Die vierte Mauer von Akaashi (Um mein Herz gebaut) ================================================================================ Prolog: Wie jeden Morgen ------------------------ Es war ein sonniger Tag, warm, aber nicht drückend. Der Wind wehte sanft durchs blonde Haar auf seiner Stirn, kitzelte die Haut die unter den einzelnen Strähnen lag und so gaben diese den Weg frei für die Sonnenstrahlen, die durch das offene Fenster hinein schienen. Die betroffene Haut erwärmte sich, es war angenehm, aber irgendwann störte es, denn die Dunkelheit, die eben noch herrschte wurde durch ein dunkles rot ersetzt. Die Augenlider waren nunmal dünne Hautstellen, die leicht zu durchleuchten waren. Eine Interessante Tatsache.. man 'sah' also auch mit geschlossenen Augen etwas und damit war nicht die bildliche Vorstellung gemeint. Seufzend setzte sich der kleine Junge auf und rieb sich den schlaf aus den Augen, strich mit gespreizten Fingern durch seine Haare um sie wieder glatt zu bekommen und schaute erneut aus dem Fenster. Seine blauen Augen trafen auf das Blau des Himmels auf dem sich ein paar weiße, knubbelige Wolken geformt hatten. Wie es wohl wäre sie anzufassen? Konnte man das überhaupt? Als Mensch warscheinlich nicht. Aber er hatte auch noch nie gesehen wie Vögel auf ihnen gelandet waren. Vielleicht waren sie ja auch gar nicht so fest wie sie aussahen sondern so durchdringlich wie Dampf. Sie ließen sich auch vom Wind treiben, also waren sie wohl auch nicht so schwer. In einem der Bücher seines Großvaters hatte er mal gelesen, dass Wolken im Grunde nur eine Ansammlung von vielen kleinen Wassertröpfchen waren. Wie gerne würde er mit anderen darüber reden.. aber dieses Buch war verboten und Niemand, wirklich Niemand durfte wissen, dass er es besaß und auch darin blätterte. Geschichten außerhalb der Mauern, die wie Märchen klangen. Vielleicht waren es auch welche, doch sein Großvater beteuerte immer wieder, dass er daran glaubte, dass das was in diesen Seiten stand, echt war. Sein Blick fiel auf die Mauer, die die Sicht auf den Himmel dahinter versperrte. In anderen würde dieser Anblick ein erleichterndes und beruhigendes Gefühl auslösen. Für andere Leute hier bedeuteten die Mauern Sicherheit. Für ihn aber bedeutete es nur, dass es einen Grund dafür gab sich zu verstecken. Und verstecken tat man sich nur, wenn man sich vor etwas fürchtete. Also gab es einen etwas, wovor man sich hier fürchten musste. Und dieser Grund waren sogenannte Titanen, große Wesen die den Menschen etwas antun wollten. Und das obwohl er gehört hatte, dass sie selber aussehen sollten wie Menschen. Eigentlich konnte sich der Junge glücklich schätzen, dass er nicht wusste wie diese Feinde der Menschheit aussahen, denn das bedeutete nur, dass er dieser Gefahr noch nicht ausgesetzt worden war. Aber sollte es so sein, würde er dies sicher nicht überleben. So dachte er zumindest. Wenn diese Mauern nötig waren, konnte sich ein Mensch nicht selbst verteidigen. Und er sowieso nicht.. er konnte sich ja nichteinmal gegen die Menschen selbst verteidigen. Und so hatte er irgendwie auch eine kleine Mauer um sich gebaut, eine Mauer die nur er selbst sehen konnte. Aber diese wurde immer wieder eingerissen. Unterkriegen wollte er sich davon nicht so richtig aber dagegen tun tat er auch nichts. Nicht so, wie andere es tun würden. Er wollte keine Gewalt anwenden, das würde in die Hose gehen. Viel zu schwach.. er würde nichts ausrichten können. Das würde die 'Feinde' nur provozieren. So sehr sich der Blauäugige auch wünschte, dass es aufhören würde, es würde warscheinlich nicht passieren. Die Jungs in seinem Alter würden ihn weiter treten und schlagen, in den Dreck werfen und an Häuserwänden hoch ziehen, faules Obst und Gemüse nach ihm werfen und zu Dingen zwingen wollen, die er nicht tun wollte. Er hatte doch gar nichts gemacht. Alles was der Junge getan hatte, war zu reden. Über seine Beobachtungen, über das was er dachte. Eigentlich konnte er doch damit Niemanden provozieren, wenn er Niemanden angriff, oder? So dachte er zumindest. Aber diese Menschen waren aggressiv.. und er verstand nicht wieso. Der Blondschopf wusste, dass er es nicht verdient hatte so behandelt zu werden. Aber was sollte er tun? Sie wollten nicht hören. Anfangs hatte er noch die Hoffnung gehabt, wenn er es öfter erklärte und es mit anderen Worten versuchen würde, wäre es nicht so schlimm. Vielleicht würde das ganze dann gar nicht so brutal ausgehen. Aber da hatte er sich geirrt.. besser gesagt geschnitten. Er war ein kluger Junge. Und er lernte schnell. Und was er gelernt hatte war, dass es egal war, was er sagte. Und wie er es sagte. Er konnte nicht verhindern, dass sie auf ihn los gingen, weil sie einfach genau darauf aus waren. Sie hielten sich für die Starken und ihn für den Schwachen, womit sie vielleicht gar nicht Unrecht hatten. Aber in der Gruppe anzugreifen.. war feige. Ihre einzige Möglichkeit sich stark zu fühlen, bestand darin anderen zu zeigen, dass sie schwächer waren. Und das war einfach nur erbärmlich. Mit getrübtem Blick stand er auf und machte sich dazu bereit aus dem Haus zu gehen um einkaufen zu gehen. Lächelnd verabschiedete er sich von seinem Großvater, der ihn aufzog, da seine Eltern verstorben waren. Bei dem Versuch... dieWelt, die dieses Buch beschrieb zu entdecken und sie anderen zeigen zu können. Eigentlich müsste er dieses Buch dafür hassen.. aber er wollte daran glauben. Das war eines der wenigen Dinge, an die er wirklich glauben wollte. Etwas wofür es sich nunmal lohnte immer wieder aufzustehen. Etwas anderes als diese Mauern und die Menschen die sich dahinter befanden. Etwas neues und etwas schönes, das einem beim bloßen hinsehen das Gefühl gab am Leben zu sein. Kapitel 1: Frischer Wind ------------------------ Den metallischen Geschmack im Mund war er bereits gewohnt. Blut. Seine Lippe war aufgeplatzt, als einer der Jungen ihm ins Gesicht geschlagen hatte. Diesmal hatte er gar nichts gesagt. Er hatte einfach versucht weiter zu gehen, mit den Einkäufen die für seinen Großvater und ihn bestimmt waren. So überlebten sie.. Viel Geld hatten sie nicht. Nicht hier in Shiganshina. Ignoranz hatte nicht geholfen. So zu tun als wären diese Jungen Luft war ebenfalls ein Fehler gewesen. Ihnen keine Reaktion auf ihre dummen Fragen zu geben hatte sie wieder provoziert. Vielleicht war der einzige Fehler hier auch er selbst. Weil er existierte. Warum traf es ausgerechnet ihn? Und im nächsten Moment fühlte er sich bereits schlecht, weil er so egoistisch dachte. Still saß er auf dem Boden und starrte hinunter zwischen seine Füße, bis er bemerkte, dass sich die Jungs zurück ziehen wollten. Es war wohl zu langweilig geworden, weil er nicht mehr reagierte. Er wollte ja, aber sein Körper tat einfach nichts mehr. Seine Augenlider waren halb gesenkt und er empfand einfach so viel aufeinmal, dass er gleichzeitig irgendwie... gar nichts mehr empfand. Bis er das knistern der Tüte hörte. Sofort schnellte sein Blick wieder hoch und seine Vermutung bestätigte sich. Sie schnappten sich seine Einkäufe! Aber er hatte nicht mehr genug Geld um neues essen zu kaufen. Die Kartoffeln, die Äpfel.. nein! Was würde sein Großvater sagen, wenn er ohne Nahrung nachhause kommen würde? Was sollte ER ihm sagen? So unzuverlässig konnte er nicht sein.. sein Großvater hatte ihn aufgenommen und kümmerte sich trotz seines hohen Alters noch um ihn, er zählte auf ihn, dass er diese Aufgabe erledigte und seinen Teil dazu beitrug. Und was tat er? Er ließ sich einfach beklauen. So schnell er konnte raffte sich der Blondschopf wieder auf und stolpete auf einen der Rabauken zu. "Gib es mir zurück!!", schrie er gleich so laut, dass sein Hals dabei furchtbar kratzte. So zog er zwar die Aufmerksamkeit anderer auf sich, aber das war ihm egal. Sein Großvater konnte nichts dafür, dass er eben so schwach war und darunter wollte er ihn nicht auch noch leiden lassen. Verzweifelt zerrte er am Ende der Tüte die er noch zwischen die Finger bekommen hatte. "Ich habe das Essen auf ehrliche Weise gekauft wenn ihr auch etwas haben wollt, dann kauft es euch selbst! Stehlen ist falsch! Wir haben sonst nichts mehr!", versuchte er es weiter, fast in einem flehendem Ton. Die beiden Komplizen formierten sich neu und steuerten auf den Schwächling zu, aber diesmal war es anders. Heute sollte ein besonderer Tag sein.. "GROOOOAAAHHHH!!", brüllte ein weiterer Junge der wütend auf die Gruppe zusteuerte. Vor Schreck erstarrt blieb der Blauäugige stehen und konnte nur zusehen, wie dieser Fremde wie ein Stier auf ihn zu gerannt kam. War es das? Noch Jemand? Zu seiner Überraschung griff er die Person an, die die Tüte mit den Lebensmitteln hielt, so dass diese auch ihm aus den Händen gerissen wurde. Keuchend sank er auf seine Knie und richtete seinen Blick wieder zu Boden, bevor er seine Chance ergriff und die verlorenen Lebensmittel wieder einsammelte so gut es eben ging. Allerdings schaffte er auch nicht viel, mit ausgestrecktem Arm beobachtete er die tanzenden Schatten auf dem Boden und hörte Gewinsel und Gemotze. "Armin hat jetzt einen Babysitter!", rief einer, der schon weiter weg war. "Ja! Nächste mal kriegen wir euch beide!", rief der andere und der letzte lief nur noch hinter den anderen her um ebenfalls schnell weg zu kommen. Langsam hob er seinen Kopf. Er schaute an der dreckigen Hose des Jungen vor sich hoch und blieb mit dem Blick an der zitternden Faust hängen. Wut. Der Junge war voller Wut, aber er hatte ihn verteidigt. Oder? Das hatte er doch gerade wirklich getan... "Armin heißt du, oder?", fragte der Fremde plötzlich und riss ihn somit aus seinen Gedanken. Mit einem Blinzeln klärte sich sein Blick und er schaute hoch in das Gesicht des Unbekannten. Er hatte dunkle, braune Haare und ein recht freundliches Gesicht. Das hatte er nicht erwartet. "J-..Ja.", antwortete er geistesabwesend und als er in seine grünen Augen schaute, glaubte er ein rauschen zu hören. So.. wie wenn man unter einem starken Baum stand, dessen Blätter sich im Wind bewegten. Vielleicht hatte er auch nur einen Aussetzer gehabt..nach dieser Attacke von eben. "Ich bin Eren!", stellte er sich vor, grinste kurz und fing ohne weitere Worte an die restlichen Kartoffeln einzusammeln. "Passiert dir das öfter? Du darfst dir das nicht einfach so von den feigen Idioten gefallen lassen. Sieh nur wie schnell die abgehauen sind, haha!", sagte er und rieb sich stolz mit dem Zeigefinger die Nase, obwohl er offensichtlich ebenfalls etwas abbekommen hatte. Wow... Kapitel 2: Geheimnis -------------------- Die Tage vergingen. Die Rabauken kamen wieder. Aber auch Eren kam wieder. Immer wieder. Dieser Kerl hatte sich einfach dazu entschiedenbei ihm zu bleiben und auf ihn aufzupassen. Noch dazu half er ihm auch dabei Einkäufe zu tragen. Und er sprach mit ihm, einfach so. Als wäre er vollkommen normal und eine vollwertige Person. Das gefiel Armin besonders. Auch wenn er noch etwas schüchtern war und wenig von sich Preis gab, so blühte er doch auf. Das spürte auch sein Großvater und sein Enkel hatte das Gefühl, dass auch er nun glücklicher war. Er war immerhin seine Familie und auch sein Namensgeber, er hatte sich große Sorgen um sein 'Kind' gemacht. Nun hatte er einen Freund gefunden, den er sogar ab und an mit einladen konnte. Ihre Familien lernten sich kennen und verstanden sich gut. Auch Mikasa hatte der blonde Junge kennen gelernt, Erens Adoptivschwester. Sie machte ihm manchmal schon angst, aber eigentlich schien sie doch ganz in Ordnung zu sein. Nun hatte er zwei Freunde.. ganze zwei Menschen, abgesehen von seinem Großvater, die gerne mit ihm Zeit verbringen wollten und das nahm ihm einen Teil des inneren Schmerzes ab. Sehr sogar. Manchmal schaute er aus dem Fenster und dachte darüber nach, währenddessen sammelten sich Freudentränen in seinen großen, nach Hoffnung suchenden Augen und er konnte nicht anders als zu lächeln. Es kribbelte so in den Wangen und die Welt sah plötzlich ganz anders aus. So leicht hatte er sich noch nie gefühlt. Zumindest konnte er sich nicht daran erinnern. Ein neuer Tag brach an und Armin hatte beschlossen seinem neuen Freund etwas zu zeigen. Mikasa war diesmal nicht mit dabei. Aber das war nicht schlimm. "Du darfst es Niemandem erzählen.. versprochen? Wenn das Jemand rausfindet bekommen wir mächtig Ärger.", sagte Armin und als er in das Gesicht des Dunkelhaarigen blickte wusste er, dass er diese Worte nicht nochmal wiederholen musste. "Versprochen. Was ist es denn? Du machst mich echt neugierig, zeig schon.", forderte er neugierig. Die Reaktion, als er ihm das Buch unter die Nase schob war zunächst wenig begeistert. "Wie.. ein Buch?" Armin war klar, dass er ihm die Situation hier genauer erklären musste. "Das ist nicht irgendein Buch. Das hier ist ein Buch über die Welt da draußen!" Überrascht zog Eren seinen Kopf zurück und schluckte. "Über die Welt da draußen? Aber das ist doch illegal..wenn man dich damit erwischt-..", "Deswegen sollst du es Niemandem verraten. Sieh nur..!", gab der Kleinere nun aufgeregt von sich. "Hier drin steht alles genau beschrieben. Das ist es, wonach meine Eltern suchen wollten.. aber sie kamen nie mehr zurück. Nicht lebendig.. Und dennoch.. In diesem Buch steht, dass die Welt so viel größer ist als das, was wir kennen. Große Wiesen, verschiedene Tiere und mehr Wasser als es Erde gibt! Richtig viel.. und tief blau. Und auch in diesem Wasser leben viele Tiere, große so wie auch kleine. Sogar so klein, dass man sie mit bloßem Auge kaum erkennen kann.", er machte eine kurze Pause, aber auch nur weil er Luft holen musste und schaute sich kurz um. Sie waren draußen, etwas weiter hinter seinem Haus, wo es eine Grünfläche gab. Der große Baum gab ihnen Schatten und Schutz vor der Sonne und auch vor den Blicken der Leute. Eren war total fasziniert, nicht nur wegen dem was sein neuer Freund da erzählte, sondern auch WIE er es tat. Zum ersten mal zeigte er, dass er etwas wirklich wollte und öffnete sich so weit ihm gegenüber, dass er das Gefühl hatte, ihm direkt ins Herz sehen zu können. "Und weißt du was? Das meiste von diesem Wasser soll wohl Salzwasser sein!", fiepste der Langhaarige und schaute mit großen Augen zu Eren. "Salz? Aber das ist doch richtig teuer! Du willst mir sagen es gibt so viel Wasser und so viel Salz auf einer Stelle?" Armin nickte. "Aber ich glaube nicht, dass man es trinken könnte, es sei denn man findet einen Weg es zu Filtern. Dann hätte man beides.. das wäre doch Großartig, jeder hätte etwas zu trinken und auch jeder könnte sich Salz leisten." Wieder mummelten sich die beiden Jungs zusammen und schauten in das Buch. "Es gibt Berge und Ebenen, wo es Wasser aus Feuer gibt, Eis, das so kalt ist, dass es auf der Haut so heiß wird wie Feuer! Und riesig große Felder nur aus Sand, weit und breit." Tief holte Armin Luft und schaute seinen Freund wieder an. Eren erwiderte den Blick. "Eren... Irgendwann möchte ich dieses Wasser...sehen..den Ozean.. das Meer.. das Eis.. und so vieles.." Ihre Blicke trafen aufeinander, sie fixierten sich Gegenseitig bis der Dunkelhaarige nickte. "Lass uns ihn irgendwann zusammen sehen!", schlug er vor und hielt seinem Freund die Hand hin. Dieser konnte sein Glück kaum fassen und nahm sie an, drückte sie leicht. Nicht so, als würde er sich hoch ziehen wollen, das war ein vollkommen anderes Gefühl. Hand in Hand, zusammen in die Zukunft blicken, während sie sich gegenseitig in die Augen schauten. Wenig später klappte Armin das Buch zusammen und verpackte es wieder in einem Tuch, damit man nicht sehen konnte, was sich darin befand. Zusammen legten sie sich auf die Wiese, mit dem Blick zum Himmel, beobachteten die Wolken. Leise sprachen sie noch miteinander bis Stille einkehrte. Und plötzlich sagte Eren etwas, was in Armin ein Gefühl auslöste, welches er noch nie so in dieser Form erfahren hatte. Als wäre er kurzzeitig taub, seine Wangen wurden furchtbar warm und färbten sich rosa. "Weißt du wie ich mir das Blau von diesem Wasser vorstelle?", fragte er, wartete aber gar nicht auf eine Antwort und lächelte zum Himmel hinauf. "So blau wie deine Augen." Kapitel 3: Der Wahrheit ins Gesicht blicken ------------------------------------------- Tage vergingen. Wochen. Monate. Sogar Jahre. Es hatte sich einiges geändert und doch nichts. Er lebte immernoch hinter diesen Mauern, half wie immer seinem Großvater und steckte seine Nase in das Buch, immer und immer wieder. Nun wo er Jemanden hatte, mit dem er darüber sprechen konnte, kamen ihm die Seiten noch viel bunter vor als vorher. Sie schienen zu leben. Das was sich nicht geändert hatte war die Tatsache, dass er für einige Prügelknaben noch immer eine Zielscheibe darstellte, allerdings war Eren oft zur Stelle, wenn er dies mitbekam und beschützte ihn. Die Erleichterung und das Glück, welches er dabei empfand wurde jedoch von Scham begleitet. Noch immer fiel es Eren und besonders Mikasa so leicht diese Jungs zu vertreiben und er war der Einzige der überhaupt nichts ausrichten konnte. Zweifel stiegen in ihm auf und verursachten einen Druck in ihm, den er an manchen Tagen kaum aushalten konnte. Er musste lernen sich selbst zu verteidigen, er musste irgendwie stärker werden. Ob die beiden bereits insgeheim schlecht von ihm dachten? In so einer Welt wie dieser starben die Schwachen doch bekanntlich zuerst. Wenn sie weiter so schnell heranwuchsen und er so bleiben würde, würden sie ihn irgendwann zurück lassen, auch wenn sie jetzt noch Freunde waren. Eren hatte ihm öfter von seinem Wunsch erzählt dem Aufklärungstrupp beizutreten und einige male waren sie dabei gewesen, als der Rest davon zurückkehrte. Und trotzdem wollte Eren sich daran beteiligen.. er war so mutig. Er wollte raus... raus in die Welt und diese retten, vor diesen Monstern die sich hinter den Mauern tummelten. Das war bewundernswert. Diesmal saßen sie alle drei zusammen auf einer Treppe nahe des Wassers. Wind kam auf und wehte kleinere Blätter weg, die beim tanzen im Wind knisterten. "Aber es ist doch wahr. Es ist leichtsinnig zu glauben, dass wir innerhalb der Mauern für immer und ewig in Sicherheit leben könnten.", sagte der Blonde, umhüllt vom eigenen Missmut. Das war absurd. Eingesperrt, von Generation zu Generation. War es das wirklich wert? "Auch wenn die Mauern hundert Jahre lang nicht zerstört wurden...gibt es keine Garantie, dass sie auch heute halten werden." Eine Menschheit die sich selbst einbunkerte, für immer und ewig. Das war krank. Es klang, als hätte diese Menschheit aufgegeben. Jahrzehnte, Jahrhunderte der Evoluiton, alles umsonst, sie aufgegeben hatten zu kämpfen und sich mit einem Blick gegen eine Mauer zufrieden gab. Sein Monolog wurde beendet, jedoch nicht von den Worten einer seiner Freunde. Es war ein grelles Licht, ein Blitz, obwohl das der Himmel keine Gewitterwolken aufwies. Es war so hell, dass es ihn blendete und kurz darauf verlor er den Halt und fiel zusammen mit seinen Freunden von der Treppe. Die Erde unter ihnen bebte und hinderte sie daran aufzustehen. Was war nur passiert? Der Schreck in seinen Knochen saß dort noch fest, trotzdem entschloss er sich dazu aufzustehen als er den Aufruhr auf der Straße hörte. Ein paar Erwachsene rannten in die Richtung, aus der dieser laute Knall gekommen war und riefen etwas von einer Explosion. War es wahr? Eine Explosion? Was sollte es auch sonst sein? Es konnte nichts gutes sein. Und trotzdem rannte er in diese Richtung. Warum? Was wollte er dort? Irgendwo hoffte er mit eigenen Augen sehen zu können, dass alles in Ordnung war. Das Adrenalin durchströmte seinen Körper und als er an einem größeren Platz angekommen war, wo sich bereits mehrere Leute versammelt hatten, die nur in eine einzige Richtung starrten, blieb er stehen und hielt die Luft an. Zuerst erkannte er nichts, doch dann sah er soetwas wie eine Hand hinter all dem Qualm. Auf der Mauer. Das hatte er sich nicht eingebildet, nein. Spätestens als Mikasa und Eren mit dazu kamen und diese Hand ebenfalls entdeckt hatten, war er sich sicher. "Aber.. diese Mauer ist fünfzig meter hoch..", brachte er mit zitternder und aufgelöster Stimme hevor. Waren Titanen nicht eigentlich kleiner? Und hatte denn Niemand ihn kommen sehen? Soetwas konnte man doch nicht übersehen! Langsam kam auch der Kopf des Titanen hinter der Mauer hervor, er bewegte sich schwerfällig und langsam, doch Niemand rannte weg. Alle starrten wie gebannt auf das was vor ihnen passierte. Was würde als nächstes passieren? Oder viel mehr: WIE würde es passieren? Wie würden sie nun sterben? Zum ersten mal in seinem Leben sah er einen Titan vor sich und er war sich sicher, dass es auch das letzte mal sein würde. Gerade noch hatte er darüber gesprochen, dass es nicht ewig so weiter gehen konnte. Aber er wollte dieses Recht nicht behalten! Warum nur hatte er überhaupt den Mund auf gemacht?! Tränen schossen in seine Augen, die eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr geschlossen wurden und deswegen brannten. Fest kniff er die Augen zusammen, schüttelte den Kopf und blickte erneut auf zur Mauer. Es war kein Traum. Würde es jetzt etwas bringen zu rennen? Aber wohin? Der Titan hatte ein Gesicht.. ohne Haut, es war so als wäre einem Menschen die Haut abgezogen worden. Schatten über den bedrohlich wirkenden Augen, die weiter im Gesicht verborgen waren, Dampf zischte aus teilen seines Gesichtes wie bei einer Maschine. Dieses Gesicht.... es schaute auf sie herab. War es wirklich das, was sich hinter der Mauer befand? Das, was er zu sehen bekam, wenn er wie seine Eltern die Mauer verlassen würde um die Welt zu sehen, wie sie in den Büchern geschrieben war? Sie kamen nie wieder zurück. Gab es das alles überhaupt wirklich? Es musste doch.. oder? Zum ersten mal zweifelte er daran, dass das was in den Büchern seiner Eltern stand wahr war. Warscheinlich war dieses Gesicht auch das letzte gewesen, in welches sie blicken mussten.. Das Gesicht der Wahrheit hinter den Mauern von Shiganshina. Kapitel 4: Etwas bewegt sich ---------------------------- Sie waren entkommen. Wie sie es geschafft hatten, wusste er selbst nicht so richtig. Er erinnerte sich zwar noch genau an alles, vorallem an die Panik und die Angst die ihn befallen hatte. An all das erinnerte er sich. Die Fratze des Todes, die über die Mauern gestarrt hatte. Dieser riesige Titan hatte nicht gesprochen, aber es war so, als hätte er gesagt: "Heute werdet ihr alle sterben!" Nicht alle sind gestorben. Aber viele. Zu viele. Sie hatten überlebt, dank der Hilfe von Hannes und anderen tapferen Helfern. Eigentlich ein Grund zur Freude, doch all das was geschehen war konnte er nicht einfach so abschütteln. Carla Jäger starb.. Sie hatten viele Menschen sterben sehen. Überall roch es nach Blut und Tod. Er konnte nichts für sie tun. Alles was er getan hatte war weg zu rennen und Hilfe zu holen, weil er selbst nichts tun konnte. Er war noch ein Kind und jeder würde sagen: "Natürlich konntest du nichts tun, du bist ein Kind." Aber trotzdem passierten schlimme Dinge, obwohl sie Kinder waren. Sie mussten dabei zusehen, wie sie sich immer weiter von denen entfernten, die noch verzweifelt versuchten auf das Rettungsschiff zu gelangen. Sie hatten in die Gesichter jener Menschen geblickt, die sie nie vermutlich wieder sehen würden, wissend, dass jeder von ihnen den Titanen zum Opfer fallen würde. Vielleicht passte dieser Ausdruck nicht mehr zu ihnen, nach all dem was sie nun gesehen und durch gemacht hatten. Mikasa und er.. waren allein. Und auch Eren war nun allein. Für andere würden sie immer Kinder bleiben und auch so behandelt werden. Doch auch das Kind in ihnen war gestorben. Sie waren nicht mehr die, die sie vor dem Bruch der Mauer waren. Armins Opa wurde weg geschickt. Er kehrte nie wieder zurück, genau wie seine Eltern. Er wusste, er würde ihn nie wieder sehen. Das war keine Schwarzseherei, das war die Realität. Allles was ihm blieb war der Hut, den er ihm überlassen hatte. Als hätte er gewusst, dass es sein Schicksal sein würde zu sterben. Er wusste es nicht. Er wusste überhaupt nichts... Es war so still und die Gedanken des Blonden waren so laut. Sie quälten und lähmten ihn. Am liebsten würde er weinen und schreien, doch sein Körper tat nichts, außer sich zu verspannen. Es tat weh und doch konnte er nicht damit aufhören. Sogar das Essen war schwer runter zu bekommen. Doch sie mussten essen um weiter zu leben. Wofür wusste er selbst nicht. Aber er wollte noch ein bisschen länger bei Eren, Mikasa und Hannes bleiben. Hätte er doch den Mund gehalten... hätte er doch nie behauptet, dass sie hinter den Mauern nicht für immer sicher wären. Armin wusste tief im inneren, dass es nicht seine Schuld war. Aber wie hoch war die Warscheinlichkeit, dass soetwas schreckliches passierte, wenn man ein paar Minuten zuvor noch darüber gesprochen hatte? Es fühlte sich so an, als hätte er es heraufbeschworen. Plötzlich schrie Jemand. Zunächst erkannte der Blauäugige nichteinmal wer es war, da seine eigenen Gedanken ihn so benebelt hatten. "Ich werde sie töten!!!", brüllte Eren erneut. Erst jetzt schaute Armin zu ihm auf. "Was...?", formte er lautlos mit seinen Lippen, denn er begann zu realisieren was sein Freund da gerade von sich gegeben hatte. "Ich werde sie töten. Ausrotten. Alle Titanen!", knurrte der Braunhaarige erneut, stieß sich von der Wand ab an der sie saßen und ging einen Schritt nach vorn. Dann blieb er stehen, ballte seine Hände so fest zu Fäusten, dass die Knöchel weiß wurden. "Ich werde Rekrut!" Armin und Mikasa hielten den Atem an. Das Mädchen war jedoch die Erste, die sich zu Wort meldete. Der Blonde jedoch blendete dies aus. Alles was er sah, war der Rücken seines Freundes. Hörte nur noch weit entferntes Rauschen. Nervös krallte er sich selbst die Finger in seine Kleidung, während der Rest des Körpers bebte. Er hatte so viel gesehen. So viel erlebt. Und trotzdem wollte er diesen Schritt gehen?! Und dann wurde es ihm klar. Die Menschen die in den Mauern lebten, sahen jedes mal nur dabei zu wie die, die überlebt hatten, wieder hinein kamen. Oft war es weniger als die Hälfte. Und trotzdem sie nichts taten, nichts tun wollten.. den Mut dazu nicht hatten, wagten sie es über diese Menschen zu urteilen. Sie zu beschimpfen. Mit welchem Recht? Auch Eren hatte seinen Gefühlen dahingehend bereits freien lauf gelassen. Er hatte es auch an ihm ausgelassen. Armin wusste, er hatte recht, wenn er ihn als Feige und schwach beschimpfte. Doch was Mikasa sagte, stimmte auch. Sie saßen alle im selben Boot. Sie waren nicht stark genug, sie waren auf die Hilfe der anderen angewiesen. Jetzt noch. Es machte keinen Sinn aufeinander los zu gehen, sie mussten sich gegenseitig helfen. Wild schüttelte Armin den Kopf, zog seinen eigenen Körper mit neuer Willenskraft empor und stellte seit langem wieder fest, dass er stehen konnte. Er spürte es. Auf seinen eigenen zwei Beinen. Auch wenn das im Moment nicht viel war. "Ich werde auch beitreten!" "Aber Armin!", kam es schockiert von Eren. Schon vor dieser Reaktion hatte er sich selbst gefragt, ob das richtig war. Aber wenn er an all diese Menschen dachte.. und wenn er Eren ansah.. dann ja. Er wollte seinen Freunden helfen. Und auch der undankbaren Menschheit. Denn es waren auch welche dabei, die waren wie sie. Kinder, die irgendwie versuchten an das gute zu glauben. Kinder die in eine schönere Welt als diese geboren werden wollten. Eren hatte selbst ihn inspiriert... er würde sicher auch andere inspirieren. Er war sich sicher, Eren würde es schaffen. Seine Stimme hatte ihn erreicht. Sein Wille. Sein Tatendrang. Dafür bewunderte er seinen Freund so sehr. Auch jetzt noch hatte er die Kraft seine Gefühle so deutlich zu machen. Und sich ein Ziel zu setzen, auch wenn es noch so unmöglich schien. Zwar trieb ihn der Hass und die Wut an, aber es bewegte ihn. Es war nicht sonderlich durchdacht. Aber es bewegte sich! Seine Eltern wollten etwas tun. Sein Großvater wollte etwas tun. Doch sie sind alle dabei gestorben. Er glaubte nicht daran, dass er großes bewirken konnte, aber.. wenn es wenigstens etwas war. Wenn er etwas tat und es wenigstens versuchte, dann war es schon mehr als das was der Rest hier tat. Auch Mikasa stimmte mit ein. Also war es beschlossen. Sie würden alle drei zusammenhalten und versuchen die Welt zu verändern. Kapitel 5: Traust du deinen Augen? ---------------------------------- Erneut vergingen einige Jahre und zur Überraschung anderer und auch seiner, hatte er bis hier hin überlebt. Eren hatte sich tatsächlich dem Aufklärungstrupp angeschlossen, so wie er es immer wollte. Nun, nicht ganz. Die Umstände waren andere. Es hatte sich herausgestellt, dass er selbst ebenfalls ein Titan war. Titanenwandler nannte man diese Spezies.. und sie waren intelligenter als die anderen Titanen. So wie er es beobachtet hatte, mussten sie sich selbst verletzen um sich verwandeln zu können, doch an Eren konnte man gut sehen, dass selbst das nicht so einfach war wie man hätte meinen können. Es war still. Das war es lange nicht mehr. Aber dunkel war es, so wie gewohnt. In letzter Zeit waren sie oft Nachts unterwegs gewesen. Ein frustriertes seufzen entwich der Kehle eines anderen. Armin schaute ins Feuer. "Hast du schmerzen?", fragte Armin leise, als könnte er Jemanden wecken. Eigentlich wünschten sie sich, dass es hier etwas menschliches gab, was man wecken konnte, aber.. dem war nicht so. Sie waren allein. "Mein Schädel brummt total.",stöhnte der Braunhaarige und rieb sich die Stirn. "Du bist auch ziemlich tief gefallen. Ich bin froh, dass dir nichts schlimmeres passiert ist...", sagte Armin besorgt, lächelte dann aber erleichtert, als Eren sich aufrichtete. "Meine Wunden heilen zwar, aber es tut echt weh..", schmollte der andere und stützte sich auf seinen Händen ab. "Und wo sind wir jetzt?" Armin schwieg kurz und wusste nicht recht wie er es beschreiben sollte. Abgesehen davon, dass sie mittlerweile nur dank des Lagerfeuers die Hand vor Augen erkennen konnten. "Ich bin mir nicht sicher.", entgegnete er seinem Freund enttäuscht. Dieser verzog den Mund zur Seite und versuchte etwas zu erkennen, in dem er sich umschaute. "Wenn die Sonne auf geht sollten wir versuchen die anderen zu finden... die Pferdefresse kann nicht weit sein. Der ist sicher noch nicht beim Ziel.", grummelte Eren und zog seine Augenbrauen zusammen. Armin schmunzelte. Es war zwar nicht nett, aber er freute sich über dieses Verhalten. Wenn der Titanenwandler wieder so über seinen Kameraden schimpfen konnte, ging es ihm besser. Es war ein gutes Zeichen. "Wenn wir Glück haben sind unsere Pferde noch hier in der Nähe.", fiel ihm ein, wenn sie schon von Pferden sprachen. Da sie diese Gegend nicht genügend kannten, wäre es gut ein Reittier zu haben anstatt sich zu Fuß von Titanen aufsammeln zu lassen. Außerdem sollten sie ihren Gasvorrat nicht unnötig aufbrauchen. Es war nicht mehr ganz so einsam, da sie mit einander sprechen konnten. Lange war es her, dass sie mal wirklich allein waren. Als er so zurück dachte, konnte er sich kaum an eine Zeit erinnern in der es so war. Aber es gab schon ein paar schöne Momente. Und auch wenn die Situation momentan ungewiss war, zählte dies auch zu einer Zeit in der er sich kurz entspannen konnte, auch wenn dies vielleicht daran dachte, dass er abgelenkt war. Als die ersten Sonnenstrahlen ihre Haut berührten war es ihnen auch endlich möglich etwas mehr zu sehen. Auf dem ersten Blick waren keine Titanen zu sehen, was allerdings kein Grund war unvorsichtig zu werden. Eren hob seine Hände und holte tief Luft um zu pfeifen, Armin jedoch hielt ihn an der Schulter und zog ihn zurück. "Nicht.", flüsterte er und und hielt sich einen Finger vor den Mund. "Wenn wir jetzt krach machen, wird vielleicht etwas auf uns aufmerksam, das nicht erwünscht ist.", erklärte der Blonde leise. Bis eben hatten sie zwar auch etwas lauter gesprochen, aber nun wo die Möglichkeit bestand, dass die Titanen wieder aktiv wurden, wollte er es nicht riskieren. Eren schnaufte frustriert. "Wie sollen wir die anderen finden?! Ich sehe hier nur Bäume!", regte er sich mit gedämpfter Stimme auf. Armin konnte ihm ansehen, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis er die Geduld verlor. Dagegen musste er etwas tun. Allerdings konnte er es auch verstehen. Es war nicht nur die Tatsache, dass sie nicht wussten wo sie sich befanden, auch die Ungewissheit was mit den anderen passiert war, war so beunruhigend, dass es auch ihn betroffen machte. Denn die Chance, dass sie nicht alle wieder sehen würden bestand immer. Gestresst fuhr sich der Blonde durchs lange Haar um einige Strähnen aus seinem Sichtfeld zu beseitigen. Damit sie ihm nicht weiter im Weg waren, band er sich einen Zopf. In der ganzen Zeit war er nicht mehr dazu gekommen seine Haare kürzen zu lassen. Wenn das so weiter ging, hatten sie bald die Länge wie die von Christa. Es gab nunmal Dinge die wichtiger waren, dennoch war es nicht von Vorteil. Armin sah hinauf. Etwas weiter weg von hier ging es berg auf. Von dort kamen sie, Eren war dort mit seinem Pferd hinunter gestürzt, als dieses bei der Flucht vor einem Titanen stolperte. Vermutlich hatten sie, wenn überhaupt auch nur noch ein Pferd, wenn sie dieses wieder finden würden. Der Blauäugige wandte sich um und schaute in die andere Richtung, dabei atmete er so flach wie möglich um eventuelle untypische Bewegungen wahrnehmen zu können. "Lass uns dort lang gehen. Das Sonnenlicht kommt von dort. Die Bäume scheinen da nicht mehr so dicht bei einander zu stehen.", schlug Armin vor und beobachtete Eren erneut. Dieser schaute missmutig in die Richtung. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck zu einem entschlossenen. "Das heißt man kann mehr sehen!", schlussfolgerte er und ging zielstrebig los. Dass er vorsichtig sein sollte, musste Armin ihm sicher nicht sagen. Im Notfall hatten sie auch noch Eren's Titanenform. Auch wenn er diese nun ein wenig besser unter Kontrolle hatte, gab es immenroch ein Restrisiko. Und es lockte zudem auch noch mehr Titanen an... Armin holte auf und streifte mit seinem Freund durch den Wald. Es war tatsächlich so, dass die Anzahl der Bäume abnahm. Der Boden bestand aus hohem Gras, welches ihnen fast bis zu den Knien ging. "Sieht aus, als wäre hier nichts weit und breit.", sagte Eren frustriert und trat das Gras. Ein paar Hälme flogen herum. Am liebsten würde er vor Wut alles heraus reißen und herumbrüllen. Armin ging weiter. Dort wo er war, waren keine Bäume mehr. So wie es aussah, lief er erneut auf einen Abgrund zu. Wie weit runter ging es hier bloß? Nocheinmal schaute er nach hinten zu Eren und dem Abhang von dem sie gekommen waren. Es roch eigenartig. Er war sich sicher, dass er diesen Geruch noch nie zuvor in der Nase hatte. Egal was es war, es ließ sein Herz schneller klopfen. Aufregung und Nervosität kooperierten um dies möglich zu machen. Seine Schritte wurden größer, bis er es endlich zur Spitze geschafft hatte. Das was er sah ließ ihn vollkommen erstarren. Die Luft blieb ihm weg. Die Zeit blieb stehen. Es war zu viel, als dass er es sofort verarbeiten konnte. Seine Beine hielten ihn nicht mehr und so sank er zu Boden und hielt sich am hohen Gras fest. Eren sah, dass sein Freund auf die Knie fiel und rannte sofort los. Offensiv kämpfte er sich durch's Gras um so schnell wie möglich bei ihm zu sein. "Armin!!", rief er, ohne großartig zu überlegen und stolperte auch die letzten Schritte zu ihm, berührte gerade seine Schulter als er selbst nach vorn schaute und zurück schreckte. Es war gewaltig. Kapitel 6: Strudel der Gefühle ------------------------------ Er konnte seinen Augen kaum glauben. So sehr er sich anstrengte, er konnte nichts in der Ferne erkennen. Es war blau. Alles war blau. Der Himmel. Und auch der riesige blaue Teppich, der sich vor ihnen erstreckte und die Landschaft verschlang. Armin blickte hinunter, bis er den Boden erkannte. Sand. Immer wieder schubste sich das Wasser nach vorn und zog sich wieder zurück. Das musste es sein. Der Ozean. Das Meer. Nie hätte er auch nur im Traum daran geglaubt nocheinmal die Gelegenheit zu haben diesen zu sehen. Das, was seine Eltern sehen wollten. Seine Eltern.. sie waren nicht hier. Oder? Kurzzeitig kamen Zweifel in ihm auf. Vielleicht hatten sie es bis hier hin geschafft. Und sich etwas aufgebaut und warteten hier auf ihn. Doch im selben Augenblick wurde ihm klar, dass dies nur Wunschdenken war, angetrieben von den aufkommenden Gefühlen während er ins blaue Wasser schaute. Menschen waren nunmal so. Sie waren nie zufrieden und wünschten sich immer mehr. Auch wenn dies überhaupt nicht möglich war. Seine Eltern waren nicht hier. Und auch sein Großvater nicht. Schwer schluckte Armin und ließ seinen Kopf hängen, drückte die Hand gegen sein Gesicht und schluchzte. "Mama... Papa.. Ich bin am Meer...", wimmerte er leise und stellte sich vor, wie stolz sie wären. Zwei Sillhouetten vor einem grellen Licht. An seine Gesichter erinnerte er sich nicht. Aber seinen Großvater erkannte er vor seinem inneren Auge sehr gut. Er hatte ihm schließlich auch seinen Namen gegeben. Der Junge war überwältigt von seinen Gefühlen und wusste nicht was er zuerst fühlen sollte. Freude oder Schmerz. Eren schaute unbeholfen zu seinem Kindheitsfreund, lächelte dann aber entschlossen und nahm seine Hand. "Komm, wir gehen runter!", sagte er und weckte den sensiblen Blonden so aus seiner Starre. Mit großen Augen schaute er zu ihm auf, wischte sich mit dem freien Arm durchs Gesicht um die Tränen los zu werden und nickte. Er war so aufgeregt. Es war nicht mehr weit, dann konnte er das Wasser berühren. Er würde den Strand betreten und den Sand unter seinen Füßen spüren, würde schmecken ob das Wasser tatsächlich so salzig war, wie es im Buch beschrieben war. Seine Schritte fühlten sich an als würde er auf Wolken laufen. Konnten sie ihren Augen trauen? Sie sahen doch wirklich was sie sahen, oder? Sie kamen näher, immer näher. "Hör auf zu weinen Armin, das ist das Meer oder? Das ist ein Grund zur Freude, du wolltest es doch immer sehen! Wir wollten es sehen! Es sieht genauso aus wie du es mir erzählt hast!" "Ich freue mich doch!", behuaptete er. Und so war es auch. Nur war das Gefühl so stark, dass kein Platz mehr in seinem Kopf war und so musste eben die ganze Tränenflüssigkeit weichen. Erneut wischte er sich mit dem Ärmel übers Gesicht. So wie er hier flennte fühlte er sich wieder wie 6. Nur am weinen, auch wenn das bei weitem nicht die selbe Situation war. Eren grinste breit und blieb stehen, nahm sich seinen Aufklärer Umhang und rieb damit ordentlich durch das Gesicht des Blonden. "Du kannst doch gar nichts sehen, wenn das so weiter geht.", sagte er und strich ihm ein paar verirrte Strähnen nach hinten. Sie hatten ihre Kameraden nicht vergessen. Vielleicht waren sie sogar auch hier. Ignorieren konnten sie das ganze hier gewiss nicht! "Ich weiß. Ich will ja aufhören.", sagte Armin und lachte verlegen, schniefte, holte einmal tief Luft und nickte. Vielleicht lag es auch am Schlafmangel. Oder es war tatsächlich einfach zu viel für ihn. Eren zog ihn wieder mit und blieb mit Abstand vor dem Wasser stehen. Er schien respekt davor zu haben, da es sich ständig vor und zurück bewegte. Jetzt wo sie hier standen, war es... noch immer riesig. So viel Wasser aufeinmal hatte er noch nie gesehen. Armin hockte sich hin, zog Eren damit runter. Seine Hand wollte er nicht los lassen. Er wollte diesen Moment mit ihm zusammen erleben, deswegen wählte er auch die Hand mit der er seine fest hielt. Vorsichtig streckten sie beide die Arme aus und hielten sie knapp über den dunkeleren Sand. Das Wasser kam und sie beide wurden nervös, hielten sich gegenseitig davon ab die Hand wieder zurück zu ziehen. Es war nur Wasser. Irgendwie war es total idiotisch sich so zu benehmen, aber.. es war Meerwasser! Als es ihre Hände berührte, zogen sie diese doch schnell weg. "Es ist eiskalt!", rief Eren aus. Sie lösten ihre Hände und starrten diese an. Eren fackelte nicht lange und leckte sich neugierig über den Finger. "PFÜÄH!!! Pfüh! Ärgh!", gab er halb würgend von sich und spuckte zur Seite aus. Auch wenn diese Reaktion genug information gab, tat Armin es ebenfalls. Vielleicht nur die Spitze des Fingers, nicht gleich den ganzen. Und dennoch verzog er das Gesicht. Es war wirklich extrem salzig... Wenn sie all dieses Salz nutzen könnten, könnten sie damit mehr als die ganzen Mauern versorgen! "Schmeckt echt widerlich...", sagte Eren, schaute dann zu Armin. Dieser nickte. "Wie es im Buch steht.", antwortete dieser und wünschte sich, dass er es dabei hatte. Tief atmete er nochmal die Meeresluft ein. Es roch hier nicht nach Blut, Tod oder sonstigen unschönen Dingen. Es war einfach erfrischend und so rein. Eren nahm eine Hand voll nassem Sand und warf diesen hoch. Natürlich bekamen es beide ab. "Uah, Eren! Was sollte das?!", fragte er verwirrt. "Ich wollte es ausprobieren. Fühlt sich echt komisch an.", sagte er und grinste. Armin lachte ein wenig, schüttelte den Kopf und zog eine Muschel aus dem Sand. Dann stand er auf und betrachtete sie genau. Sie war ein wenig kaputt, hatte auch einen riss, aber die Innenseite leuchtete wie ein Regenbogen, wenn das Sonnenlicht drauf schien. Es war wie in einem Traum... Nach einer Weile in der beide still waren und die ganze Umgebung auf sich wirken ließen, stand Eren ebenfalls wieder auf und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. "Auch wenn ich das Meer zum ersten mal sehe, kommt es mir gar nicht so vor.", murmelte er, laut genug so dass es Armin hören konnte. Das Rauschen des Wassers war doch etwas laut. Fragend sah Armin zu ihm und versuchte zu ergründen was er damit meinen konnte. "Weißt du.. irgendwie...", begann der Braunhaarige wieder und löste seine 'coole' Haltung und zuckte mit den Schultern. Dann sah er zu ihm und schwieg einen Augenblick, bevor er wieder zum Wasser sah. "Irgendwie hatte ich den Ozean die ganze Zeit bei mir." Epilog: Zusammen ---------------- "Eren...", sprach Armin seinen Namen leise und sanft aus, legte dann jedoch fragend den Kopf ein wenig schief. Sein Lächeln verbarg die aufkommende Nervosität, denn Eren schien ganz nachdenklich zu sein. Beinahe verträumt. Was ging diesmal in seinem Kopf vor. Wieder wandte Eren den Kopf zu ihm und blickte ihn einen Moment lang tief in die Augen. Er öffnete den Mund, doch Armin konnte seine Stimme nicht hören. Stattdessen ertönte ein polterndes Gebrüll, das sich ihnen näherte. Nicht etwa von einem Titanen, es war Jean, der beinahe hysterisch mit Worten um sich warf. "Wir haben die ganze Zeit nach euch gesucht und ihr vergnügt euch hier?! So wie ihr hier herumsteht könnt ihr den Titanen doch gleich ins offene Maul springen!", schimpfte er und stierte besonders Eren an. Dass die beiden sich auf dem Kiker hatten war kein Geheimnis, für Niemanden. "Wir haben auch nach euch gesucht, aber wir haben das Meer gefunden und-", versuchte Armin zu beschwichtigen, doch Eren fuhr dazwischen. "Wir müssen uns vor dir überhaupt nicht rechtfertigen, Pferdefresse!", keifte Eren zurück und stellte sich ihm mit zornigem Blick. "Hört doch auf! Wir sind jetzt beisammen, wenn ihr so weiter streitet werden die Titanen doch erst recht auf uns aufmerksam! Wir sollten froh sein, dass wir wohlauf sind!", gab Armin wieder von sich und versuchte die beiden auseinander zu drücken. "Was soll dieses Theater?!", kam es von einer anderen Person. Levi und auch Erwin kamen auf ihren Pferden angeritten. Jean salutierte vor ihnen, auch wenn er sichtlich ungern von Eren abließ. Den würde er sich noch vorknüpfen. Ihnen mal wieder solche Probleme zu bereiten. Sie wurden bereits von Titanen gejagt und waren deshalb erst in diese Lage gekommen. Ein Glück, dass wenigstens sie überlebt hatten, für einige andere sah das ganze nicht so rosig aus. Aber mit Verlusten hatten sie gerechnet. Für einen kurzen Moment starrten alle auf das Meer hinaus, lauschten dem Rauschen. Es schien eine beruhigende Wirkung auf alle zu haben. Armin vermochte sich dies einzubilden. Vielleicht auch, weil er keinen Streit wollte. "Lasst uns gehen. Seht zu, dass ihr auf eure Pferde kommt. Es spielt jetzt keine Rolle, weshalb ihr wie Kinder im Sand spielt, darüber reden wir später. Wir sind hier ungeschützt.", sagte Levi dann schließlich und machte mit seinem Pferd bereits wieder kehrt. Erwin musterte die Truppe nochmal eingehend und nickte dann. "Es scheint ganz so, als wäre dieser Abhang sogar eine Abkürzung gewesen. Wir müssen hier entlang. Ihr solltet dennoch auf den Wald acht geben, womöglich tummeln sie sich dort noch und warten nur auf einen Moment in dem sie angreifen können." Als Armin an Jean vorbei schaute, erkannte er, dass ihre Pferde etwas weiter weg standen und es ihnen doch gut zu gehen schien. Ein Glück! Auch wenn ihm nicht wohl bei der Sache war, blieb er lieber zwischen den beiden Streithammeln um eine weitere, direkte Auseinandersetzung zu vermeiden. Erwin hatte sich vergewissert, dass es den beiden letzten auch gut ging. Sie schienen jedoch keine sichtbaren Verletzungen davongetragen zu haben, also konnten sie direkt weiter. So machte auch er kehrt und holte auf zu Levi, der bereits wartete. Dieser würde sich nicht weit von Erwin entfernen, wenn es nicht nötig wäre. Anscheinend waren es jedoch nur zwei Pferde. Zwei mussten sich also eines teilen. Die Entscheidung war schnell gefallen, denn Eren und Jean auf einem Pferd? Niemals. Zudem blieb Armin besser bei Eren, für den Fall, dass ihm doch noch schlecht werden würde vom Sturz, trotz seiner Heilkräfte. Die drei Kameraden stiegen auf ihre Pferde und ritten hinter Erwin und Levi her. Sie waren auf dem Weg zu einem Lager. Jedenfalls wollten sie daraus eins machen, den Radius erweitern und mehr über die Welt und die Titanen herausfinden. Bisher hatten sich diese zum Glück nicht viel von denen die sie kannten unterschieden, auch wenn sie sich sehr weit von den Mauern entfernt hatten. Der Verdacht, dass der gesamte Rest der Welt ebenfalls von Titanen belegt war, verhärtete sich. Und doch blieb die Hoffnung, dass es vielleicht den ein oder anderen Ort gab, der gänzlich frei von ihnen war. Da, wo vielleicht auch andere Menschen lebten. Oder zumindest konnten sie einen Weg finden, wie sie die Titanen ein für alle mal beseitigen konnten, damit sie auch außerhalb der Mauern ohne Gefahren alles aufbauen und anbauen konnten. Jean war noch immer wütend, man sah es ihm an. Dennoch versuchte er den Wald im Auge zu behalten. Es war still und zu hören waren nur die Pferde und das Rauschen des Meeres. Ab und zu auch noch ein paar Vögel. Ihre Rufe hörten sich beinahe an wie schreie. Armin dachte darüber nach, was Eren noch zu ihm gesagt hatte, bevor sie unterbrochen wurden. 'Irgendwie hatte ich den Ozean die ganze Zeit bei mir.', hatte er gesagt. Hatte er etwa ihn gemeint? Wäre es eingebildet das zu glauben? Wenn er darüber nachdachte... Der Ozean war wunderschön. Er fühlte sich hier wohl. Trotz der Situation. Er konnte sich nicht an ihm satt sehen. Diese Menge an Wasser gab ihm Hoffnung und Halt. Er sah es an und wollte mehr. Mehr von der Welt sehen, er wollte sehen was sich dahinter befand, ob es überhaupt ein dahinter gab und er wollte all das entdecken, was in den Büchern stand. Alle anderen außer Eren durften nichts davon wissen. Sie waren so weit gekommen, aber sie sollten nichts von seinem Buch erfahren. Wer wusste schon was passieren würde. Mit ihm und Eren. Die Muscheln die er gesammelt hatte, hatte er sicher verstaut. Sie würden ihn nun begleiten und ihn immer an diesen Moment erinnern. Vom Ozean aus blickte er zu Eren. Auch dieser Hitzkopf gab ihm Halt und Sicherheit, trotz seiner manchmal ungehaltenen Art. Trotzdem er in Wirklichkeit ein Titanenwandler war. Er konnte es noch so oft sehen und in sein Gedächtnis rufen. Es war keine Angst zu spüren, wenn er an seinen Kindheitsfreund dachte. Vielleicht schon Sorge. Immerhin war seine Titanenform nach wie vor unberechenbar. Aber bisher hatte er es irgendwie immer geschafft ihn zurück zu holen. Das, was Mikasa damals nicht geschafft hatte, hatte er geschafft. Als er das ganze nocheinmal so durch ging, wurde es ihm erst richtig bewusst. Der Blonde wusste, sie sollten den Wald im Auge behalten sollten. Doch er konnte nicht anders. Es passierte ganz von allein. Er schloss seine Augen und lehnte sich nach vorn, so dass seine Stirn Eren's Rücken berührte. Er war so warm. Und er lebte. Es war eine Wärme, die man in Zeiten wie diesen noch mehr zu schätzen wusste. Sie hatten ein so starkes Band. Schon seit damals. Immer musste Eren ihm aus der Patsche helfen. Schon immer waren sie zusammen gewesen, auch wenn sie sich gestritten hatten. Und jetzt, wo Eren so stark war und doch irgendwie zerrissen.. jetzt konnte er für ihn da sein. Er würde Eren beschützen so gut er konnte. Vor Menschen und auch vor Titanen. Denn er wusste, Eren würde dasselbe für ihn tun. So oft schon hatte er helfen können. Die Sorge, dass er ihm zur Last fallen würde, war beinahe verpufft. Und deswegen waren sie auch erst hier. Am Meer. Auf dem Weg zu einem anderen Ort. Sie ritten bereits weiter denje. Vielleicht war das hier der Anfang. Vielleicht würden sie in ein paar Monaten oder einem Jahr wirklich um die Welt reisen. Zusammen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)