Never-Ending-Gravitation *remastered* von Gralsfeuer ================================================================================ Kapitel 1: Erinnerungen ----------------------- Kapitel 1 – Erinnerungen Yuki Eiri saß in seinem Arbeitszimmer und hackte wie ein Berserker auf die Tastatur seines Laptops. Er musste endlich dieses verflixte Buch fertig bekommen. Immerhin war der Abgabetermin bereits nächste Woche und er hatte noch nicht einmal die Hälfte geschafft. Frustriert hielt Yuki inne und strich sich müde durch sein Haar. Wie sollte er diesen Termin nur einhalten? Alles was er zurzeit verfasste taugte nichts. Er konnte sich einfach nicht konzentrieren, das, was ihm früher so aus den Fingern floss, wurde ihm nun zur Qual. Seufzend begann Yuki die letzten geschriebenen Zeilen zu lesen. *... Er drehte seiner Verlobten den Rücken zu und sie betrachtete traurig seine breiten Schultern. “Verschwinde einfach!“ Seine Worte trafen sie hart. Wie gebannt starrte sie auf seinen Rücken. In seinem dunkelblauen Anzug wirkte er noch imposanter musste sie innerlich zugeben. Doch warum war er nur so ein Charakterschwein? Immer wieder spielte er eiskalt mit den zarten Gefühlen seines kleinen naiven Liebhabers. Nur weil er seine Launen nicht in den Griff bekam verletzte er denjenigen der ihn liebte mit voller Absicht...* Fassungslos las Yuki diese Sätze noch einmal und schlug dann wütend mit der Faust auf seinen Schreibtisch. Was hatte er da nur wieder für einen Schwachsinn verzapft? So würde er den Termin nie einhalten können und daran war nur dieser nervende Baka Schuld. Wütend bearbeite Yuki nun die Löschtaste um das getippte Kauderwelsch wieder zu löschen, doch dann saß er wieder vor einer leeren Seite. Jetzt viel ihm gar nichts mehr ein. Langsam strich sein Blick durch das Zimmer, versuchte auf der Suche nach etwas, das ihn von allen Gedanken in seinem Kopf ablenkte. Viel zu sehen gab es hier allerdings nicht. Er betrachtete das karge Sofa auf dem Shuichi einige Male eingeschlafen war, nur um ihm nah zu sein. Entrüstet schüttelte Yuki den Kopf, schon wieder schlich sich diese Nervensäge in seine Gedanken. Er war froh dass dieser quengelnde, nah am Wasser gebaute Bengel endlich weg war und seine Wohnung nun endlich wieder in himmlische Ruhe getaucht war. Endlich konnte er sich wieder frei in seinen eigenen vier Wänden bewegen ohne dass dieser Baka wie eine Klette an ihm klebte. Yuki seufzte erneut als sein Blick an Shuichis Tasse, die immer noch verlassen auf seinem Schreibtisch stand, hängen blieb. Wo er jetzt wohl war? Yuki war sich nach dem letzten Vorfall wieder sicher gewesen das der Kleine nach einigen Tagen von selbst wieder auf der Matte stehen würde, aber nun waren bereits zwei Monate ohne eine Nachricht von ihm vergangen. Langsam glaubte Yuki, das Shuichi es wirklich ernst meinte, doch wollte er ihn wirklich los sein? Verträumt lehnte er sich zurück dachte wieder an ihre erste Begegnung und an das was daraus entstanden war. Er war damals mitten in der Nacht im Park spazieren gegangen. Er musste damals einfach an die frische Luft. Zu dieser Zeit verachtete er alle Menschen, seine kreischenden Fans die ihm so fürchterlich auf die Nerven gingen, sein Vater, der immer wieder auf seine baldige Heirat pochte und vor allem auf seine Schwester, die immer wieder versuchte ihn wieder in die Familie zu integrieren. Sie hatte immer nur Vorwürfe für ihn gehabt, immer war er an allem Schuld gewesen. Nur Nachts im Park war er endlich mal alleine, dort hatte er seine Ruhe um nachzudenken und dann flatterte ihm plötzlich dieser voll gekritzelte Zettel dieses Jungen vor die Füße. Yuki wusste noch ganz genau wie er die Zeilen überflog und sich dann fragte ob es wirklich jemand freiwillig fertig gebracht hatte solch einen Schund zu schreiben. Er hatte dem Bengel seine Meinung ohne jegliches Gefühl ins Gesicht geschmettert. Dieser Junge und dessen Gefühle waren ihm doch egal, er kannte ihn ja noch nicht einmal. Er hatte gesagt was er dachte und damit war das Thema für ihn abgehakt. Er hatte nicht weiter darüber nachgedacht und diesen kleinen Idioten schon vergessen gehabt als sich dieser einige Tage später einfach aus heiterem Himmel vor sein Auto warf. Was war der doch für ein freches Gör. Yuki lächelte als ihm wieder einfiel was ihn an Shuichi als erstes fasziniert hatte. Es waren seine Augen gewesen, noch nie hatte Yuki so klare und ehrlich Augen gesehen. Selbst Yukis Augen waren nicht so gewesen. Yuki! Unter dieser Erinnerung hatte er lange gelitten und auch alle um ihn herum, doch am meisten hatte es wohl Shuichi immer getroffen. Seine Gefühle waren schon immer so empfindlich gewesen. Damals noch schlimmer, denn es war ja alles neu für ihn gewesen. Nicht jeder verliebt sich so einfach in einen anderen Mann. Yuki wusste wie oft er diese Gefühle einfach mit Füßen getreten hatte, er konnte und er wollte sich einfach nicht vorstellen dass ihn jemand ehrlich lieben könnte. Meist waren es doch nur geheuchelte Gefühle und sie wollten sich nur in seinem Ruhm aalen oder seinen Reichtum kosten. Wie er solche Menschen verabscheute und das alles hatte Shuichi ausbaden dürfen. Doch trotz allem hatte der Kleine immer zu ihm gestanden. Er wurde ihn einfach nicht los. Yuki grinste in sich hinein. Was hatte er dem Bengel alles an den Kopf geworfen und vor allem wie oft hatte er ihn vor die Tür gesetzt, aber Shuichi war wie ein Jojo, er kam immer zurück. Auch wenn er ihm so oft auf die Nerven gegangen war, so erinnerte er sich jetzt viel mehr an die schönen Seiten ihrer Freundschaft. Immer wieder tauchten Shuichis glasklare Augen und sein sanftes Lächeln vor seinem inneren Auge auf und jagten ihm wohlige Schauer über den Rücken. Yuki wusste nicht warum, aber er war einfach verrückt nach diesem kleinen Idioten. Ja, Shuichi war wirklich ein Idiot, eine Nervensäge und eine Heulsuse, aber er war auch der einzige neben Thoma der immer um ihn gekämpft hatte. Er hatte sich um ihn zu schützen Vergewaltigen lassen, selbst als Thoma versuchte einen Keil zwischen sie zu treiben und er einfach nach New York verschwand hatte der Kleine nicht aufgegeben. Der Kleine hatte es geschafft ihn ins Leben zurück zu holen, obwohl er sich selbst bereits aufgegeben hatte. Nur durch Shuichi hatte er es geschafft mit der Vergangenheit abzuschließen. Ganz langsam konnte er wieder lernen zu leben und sich Gedanken über die völlig fremden Gefühle in seinem Inneren machen. Ob das wohl wirklich Liebe war? Yuki setzte sich seufzten auf. Eigentlich hatte er Shuichi so viel zu verdanken. Er hatte ihm nie für irgendetwas gedankt sondern ihn meist nur beschimpft, geschlagen und getreten. Er hatte sich nie eingestehen wollen dass er genau diese kleine Nervensäge brauchte und doch fühlte er sich genau jetzt wo er wirklich fort war unheimlich einsam, ganz so als hätte sein Leben zum zweiten Mal seinen Glanz verloren. Abrupt schob Yuki seinen Stuhl nach hinten und stand ärgerlich auf. Da saß er hier in kindische Träumerein versunken und kam mit seiner Arbeit einfach nicht weiter. “Und alles nur wegen diesem kleinen Idioten!“ Er verfluchte Shuichi auf alle möglichen Arten, doch es war niemand da der sich wieder bettelnd an sein Bein heftete. Es konnte doch nicht sein, dass ihm jemand der ihm den letzten Nerv raubte, so fehlen konnte, oder doch? Warum konnte der Kleine auch nicht einfach mal seinen Mund halten? Yuki verließ sein Arbeitszimmer, an schreiben war heute Nacht so oder so nicht mehr zu denken, also wanderte er ziellos durch die öde wirkende Wohnung. Nach einer Weile stand er vor der großen Fensterfront in seinem Wohnzimmer und blickte über die nächtliche Stadt. Hinter seinem Rücken spielten sie das neue Lied von Nittle Grasper im Fernsehen. Dieses Lied, Yuki erinnerte sich an den Aufstand von Shuichi als er herausfand das er es für Nittle Grasper schrieb und ihm noch nicht einmal bei seinen Texten helfen wollte. Yuki musste sich eingestehen das Shuichi irgendwie Recht hatte, immerhin war er sein Freund und da sollte er ihn unterstützen, ihm helfen. Er hatte ihn verletzt und das obwohl Thoma ihm versprechen musste das dies nicht geschehen würde. Warum hatte er Thoma nur so vertraut? Immerhin wusste Yuki ganz genau das Thoma Shuichi nicht leiden konnte. Thoma wollte ihn einfach mit niemand anderem teilen und so hatte sich Shuichi von ihm verraten gefühlt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er zum ersten Mal von selbst ernsthaft die Beziehung beendet. *Ich kann nicht mehr* Yuki wusste noch ganz genau wie es geschmerzt hatte diese Zeilen zu lesen. Er hatte ihn damals überall gesucht, aber selbst im Studio von Bad Luck konnte er ihn nicht finden. Auch seine Freunde waren ratlos. Ausgerechnet ihn hatten sie gebeten mit Shuichi zu reden, aber wie wenn er nicht wusste wo er war? Yuki hatte keine Ahnung wo sich Shuichi in dieser Zeit versteckt hatte, doch dann war er auf einmal wieder da. Auf dem Musikfestival, deren VIP-Karte er seinem Bruder geschenkt hatte, da dieser so gerne Ryuichi näher kennen lernen wollte. Er selbst wollte da nicht hingehen, doch Hiro gab ihm den Tipp dass er Shuichi überreden konnte mit ihm dort hin zu gehen. Als Nittle Grasper nun ihr neues Lied anspielten war sein kleiner Baka zum Glück nicht ganz auf den Kopf gefallen und hatte erkannt um wen sich der Songtext drehte. Ryuichi holte sich Shuichi auf die Bühne und zusammen machten sie das Lied zu einem super Erfolg. Yuki wusste noch ganz genau wie glücklich er war als sein Shuichi endlich wieder in seinem Armen lag und er seinen Schlaf bewachte. Er hatte ihm zwar gesagt es würde alles gut, aber er hatte es immer noch nicht geschafft Shuichi zu sagen was er für ihn fühlte. Yuki schlug mit der Faust gegen die Fensterscheibe. Nicht Shuichi war hier der Idiot gewesen sondern er! Hinter ihm wurde gerade ein Lied aus der neuen Tournee von Bad Luck gespielt. “Shuichi!“ Langsam drehte sich Yuki um und betrachtete seinen Freund im Fernsehen. Die Bühne war wirklich Shuichis Leben, nur dort konnte er seine Sorgen soweit zurück stellen das es niemand merkte. Doch Yuki bemerkte trotzdem wie sehr Shuichi litt, er sah es an seinen glanzlosen Augen. Wie war das alles nur passiert? Yuki ließ sich nachdenklich auf das Sofa sinken, den Blick wie gebannt auf den Fernseher gerichtet. Warum hatte er Shuichi nur wieder so verletzt? War es wirklich nur weil Shuichi ihn so genervt hatte? Warum gab er eigentlich immer nur dem Kleinen die Schuld? Yuki war hin und her gerissen, sein Ego sagte er hätte keine Schuld, doch etwas anderes tief in seinem inneren dementierte diese Behauptung. Es war wie das Spiel zwischen Engelchen und Teufelchen, nur saßen die Beiden nicht auf seiner Schulter, sondern waren Verstand und Herz. Es klingelte. Wer wohl so spät noch die Frechheit besitzt hier aufzutauchen? Yuki stellte den Fernseher leise und betätigte die Gegensprechanlage. “Wer ist da?“ Warum meldete er sich überhaupt? Er hätte doch das Klingeln einfach überhören können. “Ich bin es Thoma, mach auf Eiri!“ Verwundert über Thomas spätes Auftauchen drückte er den Knopf und warte bis Thoma endlich vor seiner Tür angekommen war. “Thoma, ziemlich spät für einen Besuch!“ Der zierliche blonde Keyboarder von Nittle Grasper und Chef von NG-Records wirkte besorgt. “Das ist auch kein rein freundschaftlicher Besucht. Ich muss mit dir reden!“ Verwundert zog Yuki eine Augenbraue nach oben. Das waren ja ganz neue Töne von Thoma. Dennoch trottete er neugierig hinter seinem langjährigen Freund her. “Du schaust dir gerade das Abschlusskonzert der Gravitationstournee von Bad Luck an?“ Thoma blickte Stirnrunzelnd auf den Fernseher. “Es wird ja grad übertragen. Ich hab nicht so drauf geachtet!“ Yukis Worte klangen desinteressiert. Er war wieder in sein altes Ego geschlüpft, immerhin brauchte nicht jeder gleich offen erkennen wie es ihm zu Zeit ging. “Aber du bist doch bestimmt nicht her gekommen um mit mir das Konzert zu sehen, nicht wahr Thoma? Also was ist los?“ Seufzend ließ sich der Angesprochene auf das Sofa sinken und schlug die Beine übereinander. Bei diesem Gedanken musste sich Yuki ein Grinsen verkneifen und setzte sich seinem Freund gegenüber. “Nein, aber es hängt schon damit zusammen! Wann hast du das letzte Mal etwas von Shuichi gehört?“ Überrascht musterte Yuki ihn einen Moment bevor er die Frage in seinem üblich gleichgültigen Ton beantwortete. “Seid über zwei Monaten nicht, Gott sei Dank!“ Thoma Seguchi musterte sein Gegenüber skeptisch. Er glaubte ihm kein Wort, zumindest nicht das es ihm egal war was mit Shuichi passierte. “Hmm, dann weißt du es also noch nicht?“ Yuki hasste diese Spielchen von Thoma. “Ich weiß was noch nicht? Jetzt red nicht um den heißen Brei herum Thoma, komm zur Sache, was willst du mir sagen?“ Der kleine Blonde seufzte. So kannte er Yuki. “Bad Luck wurde heute von Shuichi offiziell aufgelöst und er selbst ist wie vom Erdboden verschwunden!“ Also das hatte gesessen. Yuki hätte mit allem gerechnet, aber nicht das Shuichi seinen großen Traum einfach so aufgab. Warum sollte er das tun? Suichi hatte so hart dafür gekämpft. “Warum?“ Mehr bekam er im Moment nicht hervor. Yuki war viel zu aufgewühlt. Thoma betrachtete ihn lange. Er konnte sehen wie es Yuki ging, denn dafür kannte er ihn lange genug. “Er hat nur gesagt, das Hiro und Fujisaki ohne ihn weiter machen könnten wenn sie Lust hätten, aber sein Traum hätte den Glanz verloren!“ Aufmerksam wartete Thoma auf eine Reaktion seines Gegenübers, doch der hatte ihn anscheinend völlig vergessen und war tief in seinen Gedanken versunken. Wie konnte das alles nur geschehen? Kapitel 2: Die Suche beginnt ---------------------------- Kapitel 2 – Die Suche beginnt Nachdenklich betrachtete Thoma seinen langjährigen Freund, welcher ihm schweigend, tief in Gedanken versunken gegenüber saß. “Eiri, glaub mir, es ist besser so. Vergiss den Kleinen einfach!“ Yukis Kopf ruckte hoch. Hatte er das eben wirklich richtig verstanden? “Was hast du gesagt?“ Thoma setzte dazu an seinen Satz zu wiederholen, doch als er Yuki in die Augen sah schreckte er zurück. Der Blick war kalt, eiskalt. “Ich mein es doch nur gut! Er hat dir doch nur Ärger gemacht!“ Plötzlich sah Yuki seinen Freund in aus einem ganz anderen Blickwinkel. Wie hatte er nur so blind sein können? Das war doch genau das, was Thoma immer erreichen wollte. So oft hatte er es schon versucht und jetzt endlich war Shuichi fort. “Ja Thoma, jetzt hast du es geschafft. Bist du nun zufrieden?“ Yukis Stimme bebe vor unterdrückter Wut. “Was meinst du Yuki?“ Abfällig wanderte Yukis Blick über die so unschuldig wirkende Gestalt Thomas. “Tu nicht so scheinheilig! Genau das wolltest du doch immer erreichen. Du warst schon immer gegen diese Beziehung und sag jetzt nicht das du nur das Beste für mich wolltest. Dir waren die Mittel egal, Hauptsache Shuichi würde aus meiner Nähe verschwinden. Du hast immer geglaubt du wärst das Beste für mich, nicht wahr? Aber du irrst dich Thoma, du irrst dich gewaltig!“ In den Augen des zierlichen Blonden spiegelten sich so viele Gefühle wieder, nur Verständnis konnte Yuki nicht erkennen. “Das ist nicht fair Yuki. Ich wollte dich doch nur beschützen und ich habe dafür so viel getan!“ Thoma wurde klar das Yuki ihm langsam aber sicher entglitt, in seiner Verzweiflung trat er näher an den großen Schriftsteller heran und strich ihm sanft über die Wange. “Shindou Shuichi ist einfach nicht gut für dich!“ Angewidert schlug Yuki Thomas Hand beiseite. “Woher willst du wissen ob Shuichi nicht gut für mich ist oder war. Du bist nicht ich. Nur ich allein kann das beurteilen. Ich habe auch nie gesagt, dass du nichts für mich getan hast mein lieber Schwager, aber nun gehst du wirklich zu weit! Es wäre besser wenn du nun gehst!“ Thomas Augen weiteten sich überrascht. Hatte Yuki ihn gerade wirklich aus der Wohnung geworfen? “Aber Yuki.....“ “GEH!“ Die Stimme ließ keine weiteren Einwände zu und so musste Thoma zum ersten mal einsehen, dass er verloren hatte. Langsam ging er Richtung Haustür. “Was willst du nun tun Yuki?“ Der große Blonde betrachtete seinen Schwager mit leerem Blick und zuckte nur mit den Schultern. “Ich weiß es nicht, aber das geht dich auch nichts mehr an!“ “Wenn ich dir helfen soll, dann weißt du wie du mich erreichen kannst. Wir sind zwar jetzt auf Tournee, aber ich kann auch unterwegs meine Beziehungen spielen lassen.“ Ein blick über die Schulter zeigte Thoma, das Yuki gar nicht mehr auf seine Worte reagierte und so schloss er leise die Wohnungstür hinter sich. Ein kaltes Lächeln huschte über das Gesicht des NG-Records Chefs. Yuki würde sich schon wieder beruhigen, sein Herz würde heilen, denn nach seinen Informationen war Shuichi fort und das auch weit genug! Yuki erhob sich müde vom Sofa und blickte aus dem großen Fenster hinaus auf das schlafende Tokyo. Er hatte sich so lange eingeredet, dass ihm die kleine Nervensäge völlig egal war und genau damit hatte er Shuichi letztendlich vertrieben. Doch er war Yuki alles andere als egal. Wütend über seine Machtlosigkeit schlug Yuki mit der Faust gegen die Fensterscheibe. Er musste ihn finden, egal wie. Shuichi hatte ihn damals auch nicht aufgegeben und jetzt war es an der Zeit das er ihm zeigte das auch er ihn nicht hängen lassen würde. Vielleicht kam dies zu spät, aber er musste es wenigstens versuchen. Gleich Morgen früh musste er die anderen Bandmitglieder von Bad Luck auftreiben. Irgendjemand von denen musste doch etwas wissen, immerhin waren sie seine Freunde! Ziellos wanderte Shuichi durch die Straßen und betrachtete traurig die geschichtsträchtigen Häuser die diese Straßen säumten. New Orleans, wie war er nur auf diese Stadt gekommen? Der pinkhaarige Junge verharrte einen Moment im Schatten eines großen Baumes und dachte nach. Leise drang eine schwermütige Melodie an sein Ohr und brachte ihm so die gesuchte Antwort. Musik! K hatte ihm erzählt New Orleans sei die Wiege des Blues und des Jazz, einer Musik die von Leiden, Sehnsüchten und Schwermut erzählte. Shuichi musste diese Stadt einfach sehen, doch so hatte er sich das nicht vorgestellt. Jetzt war alles vorbei. Es gab kein Bad Luck mehr, keinen Yuki und vor allem kein zurück mehr für ihn. Er hatte alles hinter sich gelassen und Japan schon fast fluchtartig verlassen ohne das irgendjemand wusste wo er jetzt war. Noch nicht einmal mit Hiro hatte er darüber gesprochen. Hiro! Shuichi hatte ihm gegenüber ein schlechtes Gewissen, er hatte seinen Freund damals in die Band zurück geholt obwohl Hiro nicht mehr weitermachen wollte, doch nun tat Shuichi nichts anderes, abgesehen von der Tatsache, das ihn niemand zurück holen konnte. Shuichi wollte auch nicht mehr zurück, er hatte für seinen großen Traum etwas wichtiges verloren: Den Glauben an sich selbst! Immer wieder überkam Shuichi der Gedanke wie es wohl gelaufen wäre, wenn ihm Yuki damals nicht über den Weg gelaufen wäre! Traurig schüttelte er den Kopf und schob das Bild von Yuki zur Seite. Langsam wanderte er weiter durch die Stadt. Was sollte jetzt werden? Wie sollte es weiter gehen? Shuichi wusste das er auf jeden Fall nach Japan zurückkehren wollte, aber er würde nicht wieder nach Tokyo gehen. In dieser Stadt gab es auf jeden Fall viel zu viele traurige Erinnerungen. Vielleicht sollte er sich doch an der Universität in Osaka einschreiben. Seine Noten waren damals zwar nicht die Besten, aber irgendetwas musste er ja machen, auch wenn er erst einmal durch die Einnahmen von Bad Luck etwas abgesichert war. Nur Shuichi wollte nicht einfach nur rumsitzen, denn dann würde er nur weiter grübeln. Er brauchte eine neue Herausforderung! Shuichi streckte sein Gesicht in Richtung Sonne, er würde auf die Uni gehen und sehen was er noch aus seinem Leben machen konnte! Er lächelte versonnen. Shuichi würde schon allen die ihn als Idioten bezeichnet hatten zeigen was ihn ihm steckte! Der nächste morgen dämmerte nach Yukis Meinung viel zu schnell. Er hatte kaum ein Auge zubekommen, zu oft schlich sich Shuichis Gesicht in seine Gedanken. Müde und ausgelaugt hängte er sich umgehend ans Telefon und versuchte die Nummer von Hiro heraus zu bekommen. Yuki hatte kein Glück, also musste er sich doch auf den Weg zum Studio machen. Seufzend raffte er sich auf und machte sich auf den Weg. Yuki hatte eigentlich nicht wirklich daran geglaubt Hiro nach der Auflösung von Bad Luck im Studio anzutreffen. Doch dieser saß trübsinnig mit Fujisaki dem Keyboarder von Bad Luck zusammen als der Schriftsteller durch die Tür trat. “Yuki Eiri, welche Ehre!“ Hiros Stimme war kalt und verhöhnend. Missbilligend runzelte der Angesprochene die Stirn. “Kann ich dich kurz sprechen Hiro?“ Hiro zuckte gleichgültig mit den Schultern und seufzte. “Falls es um Shuichi geht kann ich auch nicht weiter helfen. Ich weiß nicht wo er ist und warum er gegangen ist auch nicht. Die Frage wegen dem warum muss sich wohl auch jemand anders stellen!“ Mit einer fragend hochgezogenen Augenbraue musterte Hiro sein Gegenüber. “Außerdem, selbst wenn ich wüsste wo Shuichi jetzt ist würde ich es ihnen auf jeden Fall nicht sagen. Der große unnahbare Schriftsteller hat durch seine Art genug Schaden angerichtet. Shuichi mag zwar eine Heulsuse und Nervensäge sein, aber jetzt hat er den Glauben an sich und seinen Traum verloren und das hat er nicht verdient. Was also wollen sie noch? Sie haben den Kleinen bereits zerstört, reicht das nicht?“ Hiro hatte sich zunehmend in Rage geredet, doch auf seine Fragen bekam er keine Antwort, denn Yuki hatte sich bereits umgedreht und den Raum wieder verlassen. Hier würde er keine Hilfe bekommen. Wütend verließ Yuki das NG Gebäude. Also die Idee Hiro zu fragen war eine Sackgasse, Thoma wollte er nicht um Hilfe bitten, also wie sollte er nun Shuichi finden? “Yuki Eiri, es ist eine unpassende Zeit hier aufzutauchen!“ Aus seinen Gedanken gerissen schreckte der blonde Schriftsteller auf. Er kannte die Stimme mit diesem komischen amerikanischen Akzent nur zu gut. Der Mensch der zu dieser Stimme gehörte hatte immerhin seine Wohnung durchlöchert! Vorsichtig drehte sich Yuki langsam um und blickte wie erwartet in die Mündung einer Magnum. “K! Verdammt, nehmen sie diese blöde Waffe aus meinem Gesicht, immerhin können sie so auch nichts ändern!“ Yuki verzog keine Mine auch wenn ihm bei dem Anblick der Waffe nicht wohl war. Er traute dem Träger dieser Magnum wirklich alles zu. Der Mensch war einfach noch durchgeknallter als er selbst! “Ich kann vielleicht nichts ändern, aber ich könnte versuchen mir ein wenig Genugtuung verschaffen! Was wollen sie hier?“ Yuki hatte keine Lust diesem völlig irrem Manager Rede und Antwort zu stehen und setzte seinen Weg wortlos fort. Der Knall eines Schusses und die Haarsträhne die lautlos zu Boden glitt ließen ihn jedoch umgehend inne halten. “Ich habe sie etwas gefragt Mister!“ Dieser Mensch war krank, da war sich Yuki jetzt sicher. Langsam drehte er sich wieder zu K um und stierte ihn durchdringend an. “Das würde doch auch nichts ändern nicht wahr?“ K stutzte überrascht. Der Kerl versuche ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. “Das ist keine Antwort!“ Wieder knallte ein Schuss und Yuki hörte laut und deutlich wie die Kugel an seinem Ohr vorbei flog. “Sie sind ja total verrückt! Verdammt!“ Wütend funkelte Yuki sein Gegenüber an. “Also gut, wenn sie es unbedingt wissen wollen. Ich versuche Shuichi zu finden!“ Verwundert zuckten seine Brauen nach oben als K anfing zu lachen. Was bitte war denn jetzt an der Aussage so witzig? “Yuki meinen sie nicht das es ein bisschen spät ist sich um Shuichi Gedanken zu machen?“ “Das weiß ich selbst!“ Yukis Stimme glich eher einem Knurren. “Gut! Aber wenn sie wollen kann ich ihnen helfen ihn zu finden!“ Jetzt konnte er K wirklich nur noch überrascht anstarren. Dieser zuckte jedoch nur ungerührt mit den Schultern. “Was meinen Sie denn wie Shuichi sie damals in New York gefunden hat? Ich war früher im Security Bereich tätig und habe da immer noch meine Kontakte!“ Verwirrt schüttelte Yuki den Kopf. “K, woher wollen sie denn wissen das er in Amerika ist?“ Der blonde Amerikaner grinste ihn nur an. “Das habe ich mittlerweile schon herausgefunden. Also soll ich ihnen helfen oder möchten sie lieber noch weitere unnötige Fragen stellen?“ Um seine Aussage noch einmal Gewicht zu verleihen ließ K den Abzug seiner Magnum leise klicken und entlockte damit Yuki ein schnelles Kopfnicken. “Ok Mister, dann wollen wir doch mal sehen was sich machen lässt!“ Schon war der Lauf der Waffe aus Yukis Gesicht verschwunden und K kramte sein Handy hervor. Einige Telefonate später konnte K ihm die ersten Neuigkeiten berichten. “Shuichi ist tatsächlich nach Amerika geflogen und zwar nach New Orleans. Warum bin ich da nicht gleich drauf gekommen?“ Yuki blickte K nur verständnislos an. “Wie kommt der denn auf New Orleans?“ “Weil ich ihm mal von dieser Stadt erzählt habe. Dort ist die Wiege des Blues und des Jazz. Wegen der Musik ist er da!“ Das konnte Yuki nachvollziehen. Er erinnerte sich vage das Shuichi ihm mal etwas davon erzählt hatte. Doch wie immer war Yuki mit dem überschwänglichen Plappern des Kleinen nur genervt und hatte überhaupt nicht richtig zugehört. Er seufzte. “Also muss ich ihn in New Orleans suchen?“ Jetzt schüttelte K den Kopf und handele sich einen erneuten verwirrten Blick von Yuki ein. “Er ist anscheinend nicht mehr dort! Meine Leute suchen ihn und werden ihn auch finden. Ich halte sie auf dem Laufenden!“ Yuki seufzte und nickte dem blonden Bad Luck Manager noch einmal zu. Jetzt hieß es wieder abwarten. Shuichi hatte sich in der Zeit, in der er in Amerika war, verändert. Als ihm einfiel das K ja immer noch Kontakte nach Amerika hatte war er von New Orleans mit dem Bus quer durch das Land gereist. Jetzt war er wieder in New York gelandet und hatte in einem kleinen Hotel unter einem anderen Namen ein Zimmer gemietet. Sein nächster Gang hatte ihn zu einem Frisör geführt und seine einst so fröhlich leuchtenden pinken Haare glänzten jetzt in einem tiefen Schwarz. Auch seine früher so bunte und lebensfrohe Kleidung hatte sich in Schwarz- und Grautöne gewandelt. Ein schwarzes Lederband mit einem silbernen Kreuz zierte seinen Hals. Er wollte einfach nicht mehr der kleine lustige und naive Shuichi sein. Dieses Leben lag jetzt für immer hinter ihm. Niemand sollte ihn je wieder eine Nervensäge, Heulsuse oder einen Idioten nennen. Jetzt konnte Shuichi nur hoffen, dass er seinen Weg so gut verwischt hatte, das auch K ihn nicht mehr finden konnte. Schaudernd dachte er an den ehemaligen blonden Manager mit seiner riesigen Magnum. Nein diesem Wahnsinnigen wollte er nicht noch einmal vor den Lauf seiner Waffe kommen. Der brächte es fertig und würde ihn mit Gewalt zurückholen. Shuichi schüttelte noch einmal den Kopf und wanderte weiter ziellos durch die große Metropole. Er achtete nicht darauf wohin ihn sein Weg führte, denn seine Gedanken kreisten jetzt um den morgigen Tag. Morgen würde er wieder nach Japan zurückehren. Er hatte zwar seinen Flug über Tokyo gebucht, würde aber von dort gleich mit einem Zug weiterreisen. Shuichi hatte seine Fahrkarte für den Zug jedoch noch nicht vorab gekauft, denn falls K seine Spur durch den gebuchten Flug wieder aufnehmen konnte, so würde sie sich am Flughafen in Tokyo wieder verlaufen wenn er seine Karte am Schalter kaufen würde. So würde ihn nie jemand finden können. Verwirrt blickte Shuichi auf und betrachtete seine Umgebung. Tief in seine Gedanken versunken hatten ihn seine Schritte wieder in Gegend geführt, in der er damals Yuki gefunden hatte. Er stand eigentlich schon fast genau vor diesem Haus. Traurig stieg er die brüchige Treppe hinauf und sah sich noch einmal in der verlassenen Wohnung um. Genau dort unter dem Fenster hatte er Yuki mit einer Waffe in der Hand gefunden. Still bahnte sich eine Träne ihren Weg und wurde von Shuichi entschlossen weg gewischt. Er wollte doch nicht mehr heulen! Verwundert fiel sein Blick auf einen kleinen Zettel. Konnte es sein? Shuichi bückte sich und erkante sofort seine eigene Handschrift wieder. Er hielt seinen eigenen Liedtext in den Händen. *Du hast einfach kein Talent* hatte Yuki ihm damals lächelnd gesagt. Jetzt bahnten sich doch erneut Tränen ihren Weg ohne das Shuichi sie aufhalten konnte. Kapitel 3: Ein unerwartetes Wiedersehen --------------------------------------- Kapitel 3 – Ein unerwartetes Wiedersehen Missmutig betrachtete Yuki Eiri die sich zähflüssig fortbewegende Automasse vor ihm. Entnervt trommelten seine Hände auf dem Steuer. Wie hatte Mika ihn nur dazu überreden können? *Es ist auch deine Familie und da hast du auch Verpflichtungen! Immerhin könnte das Vaters letzter Geburtstag sein. Du weißt doch wie krank er ist!* Yukis Kehle entschlüpfte ein abfälliges Schnauben. Sein Vater und krank, der war nur krank wenn es ihm grad in den Kram passte. Nur ein einziges Mal hätte ihn um ein Haar wirklich der Schlag getroffen. Der blonde Schriftsteller konnte sich noch sehr gut an jenen Tag erinnern. Er wusste noch ganz genau wie er bei seinem Vater auf seine Braut gewartet hatte. Ein kleines Lächeln huschte Yuki über das Gesicht als er daran dachte wie Shuichi seinen Vater mit seinem auftauchen völlig aus der Fassung gebracht hatte. Sein Lächeln verflog und eine Spur Trauer mischte sich in die ausdruckslosen Augen des großen Blonden. Jetzt waren schon sechs Monate vergangen seit dem er die letzte Nachricht von K bekommen hatte. Er wusste jetzt nur das seine kleine Nervensäge wieder in Japan war, doch bis jetzt hatte ihn niemand finden können. Thoma war danach noch einige Male bei ihm aufgetaucht, ganz als warte er nur darauf das Yuki ihn wieder um Hilfe anbetteln würde und damit wieder ganz unter der Kontrolle des zierlichen NG-Chefs stände. Yuki fing langsam an seinen Schwager zu hassen. Er wusste zwar wie viel er für ihn getan hatte, seine ewige Kontroll- und Machtgier konnte er jedoch nicht mehr ertragen. Thoma hatte vieles zwischen ihm und Shuichi zerstört, oder besser das bisschen, das Yuki nicht selbst zerstört hatte. Wieder kam die Erinnerung in ihm hoch. Wieder sah er Shuichi mit gebrochenem Blick an der Tür seines Arbeitzimmers stehen. *Dann sollte ich nun besser gehen!* Yuki wusste noch wie entnervt er an diesem Tag war, jedoch war es nicht allein Shuichis Schuld gewesen. Er hatte nur den letzten Tropfen gegeben. Er erinnerte sich daran wie er den Kleinen nur abfällig betrachtet hatte. *Du versprichst immer Dinge die du selbst nicht einhalten willst! Wenn du gehen willst dann geh, aber dann komm auch nicht ewig wieder zurück gekrochen. Verschwinde und bleib endlich weg!* Yukis schloss bei dem Gedanken an Shuichis Blick gequält die Augen und lehnte seine Stirn an das Lenkrad. Der Blick des eigentlich so lebenslustigen Bad Luck Sängers war plötzlich völlig leer, als wäre ihm alles Leben genommen worden. Wie hatte es nur so weit kommen können? Das wütende Hupen des Autofahrers hinter ihm unterbrach die trübe Grübelei und riss Yuki ins Hier und Jetzt zurück. Vor seinem Auto hatte sich der Stau bereits langsam aufgelöst und so blockierte er nun den restlichen Verkehr. Langsam setzte Yuki seinen Weg nach Kioto fort, immer näher an seine verhasste Familie heran. Er schaltete das Radio an um diese erdrückende Ruhe in seinem Wagen zu verdrängen, doch das leise Rauschen zeigte nur das Yuki bereits aus dem Bereich des Tokioer Senders heraus war. Lustlos suchte er einen anderen Sender, Hauptsache diese Stille würde verschwinden. “... So wird das Wetter also an diesem Wochenende in Kioto und nun wieder Musik....“ Yuki zog seine Hand wieder zurück. “Heute habe ich euch etwas Besonderes mitgebracht: Death and Rebirth. Diese Band habe ich eines Abends in einer Bar in Osaka gehört. Es gibt von ihnen keine Singles, sie spielen nur live. Die Musik ist Geschmackssache, aber urteilt selbst, denn ich habe der Band ein Demoband abschwatzen können. Hier sind also *Death and Rebirth* mit *Love and Hate*.“ Die Stimme aus dem Radio nahm Yuki gar nicht wirklich wahr. Nun begann eine schwere und düstere Melodie. Er lauschte den ersten Worten des Sängers. *Ich hasse dich, weil ich dich liebe und diese Liebe mich zerbricht.* “Was für ein schlechter Text!“ Der große blonde Schriftsteller stutzte und drehte die Musik etwas lauter. *Du hast nie etwas für mich empfunden, mich nur ausgelacht und gequält, dafür hasse ich dich. Love and Hate, Liebe und Hasse, liegen sie wirklich so nah zusammen? Ich hasse dich weil ich dich liebe. So sehr das sie mich zerstört. Will dich vergessen, es ist vorbei und doch quälst du mich selbst jetzt noch. Love and Hate, Liebe und Hasse, liegen sie wirklich so nah zusammen? An dem Tag an dem es vorbei war bin ich gestorben auch wenn ich weiterlebe. Love and Hate, Liebe und Hass. Ich hasse dich und doch liebe ich dich noch immer.* Der Text war wirklich grausam, doch die Stimme des Sängers ließ alles andere vergessen. Yuki kam das alles so bekannt vor, auch wenn die Musikrichtung nicht passte, es war irgendwie vertraut. Konnte es vielleicht wirklich sein? Yuki schüttelte leicht den Kopf und konzentrierte sich wieder auf die Straße. Nein, so einfach konnte es nicht sein! Shuichi saß, den Kopf gegen einen Pfeiler gelehnt auf der Veranda seines Hauses und hörte aufmerksam zu wie Sakiro sein Lied im Radio ankündigte. Seine Gedanken schweiften zurück. Fast ein Jahr war vergangen seit dem er Tokio, Bad Luck und Yuki hinter sich gelassen hatte. Viel war in dieser Zeit geschehen. Shuichi war nach Japan zurückgekehrt und lebte nun in Osaka. Dort hatte er einen Ort an dem er sich zurückziehen konnte, denn er hatte damals vor vielen Jahren das Haus seiner Großeltern geerbt. Es war ein Erbe von dem niemand etwas wusste, noch nicht einmal seine Schwester. Shuichi hatte nie verstanden warum sein Großvater daraus so ein Geheimnis gemacht hatte, doch jetzt war er ihm dankbar. Die Hausverwaltung, welche das Haus in all den Jahren verwaltete hatte ihre Arbeit wirklich gut gemacht. Das Haus war in einem einwandfreiem Zustand als er einzog. Shuichi hatte den Anfang für seinen Neubeginn getan. Er hatte sich an der Universität eingeschrieben und den Namen seines Großvaters angenommen. Hier gab es keinen Shuichi Shindou mehr, nur noch Takashi Seigoru. Nur seiner Liebe zur Musik konnte er einfach nicht entsagen und genau dadurch hatte er neue Freunde gefunden. Tenshi und Subaro studierten an der gleichen Uni. Durch einen Zufall platzte Shuichi vor einiger Zeit einfach in ihre Probe, denn er hatte sich wieder verlaufen, wie so oft. Die Musik der beiden gefiel ihm, auch wenn sie ganz anders war als jene die Bad Luck gespielt hatte. Doch irgendetwas fehlte den beiden noch. Tenshi spielte Keyboard und Subaro Schlagzeug, aber keiner der beiden hatte das zeug zum Leadsänger. Shuichi erinnerte sich noch daran wie er einfach ohne nachzudenken anfing zu singen und ab diesem Zeitpunkt zusammen mit ihnen spielte. Sie wurden “Death and Rebirth“, spielten jedoch nur aus Freude in kleinen Bars oder Schulveranstaltungen. Mehr wollten sie nicht, auch nicht als dieser Radiofritze auftauchte. Shuichi verzog das Gesicht als er daran dachte wie nervig dieser Mensch am Anfang war. Er hatte sich als Sakiro Sumagari vor und erklärte ihnen dass er eine Musiksendung bei einem Lokalsender Kiotos moderierte. Was für glamouröse Zukunftsaussichten hatte er ihnen damals vorhergesagt und er konnte einfach nicht akzeptieren dass die drei Musiker ihm gegenüber einfach nicht zugreifen wollten. Er wollte doch nur ein Demoband haben. Mit diesem würde der Erfolg schon von selbst kommen, doch die drei blieben hart. Mittlerweile waren sie gut befreundet und letztendlich hatte Sakiro doch noch ein Band mit einem Lied für seine Sendung bekommen, aber er musste ihnen versprechen weder das Band noch ihre Namen heraus zu geben. Das schrille Läuten seines Telefons riss Shuichi aus seinen Gedanken. “Seigoru!“ “Takashi, was soll ich tun? Euer Lied ist noch nicht mal ganz zuende und hier laufen die Leitungen heiß. Jeder will eure Platte. Sogar ein Newcomerscout von NG-Records war dabei.“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung überschlug sich regelrecht vor Aufregung. “Sakiro, nun hol erst einmal tief Luft. Du sollst gar nichts tun und ich hoffe du hast auch keine Namen oder sonstiges herausgegeben?“ Shuichi war vorsichtig. Hoffentlich hatte sein Freund vor lauter Aufregung nicht doch mehr erzählt als er sollte. “Nein, aber....“ “Kein aber, Sakiro. Es ist schon alles ganz ok so wie es ist. Berühmt sein ist nicht alles!“ Ein verächtliches Schnauben am anderen Ende der Leitung war die erste Antwort. “Na wenn du meinst, aber ich habe alle Nummern notieren lassen. Nur für den Fall das ihr es euch noch einmal anders überlegt. Das wäre doch eine gute Schlagzeile: Lokalradiomoderator entdeckt Newcomer des Jahres.“ Ein Grinsen schlich sich in Shuichis Gesicht. “Sakiro, du bist unmöglich. Sehen wir uns nächsten Freitag wieder im Maxime?“ “Darf ich jemanden mitbringen?“ Die Stimme am anderen ende der Leitung klang merkwürdig lauernd. “Sakiro, falls du irgendeinen Talentsucher einladen willst vergiss es gleich wieder!“ “Schade!“ “SAKIRO!“ Lautes Lachen ertönte. “Hey Taki, das war ein Scherz, aber ich muss jetzt weiter machen. Wir sehen uns am Freitag.“ Mit einem Klicken in der Leitung war das Gespräch auch schon beendet. Shuichi legte den Hörer aus der Hand und schüttelte den Kopf. Der Mensch war manchmal wirklich unmöglich. Shuichi erfuhr jedoch nicht das Sakiro an diesem Tag noch einen ungewöhnlichen Anruf erhielt, welcher ihn völlig überrumpelte, denn am anderen Ende der Leitung hatte er auf einmal den Sänger von der Band Nittle Grasper höchstpersönlich. Sakiro sprach wirklich mit Ryuichi Sakuma. Er war so verwirrt das er nicht genau darauf achtete was er auf die Fragen des berühmten Sängers antwortete und hatte ihm schnell verraten das “Death and Rebirth“ am Freitag wieder im Maxime in Osaka auftreten würden. Erst als das Gespräch geendet hatte fiel Sakiro auf was er getan hatte, doch er dachte nicht weiter darüber nach, denn was sollte schon der bekannte Ryuichi Sakuma von der unbekannten Band wollen. Die Tage verflogen und ehe sich Shuichi versah war es schon wieder Freitag. Dem kleinen schwarzhaarigem Sänger wurde bewusst, dass er in dieser Woche nicht ein einziges Mal traurig an sein vergangenes Leben gedacht hatte. Er stand im Bad vor dem Spiegel und betrachtete prüfend sein Spiegelbild. Auch wenn es ihm wieder besser ging so waren seine Augen immer noch leer und ausdruckslos, aber das würde außer der Musik auch nichts ändern können. Shuichi straffte seine Schultern, zumindest nannte ihn niemand mehr einen Idioten und selbst im Unterricht kam er gut mit. Er konnte eigentlich Stolz auf sich selbst sein, doch etwas anderes wäre ihm viel wichtiger. Shuichis Silhouette im Spiegel fiel regelrecht in sich zusammen. Nur mit Mühe konnte er ein neuerliches Aufwallen des Schmerzes unterdrücken. Würde er es schaffen diesen Mistkerl aus seinem Herzen zu verbannen? Den Menschen den er liebte und der ihn so tief verletzt hatte? “Taki, jetzt komm endlich. Wir sind spät dran!“ Shuichi reagierte nicht, er starrte weiterhin wie gebannt sein Spiegelbild an. Erst als ihm jemand auf die Schulter klopfte schreckte er auf und erkannte das besorgte Gesicht Subaros hinter sich. “Alles ok?“ Shuichi nickte stumm. Nein, eigentlich war nichts in Ordnung. Mühsam riss er sich zusammen und lächelte seinem Bandkollegen entgegen. “Ja alles klar.“ Subaro zog zwar überrascht eine Augenbraue hoch, hakte jedoch nicht weiter nach. “Na dann los, sonst kommen wir zu spät!“ Die drei erreichten noch relativ pünktlich aber außer Atem das Maxime und begannen sich auf ihren Auftritt vorzubereiten. Jeder ging noch einmal für sich die Auswahl der Lieder durch und dann war auch schon die Zeit gekommen. Sie fingen an zu spielen und während Shuichi sang wanderte sein Blick unauffällig durch den Raum. Das Maxime war wieder voll. Er entdeckte Sakiro an einem der vorderen Tische, doch die dunkle Gestalt mit dem tief ins Gesicht gezogenem Basekap beachtete niemand. Nach einer Stunde, viel Applaus war die Band bei ihrem letzten Lied angelangt. “Das folgende Lied wird für den heutigen Abend das letzte sein. Freuen sie sich auf *Love and Hate*!“ Wieder wurde begeisterter Applaus laut, doch er verebbte als Tenshi anfing die ersten Klänge anzustimmen. “Ich hasse dich, weil ich dich liebe und diese liebe mich zerbricht. Du hast nie etwas für mich empfunden, mich nur ausgelacht und gequält, dafür hasse ich dich. Love and Hate, Liebe und Hass, liegen sie wirklich so nah zusammen? Ich hasse dich weil ich dich liebe. So sehr das sie mich zerstört. Will dich vergessen, es ist vorbei und doch quälst du mich selbst jetzt noch.“ Shuichi holte während des Zwischenspiels kurz Luft als sich eine kräftige und ihm so bekannte Stimme vom anderen Ende des Raumes einmischte. “Love and Hate, Liebe und Hasse, liegen sie wirklich so nah zusammen?“ Shuichi stutzte und schaute suchend durch den Raum. Konnte es wirklich sein? Er entdeckte die Gestalt die sich langsam durch die Tische schlängelte und auf ihn zukam. Völlig aus dem Konzept gebracht wiederholten Tenshi und Subaro das Zwischenspiel und gerade noch rechtzeitig fing sich Shuichi wieder und stimmte zusammen mit Ryuichi noch einmal in den Refrain ein. “Love and Hate, Liebe und Hass, liegen sie wirklich so nah zusammen?“ Ihre Stimmen passten sich wieder perfekt ineinander ein. Der Nittle Grasper Sänger hatte unter großem Gemurmel die Bühne erreicht und stand nun neben Shuichi. “An dem Tag an dem es vorbei war bin ich gestorben auch wenn ich weiterlebe.“ Ryuichi zwinkerte ihm kurz lächelnd zu und viel dann in seinen letzten Refrain wieder mit ein. “Love and Hate, Liebe und Hass. Ich hasse dich und doch liebe ich dich noch immer!“ Nachdem die letzten Töne der Musik verebbt waren herrschte überraschte Stille im ganzen Raum. Shuichi betrachtete seinen Freund und großes Vorbild verwundert. “Sorry, ich konnte nicht anders!“ Mit diesen Worten Zog er das Basekap vom Kopf und verbeugte sich galant vor dem schweigenden Publikum welches nun überrascht drein schaute. Man konnte nur leises Gemurmel hören. War das dort auf der Bühne wirklich der Berühmte Sänger von Nittle Grasper? “Verehrtes Publikum, ich danke euch und hoffe unser heutiges Special hat ihnen gefallen!“ Ryuichi verbeugte sich ein weiteres Mal und dann entbrannte ein reines Feuerwerk. Das Publikum jubelte und applaudierte. Hier und da wurde eine Zugabe gefordert und mit einem Blickwechsel zwischen den beiden Freunden stimmten sie gemeinsam noch einmal “Love and Hate“ an. Nach diesem Lied verabschiedeten sie sich von dem immer noch jubelnden und Zugabe fordernden Publikum und verschwanden hinter die Bühne. Shuichi konnte es immer noch nicht fassen. Wie hatte ihn Ryuichi nur gefunden? Tenshi und Subaro stürmten jetzt auf die beiden alten Freunde los, doch irgendwann waren sie endlich allein. Shuichi wusste gar nicht wie oder wo er anfangen sollte, aber das brauchte er auch gar nicht, denn sein Gegenüber nahm ihm den ersten Schritt ab. “Hallo Shu, oder sollte ich lieber Takashi sagen?“ Kapitel 4: Ein Wochenendbesuch, ein Kuss und späte Einsichten ------------------------------------------------------------- Kapitel 4 – Ein Wochenendbesuch, ein Kuss und späte Einsichten   „Ryuichi...was - was tust du hier?“ Immer noch verwirrt musterte Shuichi sein Gegenüber und bemerkt die leichte Traurigkeit im Blick seines alten Freundes. Freunde, ja das waren sie geworden, eigentlich kaum zu glauben. Er, Shuichi Shindou, war damals noch mit seiner Band Bad Luck der kleine Newcomer und er, Ryuichi Sakuma, als Sänger der Band Nittle Grasper berühmt, verehrt und sein eigenes großes Vorbild. Ryuichi war immer da gewesen wenn Shuichi an sich selbst zweifelte und doch hatte er auch diesen Freund mit seinem plötzlichen verschwinden bestimmt vor den Kopf geschlagen. Warum war er dann aber hier? „Glaubst du wirklich du könntest einfach so verschwinden, ganz als hättest du nie existiert?“ Die Gegenfrage Ryuichis riss Shuichi wieder aus seinen Gedanken. „Was?“ Überrascht blinzelte er kurz. „Schau Kugamoro, wir haben ihn gefunden. Endlich haben wir ihn wieder gefunden. Sag hallo zu Kugamoro, Shuichi!“ Unbewusst verdrehte Shuichi die Augen. Da war sie wieder diese unheimlich Verwandlung, denn vor ihm stand nun Ryuichis kindliches ich und hielt ihm mit ausgestreckten Armen seinen Stoffhasen unter die Nase. Seine großen Kulleraugen strahlten in kindlicher Begeisterung, als hätten sie nur Verstecken gespielt. „Verdammt, Ryuichi, lass den Quatsch!“ Seine Stimme war härter als beabsichtigt. Shuichi war einfach nur verwirrt und schon im nächsten Moment taten ihm seine Worte leid, denn die großen Kulleraugen des kindlichen Ryuichi füllten sich langsam mit Tränen. Shuichi konnte sich denken was nun kommen würde. Sie hatten eine ähnliche Situation schon einmal und danach durfte er den kleinen Sänger lange verfolgen. „Es tut mir leid Ryu...“ „Warum ist er nur so gemein zu uns Kugamoro? So habe ich Shuichi gar nicht mehr lieb!“ Mit diesen Worten hatte Ryuichi auch schon auf dem Absatz kehrt gemacht und war aus dem Raum gestürzt. Warum konnte man auch nicht ein einziges Mal mit Ryuichi vernünftig reden? Shuichi hasste diese zwei Gesichter von ihm. Nur ganz kurz flammte die Erinnerung ihres ersten Fernsehauftritts wieder auf. Wie begeistert hatte er dem kindlichen Ryuichi auf der Bühne noch zu gewunken und wie geschockt war er als mit einsetzen der Musik plötzlich ein ganz anderer Ryuichi Sakuma vor ihm stand. Plötzlich war er Profi, einer der größten Sänger mit einem unglaublichen Charisma. In diesem Moment war er für Shuichi unüberwindbar und diese Erkenntnis ließ ihn unter Tränen zusammenbrechen. Benommen schüttelte er diese Erinnerung ab. Diese Zeit war vorbei und so etwas würde auch nie wieder geschehen. Seufzend machte sich Shuichi auf den Weg seinen kleinen Freund zu suchen. Das würde eine lange Nacht werden.   „Was soll das heißen sie können keine Namen weitergeben? Ich will doch nur ein klares JA oder NEIN, ist der Sänger der Band *Death and Rebirth* ein gewisser Shindou Shuichi? Das kann doch wohl nicht so schwer sein oder?“ Yuki Eiri war langsam am Ende seines Geduldfadens angelangt. Was bilden die sich bei diesem Regionalsender eigentlich ein? „Es tut mir leid, ich darf keine Namen weitergeben...“ Da war wieder dieser Satz. „Ich will doch gar keinen Namen, verdammt wollen sie mich auf den Arm nehmen? Verbinden sie mich dann wenigstens mit dem Moderator der Sendung, das dürfen sie ja wohl oder?“ Ungeduldig trommelten Yukis Finger auf dem Lenkrad seines Autos. Seine Nerven waren aufs äußerste gespannt. Noch so ein dummer Spruch und er würde wirklich explodieren. „Sakiro Sumagari. Ich freue mich sie mal am Telefon zu haben Yuki Eiri, sagen sie jetzt nicht sie wollen unserem Sender doch noch ein Interview geben?“ „NEIN!“ Sakiro war sofort auf der Hut, hatte er vielleicht etwas verbrochen? Yuki Eiri, das wusste er ja bereits, galt so oder so als unnahbar und leicht reizbar, aber eigentlich hatte er mit ihm noch nie etwas direkt zu tun gehabt. „Was kann ich dann für sie tun?“ Yuki seufzte entnervt, also noch einmal alles von vorn. „Sumagari, sie könnten mir eine ganz einfache Frage beantworten und kommen sie mir ja nicht mit dem Satz: Ich darf keine Namen weitergeben, denn den habe ich gerade bei der Dame am Empfang schon zu oft gehört!“ Yuki holte Luft und zwang sich innerlich zur Ruhe. Wehe dieser Mensch würde jetzt auch wieder so etwas sagen. „Ich will eigentlich nur wissen ob der Sänger der Band *Death and Rebirth* ein gewisser Shindou Shuichi ist. Einfach nur ein JA oder ein NEIN. Ich will keine Namen!“ Stille entstand, denn Sakiro überlegte Fieberhaft am anderen was er ihm jetzt antworten sollte. Er durfte ja laut Vereinbarung keine Namen weitergeben, aber Yuki Eiri fragte ihn ja nur nach einem Shuichi und nicht nach Takashi. „Eigentlich darf ich keine weiteren Informationen weitergeben...“ Ein verächtliches Schnauben ertönte am anderen Ende der Leitung. „...aber Nein, der Sänger heißt nicht Shindou Shuichi.....Moment mal.... Shindou Shuichi, das war doch der Sänger dieser phantastischen Newcomerband...wie hieß sie gleich, Bad Luck?“ *Klack* Yuki hatte einfach aufgelegt bevor er noch weitere nervige Fragen beantworten musste. Außerdem ging es diesen Sumagari ja auch überhaupt nichts an. Trotzdem glaubte er diesem Moderator kein Wort, die Stimme war ihm einfach zu vertraut. Auch der Text, mal abgesehen das er wahnsinnig schlecht war, so konnte er auf Shuichis Gemütszustand entstanden sein. Yuki wusste das Shuichi viel über seine Gefühle geschrieben hatte. Der einzige der etwas mehr erfahren könnte war jetzt K also suchte der blonde Schriftsteller dessen Nummer aus dem Telefonbuch seines Handys und trommelte während des Läutens wieder mit den Fingern auf das Lenkrad. „Haben sie etwas neues, Yuki?“ Etwas verdutzt über die Begrüßung blieb er einen kurzen Moment still. „Nicht direkt, aber vielleicht habe ich eine interessante Spur! Hier im Regionalradio von Kioto haben sie grad ein Lied gespielt.“ Yuki machte eine kurze Pause. „Das haben Radiosender so an sich!“ Der nächste dumme Spruch. Yuki verdrehte wieder einmal die Augen. „Lassen sie die Scherze und hören sie mir zu. Die Gruppe hieß *Death and Rebirth* und die Stimme des Sängers, sowie der Text des Liedes kamen mir verdächtig bekannt vor. Der Radiosender gibt keine Informationen über die Band weiter, angeblich darf er das nicht, aber laut dem Moderator heißt der Sänger nicht Shuichi. Die Musik ist zwar eigentlich nicht seine Richtung, aber die Stimme und der Text passen zu ihm!“ Am anderen Ende der Leitung blieb es für einige Minuten still. „Death and Rebirth, Tod und Wiedergeburt. Sogar der Name der Band könnte zu Shuichi passen. Alles klar Yuki, ich werde sehen was ich heraus bekomme und melde mich bei ihnen!“ Wieder beendete Yuki das Gespräch ohne eine Verabschiedung, saß nun still in seinem Wagen und starrte nachdenklich vor sich hin. Der kleine Bengel musste doch irgendwo zu finden sein, niemand kann ganz verschwinden. Es schien ja fast so als hätte nie ein Shindou Shuichi existiert. Wut wallte wieder einmal in dem großen Blonden auf. Er war wütend auf Shuichi und das nur weil er immer noch seine Gedanken beherrschte. Warum konnte er diese kleine Nervensäge nicht einfach vergessen. Er hatte ihn doch immer loswerden wollen, warum suchte er ihn dann jetzt? Seufzend starte er seinen Wagen und machte sich wieder auf den Weg zu seiner „geliebten“ Familie. Er war so oder so schon spät dran und Yuki konnte sich die Stichelei seines Vaters schon wieder gut vorstellen. Wie er das hasste!   Shuichi hatte sich bereits quer durch die Bar gefragt bevor er endlich jemanden fand der gesehen hatte wohin Ryuichi Sakuma verschwunden war. „Meinst du den heulenden Bengel mit dem Stoffhasen?“ Bengel? Shuichis Augenbrauen zogen sich missbilligend zusammen, doch er schluckte eine scharfe Antwort herunter. „Ja!“ Der Mann ihm gegenüber deutete mit seiner Hand in Richtung Ausgang. „Der ist raus gerannt.“ „Raus?“ Ein kurzes Nicken kam noch einmal zur Bestätigung. „Oh verdammt!“ Shuichi sputete sich seinem alten Freund zu folgen. Wohin konnte Ryuichi nur gegangen sein? Er stand unschlüssig auf dem Gehweg und betrachtete suchend die nähere Umgebung. Sein Blick blieb an dem jetzt nur noch spärlich beleuchteten Park auf der anderen Straßenseite hängen. Saß dort hinten nicht jemand im schwachen Licht einer Laterne? Langsam überquerte Shuichi die Straße, betrat den Park und näherte sich zaghaft dem dunklen Umriss. Als er dichter herankam stellte er erleichtert fest das es wirklich Ryuichi war der dort mit angezogenen Beinen und gesenktem Kopf saß. „Ryu, ich...es tut mir leid! Ich wollte dich nicht...“ „Was ist nur mit dir geschehen Shu? Was ist passiert das du einfach verschwindest, dich auflöst als hättest du nie existiert?“ Ryuichis sprach mit ihm ohne den Kopf zu heben. Was sollte er ihm sagen? Die Wahrheit? Eine Lüge? Shuichi wollte doch lieber alles vergessen, doch wie sollte er das, jetzt wo Ryuichi hier vor ihm saß? Er schwieg. „Shuichi?“ Der Angesprochene hob den Blick von seinen Füßen und blickte in Ryuichis traurige Augen. „Shuichi, sag was haben wir dir getan das du uns einfach so, ohne eine Erklärung stehen lässt?“ Shuichi seufzte leise und setzte sich endlich neben seinen alten Freund. „Es ist viel geschehen Ryu, ich bin nicht mehr so wie ich damals war. Dieser Mensch existiert nicht mehr!“ Ryuichi nickte und wieder entstand ein bedrückendes Schweigen zwischen den Beiden. „Ich habe deine Veränderung sofort bemerkt als ich dich auf der Bühne sah. Nicht deine äußerliche Veränderung, aber deine Augen. Du singst zwar immer noch mit dem Herzen, aber anders, da ist keine Freude, kein Glück mehr in deinem Gesang. Shu, was ist passiert? Wer hat das getan?“ Ryuichi erhielt als Antwort nur ein verächtliches Schnauben. Wieder schweigen. Ist es denn noch wichtig wer das getan hat oder was geschehen ist? Die Zeit kannst auch du nicht zurück drehen. Shuichi Shindou existiert jetzt eben nicht mehr.“ Ryuichi musterte seinen ehemals so lebenslustigen Freund von der Seite. „Es war Yuki Eiri, oder?“ Shuichi zuckte erschrocken zusammen, erwiderte jedoch nichts. Dieses Gespräch wurde immer unangenehmer, er wollte nicht darüber reden, nie wieder. „Ist doch egal.“ Abrupt stand er auf und drehte dem erschrockenen Ryuichi den Rücken zu. „Shu, es tut mir leid. Entschuldige bitte!“ Mit hängenden Schultern stand Shuichi eine Weile schweigend einfach nur da. „Ist schon gut Ryu, aber was tust du hier? Warum hast du mich gesucht und vor allem wie hast du mich gefunden?“ Ein leises Lachen veranlasste Shuichi sich wieder zu seinem Freund umzudrehen. „Du wirst es nicht glauben, aber es war wirklich ein absoluter Zufall.“ Überrascht betrachtete Shuichi sein gegenüber. „Also hast du mich gar nicht gesucht?“ Jetzt lächelte ihn Ryuichi traurig an. „Doch, aber es war ein Zufall das ich dich gefunden habe. Eigentlich war es nur durch das Lied im Radio!“ „Wie...wieso hast du es gehört? Das war doch nur ein Lokalsender aus Kioto.“ Jetzt war Shuichi völlig verwirrt und langsam machte sich eine gewisse Panik in ihm breit. Was wenn auch K auf dieses Lied stoßen würde? Benommen schüttelte er den Kopf. Nicht gleich den Teufel an die Wand malen. Seine erschreckenden Gedanken wurden wieder unterbrochen als Ryuichi fortfuhr. „Du hast schon recht, das Lied lief nur in Kioto und es war wie gesagt ein absoluter Zufall dass ich es gehört habe. Wir hatten gestern dort ein Konzert. Daher waren wir in Kioto!“ Shuichi erinnerte sich darüber etwas gelesen zu haben. Eigentlich sollte er mit seinen Freunden auch zu diesem Nittle Grasper Konzert, doch er hatte sich strikt geweigert. „Die anderen waren auch schon früher abgereist, aber da wir ein paar Tage keinen Auftritt hatten blieb ich noch in der Stadt um mich ein bisschen zu entspannen.“ Ryuichi schmunzelte immer mehr über Shuichis überraschtes Gesicht. „Als ich dann am Mittwoch in der Lobby des Hotels stand hörte ich dieses Lied. Deine Stimme würde ich immer wieder erkennen, also habe ich den Moderator der Sendung bearbeitet. Der war so überrumpelt als er plötzlich Sakuma Ryuichi am Telefon hatte, dass er gar nicht mehr darauf achtete was er erzählte. So erfuhr ich das ihr heute Abend in dieser Bar auftreten würdet und so bin ich hierher gekommen.“ Also hatte sich Sakiro doch verplappert. Na prima, was er wohl noch alles verraten hatte und vor allem wem? „Aber warum bist du hier?“ Ein kurzes Schnauben. „Glaubst du wirklich ich akzeptiere dass du einfach so verschwindest? Du bist derjenige den ich am meisten bewundert habe. Deine Energie, dein Ehrgeiz und vor allem dein Herz. Du warst immer offen, warst nie irgendwie neidisch auf andere. Shuichi glaub mir, nicht ich war dein großes Vorbild sondern du meins. Du warst so wie ich gerne gewesen wäre und außerdem: Du warst, bist und wirst immer mein Freund bleiben!“ Jetzt konnte er Ryuichi wirklich nur noch mit großen Augen ansehen. Alles hatte er erwartet, aber das nicht. So saßen sie noch einige Minuten schweigend nebeneinander, bis sich Shuichi doch langsam fröstelnd über die Arme fuhr. „Bleibst du noch hier oder musst du wieder zurück?“ Ein leises Seufzen war zu hören. „Ich muss am Montag wieder in Tokio sein.“ „Dann bleib doch über das Wochenende hier!“ Shuichi zuckte unmerklich zusammen. Warum hatte er Ryuichi das jetzt vorgeschlagen? Er wollte doch seine Vergangenheit hinter sich lassen und jetzt lud er ein großes Stück davon ein über das Wochenende hier in Osaka zu bleiben? „Meinst du das wäre eine gute Idee?“ Ertappt sah Shuichi auf und seinem Freund direkt in die Augen. Ryuichi konnte doch nichts für das Geschehene in seiner Vergangenheit und immerhin war er sein Freund. Steif setzte er ein kleines Lächeln auf. „Na klar, los komm.“ Ohne auf einen weiteren Einwand zu warten zog er Ryuichi hinter sich her, zurück ins Maxime, zurück zu seinen Bandkollegen, die sie schon neugierig erwarteten.   „Sag mal woher kennst du Sakuma Ryuichi?“ Tenshi war noch nie zurückhalten gewesen und so bombardierte er Shuichi auch jetzt gleich mit Fragen. „Shu ist ein ganz alter Freund von mir!“ „Shu?“ Ryuichi holte erschrocken Luft. Er hatte Shuichi doch nur helfen wollen und sich prompt verplappert. Der Rippenstoß von seinem Freund kam jetzt auch zu spät. „Naja,“ mischte sich Shuichi nun ein,„mein zweiter lautet Shuiro, aber wehe ihr lacht jetzt!“ Die beiden Freunde grinsten nur verstohlen und auch Ryuichi atmete erleichtert auf. „Grad noch mal die Kurve gekriegt.“ Zischte Shuichi seinem Freund zu, welcher ihm nur einen entschuldigenden Blick schenkte. Nachdem sich endlich die erste Aufregung über den berühmten Besuch gelegt hatte und alle Sachen gepackt waren konnten sie endlich gemeinsam die Bar verlassen. Es war schon weit nach Mitternacht als Subaro die beiden Freunde vor Shuichis Haus absetzte und sie sich verabschiedeten. „Denk morgen an die Probe Taki!“ Shuichi nickte kurz und schon fuhr der Wagen wieder weiter. „Komm schon Ryu, langsam ist mir echt kalt!“ Verwundert betrachtete der Angesprochene das Haus. „Hier wohnst du?“ Die überraschte Stimme seines Freundes ließ Shuichi mitten in der Bewegung verharren. „Ja, dieses Haus gehörte meinen Großeltern. Mein Opa hat es mir vermacht, aber nun komm endlich.“ Ungeduldig öffnete er die Tür und wartete das Ryuichi endlich eintreten würde. „Es ist so schön ruhig hier!“ Shuichi lachte kurz auf. „Naja Ryu, das liegt vielleicht daran das das hier nicht Tokio ist?“ Er schob den Nittle Grasper Sänger energisch ins Haus und schloss endlich die Tür. Doch als er sich wieder zu Ryuichi umdrehte um ihn zu fragen ob er Durst oder Hunger hätte war dieser schon mit Kugamoro im Arm auf Erkundungstour durch das Haus. Ein Lächeln machte sich auf Shuichis Gesicht breit, als er seine Sachen in eine Ecke stellte, in der Küche etwas zu Trinken holte und den kleinen Innenhof betrat. Ryuichi saß auf der Stufe der Veranda und ließ seinen Blick über die kleine grüne Oase wandern. „Das ist ja phantastisch hier.“ Seine Stimme war nur ein Hauch. In Shuichi breitete sich langsam ein warmes Gefühl aus. Es war doch die richtige Entscheidung gewesen Ryuichi über das Wochenende einzuladen. Es war schön wieder einen richtigen Freund um sich zu haben. „Hier!“ Shuichi hielt ihm ein Glas hin und als Ryuichi aufsah erkannte er zu seiner Zufriedenheit wieder einen kleinen Funken Lebensfreude in den Augen seines Freundes. Eine Weile saßen sie wieder schweigend nebeneinander, jeder in seinen Gedanken gefangen. „Ich bin echt froh dass ich dich gefunden habe.“ Shuichi schreckte zusammen als Ryuichis Stimme das Schweigen wieder brach. „Wirst du es den anderen erzählen? Ich meine das du mich gefunden hast?“ Die Angst K könnte erfahren wo er wäre hatte ihn die ganze Zeit über noch nicht losgelassen. Das wäre wirklich das Schlimmste was passieren könnte, denn Shuichi war sich sicher das K ihn mit allen Mitteln wieder zurück nach Tokio, zurück in sein altes Leben schleifen würde. Ein kalter Schauer lief seinen Rücken hinunter. „Na klar werde ich das!“ Shuichi riss erschrocken die Augen auf. „Sag mal was denkst du eigentlich von mir? Natürlich werde ich es keinem erzählen! Es wusste ja auch niemand das ich überhaupt nach dir suche und außerdem, solange niemand weiß wo du steckst, solange brauche ich dich auch mit niemandem teilen.“ Ryuichi hatte es wieder einmal geschafft seine Gefühle Achterbahn fahren zu lasen. Zum einen schämte sich Shuichi das er ihm zutraute ihn zu verraten auf der anderen Seite war er sich jetzt nicht so sicher was sein Freund mit seiner letzten Aussage meinte. Verwirrt musterte der kleine schwarzhaarige Sänger Ryuichi mit einem verwirrten Blick. Das kindliche Ego Ryuichis war verschwunden, vor ihm saß wieder der Nittle Grasper Sänger mit dieser wahnsinnigen Ausstrahlung und lächelte ihn in einer Art und Weise an, die Shuichi leicht erröten ließ. Mit diesem Lächeln könnte er wirklich jedem gefährlich werden. Erschrocken über seine eigenen Gedanken löste Shuichi letztendlich den Blickkontakt und ließ seinen Blick lieber über den Innenhof streifen in der Hoffnung der andere würde seine Unsicherheit nicht bemerken. „Weißt du eigentlich, das du zum anbeißen aussiehst wenn du Rot wirst?“ Ein warmer Atem streifte sein Ohr und jagte Shuichi wieder einen Schauer über den Rücken. Als er erschrocken den Kopf drehte stieß seine Nasenspitze gegen Ryuichis. Warum war er auf einmal so nah? Shuichi sprang auf und brachte sich somit auf Distanz zu ihm. Da war schon wieder dieses Lächeln. Machte er sich nur über ihn lustig? „Wir sollten schlafen gehen, der Abend war schon lang genug! Komm ich zeige dir das Gästezimmer.“ Ohne sich umzudrehen ging er bis zur Tür und wartete dann geduldig bis er Ryuichis Schritte hinter sich hörte. Er ging voran bis zum Gästezimmer des Hauses und schob die Tür auf. „Es ist nicht das Ritz, aber ich hoffe du fühlst dich trotzdem wohl.“ Shuichi trat zurück und senkte den Blick. Er konnte Ryuichi jetzt nicht in die Augen sehen, dafür war er viel zu verwirrt. Eigentlich wollte er nur noch weg, wollte alleine sein, doch als er sich umdrehte um zu gehen wurde er auf einmal von starken Händen gepackt und gegen die Wand des Flurs gedrückt. Shuichi sah nicht auf, aber weg konnte er auch nicht. Ryuichis Hände hielten ihn regelrecht an die Wand genagelt und sein Körper dicht vor seinem versperrte die Flucht nach vorn. „Shuichi, sie mich an verdammt!“ Er sah auf, erkannte das ärgerliche Funkeln in dem Gesicht vor sich. So hatte er noch nie mit ihm gesprochen. „Sag mir was wünscht du dir? Hast du nicht einen Wunsch für die Zukunft?“ Schoss es Shuichi spontan durch den Kopf. Sein Gesicht verdunkelte sich wieder und auch der kleine Funke Lebensmut verschwand erneut aus seinen Augen. „Nein, nichts!“ Seine Stimme war nur ein Flüstern kaum hörbar, denn diese beiden Wörter kosteten ihn eine Menge Kraft. „Ich habe einen Wunsch, ich wünsche mir dass du wieder lachst und dafür werde ich sorgen.“ Shuichi hatte den Blick wieder auf den Boden gerichtet. So ließ Ryuichi einen Arm von ihm los und packte mit der freien Hand unter sein Kinn und zwang ihn aufzuschauen. Er zwang Shuichi ihm in die Augen zu schauen, als sich sein Gesicht immer weiter näherte. Shuichis Augen wurden groß, er würde doch nicht...Ryuichis Kuss ließ ihn seinen Gedanken nicht zuende denken. Shuichi versteifte sich, war hin und her gerissen. Was sollte er tun? Ihn abwehren? Das wäre die vernünftigste Entscheidung. Ryu war doch sein Freund da sollte so etwas nicht geschehen und doch breitete sich genau in diesem Moment ein wunderbares Gefühl von Wärme in Shuichi aus. Dem kleinen Sänger wurde klar dass er so einsam gewesen war. Er hatte sich nach Wärme gesehnt und doch war die hier nicht richtig – nicht ganz zumindest!  Doch für diesen einen Moment war es Shuichi egal. Er schloss die Augen, ließ es geschehen. Bevor er jedoch anfangen konnte diesen Kuss und die Wärme zu genießen zog sich Ryuichi von ihm zurück und gab den Kleineren frei. „Gute Nacht Shu!“ Mit diesen Worten war er im Zimmer verschwunden und hatte die Tür geschlossen. Zurück blieb ein völlig verwirrter Shuichi, der nach einigen Minuten langsam in sein Schlafzimmer ging. Warum hatte Ryuichi das getan? Sie waren doch Freunde, oder war da mehr? Shuichis Gedanken drehten sich im Kreis. Irgendwann gegen Morgen übermannte ihn schließlich doch noch der Schlaf.   Shuichi träumte. Er sah sich wieder in Tokio, in Yukis Wohnung. *“Ich sollte dann besser gehen!“ „Du versprichst immer Dinge die du selbst nicht einhalten willst! Wenn du gehen willst dann geh, aber dann komm auch nicht ewig wieder zurück gekrochen. Verschwinde und bleib endlich weg!“ Yukis Stimme war so kalt, ohne jegliches Gefühl wie ein Eisblock. Er hatte ihn damals noch nicht einmal angesehen, noch nicht einmal das war er wert. Genau in diesem Moment wurde es Shuichi erst richtig bewusst. Yuki hatte ihn nur benutzt. Er war nur ein Spielzeug, das wenn man Langeweile hatte aus einer Kiste gekramt wird und wenn man ihm überdrüssig wird wieder in der Dunkelheit des Vergessens verschwindet. In eben diesem Moment zerbrach etwas in Shuichi, sein Blick wurde trübe und er spürte wie sich wieder Tränen ihren Weg bahnen wollten, doch dieses Mal würde er sie ihm nicht zeigen. Nie wieder würde er wegen ihm weinen. Das leise „leb wohl“ hatte Yuki gar nicht mehr gehört, denn er war bereits wieder in seine Arbeit vertieft gewesen. Leise hatte sich Shuichi aus dem Zimmer geschlichen, einige Sachen gepackt und hatte zum letzten Mal die Wohnungstür hinter sich zugezogen. Der Schlüssel für diese Tür lag auf dem Wohnzimmertisch, er brauchte ihn jetzt nicht mehr. Wie war es eigentlich so weit gekommen? Warum hatte er das alles nicht schon viel früher erkannt?*   „YUKIIIIIIII!“ Shuichi schreckte aus seinem Traum auf als ihn jemand vorsichtig an der Schulter berührte. Verwirrt brauchte er einige Sekunden um sich wieder zu orientieren. Es war wirklich nur ein Traum gewesen. „Shu, alles ok mit dir?“ Ryuichi saß neben ihm am Bett und betrachtete seinen Freund besorgt. Shuichi nickte leicht. „Ja schon gut, es ist nichts.“ Ryuichi strich ihm kurz über die Wange und hielt ihm dann den feuchten Finger vor die Augen. „So es ist nichts? Warum weinst du dann und warum hast du geschrieen?“ „Es war nur ein Traum Ryuichi. Nur ein Traum!“ Shuichi wusste nicht was er anderes sagen sollte, doch er erkannte auch das diese Worte seinen Freund nicht gerade beruhigten. Trotzdem nickte Ryuichi, stand auf und schickte sich an das Zimmer zu verlassen. An der Tür drehte er sich noch ein letztes Mal um. „Was ist nur geschehen Shuichi?“ Mit diesen Worten war er verschwunden. Shuichis Körper zitterte. Ihm war so kalt, nicht äußerlich aber sein Herz und seine Seele froren. Wann würden diese Erinnerungen endlich verblassen? Wann würde es endlich aufhören zu schmerzen?   Wieder wanderte Yuki im Gästezimmer seiner Eltern auf und ab. Die Uhr dort an der Wand zeigte bereits 3 Uhr nachts. K hatte ihm am Abend seine Informationen telefonisch mitgeteilt. Dabei handelte es sich bei der Gruppe *Death and Rebirth* um eine Studentengruppe der Universität in Osaka. Sie bestand aus drei Leuten, dem Keyboarder Tenshi, dem Schlagzeuger Subaro und dem Sänger Takashi Seigoru. Also kein Shuichi Shindou, aber diese Stimme. Yuki war sich immer noch sicher das es Shuichis gewesen war. Es passte einfach alles und doch zweifelte Yuki immer wieder daran. So viele Zufälle konnte es doch nicht geben. Wahrscheinlich redete er sich wirklich nur etwas ein. Müde barg Yuki seinen schmerzenden Kopf in den Händen. In seinem Leben funktionierte zurzeit gar nichts mehr. Er hatte häufig Kopfschmerzen, wurde wieder von Albträumen geplagt und schreiben konnte er auch nicht mehr. Er war leer besaß keinen Antrieb mehr. Oft zog er nächtelang durch die verschiedenen Clubs, suchte nach jemanden der ihm etwas Ablenkung verschaffen konnte. Nach jemanden der ihm endlich die Erinnerungen an Shuichi nahm. Doch auch wenn er in jedem Club die Blicke auf sich zog, so fand er niemanden den er hätte bei sich haben wollen. Dem Ganzen setzte der heutige Abend und das Wiedersehen mit Hiro die Krone auf. Hätte er gewusst das Shuichis bester Freund zusammen mit seiner Exverlobten Ayaka auch hier auftauchen würde wäre er nicht erschienen. Hiro zeigte an diesem Abend ganz offen was er von Yuki hielt und schnell war die Spannung zwischen ihm und Hiro kaum noch zu ertragen. Ayaka hatte als Leidtragende versuchte zwischen ihnen zu vermitteln, doch das scheiterte kläglich. Zwischen ihnen gab es nichts zu vermitteln, denn in Hiros Augen war er, Yuki, der Schuldige an allem was geschehen war. Yukis aufgeplatzte Unterlippe war der beste Beweis dafür. Das war ein nettes kleines Abschiedgeschenk von ihm. Jedoch war es noch nicht genug in Hiros Augen der Schuldige zu sein, nein auch sein Vater musste wieder einmal seine Vorhaltungslitanei über seinen missratenen Sohn herunter rattern. Warum hatte er sich bloß auf diese Sache eingelassen? Müde lehnte sich Yuki auf dem Stuhl zurück und schloss die Augen. Er schlief ein, träumte wieder von diesem einen schrecklichen Ereignis in New York, von Yuki und dessen kaltem Blick. Dann wechselte das Bild und er fand sich genau im selben Zimmer wieder doch war es nun zerfallen und leer. Es der Abend an dem Shuichi ihn dort gefunden hatte, doch jetzt hörte er nur seine eigenen Gedanken an jenem Abend.   *Du hast mich also gehasst, aber warum? Ich verstehe es nicht, warum hast du nie etwas gesagt?*   Erneut wechselte das Bild und er saß wieder in seinem Arbeitzimmer. Nicht wieder dieser Abend, nicht wieder diese Augen!   *Dann sollte ich jetzt besser gehen* *Du versprichst immer Dinge die du selbst nicht einhalten willst! Wenn du gehen willst dann geh, aber dann komm auch nicht ewig wieder zurück gekrochen. Verschwinde und bleib endlich weg!*   Warum? Warum musste er in jedem dieser Träume immer wieder die gleichen kalten Worte hören, immer wieder die gleichen leeren Augen sehen?  Damals hatte er so getan als würde er sich wieder in seine Arbeit vertiefen, doch er hatte Shuichis Augen gesehen, hatte genau bemerkt wie etwas in ihm zerbrach, doch er war so genervt, dass er nichts unternehmen wollte. Damals war er fest der Meinung gewesen das Shuichi das schnell vergessen hätte, doch dann war dieser wirklich gegangen. „Shuichi!“ Yuki schreckte auf. Immer wieder diese Albträume. Warum konnten die nicht einfach aufhören. Was hatte Yuki aus seiner Kindheit mit Shuichi zu tun? Dann sah der blonde Schriftsteller zum ersten Mal alles ganz klar. Er war Yuki! Yuki hatte damals sein Leben zerstört, hatte ihn benutzt und verkauft, also nichts anderes als er jetzt mit Shuichi getan hatte. Shuichi musste auch denken er habe ihn nur benutzt wie ein Spielzeug, so wie er es am Anfang ja auch vorhatte, doch dann hatte sich so viel geändert. Er war doch kein Spielzeug mehr für ihn gewesen, aber hatte er es dem Kleinen irgendwann einmal gesagt oder hatte er es ihm wirklich gezeigt? Yuki wischte sich über seine müden Augen. Verdammt, Shuichi dachte wahrscheinlich auch er hätte ihn nur gehasst und benutzt. Was hatte er getan?  Er war nicht besser gewesen als Yuki Kitazawa – gut er hatte die kleine Nervensäge zwar nicht für ein paar lausige Dollar verkauft, aber sonst war er genau so ein, wie sagte seine Schwester immer – gefühlskaltes Arschloch gewesen. „Eiri?“ Yuki horchte auf. Das war doch Mikas leise Stimme an der Tür und richtig ein blonder Kopf lugte vorsichtig durch die Tür. „Darf ich reinkommen?“ Er nickte kurz und richtete seinen Blick dann wieder auf einen imaginären Punkt vor sich. „Weißt du eigentlich wie spät es ist? Was willst du Mika?“ Sie ging langsam auf ihn zu und legte vorsichtig eine Hand auf seine Schulter. Yuki zuckte zusammen, er hasste solche Berührungen. „Du hast eben geschrieen, ich wolle nur nachsehen ob alles in Ordnung ist!“ Er hatte geschrieen? Der Traum! Wer hatte das noch alles gehört? „Es ist alles ok!“ Mikas Hand ließ seine Schulter los und sie setzte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl. Anscheinend wurde er sie so schnell nicht wieder los. „Ist noch etwas?“ „Sag mal Eiri, wie lange willst du eigentlich Thoma noch ignorieren? Lass dir doch von ihm helfen.“ Ein verächtliches Schnauben. „Thoma und helfen! Thoma hilft nur wenn er die Kontrolle über mich zurückbekommen kann. Nein, danke!“ Yukis Stimme senkte sich zu bösen Knurren. „Er hat zuviel zerstört. Mika du weißt selbst wie oft er gegen Shuichi gearbeitet hat.“ Seine Schwester lehnte sich mit einem tiefen Seufzer auf dem Stuhl zurück. „Weil wir alle dachten er ist nicht gut für dich! Vielleicht war das nicht richtig, aber wir wollten nur das Beste für dich!“ „Ihr wolltet nur das Beste für mich? Wenn ich das schon höre, DAS BESTE. Woher verdammt noch mal wolltet ihr wissen, was für mich das Beste ist? Ich bin kein kleines Kind mehr, ich weiß was für mich gut ist und was nicht. Was nehmt ihr euch eigentlich raus zu sagen ihr wisst was für mich das Beste ist?“ Jetzt war Yuki endgültig der Kragen geplatzt. Immer wieder dieser Satz, wie er ihn hasste. Mika hatte sich seine Tirade äußerlich unbeeindruckt angehört. Sie war nicht leicht aus der Ruhe zu bringen. „Eiri, sieh dich doch an? Du bist ein Wrack, nicht in der Lage dein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Bist du dir so sicher das du wirklich weißt was das Beste für dich ist?“ In Yukis Augen blitzte es gefährlich auf als er auf ihre Frage antwortete. „Woran liegt es wohl das es mir nicht gut geht? Immer wieder habe ich mich von euch beeinflussen lassen, immer wieder habt ihr Shuichi verunsichert und ihr habt es ja auch geschafft uns zu trennen. Doch mir ist jetzt klar geworden das ich das gar nicht wollte, ich wollte nicht das er verschwindet, sondern ihr!“ Yuki stockte, holte Luft und versuchte sein aufgebrachtes Inneres wieder in den Griff zu bekommen. „Ihr wollt mir helfen? Dann dreht die Zeit zurück und haltet euch aus meinem Leben raus!“ Ein trockenes Lachen von Mika war die erste Antwort. „Eiri, jetzt hörst du dich selbst schon an wie dieser kleine Traumtänzer Shindou. Komm mal wieder zurück auf den Boden der Tatsachen! Ok, vielleicht haben wir wirklich Fehler gemacht, aber die lassen sich nun einmal nicht beheben, aber wir können dir helfen über dein kleines Spielzeug hinweg zu kommen.“ Hatte er gerade richtig gehört? Nur mit Mühe unterdrückte Yuki die aufwallende Wut. „Jetzt reicht es wirklich Mika! Ich brauche keine Hilfe dabei Shuichi vergessen zu wollen. Ich werde ihn suchen und finden. Ich denke wir sollten dieses Gespräch jetzt beenden, denn es führt zu nichts!“ Mit diesen Worten erhob sich Yuki und öffnete auffordernd die Tür. „Aber, Eiri...“ „Geh, Mika, unser Gespräch macht keinen Sinn!“ Sie gab sich geschlagen und verließ sein Zimmer und ließ ihren Bruder wieder allein mit seinen Gedanken! Yuki schloss die Tür hinter seiner Schwester. Wieder kam eine alte Erinnerung in ihm hoch. Er lag nach einem Zusammenbruch im Krankenhaus. Mika und Thoma waren die ersten die an seinem Krankenbett auftauchten.   *Hör mal Eiri, es wäre besser wenn du dich von Shindou trennen würdest. Geh nach Amerika oder Europa, da kannst du auch Bücher schreiben.*   Was hatte er damals geantwortet?   *Tja New York wäre nicht schlecht. Was meint ihr? Bis dahin wird er mich wohl nicht verfolgen oder? Jetzt mal im Ernst, es täte mir wirklich gut wenn ich diesen Stressfaktor los wäre!*   Warum hatte er so etwas gesagt? Gemeint hatte er das nicht und er konnte auch nicht ahnen das Shuichi damals vor der Krankenzimmertür gestanden hatte.   *Ich will mich ja nicht in dein Privatleben einmischen, Eiri, aber wenn ich mir so ansehe was aus dir geworden ist, dann würde ich sagen, du solltest da so schnell wie möglich etwas unternehmen.*   Ja damals hatte er ihnen noch geglaubt.   *Du hast ja Recht. Wahrscheinlich ist es wohl das Beste wenn ich mich von ihm trenne!*   Was hatte Shuichi wohl in diesem Augenblick vor der Tür gefühlt? Doch woher sollte er auch ahnen dass dieser kleine Tollpatsch alles hörte? Erst als er an jenem Abend an seinem Bett stand, wurde ihm das wirklich klar. Er hatte geschlafen doch als Shuichi ihn küsste wurde er wach. Trotzdem schlug er damals nicht die Augen auf, irgendwie wusste er dass der Kleine ihm etwas sagen wollte und so lauschte er nur auf das, was da kommen würde.   *Weißt du, ich will nicht das du mich verlässt, aber noch viel weniger will ich das du meinetwegen leidest und deshalb....*   Diese Worte brannten sich tief in Yuki hinein.   *Ich will nicht das du meinetwegen leidest*. *Und deshalb?*   Mit diesen Worten hatte er Shuichi unterbrochen und ihm anscheinend den Mut genommen weiter über seine Gefühle zu reden. Augenblicklich schaltete der Kleine wieder auf albern. Was hatte er ihm damals wohl noch sagen wollen? Hatte er ihn vielleicht nur deshalb unterbrochen weil er nicht hören wollte dass er ihn gehen lässt?   *Vielleicht gehe ich wirklich nach New York!*   Yuki hatte ihm diesen Satz an den Kopf geworfen, weil er hören wollte was Shuichi darauf sagen würde. Würde er wieder wie ein kleines Kind betteln und sich an ihn klammern?   *OK wenn du unbedingt gehen willst, dann kann ich dich nicht aufhalten, aber ich kann ohne dich nicht leben Yuki. Ich meine, ich mag ja anstrengend sein, aber daran wirst du ja nicht gleich sterben oder? Ich aber würde sterben ohne dich.*   Er hatte alles erwartet, aber mit solchen Worten hatte er nicht gerechnet. Zum ersten Mal hörte sich der kleine Kindskopf richtig erwachsen an. Genau dort und zu dieser Zeit hatte er ihm gesagt das sie zusammen sein, aber hatte er sich wirklich auch danach verhalten? Nein, denn genau während ihres ersten gemeinsamen Ausflugs war er einfach verschwunden und hatte Shuichi im Ungewissen zurück gelassen. Yuki seufzte und steckte sich eine Zigarette an. Die ganze Grübelei brachte doch nichts. Er musste ihn einfach finden und mit ihm reden, auch wenn es wahrscheinlich viel zu spät dafür war.   *Du rauchst zu viel!*   Wie oft hatte Shuichi das zu ihm gesagt? Ein schwaches Lächeln umspielte Yukis Mund und ließ sein sonst so starres Gesicht weicher wirken.   Irgendetwas hatte Shuichi geweckt, doch er wollte die Augen einfach nicht öffnen. Er war so müde, als wäre er gerade erst eingeschlafen, aber da war dieser Geruch. Shuichi schnupperte. Frischer Kaffee! Vorsichtig öffnete er ein Auge und erschrak fürchterlich als er Ryuichis fröhlich grinsendes Gesicht vor sich sah. „Guten Morgen Schlafmütze. Los komm steh auf, ich hab uns Frühstück gemacht!“ Er hielt Shuichi einen großen Becher voll dampfendem Kaffee hin und wartete darauf das dieser ihn entgegen nahm. „Du hast was gemacht?“ Mit einem Ruck saß er aufrecht im Bett und starrte immer noch verwundert von dem Kaffee zu seinem Freund. „Frühstück und jetzt beeil dich.“ Mit diesen Worten verschwand Ryuichi pfeifend aus dem Zimmer. Shuichi verstand die Welt nicht mehr, warum tat Ryuichi das alles? Nur weil sie Freunde waren oder war da vielleicht doch mehr? Er erinnerte sich an den gestrigen Abend, ans sein Auftauchen, an das was Ryuichi zu ihm alles gesagt hatte und an den Kuss, der ihn erschreckte, aber auch neugierig machte. Kopfschüttelnd stand Shuichi auf und folgte nach einem Besuch im Bad Ryuichi in die Küche. „Ich wusste gar nicht dass du kochen kannst.“ Frühstück, so etwas hatte es schon lange nicht mehr bei ihm gegeben, aber das was sein Freund da gezaubert hatte roch einfach zu lecker. „Du weißt so einiges nicht über mich!“, lachte Ryu. Shuichis Magen fing an zu knurren, wann hatte er eigentlich das letzte Mal etwas gegessen? Gestern Mittag? Doch bevor er jetzt den ersten Bissen essen konnte klingelte es. Wer zum Teufel konnte um diese Zeit vor der Tür stehen. Unwillig erhob er sich jedoch von seinem Stuhl und öffnete die Tür. „Tenshi, Subaro. Was macht ihr denn hier?“ Subaro wandte sich grinsend an Tenshi. „Das ist doch eine nette Begrüßung und du hattest schon Angst er würde sauer sein! Dir aber auch einen schönen guten Morgen Takashi!“ Mit diesen Worten schob sich Subaro einfach an dem verdutzten Shuichi vorbei und zog Tenshi einfach hinter sich her. Dem Überrumpelten blieb nichts anderes übrig als mit einem gemurmelten „kommt doch rein“ die Tür zu schließen und den fröhlichen Begrüßungsrufen in die Küche zu folgen. Ryuichi hatte bereits zwei weitere Teller auf den Tisch gestellt und seine beiden Freunde ließen es sich nehmen kräftig zuzugreifen. „Nun sagt schon, was macht ihr hier?“ Seufzend hockte sich Shuichi wieder auf seinen Stuhl. „Na ist doch klar, oder? Wenn wir schon einmal so berühmten Besuch hier haben, dann wollen wir ihm doch auch etwas von unserer Stadt zeigen!“ Genau das hatte er befürchtet. Verstohlen lugte er zur Seite um Ryuichis Reaktion zu erkennen. Vielleicht waren ihm die beiden anderen zu aufdringlich, doch es schien als würde seine Sorge ganz unbegründet sein, denn Ryuichi ging freudig auf den Vorschlag ein und ließ Shuichi keine andere Wahl, als sich in sein Schicksal zu ergeben. Sideseeingtour - na prima! Schweigend stocherte er in seinem Frühstück herum, irgendwie war ihm der Appetit vergangen. „Nun komm schon, ein bisschen Ablenkung tut dir auch ganz gut!“ Wieder Ryuichis Stimme ganz nah an seinem Ohr, wieder der warme Atem der ihn kitzelte und einen Schauer über den Rücken jagte. Shuichi seufzte. „Sakuma hast du danach Lust mit uns zu proben? Euer Duett gestern war echt klasse. Sie Stimmen ergänzen sich phantastisch, ganz so als hättet ihr das schon öfters gemacht.“ Ryuichi setzte zu einer Antwort an, wurde jedoch frühzeitig von Shuichi mit einem Fußtritt zur Vorsicht ermahnt. „Klar, aber ob das noch mal so gut klappt ist eine andere Sache. Meist ist das nur ein Zufall.“ Schnell hatten die drei einen Tagesablauf abgesprochen, dem Shuichi nur schweigend zustimmte. So machten sie sich nach dem Frühstück auf den Weg und schlenderten kreuz und quer durch die Stadt. Nach und nach viel Shuichis innere Anspannung ein wenig ab. Ryuichi amüsierte sich wirklich prächtig.   Gegen Mittag saßen sie mit einer Kleinigkeit zu essen im Park und genossen das schöne Wetter. Das Klingeln eines Handys störte die fröhliche Runde. Alle vier griffen gleichzeitig in ihre Taschen und kontrollierten ihr Display, doch es war Ryuichis Handy. Er entfernte sich etwas und nahm das Gespräch an. „Thoma, was gibt es?“ Thoma! Was der wohl wollte? „Nein ich bin noch nicht wieder in Tokio....nein, ich bin noch bei einem Freund!“ Shuichi hörte aufmerksam zu, auch wenn er nur vereinzelte Fetzen des Gespräches auffangen konnte. „Hör zu, Thoma, das ist meine Sache. Ich werde Montag pünktlich im Studio sein, keine Sorge! Ich muss jetzt los....Es ist egal wo ich bin, wir sehen uns Montag!“ Ohne eine weitere Verabschiedung legte er einfach auf und starrte kurz wütend auf sein Handy. So hatte er ihn noch nie mit jemanden reden hören, hatte er Ryuichi überhaupt schon einmal wütend erlebt? Shuichi wandte schnell den Blick ab, er hatte nicht neugierig sein wollen. „Etwas Wichtiges?“ Shuichi konnte sich diese Frage einfach nicht verkneifen, doch Ryuichi schüttelte nur leicht den Kopf. „Thoma übertreibt nur mit seiner schlechten Laune und seinem Kontrollzwang.“ Damit war für Ryuichi das Thema beendet. Langsam wurde es Zeit sich auf dem Weg zur Probe zu machen. Fröhlich ausgelassen marschierten die drei vor Shuichi her, der tief in Gedanken einige Schritte zurück gefallen war. Thoma, wie er diesen Namen hasste. Dieser intrigante Mistkerl, was hatte er damals nicht alles getan um Yuki und ihn auseinander zu bringen. Jetzt war Thoma doch sicher wieder zufrieden, denn er hatte Yuki ja wieder für sich alleine. „Was grübelst du schon wieder?“ Shuichi schreckte ertappt auf. Er hatte gar nicht bemerkt wie Ryuichi sich hatte auch zurückfallen lassen und nun neben ihm ging. „Nichts, ich habe mich nur gerade an etwas erinnert.“ Ryuichi musterte besorgt das Gesicht seines Freundes, aber anscheinend wollte er immer noch nicht über das reden was vorgefallen war. So erreichten sie schweigend den Raum und fingen sogleich mit ihrer Probe an. „Ich habe übrigens die Noten für das neue Lied fertig, wollen wir damit anfangen Takashi?“ Shuichi nahm den entgegengehaltenen Notenzettel interessiert von Tenshi entgegen. „Spielt ihr einmal die Melodie durch, dann können wir von mir aus damit anfangen!“ Er hockte sich neben seinen Freund Ryuichi auf einen Stuhl und lauschte der Musik. „Diese Musik ist so anders!“ Shuichi nickte kurz. „Ja, sie passt aber besser.“ Er wartete nicht auf eine weitere Erwiderung Ryuichis sondern ging wieder zu seinen Freunden zurück. Die Einleitung erklang erneut und Shuichi suchte seinen Einsatz.   „Dein Herz schlägt leise, grausam und leer. Auf seiner Reise sucht es nach mehr. Alles gefriert an deiner Haut, alles gefriert an dir. Nichts ist kälter als deine Liebe, nichts ist kälter als deine Hand. Nimm dein Herz, du bekommst es wieder. Etwas tief in dir hat mich verbannt. Dein Herz zieht weiter durch diese Welt, es tötet heiter, wie es ihm gefällt. Alles gefriert an deiner Haut, alles gefriert an dir. Nichts ist kälter als deine Liebe, nichts ist kälter als deine Hand. Jedes Herz gefriert an dir.“  (Liedtext „nichts (ist kälter als deine Liebe)“ von Oomph!)   Ryuichi hatte aufmerksam gelauscht. Das Lied war schön und doch so voll Schmerz. Waren das Shuichis eigene? Die Band probte und probte bis alles perfekt zusammen passte, dann spielten sie noch einige andere Lieder durch. In allen Lieder spiegelten sich die gleichen Schmerzen wieder. Irgendwann war auch diese Probe zu ende und die Gruppe löste sich auf. Subaro und Tenshi verabschiedeten sich und machten sich in die entgegengesetzte Richtung auf den Weg nach Hause. Ryuichi und Shuichi schlenderten das kurze Stück bis zur nächsten U-Bahn Station schweigend nebeneinander her. „Die Texte sind schön, aber sie tun auch weh!“ Shuichi betrachtete seinen Freund traurig, antwortete jedoch nicht. „Sie spiegeln dich wieder, nicht wahr?“ Ryuichi beobachtete Shuichi genau. „Ja.“ Das war das Einzige was er darauf antwortete. Die nächste U-Bahn kam und bewahrte Shuichi vor weiteren unangenehmen Fragen. Der restliche Heimweg verlief weiterhin schweigend und nach einer halben Stunde waren sie endlich bei Shuichi angekommen. Gemeinsam machten sie es sich wieder im Innenhof bequem und genossen die milde Abendluft. „Ryuichi?“ „Hmm?“ „Erzähl mir von den anderen?“ Verwirrt schaute der Gefragte auf. „Welchen anderen?“ Shuichi zeichnete verlegen mit seinem Fuß Kreise auf dem Holzfußboden der Veranda. Eigentlich hatte er sich ja vorgenommen nicht danach zu fragen, aber nachdem Thoma heute Ryuichi angerufen hatte war er doch neugierig geworden. „Naja, weißt du wie es Hiro und Fujisaki geht? Erzähl mir doch was es alles Neues gibt!“ Ryuichi betrachtete seinen Freund schmunzelnd. Neugierde ist schon mal ein Schritt nach vorn. „Naja Fujisaki und Hiro haben sich geweigert mit einem neuen Sänger weiter zu machen und so ist Bad Luck offiziell aufgelöst worden.“ Shuichi nickte, das hatte er auch im Fernsehen verfolgt. „Was Hiro jetzt genau macht weiß ich nicht, aber Thoma erwähnte irgendetwas von einem Studium und Fujisaki spielt mittlerweile in einer anderen Band.“ Shuichi hatte den beiden gegenüber immer noch ein schlechtes Gewissen. Damals hatte er Hiro mit allen Mitteln wieder in Band zurückgeholt als er aufhören wollte, doch jetzt hatte er sie einfach im Stich gelassen. Ob ihm Hiro das irgendwann einmal verzeihen würde? „Ansonsten gibt es nicht viel Neues, außer das Thoma seit geraumer Weile nur noch schlechte Laune hat. K meinte mal er hätte einen Streit mit seinem Schwager gehabt. Die beiden reden anscheinend nicht mehr miteinander.“ Shuichi horchte auf. Thoma und Yuki hatten also Streit, worüber wohl? Nein, er wollte es gar nicht wissen. Es ging ihn ja nichts mehr an. „K ist also immer noch da?“ Ryuichis Gesicht nahm einen leicht gequälten Ausdruck an. „Ja, er ist jetzt Thomas rechte Hand und wir dürfen darunter leiden!“ Shuichi konnte seinen Freund gut verstehen, nur zu gut kannte er die radikalen Methoden des blonden Amerikaners mit seiner Magnum. „Wann musst du morgen eigentlich wieder weg?“ Erst jetzt viel Shuichi auf, das das Wochenende ja schon fast vorbei war. „Mein Flug geht morgen Mittag.“ Begeistert schien Ryuichi nicht zu sein, lag es vielleicht an Thomas ewiger schlechter Laune? Das Gespräch stockte und ein bedrückendes Schweigen hing zwischen den Beiden. Shuichi hatte die Augen geschlossen und hing seinen eigenen Gedanken nach. „Shuichi?“ Wieder Ryuichis Stimme ganz nah an seinem Ohr, doch dieses Mal schreckte er nicht zurück. „Hmm?“ „Willst du mir nicht endlich erzählen warum du dich einfach so in Luft aufgelöst hast?“ Jetzt öffnete er doch die Augen. Ryuichi musterte ihn traurig. „Eigentlich gibt es da gar nicht zu erzählen. Mir ist nur einiges klar geworden und ich wollte mich nicht mehr benutzen lassen, aber um endlich los zu kommen musste ich weg. Ich konnte einfach nicht mehr in Tokio bleiben.“ Shuichi zuckte mit den Schultern und hoffte das diese Aussage Ryuichi erst einmal zufrieden stellen würde. Mehr wollte er nicht erzählen, dafür tat es einfach zu weh. Zu seiner Erleichterung hakte Ryuichi nicht weiter nach, doch blieb er immer noch nah bei ihm sitzen. Viel zu nah, wie Shuichi auffiel. Diese Wärme, die sein Körper ausstrahlte, sein Geruch, das alles ließen ihm kleine Schauer über den Rücken laufen. Was war nur los? Ryuichi war sein Freund, doch er fühlte sich so einsam. Shuichi wollte mehr von dieser Wärme die so viel Geborgenheit ausstrahlte. Vorsichtig lehnte er sich an Ryuichi, egal ob es vielleicht falsch war. Er spürte wie Ryuichi überrascht Luft holte, aber er entzog sich nicht, sondern zog Shuichi noch näher zu sich. Entspannt schloss er wieder die Augen, zum ersten Mal seit langem fühlte er sich wieder etwas geborgen. So saßen sie noch eine ganze Weile zusammen und jeder der Beiden genoss die Anwesenheit des anderen.   In dieser Nacht wurde Shuichi von keiner schmerzenden Erinnerung heimgesucht und er schlief tief und fest bis ihn Ryuichi recht unsanft weckte. „Wach auf du Schlafmütze. Ich muss gleich zum Flughafen sonst verpasse ich meinen Flug!“ Erschrocken setzte er sich auf und sein Blick suchte seinen Wecker. Zehn Uhr? Schnell war er aus dem Bett gesprungen, hatte sich angezogen und gewaschen. „Entschuldige, ich habe wohl meinen Wecker nicht gehört!“ Shuichi stand in der Küchentür und betrachtete verlegen das von Ryuichi zubereitete Frühstück. War er nicht eigentlich Gast? „Ist schon ok. So, Frühstück ist fertig!“ Fröhlich wirbelte der braunhaarige Sänger durch Shuichis Küche. „Eigentlich bist du doch Gast hier!“ Ein verwunderter Blick musterte ihn. „Na und? Ich mach das doch gern!“ Ryuichi schob Shuichi auf einen Stuhl zu. „Du benimmst dich schon wie meine Mutter!“ Shuichi konnte es sich nicht verkneifen seinen Freund grinsend etwas zu necken. „Pff! Setzt dich und iss, es ist schon spät!“ Sie aßen schweigend und schon bald stand das von Ryuichi bestellte Taxi bereit um sie zum Flughafen zu bringen. Shuichi hatte darauf bestanden seinen Freund bis zum Flughafen zu bringen auch wenn der sich dagegen gesträubt hatte. Während der Fahrt schaute Shuichi aus dem Fenster und betrachtete die vorbeieilende Landschaft. Er würde wieder in ein leeres und kaltes Haus zurückkehren müssen wenn Ryuichi abgeflogen war. Benommen schüttelte er den Kopf, wie konnte ein solch kurzer Besuch seine neu aufgebaute Welt so ins wanken bringen? Viel zu schnell erreichten sie das Ziel, viel zu schnell wurde Ryuichis Flug aufgerufen. Es ging alles viel zu schnell zu ende. „Shuichi?“ Der Angesprochene sah auf, versuchte einen unbekümmerten Blick aufzusetzen. „Wir nehmen nächste Woche die neue CD auf und wenn das alles gut läuft habe ich danach zwei Wochen frei....“ Shuichis Blick war verwirrt, was wollte ihm Ryuichi damit sagen? Dann, nach einem kurzen Moment peinlicher Stille ging ihm ein Licht auf. „Na dann bist du herzlich eingeladen zwei Wochen bei mir Urlaub zu machen!“ Shuichi hatte mitten ins Schwarze getroffen. Ryuichi strahlte und umarmte ihn überschwänglich. “Das ist toll! Ich rufe dich an und sag dir bescheid, pass auf dich auf!“ Ryuichis Blick wurde ernst und sanft strich er Shuichi über die Wange. „Ich muss los, sonst fliegen die wirklich noch ohne mich, bis bald!“ Shuichi sah noch eine Weile auf die Tür hinter der Ryuichi verschwunden war. So viel hatte er ihm noch sagen wollen und noch nicht mal ein danke hatte er fertig gebracht! Er beobachtete wie das Flugzeug in Richtung Tokio abhob und verschwand. Das Wochenende war vorbei und er wieder allein mit all seinen Erinnerungen, aber dieses Mal wusste er das es nur vorübergehend war. Er hatte einen Freund der ihn nicht alleine lassen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)