Raupe im Neonlicht von Noxxyde ================================================================================ Kapitel 43 ---------- Was zuletzt geschah: Jonas‘ bayerisches Sozialleben hat beschlossen nach Berlin zu kommen und eigentlich sollte ihn das glücklich machen. Eigentlich. Dummerweise kollidieren einige der Elemente wiederholt und schwerwiegend miteinander. Nick und Christine stehen am Rande einer handfesten Beziehungskrise, Maria gibt sich alle Mühe Erik ans Bein zu pinkeln und Clemens‘ Wunsch nach einem spätabendlichen Saufgelage trägt ebenfalls nicht unbedingt zur Entspannung der Lage bei. Dennoch sagt Jonas zu.   Kapitel 43 Jonas blinzelte, versuchte, seine Augen an das gedimmte Licht zu gewöhnen. Die Bar war größer als er angenommen hatte, der Lärmpegel beträchtlich. Menschen brüllten sich lallende Halbsätze zu, Gläser klirrten, Füße scharrten und irgendwo inmitten dieses Chaos saßen Clemens und seine Freunde. Suchend ließ Jonas seinen Blick schweifen, war kurz davor, sein Handy zu zücken und anzurufen, als er den wilden Haarschopf erspähte, nach dem er Ausschau gehalten hatte. Er drängte sich an den besetzten Tischen vorbei und schaffte es dabei sogar, einen kleinen Abstecher zur Bar zu machen, um sich ein Bier zu organisieren, bevor er sich der kleinen Gruppe näherte. „Hier versteckt ihr euch.“ „Jonas!“ Begeistert breitete Clemens die Arme aus. Das halbleere Glas, das vor ihm stand war definitiv nicht sein erstes. Jonas grinste. „Hi. Lange nich‘ gesehen.“ „Leute, das“, Clemens deutete auf ihn, „ist Jonas. Der Junge, der mit vierzehn den Kopf hingehalten und einen Monat Stubenarrest kassiert hat, obwohl ich derjenige war, der seinen Alten das Bier aus dem Kühlschrank gemopst hatte.“ „Ein echter Held!“, rief einer von Clemens‘ Freunden. „Setz dich“, sagte ein anderer. Er rutschte ein Stück näher an seinen Nebenmann, um Platz für Jonas zu machen. „Ich bin übrigens Dimitrij, Dimi reicht aber.“ Dimi hatte das klassisch pausbäckige Gesicht eines Jungen von nebenan, der beim Kauf von Alkohol und Kippen vermutlich bis weit in seine Zwanziger seinen Ausweis würde zücken müssen. Jonas erfuhr, dass er Soziale Arbeit studierte und Clemens aus dem Wohnheim kannte. Andreas, ein Mann Mitte zwanzig mit schmalen Schultern und breitem Lächeln und Christoph, der das genaue Gegenteil zu sein schien studierten zusammen mit Clemens Sportwissenschaft. Der Alkohol half, anfängliche Hemmungen abzubauen und bald war Jonas ein ganz natürlicher Teil der Gruppe. „So“, verschwörerisch beugte sich Christoph vor, „Jonas als fast Einheimischer hier weiß doch bestimmt, wo man um die Zeit die schärfsten Mädels aufreißen kann.“ Japp, scharfe Mädels waren definitiv Jonas‘ Fachgebiet. Das war ja wirklich ein exzellenter Start in den Abend. „Ähm, naja, ich kenn natürlich schon ‘n paar Clubs hier, aber die hab ich eher wegen der Musik ausgesucht, nich‘ wegen der Mädels. Also fremder. Die Mädels, mit denen ich da war hatten schon Mitspracherecht.“ Wie sein Leben jetzt wohl aussähe, wenn Larissa ihn damals nicht ins Tix geschliffen hätte? Christoph winkte ab. „Irgendein Club ist gut genug, solange man da echte Frauen trifft und nicht“, sein Blick ging zu Clemens, „Zwei-Meter-Transen mit Adamsapfel, Fake-Möpsen und abgeklebtem Schwanz zwischen den Beinen.“ „Ja, ja, tut mir leid“, murrte Clemens. „Konnte ich ja nicht wissen, was das für ein Laden ist. Die Musik war gut. Und dass erstmal mehr Typen als Frauen da sind, ist jetzt auch nicht so ungewöhnlich.“ Dimi brach in Gelächter aus. „Also ich fand das eine spannende Erfahrung. Eigentlich schade, dass ihr so schnell abhauen wolltet, ich hätte die angekündigte Drag-Show schon gerne noch gesehen.“ „Ich sag’s dir, wenn mir einer von diesen Hinterladern an den Arsch gegangen wär–“ „Jetzt ist aber gut!“, unterbrach Clemens Christoph. Sein Blick huschte zu Jonas, der hin und hergerissen war, ob er Lachen oder einfach gehen sollte. „Was?“, fragte Christoph und grinste. „Wärst du etwa auch gern noch dageblieben? Mal eine neue Erfahrung machen, solange du hier bist? Zum Glück teilen du und Dimi euch eh ein Zimmer. Dann hab ich meine Ruhe und kann euch beglückwünschen, wenn ihr morgen früh plötzlich komisch lau–AU! Spinnst du?“ Zornig funkelte er Clemens an. „Warum zur Hölle trittst du mich?“ „Weil du aufhören sollst, so ’ne Scheiße zu labern!“, zischte Clemens zur Antwort. „Wieso regst du dich da bitte so drüber auf? Bist du etwa wirklich ‘n Homo?“ „Nein, aber …“ Clemens verstummte, offensichtlich unsicher, was er noch sagen sollte, ohne Jonas zu verraten. Dieser zwang sich, seine zu Fäusten geballten Hände zu entspannen. Trotz des Zitterns, das seinen Körper erfasst hatte, gab er sich größte Mühe nach Außen so gelassen wie möglich zu wirken. Nach einem tiefen Atemzug sagte er: „Clemens is‘ nich schwul. Aber ich.“ Vier Augenpaare richteten sich auf ihn, vier Münder öffneten sich, aber aus keinem kam ein Ton. Jonas lächelte schief, breitete die Arme aus, knickte die Handgelenke ab und näselte: „Überraschung!“ Andreas stand auf. „Darauf ‘ne Runde Schnaps.“ Auch Christoph fand seine Stimme wieder. „Alter, du weißt, dass das nicht so gemeint war.“ „Schon gut“, erwiderte Jonas achselzuckend. Er hatte keine Lust auf Streit. Überraschenderweise war es Dimi, der nicht bereit schien, das Thema nicht so schnell fallenzulassen. „Meiner Erfahrung nach“, sagte er an Christoph gewandt, „ist es in den meisten Fällen sehr wohl ‚so‘ gemeint. Mal abgesehen davon, dass man so einen Mist auch einfach generell für sich behalten kann. Oder mal fünf Minuten das Hirn anschalten und sich fragen, wie man überhaupt dazu kommt, so zu denken.“ „Fängst du jetzt wieder mit deiner political correctness Scheiße an?“ „Ja. Zumindest dann, wenn du ein Grundmaß an Respekt als ‚Scheiße‘ bezeichnen möchtest.“ „Ach, Leute, muss das jetzt echt sein?“ Hilflos blickte Clemens in die Runde und Jonas entschied, ihm beizuspringen. Er neigte sich zu Christoph. „Sagen wir einfach, du schuldest mir zwei Bier, dann sind wir quitt.“ Christoph wirkte wenig begeistert von dem Vorschlag, aber mindestens genauso unwillig, sich weiter zum Buhmann zu machen. „Deal.“ „Ich erweitere diese Regel mal, weil ich dich kenne“, sagte Dimi. „Jeder weitere blöde Spruch kostet dich eine Runde Shots für alle.“ „Spinnst du?“ „Find ich fair“, erklärte Jonas grinsend. „Ich auch“, stimmte Clemens zu. „Was kostet Shots für alle?“ Andreas stellte ein Tablett ebendieser in die Mitte des Tischs. „Scheiße labern“, antwortete Jonas. „Ach so. Definitiv eine Regel, die wir schon früher hätten einführen sollen.“ Er stürzte seinen Jägermeister herunter und zog ein flaches, silbernes Etui aus seiner Jackentasche. „So, Gentlemen. Irgendwer Lust auf Zigarillos?“ Einstimmig murmelnd leerte auch der Rest seine Gläser, stand auf und verabschiedete sich innerlich von dieser Bar. Die Chancen, den Tisch bei ihrer Rückkehr noch immer leer vorzufinden waren minimal. Andreas ließ das Etui rumgehen und einer nach dem anderen entzündete eines der nach Tabak und Vanille duftenden Stäbchen. Grauweißer Rauch stieg in die Nachtluft, waberte in sanften Wellen vor den erleuchteten Schaufenstern. Gerade noch so konnte sich Jonas ein klägliches Husten verkneifen. „Noch mal sorry wegen eben“, flüsterte Clemens ihm zu, während die drei anderen sich um Dimis Handy versammelten, um herauszufinden, wohin sie als nächstes ziehen wollten. „Kein Ding.“ Jonas winkte ab. „Waren doch bloß ‘n paar blöde Sprüche.“ Jetzt musste er das nur noch selbst glauben. „Warum bist du eigentlich alleine hier?“ „Mit wem hätte ich denn kommen sollen?“ „Na deinem …“ Clemens stockte und der Knoten in Jonas‘ Magen zog sich zu. Trotz aller vorgegebenen Akzeptanz hatte Clemens augenscheinlich Schwierigkeiten damit, laut auszusprechen, in welchem Verhältnis Jonas zu Erik stand. Hilflos wedelte Clemens mit der Hand. „Sorry, ich hab seinen Namen vergessen. Dein Freund halt. Wie hieß er nochmal?“ In seiner Überraschung saugte Jonas zu viel Rauch ein und erlitt nun doch den befürchteten Hustenanfall. Da hatte er sich ja mal gründlich in Clemens getäuscht. Schon wieder. Er hob die Hand zum Mund, um ein verlegenes, aber glückliches Lächeln zu verbergen. „Erik. Und er muss arbeiten.“ „Samstagsdienst? Eklig, am Wochenende früh aufstehen zu müssen.“ „Nee, ich meinte, er muss jetzt arbeiten.“ „Was macht er denn, dass er Freitagnacht in der Arbeit hockt?“ „Er is‘ Verwalter von ‘nem Club hier in Berlin.“ „JONAS STAGINSKY!“ Clemens‘ Protestschrei war laut genug, damit nun die ganze Straße Jonas‘ Namen kannte. Die Köpfe der drei anderen wandten sich ihnen zu. „Dein Freund arbeitet in einem Berliner Nachtclub und du hältst es nicht für nötig, uns das zu erzählen?“ „Wie jetzt, Nachtclub?“, wollte nun auch Christoph wissen. „Heißt das, wir kommen da gratis rein? Vielleicht sogar mit Freidrinks?“ „Nee, heißt es nich‘“, brummte Jonas. „Genau deshalb erzähl ich das nich‘ mehr. Erik will da in Ruhe arbeiten und nich‘ die Kumpel seines Freundes durchfüttern, äh, tränken.“ In Wahrheit hatte Jonas keine Ahnung, wie Erik zu dem Thema stand, aber er würde garantiert nicht anfangen, dessen Gutmütigkeit auszunutzen, damit seine Freunde sich ein wenig günstiger besaufen konnten. „Ja, aber–“ „Keine Diskussion“, schnitt Jonas Clemens das Wort ab, der daraufhin schmollte wie ein Kleinkind, dem man das Lieblingseis verwehrte. „Aber ich lern ihn schon mal kennen, oder?“, fragte er kritisch. Jonas‘ Herz setzte einen Schlag aus und er war sich nicht sicher, weshalb. „Ähm … Wie lang seid ihr denn noch in Berlin? Bloß das Wochenende?“ „Die ganze Woche.“ „Oh, okay. Du weißt, dass Christine auch hier is‘, oder? Wir feiern unseren Geburtstag, da seid ihr natürlich auch eingeladen, wenn ihr vorbeikommen wollt. Ich hab zwar nich‘ die geringste Ahnung, was eigentlich geplant is‘, aber … wenn du dir den Tag freihältst, lernst du zumindest Erik kennen.“ Clemens grinste, bis sich seine Grübchen zeigten. „Abgemacht.“ Jetzt musste Jonas das nur noch Erik beibringen. Aber zur Hölle, das war sein Geburtstag, da konnte er ja wohl einladen, wen er wollte. Okay, Christine würde ein Veto einlegen dürfen, aber sie war mit Clemens immer gut zurechtgekommen. Was, wie Jonas zu seiner Schande gestehen musste, damals heftige Eifersuchtsattacken bei ihm ausgelöst hatte und einer der Gründe für sein gelegentlich recht ekliges Verhalten ihr gegenüber gewesen war. „Sag mal, Jonas …“ Unbemerkt hatte sich Christoph neben ihn gesellt, den Zigarillo lässig in einem Mundwinkel hängend. „Wie ist es eigentlich so, einen Schwanz zu lutschen?“ Jonas hörte Clemens neben sich nach Luft schnappen und Dimis Stimme, achtete jedoch nicht auf die Worte. Stattdessen fixierte er Christophs im künstlichen Licht funkelnde Augen. Langsam führte er sein Zigarillo zu seinen Lippen, sog er den beißenden Rauch in sich, dem nichts vom aromatischen Vanilleduft geblieben war und hielt ihn einige Sekunden im Mund, bevor er ihn mit einem einzigen, kräftigen Stoß in die Nacht entließ. Seine Hände wanderten zu seinem Gürtel, blieben locker auf der Schnalle liegen, spielten mit dem Verschluss. „Knie dich hin und find’s aus.“ Lange war abgesehen von den üblichen Geräuschen einer Großstadtnacht nur Jonas‘ Atem und der seiner vier Begleiter zu hören. Schließlich brach Christoph in Gelächter aus. „Danke, Mann, aber so genau wollte ich’s dann doch nicht wissen!“ Er schlang einen Arm um Jonas‘ Schultern. „Hauen wir hier ab! Und ja, ich weiß, ich schuld dir ‘nen Drink! Kriegst sogar zwei!“   Schlüssel. Schloss. Schlüssel ins Schloss. Schwierig. Noch mal. Okay, passt. Drehen. Psst! Leise! Sophia schläft! Schuhe ausziehen. Gut. Nicht umfallen. Gut. Leise den Gang runter. Rechte Tür. Schlafzimmer. Ausziehen. Schlafen. Bett. Endlich Bett. Warmer Körper. Kuscheln. „Da bist du ja.“ Eriks verschlafene Stimme durchdrang den Nebel in Jonas‘ Kopf. Er seufzte wohlig und schmiegte sich noch näher an die Wärmequelle. „War’s schön?“ „Mhm.“ Nackter Körper – Heiß. Haut – Zart. Muskeln – Sehnig. Schwanz – Hart. „Fick mich, Erik.“ Jonas konnte Eriks Gesicht nicht sehen, aber er glaubte, das Schmunzeln zu hören, als dieser sagte: „Vielleicht, wenn du nicht mehr wie eine abgefackelte Destillerie riechst.“ „Aber ich bin jesss geil“, nuschelte Jonas in sein Ohr, die Silben zogen sich und ein bisher unterdrücktes Lispeln trat hervor. „Das bist du morgen bestimmt auch noch.“ Jonas brummte enttäuscht, drückte sein Gesicht zwischen Eriks Schulterblätter. „Tut mir leid … Tut mir leid, dass Maria heut so eklig zu dir war. Hät was sag‘n soll‘n.“ „Nein, hättest du nicht.“ Erik drehte sich zu Jonas und schloss ihn in die Arme. „Sie will dich nur beschützen. Damit komme ich schon klar. Ich habe ja eine ganze Woche Zeit, sie davon zu überzeugen, dass ich dich nicht ins Unglück stürze.“ „Hmm … Machst du‘s mir wenigstens mit der Hand?“ Unterdrücktes Lachen, das gegen Jonas‘ Haut vibrierte. „Lass mich doch noch ein bisschen schlafen.“ „Dann mach ich‘s mir eb‘n selbst!“ Auffordernd patschte Jonas gegen Eriks Wange. „Aber du musch … du musst mir dabei zuschau‘n!“ „Natürlich.“ Ein schlecht überspieltes Gähnen. „Ich bin hellwach und aufmerksam.“ Genussvoll rieb Jonas über seine erwachende Erektion, räkelte sich in den Laken, schloss die Augen. Er war eingeschlafen, bevor Eriks Lachen verklungen war.   Desorientiert wälzte sich Jonas zur Seite. Wo war er? Wie spät war es? War Trump wirklich Präsident der USA? Nach und nach rasteten die Erinnerungen an den richtigen Stellen ein. Zuhause. Keine Ahnung. Urgh. Ein dumpfer Schmerz, der gegen seine Schläfen pochte zeugte von den Eskapaden der vergangenen Nacht. Jonas‘ Magen stand kurz vor einer ausgewachsenen Rebellion. Stöhnend kämpfte er sich in eine sitzende Position. Sein Plan, nur ein paar Bier mit den Jungs zu zischen und noch vor Erik zuhause zu sein war ja mal gründlich in die Hose gegangen. Wann hatte er beschlossen, den Abend für beendet zu erklären und nach Hause zu wanken? Ach ja, als die anderen in Richtung eines Stripclubs gesteuert waren. Da musste es schon nach sechs gewesen sein. Mit unsicheren Schritten – ein Seitenblick verriet ihm, dass Erik den Mülleimer in weiser Voraussicht von seiner auf Jonas‘ Seite des Bettes verfrachtet hatte – stolperte er ins Bad. Die Dusche klärte seinen vernebelten Kopf, der minzige Zahnpastageschmack half ein wenig gegen die Übelkeit und eine Menge gegen das diffuse Ekelgefühl, das nach einer durchzechten Nacht regelmäßig Besitz von ihm ergriff. Jonas stand länger unter der Dusche als nötig gewesen wäre, aber er fand nicht den Mut, Erik gegenüberzutreten. Ob er enttäuscht von ihm war? Verärgert? Mit zusammengebissenen Zähnen drehte er das Wasser ab, seine Fingerkuppen waren bereits faltig und weich. Als er sich endlich durchringen konnte die Badezimmertür zu öffnen, schlug ihm ein intensiver Duft entgegen. Vertraut, aber schwer zuzuordnen. Das Einzige, das Jonas mit Sicherheit wusste, war, dass es sich um Essen handelte. Deftiges Essen. Genau das, was sein verkaterter Magen brauchte, auch, wenn der das noch nicht so ganz einsah und sich unruhig grummelnd zu Wort meldete. „Speck?“, fragte Jonas entsetzt, nachdem er vorsichtig ums Eck gelinst hatte. In den Monaten, in denen sie jetzt zusammenlebten, hatte er weitestgehend Eriks vegetarische Ernährung übernommen, hauptsächlich, weil er zu faul war, etwas anderes nur für sich selbst zu kochen. Erik hatte zwar kein Problem damit, wenn Jonas Fleisch aß, dass er es für ihn zubereitete war bisher allerdings noch nicht vorgekommen. Bei Jonas‘ Worten drehte er sich um, ohne die Pfanne aus den Augen zu lassen, in der sich blasse Streifen in köstlich knuspriges Frühstück verwandelten. „Guten Morgen.“ Er deutete zum Küchentisch. „Setz dich. Was macht das neue Haustier?“ „Richtet sich allmählich häuslich ein und sucht nach ‘nem Scheißkratzbaum“, murmelte Jonas, rieb über seine pochenden Schläfen und ließ sich auf den Stuhl mit Blick zum Fenster sinken. Auf dem Tisch waren bereits ein großes Glas frischer Saft und eine Kopfschmerztablette bereitgestellt. Ohne lange darüber nachzudenken, spülte Jonas die kleine, weiße Tablette mit einem Schluck Saft herunter. „Scheiße, Erik, ich liebe dich.“ „Weiß ich doch.“ „Sorry für heut Nacht. Fürs Zuspätkommen, betrunken sein, dich nerven. Oh fuck, und bitte sag mir, dass ich den Teil mit ‚bitte fick mich‘ einfach bloß geträumt hab.“ „Dann hatten wir denselben Traum.“ Jonas vergrub das Gesicht in den Händen. Eriks Lachen und die Finger, die liebevoll durch sein Haar wuschelten, ließen ihn wieder aufblicken. „Jonas, ich arbeite in einem Nachtclub. Du bist nicht der erste Betrunkene, mit dem ich zu tun hatte und glaub mir, wenn die alle so niedlich wären wie du, wäre mein und vor allem Toms Job deutlich leichter.“ „Niedlich?“ „Niedlich“, bestätigte Erik und beugte sich für einen Kuss nach vorne. „Bist du nich‘ sauer, dass es so spät geworden is‘?“ „Nein.“ „Aber ich hatte dir was andres versprochen …“ „Pläne ändern sich“, erwiderte Erik mit einer Gelassenheit, die Jonas allmählich misstrauisch werden ließ. „Und dass ich ausgerechnet mit Clemens unterwegs war …? Kein Problem?“ „Nein.“ Seufzend wendete Erik den Speck. „Erinnerst du dich noch daran, dass du mir geschrieben hast?“ „Ähm … gestern?“ „Ja, Jonas, gestern.“ „Oh. Ähm … Nich‘ wirklich“, gab er zu und erntete dafür ein geduldiges Lächeln. „Hast du aber. Du hast mir geschrieben, dass es später wird. Und dir das leid tut. Und du hast mir Fotos geschickt. Ich glaube, ich weiß besser, was du gestern so getrieben hast, als du selbst.“ „Das … ähm … das könnt schon sein.“ „An die Sprachnachrichten erinnerst du dich dann wahrscheinlich auch nicht?“ „Sprachnachrichten?“ Zum Beweis hielt Erik Jonas sein Handy vor die Nase und tatsächlich war ihr gemeinsamer Chat gepflastert von Fotos und Nachrichten, die zunehmend – mutmaßlich korrelierend zum Anstieg der Rechtschreibfehlerquote – von Sprachmitteilungen ersetzt wurden. „Oh Gott. Oh verfickte … was hab ich dir alles geschickt?“ „Ah, so einiges.“ Erik genoss es sichtlich, Jonas leiden zu sehen. Wie einen Köder hielt er das Handy knapp außerhalb seiner Reichweite. „Vielleicht lasse ich dich in zehn Jahren mal reinhören.“ „Erik!“ Dieser lachte, wurde gleich darauf jedoch ernst. „Falls du dir Sorgen machst, dass ich sauer auf dich bin – oder dir sogar unterstelle, fremdgegangen zu sein – dann darfst du das ganz schnell vergessen. Ich hatte dir gestern schon gesagt, dass diese Ängste mein Problem sind und nicht deins.“ „Schon, aber … dafür hatte ich dir eigentlich versprochen noch vor dir zuhause zu sein.“ „Und als sich abgezeichnet hat, dass das nicht so ist, hast du dir redlich Mühe gegeben, mich über alles auf dem Laufenden zu halten. Was zuckersüß, aber unnötig war.“ Erik wedelte mit der Hand, in der er sein Handy hielt. „Auch das hatte ich dir gestern schon gesagt, aber ich wiederhole es gerne nochmal: Du hast mir nie einen Grund geliefert, dir zu misstrauen. Nicht in den Monaten, die wir jetzt fest zusammen sind und auch gestern nicht.“ Jonas wusste nicht, was er dazu sagen sollte und entschied, sich vorerst einfach zu freuen, dass Erik die Sache so locker sah. „Okay.“ „Gut. Katerfrühstück?“ „Oh, ja, bitte!“ Gierig streckte Jonas die Hände nach dem gefüllten Teller aus. Auch, wenn er sich gerade nicht wirklich nach Essen fühlte, wusste er, dass es ihm danach besser gehen würde. Speck, Spiegeleier, Toast mit Butter und Schnittlauch, ein wenig frisches Obst. Der perfekte Start in den Tag. „Woher hast du den Speck?“, fragte Jonas kauend. Er hatte ihn ganz sicher nicht gekauft. Erik zog die Pfanne von der heißen Platte und setzte sich neben ihn. „Da darfst du dich bei Sophia bedanken. Die hat vorhin nämlich entgeistert festgestellt, dass kein Kaffee im Haus ist und mich losgeschickt, um welchen zu besorgen. Bei der Gelegenheit habe ich auch gleich noch ein paar andere Sachen eingekauft. Ich dachte mir, du könntest ein ordentliches Frühstück vertragen.“ „Kann ich. Danke. Noch mal.“ Jonas sah sich um, lauschte in die sonst stille Wohnung. „Wo steckt Sophia eigentlich?“ „Die hat heute schon die erste Besichtigung.“ „Oh, okay.“ Abwägend musterte er Erik. „Also haben wir die Wohnung eine Weile für uns?“ „Mhm.“ Erik warf einen Blick auf seine Uhr. „Ich würde vermuten, noch mindestens eine Stunde.“ Die Zeit im Hinterkopf, schlang Jonas sein Frühstück herunter, gab seinem Magen einen Augenblick, sich zu beruhigen und zerrte einen lachenden und nur halbherzig protestierenden Erik ins Schlafzimmer. Körper rieb sich an Körper, Hände erforschten samtige Haut. Aus liebevollem Flüstern wurde kehliges Stöhnen und anfangs zärtliche Küsse verwandelten sich in ausgehungertes Schnappen. Verschwitzt und klebrig lehnte Jonas an Erik, Spuren ihrer beiden Höhepunkte überzogen seinen Bauch. „Fuck, war das nötig.“ Erik antwortete nicht sofort, doch sein Herz hämmerte wie verrückt und seine Finger krallten sich schmerzhaft fest in Jonas‘ Schultern. Mit rauer Stimme flüsterte er: „Ich liebe dich.“ Jonas schloss die Augen. „Ich dich auch.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)