden. Jetzt waren es nur noch wenige, die die letzten Reste zusammensuchten. „Wollt Ihr vielleicht noch etwas?“, fragten sie alle demütig, als er an ihnen vorbeiging, doch Kael lehnte lächelnd ab und winkte in ihre Richtungen. Er blickte auf die riesigen Gebäude, die sich in ihren sanften Farben in den blauen Himmel streckten, der sich allmählig purpurn färbte. Die Sonne war bald untergegangen und er fühlte sich, als habe er diesen Tag nichts erreicht, außer mehr und mehr darüber zu bangen, was geschehen würde, wenn die fremden Angreifer sie wirklich erreichten. „Kael’thas?“ Kael drehte sich um. Es war Selin, der ihn ansprach. Wahrscheinlich war er zufällig in der Gegend gewesen. Soweit er wusste, machte er mittlerweile ebenfalls eine kriegerische Ausbildung. Wegen unterschiedlicher Interessen hatte sich ihre Freundschaft ein wenig auseinandergelebt, nichtsdestotrotz begegneten sie sich des Öfteren, dem Zufall zu verdanken – oder der Tatsache, dass Selin nicht unweit vom Zentrum seinen Wohnsitz hatte. „Oh“, machte er überrascht, versuchte dabei aber geschickt zu verbergen, dass ihn die ganze Sache wegen des Krieges beschäftigte und schenkte ihm ein warmes Lächeln. „Schön, dich zu sehen.“ „Auch so. Du wirkst etwas gehetzt. Ist etwas? Oder hättest du einen Augenblick Zeit?“ Kael senkte den Kopf. Er fühlte sich ertappt, schüttelte dann aber den Kopf und damit den Rest der Unsicherheit hab, um seine Haltung vor Selin zu bewahren und blickte ihn fragend an. Er musste sie nicht ausformulieren, die Frage, wieso er das wissen wollte. Offensichtlich sah er es in seinen Augen, denn eilig fügte er hinzu: „Ich habe die Waldläufer über einen Krieg munkeln hören. Die ganze Stadt spricht eigentlich davon. Ist da was dran?“ Man wusste um Selins Scharfsinn und seine Neugier, aber dass er derart gut informier wäre, hätte Kael nicht erwartet. Meistens gingen die ersten Informationen zu den Generälen, dann zu deren direkten Untergeordneten und erst dann verbreiteten sich meist Gerüchte zwischen den einzelnen Waldläufern. Auf der anderen Seite war es nur eine Frage der Zeit, bis die vielen kleinen Angriffe sich zu etwas größerem addieren würden. Lange würden auch die Trolle ihre Finger nicht mehr stillhalten können. Je länger sie nämlich in der Defensive hockten, desto schneller dezimierten die geschickten Elfen ihre Zahlen mit heimlichen Angriffen auf kleinere Dörfer und Giften, die für Krankheit und Schwäche sorgten. „Ich bin mir nicht sicher“, gestand Kael’thas, „aber Dath’remar und mein Vater haben sich über so etwas unterhalten, ja.“ So gut es ging versuchte Kael zu verbergen, dass er diesen Krieg fürchtete und kein Opfer davon werden sollte. Er hatte sich bereits mit seinem Vater unterhalten, der strikt dagegen war, seinen – für Elfenverhältnisse – fast noch jugendlichen Sohn mit ins Kriegsgeschehen einzubinden und auch in Selins Gesicht konnte er eine ähnliche Sorge ablesen. „Ich verstehe. Danke, dass du das mit mir teilst. Tu mir nur einen Gefallen.“ „Welchen?“ „Wenn es soweit ist, versteck dich.“ Es traf ihn schwer, das zu hören. Natürlich war ihm klar, dass er seinem Freund und Prinzen nur das Beste wollte, auf der anderen Seite wirkte es wie ein Beweis seiner Schwäche. So ganz sicher, wie er darüber denken sollte, war er nicht. Er war ein Prinz und irgendwann würde er über dieses Land herrschen. Und dann sollte er sich bei dem kleinsten Anzeichen eines Krieges zurückziehen und verstecken? Selin tätschelte ihm die Schulter. Das Lächeln, das über seine Lippen huschte, barg Verständnis, strafte seinen Unmut aber Lügen. „Sylvanas? Wieso Sylvanas?“Nach all der Zeit und all dem, was geschehen war, hatte Lor’themar immer noch ein vergleichbar gutes Verhältnis zu der Bansheekönigin. Ihr war es zu verdanken, dass die Blutelfen Teil der Horde werden durften und, darüber hinaus, war er ihr lange Zeit untergestellt. Er hatte ihr mehr zu verdanken als das. „Sie sprach davon, zu den verheerten Inseln aufzubrechen.“ Lor’themas giftgrüne Augen weiteten sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)