Raupe im Neonlicht von Noxxyde ================================================================================ Kapitel 35 ---------- Was zuletzt geschah: Zusammen mit dem Gips um Jonas‘ Arm, fällt auch die letzte Zurückhaltung zwischen ihm und Erik ab. Vertraut wie nie genießen sie Sonnenstrahlen, gutes Essen und die neu gewonnene Freiheit. Eine Einladung von Marco nach Stuttgart vereint Zukunftspläne mit Erinnerungen.   Kapitel 35 Schläfrig blinzelte Jonas gegen das durch die schmalen Schlitze der Jalousie hereinbrechende Sonnenlicht. Die Laken neben ihm waren zerwühlt aber leer. Er rollte sich herum, um einen Blick auf Eriks Digitalwecker zu werfen und stutzte. Sofern ihm sein verschlafenes Hirn keinen Streich spielte, war noch nicht einmal zehn Uhr vergangen. Erik an einem Sonntagmorgen um diese Zeit wach und außerhalb des Betts vorzufinden war ungewöhnlich. Dass Jonas wusste, wie spät Erik nach Hause gekommen war, weil dieser dabei die Tür laut genug hinter sich zugeschlagen hatte, um ihn zu wecken, ebenfalls. Sein Instinkt sagte ihm, dass etwas gewaltig faul war. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen kämpfte sich Jonas aus dem Bett und tapste den Gang entlang. Das Bad war leer, ebenso die Gästetoilette. Auch Küche und Wohnzimmer fand er verlassen vor. Jonas stoppte vor der verschlossenen Bürotür. Auf der anderen Seite hörte er Erik telefonieren, ließ die Hand, die er bereits zum Klopfen erhoben hatte jedoch wieder sinken. Vermutlich sollte er lieber nicht stören. Sie würden noch den ganzen Tag für sich haben, da konnte er es verkraften, ein paar Minuten warten.   Aus ein paar Minuten wurden drei Stunden und noch immer hatte sich Erik nicht blicken lassen. Jonas war enttäuscht, genervt und hungrig. So hatte er sich den Sonntag nicht vorgestellt. Kurzentschlossen klopfte er nun doch an die Bürotür, atmete einmal tief durch, schluckte seine Vorwürfe herunter und trat ein. Erik saß vornübergebeugt auf seinem Bürostuhl und blätterte durch etwas, das wie der langweiligste Wälzer der Welt aussah. Sein Schreibtisch war unter der darauf gestapelten Papiermenge kaum mehr auszumachen, die auf dem Bildschirm leuchtende Tabellenkalkulation ergab für Jonas‘ ungeschulte Augen nicht den geringsten Sinn. Er war sich nicht einmal sicher, ob Erik ihn überhaupt bemerkt hatte. Nach einem nicht zu dezenten Räuspern sagte er: „Ähm, ich will ja nich‘ stören, aber es is‘ schon nach eins und ich dacht, ich könnt uns was kochen.“ Keine Reaktion. „Worauf hättest du denn Lust? Wir hätten–“ „Jonas, bitte!“, unterbrach Erik ihn scharf. „Ich habe gerade wirklich Wichtigeres zu tun, als mir Gedanken ums Mittagessen zu machen!“ Dieser Ton war definitiv neu, Jonas konnte sich nicht erinnern, dass Erik auch nur ansatzweise schonmal so mit ihm gesprochen hatte. Er verließ das Büro ebenso leise wie er es betreten hatte, entschlossen, sich nicht anmerken zu lassen, wie verletzt er war. Seine Schlüssel klimperten, als er sie aus der Schale neben der Eingangstür fischte und aus der Wohnung verschwand.   Jonas war kaum von seinem Ausflug zurück, als sich die Bürotür öffnete. Erik stand vor ihm, aber noch bevor dieser auch nur den Mund öffnen konnte, sagte Jonas: „Ich dacht, wir könnten Gazpacho machen. Du magst das Zeug und es is‘ heut echt so scheißheiß, dass sogar ich sowas ähnliches wie Lust drauf hab. Außerdem hab ich noch ‘n paar ganz brauchbare Erdbeeren gefunden.“ Zum Beweis hob er die Einkaufstüte in seiner Hand an. „Du bist extra bis zum Supermarkt am Bahnhof gefahren, nur, um am Sonntag ein paar Erdbeeren zu kaufen?“, fragte Erik tonlos. „Japp.“ „Wieso?“ „Weil du Erdbeeren magst. Weil du offensichtlich gestresst bist. Weil ich dir was Gutes tun wollte.“ Die Umarmung, in die Erik Jonas zog, drohte, diesem glatt erneut die Rippen zu brechen. „Tut mir leid, dass ich vorhin so ein Arsch war“, flüsterte er rau. „Ich weiß“, sagte Jonas. „Ist schon okay. Aber nur, um das klarzustellen: Wenn du jemals wieder so mit mir redest, trete ich dir scheißfest in eine scheißschmerzhafte Stelle.“ „Ich schätze, das ist fair.“ „Erzählst du mir, was los is‘?“ Erik entließ Jonas aus seiner Umarmung und begleitete ihn die Küche, um beim Schneiden des frischen Gemüses zu helfen. „Ungefähr alles auf einmal. Der Steuerberater vom Tix hat mir eine Mail geschrieben, dass wir …“ Seufzend winkte er ab. „Viel Steuerblabla, das dich nicht interessiert und bei dem nicht einmal ich wirklich durchblicke, obwohl genau das mein Job wäre. Jedenfalls muss ich mich da reinarbeiten, weil uns schlimmstenfalls eine saftige Nachzahlung droht. Dann hat sich gestern Abend endlich meine Referatspartnerin für das BWL-Seminar gemeldet–“ „Die, die du schon dreimal angeschrieben hattest?“, unterbrach Jonas Eriks Erzählung. „Mhm. Ihr ist eingefallen, dass sie ab Mittwoch bis kurz vor dem Referatstermin gar nicht in Deutschland ist. Wir müssen also alles in den nächsten drei Tagen auf die Beine stellen und wenn ich sage wir, dann meine ich mich, weil ich nicht naiv genug bin, zu glauben, sie würde ihren Teil erledigen.“ Mit jedem Wort war Eriks Messer härter auf das Schneidebrett geknallt. Wenn er so weitermachte, würden sie das Gemüse anschließend nicht einmal pürieren müssen. „Und zusätzlich zerbreche ich mir seit Tagen den Kopf, ob ich meine Tante anrufen und ihr erzählen soll, dass wir nächsten Monat nach Stuttgart kommen.“ „Oh. Was spricht denn dagegen?“ Erik warf Jonas einen undefinierbaren Seitenblick zu, bevor er antwortete. „Ich will sie nicht unter Druck setzen, sich irgendeinen Grund aus den Fingern ziehen zu müssen, warum sie an diesem Wochenende keine Zeit hat.“ „Geht’s vielleicht auch ‘nen Ticken weniger pessimistisch?“ „Im Moment? Nein. Wenn der restliche Mist vom Tisch ist? Vielleicht.“ Das Summen des Stabmixers unterbrach ihr Gespräch für einige Sekunden. Erst, als die kalte Suppe sämig von einem Esslöffel tropfte, gab sich Jonas zufrieden und nahm die Unterhaltung wieder auf. „Dir is‘ schon klar, dass ich es als meine Aufgabe betrachte, deine Laune aufzubessern, oder?“ „Im Moment schaffst du das ganz gut.“ Erik hauchte einen Kuss auf Jonas‘ Stirn. „Packen wir die Gazpacho ein und fahren noch für ein paar Stunden an den See?“ „Eigentlich sollte sie noch mindestens ‘ne Stunde kalt stehen“, entgegnete Jonas. „Packen wir sie in einer Stunde ein und fahren noch ein bisschen an den See?“, korrigierte Erik seine Frage. „Ich denke, ich könnte ein paar Bahnen im Wasser gebrauchen, um den Kopf frei zu bekommen.“ „Klingt gut.“ Jonas entging Eriks zur Bürotür huschender Blick nicht. „Na los, geh an die Arbeit, ich kann mich derweil schon selbst beschäftigen.“ „In einer Stunde gehöre ich nur dir“, versprach Erik und verschwand ein weiteres Mal hinter der schlichten Holztür verschwand.   „Warum zur Hölle hab ich Sonnenbrand?“, maulte Jonas. „Wir sin‘ seit Wochen regelmäßig am See! Ich hab mich eingecremt! Und bin braungebrannt! Dunkler als du, aber dich hat’s nich‘ erwischt!“ Erik hatte für Jonas‘ Jammern nur ein müdes Lächeln übrig. „Ich hatte dir gesagt, du sollst nach dem Schwimmen nochmal ordentlich nachcremen.“ „Das hab ich bisher auch nie!“ „Bisher war der“, Eriks Fingerspitzen schwebten über Jonas‘ ehemals blassem, nun feuerrot leuchtendem Arm, „auch von einer dicken Schicht Gips geschützt. Die Sonne ist stärker als noch vor ein paar Wochen, deine restliche Haut hatte also einen deutlich sanfteren Start.“ „Echt jetzt?“, fragte Jonas pikiert. „Ich leide Schmerzen und du belehrst mich?“ „Verzeih.“ Erik stand auf. „Warte kurz, ich glaube, unser Erste-Hilfe-Koffer gibt da was her.“ Er verschwand, um einen Augenblick später mit einer Sprühflasche zurückzukehren. „Reich mir mal deinen Arm.“ Das kühle Spray fühlte sich himmlisch auf Jonas‘ überreizter Haut an und Eriks zärtliche Finger, die gemächlich über seinen Oberarm bis zu seinem Nacken wanderten ebenfalls. Jonas war so abgelenkt, dass ihn die Lippen, die sich fordernd auf seinen Mund drückten völlig überraschten. Er wollte sich ihnen hingeben, sie fühlen und schmecken und herausfinden, wohin das Ganze führen würde, doch stattdessen stemmte er die Hände gegen Eriks Brust und schob ihn von sich. Überrascht und vielleicht sogar ein wenig gekränkt sah Erik ihn an, aber auch das ignorierte Jonas. Mit Unschuldsmiene schlug er vor. „Wir könnten ‘nen Film gucken.“ „Ah, wenn du das möchtest.“ Purer Enthusiasmus. „Und, ähm, ich hab plötzlich voll Bock auf Popcorn. Mit Karamellgeschmack!“ Das hatten sie ganz sicher nicht mehr im Haus. „Denkst du, du könntest …“ „Bittest du mich gerade darum, jetzt noch zum Bahnhof zu fahren und dir Popcorn zu organisieren?“ Ungläubig zog Erik eine Braue nach oben. „Etwa so, wie ich dir heut Erdbeeren besorgt hab“, konterte Jonas. „Nachdem du mich völlig grundlos angepampt hattest.“ Mehrere Herzschläge lang musterten sich die beiden abwägend. Schließlich knickte Erik ein. „Schön, du sollst dein Popcorn bekommen. Sonst noch was?“ „Nee, bin wunschlos glücklich.“ Jonas grinste. „Abgesehen vom Popcorn.“ Er wartete, bis die Tür hinter Erik ins Schloss gefallen war, dann schnappte er sich das gut hinter einigen Büchern versteckte Päckchen, errötete prophylaktisch, als er das darin enthaltene Klistier auspackte und zog sich ins Bad zurück.   Der Schlüssel klickte im Schloss, Jonas‘ Herz hämmerte in seiner Brust. Schritte näherten sich, er stand auf. Das Bett knarzte, seine blanken Füße platschten auf dem Holzboden. Das Licht im Gang war heller als das im Schlafzimmer. „Karamellpopcorn war ausverkauft, aber ich habe Vanil–“ Jonas‘ hungrige Lippen erstickten Eriks Worte. Ungeduldig zog er ihn mit sich, ignorierte das Pochen um das frisch gestochene Piercing, tauchte ihre Körper ins gedämpfte Licht der Nachttischlampe. „Warum nur habe ich das Gefühl, deine mies getimte Heißhungerattacke war weniger mies getimed als ich angenommen hatte?“ Eriks Finger strichen über Jonas‘ flauschigen Frotteebademantel. Jonas lächelte verschlagen und ließ seine Hände unter Eriks Shirt wandern, schob den störenden Stoff nach oben, um die inzwischen von Sommersprossen übersäte Haut freizulegen. „Weil’s eventuell so gewesen sein könnte.“ Er schlang die Arme um Eriks Nacken und stolperte rückwärts, bis seine Unterschenkel gegen die Bettkante stießen. „Ich verstehe aber nicht ganz, warum du mich aus dem Haus gelockt hast, nur um zu duschen.“ „Naja, ich, äh … Ich hab … ähm … sehr, sehr gründlich geduscht. Also, wirklich sehr. So … überall. Ich wollt mich für heut Nacht angemessen … vorbereiten.“ Jonas‘ Wangen glühten und seine Gedanken wanderten zu dem Inhalt des Päckchens, das er anonym im Internet erstanden hatte, weil er niemals einem echten Menschen beim Kauf ins Gesicht sehen könnte. „Hatte das Gefühl, dafür etwas Privatsphäre zu brauchen. Und könnten wir bitte nie, nie wieder darüber reden? Is‘ auch so schon echt scheißpeinlich genug.“ „Ah.“ Mehr hatte Erik dazu nicht zu sagen. Stattdessen streifte er Jonas‘ Bademantel mit einer fließenden Bewegung von dessen Körper und warf ihn achtlos in eine Ecke des Schlafzimmers. Seine Lippen fanden Jonas‘ Hals, Zähne kratzten über die Erhebung seines Adamsapfels. Die Vorsicht der letzten Tage war verflogen, Erik ließ Jonas deutlich spüren, wie sehr er ihn wollte. Ein leises Wimmern stieg in Jonas auf, das Erik mit einem rauen Lachen quittierte. Sein Griff um Jonas‘ Hüften wurde fester, drückte ihn Richtung Matratze. Widerstandslos sank er darauf, seine Finger folgten den Muskelsträngen, die sich um Eriks Körper spannten, während sich dieser vom Rest seiner Kleidung befreite. Eriks Hände fixierten Jonas‘ Schultern, sein Knie schob sich zwischen Jonas‘ Oberschenkel, rieb gegen die erwachende Erektion. Und dann küsste Erik ihn. Zurückhaltend, fast schon fragend, legte er seine Lippen auf Jonas‘, nur einen winzigen Augenblick, gerade ausreichend, um ihm den Hauch einer Vorahnung zu schenken, was noch auf ihn wartete, wenn er sich Erik hingab. Und Jonas wollte sich ihm hingeben. Mit einladend geöffneten Lippen strich über Eriks Oberarme, fühlte die weiche Haut unter seinen Fingerspitzen, den Schauer, den seine Berührungen verursachten. Da war er wieder, dieser weiche Mund, der so zärtlich mit ihm umging, ihm das Gefühl gab, der einzige Mensch auf der Welt zu sein. Ihre nackten Körper trafen aufeinander, warme Haut an warmer Haut. Jonas öffnete die Beine, ließ Erik dazwischen, zog ihn zu sich. Verlangend rieb er sich an diesem Mann, der nach Sonne und Wind und Holz duftete. An diesem Mann, dessen weiche Stimme liebevolle Worte flüsterte. Heute war es endlich so weit. Heute würden sie … und mit diesem Gedanken kam die Nervosität. Erik schien die Veränderung in Jonas zu bemerken. Er nahm die Hände nicht von ihm, stoppte aber ihre streichenden Bewegungen, ließ sie locker auf Jonas‘ Hüften ruhen. „Du weißt, dass ich nicht erwarte–“ „Das weiß ich!“, unterbrach ihn Jonas unwirsch, verärgert über seine eigene Angst. Gedämpfter wiederholte er: „Das weiß ich.“ „Gut“, erwiderte Erik schlicht. „Ähm. Magst du … Magst du mir den Rücken massieren? Und dann sehen wir mal, wohin das so führt?“ Jonas wusste nur zu gut, was Eriks Massagen mit ihm anstellten, auch, wenn er es bisher nie zum Äußersten hatte kommen lassen. Heute war er entschlossen, das zu ändern. „Dreh dich um.“ Gehorsam folgte Jonas Eriks Forderung, fühlte gleich darauf Eriks Gewicht auf sich und hörte das Schleifen der Nachttischschublade. Dickflüssiges Öl ergoss sich über seinen Rücken, verströmte fruchtigen Duft. Ungeduldig strampelte Jonas mit den Füßen, als Eriks Zunge einige Tropfen von seinem Nacken aufnahm. „Verteil‘s erst mal gescheit auf mir, bevor du gleich wieder alles abschleckst!“ „Zu Befehl.“ Anders als üblich, begann Erik nicht an Jonas‘ Schultern, sondern seinen Fußsohlen. Sofort versuchte Jonas, der ungewohnten Berührung zu entkommen. „Hey! Das kitzelt!“ „Du wirst dich daran gewöhnen.“ Erik verlagerte sein Gewicht auf Jonas‘ Beine und nahm ihm so jede Chance, sie wegzuziehen. Glücklicherweise behielt er recht. Die beiden Daumen, die kräftig über Jonas‘ Sohlen kreisten schienen Verspannungen an völlig anderen Körperpartien zu lockern. Jonas ließ seinen Kopf auf die Kissen sinken und war beinahe enttäuscht, als Eriks Hände höher wanderten, um sich seiner Wadenmuskulatur anzunehmen. Unvermittelt verschwand Eriks Gewicht von Jonas‘ Beinen, dafür strichen dessen Fingerkuppen über seine Innenschenkel. Erwartungsvoll spreizte Jonas seine Beine, ein verhaltenes Stöhnen schwebte durch den Raum, das durch ein frustriertes Seufzen ersetzt wurde, als er Eriks Hände im nächsten Augenblick an seinen Schultern spürte. „Immer noch so ungeduldig“, neckte Erik. „Fick dich“, murrte Jonas. „Nicht ganz mein Plan für heute.“ „Hmpf.“ Mit diesem eloquenten Kommentar schloss Jonas Augen und Mund und konzentrierte sich gänzlich auf Eriks Hände, die, mal streichelnd, mal knetend, seinen Rücken bearbeiteten. Die langen Finger glitten über seine Wirbelsäule, umkreisten sein Steißbein, rutschten ganz langsam tiefer. Stoppten, als Jonas keuchte. „Komm schon, Erik …“ Auffordernd hob Jonas sein Becken, wollte seinen Peiniger animieren, endlich einen Gang höher zu schalten. „Nicht doch. Wir haben noch jede Menge Zeit.“ „Erik!“ Das heisere Lachen direkt neben seinem Ohr half nicht im geringsten, Jonas‘ überreizte Sinne zu beruhigen. Der Klaps auf seinen Po noch weniger. Jonas wollte Erik zurechtweisen, aber als er seinen Mund öffnete, traf ihn ein weiterer Klaps und statt verärgerter Worte drang ein langgezogenes Stöhnen zwischen seinen Lippen hervor. „Hmm, ich glaube, davon will ich mehr hören.“ Patsch! Dieser Schlag war härter als der letzte, ausreichend, um Jonas zusammenzucken zu lassen. Der Schmerz änderte jedoch nichts an der Lust, die von ihm Besitz ergriffen hatte, verstärkte sie noch. Er war ein Weckruf an all seine Nerven, die sofort nach mehr verlangten. Aber Erik war nicht bereit, ihm diesen Gefallen zu tun. „Ah, schon ganz gerötet. Lass mich das wiedergutmachen.“ Die feuchte Zungenspitze an Jonas‘ Nacken sandte Gänsehaut über seine Arme, ließ ihn erschaudern, als sie gemächlich nach unten rutschte. Über die Erhebungen seiner Wirbelsäule, sein Steißbein, zwischen seine … „Was machst du denn da?“, rief Jonas entsetzt. Er versuchte, sich umzudrehen, aber Eriks Hand drückte auf sein Kreuz und hielt ihn unten. „Dich küssen“, erwiderte er gelassen. „Da?“ „Fühlt es sich nicht gut an?“ „Do-doch“, stammelte Jonas. Seine Wangen glühten so heiß, dass er fürchtete, sie könnten sich durch das Kissen brennen. „Aber es ist dir unangenehm?“ „Ja!“ „Mir nicht.“ Erik klang, als zuckte er mit den Schultern. „Versuch einfach mal deinen Kopf abzuschalten. Wenn du es dann immer noch nicht genießen kannst, höre ich sofort auf.“ Nach kurzer Bedenkzeit murmelte Jonas ‚Na gut‘ und Erik verlor keine Zeit, ihn davon zu überzeugen, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Seine Finger gruben sich in Jonas‘ Pobacken, sein Atem wehte heiß über die sensible Haut. Ächzend drückte Jonas das Gesicht in die Kissen, wollte die leidenschaftlichen Laute, die irgendwo tief aus seinem Innersten kamen dämpfen, doch bald erfüllte sein lustvolles Keuchen den Raum, seine Ohren, seinen Verstand. Eriks Zunge an dieser intimen Stelle zu spüren war seltsam, aber fuck, so gut sich seine Finger auch anfühlen mochten, damit konnten sie definitiv nicht mithalten. Auffordernd drängte er sich Erik entgegen, wollte mehr von ihm fühlen. Aber irgendwann reichte auch das nicht mehr, die in ihm lodernde Glut zu besänftigen. Jonas drehte den Kopf, blickte mit glasigen Augen über seine Schulter und öffnete seinen ausgetrockneten Mund. „Ich …“, mehr kehliges Seufzen als Wort, „… ich will dich.“ Als Erik sich von ihm zurückzog, brauchte er all seine Willenskraft, ihn nicht wieder gegen sich zu pressen. „Soll ich ein Kondom nehmen?“ „Wozu?“ „Naja, ich dachte nur …“ Erik lachte, aber es klang nervös „Schon gut. Vergiss es. Ah, dann wird das auch für mich ein Novum.“ „Du hast noch nie ohne Gummi …?“ „Nicht, wenn ich aktiv war.“ „Oh.“ „Doch lieber mit?“ „Nein.“ Die Hand auf Jonas‘ Rücken drückte ihn sanft nach unten. „Leg dich wieder flach hin.“ Erneut wallte Nervosität in Jonas auf, drohte, Lust und Vorfreude zu überlagern, aber die Zärtlichkeit in Eriks Stimme gab ihm die Gewissheit, genau dort zu sein, wo er sein wollte. Dennoch brauchte er ein paar Sekunden, um der Aufforderung Folge zu leisten. Ihm war nicht einmal bewusst gewesen, dass er sich während des Vorspiels von seiner bequemen Bauchlage auf alle Viere begeben hatte, um Eriks Zunge besseren Zugang zu gewähren. Langsam sank er zurück auf die verschwitzten Laken, seine Erektion presste sich gegen seinen Bauch. „Lass mich nich‘ noch länger warten“, bat er. „Da brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen.“ Mühelos drang Eriks Finger in Jonas ein, verteilte kühles Gleitgel, streifte jenen Punkt, der so viel Lust spenden konnte. Ein zweiter Finger folgte, brachte neue Reize, entlockte Jonas ein leises Ächzen. Unruhig bewegte der sein Becken, wollte sich damit nicht zufriedengeben. „Komm schon, Erik …“ „So ungeduldig …“ Erik zog seine Finger zurück, legte sich auf Jonas, ließ ihn das gesamte Gewicht seines Körpers spüren. Und noch etwas anderes. Jonas versuchte, sich zu entspannen, sagte sich vor, dass sie ja im Grunde bereits einmal so weit gewesen waren, aber es half alles nichts. Er musste seiner Aufregung irgendwie Luft machen und schnaubte vernehmlich. „Fuck, ich liebe deinen Schwanz, aber gerade wünschte ich, er wäre ein wenig kleiner.“ „Wir machen ganz langsam“, versprach Erik. „Alles was du tun musst, ist hier liegen und entspannen. Den Rest überlässt du mir. Und wenn du ‚Stopp‘ sagst, dann hören wir sofort auf.“ Jonas schloss die Augen und ließ sich von Eriks beruhigenden Worten, seinen liebevollen Berührungen, seinen zärtlichen Küssen einlullen. Er hob die Hüften vom Bett, um Platz für Eriks Hand zu machen, die sich um seine unverändert harte Erektion schloss. Dabei fühlte er einen sanften Druck gegen seinen Anus, aber nicht mehr. Ein kaum spürbarer Reiz, der ihn mit einer Ahnung lockte, was noch auf ihn wartete. Unvermittelt wurde der Druck drängender, nur, um im nächsten Augenblick vollständig zu verschwinden. Erik wiederholte das Spiel, tastete sich vor, stoppte und zog sich zurück, begann von neuem. Dabei umkreiste sein Daumen unentwegt Jonas‘ Penisspitze, sandte Feuer durch seine Nerven. Stöhnend wand sich Jonas in den Laken, Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Er war Erik so nahe, fühlte seine Wärme, seine Zuneigung und auch sein Verlangen. Fühlte, wie er sich ihm öffnete. Unter dem Aufseufzen beider Männer drang Erik in Jonas ein. Rasch zog Jonas Eriks Hand von seiner Erektion fort. „Falls du nich‘ willst, dass es wie das letzte Mal endet, lässt du das besser.“ Erik gehorchte, verwob stattdessen ihre Finger ineinander. Seine Zähne fanden Jonas‘ Ohrläppchen, seine Zunge die zarte Haut direkt darunter. „Du fühlst dich so gut an.“ Vorsichtig zog sich Erik ein Stück aus Jonas zurück, drängte sich gleich darauf tiefer in ihn, streifte den Punkt, der rote Wellen durch Jonas‘ Körper jagte. Ein hilfloses Wimmern entkam Jonas‘ Lippen. Sofort stoppte Erik. „Tue ich dir weh?“ Jonas schüttelte den Kopf, musste Atem holen, bevor er antworten konnte. „Is‘ nur … echt scheißintensiv.“ „Was? Das?“ Gemächlich kreiste Erik mit seinem Becken, entlockte Jonas ein erneutes Wimmern. „Fick d– mich!“ Trotz seiner großspurigen Worte war Jonas froh, dass sich Erik spürbar zurückhielt. Ihn in sich zu spüren war intensiv, kratzte an der Grenze zu Schmerz, ohne sie je zu überschreiten. Nach und nach kam Jonas Eriks Stößen entgegen, bewegte sich im Einklang mit dem fremden Körper, der plötzlich ein Teil seines eigenen war. Schwerfällig rappelte er sich aus seiner liegenden Position auf, reckte seine Hüfte in die Luft, drückte sein Kreuz durch und hielt seinen Oberkörper flach auf das Bett gepresst. Ganz so, wie Erik es ihm vor vielen Monaten beigebracht hatte. Dieser hielt inne, ließ seine über Hände Jonas‘ Pobacken und Rücken wandern, umspielte die hervortretenden Wirbel. Ein federzarter Kuss zwischen Jonas‘ Schulterblätter, begleitet von sanftem Wispern: „Weißt du eigentlich, wie perfekt du bist?“ Zur Antwort wackelte Jonas auffordernd mit dem Hintern, lauschte dem verlangendem Grollen, das tief in Eriks Brust aufstieg, fühlte seine Stöße rauer, ungeduldiger werden und gab sich ihnen hin. Schweiß rann über Jonas‘ Körper und vermutlich nicht nur sein eigener. Immer wieder trafen kühle Tropfen seine Haut, wurden sofort von der sengenden Hitze aus seinem Inneren verbrannt. Als er nicht mehr wusste, wie er dieses Übermaß an Eindrücken noch eine Sekunde länger ertragen sollte, stieß er atemlos den einzigen Gedanken aus, für den noch Platz in seinem Kopf war. „Ich will dein Gesicht sehen!“ Wortlos zog sich Erik aus Jonas zurück, hinterließ ein Gefühl der Leere – Jonas konnte es nicht erwarten, sie erneut auszufüllen. Er drehte sich auf den Rücken und betrachtete Erik, brannte dessen Mimik – die Ansätze erster Lachfältchen, die hohen Wangenknochen, die edel geschwungen Lippen – in sein Gedächtnis. Aber obwohl er entspannt war, obwohl er Erik in sich spüren wollte, entpuppte sich die neue Stellung als schwierig. „Fuck, das …“ „Warte.“ Erik reichte Jonas eines der Kissen, die sie zuvor achtlos zur Seite geschoben hatten. „Leg dich drauf. Mhm, genau so.“ Während Jonas versuchte, das Kissen unter seinem Hintern zu positionieren, nutzte Erik die Gelegenheit und verteilte noch einmal eine gute Portion Gleitmittel; zunächst auf sich selbst, anschließend auf und in Jonas, der überrascht aufstöhnte. Erik zog seine Hand zurück, rutschte zwischen Jonas‘ Beine und raunte: „Sieh mich an.“ Jonas tat sein Möglichstes, Eriks Blick mit seinem zu fixieren, doch als Erik langsam und dank des Kissens nun auch mühelos in ihn eindrang, warf er ächzend den Kopf zurück. „Fuck! Genau da!“ Immer wieder traf Erik diesen süßen Punkt, rieb darüber, bis sich Jonas hilflos in den Laken wand. Seine Erektion pochte schmerzhaft und jeder einzelne Nerv seines Körpers schien überreizt. Obwohl er kaum den Atem für einen Kuss hatte, zog er Erik zu sich, schlang die Arme um seinen Hals, wollte ihm so nah wie möglich sein. Die Lippen an seinem Ohr hauchte er: „Lass mich kommen.“ Eriks Hand schlich sich zwischen ihre Körper, umfasste Jonas‘ Glied, liebkoste es. Schon kurz darauf fühlte Jonas seinen Orgasmus in sich aufsteigen, wollte den Kopf zur Seite drehen, doch Erik erlaubte es nicht. Fest presste er seine Lippen auf Jonas‘, nahm ihm die Luft zum Atmen, zum Denken und endlich gab sich Jonas seinem Höhepunkt hin. Unkontrolliert bäumte er sich auf, umklammerte den Körper über ihm, hielt ihn fest und nah. Seine Nägel krallten sich in Eriks Rücken und hinterließen rote Striemen. Er fühlte Erik erschauern. Ein letzter Stoß, tiefer als jeder zuvor, dann sanken sie gemeinsam auf die Matratze. Zärtlich streichelte Jonas über Eriks verschwitzten Rücken, glaubte, ewig so liegen zu können. Bis er merkte, dass Erik zwar nicht länger in ihm war, jedoch etwas zurückgelassen hatte, das nun ebenfalls nach draußen wollte. Resolut schob er ihn von sich, sprang aus dem Bett und konnte gerade noch verlegen ‚Bad‘ nuscheln, bevor er ums Eck verschwand. Als Jonas zurückkehrte, wurde er vom den belustigten Grinsen seines Freundes begrüßt, der es sich zwischenzeitlich auf dem Bett bequem gemacht hatte. „Ich hatte dir angeboten, ein Kondom zu nehmen.“ „Du hättest mich ja mal vorwarnen können!“, schimpfte Jonas peinlich berührt. „Ich mein, war geil und so, will ich wieder, aber dass ich mich danach wie ein undichter Wasserhahn fühl, hätte ich schon gern davor gewusst.“ Erik lachte. „Tut mir leid. Wir können in Zukunft gerne Kondome verwenden.“ „Nee“, Jonas winkte ab. „Ich gewöhn mich schon dran. War eher die Überraschung, die mich ausm Konzept gebracht hat.“ Er krabbelte zu Erik, legte den Kopf auf seine Brust und musterte ihn neugierig. „Soll ich denn weiterhin Gummis nehmen, wenn ich mit dir …?“ „Ah, also …“ Eriks innerer Kampf spiegelte sich auf seinem Gesicht wider. „Lass es uns mal ohne versuchen“, sagte er schließlich wenig begeistert. „Wenn ich mich gar nicht damit arrangieren kann, finden wir schon eine Lösung.“ „Oder“, schlug Jonas vor, „wir machen einfach gleich, was sich für uns beide gut anfühlt. Ich hab echt kein Problem mit Gummis.“ Als Erik nicht antwortete, fuhr er fort. „Du magst es so rum wie heute eh lieber, oder? Ich mein, ich frag nur, weil … Ich glaub, ich mag‘s so rum lieber. Aber das is‘ nach bloß einem Mal natürlich schwer zu sagen, also müssen wir es noch viel öfter miteinander treiben.“ Erleichtert hörte er Eriks Lachen, das jedoch ebenso schnell verflog wie es gekommen war. „Tut mir leid, dass ich so umständlich sein kann“, murmelte er. „Ich würde dich gerne mehr ausprobieren lassen.“ „Ach, komm schon“, sagte Jonas augenrollend. „Als ob du dich bei mir nicht zurückhalten würdest. Wir sin‘ doch noch mitten im Rumprobieren, klar is‘ da alles etwas komplizierter.“ „Ich kann dir aber nicht versprechen, dass sich das bei mir in dieser Hinsicht jemals ändert. Falls du also–“ „Erik!“, unterbrach Jonas ihn schärfer als beabsichtigt. „Ich mag unseren Sex, scheiße, ich liebe unseren Sex. Und ich weiß, dass da jeder so seine Vorlieben hat, aber ich finde … Ich finde, unsere passen echt gut zusammen. Und wenn du mich jetzt gleich fragst, ob ich nich‘ noch andere Erfahrungen machen will, weil ich bin ja jung und du warst mein Erster und bla, bla, bla und ich kenne dich inzwischen gut genug, um zu wissen, dass du genau sowas denkst, dann trete ich deinen unsicheren Arsch aus dem Bett!“ Er setzte sich auf, ohne den Blick von Eriks überraschtem Gesicht zu nehmen. „Ich will dich. Nur dich. Mit allem, was dazugehört. Okay?“ „Ah … Okay.“ Jonas schnaubte. „Gut.“ Er hatte sich gerade wieder hingelegt, als ihm ein weiterer Gedanke kam. Ruckartig setzte er sich wieder auf. Vielleicht war er selbst nicht ganz unschuldig an Eriks Zweifeln über den Stand ihrer Beziehung. „Du hast deine Tante noch nich‘ angerufen und ihr erzählt, dass wir nach Stuttgart kommen, oder?“ „Nein.“ Die kleine Falte zwischen Eriks Brauen zeigte sich. „Darf ich fragen, wie du jetzt ausgerechnet auf dieses Thema kommst?“ „Okay, ähm … Unterbrich mich, wenn ich völlig daneben lieg, aber … Wir würden uns doch sicher mal mit ihr treffen und, ähm … Kann es sein, dass du nich‘ so ganz weißt, wie du mich ihr vorstellen sollst? Ich mein … als wen?“ Eriks Schweigen war Antwort genug. Schließlich räusperte er sich. „Das ist sicher nicht der Grund, warum ich nicht bei ihr anrufen möchte, aber ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass ich nicht darüber nachgedacht hätte.“ „Ich hab auch drüber nachgedacht“, gab Jonas zu. Hauptsächlich, weil er Eriks Reaktion beobachtet hatte, als er ihn Larissa gegenüber ganz offen als seinen festen Freund vorgestellt hatte. Wäre Eriks Lächeln auch nur einen Zentimeter breiter geworden, hätte es beide Ohren berührt. Wahrscheinlich war ihm selbst das in diesem Moment gar nicht so sehr aufgefallen, aber es hatte Jonas deutlich vor Augen geführt, wie sehr ihn die Geheimhaltung ihrer Beziehung eigentlich belastete. „Ich mein, alle meine Freunde in Berlin wissen, dass ich ‘nen Freund hab. Maria und meine Schwester auch. Sogar Clemens weiß es und er war einer von den Leuten, bei denen ich am meisten Schiss hatte, dass sie’s rausfinden könnten.“ Jonas lächelte verlegen. „Scheiße, selbst für deine Nachbarin dürften das kaum Neuigkeiten sein. Also dacht ich … Wir könnten ruhig ein wenig offener damit umgehen?“ „Und was heißt ‚ein wenig offener‘ für dich?“ Es war schwierig, etwas aus Eriks neutralem Ton herauszulesen. „Naja …“ Jonas kratzte über die Stoppeln an seinem Hinterkopf. „Ich will nich‘, dass meine Eltern es über jemand anderen als mich erfahren, aber das Risiko is‘ ja wohl scheißklein, solang wir nich‘ grad bei uns im Dorf rumhängen. Also … einfach völlig? Wenigstens hier in Berlin? Und dann auch in Stuttgart? Also … Wenn du das auch willst?“ Erik nickte nur, aber die Falte zwischen seinen Brauen verschwand und er brummte wohlig, als Jonas durch sein langes Haar strich. Sichtlich besänftigt schmiegte er sich in die Berührung.   Jonas hatte die Augen geschlossen, nahm zum ersten Mal bewusst das Nachglühen seines Körpers wahr. Er fühlte sich auf eine gute Weise erschöpft, wie nach einer langen Wanderung an der frischen Luft, stellenweise etwas wund, aber grundsätzlich sehr glücklich. Im Bad hatte er darauf gewartet, dass sich die typische Reue einstellte, die Schuldgefühle dafür, sich einem Mann hingegeben zu haben, doch alles, woran er denken konnte, war, dass es sich nicht um irgendeinen Mann handelte, sondern um Erik. Erik, der immer ein offenes Ohr für seine Sorgen hatte. Erik, dessen Gesicht von einem Lächeln erhellt wurde, sobald sein Blick auf ihn fiel. Erik, der stets versuchte, die beste Version seiner selbst zu sein. Wenn Jonas‘ Homosexualität dazu geführt hatte, jetzt in den Armen dieses wundervollen Mannes zu liegen, konnte sie so falsch nicht sein. „Dein Handy blinkt“, riss Erik ihn aus seinen Gedanken. „Oh. Gibst du‘s mir mal?“ Jonas hatte kein Interesse, sich übermäßig zu bewegen. Dankbar nahm er sein Handy aus Eriks Hand.   Christine, 23:01 Uhr Brüdrrchen! Was palnst du für uunsren Gebtag?   Sonntagabend und hackedicht. Anscheinend nutzte Christine ihre durchs Abi gewonnene Freizeit gründlich aus. „Euren Geburtstag?“, fragte Erik. „Habt ihr am selben Tag?“ Gespielt empört rief Jonas: „Liest du etwa meine Nachrichten mit?“ „Nur, wenn du sie mir quasi direkt unter die Nase hältst.“ „Gut zu wissen, falls ich mir mal ‘nen Lover zulege. Und, ähm, nich‘ am selben Tag, aber fast. Christine is‘ etwa fünfzehn Stunden vor mir dran.“ Jonas‘ Finger flogen über den Touchscreen, als er eine rasche Antwort tippte.   Du, 23:54 Uhr bisher nix. könnte zu euch kommen, is ja keine uni   Er streckte sich, um das Handy wieder zur Seite zu legen. Wahrscheinlich konnte er frühestens am nächsten Morgen mit einer Antwort rechnen und dann auch noch froh sein, wenn sich Christine überhaupt an ihre erste Nachricht erinnerte. Erik zog ihn fester in seine Arme. „Dann sehe ich dich an deinem Geburtstag gar nicht?“ „Ähm, ich weiß noch nich‘. Hab noch nich‘ wirklich drüber nachgedacht, wann ich zu meinen Eltern fahren will.“ Jonas stockte kurz. Wann hatte er aufgehört ‚nach Hause‘ zu sagen, wenn er von seinem Elternhaus sprach? „Muss das ja auch erst alles mit ihnen besprechen und so.“ „Solange du mir nicht erst am Tag deiner Abreise Bescheid sagst, ist alles gut.“ „Jaah, das sowieso. Ich weiß eigentlich gar nich‘, ob ich über meinen Geburtstag heim will. Ich mein, ich sollte wahrscheinlich und klar will ich meine Familie sehen, aber die meisten meiner Freunde sin‘ irgendwo in ganz Deutschland verteilt, also fällt die große Party wohl ins Wasser. Und nur Kaffee und Kuchen is‘ auch irgendwie scheiße und … ach, keine Ahnung. Zum Glück sin‘ noch ‘n paar Wochen hin.“ „Dein Handy …“ Jonas seufzte, angelte lustlos nach dem erneut blinkenden Gerät, setzte sich jedoch kerzengerade auf, als er die Nachricht gelesen hatte. „Was ist los?“, fragte Erik besorgt. Wortlos hielt Jonas ihm sein Handy unter die Nase.   Christine, 00:02 Uhr Hab huete mitt Maria tefoniert.. wir kommen nahc berlin?   Christine, 00:02 Uhr *!   Christine, 00:04 Uhr dAnn feiern wir zsammen!   „Sieht aus, als hätte man dir die Entscheidung abgenommen.“ „Jaah …“ Jonas mochte das Gesicht verziehen, doch eigentlich freute er sich darauf, Maria und Christine die Stadt zeigen und ihnen seine Freunde vorzustellen. Ihnen Erik vorzustellen. „Dir is‘ schon klar, dass dir die beiden richtig auf den Sack gehen werden, oder?“ „Schlimmstenfalls verstecke ich mich im Tix und gebe Tom ein Foto mit euren Gesichtern.“ „Pff, was würden deine Kollegen bitte von dir denken, wenn du deinen eigenen Freund nich‘ in den Club lässt?“ „Bisher wissen sie nicht einmal, dass es dich gibt.“ „Da klär ich sie dann schon auf.“ Als Erik keinerlei Einwände dagegen erhob, drückte Jonas ihm grinsend einen Kuss auf die Lippen. Das Aufleuchten seines Handys lenkte seine Aufmerksamkeit jedoch auf erneut auf andere Dinge.   Christine, 00:07 Uhr Und ruf ednlich mla bei mum und Dad an. die mahcen sihc sorgn.   Und mit dieser Nachricht holte die Realität Jonas wieder ein. Da konnte er sich noch so sehr freuen, ohne schlechtes Gewissen Sex gehabt zu haben, oder Erik gegenüber große Töne spucken, ihre Beziehung nicht länger geheim halten zu wollen. Fakt war, dass er sich seit guten zwei Wochen nicht mehr bei seinen Eltern gemeldet hatte, weil er schlicht nicht wusste, wie er ihnen seinen Umzug erklären sollte. Ihm war klar, dass er ihn nicht ewig würde verschweigen können, spätestens wenn die Kündigungsfrist für seine Wohnung im August ablief und seine Post an die neue Adresse geliefert würde, musste er reinen Tisch machen, aber er fühlte sich noch nicht bereit, die Wahrheit zu sagen. Lügen wollte er jedoch auch nicht. „Ist alles in Ordnung?“, erkundigte sich Erik vorsichtig. Jonas‘ Gefühle mussten sich auch seinem Gesicht gezeigt haben. „Jaah. Ja, alles bestens. Bin bloß k. o. War ein langer Tag. Mit einem geilen, aber anstrengendem Ende.“ Erik brummte zustimmend und hauchte einen Kuss auf Jonas‘ Schläfen. „Dann leg dich schlafen. Ich arbeite noch ein bisschen an der Präsentation.“ Als Erik Stunden später zurück ins Schlafzimmer schlich, lag Jonas noch immer mit offenen Augen im Bett und starrte auf die geschlossenen Jalousien.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)