Totgeglaubte leben länger! von Annoia ================================================================================ Kapitel 3: Auferstehung ----------------------- Ohne Ankündigung öffnete L die Tür am hintersten Ende des Flurs. Grelles Licht strahlte von den Neonröhren in den Raum, wo es sich zu einem weißen Kegel auf dem sonst dunklen Boden bündelte.  L ignorierte das Schauspiel zu seinen Füßen jedoch. "Watari", forderte er stattdessen die Aufmerksamkeit seines Vertrauten.    Dieser löste seinen Blick von unzähligen Monitoren und wandte sich mitsamt seines Schreibtischstuhls um. Hinter ihm blitzten diverse Bilder der Kameras auf, die alle Räume des Hauptquartiers rund um die Uhr überwachten.    "Ryuzaki", nickte Watari ihm entgegen. Stets bereit Ls Anweisungen anzunehmen und auszuführen.   L wusste um die Ergebenheit seines ältesten Begleiters. Zugleich zweifelte er allerdings an der Zuverlässigkeit einiger Personen, die sich derzeit ebenfalls in dem Gebäude aufhielten. Daher verschloss er erst die Tür hinter sich, bevor er sein Anliegen vortrug. "Ich habe eine Bitte, Watari", kündigte er monoton an, obwohl die gegebene Situation eigentlich eine andere Stimmlage verlangt hätte. "Begründet ist sie in der Tatsache, dass wir uns allmählich der Lösung des Kira-Falls annähern. Meinen Berechnungen zufolge, steigt ab jetzt die Wahrscheinlichkeit eines verfrühten Ablebens auf weit über 93 Prozent."   Wataris Reaktion entsprach genau Ls Einschätzung. Betagte Finger zuckten für den Bruchteil einer Sekunde und widerstanden sichtlich nur schwer dem Drang, sich zu Fäusten zu ballen. Wataris gesamte Körperhaltung zeugte von Anspannung. Er rang um Fassung, die ihm noch vor dem nächsten Wimpernschlag zu entgleiten drohte.   L nutzte den knappen Zeitrahmen und fuhr fort: "Es ist zwar anzunehmen, dass Kira einzig meinen Tod anstreben wird, aber gänzlich kann ich nicht davon ausgehen. Unter Umständen wird er uns sogar beide beseitigen."  Auf kalten Fliesen tapste er durch den Raum. Vor den Monitoren hielt er inne. Sein Blick schweifte darüber, ehe er sich aus den Augenwinkeln auf Watari senkte.  "Meine Bitte bezieht sich auf die eben genannte Eventualität", kam er auf den Grund seines Erscheinens zurück.   L wartete den tiefen Atemzug seines Vertrauten ab, der es diesem scheinbar ermöglichte wieder klare Gedanken zu fassen. "Wie lautet deine Bitte?", wollte Watari wissen, als er sich jetzt ebenfalls wieder den Übertragungen widmete. Unter ihm quietschte der Drehstuhl.   "Nun", setzte L an und zeitgleich einen Daumen zwischen seine Lippen, "sollte dieser Fall eintreten, wünsche ich, dass alle Daten auf unseren Servern gelöscht werden. Kira darf sie unter keinen Umständen erhalten."   "Verstehe", nickte Watari knapp. "Ich werde sofort alle nötigen Maßnahmen treffen, um ein unverzügliches Löschen zu ermöglichen. Ein Knopfdruck wird alles vernichten können." Welche Bedeutung er dem Wort 'sofort' zuschrieb, demonstrierten seine Finger, die bereits präzise über eine Tastatur glitten. Konstantes klackern füllte den Raum.   Zufrieden lauschte L der Umsetzung seiner Bitte, da er in dem Geräusch einen Sieg trotz drohender Niederlage zu sehen glaubte. Einer Niederlage, die zu mehr als 93 Prozent feststand und sich kaum mehr abwehren ließ, wenn L die vergangenen Geschehnisse bedachte. Kira, der gefährlichste Massenmörder der Geschichte, hatte bisher schließlich fast jede Gelegenheit genutzt, um seine Karten zum eigenen Vorteil auszuspielen. Und dass er selbst jetzt noch ein Ass im Ärmel hatte, bezweifelte L nicht. Er war sich sogar absolut sicher, dass Kira erneut mit etwas auftrumpfen würde, das sich mit gesundem Menschenverstand nicht einkalkulieren ließ. Tatsächlich war es sogar L selbst, der ihn dazu treiben würde. Ja, L würde ihre letzte Partie eröffnen. Obwohl nicht einmal sieben Prozent dafür sprachen, dass er sie gewinnen könnte.   Ein Raunen entwich Ls Lippen, ehe sein Daumen es stoppen konnte. Daher biss der Detektiv noch energischer auf seinen Nagel, um weitere Anzeichen von Missmut zu verhindern. Zusätzliche Ablenkung suchte er auf den Monitoren. Der größte von ihnen präsentierte den Hauptraum der Sonderkommission, in dem Light mit den übrigen Ermittlern scheinbar weitere Vorgehen besprach. Dem Studenten war keinerlei Unruhe anzusehen. L fragte sich, ob sich das wohl ändern würde, wenn Light von den Tests erfuhr, die ohne sein Wissen angeordnet worden waren. Vermutlich nicht.   Der Scharade überdrüssig, vergönnte sich L ein Blinzeln. Als er wieder aufsah stach ihm allerdings etwas anderes als sein Hauptverdächtiger ins Auge.  "Watari", forderte er einen Teil von dessen Aufmerksamkeit und lenkte sie auf einen kleineren Monitor, "wie ich sehe, wurde nicht nur das Sicherheitspersonal vor dem Haupteingang aufgestockt." Interessiert starrte er auf eine Szene innerhalb eines Raums im Erdgeschoss. Zwei Männer unterhielten sich dort angeregt mit einer Frau. Sie alle waren in weiß gekleidet, wodurch ihre Silhouetten beinahe mit dem Hintergrund verschmolzen.   Das konstante Klackern stolperte kaum merklich. "Ich hielt es für angebracht, medizinisches Personal bereitzustellen", erklärte Watari, während seine Fingerkuppen zum gewohnten Takt zurückfanden. "Eine reine Vorsichtsmaßnahme."   "Reanimationen nach einer durch Kira provozierten Herzattacke sind wirkungslos", erinnerte L. "Auch andere Todesursachen lassen sich bewiesenermaßen nicht abwenden."   Diesmal stoppte das Klackern gänzlich. "Ryuzaki", sprach Watari sanft, "ich möchte nur nichts unversucht lassen." Sein Blick schweifte auf die drei Fremden. "Jede Option ist es wert, bedacht zu werden."   "Dieser These stimme ich zu", nickte L und entschied, seinem Vertrauten den letzten Strohhalm nicht aus der Hand zu reißen. Obwohl der vermutlich längst verdorrt war.    "Ein Unwetter zieht auf", bemerkte Watari mit einem kurzen Fingerzeig auf den Monitor, der das Dach des Hauptquartiers abbildete. Dichte Wolken formten eine schwarze Wand und raubten dem Himmel das Abendrot.   "Welch passende Kulisse für das heutige Schauspiel." L betrachtete die ersten Tropfen auf der Linse der Überwachungskamera. "Ich werde mir den Regen aus der Nähe ansehen", murmelte er auf dem Weg zur Tür. Mit dem Knauf in der Hand setzte er hinzu: "Sobald das Death Note für die Tests einsatzbereit ist, kann der finale Akt beginnen."   ~   Noch an diesem Abend starben L und Watari an den Folgen eines unnatürlichen Herzinfarkts.   ~   Piep. Ein weit entferntes Echo. Piep. Beharrlich in Finsternis. Piep. Wie ein Tropfen, der immer wieder auf den selben Stein prallte. Piep. Um ihn zu zermürben. Piep. Den Stein zu zerbersten. Piep. Die Finsternis zu zerbrechen.   "Ich glaube, er wach-"   Piep.   "Bin schon d-"   Piep.   Knirschend brach die steinerne Hülle. Doch die Finsternis blieb.   Piep.    Gehüllt in Schwärze lauschte L dem schrillen Ton. Einer Frequenz, die durch seinen Kopf hallte und jeden Gedanken daran hinderte, sich zu etwas Greifbarem zu formen.   Piep.    Einzig seine Finger bekamen etwas zu fassen - kühlen Stoff unter seinen Handflächen.   Piep. Piep.   Fremde Wärme glitt an sein Handgelenk; presste sich an seine Haut.   Piep. Piep. Piep.   "Sein Puls stabilisiert sich", kitzelte eine tiefe Stimme Ls Trommelfell. Es kribbelte wie eingeschlafene Beine, die man zum ersten mal nach langem bewegte.    "Gott sei Dank", seufzte eine weitaus höhere Stimme, ehe sie zittrig nachhakte: "Das ist doch ein gutes Zeichen, oder?"    Gebannt folgte L einer kurzen Unterhaltung, ohne den Inhalt wirklich verstehen zu können. Etwas habe funktioniert. Rechtzeitig sei etwas aktiviert worden. Ein Tod wäre nicht von langer Dauer gewesen. Ein Tod ...   Ein hämischen Grinsen blitzte in der Finsternis auf. Braune Augen glühten rot.   Piep. Piep. Piep. Piep.   "Doktor! Was ist mit ihm?", schrillte die hohe Stimme   Die Wärme schnellte von seinem Handgelenk hinauf und presste sich über Ls Lider. Abrupt wurden sie auseinander gerissen. Grelles Licht stach in seine rechte Pupille.    "Er kommt zu sich", meinte ein Schatten hinter dem Leuchten. Tief murmelte er: "Erstaunlich. Sein Bewusstsein findet schneller als erwartet zurück."   "Das überrascht mich nicht."   L bestätigte die Fremden, indem er von sich aus die Augen öffnete. Verschwommen waberte eine weiße Zimmerdecke über ihm. Risse rankten um eine Neonröhre.   "Wo -?", krächzte er. Das einzelne Wort zog Furchen in seiner trockenen Kehle, reizte seinen Gaumen und brachte ihn letztendlich zum husten. Kraftlos wandte er sich zur Seite, um seinen Speichelfluss anzuregen, aber sein Körper verwehrte ihm diesen natürlichen Reflex. Stattdessen sackte L auf hellen Laken zusammen.   "Warte", keuchte die hohe Stimme. Sie gehörte zu einem in Weiß gehüllten Arm, der an L vorbei schnellte. Kurz darauf schwebte ein Glas vor ihm. Zusammen mit einem Strohhalm, der sich zwischen seine spröden Lippen schieben wollte. "Trink das", forderte man von ihm, aber trotz der verlockenden Flüssigkeit, widerstand L dem Verlangen sie aufzunehmen. "Sei nicht so misstrauisch. Wenn wir dir was antun wollten, hätten wir das längst getan."    Unbändiger Durst verleitete L dazu, der Aussage Glauben zu schenken. Sein Mund umklammerte das Plastik und sog das gebotene Wasser in sich auf. Kühl spülte es die gröbsten Reste seiner Bewusstlosigkeit davon.   "Geht doch", gluckste es neben ihm. Lauter hörte er dann: "Doktor, er trinkt."   Vor L wellte sich eine vergilbte Wand, bei der es sich, wie er erst nach genauerer Betrachtung erkannte, eigentlich um einen Vorhang handelte. Eifrig rauschte ein Mann mittlerer Alters auf ihn zu. Grau meliertes Haar wippte, als er zufrieden nickte. "Hervorragend." Bekannte Wärme punktierte eine Stelle an Ls Hals. "Du bist bald vollständig auf dem Damm. In ein oder zwei Tagen solltest du dich wieder erholt haben." Er ließ von L ab und widmete sich einem Monitor neben dem Vorhang. Bunte Linien hüpften darauf im Takt eines Herzschlags um die Wette. L verfolgte sie, wobei sein Interesse nicht etwa dem Abbild seines eigenen Zustands galt, sondern dem des Monitors selbst. In Form eines weit gefächerten Netzes zogen sich mehrere Risse über das Glas. Sie erinnerten an das Muster an der Zimmerdecke, was L allmählich zu dem Schluss verführte, dass er sich in keinem hochmodernen Krankenzimmer befand.   "Wo bin ich?", vollendete er endlich seine zuvor begonnene Frage. Dass er sich nicht mehr im Hauptquartier der Sonderkommission aufhielt, war ihm bereits bewusst.   "In dem verlassenen Sanitätshaus", erklärte der Arzt ungerührt, bevor er wieder durch den Vorhang verschwand.    Zittrig legte L einen Daumen zwischen seine Lippen, um seinen Verstand zu gewohnten Leistungen zu animieren. Langsamer als sonst durchforstete er sein Gedächtnis, bis er einen Stadtplan darin fand. Tatsächlich erinnerte er sich an das alte Sanitätshaus hinter dem Quartier. L hatte dem Gebäude nie große Beachtung geschenkt gehabt, weil es bereits vor Jahren zum Abriss freigegeben worden war. Weder Gefahr, noch neugierige Blicke waren von dort aus zu erwarten gewesen. Beide Faktoren hatten seine Entscheidung maßgeblich beeinflusst, die Ermittlungszentrale dort bauen zu lassen, wo sie nun stand.   "Praktischerweise liegen die Tiefgaragen verdammt dicht beieinander", kicherte die zweite anwesende Person.    Um auch dieser ein Gesicht zuordnen zu können, blickte L in ihre Richtung. Die Linien auf dem Monitor stolperten, als L wider erwarten kein menschliches Antlitz entdeckte. Stattdessen grinste ihm eine weiße Hasenmaske entgegen.   "Kein Grund zur Panik", winkte die Gestalt hinter dem Plastik ab, "ich bin doch dein Glückshase."   Panik war es nicht, die in L aufkam, sondern Skepsis, die ihm in Anbetracht der vermummten Person durchaus angemessen erschien. Sobald sich jemand hinter einer Maske versteckte, hatte er etwas zu verbergen. Meist weitaus mehr als nur das Gesicht. Da ihm dieses aber gerade vorenthalten wurde, konzentrierte sich L auf die offensichtlichen körperlichen Merkmale des falschen Hasen. Er war schmächtig und reichte L im direkten Vergleich vielleicht gerade einmal bis zur Brust.    "Du musst mir aber keine Pfote abhacken", unterbrach der Ls Analyse mit demonstrativ wedelnden Händen. Zierliche Finger wirbelten durch die Luft. "Mit den Dingern bin ich bestimmt eine größere Hilfe. Zumindest haben meine Pfötchen bisher nicht geschadet."   L biss in seinen Daumennagel. Abschätzend neigte er den Kopf, während er zu verstehen versuchte, was genau der Hase meinte.    Dieser seufzte. "Na ja, dir haben sie nicht geschadet." Bebende Fingerkuppen zupften am Saum eines Kapuzenpullovers. "Aber das Endergebnis zählt, oder?" Trotz des verhüllten Gesichts, konnte L den fragenden Blick auf sich spüren. "Und da du jetzt lebst, würde ich mal behaupten, dass das Ergebnis positiv ist. Kira hat dich nicht gekillt. Das ist das einzig Wichtige." Kira. Vier Buchstaben schnitten durch Ls Geist wie die Sense des Tods persönlich. Wieder reflektierten braune Augen einen roten Schimmer, der jegliche Menschlichkeit vermissen ließ. L stemmte sich auf. Ein Schwindelgefühl ignorierend, das ihn sofort wieder auf die Matratze drücken wollte. Wackelig schwang er seine Bein von der Bettkante. "Hey, hey, hey!" Kleine Hände zerrten an Ls Kragen und verhinderten so, dass er seine Füße auf den Boden setzen konnte. "Du bleibst schön hier! Doc", brüllte die Maske, "ich brauche Hilfe." Alarmiert riss der Arzt den Vorhang beiseite. Er stürmte auf L zu und bugsierte ihn mit einer geübten Bewegung zurück in eine liegende Position. Alles ging so schnell, dass L erst reagieren konnte, nachdem er die Neonröhre über sich erkannte.  "Lassen Sie mich los", forderte er. Monoton aber dennoch bestimmend. "Ganz ruhig, Junge", mahnte der Doktor. Sein professionelles Lächeln schob sich in Ls Blickfeld, obwohl geweitete Pupillen verrieten, dass dem Mann gewiss nicht nach lächeln zumute war. Anstrengung schimmerte auf einer schweißbenetzten Stirn.  Dem Hasen entging das auch nicht. "Soll ich Unterstützung rufen?", wisperte er. "Nein", schüttelte der Arzt den Kopf, "es geht schon. Die letzten Stunden zehren nur etwas an mir. Ich bin halt nicht mehr der Frischeste." Aus der professionellen Miene wandelte sich eine ehrliche. Gebannt starrte L auf das Schauspiel, während auch sein Ausdruck allmählich neue Züge annahm. Seine Augen verdunkelten sich. Schatten eines jungen Mannes schoben sich in seine Erinnerung. Des Mannes, der erst dann sein wahres Gesicht gezeigt hatte, nachdem L seinetwegen zusammengebrochen war.  "Du hattest die ganze Zeit Recht, denn ich bin Kira!", hatte das dämonische Funkeln in seinen Iris' verraten gehabt. Eindeutig. Zweifellos. Zu 100 Prozent.  "Lassen Sie mich los", wiederholte L seine Forderung. Angespannt wandte er sich unter dem Griff des Arztes. "Ich muss Kira überführen." Seine Entschlossenheit wurde vom beschleunigten Piepen des Monitors untermalt. Bunte Linien rasten. "Auf keinen Fall!", fauchte der Hase. Seine Gestalt baute sich zu einer wenig imposanten Größe auf. "Kira hat dich eben erst umgebracht und würde das garantiert sofort wieder tun, wenn er mitkriegt, dass du noch lebst. Nochmal geben wir dem Penner bestimmt nicht die Chance dazu." L interessierte der Einwand des Maskierten jedoch nicht. Stillschweigend schmetterte er ihn ab und konzentrierte sich stattdessen auf einen möglichen Fluchtweg. Analysierend huschte sein Blick durch das heruntergekommene Zimmer. Abrupt blieb er an einer Regung neben L hängen. Der Vorhang raschelte, während er langsam beiseite glitt. Geführt von einer betagten Hand. "Ryuzaki", hauchte eine Stimme aus einem zweiten Bett. Ihr Klang ließ Ls Lebenslinien erneut hektisch hüpfen. "L, sie hat recht." Trockener Husten schallte durch den Raum und ebbte erst ab, nachdem der Hase ein weiteres Wasserglas an den Patienten gereicht hatte.  Unwissend wie er reagieren sollte, starrte L zu demjenigen, von dem er gedacht hatte, ihn nie wiederzusehen. Kraftlos beobachtete er das bleiche Gesicht; den präzise gestutzten Schnurrbart, unter dem gerade ein Strohhalm eintauchte; und die zittrigen Finger, aus denen kurz darauf das Wasserglas genommen wurde.  "Watari", wisperte L. Sein Vertrauter nickte vorsichtig. "Es freut mich, dich wohlauf zu sehen, L." Ungewohnter Glanz füllte Wataris Augen, den dieser mit fahrigem Bewegungen beiseite wischte. Er seufzte. "Ich weiß, was du denkst, L, aber ich muss dich eindringlich darum bitten, dein Vorhaben zu vergessen. Ich habe bei unser beider Leben geschworen, dass du den Kira-Fall nicht erneut bearbeiten wirst." "Du solltest noch nicht so viel reden", mischte sich der Arzt ein. Er ließ von L ab, um sich seinem anderen Patienten zu widmen. Auch dessen Vitalzeichen prüfte er akribisch, ehe er zufrieden einen Daumen in die Höhe reckte. "Puh", seufzte der Hase, "man, bin ich erleichtert. Doc", salutierte er übertrieben, "wir haben es geschafft."  Der Arzt erwiderte mit steifem Gesichtsausdruck: "Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert." Grinsend schob er sich an den Betten vorbei, um von der Tür aus zu verkünden: "Ich gebe den Anderen Bescheid. Ruf mich, falls es Probleme gibt, Kleines." Mit gezücktem Telefon verließ er den Raum.  L hatte jede der gebotenen Szenen eingehend studiert, ohne tatsächlich Antworten auf seine Fragen zu erlangen. Stattdessen schwirrten unzählige neue Variablen durch seine Gedanken, die L weder bestimmen, noch in seine Gleichung einsetzen konnte. Verwunderung resultierte aus seinen Beobachtungen und wuchs sogar zu purem Erstaunen, als Watari dem Hasen freundlich den Kopf tätschelte. "Danke", bekannte er ehrlich. "Ich weiß gar nicht, was ich sonst sagen könnte." "Jede Option ist es wert, bedacht zu werden", zitierte der Hase eine von Wataris Weisheiten. "Daran musste ich nach unserem Treffen immer wieder denken." Zaghaft strichen kleine Finger über Wataris Bettdecke. "In dem Fall waren meine Freunde und ich wohl diese Option und ich bin echt froh, dass du uns die Chance gegeben hast, unser Glück zu versuchen." "Gibst du dich deshalb als Hase aus?", belächelte Watari die Maske. "Um Glück zu bringen?" "Vielleicht", zuckten schmale Schultern. "Ein Freund hat sie mir geschenkt und irgendwie fand ich es passend, das Ding heute zu tragen." L fand in Wataris Lächeln eines, das ihm selbst häufig gegolten hatte. Verständnis zeichnete sich unter seinem Schnurrbart ab. Ebenso in Wataris Blick, der sich aufmunternd auf den Hasen legte. "Nimm die Maske ab. Du musst deine Emotionen jetzt nicht mehr verstecken. Es hat doch alles geklappt", hauchte er liebevoll. Zögerlich kam die kleine Gestalt der Bitte nach. Sie zerrte das Gummiband von ihrem Kopf, um endlich die Person zu offenbaren, welche L definitiv nicht erwartet hätte. "Du?", staunte er an einem Daumennagel vorbei. Offensiv starrte er in das tränennasse Gesicht eines Mädchens. "Wie ist das möglich?" Rot unterlaufene Augen sahen zurück. Schuldgefühle blitzten in unzähligen Facetten auf, ehe das Kind zu einer annähernd selbstbewussten Miene fand. "Tja", tat sie beiläufig, "nicht nur ihr seid von den Toten auferstanden." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)