Smallville-Expanded - 07 von ulimann644 (Foresight) ================================================================================ Kapitel 1: Tempus Fugit ----------------------- 1. TEMPUS FUGIT „Gleich wirst du erleben, dass ich Recht habe, Chris. Dieser Kristall aus grünem Meteoritengestein wird die Kraft eines normalen Lasers um das Fünffache übertreffen.“ Christian von Falkenhayn, der zusammen mit Lex Luthor in dem Kontrollraum des Labors stand, das zum Trust von LuthorCorp gehörte, sah fasziniert auf den Testaufbau. Geschützt durch Panzerglassit-Scheiben, die gut und gerne einen Zoll stark waren. Diese Scheiben waren das Neueste auf dem Markt, denn sie besaßen in einer Zwischenschicht neuartige Flüssigkristalle, die auf Veränderungen von Helligkeit umgehend reagierten. Bei einem Anstieg der umgebenden Helligkeit tönten sich diese Scheiben automatisch. Auf diese Weise schützten sie die Menschen im Kontrollraum, eventuell von irgendwelchen unkalkulierbaren Effekten, bei der Aktivierung des Lasers, geblendet zu werden. Im Grunde hätte Christian die spontane Einladung von Lex Luthor, für diesen Sonntag-Nachmittag, gar nicht angenommen, wenn er nicht gerade höchst deprimiert gewesen wäre, und es mit Alicia momentan nicht gerade Differenzen gegeben hätte. Doch so, wie die Dinge momentan lagen, hatte er sowohl die nötige Zeit, als auch die Muße, sich durch dieses Treffen etwas von seinen privaten Problemen abzulenken. Wenn er bisher im SMALLVILLE-LEDGER einen Artikel über eine von Lex Luthors Affären zu Frauen gelesen hatte, so hatte er dabei bisher stets eine missbilligende Miene aufgesetzt. Gerade im Moment verstand er ganz gut, warum sich Lex nicht wirklich ernsthaft in Herzensangelegenheiten engagierte, sondern warum er Frauen als sehr austauschbar betrachtete. Er selbst würde zwar nie dahin finden – doch er verstand es. Mehrere Laboranten und Laborantinnen befanden sich mit den beiden jungen Männern im Raum, doch sie beachteten sie nicht. Lediglich der Leiter des Projektes, eine asiatische Frau, von Ende Dreißig, warf ihrem Chef hin und wieder einen Blick zu. Schließlich trat sie zu ihnen und wandte sich an Lex: „Wir sind soweit, Sir.“ Lex Luthor, der Sohn des Multi-Milliardärs Lionel Luthor, und seit sein Vater im Gefängnis war, der Geschäftsführer des gesamten Firmenimperiums, grinste beinahe Lausbubenhaft als er sich ihr zuwandte. „Dann fangen Sie an, Doktor Fushida.“ Die hagere Frau bestätigte und gab über die Tastatur des Hauptcomputer-Terminals den Befehl ein, das Experiment automatisch anzufahren. Christian trat etwas näher an die Scheiben heran und betrachtete fasziniert den sich aufbauenden, grünen Laserstrahl, den er nur dank eines schwachen Dunstes, der von den Apparaturen künstlich erzeugt wurde, sehen konnte. Er war auf einen Kristall gerichtet, der nun in einem grünen Licht erstrahlte, und erst jetzt begriff der Deutsche, dass dieser Ziel-Kristall ebenfalls aus Kryptonit bestand. Zunächst glaubte Christian an eine Sinnestäuschung aber dann wurde ersichtlich, dass der Kristall zu pulsieren schien und dunkler dabei wurde. Sich zu Lex Luthor wendend fragte der Blonde: „Ist das normal?“ Fast gleichzeitig rief die Doktorin mit heller Stimme aus: „Sir der Ziel-Kristall überhitzt! Wir müssen abbrechen!“ „Unsinn!“, wehrte der Kahlköpfige energisch ab. „Wir machen weiter, Doktor. In diesem Raum sind wir sicher, egal was passiert!“ „Auf Ihre Verantwortung, Mister Luther!“, gab die Doktorin unwillig zurück. Der Mittzwanziger legte seinen Kopf leicht in den Nacken und entgegnete, mit sarkastischem Unterton: „Zerbrechen Sie sich nicht meinen Kopf, Doktor Fushida.“ Christian von Falkenhayn hörte dem Disput nur halb zu. Unverwandt blickte er auf den Kristall, der nun wieder im gewohnten Grün erstrahlte und in einem schnelleren Lichtwechsel pulsierte, so als würde er leben. Für einen Moment wurde das Licht so gleißend, dass selbst die Scheiben diese Helligkeit nicht vollkommen abblenden konnten, und Christian kniff seine Augenlider zusammen. Hinter dem Rücken des Deutschen erlebte Lex Luthor diesen kurzen Moment ganz anders. Von seiner Position aus wurde der Ziel-Kristall von Christians Körper verdeckt, und für einen kurzen Augenblick schien es dem Milliardär so, als würde der Körper des vor ihm Stehenden halb transparent. Lex wischte sich über die Augen und sah Christian dann wieder an. Alles schien wie zuvor, und Lex sagte sich, dass er einer Sinnestäuschung zum Opfer gefallen war. Zumal ihm Christian in diesem Moment das Gesicht zu wandte und ihn durchdringend ansah. Alles schien in bester Ordnung zu sein. Christian war indes vollkommen anderer Meinung. Und das zurecht, denn in dem kurzen Moment, in dem sein Körper tatsächlich halb transparent gewesen war, hatte sich weitaus mehr ereignet, als Lex Luthor und alle anderen Anwesenden in diesem Raum, auch nur im Entferntesten ahnten. Es war wie ein plötzlich auftretender, stechender Schmerz gewesen. Gleich darauf hatte Christian das Gefühl gehabt, schwerelos durch einen düster grünen Strudel zu fallen. Ein Schwindelgefühl überkam ihn, das gleich darauf wieder verschwand. Er glaubte in dem Strudel Gesichter zu erkennen. Zuerst hielt er dies für Einbildung, doch dann erkannte er, immer deutlicher werdend, das Abbild von Alicia vor sich. Eine Alicia, die sich vor seinen Augen veränderte und älter wurde. Christian glaubte zu erkennen, dass sie ihr graues Lieblings-Big-Shirt trug, das über ihre linke Schulter gerutscht war. Christian wollte ihr etwas zurufen, doch er hatte keine Stimme, und mit einem überwältigenden Gefühl von Panik bemerkte er, dass er auch keinen Körper mehr besaß. Doch er konnte denken, fühlen, sehen und hören – auf eine Art und Weise, die seinen Verstand überstieg. Was passierte hier nur mit ihm? Hatte der Kristall damit zu tun? Vor ihm wurde aus dem achtzehnjährigen Mädchen eine junge Frau in den Zwanzigern, dann in den Enddreißigern. So vermutete Christian zumindest. Die dunklen Augen der Frau, der immer noch unverkennbar Alicias Züge anhafteten, die aber gleichzeitig nun auf eine unglaubliche Weise anders wirkte, sahen durch ihn hindurch. Dabei brachten sie eine Erfahrung zum Ausdruck, die jene Alicia, die er kannte, niemals hätte besitzen können. Das Abbild der Frau verschwand und zwei weitere Gesichter, die von zwei hübschen jungen Mädchen tauchten dafür auf. Sie sahen der Frau ähnlich, doch sie wirkten auch individuell anders auf ihn. Dann verschwanden auch sie. Ein plötzlich einsetzendes, schmerzhaftes Ziehen erfasste ihn. Hatte er wieder einen Körper der Schmerzen empfinden konnte? Einen Augenblick später wurde alles um ihn herum schwarz, und der Junge versank in tiefe Bewusstlosigkeit. Er bekam nicht mit, wie sich Christian von Lex Luthor zu Doktor Fushida wandte und drängend verlangte: „Stellen Sie den Laser ab, Doktor!“ Christian hatte mit einer solchen Schärfe in der Stimme gesprochen, dass Ishiko Fushida umgehend den Laser deaktivierte, ohne auf die Bestätigung ihres Chefs zu warten, was ihr einen fragenden Blick von Lex Luthor einbrachte. Er widerrief Christians Anweisung jedoch nicht. Stattdessen trat er zu dem Jungen und sah ihn auffordernd an. „Was ist passiert, Chris? Warum sollte Doktor Fushida so dringend den Laser abschalten?“ Statt seiner antwortete die Projektleiterin: „Seien Sie froh, dass Ihr Freund mich so eindringlich dazu aufforderte. Der Kristall war dabei energetisch zu überladen. Noch einige Augenblicke und er wäre mit einer so gewaltigen Sprengkraft explodiert, dass es uns bis auf den Mond verschlagen hätte. Er hat uns das Leben gerettet, mit seiner Reaktion.“ In demselben Moment dachte Christian: Aber für mich ist es trotzdem zu spät. Es ist also tatsächlich wieder Alles so passiert, wie ich es in Erinnerung hatte. Ich sitze hier nun für zwei Tage in der Vergangenheit fest. Immerhin dürfte es interessant werden, nun, nach mehr als fünfundzwanzig Jahren, endlich auch den Rest diese Abenteuers zu erleben. * * * Christian von Falkenhayn kam wieder zu sich, als es Draußen dämmerte. Jedoch wusste er nicht, ob es Abend, oder Morgen war. Außerdem fragte er sich, nachdem seine gewohnten Denkprozesse offensichtlich wieder funktionierten, was passiert war, und wo genau er sich im Moment befand. War er ohnmächtig geworden, und Lex hatte ihn mit zu sich nach Hause genommen? Falls es so war, musste er ihn dringend fragen, wo er das Bett gekauft hatte, denn das war ultra-bequem. Christian horchte für einen Moment in sich hinein. Er spürte keinerlei Schmerzen, also begann er sich, auf dem Rücken liegend, umzusehen. Er lag allein, und nur mit einer leichten Pyjama-Hose bekleidet, in einem breiten Doppelbett. Obwohl er sich sicher war, noch niemals in diesem Bett gelegen zu haben, wirkte die Umgebung seltsam vertraut. Langsam erhob sich Christian. Für einen Moment blieb er grübelnd auf der Bettkante sitzen, bevor er entschlossen aufstand und zum Fenster hinüber schritt. Als er es erreichte schob er die bodenlange Spitzengardine vor dem Fenster beiseite und blickte hinaus. Was, zum Teufel, mache ich in Tante Annettes Haus, und in Metropolis? Noch wohne ich in Smallville. Wer ist also auf die glorreiche Idee gekommen, mich hierher zu bringen? In Gedanken begab sich Christian zum Kleiderschrank und öffnete ihn. Für eine Weile hinein sehend dachte er: Das ist jetzt interessant. Vor seinen Augen breitete sich eine bunte Palette von Blusen, Kleidern, Röcken und Damenhosen aus. Erst als er die andere Hälfte, oder besser gesagt, das andere Drittel des Kleiderschranks öffnete, atmete er erleichtert aus. Ich dachte schon… Christian nahm eine der Herren-Anzughosen und hielt sie sich an. Scheint tatsächlich meine Größe zu sein. Aber seit wann trage ich denn solche Spießer-Klamotten? Unbewusst den Schrank schließend ging er wieder hinüber zum Fenster. Es machte auf ihn den Eindruck, als würde es Draußen nicht dunkler werden, sondern heller. Prüfend blickte er zur Skyline von Downtown-Metropolis hinüber. Ihm fiel nichts Besonderes auf, Alles schien an seinem gewohnten Platz zu sein. Der Falken-Tower und ein Stück weiter das Gebäude des DAILY-PLANET, gleich neben dem höchsten Gebäude der Stadt. Dem Firmensitz auf dem, im altbekannten Stil, der Name LexCorp stand. Christian wandte sich bereits ab, als ihm erst richtig bewusst wurde: LexCorp? Moment mal, seit wann heißt der Laden denn nicht mehr LuthorCorp? Erneut sah Christian hinüber und kniff seine Augenlider etwas zusammen. Kein Zweifel da stand, in großen Lettern, LexCorp auf dem Dach, und nicht LuthorCorp. Grübelnd fragte sich Christian: Was bedeutet dieser seltsame Namenswechsel? Und wem, zur Hölle, gehören all diese Frauenklamotten, die ich im Schrank gesehen habe? Der Deutsche fuhr sich über die Augen und kam zum Schluss, dass er zuerst einmal duschen wollte und danach würde er sich einen großen Kaffee machen. Danach konnte er sich an die Beantwortung dieser Fragen machen. Er ging zum Bett zurück um die Hausschuhe anzuziehen, die dort standen. Dabei fiel sein Blick auf eine ziemlich abgefahren aussehende Herrenuhr, die 06:47 Uhr anzeigte, und auf einen goldenen Ring. Christian von Falkenhayn griff nach dem Ring, betrachtete ihn interessiert und schob ihn probehalber über den rechten Ringfinger. Er schien etwas eng zu sein, deshalb wechselte er zum linken Ringfinger, wo der Ring offensichtlich genau passte. Verlobt? Das ging aber fix. Christian schüttelte den Kopf, legte den Ring zurück und machte sich auf den Weg ins Badezimmer. Nicht damit rechnend, auf Jemanden um diese Uhrzeit wach in diesem Haus anzutreffen, blieb er wie angewurzelt stehen, als er ein afro-amerikanisch aussehendes Mädchen bemerkte, die, mit einem Glas Fruchtsaft in ihrer Hand, vor seinen Augen in den Wohnraum hinein schritt. Als Christian seine Sprache wiederfand, fragte er halblaut: „Alicia?“ Das Mädchen wandte sich ihm zu. In demselben Moment bemerkte Christian, dass es sich nicht um Alicia handelte, obwohl eine deutliche Ähnlichkeit bestand. Gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass er dieses Mädchen irgendwie schon einmal gesehen hatte. Aber nicht real, sondern bevor er das Bewusstsein verloren hatte, während des Experimentes von Lex. Mit einer Bewegung, die durchaus zu Alicia gepasst hätte, stemmte das schlanke, hochgewachsene Mädchen die Hände in die Hüften und meinte ironisch: „Immer noch Andrea, wenn es keine Umstände macht. Mal ernsthaft: Du willst mein Dad sein? Du kannst mich ja nicht mal von Mom unterscheiden? Schon vergessen, dass Mom erst heute Mittag aus Paris zurück kommt?“ Geistesgegenwärtig gab Christian zurück: „Ich habe schlecht geschlafen, und bin heute Morgen noch nicht richtig in der Spur.“ „Solltest du aber, denn du hast dich für heute Morgen mit Diane Bennings verabredet, und die schlägt in einer dreiviertel Stunde hier auf.“ Dieses Mädchen spricht wie ich, stellte Christian fest. Abwesend sagte er: „Deshalb war ich auf dem Weg zum Bad.“ Damit setzte er sich, völlig verwirrt, in Bewegung. Erst nach einem langen Moment tröpfelten ihre Worte wieder in sein Gedächtnis, und eine eisige Hand schien nach seinem Herzen zu greifen. Sagte sie eben, ich sei ihr Dad? Christian öffnete die Tür zum Badezimmer, doch er blieb im Türrahmen stehen, als er das splitternackte Mädchen sah, das eben aus dem Duschbereich kam und zu dem weißen, flauschigen Badetuch griff. „Morgen, Paps! Komm rein, ich bin gleich fertig.“ „Ich… äh, tut mir leid, ich verschwinde sofort“, erwiderte Christian verlegen, während sich das Mädchen, das etwas jünger zu sein schien, als das, welches ihm im Wohnraum begegnet war, ganz zwanglos weiter abtrocknete. Sie ähnelte dem Mädchen, das sich ihm als Andrea vorgestellt hatte. „Du tust gerade so, als hättest du mich noch nie nackt gesehen.“ Habe ich ja auch nicht, dachte Christian verwirrt, während ihm Fragen über Fragen durch den Kopf gingen. „Ich werde das obere Badezimmer benutzen.“ Damit verließ er das Bad und schloss schnell die Tür hinter sich. Dabei grübelte er: Zuerst Dad und dann Paps, da stimmt doch was nicht. Christian stürmte förmlich die Treppe zur oberen Etage des Hauses hinauf und warf einen vorsichtigen Blick in das Badezimmer. Gut, niemand drin. Erleichtert darüber, für einen Moment ungestört zu sein, blickte er in den Spiegel des Badezimmerschranks, taumelte zurück, und erstarrte. Das Gesicht des Mannes, das ihn ansah, war nicht das seine. Irgendwie doch, aber das Alter stimmte auf keinen Fall, denn das Gesicht gehörte keinem Teenager, sondern einem Mann von rund vierzig Jahren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)