ANY Adventure von Storyteller_Inc ================================================================================ Kapitel 9: Höhen und Tiefen --------------------------- ‚Spieglein an der Wand – wer ist drei Tage wach? … Flasche leer, Feuerwehr, drei Tage wach. Laufen geht jetzt auch nicht mehr, drei Tage wach. ‘ Steinchen, drei kleine Steinchen auf einem harten, öden Boden, sie alle in der gleichen Farbe. Ich starrte sie an, als wären sie das Interessanteste auf der Welt, als könnten sie mir die Antworten auf alle Fragen des Universums beantworten. Oder, als würden sie jederzeit, wie die Gems aus meiner Lieblingsserie, in die Höhe schweben und einen Körper aus hartem Licht formen. ‚Wie diese Gems wohl heißen würden? ‘ fragte ich mich, doch gleichzeitig war es mir gleichgültig, das zu erfahren. ‚Seit wann habe ich diesen Ohrwurm wieder? Es ist so lange her …‘, doch auch das wollte ich eigentlich nicht wissen. Die Welt wurde in meinen Augen immer kleiner und enger, immer weniger davon konnte ich sehen. Doch es erschien mir gleichgültig. Gedanken, Emotionen, Empfindungen – sie alle begraben unter einem dünnen Schleier. ‚Das ist wie damals, als wir bei der LAN-Party waren … oder an den Rückflugtagen aus der USA‘, erzählte mir eine vertraute Stimme in meinem Kopf, erst nach ein paar Sekunden verstand ich, dass es meine eigene war. Stumm begann ich zu nicken, wohlwissend, dass meine Gedanken dies niemals zu Gesicht bekommen würden. Bereits seit mehreren Stunden stand die Sonne hoch am Himmel, doch selbst wenn ich meine Armbanduhr mit mir führen würde, selbst dann würde die Zeit für mich keine Rolle spielen. Stumpf drangen die Stimmen meiner beiden Begleiter in mein Ohr, doch ich gab mir keine Mühe, ihnen sonderlich zuzuhören. Auch versuchte ich nicht, mich an ihrem Gespräch zu beteiligen, eine Unternehmung, die mich im Augenblick noch mehr Überwindung und Kraft kosten würde als üblich. An die gleiche Felsenwand gelehnt wie die beiden, starrte ich weiterhin den Stein vor meinen Füßen an. Meine Gedanken ließen sich von der Neutralität des Seins dahintreiben, wie in einem Fluss voller Umarmungen. Ich kannte das Ziel nicht und doch wusste ich, dass es mir positiv gesonnen war. Schon lange hatte mein Körper das Gähnen wieder eingestellt und ich wusste, die Müdigkeit ohne das Gähnen war die wirklich gefährliche. Die, die zum Sekundenschlaf führen konnte. Die, die dafür sorgen konnte, dass die Augen so schwer wie Burgtoren sein würden. Doch auch diesen Zustand hatten mein Körper und ich bereits hinter uns gelassen, resultierend in einem Moment der Müdigkeit, wie sie Schrödinger nicht besser hätte beschreiben können. Müde und doch gleichzeitig wach. Wach und doch gleichzeitig müde. Die Verlockung nachzugeben, dem Ruf des Schlafes zu folgen in eine Welt voller Erlösung, schien so nah und auch so einfach zu ergreifen. Doch gleichzeitig wollte ich mich nicht von der Stelle bewegen, sowohl körperlich, wie auch psychisch. Ich war an diesem Ort gebunden und ich wusste, am Ende des Tages  würde der selige Schlaf meine Belohnung sein. Angestrengt, als hätte ich es seit tausend Jahren nicht mehr getan, blinzelte ich mehrere Male und versuchte, meinen Kopf wie einen Laptop neu hochzufahren. Verschob die Müdigkeit an einen kleinen Punkt auf meinem Hinterkopf, so, wie ich es bereits mehrere Male mit meinen Kopfschmerzen getan hatte und versuchte, mich aus meiner Eierschale zu befreien. Die Sicht meiner Augen verbesserte sich immer mehr und nun konnte ich auch Yona aus dem Augenwinkel erkennen. Ich wusste, mein Bewusstsein würde nicht vollständig ans Tageslicht gelangen, dennoch würde ich mit meinem Umfeld agieren müssen, spätestens wenn die beiden ihren Weg fortsetzen würden. Die süße Vorstellung eines tiefen Schlafes im Sinn, schob ich sämtliche meiner Kräfte in mein rechtes Ohr und versuchte, mich auf die Unterhaltung meiner beiden Begleiter zu konzentrieren. Dass ich mich hier neben ihnen an der Felswand lehnte, nur auf den Boden starrte und geistig mehr abwesend als anwesend war, war ihnen wohl noch nicht aufgefallen. „So, Ihr möchtet nun, dass ich Euch und Eurer Begleitung auf Eurer Reise Schutz gewähre und Euch dabei begleite … doch wie beabsichtigt Ihr mich zu bezahlen? Ihr seht nicht gerade aus, als wärt Ihr sonderlich reich oder hättet viel Geld in Eurer Reisekasse, meine werte Prinzessin“, sagte Hak spitz, nur wenige Zentimeter trennte die beiden voneinander. Müde blickte ich die beiden an, mein Verstand klarte immer weiter auf und doch konnte ich nichts weiter tun, als die beiden zu beobachten. Im Schneckentempo schien mein Gehirn die Signale, die ihm meine Augen schickten, zu verarbeiten. ‚Ich glaub, ich weiß, was er da vorhat … glaube ich …‘, fuhr es mir durch den Kopf. Zwar hatte ich die Szene das eine oder andere Mal bereits im Anime gesehen, meine Anwesenheit schien nichts daran zu ändern, doch waren mir Haks Absichten dahinter nie wirklich klar gewesen. Wollte er sie nur necken? Und wurde er dann ein Opfer seiner eigenen Gefühle zu ihr, sodass er sich selbst nicht mehr stoppen konnte? War es beides? So wirklich war es mir noch nie klar gewesen und so versuchte auch jetzt mein Gehirn, das Gesamte zu verstehen. Dass es sich dabei anstellte wie ein Handy, dessen Empfang gerade E anzeigte, das aber trotzdem hilflos versuchte, ein YouTube Video in 1080p zu laden, war keine besonders große Hilfe. „Nun … ich denke, ich werde etwas finden“, sagte Yona neutral und wie immer beschlich mich der Verdacht, dass sie noch weniger wusste, was gerade geschah als ich selbst. Im Gegenteil zu mir wusste sie noch nicht einmal von Haks Gefühlen oder von ihren eigenen. Ich spürte, wie meine Wangen sich erhitzten, wenigstens eine Region meines Körpers war hellwach. „Seid Ihr Euch da sicher?“, fügte Hak hinzu und ich spürte, wie auch die kleine, innere Shipperin in mir erwachte. Szenen wie diese waren wie warmes, süßes Popcorn für sie. „Tut mir leid, aber ich fürchte, dass mich das nicht besonders überzeugen kann. Wenn Ihr einen solch erfahrenen und teuren Kämpfer wie mich beschäftigen und an Eurer Seite sehen wollt, dann müsst ihr wohl etwas mehr zu Eurer Sicherheit aufweisen als ein paar süße Worte. Aber …“, sagte er und näherte sich ihrem Nacken derartig weit, dass die Schreie meiner inneren Shipperin in den Ohren klingelten. „Ihr könnt mich natürlich auch mit dem bezahlen, was Ihr jetzt bereits zur Verfügung habt, wie euren Körper …“, sagte er und begann, sich weiter ihrem Nacken zu nähern. Während ich nun halsaufwärts die Farbe einer Coca Cola Dose angenommen hatte, fühlte sich Yona immer unwohler. Sie verstand die gesamte Szene überhaupt nicht und versuchte, sich mit Händen und Füßen zu wehren. „Hak, was soll das denn alles … was ist mit dir los?“, brachte sie mühsam hervor, offenbar versuchte sie die Situation zu verstehen und gleichzeitig sich von ihr zu befreien. Ich dagegen wusste auf die Frage, ob ich mich einmischen sollte oder nicht, keine Antwort, stattdessen lehnte ich mich weiterhin gegen die Mauer, als hinge mein Leben, mein Bewusstsein davon. Als würde ich eines oder beides verlieren, sollte ich die Mauer nicht mehr unter meinem Körper spüren. Alles, was ich in dieser Situation tun konnte, war sie zu beobachten …   „Feinde nähern sich uns“, sagte Hak mit einem Mal, seine Stimme klang nun wieder hart und fest. Er hatte seinen Kopf an Yonas vorbeigeschoben und lauschte an der Mauer, möglicherweise konnte er die Schritte der Soldaten an ihr hören. ‚Stimmt ja, wir werden jetzt überfallen von den Leuten aus der … Feuernation? Uff, das muss jetzt echt passieren, oder? Von wegen Schmetterlingseffekt, ich mache offenbar doch keinen Unterschied … können die nicht morgen angreifen? Vielleicht ist es doch besser, wenn ich gefangen genommen werde. Solange sie mich nicht umbringen, werde ich vielleicht endlich mal so richtig lange schlafen können. ‘ Als hätte Hak meine Gedanken gelesen, packte er mich am Arm und schob mich mitsamt Yona hinter sich. Er murmelte etwas vor sich hin, aber entweder sprach er zu leise oder es lag an der Watte in meinen Ohren, aber ich konnte nicht einmal im Ansatz erkennen, was er mir sagen wollte. Kaum hatte er seinen für mich unverständlichen Monolog beendet, tauchten auch bereits die ersten Köpfe, dann die ersten Rüstungen und Waffen in unserer Sicht aus. Müde blinzelte ich die Kämpfer an, die sich uns mit festem Schritt immer weiter näherten, doch die Null-Bock-Einstellung meines Gehirns hatte die Kontrolle übernommen. Hak dagegen hatte die komplette Kontrolle über die gesamte Kampfsituation, keiner der ersten Männer, auf die er mit seiner Waffe stieß, hatte eine Chance. Erschrocken zuckte Yona neben mir zusammen, doch alles, was ich fertig brachte, war, ihr eine Hand auf die Schulter zu legen. „Hak passt auf uns auf. Uns kann nichts passieren“, sagte ich und klang in meinen eigenen Ohren noch monotoner als üblich. Wie immer, wenn ich zu müde oder zu krank war. Nach wenigen Minuten, in der Männer verdutzt und auch schreiend in sämtliche Gegenden flogen oder flohen, gesellte sich Hak wieder zu uns zurück. An seinem Körper befand sich weder eine Wunde, noch ein Tröpfchen Blut seiner Feinde. Ziemlich beeindruckt sah ihn an, auch wenn ich nicht das Gefühl hatte, dass man an meinem Gesicht ablesen konnte. ‚Wir sollten gehen, einfach irgendwo hingehen, uns verstecken … irgendwo, wo uns keiner findet und dann endlich schlafen …‘ Doch was Hak schließlich sagte, klang nicht nach „Flucht“ oder „Schlaf“. Kaum hatte er es gesagt, hatte ich es auch bereits wieder vergessen. ‚Ich hoffe, das war jetzt nichts wichtiges …‘ „Haben wir euch endlich gefunden!“, rief uns jemand aus der Ferne zu. Wir alle blickten zur Quelle der unangenehm klingenden Stimme und fanden sie in Tea-jun, welcher uns hämisch von seiner Position betrachtete. Er stand auf einer höheren Ebene der Felswand, ich wusste, dass der Weg wie eine Serpentine geformt war. Auch wusste ich, was nun alles folgen würde und es gefiel mir noch weniger, je länger ich darüber nachdachte. Dass ausgerechnet jetzt mein Gedächtnis nicht nachließ, ließ mich sauer aufstoßen. ‚Bitte, Schmetterlingseffekt, du musst doch auch in dieser Welt existieren und gelten, oder? ‘, schickte ich eine stumme Bitte gen Himmel, während sich Hak für einen weiteren Wellenangriff bereit machte. Ein weiteres Mal blickte ich zu Tea-jun hinauf, welcher etwas sagte, ich konnte die Bewegungen seiner Lippen sehen, aber nicht verstehen, was er sagte. Überhaupt schien seine Rede an uns allen dreien vorbei zu gehen, was ihn aber weder sonderlich störte, oder er bemerkte es nicht. Yona war durch ihre Furcht und ihren Zorn zu angespannt, Hak konzentrierte sich auf die nahenden Kämpfer und ich … ich hatte in meinem Oberstübchen auf Durchzug geschalten. Alles, was nicht die Worte „Bett“ und „Schlaf“ enthielt, wurde herausgefiltert und gar nicht mehr erst großartig verarbeitet. Das einzige, was ich mitbekam, war, wie sich die zweite Angriffswelle zurückhielt, ein paar Schritte zurückwichen und stehen blieb. Verwirrt blickte ich mich um, offenbar gab es doch eine Veränderung, doch welche, das hätte ich selbst mit der Kraft der Zukunftsvision nicht vorhersehen können. Ein letztes Mal sah ich zu Tea-jun und zum ersten Mal, seit er über uns erschienen ist, schien ich seine Worte zu verstehen. „Bogenschützen … anlegen und Feuer!“, ertönte es laut und klar in meinen Ohren, kaum hatte ich verstanden, was diese Worte bedeuteten, spürte ich, wie ich den Boden unter den Füßen verlor. Etwas bohrte sich in meine Schulter und ich hatte die leise Ahnung, dass mir etwas Flüssiges die Schulter hinabfloss. Dennoch legte mein Gehirn meine gesamte Aufmerksamkeit den Fokus auf die Panik, die in mir hochstieg, als ich nun wirklich immer mehr den Boden unter den Füßen verlor. Aus dem Augenwinkel sah ich noch, wie Hak Yona unter sich begrub, damit er die Pfeile abbekam und nicht sie, versuchte ihnen auszuweichen … doch es gab keinen Platz, an den ich hätte ausweichen können. Das Gefühl in meinen Füßen wurde Realität und für einen kurzen Augenblick setzte mein Herz aus. Meine Augen weiteten sich und ich konnte den leicht entsetzten Blick auf Haks Gesicht sehen. Mühsam strecke er seinen Arm aus, versuchte mich noch zu erreichen, doch da hatte bereits die Schwerkraft beschlossen, dass sie in diesem kleinen Kampf ganz klar die Oberhand gewann. Trotz der Watte in meinen Ohren und dem Nebel in meinem gefühlt leeren Kopf, stieg die Panik immer weiter in mir auf. Meine Atmung wurde immer panischer und hektischer, etwas, was ich sonst immer bisher als Reaktion darauf kannte, dass die Arzthelferin gerade die Stelle desinfiziert hatte, wo gleich die Impfnadel eintreffen würde. Meine wenigen Gedanken drehten sich wie im Schleudergang und mir wurde bewusst, dass ich nicht einfach nur ausgerutscht bin und auf den Boden fiel. Nein, ich war über die Klippe gefallen und näherte mich dem Erdboden, Rücken vorwärts. Schnell schloss ich die Augen, als würde es etwas an der Situation ändern. ‚Was mache ich denn jetzt? Soll ich die Arme wie ein Hörnchen öffnen? Oder mich lieber zusammendrücken? Warum lernt man nicht solche Dinge in der Schule? ‘ Während ich mich für die zweite Variante entschied und mich schwer atmend selbst umarmte, schloss ich mit meinem Leben ab. Einen Sturz, der sich bereits wie zehn Minuten anfühlte, konnte ich unmöglich überlegen. Tränen schossen mir in die Augen und obwohl ich vermutete, dass man von mir einen Schrei erwarten würde, brachte ich ihn nicht über die Lippen. Alles in mir schrie, aber ich brachte nur meine hektische Atmung hervor. ‚Durchhalten, irgendwann ist es vorbei, irgendwann muss ja mal Grünzeug kommen … ob ich versuchen soll, mich irgendwo festzuhalten? Oder breche ich mir dann was? Naja, wäre mal das erste Mal … Aber gut, wenn ich unten ankomme, dann werde ich wohl endlich meine Müdigkeit los … ich hätte ihn nur so gerne noch ein letztes Mal gesehen, meinen süßen, lieben Freund …‘ Äste und Blätter klatschten mir überall entgegen, nach einer weiteren schieren Ewigkeit spürte ich etwas anderes als nichts. Noch immer klammerte ich mich an mich selbst, auch nur die Hand auszustrecken wagte ich nicht, auch wenn ich wusste, dass es mich als Tote nicht sonderlich stören würde, hätte ich ein gebrochenes Handgelenk oder nicht. Der Wind rauschte in meinen Ohren und es dauerte nicht lange, als meine unfreiwillige, senkrechte Reise ihr Ende fand. Es knirschte unter mir, als ich in etwas Trockenes und Stechendes landete, etwas pikste mir frech in den Rücken. Ich wartete noch ein paar Sekunden erwartete ein Geräusch, einen weiteren Fall oder gar die Stimme eines lieben Engels, der mir sagen würde, wie ich den Weg in mein persönliches Paradies finden würde, doch nichts davon war der Fall. Vorsichtig nahm ich die Hände herunter und tastete nach dem seltsamen Zeugs, das sich gefühlt von allen Seiten in mich hineinbohrte. Ein bekanntes Gefühl ertastete ich und als ich meine Augen öffnete, war ich umgeben von dem wohl schönsten dunklen Sonnengelb, das ich je in meinem Leben gesehen hatte. ‚Stroh … ich bin auf Stroh gelandet. Bestimmt nicht so elegant wie Ezio aus meinen Lieblings-Assassin’s Creed Teilen, aber immerhin … das Stroh hat mir das Leben gerettet. Danke dir, Stroh! ‘ Dankbar rollte ich mich aus dem stacheligen Haufen und versuchte, auf die Beine zu kommen, was sich als mühseliger herausstellte, als ich dachte. Meine Atmung und auch meine restliche Panik hatten sich eingestellt, dafür wurde mir immer schwärzer und schwärzer vor den Augen. Die schwarzen Punkte wurden immer größer, wie auch das Schwindelgefühl in meinem Kopf. Offenbar hatte mein Kopf nun die Kapazitäten dafür frei bekommen und es traf mich wie ein Schlag. ‚Wie damals, als ich mir mit dem Schinkenmesser in den Daumen geschnitten habe … aber jetzt ist hier wieder ein Klo, auf das ich mich setzen kann, noch meine Mutter, die mir eine Cola bringt … das wäre jetzt was, ein Schluck Cola und alles wird wieder gut …‘ Langsam ließ ich mich auf den Boden hinab, meine Beine wackelig wie Pudding und ich versuchte, keine erneute Panik aufsteigen zu lassen. Stattdessen versuchte ich, die Ursache der Situation herauszufinden. ‚Ganz ruhig, wenn du ganz ruhig bleibst, dann verlierst du nicht so viel Blut. ‘ Noch immer hatte ich keine Ahnung, was mit mir passiert war, aber ich wusste, es hatte etwas mit einer Wunde zu tun. Dann fiel mir das Stechen in der Schulter ein, kurz nach dem Beginn meines Falls. Ich tastete danach und spürte den langen Pfeilschaft, wie er in meiner Schulter endete, wie auch die leicht von Blut getränkte Stelle. Seufzend ließ ich von dem Pfeil ab. ‚Denk an das, was du in der Schulsani-Ausbildung gelernt hast. Lass den Pfeil drin, er könnte eine wichtige Ader erwischt haben und die nun auch gleichzeitig verstopfen. Ich könnte sonst verbluten …‘ Ich konnte gerade noch sehen, wie sich mir eine Person näherte und öffnete den Mund, um ihn oder sie um Hilfe zu bitten. „Können Sie … mir helfen?“, brachte ich noch hervor, dann wurde ich von einer Welle aus Wärme und Schwindel erfüllt und spürte, wie ich mich erneut dem Erdboden näherte, dieses Mal allerdings aus einer geringeren Distanz. Das Aufkommen auf den Boden bekam ich bereits nicht mehr mit.   Blinzelnd fand ich meinen Weg in die wache Welt zurück, verwirrt versuchte ich mir ins Gedächtnis zu rufen, was vor meinem „Nickerchen“ passiert war. ‚Wo bin ich … und was ist passiert? ‘ Verwirrt versuchte ich mich aufzurichten, um einen besseren Blick auf meine Umgebung zu bekommen. Mein Kopf fühlte sich leicht und locker an und ich bemerkte, wie die komplette Anspannung der letzten Stunden verschwunden war. Kaum hatte ich mich auf meine Hände gestützt, um mich in eine aufrechte Sitzposition zu bringen, durchfuhr ein stechender Schmerz meine Schulter. Reflexartig fasste ich mit der rechten Hand dorthin, mal wieder hatte ich mir auf der linken Seite eine Verletzung zugezogen. Doch statt eines Pfeils erwartete mich nur ein harter Stoff, etwas, was mir wohl als Verband dienen sollte. ‚Ein Pfeil … stimmt, mich hat ein Pfeil getroffen und ich habe auch ein wenig geblutet … habe ich mich selbst versorgt? Nein, daran kann ich mich absolut nicht erinnern … ich bin auf diesen Haufen Heu gefallen … oh mein Gott! ‘ Panisch fasste ich mich am gesamten Körper an, als müsste ich überprüfen, ob ich nicht doch wie eine reife Wassermelone beim Aufprall zerplatzt war. Doch nach einem kurzen Ganzkörperbetatschen konnte ich davon ausgehen, dass alles an mir vorhanden war, auch fühlte sich nichts taub oder seltsam an. Erleichtert atmete ich aus und nahm mir nun die Zeit, mich umzusehen. Eine einfache Hütte, spärlich möbliert und unter mir eine Strohmatte. Irgendwie klopfte es in meinem Hinterkopf, doch so richtig konnte ich die Hütte nicht zuordnen. Ich versuchte mich gerade zu erinnern, als ein fremder, aber auch angenehmer Geruch seinen Weg in meine Nase fand. Zwar roch ich ihn nicht besonders stark, dennoch reichte der schwache Hauch in meinem Geruchssinn. Mein Magen zog sich zusammen und fühlte sich mit einem Schlag leer an. ‚Ist ja auch schon etwas länger her, dass ich etwas gegessen habe …‘, dachte ich und versuchte anhand des Geruchs herauszufinden, was da so gut roch, versagte jedoch wie gewohnt komplett dabei. Schließlich erschien eine kleine Gestalt, mit blonden Haaren und einem leicht strengen Blick, in der Tür und hielt eine kleine Schüssel in der Hand. „Ah, du bist wieder wach … etwas früher als erwartet, aber gut. Bist wohl doch etwas zäher, als du mit deiner seltsamen Kleidung aussiehst.“ Langsam kam er auf mich zu, mit der Schüssel in der Hand und einem paar Essstäbchen zwischen den Fingern, wie ich nun erkennen konnte. Erst jetzt bemerkte ich, dass mir meine Brille fehlte, unbewusst hatte ich meine Augen zugekniffen, um den Jungen besser erkennen zu können. ‚Wäre ich doch wenigstens mit der Brille ins Bett gegangen … und warum fällt mir das erst jetzt auf? Uff, ich bin echt langsam … vielleicht habe ich es ja die ganze Zeit doch für einen Traum gehalten, immerhin brauche ich dort ja nie eine. ‘ Der Junge reichte mir die Schüssel sowie die Stäbchen, der strenge Blick jedoch blieb. Ich nahm sie ihm dankbar entgegen, pustete ein wenig und blickte den Inhalt an. Reis blickte mir entgegen, gemischt mit Kräutern und ein wenig Gemüse. Dankbar begann ich den Reis zu essen und war auch froh, dass er mir schmeckte. Seit mir mein Freund einmal Reis gemacht hatte, war ich ziemlich verwöhnt geworden und war der Meinung, dass ihn die meisten Leute nicht hinbekommen würden. Der Junge war dagegen eine der wenigen Ausnahmen, die es verstanden, den Reis köstlich zuzubereiten, nicht zu einem komischen Essen, das sich schon beim Anblick komplett auf dem Teller verteilte und nach nichts schmeckte. „Vielen Dank, das schmeckt lecker!“, sagte ich und schaufelte den letzten Rest in mich hinein. Kurz überlegte ich, ob ich nach einem Nachschlag fragen sollte, hielt es jedoch für unhöflich und beschloss, die Frage sein zu lassen. Der Junge seufzte. „Ich habe zwar keine Ahnung, wer du bist und warum eine derartig seltsame Kleidungsgarderobe besitzt, allerdings kann ich sagen, dass du ziemlich verdächtig wirkst. Zufällig haben wir sehen können, wie du blutend, mit einem Pfeil in der Schulter aus dem Heu herausgekrochen bist, so, als hättest du dich vor jemanden versteckt. Also, was bist du, ein Dieb oder ein Mörder?“ ‚Wow, ok …‘ Nun nahm ich tief Luft, drehte mich zu dem Jungen um und versuchte, mich an seinen Namen zu erinnern, doch wie immer fiel es mir schwer. Auch fiel es mir schwer, ihm in die Augen zu sehen, also blickte ich zurück auf die Decke, die er über mich gelegt hatte. „Nein, nein, ich bin gar nichts davon, wir, also meine Freunde und ich, wurden überfallen, von Soldaten oder so. Aber wir sind keine Diebe oder Mörder …“ ‚Was wohl aus ihnen geworden ist? Wie groß ist der Schmetterlingseffekt? Sind sie wohlauf? Ich hoffe es doch! Eigentlich wüsste ich ja, was mit ihnen passiert, aber wer weiß, welche Veränderung mein Fall oder überhaupt meine Existenz in diese Welt gebracht hat. Immerhin hat sich nichts daran geändert, dass sich der Junge um verletzte Menschen kümmert. Und er sagte „wir“, ob er damit auch den Priester meint, oder was auch immer der nochmal war? ‘ „Du … hast dich um meine Wunde gekümmert, nicht wahr? Vielen Dank!“, sagte ich und blickte ihm in die Augen. Der strenge Blick verschreckte mich und wieder sah ich nur noch die Decke an. Der Junge seufzte erneut. „Ja, das habe ich tatsächlich getan. Zwar warst du nicht schlimm verletzt und hast auch nicht allzu viel Blut verloren, allerdings war Gift in die Wunde hineingekommen, vermutlich durch den Pfeil. Ein Glück, dass ich das Gift schnell herausholen konnte, es hatte sich noch nicht allzu sehr in deinem Körper ausgebreitet. Du hattest also sehr viel Glück, muss ich sagen.“ Er setzte sich neben mich und begutachtete mich genauer, fast so, als wollte er sicher gehen, ob ich nicht doch noch irgendwelche Anzeichen einer Vergiftung aufweisen würde. Doch ich fühlte mich gut, fast schon fantastisch. Abgesehen von dem stechenden Schmerz, der jede falsche Bewegung meinerseits bestrafte, war ich froh, endlich die unendlich tiefe Müdigkeit losgeworden zu sein. „Ich fühle mich gut, falls du das wissen möchtest …“, sagte ich und sein Blick wirkte etwas weniger streng, als ich wieder in sein Gesicht sah. Er sah mich nochmal von Kopf bis Fuß wie mit einem Röntgenblick an, dann nickte er. „Gut, das ist gut … Achja, wie heißt du eigentlich?“, fragte er und nahm mir die Schüssel aus der Hand. „Ich heiße Kira“, sagte ich und blickte die leere Schüssel an, als hätte er mir gerade einen treuen Freund aus der Hand gerissen. „Und du bist?“ „Yoon“, sagte er, stand auf und verschwand in dem gleichen Nebenraum, aus welchem er vor wenigen Minuten gekommen war. Schließlich kam er wieder, aus der Schüssel kam erneut ein kleiner, weißer Dampf. Wieder streichelte der dezente, leckere Geruch meine Nase und meine Speichelproduktion fühlte sich angesprochen. Peinlich berührte schluckte ich die überschüssige Flüssigkeit herunter. Als hätte er in meine Gedanken gesehen, reichte er mir die Schüssel zum zweiten Mal. „Nun gut, Kira, iss das hier erstmal auf, danach können wir ja sehen, wie wir weitermachen …“ „Ah, deine kleine Patientin ist also endlich wach!“, konnte ich eine weitere Männerstimme hinter mir hören, doch bevor er in mein Sichtfeld kam, wurde er von Yoon gebremst. „Ik-su, sie braucht noch ein wenig Ruhe, außerdem musst du etwas Wichtiges erledigen, vergiss das nicht“, maßregelte Yoon den Mann, von dem ich dank meiner Erinnerung wusste, dass er eigentlich älter und größer als Yoon war. Dennoch hatte Yoon in diesem Haushalt das Sagen. „Ich wollte doch nur sehen, wie es deiner Patientin geht …“, versuchte er sich zu rechtfertigen, aber Yoon schien selbst dagegen etwas zu haben. „Es geht ihr gut, jetzt lass sie in Ruhe essen“, sagte er und ich konnte quasi vor meinen inneren Augen sehen, wie er Ik-su wieder zur Türe hinausschob. Kaum hatten sie den Raum verlassen, konnte ich Yoon noch kurz hören, wie er Ik-su an seine Pflichten erinnerte, da widmete ich mich schon meinem Nachschlag. Dieses Mal nahm ich mir ein wenig mehr Zeit zum Essen, doch so sehr ich es versuchte, am Ende siegte der Hunger und mein Essen war genauso schnell verschwunden wie das erste. Dankbar schloss ich kurz meine Augen, legte die Schüssel auf die Seite und versuchte aufzustehen. Meine Schulter meckerte gegen jede Bewegung, aber das versuchte ich zu ignorieren. Schließlich hatte ich es doch wieder auf die Beine geschafft, nahm die Schüssel in die Hand und brachte sie in den Nebenraum. Kaum hatte ich sie auf einem Tisch abgestellt, begann ich mich in dem Raum, in welchem aufgewacht war, ein wenig umzusehen. Weit kam ich jedoch nicht, da ich zuerst ein Räuspern und dann eine Stimme hörte. „Du kannst also wieder stehen? Das ist perfekt … du musst mit mir mitkommen. Durch deinen unerwarteten Besuch mussten wir ein wenig mehr aus unserem Vorrat verwenden, als geplant waren. Und da ich für den Vorrat zuständig bin, müssen wir beide etwas daran ändern.“ Mit verschränkten Armen sah er mich wieder streng an. ‚War er schon immer so? Ich meine, ich kann mich kaum an ihn erinnern, aber war er wirklich so … streng drauf? Aber er hat ja Recht, immerhin hat er sich um mich gekümmert und mir was von seinen Vorräten gegeben, da ist es nur richtig, wenn ich ihm helfe, die wieder aufzufüllen. Das gehört sich einfach. Ich hoffe nur, ich stehe ihm nicht so unnötig im Weg rum. Naja, ich werde es ja sehen. Sowas wie Beeren und Früchte einsammeln werde ich ja wohl noch hinbekommen. ‘ „In Ordnung“, sagte ich und folgte ihm aus der kleinen Hütte heraus. „Was genau möchtest du denn holen? Es könnte sein, dass ich mich nicht auskenne, aber ich werde mein Bestes geben.“ „Das ist gut“, meinte er zurück in einem Tonfall, der mir absolut nicht verriet, ob er es nun sarkastisch meinte oder nicht. Unsicher ließ ich es einfach so stehen und sah ihn an. Er dagegen drückte mir einen Korb in die Hand. „Wir müssen zum Fluss gehen, ein paar Fische fangen. Wir hatten schon lange keinen mehr und wir können uns auch nicht immer nur von Reis und Gemüse ernähren.“   So machten wir uns auf den Weg zum Fluss, welcher gar nicht so weit von der Hütte entfernt war, wie ich zuerst gedacht hatte. Im Gegenteil, in nur etwa zehn/fünfzehn Minuten hatten wir den Fluss erreicht, an welchem Yoon auch recht schnell einen großen, hübschen Fisch fangen konnte. Jetzt wusste ich auch, wofür der Korb war und warum ich mitgekommen war. Er legte den Fisch in dem Korb ab und ich trug ihn dann, gemütlich hinter ihm her gehend, mitsamt dem Korb herum. ‚Natürlich, so geht es auch viel einfacher, als wenn er ihn ständig ablegen und darauf aufpassen müsste. Nicht, dass noch ein Wildtier oder ein Fremder anfängt, an dem Fisch herum zu knappern…‘ Wir gingen den Fluss entlang, das Wasser glitzerte in der Sonne und vermutete, dass es wohl bereits Mittag war. ‚Wie lange ich wohl geschlafen habe? Und wie es wohl den anderen geht? Sind sie immer noch auch die Klippe heruntergefallen, wie in der normalen Version oder ob sie es wohl geschafft haben? Ich hoffe, sie haben es …‘ Meine Frage wurde recht schnell  beantwortet, als Yoon und ich über einen kleinen Hügel liefen und die beiden bewusstlos am Flussufer entdeckten. Sofort machten wir uns auf den Weg zu ihnen, doch sie regten sich nicht. Yoon kontrollierte ihre Pulse, dann atmete er auf. „Hier ist ganz schön was los in dieser Gegend, das gefällt mir überhaupt nicht. Erst finde ich eine halbnackte Bewusstlose und nun sind es noch zwei mehr, die hier mit Pfeilen in Berührung kommen.“ Er sah sich Hak, welcher wie ein Schutzpanzer auf Yona lag und mehrere Pfeile abgekommen hatte. „Das sind auch die gleichen Pfeile wie den, den du in deiner Schulter hattest … gut, Planänderung“, sagte er bestimmerisch und ich hatte das Gefühl, als wäre er mein älterer Bruder, obwohl ich vom Alter her eigentlich älter sein müsste als er. „Das sieht nicht gut aus“, sagte Yoon, nachdem er einen ersten Blick auf Hak geworfen hatte. „Das Mädchen wird in Ordnung sein, er aber nicht, wenn wir uns nicht sofort um ihn kümmern. Dann hatte er wohl das letzte Mal eine Heldentat begangen, so, wie das hier aussieht …“ Er seufzte und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie ihn die Vorstellung, nun drei Mäuler anstatt einem zusätzlichen füttern zu müssen. Nun gut, müssen würde er es nicht, aber dazu war seine Bereitschaft zu helfen doch viel zu groß, genauso wie das seines Schützlings Ik-su. „Ja, das sollten wir tun … aber mach dir keine Gedanken, ich werde dir helfen und mich für deine Hilfe revanchieren, so gut ich es kann. Meine beiden Freunde hier“, und blickte sie dabei kurz an, als würden meine Augen kurzzeitig meinen Finger ersetzen“, ich bin mir sicher, dass sie dir auch gerne im Gegenzug helfen werden, sobald sie es können.“ Yoon nickte, offenbar gefiel ihm, was ich ihm erzählt hatte und hielt es nicht für einen Bären, den ich ihm aufbinden wollte. Zumindest hoffte ich es. „Gut, aber erst einmal eins nach dem anderen. Wir müssen sie erstmal zu unserer Hütte schaffen … nimm du das Mädchen, ich kümmere mich um den Großen hier.“ Schon hatte er Hak gepackt und zog ihn so gut er konnte den Weg zurück, den wir gekommen waren. ‚Ohje, das kann was werden‘, dachte ich mit Schrecken, als ich unter Yonas Arme hindurch den Korb festhielt und sie vorsichtig, im Rückwärtsschritt, mit mir mitzog. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)