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Raupe im Neonlicht

von

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Kapitel 39

Was zuletzt geschah:

Jonas‘ Wochenende in Stuttgart bleibt spannend. Marcos und Dragos Zukunftspläne werfen die Frage nach seinen eigenen auf – und damit zwangsweise auch Eriks. Vieles liegt noch im Nebel, so manches muss ausgehandelt werden, aber etwas ist bereits ganz klar: Jonas‘ Besuch bei Eriks verbleibender Familie steht vor der Tür.

 

Kapitel 39

„Scheiße, ich hätte auf das zweite Sandwich verzichten sollen. Bin immer noch total vollgefressen.“ Theatralisch seufzend rieb Jonas über seinen gewölbten Bauch, schaffte es aber nicht, Eriks Aufmerksamkeit zu erregen. „Hey!“

Erik schreckte aus seiner Starre und lächelte gequält. „Entschuldige, hast du gerade was gesagt?“

„Schon gut, war nich‘ wichtig.“  

Der Sonntag hätte kaum schöner beginnen können. Das Wetter war ihnen noch immer hold und der strahlende Sonnenschein ausgesprochen hilfsbereit, sie ungewohnt früh aus den Federn zu treiben. Erik hatte sich nach dem Frühstück klaglos durch das Stuttgarter Kunstmuseum schleifen lassen, beim Mittagessen im Tässchen Jonas‘ Monolog über das gerade Gesehene gelauscht und kein Wort der Kritik verlauten lassen, als Jonas anschließend zu tief in sein frisch erstandenes Buch über die Geschichte der Fotografie versunken war, um noch irgendetwas um ihn herum zu bemerken.

Selbst die unterdurchschnittliche Komödie – der einzige Film, der nachmittags in dem Kino lief, das Erik in seiner Kindheit mit seinen Eltern besucht hatte – war erträglich gewesen. Hauptsächlich, weil sie sich in die letzte Reihe verzogen und ab da nicht mehr viel davon mitbekommen hatten. Doch mit jeder Minute, die das Abendessen bei seiner Tante näher rückte, wurde Erik stiller.

Jetzt standen sie im Hotelzimmer, quasi aufbruchbereit und musterten sich gegenseitig, als warteten sie darauf, dass der jeweils andere zuerst einen guten Grund fand nicht hinzugehen. „Wir könnten sagen, dass ich mir den Magen verdorben hab“, schlug Jonas vor, in der Hoffnung, Eriks Stimmung ein wenig aufzuheitern. Erfolglos allerdings; Erik sah genauso düster drein wie zehn Sekunden zuvor. „Okay, dann nich‘. Ich bin eh nich‘ besonders scharf drauf, dass Leute, die ich nich‘ kenn sich vorstellen, ich würd grad aufm Pott hocken und mir die Seele ausm Leib scheißen. Aber ganz ehrlich? Wenn du lieber nich‘ hinwillst, is‘ das doch völlig in Ordnung. Dann sagen wir eben ab. Und du kannst es ruhig auf mich schieben! Notfalls halt doch mit der Durchfallsache.“

Kein Lacher, aber Erik wirkte, als würde er Jonas‘ Angebot ernsthaft erwägen. Gleich darauf schüttelte er jedoch den Kopf. „Das wäre nicht fair. Meine Tante hat sich sicher Mühe gegeben und groß aufgekocht.“ Er seufzte. „Außerdem zementiert das vermutlich nur das falsche Bild, das du von ihr und ihrer Familie hast. Das sind nette Menschen, ich steigere mich nur gerade viel zu sehr in die Sache rein.“

„Wenn du das sagst … Mein Angebot steht trotzdem. Notfalls auch, wenn wir schon da sin‘ und wieder wegwollen. Was glaubst du, wie schnell die uns vor die Tür setzen, wenn sie Angst haben müssen, dass sich ihnen auf den Teppich kotz?“

Endlich zeigte Erik ein schmales Lächeln. „Ich werde es im Hinterkopf behalten.“ Er verschwand ins Bad, machte sich aber nicht die Mühe, die Tür zu schließen. Jonas beobachtete, wie er den Kragen seines Hemds richtete, die nicht vorhandenen Falten darauf glattstrich, seine Haare öffnete und noch einmal ordentlich zu einem Knoten band.

„Herrscht heute Dresscode? So langsam fühl ich mich nämlich etwas schäbig angezogen.“  

Erik ließ die Hände sinken, die Reflexion seiner Augen fand Jonas‘. „Du hast recht, ich übertreibe. Entschuldige.“ Er atmete durch. „Lass uns einfach aufbrechen, ja?“

 

Die U-Bahn zuckelte durch den Tunnel, aber auch meterdicke Felswände waren nicht in der Lage, die schwüle Luft zu kühlen.

„Okay, jetzt mal ganz ehrlich“, sagte Jonas, nachdem er das Schweigen satt hatte. „Was hab ich von dem Abend zu erwarten? Muss ich mich auf ein Verhör gefasst machen? Oder darauf, dass sich deine Tante die Menschenmaske abreißt und versucht, mich mit ihren gigantischen Mandibeln zu zermalmen?“

Dieses Mal lachte Erik wirklich. „Ja. Aber keine Sorge, davor betäubt sie dich mit ihrem Giftstachel. Auf die Art spürst du fast nichts.“ Er musste sich sichtlich zwingen, wieder ernster zu werden. „Ah, lass mich mal überlegen, wie ich unsere Dynamik beschreibe, damit du weißt, worauf du vorbereitet sein solltest.“ Er neigte den Kopf und dachte über seine nächsten Worte nach. „Meine Tante ist die jüngere Schwester meiner Mutter. Deutlich jünger. Fast sechzehn Jahre.“

Jonas stieß einen Pfiff aus. „Und ich dacht, meine Schwester Vroni wär ‘n Nesthäkchen.“

„Ich weiß nicht, ob es am Altersunterschied lag, oder sie einfach generell verschiedene Persönlichkeiten waren, aber ich habe meine Tante und meine Mutter immer als sehr gegensätzlich empfunden. Meine Mutter war beruflich ehrgeizig und hat sich spät für eine Familie entschieden, meine Tante hat dagegen schon sehr früh geheiratet und das erste Kind bekommen. Deshalb sind mein Cousin und ich auch fast gleichalt. Meine Cousine kam dann erst einige Jahre später, gerüchteweise, um die kriselnde Ehe zu retten, aber ich war damals zu jung, um das wirklich mitzubekommen. Persönlich denke ich, dass meine Tante …“ Er verstummte, runzelte die Stirn und schüttelte anschließend den Kopf. „Nein, weißt du was, ich glaube, ich fühle mich wohler, wenn ich dir nicht so viel erzähle.

„Warum?“ Jonas hatte sich bemüht, die Kränkung aus seiner Stimme herauszuhalten, war jedoch gescheitert.

„Weil unser Verhältnis schwierig ist und ich nicht Gefahr laufen will, dir ein ungerechtfertigt negatives Bild zu vermitteln.“

Jonas seufzte, nahm Eriks Entscheidung jedoch hin. Die Fahrt schien sich ewig zu ziehen und er war gespannter denn je auf dieses Abendessen.

 

Das Viertel, in dem sie schließlich ausstiegen war durchaus ansehnlich. Erdfarbene Altbauten reihten sich aneinander, die Straßen waren sauber, immer wieder durchbrachen Bäume und Wiesenstreifen den tristen Asphalt. Erik drückte die Klingel neben einer glänzenden Messingplatte mit dem Schriftzug ‚Reichardt‘, kurz darauf ertönte der Summer. Sie hatten gerade die ersten Stufen überwunden, als er abrupt stehen blieb und der Hitze zum Trotz die Ärmel seines Hemds nach unten krempelte. Jonas bedachte er dabei mit einem Blick, der eindeutig ‚nimm es einfach hin‘ ausdrückte.

„Fast pünktlich“, begrüßte sie eine Frau in den Vierzigern an der Tür. Ihr blondes Haar war sorgfältig hochgesteckt, filigraner Goldschmuck an Ohren und Hals akzentuierte ihr dunkelblaues Kleid. Sie war attraktiv, aber ihr Lächeln hatte etwas Künstliches an sich, das Jonas nicht genau benennen konnte. Er verkniff sich den Hinweis, dass seine recht zuverlässige Handyuhr lediglich zwei Minuten Verspätung anzeigte.

Erik reagierte dagegen gewohnt diplomatisch. „Entschuldige. Unsere Bahn stand eine Weile im Tunnel.“ Er legte eine Hand auf Jonas‘ Schulter, drückte sie sanft. „Das ist Jonas. Mein Freund.“

Bei diesen Worten machte Jonas‘ Herz einen Hüpfer und ein breites Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Er reichte Eriks Tante die Hand. „Freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Frau Reichardt.“

„Guten Abend. Freut mich ebenfalls.“

Jonas wartete einen Augenblick, aber Eriks Tante machte keine Anstalten, ihm das ‚Du‘ anzubieten. Stattdessen ließ sie sie in die Wohnung eintreten und führte sie durch den reichlich dekorierten Eingangsbereich bis ins Wohnzimmer, dessen linke Hälfte von einem penibel gedeckten Esstisch eingenommen wurde. Davor warteten bereits ein großgewachsener, dunkelhaariger Mann in Anzug und Krawatte sowie eine zierliche Frau in Jonas‘ Alter, deren Haar im selben Honigblond schimmerte wie Eriks und das seiner Tante.

„Erik“, begrüßte der Mann ihn steif.

„Hallo, Frank. Darf ich dir Jonas vorstellen? Jonas, das ist mein Onkel Frank.“ Die Art, wie Erik den Vornamen seines Onkels betonte, verriet Jonas, dass er ganz und gar nicht begeistert von dem Verhalten seiner Tante gewesen war und tatsächlich bildeten sich rote Flecken auf ihrem Hals und Dekolletee. Sie räusperte sich und als sie die Hand vom Mund nahm, zierte ein Lächeln ihre Lippen, das beinahe echt wirkte. „Ich bin übrigens Susanne. Das ging vorhin wohl etwas unter.“ Sie wandte sich an Erik. „Ihr könnt euch schon setzen. Tobias kommt später.“

Jonas brauchte einen Augenblick, um den Namen mit dem passenden Verwandtschaftsgrad zu verbinden. Eriks Cousin, das war es. Allmählich glaubte er, im Rahmen dieses Kurzurlaubs mehr neue Namen gelernt zu haben, als Englischvokabeln während seiner gesamten Schulzeit.

Eriks Cousine, jedenfalls nahm Jonas an, dass es sich bei der jungen Frau vor ihm um diese handelte, versuchte derweil vergeblich, dessen Aufmerksamkeit zu erlangen, ohne dabei ihre Eltern zur Seite zu drängen. Nach einem unauffälligen Rippenstoß von Jonas, bemerkte auch Erik ihre Bemühungen. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft zeigte er ein ehrliches Lächeln. „Ah, jetzt bist aber du mal an der Reihe.“ Er schloss die junge Frau in seine Arme. „Schön, dich wiederzusehen.“ Die Hand noch auf ihrer Schulter, drehte er sich zu Jonas. „Jonas, das ist Sophia, meine Cousine. Sophia, das ist Jonas.“

„Hallo“, begrüßte sie ihn schüchtern.

„Hi!“ Nach ein wenig Hin und Her schafften sie es, sich ebenfalls kurz zu umarmen.

Verschwörerisch beugte sich Erik zu ihr. „Was treibt denn Tobias, damit ihm erlaubt wurde, die magische Zeit fürs Abendessen zu überschreiten?“

„Keine Ahnung“, antwortete sie flüsternd. „Er hätte schon längst hier sein sollen.“

Bevor sie noch länger betreten im Raum rumstehen konnten, bugsierte Erik Jonas zu dem prunkvollen Esstisch. Sophia nahm ihnen gegenüber Platz, ihr Vater am Kopfende, Eriks Tante zog sich für ‚letzte Vorbereitungen‘ in die Küche zurück.

„Ähm, ihr habt eine wirklich schöne Wohnung“, versuchte Jonas ein Gespräch in Gang zu bringen. „Die Stuckarbeiten sind umwerfend. Geben dem Raum was richtig Edles.“

„Heutzutage bevorzugen viele Neubauwohnungen, weil sie denken, das Preis-Leistungs-Verhältnis sei besser“, antwortete Eriks Onkel. Seine Stimme war gleichmäßig und eigenartig glatt. „Selbstverständlich sind echte Altbauwohnungen wie diese hier pflegeaufwändiger, aber ich bin der Meinung, dass man sich nicht davor scheuen sollte, Geld in ein wenig Klasse zu investieren.“

Hatte Sophia gerade mit den Augen gerollt? Eriks Versuch, ein Lächeln zu unterdrücken sprach dafür und nun hatte auch Jonas Schwierigkeiten ernst zu bleiben. Die Eingangstür, die sich geräuschvoll öffnete und schloss rettete ihn.

„Wurde ja auch Zeit“, murmelte Eriks Onkel.

„Jo, ihr seid ja schon alle hier.“ Der Neuankömmling – Eriks Cousin Tobias – musste etwa in Eriks Alter sein, davon abgesehen waren ihre Gemeinsamkeiten jedoch überschaubar. Er war kleiner, hatte das dunkle Haar seines Vaters geerbt und die halb aus dem engen Shirt platzenden Oberarme sprachen von langen Stunden im Fitnessstudio. Nach einem kurzen Nicken zu Jonas und Erik ließ er sich auf den Stuhl neben seiner Schwester fallen. „Was gibt’s Neues aus der Hauptstadt?“

Sein Vater zeigte sich wenig begeistert von diesem nonchalanten Gesprächseinstieg. „Verrate uns doch bitte zuvor, wo du so lange gesteckt hast.“

„Ist doch unwichtig“, erwiderte Tobias achselzuckend. „Ihr habt ja noch nicht mal mit dem Essen angefangen.“

Eriks Onkel setzte zu einer Erwiderung an, doch dann huschte sein Blick zu seinen Gästen. „Wir klären das später.“

„Tu, was du nicht lassen kannst.“ Tobias lächelte, aber es lag kein Humor darin.

Die nächste halbe Stunde verlief mehr als schleppend. Eriks Tante Susanne servierte das Essen und wurde dabei nicht müde zu betonen, wie viel Mühe sie sich gegeben hatte, extra für Erik ein vegetarisches Menü zusammenzustellen. Darauffolgend war eine ganze Weile lediglich das Klappern des Geschirrs zu vernehmen.

Zwischen Hauptgang und Nachspeise tupfte Susanne ihre Mundwinkel ab, faltete ihre Serviette anschließend sauber über dem Schoß zusammen und blickte erwartungsvoll in die Runde. „Hat Sophia ihre großartigen Neuigkeiten schon erzählt?“

„Welche?“ Neugierig musterte Erik seine Cousine, die sehr darum bemüht schien mit ihrem Stuhl zu verschmelzen.

Seine Tante nahm ihr die Antwort ab. „Sie hat ihr Abi mit 1,2 bestanden. Ist das nicht fantastisch?“

„Ist es“, bestätigte Erik. „Nochmal Glückwunsch, Sophia.“

„Ja, Glückwunsch“, fiel Jonas mit ein. „Is‘n verfi-flucht gutes Gefühl, den Schei-Schwachsinn endlich hinter sich zu haben, nich‘ wahr?“

„Danke.“ Sophia strich sich eine lose Haarsträhne hinter die Ohren, offenbar unschlüssig, was sie sonst gerade mit ihren Händen anstellen sollte. Eine Geste, die Jonas erschreckend vertraut war. „Ist wirklich schön, sich mal ein paar Wochen keine Gedanken um Zensuren machen zu müssen. Aber ich hatte Erik schon davon erzählt.“

„Auch davon, wie gut dein Ergebnis ist?“, wollte ihr Vater wissen. „Du stellst dein Licht immer unter den Scheffel und wunderst dich dann, wenn andere dich nicht ernst nehmen. Wenn du während des Studiums Praktika in angesehenen Unternehmen absolvieren möchtest, musst du daran dringend arbeiten. Vom Berufseinstieg wollen wir noch gar nicht reden.“

„Ich weiß, Papa.“

Frank nickte, zufrieden über seine kleine Ansprache und Sophias Reaktion darauf. Er wandte sich an Erik. „Was hattest du doch gleich für einen Schnitt?“

„Ah, ist das wichtig?“, fragte Erik abwehrend. „Das ist doch fast zehn Jahre her. Wir sollten uns lieber für Sophia freuen. Mit so einem Ergebnis dürfte ihrem Traum vom Psychologiestudium nichts im Weg stehen.“

„Ich finde, da hast du absolut recht.“ Eriks Tante hob ihr Glas. „Lasst uns darauf anstoßen!“

Doch Eriks Onkel schien noch nicht bereit, das Thema fallenzulassen. „1,3 war es, nicht wahr?“

„Ich finde wirklich nicht, dass–“, begann Erik, wurde jedoch erneut unterbrochen, dieses Mal von seinem Cousin.

„1,1, Vater. Erik hatte einen Schnitt von 1,1. Da kann nicht mal dein Goldstück mithalten, was?“ Jonas hatte das Gefühl, Tobias genoss den verblüfften Gesichtsausdruck seines Vaters, der sich langsam zu schlecht unterdrücktem Zorn wandelte.

Keine Sekunde später hatte Frank seine Emotionen wieder im Griff. „Nun, wie Erik bereits sagte, ist sein Abschluss fast zehn Jahre her und wir wissen alle, dass die Ansprüche seither nicht gesunken sind.“

„Wir haben‘s kapiert!“, fuhr Tobias erneut dazwischen. „Sophia ist aus Inflationsgründen die Beste, Erik kommt knapp dahinter und mich kehren wir lieber komplett unter den Teppich, weil ich nicht zum Angeben tauge. Nicht, dass unser Gast noch erfährt, dass ich in der siebten Klasse sogar mal sitzengeblieben bin.“

„Dem Gast is‘ das in der Achten passiert“, erwiderte Jonas und hoffte inständig, die zu kippen drohende Stimmung retten zu können. „Er hat übrigens auch ‘ne Schwester, die unter den Top Ten ihres Jahrgangs war. Genauso wie seine beste Freundin, während er selbst in die Kategorie ‚Gott sei Dank, jetzt haben andere das Problem‘ fiel.“

Tobias lächelte schief. „Ist kacke, was?“ Zum ersten Mal seit Beginn des Abends troff kein Spott aus jeder Silbe.

„Japp. Aber meine jüngste Schwester is‘ erst in der Grundschule. Es besteht also noch Hoffnung, dass sie viel enttäuschender wird als ich.“

„Ich drücke die Daumen.“ Ein paar schweigsame Atemzüge verstrichen, dann prosteten sich die beiden jungen Männer grinsend zu.

„Wie läuft es mit der Arbeit?“ Eriks Tante schien endgültig genug vom Thema Abitur zu haben, bestand nicht einmal auf den zuvor angesprochenen Toast auf Sophias Abschluss.

„Ganz gut“, antwortete Erik zurückhaltend. „Zusammen mit dem Studium kann es schonmal stressig werden, gerade jetzt, wenn die Klausuren näherkommen.“

Ehrliche Sorge huschte über Susannes Gesicht und zum ersten Mal empfand Jonas so etwas wie Sympathie für sie. „Mach doch ein wenig langsamer“, schlug sie vor. „Es ist doch sicher kein Problem, wenn du ein oder zwei Semester länger brauchst.“ Ihr Blick glitt zu Eriks Unterarmen. Flüchtig, aber nicht unauffällig genug, damit ihm die Bewegung entging. Er zupfte seine Hemdsärmel zurecht und sagte: „Ah, so schlimm ist es wirklich nicht.“

Damit war auch dieses Thema abgehandelt.

 

Der Rest des Essens erwies sich als sozialer Drahtseilakt, in dem insbesondere Eriks Onkel permanent betonte, wie grandios das Leben seiner Familie war, während Tobias regelmäßig giftig dazwischenfunkte und Sophia kaum mehr als zwei zusammenhängende Sätze über die Lippen brachte. Eriks Tante warf diesem hingegen immer wieder Blicke zu, als fürchtete sie, er könnte noch am Tisch einen Rückfall erleiden und zum nächstbesten Buttermesser greifen, weshalb Erik selbst redlich bemüht war, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Und mittendrin saß Jonas, ohne die geringste Ahnung, wie er sich verhalten sollte. Allmählich begriff er, weshalb Erik diese Termine mied.

Nach einer gefühlten Ewigkeit war endlich das Dessert verputzt und Jonas entschuldigte sich, um kurz auf die Toilette zu verschwinden. Als er zurückkam, rannte er direkt in Tobias‘ Arme. „Sorry.“

Tobias schnaubte und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Hab dich übrigens noch gar nicht in der Familie willkommen geheißen. Freust du dich, in unseren erlauchten Kreis aufgenommen worden zu sein?“

„Ähm …“

„Ja, ich wüsste auch nicht, wie ich höflich auf diese Frage antworten sollte. Willst du ein Bier? Bringt dir noch mal wenigstens dreißig Sekunden, bevor du zurück ins Wohnzimmer musst.“

„Ähm, okay.“ Erik würde schon eine Weile ohne ihn auskommen und er selbst konnte durchaus eine Gelegenheit zum Durchatmen gebrauchen. Ganz davon abgesehen verspürte er ein gewisses Bedürfnis nach Alkohol. Seine offenbar eher proletarischen Geschmacksnerven hatten Probleme, den obligatorisch zum Essen gereichten Wein zu genießen und Wasser bevorzugt.

Tobias zog zwei Flaschen aus dem Kühlschrank und durchwühlte die Küchenschränke nach Gläsern. „Wie lange kennt ihr euch eigentlich schon?“, fragte er ohne aufzublicken. „Du und Erik, meine ich.“

„Oh, ähm, seit letzten Oktober, ungefähr. Aber zusammen sin‘ wir erst seit Februar.“ ‚Zusammen‘, ‚Beziehung‘, ‚Paar‘. Noch immer fühlte es sich seltsam für Jonas an, diese Worte laut auszusprechen.

„Cool, cool.“ Tobias sah aus als wollte er noch mehr sagen, trank stattdessen jedoch einen Schluck direkt aus der Flasche.

„Wir sollten wohl wieder ins Wohnzimmer zurück“, schlug Jonas vor, nachdem ihm sein frisch eingegossenes Glas in die Hand gedrückt worden war.

„Sollten wir wohl.“ Allerdings machte Tobias keine Anstalten, sich zu bewegen und Jonas stellte fest, dass auch seine Füße lieber noch etwas länger an Ort und Stelle verweilten. „Wie ist Berlin denn so?“

„Etwas anders als das bayerische Dorf, in dem ich aufgewachsen bin.“

„Kann ich mir vorstellen. Und Erik? Gefällt es ihm dort?“ Bevor Jonas darauf antworten konnte, fügte Tobias leiser hinzu: „Geht es ihm gut?“

Plötzlich glaubte Jonas zu verstehen, weshalb Tobias das Gespräch mit ihm suchte. Eines der wenigen ehrlichen Lächeln dieses Abends schlich sich auf sein Gesicht. „Soweit ich das beurteilen kann, und ich behaupte jetzt einfach mal, dass ich’s kann, ist Erik grad ziemlich zufrieden.“

„Gut. Das ist … gut.“

„Hier versteckt ihr euch.“

„Wenn man vom Teufel spricht …“ Jonas und Tobias drehten sich zu Erik, der im Türrahmen stand, eine Braue nach oben gezogen, als versuchte er abzuschätzen, ob etwas vor sich ging, das ihm nicht gefiel. Er und Tobias wechselten einen langen Blick, aber niemand sagte ein Wort.

„Ich hab mir ein Bier erschnorrt“, ging Jonas dazwischen. Zum Beweis hob er sein Glas.

Ein weiterer blonder Schopf erschien im Türrahmen, Sophia zupfte an Eriks Hemd. „Kann ich mal mit dir sprechen?“

Verdutzt drehte sich Erik zu ihr. „Natürlich. Hier?“

Misstrauisch beäugte sie ihren Bruder, nickte dann aber. „Ist genauso gut wie anderswo.“ Mit einer Hand in seinem Rücken, schob sie Erik ganz in die Küche und schloss die Tür hinter sich. „Ich ziehe nach Berlin.“

„Fürs Studium?“ Erik hatte seine Überraschung erstaunlich schnell unter Kontrolle bekommen, ganz im Gegensatz zu Tobias, wie Jonas nach einem raschen Seitenblick feststellte.

Wieder nickte Sophia.

„Wissen unsere Eltern schon davon?“, fragte Tobias

„Nein, ich …“ Sophia spielte mit ihrem zum Zopf geflochtenen Haar und Jonas fragte sich zum wiederholten Mal, ob er gerade einen Blick auf den zehn Jahre jüngeren Erik erhaschte. „Ich hätte gerne alles in trockenen Tüchern, bevor ich es ihnen erzähle.“

Tobias gab ein Geräusch zwischen Schnauben und Lachen von sich, verstummte jedoch, als Erik ihn kühl von oben bis unten musterte.

„Ich will einfach nicht, dass sie sich zu sehr einmischen“, verteidigte Sophia ihre Entscheidung ungewohnt laut. Was in ihrem Fall bedeutete, ihre Stimme von einem Flüstern auf Zimmerlautstärke zu erhöhen.

„Wie kann ich dir helfen?“, fragte Erik mit derselben zuversichtlichen Gelassenheit, mit der er schon Jonas oft genug über diverse Unsicherheiten hinweggeholfen hatte.

„Ich brauche eine Wohnung.“

„Das wird aber echt scheißschwer, wenn deine Eltern nix davon wissen sollen.“ Jonas schluckte, zwang sich aber, seine Gedanken weiter auszuführen, nachdem er schon seine Klappe nicht hatte halten können. „Ohne Bürgen geht da normalerweise nix als Student. Ich hab das erst letztes Jahr mitgemacht und es nervt echt tierisch.“

„Wie willst du das überhaupt bezahlen, ohne, dass sie davon erfahren?“, fragte Tobias. „Du bekommst ja noch nicht einmal BAföG. Jedenfalls dann, wenn es stimmt, was unser allerliebster Vater so von seinen Finanzen behauptet. Also müssen sie dir den Unterhalt direkt zahlen.“

Unruhig trat Sophia von einem Fuß auf den anderen, zwirbelte ihr Haar. „Ich könnte mir ein paar WGs ansehen. Hatte schon Mail-Kontakt mit einigen, aber die wollen mich natürlich persönlich kennenlernen. Ich dachte mir, dass ich Mama und Vater danach davon erzähle, wenn ich weiß, ob ich überhaupt Chancen auf ein Zimmer habe.“ Schüchtern sah sie zu Erik. „Aber ich kenne mich in Berlin nicht aus und, ah, die Übernachtungskosten …“

Als Erik begriff, worauf sie hinauswollte, wandte er sich unauffällig zu Jonas, der ihm ein Daumenhoch gab.

„Du kannst gerne ein paar Tage bei uns unterkommen“, bot er daraufhin an.

„Ich will mich aber nicht aufdrängen.“

„Tust du nicht“, versicherte er. „Aber ich würde mich wohler fühlen, wenn wir das davor mit Susanne und Frank besprechen. Ich will sowas eigentlich nicht hinter ihrem Rücken ausmachen und für dich ist es doch auch angenehmer, wenn du von vornherein offen beantworten kannst, wie du die Miete finanzieren willst.“

„Was, wenn sie ‚Nein‘ sagen?“, fragte Sophia zweifelnd.

„Dann verwandeln wir es in ein ‚Ja‘. Unter der Bedingung, dass sie alle Entscheidungen dir überlassen.“

Sophia hob eine Braue. „Du denkst wirklich, dass sie sich auf so einen Deal einlassen?“

„Du bist volljährig und kannst deine eigenen Entscheidungen treffen“, antwortete Erik schulterzuckend. „Das ändert aber nichts an ihrer Unterhaltspflicht dir gegenüber. Falls sie die ganze Sache in die Länge ziehen wollen, springe ich so lange als Bürge für die Wohnung ein. Dann kannst du dir zumindest da schonmal eine Zusage sichern. Spätestens dann werden sie bestimmt einlenken.“

„Das würdest du tun?“

„Für dich? Natürlich.“

Sophia fiel Erik in die Arme. „Danke!“

„Na komm, jetzt versuchen wir erstmal, das ganze friedlich zu lösen. Und wenn ich ‚Jetzt‘ sage, meine ich auch jetzt.“ Sanft schob er Sophia aus der Küche. „Kurz und hoffentlich schmerzlos. Wie Pflasterabreißen.“

Geschlagen ließ sie sich von Erik zurück ins Wohnzimmer führen. Die beiden anderen folgten ihnen nach ein paar Sekunden. „Ein Glück, dass der Cousin einspringt, wenn der eigene Bruder schon nichts auf die Reihe bekommt“, nuschelte Tobias im Vorbeigehen zu sich selbst, aber Jonas verstand ihn trotzdem.

Nach seinem dramatischen Aufbau lief das eigentliche Gespräch überraschend ereignislos. Ihren Befürchtungen entgegen, stimmten Sophias Eltern sofort zu, sie bei ihrer Studienentscheidung zu unterstützen, allerdings konnte ihre Mutter es nicht lassen, Erik das Versprechen abzuringen, ein Auge auf sie zu haben. Da der Redefluss so rasch abebbte wie er aufgeflammt war, nutzten Erik und Jonas die Gelegenheit, sich für das Essen zu bedanken und das Weite zu suchen. Die Fahrt zurück ins Hotel verlief schweigend, beide waren mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt.

 

Jonas saß auf dem knarzenden Hotelbett und beobachtete Erik, der sich für die Nacht fertigmachte. „Lass mich mal.“ Sanft nahm er ihm die Haarbürste aus der Hand und fuhr damit durch den dichten, blonden Schopf. Das kehlige Brummen, das er dafür erntete, rang ihm ein Lächeln ab. Es klang beinahe wie Schnurren.

Mit geschickten Fingern flocht Jonas einen Zopf, dessen Ähnlichkeit mit Sophias ihn an den frisch vergangenen Abend erinnerte. Sein Piercing klickte leise gegen seine Zähne, als er sich auf die Lippe biss. „Sag mal … haben du und dein Cousin, ähm, Tobias, eigentlich jemals über die Sache zwischen euch gesprochen? Also den Streit? Das, was er da gesagt hat?“

„Nicht wirklich“, erwiderte Erik nach einigen Sekunden. „Wir sind uns eine Weile aus dem Weg gegangen und haben danach so getan, als wäre das nie passiert.“ Er drehte dem Kopf, um Jonas anzusehen. „Warum fragst du? Ist irgendetwas passiert?“

„Nee, nee. Das nich‘. Ich hatte bloß das Gefühl, dass, ähm …“ Jonas seufzte. „Ich glaub, er weiß nich‘ so recht, wie er mit dir umgehen soll. Ihr schleicht irgendwie so umeinander rum.“

„Das war nie wirklich anders.“

„Jaah, ja, vielleicht. Ich behaupte nich‘, nach bloß einem Abend mehr zu wissen als du, aber … Is‘ dir nich‘ aufgefallen, dass er allen gegenüber teilweise richtig unverschämt war, nur dir nich‘? Und zu mir war er auch echt nett. Er hat richtiggehend Kontakt gesucht, jedenfalls hat sich’s so angefühlt. Hat sich sogar erkundigt, ob’s dir gut geht. Ich glaub … Ich glaub, er würd’s gern wiedergutmachen und weiß nich‘ wie.“ Als Erik nicht antwortete, ließ Jonas von seinen Haaren ab, legte die Bürste zur Seite und widmete sich stattdessen seinen Schultern. Mit kreisenden Bewegungen massierte er die Verspannungen aus den Muskeln. „Ich mein, ich kann auch verstehen, wenn du noch sauer deshalb bist. Is‘ dein gutes Recht, war ‘ne Scheißaktion von ihm.“

„Ich bin nicht sauer“, erwiderte Erik. „War ich nie. Verletzt. Traurig, vielleicht. Aber nie wirklich wütend, weil ich durchaus verstehe, wo das herkam.“ Er küsste Jonas‘ Wange. „Aber ich habe tatsächlich nie darüber nachgedacht, wie es Tobias mit der ganzen Sache geht. Manchmal ist es sehr leicht zu übersehen, dass er nicht mehr der störrische Teenager von damals ist, sondern sich weiterentwickelt hat. Wahrscheinlich sollte ich wirklich mal in Ruhe mit ihm sprechen. Nur heute will ich eigentlich nicht mehr über meine Familie nachdenken.“ Eriks Lippen wanderten zu Jonas‘ Hals, seine Zunge kitzelte die empfindsame Stelle knapp unterhalb des Ohrläppchens. „Lass uns ins Bett gehen. Oder sowas ähnliches.“

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ankündigung:
Ab nächster Woche habe ich einen neuen Job. Das ist natürlich erstmal was Gutes (und zweitmal, drittmal, usw. auch), heißt aber, dass ich zeitlich etwas weniger flexibel bin als bisher. Deshalb kann es sein, dass sich die Updates gelegentlich verschieben. Ich visiere immer noch den Freitag an und meistens wird das auch klappen, aber es kann sein, dass ein Kapitel mal erst am Samstag oder spätestens Sonntagabend erscheint. Hiermit seid ihr vorgewarnt :)

Schönes Wochenende! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2018-07-31T15:04:33+00:00 31.07.2018 17:04
Oh Gott, wie sehr ich mir so ein schreckliches Familienessen vorstellen kann... Ich leide mit Erik .___. aber andererseits scheint mir die jüngste Generation doch eigentlich vernünftig zu sein - Tobias ist mir dabei seltsamerweise überraschend sympathisch. Und wahrscheinlich fehlt Erik und ihm einfach nur das Packen, sich auszusprechen. Das größere Problem sehe ich eher in der Elterngeneration...
Aber nachdem wir zuerst so viel von Jonas' Familie kennengelernt haben, wird jetzt Eriks beleuchtet. Ich bin ja mal gespannt, wann Jonas Erik seinen Eltern vorstellt ;)
Von:  Usaria
2018-05-31T12:05:59+00:00 31.05.2018 14:05
Ein sehr interessantes Kapitel. Eriks Tante und Onkel stelle ich mir so als richtige Spißer vor! Seinen Onkel hab igfressn! Meine Tochter ist die Beste! Grrr! Da krieg ich so einen Hals!!!
Da kann man verstehen, dass sich Erik wirklich unwohlfühlt. Bei so einer Familie! Kommt jetzt die nächste kleine Raupe nach Berlin?
Das währs ne Sidstory über Eriks kleine Cousine!

Herzlichen Glückwunsch zum neuen Arbeitsplatz. Ich wünsch noch einen schönen Feiertag.
Antwort von:  Noxxyde
02.06.2018 01:22
Hey :)

Haha, ja, Spießer triffts! Eriks Tante kann ich da noch etwas besser leiden, ich glaube, sie weiß, dass sie Fehler gemacht hat und den Fokus vermutlich häufig auf die falschen Dinge gelegt hat, aber letztlich muss sie eben in dem Bett schlafen, das sie sich selbst gemacht hat. Ihren Mann kann ich auch nicht wirklich leiden. Er ist so auf Status bedacht, dass er gar nicht bemerkt, dass sich seine eigene Familie wegen des Drucks von ihm abwendet.

Ja, Berlin ist bald um eine Raupe reicher ^^
Hm, das ist gar keine schlechte Idee. Ich spiele ja schon lange mit dem Gedanken, eine kleine One-Shot-Sammlung zu schreiben, bin aber bisher nicht dazu gekommen. Da könnte man sicher auch was von Sophia einbauen :)

Danke :) Dir ein schönes Wochenende!
Von:  Kerstin-san
2018-05-26T09:52:45+00:00 26.05.2018 11:52
Hallo,
 
meine Güte, bei Eriks Nervosität und seinem offensichtlichem Unbehagen hab ich für das Abendessen echt mit dem allerschlimmsten gerechnet (eine tyrannische, miesepetrige, etepetete Tante mindestens). Sie scheint zwar wirklich kein besonders herzlicher Mensch zu sein, so kühl und distanziert, wie da schon die Begrüßung ausfällt. Aber ich fand schon, dass sie sich Mühe gegeben hat, dass später wieder wett zu machen.
Da fand ich Eriks Onkel wesentlich schlimmer, weil der so hohe Erwartungen an seine Kinder hat und aus allem einen Wettstreit zu machen scheint. Generell fand ich die Familiendynamik interessant, weil die Kinder naturgemäß viel lockerer und offener sind und man merkt, dass das Eriks Tante und seinem Onkel nur bedingt gefällt. Da brodeln zahlreiche Konflikte, die man aber verständlicherweise nicht vor den Gästen allzu sehr durchschimmern lassen will, was hier allerdings ziemlich daneben ging.
 
Kein Wunder, dass Jonas sich da völlig fehl am Platz fühlt und sehr unsicher ist, wie er sich da am besten verhalten soll. Bei so nem Verlauf würde ich auch lieber die Flucht ergreifen wollen. Ich fands dann aber echt witzig, als sich nach und nach die versammelte "junge" Generation klammheimlich in der Küche trifft. Seeehr unauffällig, wenn auf einmal nur noch Eriks Tante und Onkel am Tisch sitzen, haha. Aber ich finds klasse, dass Erik seine Cousine so verantwortungsbewusst unterstützt. So Geheimniskrämereien gehen ja in den meisten Fällen nicht besonders gut aus und ich finds cool, dass ihre Eltern damit keine Probleme haben.
 
Bei dem Satz hier: „Du stellst dein Licht immer unter den Scheffel und wunderst dich dann, wenn andere dich nicht ernst nehmen, fehlt ein "nicht" oder? Sophie stellt ihr Licht ja gerade nicht unter den Scheffel.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Antwort von:  Noxxyde
31.05.2018 02:29
Hey :)

Haha, ja, ich glaube, da haben einige - unter anderem auch Jonas - echt Schlimmeres erwartet. Eriks Tante besitzt ein gewisses Statusdenken (so wie auch ihr Mann) und bezieht ihren eigenen Erfolg über den Erfolg ihrer Kinder, was sie zu einem nicht ganz einfachen Menschen macht, gerade auch für ihre eigene Familie. Da ist sehr viel Erwartungshaltung mit dabei. Aber im Grunde ist sie schon jemand, der sich Mühe gibt alles richtig zu machen.
Leider ist ihr Verhältnis zu Erik von Schuldgefühlen geprägt. Sie hat das Gefühl ihn im Stich gelassen zu haben, er fühlt sich schuldig, den Rest seiner Familie mit seinen eigenen Problemen so belastet zu haben. Sie haben es irgendwie nie geschafft, sich wirklich auszusprechen und tänzeln nur so umeinander herum.

Eriks Onkel ist dagegen tatsächlich ein eher unangenehmer Zeitgenosse. Auch er ist sehr auf Status bedacht und hat hohe Leistungsansprüche an seine Kinder – anders gesagt: Sie müssen sich seine Zuneigung erst verdienen.

Du hast recht, dass da zahlreiche Konflikte brodeln und zwar in allen möglichen Konstellationen. Erik hat ja schon angedeutet, dass die Ehe zwischen seiner Tante und seinem Onkel auch schonmal auf der Kippe stand und eigentlich hat sich daran nichts geändert. Und die Kinder rebellieren auf ihre ganz eigene Art.

Tja, und mittendrin sitzt Jonas und hat wirklich so gar keine Ahnung, wie er mit der Situation umgehen soll. Eigentlich will er ja einen guten Eindruck machen, aber das scheint gar nicht so leicht zu sein. Tobias eröffnet ihm da eine echt unerwartete Chance, die er zum Glück zu nutzen weiß. Irgendwie hält die Jugend also doch zusammen ^^
Erik sieht in seiner Cousine die kleine Schwester, die er nie hatte und versucht, ihr so gut wie möglich zur Seite zu stehen. Auch, weil er wie oben schon geschrieben ein furchtbar schlechtes Gewissen hat, so viel Chaos in ihre Familie gebracht zu haben.

Die überraschende Reaktion von Sophias Eltern zeigt dann eben auch wieder, dass die beiden nicht einfach schlechte Menschen oder sogar böse sind. Sie haben eben ihre Schwächen und leider ist da durchaus Vertrauen zwischen ihnen und ihren Kindern kaputt gegangen, aber sie geben sich auch Mühe, ihnen ein gutes Leben zu bieten.

Hm, aber Sein Licht unter den Scheffel stellen bedeutet ja, sich kleiner zu machen als man ist, oder? Und genau das kritisiert ihr Vater ja an ihr. Oder habe ich gerade einen Denkfehler drin?

Vielen Dank für dein Review :) Ich freue mich immer sehr, von dir zu lesen!

LG
Noxxy
Antwort von:  Kerstin-san
31.05.2018 09:36
Uah, danke für diese riesige Antwort. Ich finds immer cool, wenn Autoren sich die Zeit nehmen so ausführliche Rückantworten zu geben :)

Hmm, also ich war immer der Meinung, dass sein Licht unter den Scheffel stellen, bedeutet, dass man deutlich macht, was man kann, also quasi das genaue Gegenteil zu dem, was du meinst. Okay, jetzt bin ich selbst verunsichert xD
Von:  Onlyknow3
2018-05-26T08:33:41+00:00 26.05.2018 10:33
Erik hat sich richtig verhalten, was seine Cusine angeht. So hat sie den rückhalt der Familie.
Jonas lernt sie vielleicht auch noch besser kennen.
Ob Erik mit Tobias reden wird ist eine andere Frage?
Doch wäre es gut auch da Klarheit zu schaffen.
Das würde auch Beiden gut tun.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Noxxyde
29.05.2018 19:29
Hey :)

Sophia und Erik haben dafür, dass sie sich so selten sehen ein wirklich gutes Verhältnis. Sie ist eben das, was für ihn einer kleinen Schwester am nächsten kommt. Tobias ist dafür das genaue Gegenteil, zwischen den beiden brodelt einiges Ungesagtes. Ob Erik Jonas Worte ernst nimmt und das Gespräch sucht, erfahren wir aber erst später ;)

Danke für dein Review :)
LG Denise


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