I would control the moon for you! von jasminjewellery ================================================================================ Kapitel 7: "Wake me up and open my eyes" ---------------------------------------- Mit neunzehn sollte man sich Gedanken um Mädchen, Geld oder den eigenen dummen Stolz machen. Darüber, dass die Schule nervt und die Lehrer unfreundlich sind. Doch man sollte mit neunzehn nicht abhauen und sich Gedanken darüber machen, wie man entkommen konnte. Naja, vielleicht war das auf einer richtigen Schule so. Unter Menschen. Menschen die ihre Magie nicht gegen andere Vampire eingesetzt hatten. Yongguk hätte Daehyun niemals verraten, dass sein Herz viel schneller schlug als es sollte. Dass er hinter seiner ernsten Fassade für ein paar Minuten so gar nicht gefasst gewesen war. Daeh war vor ihm her gerannt, so lange, bis sie endlich weit genug von der Schule weg gewesen waren, um ihren Schritt zu verlangsamen. Vielleicht würde sie keiner suchen, bis die Lehrer morgen merken würden, dass sie Beide nicht zum Unterricht gekommen und auch nicht in ihren Zimmern waren. Das würde ihnen sehr viel mehr Zeit verschaffen. Doch leider war da immer noch Yoongi. Dessen Augen mehr danach ausgesehen hatten, als wollte er Yongguk noch an Ort und Stelle hinrichten. Min Yoongi. Yongguks Magengrube zog sich alleine bei dem Klang seines Namens zusammen, noch viel mehr bei dem Gedanken daran, dass er Daehyun gegen seinen Willen berührt hatte. Ihn zu etwas hatte zwingen wollen. “Alles okay?”, meinte der plötzlich, Yongguk hatte nicht bemerkt, dass sein Schritt immer langsamer geworden war. Daehyun hatte sich zu ihm umgedreht und seine braunen Augen musterten ihn sorgsam. “Ja… alles okay”, meinte er nur, wusste, das er sich seine Unsicherheit auf keinen Fall anmerken lassen durfte. Doch diese Unsicherheit wurde unwillkürlich mit jedem Schritt zu Angst. Nicht, weil er Angst vor der Strafe hatte, die ihn erwarten würde, wenn sie geschnappt wurden - Angst, weil Daeh ein Teil davon war. Doch er war so entschlossen, so vollkommen ohne Zweifel gewesen. Yongguk hatte dieses Gefühl schon so lange nicht mehr gespürt. Dieses warme, zarte Gefühl wenn Jemand einem vertraute. Die meisten hatten ihn verabscheut, ihn gemieden - behauptet er wäre der Teufel. Daehyun war anders. Daehyun war, warum auch immer, anders als alle Anderen. “Wir sollten einen Platz finden, wo wir schlafen können”, meinte Yongguk sachte, hatte den Abstand wieder aufgeholt der zwischen ihnen gelegen hatte und Daeh schien immer noch zielstrebig durch die Straßen zu hechten. Doch plötzlich entkam ihm ein kleines, zaghaften Lachen. “Es ist wie, als wären wir in einer schlechten Folge Law and Order”, sagte er vorsichtig, fast, als wollte er sich langsam an den Witz herantasten und schauen, ob Yongguk ihn genauso witzig finden würde wie er. Tat er nicht. Um ehrlich zu sein, fand Yongguk seine Witze grauenvoll. Jeden Einzelnen davon. Doch er mochte es, Daeh lachen zu sehen. Zaghaft lächelte er, als wollte er nicht den einen Funken verstören, der die Stimmung seit den letzten zwei Stunden endlich etwas aufgelockert hatte. Sie waren schon seit zwei Stunden unterwegs, waren durch das gesamte Vampir-Viertel der Stadt gelaufen und hatten kaum ein Wort verloren. Die Spannung war viel zu greifbar, als würde sie sich auf die Lunge legen und einem das Reden verbieten. Umso mehr war Yongguk die letzten Stunden in seinen Gedanken gefangen gewesen, weshalb er es begrüßte, das Daeh versuchte ein Gespräch zu beginnen. “Ich weiß wohin wir gehen…”, meinte Daehyun fest, als hätte er diesen Plan schon von Anfang an im Kopf gehabt. Das hätte den zielstrebigen Blick erklärt, der schon die gesamten zwei Stunden auf seinem blassen Gesicht gelegen hatte. “Ich… habe eine Oma, im Menschen-Viertel”, meinte er dann viel vorsichtiger, als zuvor und Yongguk spürte, dass seine Fingerspitzen zu kribbeln anfingen. “Ist das peinlich?”, wollte er dann wissen, drehte seinen Kopf in Yongguks Richtung und löste seinen konzentrierten Blick für wenige Sekunden von der hell asphaltierte Straße. Die wenigen, unwichtigen Gestalten die ihnen entgegen kamen, wichen ihnen stumm aus, ignorierten sie genauso, wie man eben einen Fremden auf der Straße ignorierte. “Warum?”, fragte Yongguk nur. “Keine Ahnung… sie, ist die Einzige die ich habe, die… keine Ahnung, es ist meine Oma. Omas sind immer peinlich”, stammelte er dann, dabei sanken seine Brauen immer weiter in sein Gesicht, als würde er sich dafür hassen, zu reden wie ein kleiner Junge. Noch etwas, das Yongguk mochte. Er war… süß, wenn er das tat. Auf seine eigene Weise. “Daeh?”, meinte er ruhig, fragend machte der es ihm gleich und blieb für wenige Sekunden stehen, genau vor einem hohen weißen Hochhaus, welches die orangene Abendsonne in den vielen Fenstern reflektierte und auf die Straße warf. Somit waren die Beiden in weiches, orangefarbenes Licht gehüllt. “Ist es wirklich okay?”, wollte er wissen. Daehyun hatte scheinbar nicht mit einer solchen Frage gerechnet, fast als hätte er sich über sowas noch gar keine Gedanken gemacht. Für wenige Sekunden schien er unsicher zu blinzeln, sich unterbewusst auf der Lippe herum zu kauen, doch er fing sich wieder. “Bestimmt… ich meine wir sollten es versuchen. Bevor wir unter der Brücke schlafen müssen und verhungern”, meinte er kleinlaut, zuckte schnell die Schulter und schaffte es das Yongguk ein kleines Lachen entkam. “Denk dran… wir sind nicht wirklich in Law and Order”, erinnerte er ihn, ging mit zwei großen Schritten an ihm vorbei und forderte ihn so auch ohne Worte dazu auf, sich wieder in Bewegung zu setzen. Er trottete eher hinter ihm her, wie ein Hund, der kein Leckerlie bekommen hatte. Eigentlich war die Sache so viel weniger lustig, als die zwei es versuchten zu übertünchen. Yongguk war auf der Flucht, nicht nur vor den Lehrern, sondern vor dem Gesetz. Er wusste nicht, welche Strafe ihn erwarten würde - doch er wusste, dass man ihn wegsperren, ihn härter bestrafen würde als Andere. Weil seine Magie viel zu mächtig und unberechenbar war. “Es ist eine Ewigkeit her, dass ich hier war”, meinte Daehyun vor ihm leise, gerade laut genug, das Yongguk es neben den lauten Autos und dem Rauschen der Bäume verstehen konnte. Er spürte selbst, wie sich sein Herz vor Erwartung zusammen zog, als er das riesige, aus Stein erbaute Tor hinauf blickte, das sich vor ihnen erstreckt hatte. Das Tor war gigantisch und offen, somit eher ein Torbogen und eine breite Straße zog sich hindurch. Die Türen wurden vor Jahren bereits entfernt. Auch die angeschlossene Mauer zog sich viele Meter bis in den anliegenden Wald zu ihrer Linken und Rechten, war aber schon lange nicht mehr so massiv und abschottend, wie früher. Es war eher ein Überbleibsel aus der Zeit, in der Vampire von Menschen verstoßen wurden. Zu dieser Zeit war das Tor geschlossen gewesen, hatte auch keinen Weg hinaus geboten. Doch jetzt konnte man das Menschen-Viertel ohne Probleme betreten. Ebenso konnte man eindeutig die breiten Buchstaben auf dem Stein lesen, die sagten “You leave the vampire-district”. Yongguk und Daehyun wagten die wenigen Schritte hindurch, neben ihnen fuhren laute Autos hin und her und dunkle Schatten legten sich über ihre Köpfe. Yongguk war sicher es sich nur einzubilden, doch es war wie, als würde die Sonne auf der anderen Seite der Mauer viel heller scheinen, als wäre der Asphalt heller, die Häuser weißer und alles ein Stück mehr aufgeweckter, als auf der anderen Seite. Dabei sah es alles gleich aus, die selben Häuser und die dieselben Straßen. Nur für Yongguk schien es wie eine komplett neue Welt zu wirken. Die Welt die er sich schon immer gewünscht hatte. “Ich… war noch nie hier”, meinte er sachte, sagte es eher zu sich selbst, während sein Blick fasziniert zur Mauer zurück fiel, als wollte er sich versichern, dass er wirklich hindurch gegangen war. Daehyun beobachtete ihn lange, fast als würde er warten, ob Yongguk von alleine noch Etwas sagen würde. “Was ist mit deinen Eltern?”, wollte er dann wissen, sorgte dafür das Yongguks Brust sich kühl zusammen zog und er seinen Blick wieder stur geradeaus richtete. “Was soll mit ihnen sein?”, fragte er nach, auch wenn er schon jetzt wusste, was Daehyun wissen wollte. “Leben sie nicht hier? Oder… sind sie auch Vampire?”, hakte er nach, war extra sanft und vorsichtig, als wollte er sicherstellen, keinen wunden Punkt zu treffen. Yongguk wusste, dass er dieser Frage schon einmal ausgewichen war, auch wenn er sie wirklich beantworten wollte. Doch die Wahrheit war unwichtig, unbedeutend. Er wollte Daeyhun nicht damit belasten. “Ich kenne meine Eltern nicht”, sagte er. Sorgte dafür das Daehyuns Miene sich verdunkelte, als wüsste er nicht, ob es richtig gewesen war, nachzufragen. Sie liefen weiter nebeneinander her, Yongguk folgte Daeh blind, legte seine Augen immer wieder auf die weißen Häuser neben ihm. Er konnte mit der Zeit sehen, dass die Straßen immer dünner besiedelt wurden. Es folgten mehr Bäume, weniger asphaltierte Straße und mehr dunkle Erde unter ihren Füßen. Sie schleppen sich einen flachen Berg hinauf, soweit, dass die Häuser hinter ihren Rücken fast verschwunden und kleine, einzelne und unscheinbare Häuser vor ihnen sichtbar wurden. Umschlossen von Feldern aus Grün, wie ein Bauernhof. “Da oben ist es…”, meinte Daehyun bestätigend, als Yongguk ihm einen kleinen Seitenblick zugeworfen hatte. Es war das Größte, der drei Häuser hier auf dem Berg. Rotes, mit Efeu bedecktes Dach. Auch die weiße Fassade des Hauses war fast komplett hinter dem Efeu verschwunden, lediglich die Fenster wurden frei geschnitten. Ein kleiner weißer Holzzaun erstreckte sich um einen kleinen Vorgarten, mit Tomaten und den verschiedensten Kräutern. Es war wie das Haus aus den Märchen, die sich die Menschen öfter erzählten. Daehyun hatte das weiße Tor des Gartenzauns geöffnet und ging die drei kleinen Stufen hinauf, die sie noch von der Klingel trennten. Die Sonne war nun fast ganz untergegangen, nur noch sachte wurden sie von der kompletten Dunkelheit bewahrt. “Bereit?”, drehte er sich zu Yongguk um, der stumm hinter ihm auf der zweiten Stufe stand und sachte nickte. Daehs Finger senkte sich über der Klingel, man konnte draußen die Melodie hören, die er damit ausgelöst hatte. Ein Glockenspiel, das viel zu lange zu bimmeln schien. Trotzdem wirkte es, als hätte man sie überhört. Trotz das es Licht durch die, mit bestickten Vorhängen geschmückten, Fenster schien, dauerte es eine Ewigkeit, bis sich etwas hinter der geschlossen Tür tat. Wenn sie nicht in einer solchen Situation gekommen wären, hätte Yongguk vielleicht mehr Geduld gehabt. Daehyun wippte nervös von einem Fuß auf den Anderen, bis endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, Jemand die Tür öffnete. Wie erwartet war es eine alte Dame, in weißen langen Nachthemd und braunen, flachen Hausschuhen an den Füßen. Sie umschloss graues, geflochtenes Haar, welches sich in einem langen Zopf über ihre Schulter legte. Sie war groß und schlank, kaum Falten im Gesicht. Yongguk fühlte sich komisch zu denken, dass sie Daehyun auf eine komische Art ähnlich sah. Sie hatte die selben freundlichen, weichen Augen. “Daehyunnie?”, entkam es geschockt ihren Lippen. “Oma…”, zischte er vorwurfsvoll, Yongguk konnte nicht anders, als leicht über den Spitznamen zu lächeln. “Was machst du hier?”, wollte sie wissen, ihre schlanken Finger legten sich um seine Handgelenke, zogen ihn ein Stück an sie heran und ihre Augen musterten ihn nervös, als wollte sie sicherstellen, dass er nicht verletzt war. Sie war ein herzensguter Mensch, das konnte Yongguk alleine in ihren Augen sehen. Sie waren so ruhig und tief wie das Meer. “Lange Geschichte… dürfen wir reinkommen?”, wollte Daeh wissen, ohne zu zögern nickte sie, trat ein Stück zur Seite und ihre Augen legten sich als nächstes auf Yongguk. “Bang Yongguk”, mit einer kleinen Bewegung beugte er den Kopf, ehe sie ihm ein einladendes Lächeln schenkte und er Daeh bis ins kleine, dunkle Wohnzimmer folgen konnte. Er kam an einer kleinen Treppe gegenüber der Haustür vorbei, die scheinbar ins Schlafzimmer führte. Der enge Flur war weiß und mit einzelnen Bildern von grünen Landschaften geschmückt. Im Wohnzimmer war der Fernseher eingeschaltet, ein kleines cremefarbenes Sofa stand davor, mitten im Raum, trennte es vom Rest des Zimmers. Sie schien alleine hier zu leben, Yongguk konnte Niemanden sonst entdecken. “Also, was ist los, ‘Yunnie?”, wollte sie noch einmal wissen, hatte Daehyun langsam in die kleine angeschlossene, offene Küche geführt, in die man vom Wohnzimmer aus blicken konnte. Ihr Ton wirkte immer noch sanft, wenn auch ein wenig nervös. Yongguk schenkte den Beiden einen Blick, entschied sich aber dazu, sie für wenige Sekunden alleine zu lassen. Wenigstens einen kleinen Abstand zu halten, um sich nicht unnötig aufzudrängen. Er wanderte hinter das Sofa, konnte ein hohes Bücherregal erkennen, welches zwischen der Wand und dem Fernsehtisch eingeklemmt war. In manchen Regalen standen Bilderrahmen - er konnte sich nicht verkneifen, einen Blick darauf zu werfen. Er konnte Daehyun im Hintergrund leise reden hören, es war beinah nur ein Flüstern, aber er schaffte es, die Worte auszublenden. Eines der Bilder zeigte Daeh und seine Oma am Strand. Daehyun trug einen weiß, rot gestreiften Badeanzug, war vielleicht gerade mal 3 Jahre alt. Ein kleiner fröhlicher Zwerg in den Armen seiner Oma, ein breites Grinsen auf den Lippen und die Wange an ihre gedrückt. Yongguks Herz schmolz bei dem Anblick. Es war lebendig, echt, es war so normal, wie es nur sein konnte. Die Schwimmflügel um seine Oberarme, waren viel zu groß, beinah größer als sein mit braunen, nassen Haaren umschlossener Kopf. Sie saßen auf einer sandigen blauen Picknick-Decke und Daehs goldbraune Haut schimmerte von einer Schicht Sonnencreme. “Wir können nach oben gehen”, erschien Daehs Stimme viel lauter hinter ihm, sorgte dafür dass sein Herz vor Schreck heftig zu schlagen begann. Er hatte das Wohnzimmer mit einem kleinen Lächeln betreten, seine Oma stand neben ihm, mit ruhigen Händen war sie dabei, die Decke vom Sofa in die Hand zu nehmen und zu ihm herüber zu laufen. “Es ist nicht groß, aber es sollte reichen”, meinte sie mit sanfter Stimme, schenkte ihm ein kleines Lächeln, welches Yongguk für wenige Sekunden zögern ließ. Er konnte ihre weichen Augen sehen, ihr normales Lächeln, das nicht von spitzen Reißzähnen geschmückt wurde und plötzlich hatte er das Gefühl, vor Dankbarkeit zu ersticken. “Ich… werde keinen Ärger machen”, sagte er ruhig, nahm die dünne, beige Decke in die Hand und drückte sie unbewusst an seine Brust. Daehyun und er gingen die kleine Treppe in den zweiten Stock hinauf, Daehyun hatte seiner Oma eine gute Nacht gewünscht, ihr erneut gedankt und Yongguk hatte die Decke immer noch wie einen Anker umschlossen. Sie kamen in einen kleinen, zweiten Flur, das Treppengeländer war aus hellem Holz und hoch genug, dass einem nicht schwindelig wurde. Daehyun öffnete die Tür ganz am Ende des Ganges, nickte ihn mit einem kleinen Lächeln herein. Es war genauso schlicht und gemütlich wie unten. Ein Doppelbett an der rechten Seite des Zimmers, gegenüber der Tür ein kleines Fenster mit einem Blick auf die kleinen Felder und die dichten Bäume des Waldes, umschlungen von weißen, ebenfalls bestickten Vorhängen. Es wirkte, als hätte hier lange Niemand mehr geschlafen, die Tapeten wurden langsam gelblich, waren an einer Ecke schon leicht von der Wand gelöst. Auf dem Bett lag nur eine Decke, jetzt wusste Yongguk, warum er seine noch in der Hand hielt. Ein hoher Schrank und ein kleiner gewebter Stuhl neben dem Fenster. Yongguk legte vorsichtig seine Decke auf dem Bett ab, nur um sich langsam auf der Kante nieder zu lassen, sich selbst zu erlauben den Schmerz zu lindern, der langsam durch seine Füße gezuckt war. Daehyun setzte sich auf den Stuhl, ging sich lange und unter einem kleinen Seufzen über die gerunzelte Stirn. Seine weiße Aura war noch immer unruhig, als würde ihn noch immer etwas beschäftigen. “Können wir darüber reden?”, wollte er plötzlich wissen, dabei war seine Stimme müde und ruhig, dennoch leicht angespannt. Yongguk schenkte ihm einen Blick über den Raum, atmete tief, als ihm klar wurde, was er meinte. “Du… warst nicht du selbst”, schaffte er es zu sagen, Yongguk stand auf, hatte plötzlich wieder das Bedürfnis sich in Bewegung zu setzen. Im Laufen war es einfacher gewesen, zu reden, jetzt hier in diesem engen Raum, schien es so viel schwerer zu sein. “Ich wusste was ich getan habe…” “Warum hast du es dann getan?”, hakte er nach, seine Stimme war plötzlich viel eisiger, als davor. “Das hab ich dir schon gesagt, Daeh”, meinte er trocken, schaffte es, seinen aufgekratzten Körper wieder auf die Bettkante zu zwingen und verschränkte die Finger auf seinem Schoß miteinander. “Du verstehst mich nicht Yongguk, du hast ihn verletzt… er wird die selbe Narbe tragen wie ich - und dir tut das nicht mal Leid”, Yongguk wusste nicht, was ihn dazu brachte, genau jetzt damit anzufangen. Warum er Stunden lang kein Wort darüber verloren hatte, nur um jetzt, wo sie endlich Ruhe hatten, darüber reden wollte. Yongguk konnte nicht anders, er wurde lauter als er wollte, überrannt davon, was in Daehs Stimme mitschwang. “Denkst du ich weiß das nicht?”, rief er aufgebracht. Daehyun schien nicht damit gerechnet zu haben, sachte zuckte er, verkrampfte stark die Finger zu einer Faust. Doch er schwieg, als wüsste er, dass er nicht an der Reihe war, zu reden. “Denkst du ich weiß nicht, dass ich scheinbar dazu geboren bin, allen Menschen die mir wichtig sind wehzutun? Denkst du nicht, das ich weiß dass dieser einfache Griff um sein Handgelenk nach einem Tag aussehen wird, als hätte ich ihm weitaus schlimmere Dinge angetan? Denkst du wirklich ich weiß das nicht?”, Yongguks Atem ging schwer, seine Kehle tat weh unter der Wucht seiner Worte, doch er konnte nicht aufhören. “Daeh, ich war wütend… ich wollte dich beschützen. Doch selbst das macht mich zu einem Monster”, seine Stimme verlor an Kraft, langsam versuchte er auszuatmen, die Wut die aus seiner Kehle gesprochen hatte, wieder zu beruhigen. Doch er fühlte sich so rastlos, als würde die Verantwortung seiner Handlung plötzlich mit voller Wucht auf ihn einfallen. “Sag das nicht…”, meinte Daeh leise, er war aufgestanden und hatte sich langsam neben ihm auf dem Bett niedergelassen. “Ich habe nicht gesagt dass du ein Monster bist”, stellte er klar. “Doch man hört es in deiner Stimme, du hast Angst vor mir… Jetzt auch du”, meinte Yongguk leise, es schmerzte noch viel mehr, es laut auszusprechen. Er konnte ihn nicht ansehen, er löste seinen Blick von seinen braunen Augen und heftete sie an die Wand, neben ihnen. Starte gegen die kahle, kühle Wand. “Das ist komplett gelogen”, Daehyuns Stimme war eindringlich, er wollte ihn auffordern ihn wieder anzusehen, doch Yongguk gehorchte schon, bevor er es aussprechen konnte. “Ich habe keine Angst vor dir… Ich hab Angst, das dir etwas passiert”, sagte er sanft, viel zu sanft, als das Yongguk sich darauf vorbereiten könnte. Er heftete seine schwarzen Augen auf seine, versuchte alleine darin zu lesen, ob er die Wahrheit sagte. Doch er tat es. Er sagte die Wahrheit. Vorsichtig, zögerlich lächelte Yongguk, hätte nichts lieber getan, als wieder seine Hand auszustrecken und ihn gegen alle Regeln zu berühren. Nur noch mehr wurde ihm klar, wie sehr er es hasste, es nicht zu können. “Mich muss man nicht beschützen, Daeh”, flüsterte er. “Du sagtest das… mich Niemand berühren darf”, Daehyuns Wangen wurden zart rosa, seine Hand wanderte auf die Stelle an seinem Oberarm, die immer noch unter einem schwarzen Pullover verborgen war. “Das Gleiche gilt für dich… Ich…”, er stoppte erneut, schaffte es Yongguk in die Augen zu sehen. “Ich soll der Einzige sein, der von dir gezeichnet ist”, schaffte er es beinah heiser über die Lippen zu bringen, Yongguk spürte wie sein Herz zu frostigen Eis wurde, es schmerzte in seiner Brust, bei dem Klang seiner Worte in seinem Ohr. Es war eiskalt und heiß zur selben Zeit, er wusste nicht, wie er mit einem solchen Gefühl in der Nähe seiner Lunge atmen sollte oder ob sein Herz jemals wieder normal zu schlagen begann. “Ist es komisch… weil wir zwei Männer sind?”, flüsterte Daeh leise, die Unsicherheit schien sich wie ein Lauffeuer in seinen Augen breit zu machen und Yongguk hasste es, ihn nicht in den Arm nehmen zu können. Er legte seine Hand auf die Stelle seines Oberarms, nur sachte, unter dem Schutz des dünnen Stoffes. “Nein… nein, ist es nicht”, sagte er ernst und ruhig zur selben Zeit. Lange war es still zwischen ihnen, Daeh blickte auf Yongguks Hand hinunter, die er nach dieser langen Zeit wieder sinken ließ, als hätte er Angst, dass er sonst Schaden nehmen würde. “Wir sollten etwas schlafen… wir wissen nicht, wann sie wirklich nach uns suchen”, meinte Daeh dann leise, es war beinah, als wüssten Beide, das sie nicht noch etwas sagen mussten. Es war genug für Yongguk, um schlafen zu können. Um dieses warme Gefühl für eine ganze Weile in seiner Brust gefangen zu nehmen und in sich aufzunehmen. “Ich… schlaf auf dem Boden”, meinte er ruhig, nahm sich seine Decke zur Hand und stellte sich auf. Daehyun schien nicht damit gerechnet zu haben, auch wenn es eigentlich auf der Hand lag. “Du… das ist… ich fühle mich schlecht wenn ich”, stammelte er nervös, wusste nicht, was er ihm sonst anbieten sollte. Yongguk lachte sachte, legte die Decke auf den Boden vor dem Bett und schenkte ihm einen sanften Blick. “Geh schlafen, Daeh”, meinte er entschlossen, Daehs braune Augen wirkten zwar dankbar, doch immer noch unsicher. Er legte sich trotzdem unter die Decke, löste seinen Blick von der Decke auf dem Boden und kauerte sich leicht zusammen, als wollte er sich beschützt fühlen. Doch Daehyun konnte nicht schlafen. Nicht mal ansatzweise wurde er unter der warmen Decke müde. Er hörte Yongguks langsamen, ruhigen Atem und versicherte sich, dass er wirklich schlief. Langsam und vorsichtig richtete er sich im Bett auf, hatte bestimmt schon zwei Stunden wach darin gelegen und sich hin und her gewälzt. Er konnte nicht anders, als daran zu denken, was er Yongguk gesagt hatte. Dass sie auf der Flucht waren, das seine Oma nicht einmal wusste, dass sie sich versteckten. Er ließ die Füße aus dem Bett fallen, stellte sie vorsichtig auf den kalten Boden und blickte erneut prüfend auf Yongguks dunklen Körper auf dem Boden. Seine Brust hob und senkte sich schwer, versicherte ihm, bis er auf dem kühlen Flur stand, das er seine Schritte nicht gehört hatte. Daehyun konnte immer noch Licht aus dem Wohnzimmer sehen, das leise Geräusch des Fernsehers drang in sein jetzt noch wacheres Ohr. Er seufzte leise, jetzt wo er nicht befürchten musste, Jemanden aufzuwecken. Er schlich die Treppe herunter, konnte mit einem kleinen Blick ins Wohnzimmer und unter einem kleinen Lächeln feststellen, dass seine ‘ma auf dem Sofa eingeschlafen war. Leise lief die Folge eines Krimis, doch Daehyun konnte nicht identifizieren welcher es war. Er zog sich keine Schuhe an, als er nach draußen ging. Nicht mal eine Jacke, das Wetter war warm genug, um so herum zu laufen. Er stolperte die kleinen Treppenstufen herunter, schlich durch den dunklen, kleinen Garten und öffnete das kleine Gartentor. Es war still, es wehte nicht mal ein kleiner Wind und in den anderen beiden Häusern in der Nähe waren auch die Lichter aus. Er hörte eine Grille im Hintergrund, ganz leise und wie ein komisches Nebengeräusch. “Was tust du nur?”, fragte er sich selbst, ging ein kleines Stück auf den Wald zu, gerade so weit, dass er vom Berg fast auf die Stadt herunter blicken konnte. Er meinte nicht dass er hier draußen war, eher, was er zur Hölle mit seinem Leben tat. Der Wald hinter ihm war dunkel und eisig, doch er hatte aus irgendeinem Grund keine Angst. Es war heimlich, vertraut. Es war lange her, dass er in Ruhe hier in der Natur gesessen hatte, langsam ließ er sich auf den trockenen, grasigen Boden nieder. Es war weicher, als er erwartet hatte und fest zog er die Knie an den Körper. Seine Hände vergrub er vorsichtig in dem hohen Gras, spürte das Kitzeln an seiner Handfläche und Unterarm und schenkte sich selbst ein kleines Lächeln. Er hatte viel Zeit hier auf diesem Berg verbracht, als er noch klein war. Seine Oma war immer wie eine zweite Mutter für ihn gewesen. Sie hatte den Garten gepflegt, einen braunen Sommerhut getragen, während Daehyun um sie herum gesprungen war. Im Winter hatten sie vor dem Kamin gegessen, wenn seine Mutter mal wieder ein Wochenende für sich gebraucht und ihn dort abgeliefert hatte. Daehyun war ehrlich, es hatte ihn nie wirklich gestört. Er konnte sich an dieses naive kindliche Denken erinnern, doch auch an die Leichtigkeit in seinem Handeln, welches er sich mehr als alles andere wieder zurück wünschte. Er streichelte beinah das Gras, ließ die Halme seine Handfläche berühren und langsam und leise stimmte er das selbe Lied an, welches er immer sang. Es wirkte nicht zu laut in der weiten, Stille, nahm eher der Luft die Schwere, die sich mit jeder Sekunde wieder auf seine eigentlich müden Schultern legen wollte. Er fühlte sich besser, viel ausgeglichener als sonst. “Na endlich!”, Daehyun zuckte so stark zusammen, das abrupt das Lied wieder stoppte und erschrocken fuhr er herum. Seine Augen suchten jeden Zentimeter ab, doch er konnte Niemand erkennen, von dem die Stimme ausgegangen war. “Hallo?”, fragte er vorsichtig, hörte seine eigene Stimme durch die dicken Bäume hallen. Doch er spürte, wie seine Lunge auf das kleinste zusammen schrumpfte, als er sehen konnte dass einer der Bäume sich bewegte. Er öffnete zwei braune, holzige Augen und blickten ihn müde an. “Was... was”, stammelte er, rutschte wenige Zentimeter zurück, als der alte Baum seine Äste zu strecken schien und auf ihn zukam. Seine Schritte waren laut und dumpf und mit einem kleinen Blick schaute er auf die Häuser herunter. “Tschuldigung”, meinte er nur, als wollte er Niemanden aufwecken. Seine Stimme war dunkel, mächtig und vibrierte durch das gesamte Feld. “Du… bist ein Baum, der redet”, sagte Daehyun nur stumpf, blinzelte zum hundertsten Mal, als würde er feststellen, nur einer Fata Morgana begegnet zu sein. “Du hast lange auf dich warten lassen, Meister Daeh”, die Krone des Baumes beugte sich zu ihm herunter, die Äste schlugen neben ihm auf dem Boden auf und ängstlich schaute Daehyun dem Baum tief in die hölzernen, grünen Augen. Sie waren wie in den Stamm geritzt, die Äste waren wie Arme, die Wurzeln wie Füße. Er war mindestens 15 Meter hoch, Blätter einer Birke. “Du… kennst mich?”, schaffte es Daeh zu sagen, versuchte, seinen viel zu schnellen Herzschlag wieder zu beruhigen. Er hatte schon verrücktere Sachen gesehen, doch ein sprechender Baum war neu für ihn. “Ob ich dich kenne? Frechheit… du hast mich endlich aufgeweckt und fragst mich ob ich dich kenne! 16 Jahre hast du mich warten lassen”, seine Stimme wurde lauter, Daeh schüttelte den Kopf energisch, wollte nicht dass Jemand mitbekam, was vor sich ging. “Schon gut, schon gut, beruhige dich”, meinte er schnell, der Baum schien erzürnt zu blinzeln, doch er gehorchte ihm. Er hob seine Baumkrone wieder, richtete seinen dicken Stamm auf und mit einem lauten Rascheln, fielen einzelne Blätter von seinen Ästen und legten sich um Daehyun auf den Boden. “Du kannst dich wirklich nicht erinnern, Meister Daeh?”, fragte er, seine Stimme war so dunkel, dass es beinah angsteinflößend war. “Ich bin Oneandén Avalarion Féeri” “Das ist ein Name?”, lachte Daeh unsicher. “Machst du dich etwa über meinen Namen lustig?”, wollte der alte Baum wissen, schüttelte entrüstet seine Äste und Daehyun richtete sich endlich auf, musste jedoch immer noch den Kopf heben um ihn in die Augen sehen zu können. “Nein…”, beschwichtigte Daehyun ihn. Er kam einen kleinen Schritt auf ihn zu, versuchte etwas zu entdecken, das er kannte. Doch in seiner Erinnerung war nichts dergleichen vorhanden. “Warte… du meintest ich hätte dich aufgeweckt?”, fragte er noch einmal nach. “Das Lied, du hast es endlich wieder gesungen”, meinte Oneandén zufrieden, als wäre es das Normalste der Welt. “D-Das… ist meine Magie gewesen?”, Daehyun konnte es nicht fassen, seine Hände legten sich auf seine Lippen, als könnte er nicht fassen, dass es seine Stimme war, die diesen alten, riesigen Baum aufgeweckt hatten. “Aber warum…?”, er schaffte es nicht, seinen Satz zu Ende zu bringen, viel zu viele Fragen schossen ihm durch den Kopf. “Warum erst jetzt? Ich habe immer gesagt dass man Jemanden mit deiner Magie nicht in ein Haus einsperren darf”, er lachte entrüstet, der dunkle Ton vibrierte durch die Luft. “Du gehörst hierher, in die Natur, Meister Daeh - so wie damals”, meinte Oneandén, wieder schüttelte er seine Blätter, die Äste knackten aufgeregt und halten durch den Wald hinter ihm. “Ich konnte das schon immer?”, Daeyhun erinnerte sich an das starke Gefühl in seinen Fingerspitzen, in die Kraft die durch seine Adern geströmt war, als er den Wald und die Erde hatte riechen können. Es war so… einleuchtend und einfach. “Aber in der Schule… da war auch, Natur”, stammelte er weiter. Der Baum lachte so laut, dass es beinah in den Ohren weh tat. Daehyuns Blick zuckte wieder hinter ihn, doch er stellte erleichtert fest, dass die Lichter im Haus immer noch ausgeschaltet waren. “Eingemauerter Rollrasen und dünne Bäume… eine Beleidigung”, meinte er, als wäre es eine Schande so etwas auch nur als Natur zu bezeichnen. “Du musst dich entfalten, wachsen wie ein Baum, dann kannst du auch solche Orte kontrollieren”, seine Wurzeln bewegten sich auf ihn zu und langsam beugte er sich wieder zu ihm herunter, Daeh hatte ab diesem Zeitpunkt keine Angst mehr, dass die Äste ihn treffen würden. “Doch ein Wald ist wie eine Energiequelle, verstehen sie das, Meister Daeh?”, fragte er. “I-Ich denke schon…”, flüsterte er leise, immer noch viel zu viele Dinge in seinem Kopf, aus der anderen Seite so vollkommen ruhig und entspannt, wie er es niemals gedacht hätte. Er spürte es in seinen Knochen, in seinen Adern, hatte es vorher beinah nicht bemerkt. Nicht darauf geachtet. “Daeh?”, eine weitere Stimme tauchte hinter ihm auf, doch diese kannte er nur gut genug. Der Baum hob seinen Kopf, das laute Rascheln durchströmte die Nacht und beinah kam sich Daehyun kindlich dabei vor, Yongguk ein Grinsen zu schenken, der den wachen Baum anstarrte, wie er selbst noch vor wenigen Momenten. “Das ist One… Onedralien”, meinte er. “Oneandén, Meister Daeh, merken sie sich das”, entrüstet ließ er sich auf seinen Stamm fallen, hatte sie Wurzeln wieder unter sich im Boden versunken. “Daeh das ist…”, Yongguk kam wenige Schritte zu ihnen herauf, konnte sehen dass Daehs Blick immer müder und erschöpfter wurde. “Ruhen sie sich aus, Meister Daeh” meinte der Baum hinter ihnen, schloss die Augen. Für wenige Momente wartete Daehyun darauf, dass er noch etwas sagte, das er sich rührte. Doch er war wieder ein ganz normaler Baum. Ohne es richtig zu merken, sank Daeh auf die Knie und spürte, wie seine Aura erschöpft um ihn herum schwebte. “Alles okay?”, wollte Yongguk wissen. Daeh schaute mit einem Lächeln zu ihm herauf. “Hast du das gesehen?”, wollte er wissen. “Das war ich… das war… meine Magie”, flüsterte er leise, konnte kaum noch seine Augen offen halten. Yongguk stütze ihn vorsichtig an der Schulter und schenkte ihm ein kleines, lächelndes Kopfschütteln. “Ich wusste, das du stark bist”, meinte er leise, doch Daeh schien ihn schon fast nicht mehr zu hören. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)