Never-Ending-Gravitation *remastered* von Gralsfeuer ================================================================================ Kapitel 3: Ein unerwartetes Wiedersehen --------------------------------------- Kapitel 3 – Ein unerwartetes Wiedersehen Missmutig betrachtete Yuki Eiri die sich zähflüssig fortbewegende Automasse vor ihm. Entnervt trommelten seine Hände auf dem Steuer. Wie hatte Mika ihn nur dazu überreden können? *Es ist auch deine Familie und da hast du auch Verpflichtungen! Immerhin könnte das Vaters letzter Geburtstag sein. Du weißt doch wie krank er ist!* Yukis Kehle entschlüpfte ein abfälliges Schnauben. Sein Vater und krank, der war nur krank wenn es ihm grad in den Kram passte. Nur ein einziges Mal hätte ihn um ein Haar wirklich der Schlag getroffen. Der blonde Schriftsteller konnte sich noch sehr gut an jenen Tag erinnern. Er wusste noch ganz genau wie er bei seinem Vater auf seine Braut gewartet hatte. Ein kleines Lächeln huschte Yuki über das Gesicht als er daran dachte wie Shuichi seinen Vater mit seinem auftauchen völlig aus der Fassung gebracht hatte. Sein Lächeln verflog und eine Spur Trauer mischte sich in die ausdruckslosen Augen des großen Blonden. Jetzt waren schon sechs Monate vergangen seit dem er die letzte Nachricht von K bekommen hatte. Er wusste jetzt nur das seine kleine Nervensäge wieder in Japan war, doch bis jetzt hatte ihn niemand finden können. Thoma war danach noch einige Male bei ihm aufgetaucht, ganz als warte er nur darauf das Yuki ihn wieder um Hilfe anbetteln würde und damit wieder ganz unter der Kontrolle des zierlichen NG-Chefs stände. Yuki fing langsam an seinen Schwager zu hassen. Er wusste zwar wie viel er für ihn getan hatte, seine ewige Kontroll- und Machtgier konnte er jedoch nicht mehr ertragen. Thoma hatte vieles zwischen ihm und Shuichi zerstört, oder besser das bisschen, das Yuki nicht selbst zerstört hatte. Wieder kam die Erinnerung in ihm hoch. Wieder sah er Shuichi mit gebrochenem Blick an der Tür seines Arbeitzimmers stehen. *Dann sollte ich nun besser gehen!* Yuki wusste noch wie entnervt er an diesem Tag war, jedoch war es nicht allein Shuichis Schuld gewesen. Er hatte nur den letzten Tropfen gegeben. Er erinnerte sich daran wie er den Kleinen nur abfällig betrachtet hatte. *Du versprichst immer Dinge die du selbst nicht einhalten willst! Wenn du gehen willst dann geh, aber dann komm auch nicht ewig wieder zurück gekrochen. Verschwinde und bleib endlich weg!* Yukis schloss bei dem Gedanken an Shuichis Blick gequält die Augen und lehnte seine Stirn an das Lenkrad. Der Blick des eigentlich so lebenslustigen Bad Luck Sängers war plötzlich völlig leer, als wäre ihm alles Leben genommen worden. Wie hatte es nur so weit kommen können? Das wütende Hupen des Autofahrers hinter ihm unterbrach die trübe Grübelei und riss Yuki ins Hier und Jetzt zurück. Vor seinem Auto hatte sich der Stau bereits langsam aufgelöst und so blockierte er nun den restlichen Verkehr. Langsam setzte Yuki seinen Weg nach Kioto fort, immer näher an seine verhasste Familie heran. Er schaltete das Radio an um diese erdrückende Ruhe in seinem Wagen zu verdrängen, doch das leise Rauschen zeigte nur das Yuki bereits aus dem Bereich des Tokioer Senders heraus war. Lustlos suchte er einen anderen Sender, Hauptsache diese Stille würde verschwinden. “... So wird das Wetter also an diesem Wochenende in Kioto und nun wieder Musik....“ Yuki zog seine Hand wieder zurück. “Heute habe ich euch etwas Besonderes mitgebracht: Death and Rebirth. Diese Band habe ich eines Abends in einer Bar in Osaka gehört. Es gibt von ihnen keine Singles, sie spielen nur live. Die Musik ist Geschmackssache, aber urteilt selbst, denn ich habe der Band ein Demoband abschwatzen können. Hier sind also *Death and Rebirth* mit *Love and Hate*.“ Die Stimme aus dem Radio nahm Yuki gar nicht wirklich wahr. Nun begann eine schwere und düstere Melodie. Er lauschte den ersten Worten des Sängers. *Ich hasse dich, weil ich dich liebe und diese Liebe mich zerbricht.* “Was für ein schlechter Text!“ Der große blonde Schriftsteller stutzte und drehte die Musik etwas lauter. *Du hast nie etwas für mich empfunden, mich nur ausgelacht und gequält, dafür hasse ich dich. Love and Hate, Liebe und Hasse, liegen sie wirklich so nah zusammen? Ich hasse dich weil ich dich liebe. So sehr das sie mich zerstört. Will dich vergessen, es ist vorbei und doch quälst du mich selbst jetzt noch. Love and Hate, Liebe und Hasse, liegen sie wirklich so nah zusammen? An dem Tag an dem es vorbei war bin ich gestorben auch wenn ich weiterlebe. Love and Hate, Liebe und Hass. Ich hasse dich und doch liebe ich dich noch immer.* Der Text war wirklich grausam, doch die Stimme des Sängers ließ alles andere vergessen. Yuki kam das alles so bekannt vor, auch wenn die Musikrichtung nicht passte, es war irgendwie vertraut. Konnte es vielleicht wirklich sein? Yuki schüttelte leicht den Kopf und konzentrierte sich wieder auf die Straße. Nein, so einfach konnte es nicht sein! Shuichi saß, den Kopf gegen einen Pfeiler gelehnt auf der Veranda seines Hauses und hörte aufmerksam zu wie Sakiro sein Lied im Radio ankündigte. Seine Gedanken schweiften zurück. Fast ein Jahr war vergangen seit dem er Tokio, Bad Luck und Yuki hinter sich gelassen hatte. Viel war in dieser Zeit geschehen. Shuichi war nach Japan zurückgekehrt und lebte nun in Osaka. Dort hatte er einen Ort an dem er sich zurückziehen konnte, denn er hatte damals vor vielen Jahren das Haus seiner Großeltern geerbt. Es war ein Erbe von dem niemand etwas wusste, noch nicht einmal seine Schwester. Shuichi hatte nie verstanden warum sein Großvater daraus so ein Geheimnis gemacht hatte, doch jetzt war er ihm dankbar. Die Hausverwaltung, welche das Haus in all den Jahren verwaltete hatte ihre Arbeit wirklich gut gemacht. Das Haus war in einem einwandfreiem Zustand als er einzog. Shuichi hatte den Anfang für seinen Neubeginn getan. Er hatte sich an der Universität eingeschrieben und den Namen seines Großvaters angenommen. Hier gab es keinen Shuichi Shindou mehr, nur noch Takashi Seigoru. Nur seiner Liebe zur Musik konnte er einfach nicht entsagen und genau dadurch hatte er neue Freunde gefunden. Tenshi und Subaro studierten an der gleichen Uni. Durch einen Zufall platzte Shuichi vor einiger Zeit einfach in ihre Probe, denn er hatte sich wieder verlaufen, wie so oft. Die Musik der beiden gefiel ihm, auch wenn sie ganz anders war als jene die Bad Luck gespielt hatte. Doch irgendetwas fehlte den beiden noch. Tenshi spielte Keyboard und Subaro Schlagzeug, aber keiner der beiden hatte das zeug zum Leadsänger. Shuichi erinnerte sich noch daran wie er einfach ohne nachzudenken anfing zu singen und ab diesem Zeitpunkt zusammen mit ihnen spielte. Sie wurden “Death and Rebirth“, spielten jedoch nur aus Freude in kleinen Bars oder Schulveranstaltungen. Mehr wollten sie nicht, auch nicht als dieser Radiofritze auftauchte. Shuichi verzog das Gesicht als er daran dachte wie nervig dieser Mensch am Anfang war. Er hatte sich als Sakiro Sumagari vor und erklärte ihnen dass er eine Musiksendung bei einem Lokalsender Kiotos moderierte. Was für glamouröse Zukunftsaussichten hatte er ihnen damals vorhergesagt und er konnte einfach nicht akzeptieren dass die drei Musiker ihm gegenüber einfach nicht zugreifen wollten. Er wollte doch nur ein Demoband haben. Mit diesem würde der Erfolg schon von selbst kommen, doch die drei blieben hart. Mittlerweile waren sie gut befreundet und letztendlich hatte Sakiro doch noch ein Band mit einem Lied für seine Sendung bekommen, aber er musste ihnen versprechen weder das Band noch ihre Namen heraus zu geben. Das schrille Läuten seines Telefons riss Shuichi aus seinen Gedanken. “Seigoru!“ “Takashi, was soll ich tun? Euer Lied ist noch nicht mal ganz zuende und hier laufen die Leitungen heiß. Jeder will eure Platte. Sogar ein Newcomerscout von NG-Records war dabei.“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung überschlug sich regelrecht vor Aufregung. “Sakiro, nun hol erst einmal tief Luft. Du sollst gar nichts tun und ich hoffe du hast auch keine Namen oder sonstiges herausgegeben?“ Shuichi war vorsichtig. Hoffentlich hatte sein Freund vor lauter Aufregung nicht doch mehr erzählt als er sollte. “Nein, aber....“ “Kein aber, Sakiro. Es ist schon alles ganz ok so wie es ist. Berühmt sein ist nicht alles!“ Ein verächtliches Schnauben am anderen Ende der Leitung war die erste Antwort. “Na wenn du meinst, aber ich habe alle Nummern notieren lassen. Nur für den Fall das ihr es euch noch einmal anders überlegt. Das wäre doch eine gute Schlagzeile: Lokalradiomoderator entdeckt Newcomer des Jahres.“ Ein Grinsen schlich sich in Shuichis Gesicht. “Sakiro, du bist unmöglich. Sehen wir uns nächsten Freitag wieder im Maxime?“ “Darf ich jemanden mitbringen?“ Die Stimme am anderen ende der Leitung klang merkwürdig lauernd. “Sakiro, falls du irgendeinen Talentsucher einladen willst vergiss es gleich wieder!“ “Schade!“ “SAKIRO!“ Lautes Lachen ertönte. “Hey Taki, das war ein Scherz, aber ich muss jetzt weiter machen. Wir sehen uns am Freitag.“ Mit einem Klicken in der Leitung war das Gespräch auch schon beendet. Shuichi legte den Hörer aus der Hand und schüttelte den Kopf. Der Mensch war manchmal wirklich unmöglich. Shuichi erfuhr jedoch nicht das Sakiro an diesem Tag noch einen ungewöhnlichen Anruf erhielt, welcher ihn völlig überrumpelte, denn am anderen Ende der Leitung hatte er auf einmal den Sänger von der Band Nittle Grasper höchstpersönlich. Sakiro sprach wirklich mit Ryuichi Sakuma. Er war so verwirrt das er nicht genau darauf achtete was er auf die Fragen des berühmten Sängers antwortete und hatte ihm schnell verraten das “Death and Rebirth“ am Freitag wieder im Maxime in Osaka auftreten würden. Erst als das Gespräch geendet hatte fiel Sakiro auf was er getan hatte, doch er dachte nicht weiter darüber nach, denn was sollte schon der bekannte Ryuichi Sakuma von der unbekannten Band wollen. Die Tage verflogen und ehe sich Shuichi versah war es schon wieder Freitag. Dem kleinen schwarzhaarigem Sänger wurde bewusst, dass er in dieser Woche nicht ein einziges Mal traurig an sein vergangenes Leben gedacht hatte. Er stand im Bad vor dem Spiegel und betrachtete prüfend sein Spiegelbild. Auch wenn es ihm wieder besser ging so waren seine Augen immer noch leer und ausdruckslos, aber das würde außer der Musik auch nichts ändern können. Shuichi straffte seine Schultern, zumindest nannte ihn niemand mehr einen Idioten und selbst im Unterricht kam er gut mit. Er konnte eigentlich Stolz auf sich selbst sein, doch etwas anderes wäre ihm viel wichtiger. Shuichis Silhouette im Spiegel fiel regelrecht in sich zusammen. Nur mit Mühe konnte er ein neuerliches Aufwallen des Schmerzes unterdrücken. Würde er es schaffen diesen Mistkerl aus seinem Herzen zu verbannen? Den Menschen den er liebte und der ihn so tief verletzt hatte? “Taki, jetzt komm endlich. Wir sind spät dran!“ Shuichi reagierte nicht, er starrte weiterhin wie gebannt sein Spiegelbild an. Erst als ihm jemand auf die Schulter klopfte schreckte er auf und erkannte das besorgte Gesicht Subaros hinter sich. “Alles ok?“ Shuichi nickte stumm. Nein, eigentlich war nichts in Ordnung. Mühsam riss er sich zusammen und lächelte seinem Bandkollegen entgegen. “Ja alles klar.“ Subaro zog zwar überrascht eine Augenbraue hoch, hakte jedoch nicht weiter nach. “Na dann los, sonst kommen wir zu spät!“ Die drei erreichten noch relativ pünktlich aber außer Atem das Maxime und begannen sich auf ihren Auftritt vorzubereiten. Jeder ging noch einmal für sich die Auswahl der Lieder durch und dann war auch schon die Zeit gekommen. Sie fingen an zu spielen und während Shuichi sang wanderte sein Blick unauffällig durch den Raum. Das Maxime war wieder voll. Er entdeckte Sakiro an einem der vorderen Tische, doch die dunkle Gestalt mit dem tief ins Gesicht gezogenem Basekap beachtete niemand. Nach einer Stunde, viel Applaus war die Band bei ihrem letzten Lied angelangt. “Das folgende Lied wird für den heutigen Abend das letzte sein. Freuen sie sich auf *Love and Hate*!“ Wieder wurde begeisterter Applaus laut, doch er verebbte als Tenshi anfing die ersten Klänge anzustimmen. “Ich hasse dich, weil ich dich liebe und diese liebe mich zerbricht. Du hast nie etwas für mich empfunden, mich nur ausgelacht und gequält, dafür hasse ich dich. Love and Hate, Liebe und Hass, liegen sie wirklich so nah zusammen? Ich hasse dich weil ich dich liebe. So sehr das sie mich zerstört. Will dich vergessen, es ist vorbei und doch quälst du mich selbst jetzt noch.“ Shuichi holte während des Zwischenspiels kurz Luft als sich eine kräftige und ihm so bekannte Stimme vom anderen Ende des Raumes einmischte. “Love and Hate, Liebe und Hasse, liegen sie wirklich so nah zusammen?“ Shuichi stutzte und schaute suchend durch den Raum. Konnte es wirklich sein? Er entdeckte die Gestalt die sich langsam durch die Tische schlängelte und auf ihn zukam. Völlig aus dem Konzept gebracht wiederholten Tenshi und Subaro das Zwischenspiel und gerade noch rechtzeitig fing sich Shuichi wieder und stimmte zusammen mit Ryuichi noch einmal in den Refrain ein. “Love and Hate, Liebe und Hass, liegen sie wirklich so nah zusammen?“ Ihre Stimmen passten sich wieder perfekt ineinander ein. Der Nittle Grasper Sänger hatte unter großem Gemurmel die Bühne erreicht und stand nun neben Shuichi. “An dem Tag an dem es vorbei war bin ich gestorben auch wenn ich weiterlebe.“ Ryuichi zwinkerte ihm kurz lächelnd zu und viel dann in seinen letzten Refrain wieder mit ein. “Love and Hate, Liebe und Hass. Ich hasse dich und doch liebe ich dich noch immer!“ Nachdem die letzten Töne der Musik verebbt waren herrschte überraschte Stille im ganzen Raum. Shuichi betrachtete seinen Freund und großes Vorbild verwundert. “Sorry, ich konnte nicht anders!“ Mit diesen Worten Zog er das Basekap vom Kopf und verbeugte sich galant vor dem schweigenden Publikum welches nun überrascht drein schaute. Man konnte nur leises Gemurmel hören. War das dort auf der Bühne wirklich der Berühmte Sänger von Nittle Grasper? “Verehrtes Publikum, ich danke euch und hoffe unser heutiges Special hat ihnen gefallen!“ Ryuichi verbeugte sich ein weiteres Mal und dann entbrannte ein reines Feuerwerk. Das Publikum jubelte und applaudierte. Hier und da wurde eine Zugabe gefordert und mit einem Blickwechsel zwischen den beiden Freunden stimmten sie gemeinsam noch einmal “Love and Hate“ an. Nach diesem Lied verabschiedeten sie sich von dem immer noch jubelnden und Zugabe fordernden Publikum und verschwanden hinter die Bühne. Shuichi konnte es immer noch nicht fassen. Wie hatte ihn Ryuichi nur gefunden? Tenshi und Subaro stürmten jetzt auf die beiden alten Freunde los, doch irgendwann waren sie endlich allein. Shuichi wusste gar nicht wie oder wo er anfangen sollte, aber das brauchte er auch gar nicht, denn sein Gegenüber nahm ihm den ersten Schritt ab. “Hallo Shu, oder sollte ich lieber Takashi sagen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)