Die Weltenwandlerin von Memories_of_the_Moon ================================================================================ Kapitel 5: Ewigkeiten --------------------- Obwohl ich mich an Thranduils Hof mittlerweile einigermaßen gut auskenne, habe ich keine Ahnung, wohin ich gehen soll. Ich weiß aus Erfahrung, dass diese Besprechungen, an denen Thranduil teilnimmt, oft genug bis in alle Ewigkeit dauern können – Elben haben ein bisschen ein anderes Zeitverständnis als wir Menschen. Und auch Legolas‘ Aufgabe scheint eher umfangreichererer und zeitintensiver Art zu sein. Es ist ja nicht so, als hätte ich sonst keine Freunde und Bekannte hier in Mittelerde, doch wenn sich einer von ihnen momentan im Düsterwald aufhalten würde, hätte mir Legolas sicherlich Bescheid gesagt. Ich muss mir also wohl oder übel etwas überlegen, was ich solange machen könnte. Zum ersten Mal fühle ich mich hier einsam und verlassen. Dieses Gefühl kenne ich sonst nur aus meiner Welt. Das hier, Mittelerde, der Düsterwald, vor allem aber Thranduils Hof, hat sich bisher immer mehr wie (m)ein Zuhause angefühlt als jeder andere Ort. Doch jetzt im Moment scheint das in den Hintergrund gerückt zu sein; ich fühle mich deplatziert und wie eine Fremde an diesem Ort. Fest schlinge ich meine Arme um mich, um dieses Gefühl zu vertreiben. Soll ich mich ein wenig hinlegen? Die Vorstellung, mich von den warmen Sonnenstrahlen trösten zu lassen oder mich einfach unter einer Decke zu verstecken, ist verlockend. Aber ich ahne, dass ich jetzt keine Ruhe finden würde. Und dann wäre ich nur noch unzufriedener mit mir selbst. Erst da fällt mir auf, dass mich meine Füße unbewusst in die Nähe des königlichen Throns getragen haben. Majestätisch ragt er vor mir auf, prächtig und beeindruckend wie immer, doch ohne sein bedeutendstes Element, Thranduil. Dass mich auf dem Weg hierher niemand aufgehalten hat, liegt sicherlich nicht nur an meinem (neuen) „Status“ hier, sondern hat wohl auch mit der Tatsache zu tun, dass der Thron unbesetzt ist; offenbar finden die Besprechungen in einem anderen Raum des riesigen Palastes statt. Ganz leer ist Thranduils Regierungssitz allerdings doch nicht: Einer seiner zahlreichen Umhänge hängt über einer der Armlehnen, aus welchem Grund auch immer. Der Gedanke, die Gelegenheit zu ergreifen und mir den Thron aus nächster Nähe anzusehen, ist zu verlockend, als dass ich ihn ignorieren könnte. Also erklimme ich ohne böse Absichten die schmalen Stufen und bin froh, als ich unversehrt am oberen Ende angekommen bin – ich bin zwar nicht ganz ungeschickt, aber mit elbischer Eleganz und Leichtigkeit kann ich nicht mithalten. Ich schaue mich kurz um – niemand ist in Sicht. Daher lasse ich mich auf dem Thron nieder, allerdings nicht, ohne mir vorher Thranduils Umhang um die Schultern zu legen. Dieser ist mir um Einiges zu lang, aber er ist angenehm warm und als ich mich in den Stoff kuschle, kann ich den Waldreichkönig riechen. Ich schließe die Augen und konzentriere mich ganz auf diesen Duft, der mir Trost und Geborgenheit zugleich schenkt. Und so drifte ich ab, irgendwo zwischen Traum und Erinnerung. Vor meinem inneren Auge wechseln die Bilder, eines schöner als das andere: Ich sehe die majestätischen Bäume Eryn Lasgalens, das Licht, das sich seinen Weg durch das immergrüne Blätterdach sucht, die Waldtiere, die sich nur denen zeigen, die sanftmütig und behutsam sind. Ich sehe den beeindruckenden Sternenhimmel über dem Düsterwald, von dessen Anblick ich – vor allem in Anwesenheit bestimmter Personen – wohl nie genug bekommen werde. Ich sehe Legolas‘ Lachen, als er mir das Bogenschießen beibringen will und ich beinahe einen der Wachtposten anschieße. Und ich sehe Thranduil, der eine weinrote Robe trägt, in der er verboten verführerisch aussieht – er beugt sich zu mir herunter und flüstert mir mit samtweicher Stimme etwas ins Ohr… In diesem Moment erschallt eine helle Fanfare. Reflexartig schieße ich aus meinen Gedanken und dem Thron hoch. Jemand nähert sich; ich glaube, blondes Haar erkennen zu können. Um zu sehen, ob sich meine Vermutung bestätigt und es sich tatsächlich um Thranduil handelt, mache ich unüberlegterweise einen Schritt nach vorne. Dabei vergesse ich, wie schmal die Plattform unter dem Thron ist. Ich denke auch nicht daran, dass ich einen viel zu langen Umhang trage. Vermutlich denke ich überhaupt nicht. Ich mache also diesen Schritt nach vorn, stolpere, verliere mein Gleichgewicht. Und dann, dann falle ich ziemlich unelegant mehrere Meter in die Tiefe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)