Zum Inhalt der Seite

2nd Season: Russian Diaries

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Leckerli: Zu Besuch bei Mama und Papa Nikiforov

Am Ende der Saison ist es soweit, dass Viktor und ich seine Eltern besuchen fahren wollen. Seit unserer Hochzeit sind nun mehr als drei Monate vergangen und das Wetter in Russland ist wieder etwas stabiler, sodass wir die Autofahrt in die russische Provinz ohne größere Überraschungen von Schnee und Kälte antreten können.

Wir werden drei Tage bleiben. Viktor meinte, für einen ersten Besuch reiche das vollkommen aus und so sind an einem Freitagmorgen unsere Sachen gepackt, Makkachin liegt bei umgeklappter Rückbank neben unseren Reisetaschen im Auto und wir fahren los. Etwa zwei Stunden wird es dauern, um von St. Petersburg in den kleinen Ort, dessen Name ich mir nicht merken kann, zu gelangen.

Kaum haben wir die Stadt hinter uns gelassen, wirbeln alle Bilder, die Viktor noch vor seinem Umzug nach St. Petersburg zeigen, in meinem Kopf durcheinander. Viktor in der Pfütze mit den Gummistiefeln. Viktor nackt auf einem der Schafe. Viktor mit der Suppenschüssel auf dem Kopf. So niedlich. Ich kann’s kaum erwarten, den Ort zu sehen, an dem alles angefangen hat und ich bin unglaublich gespannt, endlich seine Eltern kennenzulernen.

Dass Viktor ab und zu mit seinen Eltern telefoniert, ist mir im Laufe des letzten Sommers aufgefallen, nachdem mein Sprachkurs angefangen hatte. Es lag daran, dass ich fast immer erkannt habe, wenn er mit Jelena oder Yakov telefoniert hat, aber dann waren da noch diese anderen Gespräche, bei denen Viktor immer überaus komisch geredet hat. Ich habe nie etwas verstanden, egal wie sehr ich mich auch konzentriert habe. Erst als ich bereits anfing, an meinem Verstand zu zweifeln und ihn darauf ansprach, erklärte er mir, dass er mit seinen Eltern telefonierte und dabei Dialekt redete. Die Antwort überraschte mich doppelt, denn mir war nicht klar, dass Viktor neben normalem Russisch, Englisch, Französisch und Japanisch auch noch einen Dialekt beherrscht und dann war da natürlich die erleichternde Tatsache, dass er doch Kontakt zu seinen Eltern pflegte, wenn auch nur telefonisch.

Als wir nach etwas mehr als zwei Stunden in den Ort abfahren, frage ich mich einen kurzen Moment, ob wir wirklich richtig sind. Es ist ein wirklich kleines Dorf, vielleicht ein paar hundert Einwohner. Ich bin erstaunt, dass hier überhaupt jemand wohnt, denn es sieht sehr einfach aus, sehr ländlich und viel Natur, aber es hat einen gewissen Charme. Wir sind an zwei, drei Geschäften, einer Gastwirtschaft und an einer Kirche vorbeigefahren, aber sonst scheinen hier nur kleinere Häuser zu stehen und davon auch nicht besonders viele. Außerdem gibt es absolut nichts, was darauf hindeuten könnte, dass hier ein fünffacher Weltmeister seine Kindheit verbracht hat.

Die Bewohner von Hasetsu hatten nach meiner Silbermedaille im vorletzten Jahr nicht gezögert, Poster von mir überall an jede erdenkliche Straßenecke zu kleben und nach der letztjährigen Goldmedaille stand sowieso alles Kopf. Wirklich etwas davon mitbekommen habe ich zwar nicht, weil wir zu sehr mit Hochzeitsvorbereitungen beschäftigt waren und ich nur den Weg zwischen unserem Onsen und der Eishalle wahrgenommen habe, aber meiner Schwester nach zu urteilen muss die ganze Stadt tapeziert gewesen sein.

Und hier ist irgendwie... nichts. Gut, hier ist auch generell nichts, aber... Es ist gespenstisch normal. Wir stehen vor einer gepflasterten Hofeinfahrt am Rand des Dorfes, das Hoftor vor uns ist aus dunklem Holz und dahinter liegt den Hügel hinauf vermutlich das Haus von Viktors Eltern. Ansonsten sehe ich nur die Straße, die wir vom Ortsmitte hierher gefahren sind auf der einen Seite und weite, weite Felder mit ein paar vereinzelten Bäumen auf der anderen.

„Sie können kein Englisch“, lässt mich Viktor wissen, als er die Handbremse anzieht. „Und du weißt ja, sie reden Dialekt. Du wirst mit dem was du gelernt hast leider nicht viel verstehen, aber sie würden sich freuen, wenn du dich trotzdem vorstellen würdest. Kriegst du das hin?“

„Ich denke schon.“

„Und noch etwas.“ Er schaut mich etwas eindringlicher an. „Sie sind schon älter und sie sind furchtbar nervös. Sie haben nichts gegen unsere Beziehung oder gegen dich, das weißt du. Es ist nur ungewohnt. Dass ich überhaupt jemanden mitbringe, ist schon eine Sensation für sich, aber du bist ja nicht irgendwer, sondern ihr Schwiegersohn. Das ist jetzt ziemlich viel auf einmal und sie müssen sich erstmal dran gewöhnen.“

Jetzt bin ich schlagartig verunsichert. Ich habe irgendwie gar nicht auf dem Schirm gehabt, dass sie ja nicht einfach nur Viktors Eltern, sondern auch meine Schwiegereltern sind! Mein Gesicht muss meinen Erkenntnisschock verraten haben, denn Viktor fügt direkt mit einem Lächeln hinzu: „Du brauchst keine Angst zu haben, Yuuri. Sie freuen sich auf dich.“

Ich hoffe mal, dass er Recht hat.

Wir steigen aus, lassen Makkachin vom Rücksitz und Viktor öffnet das Tor. Er besitzt also auch einen Schlüssel für hier und Makkachin trottet neugierig schnuppernd und ohne zu zögern in den Hof. Im Vergleich zu unserer oder Jelenas Wohnung muss dieser Hof auf dem Land für Makkachin wie das Paradies sein. So viel zu entdecken und vor allem viel Grund, Gras und Dreck.

Dann fällt mein Blick wieder auf das Wohnhaus, dass sich den Hügel hinaufzieht. Es hat einen Stock über dem Erdgeschoss, einen Balkon und die Fassade muss erst vor ein paar Jahren neu gestrichen worden sein, denn die pastellgelbe Farbe scheint noch frisch und ohne größere Verschmutzungen. Gegenüber dem Wohnhaus wächst an einer Mauer entlang wilder Efeu und ein kleines Blumenbeet liegt darunter. Bevor ich mich aber weiter umschauen kann, macht es Klick und die Wohnungstür wird von innen geöffnet.

Ich muss mich anhalten, nicht zu sehr zu starren, jetzt da ich Viktors Mutter zum ersten Mal gegenüber stehe. Sie hat das gleiche Gesicht, die gleichen Augen, die gleiche Haarfarbe. Trotz des hohen Alters von fast siebzig Jahren sieht Eva Nikiforova körperlich noch erstaunlich fit aus. Die Haare sind ganz kurz, sie ist etwa so groß wie ich und sehr schlank. Sie trägt ein hellblaues Damenshirt, braune Stoffhosen und darüber eine dicke Strickjacke. Es ist ein sehr legerer Look im Vergleich zu der sehr gepflegten Garderobe von Jelena und als sie uns sieht, lachen ihre Augen mehr als ihr Mund. Ich hoffe doch wirklich, dass sie sich freut.

„Vitya, Borsch, schee, dass ner do sin. Is des Yuuri?“

Ok, ich hab das erste und das letzte Wort verstanden. Und was zur Hölle hat sie direkt mit Borscht? Sagt sie das wegen der Suppenschüssel-Sache...? Dann umarmen Viktor seine Mutter und die Freude schleicht nun doch in ihre Mundwinkel und von dort in das ganze Gesicht. Viktor lacht sie an und drückt seine Mutter gleich nochmal.

„Bische allee?“

Oh Gott, das klingt so falsch. Viktor, rede wieder normal, bitte.

„Naa, de Vadder is hinne im Gaade bei de Hingel gugge.“

Viktor lacht wieder, auch wenn ich nicht weiß, was lustig war. Dann dreht er sich zu mir. „Yuuri, das ist meine Mutter Eva.“

Etwas unsicher strecke ich meine Hand aus. „E-es freut mich, Sie kennenzulernen.“

Sie schüttelt sie. „Hallo Yuuri. Ich bin Eva Nikiforova, die Mutter von Viktor.“ Oha. Sie kann doch normales Russisch. „Ich muss mich entschuldigen. Wir reden hier viel Dialekt, awwer wenn ich mich anstrenge, geht es etwas besser.“

„Das ist in Ordnung“, antworte ich unsicher. Etwas anderes fällt mir auch irgendwie nicht ein.

„Eva, is de Borsch schun do?“, ruft eine laute, tiefe Stimme. Schon wieder Borscht, gibt es Suppe später zum Essen?! Ich drehe mich nach links und bemerke erst jetzt die Scheune, die weiter den Hügel hinauf am Ende des gepflasterten Innenhofs liegt und deren Tor offen steht. Von dort kommt Viktors Vater aus einer Seitentür innerhalb der Scheune auf uns zu und auf den ersten Blick hat er äußerlich wenig mit seinem Sohn gemeinsam, abgesehen von seinem Lachen.

Man sieht, dass auch Igor Nikiforov noch überaus stramm und fit für sein Alter ist. In jungen Jahren muss er wohl ebenfalls viel Sport gemacht oder sich zumindest körperlich betätigt haben, schließe ich. Die Haare sind abrasiert, aber man kann noch die Stellen erkennen, wo einmal welche gewesen sind. Er hat eine Brille auf der Nase, braune Augen und trägt eine dunkelgrüne Hose, einen gestrickten Pullover, der ein ähnliches Muster wie die Jacke von Viktors Mutter hat sowie einen Anorak darüber.

Statt einer Umarmung schlagen Vater und Sohn die Hände ein. „Hun lang nix mer vun der g’heert. In de Weldg’schicht rumg’flohe bischde widder. Un hosch uns e Oahängsl aus China mitg‘brung.“

„Japan, Vadder.“

„Is doch‘s selwe. E Schlitzaa is Schlitzaa. Duschde uns enanner mo vorstelle?“

„Yuuri, das ist mein Vater.“

Ich strecke erneut die Hand aus, und während ich sie geschüttelt bekomme, werde ich von oben bis unten genauestens betrachtet.

„Der is jo gar net so korz wie isch gedenkt hun. Awwer e Sprienzje. Hesch der net e bissel en kräftischere aussuche kenne?“

„Vadder, loss gut soi.“

„Eijo, was du isch misch do noihenge, des is eier Sach‘.“

Was auch immer. Wir werden von Viktors Mutter nach drinnen gebeten, die sich weiterhin Mühe gibt, normales Russisch mit mir zu reden. Nachdem wir im Wohnzimmer Platz genommen haben, verschwinden beide Elternteile um etwas zu trinken zu holen und ich kann mich einen Moment lang umschauen. Es ist recht dunkel in diesem Wohnzimmer und das tiefbraune Holz der Schränke und die grauen Steinfliesen des Kamins verstärken diesen Eindruck, aber die Einrichtung an sich ist nicht ungemütlich. Das Sofa zumindest ist neuer und will nicht so ganz zum Rest des Zimmers passen, aber man sitzt gut, wie ich finde. Auf den Fensterbänken stehen viele Blumen und kleine Spitzengardinen hängen an den Scheiben. Auch auf dem Tisch liegt eine sehr schöne Spitzendecke, die mir schon beim Eintreten direkt aufgefallen ist.

„Mutter macht das selbst“, sagt Viktor. „Ihr Hobby. Im Winter sitzt sie immer am Liebsten hier beim Kamin und macht diese Decken.“

„Ok... Die ist echt schön... sieht nach viel Arbeit aus“, antworte ich.

Viktor lacht. „Ja, ist es.“

Bevor er weiter etwas sagen kann, sind die Eltern zurück und es beginnt eine lustige Frage-Antwort-Runde zwischen ihnen und Viktor. Wie wir uns kennengelernt haben, warum das mit der Hochzeit erst gar kein Thema war und dann doch so hoppladihopp geheiratet wurde und, und, und. Nach etwa einer Stunde habe ich mich an den Klang des Dialekts gewöhnt, auch wenn ich ihn kein bisschen besser verstehe. Viktors Vater ist etwas ruppig im Ton und Viktor klärt mich auf, dass er früher in einer anderen Stadt gewohnt und die Familie nur wenige Tage im Jahr gesehen hat. Vater und Sohn kennen sich deswegen nicht übermäßig gut und Herr Nikiforov hätte wohl lieber einen Eishockey-Weltmeister statt einem Eiskunstlauf-Weltmeister, aber letztendlich sei „en Weltmeeschter en Weltmeeschter un des wär aa was.“

Viktors Mutter ist vom Typ her eher normal und einfach gestrickt. Sie interessiert sich für Viktor, aber man merkt ihr an, dass sie sich schwertut, Viktors Erklärungen zu folgen. Sie macht auch ein bisschen den Eindruck, als täte es ihr leid, Viktor nicht so unterstützen zu können, wie sie es gerne wollte und ich beginne langsam zu verstehen, wo der Unterschied zwischen Frau Nikiforova und Jelena liegt. Jelena hat die Vorstellungskraft, Viktors Leistung in vollem Maße anzuerkennen und Viktor aufzubauen und ihn nach vorne zu bringen. Das fehlt Viktors Mutter, aber das macht sie nicht zu einem schlechteren Menschen. Sie liebt ihren Sohn auf ihre eigene Art und Weise.

Nachdem die Fragerunde ihr vorläufiges Ende gefunden hat, bin ich froh, wieder aufstehen zu können. Das Sitzen im Auto und jetzt im Wohnzimmer war dann doch etwas viel und ich lasse mich von Viktor im Hof herumführen. Die Scheune ist gleichsam die Garage und von dort aus gelangt man über drei Stufen und eine Tür in den dahinter gelegenen Garten. Dort befindet sich auch der Hühnerstall, den Jelena mir gegenüber bereits ganz am Anfang erwähnt hat. Vom Garten aus hat man einen Blick über ein weites Areal und in der Ferne sehe ich inmitten der großen Wiese einen weiteren Stall. Die Fläche ist eingezäunt und zur Linken wachsen, wahrscheinlich durch den großen Weiher begünstigt, einige Bäume, dichte, hohe Büsche und Gräser, die sich fast den ganzen Zaun entlang bis zum Stall um einen Feldweg säumen.

„Schafe haben meine Eltern keine mehr“, beantwortet Viktor meine unausgesprochene Frage. „Zu viel Arbeit. Von den Hühnern aber wollen sie sich nicht trennen, auch wenn sie nur darüber meckern.“

„Wollen sie hier wohnen bleiben?“

„Ja. Sie sind Landmenschen. Ich hab ihnen schon angeboten, nach St. Petersburg zu kommen, aber sie bleiben lieber hier. Sie sind zufrieden, mit dem was sie haben.“

„Dann ist ja gut.“ Etwas anderes fällt mir nicht ein.

„Komm, ich zeig‘ dir meinen Lieblingsplatz“, schlägt Viktor vor. „Ich war dort immer mit Wrasi spielen.“
 

Viktor geht mit mir über den Hof zurück an der andere Seite der Scheune vorbei und eine kleinen Pfad zu dem Weiher hinunter, an dem ich einige Sekunden stehen bleibe. Das muss der Weiher sein, auf dem der kleine Viktor das Eislaufen geübt hat und versuche mir vorzustellen, wie er wohl zugefroren ausgesehen hat und wie Viktor darauf Schlittschuh lief. Wahrscheinlich kommt meine Vorstellung nur halb so nah an die Realität heran, aber es reicht aus, dass ich lächeln muss und greife nach seiner Hand.

„Ich war immer am liebsten bei den Tieren,“ erzählt Viktor, als wir den Weg entlang schlendern. „Ich konnte es nie abwarten, dass Jewi mich mit zu den Schafen genommen hat.“

„Jewi?“

„Jewgeni, mein Onkel. Ich hab ihn als Kind immer Jewi genannt. Er hat dann immer gelacht und Vikki statt Vitya zu mir gesagt. Dann habe ich mich beschwert, dass das wie ein Mädchen klingt.“

Darüber muss ich lachen. „Du sahst aber wirklich aus wie eins. Du warst echt niedlich als Kind.“

„Ja, von wegen“, protestiert Viktor, aber er steigt in mein Lachen ein. „Du warst viel niedlicher. Und deine Eltern haben so schöne Fotos von dir gemacht. Und was macht meine? Dokumentiert ausgiebig jede Sauerei, die ich veranstaltet habe oder fotografiert mich, wenn ich nackt durch die Gegend gerannt bin.“

„Wahrscheinlich bist du einfach ständig nackt durch die Gegend gerannt und sie hatte einfach keine andere Chance?“, ziehe ich ihn auf und stupse ihm mit dem Finger in die Seite.

Er lacht. „Das kann auch sein... Yuuri, lass' das.“

Wir erreichen eine Gabelung. Links geht es weiter an der Weide entlang, rechts steht ein schulterhohes Schwenktor aus Holzstämmen, von dem aus man zu dem leerstehenden Stall gelangen kann. Es ist mit Ketten und einem Vorhängeschloss gesichert.

„Das letzte Mal war da noch kein Schloss...“, kommentiert Viktor überrascht. Er sieht auch etwas enttäuscht aus.

„Wolltest du in den Stall?“

„Ja.“

„Und was wolltest du da machen?“, frage ich etwas irritiert.

„Dich ausziehen und eine Sauerei veranstalten.“

„Ok, und jetzt ernsthaft?“

„Das war ernst.“

Bitte was?! Hat er gerade angedeutet, dass wir es von jetzt auf gleich in dem Stall machen sollen?! Ich frage überrumpelt: „Wolltest du mir nicht deinen Lieblingsplatz zeigen?“

„Warum bist du so entsetzt, Yuuri?“ Viktor schaut mich mit großen Augen an. „Zum Einen ist das mein Lieblingsplatz und zum Anderen hatten wir schon lange keinen Sex mehr außerhalb unseres Schlafzimmers. Es wäre jetzt nicht das erste Mal, dass wir es an einem etwas ungewöhnlicheren Ort tun... wir hatten auch Sex im Onsen deiner Eltern. Mehrmals.

„Ja, aber wo sollen wir es hier machen, Viktor? Ich kann dich nirgends hinlegen, es ist überall dreckig und es ist noch viel zu kalt, um sich auszuziehen.“

Er schaut enttäuscht.

„Es ist nicht so, dass ich nicht wollte...“, füge ich hastig hinzu. Genau genommen läuft in meinem Kopf schon ein Film und die Vorstellung, es mit ihm an einem beinah unschuldigen Ort wie diesem zu tun, ist unheimlich verlockend. Ich spüre es bereits deutlich...

„Yuuri… macht es dich an, dir vorzustellen, dass wir es hier tun?”

Viktor kommt dicht an mich heran, greift nach meinen Hüften und stellt die Beine auseinander, sodass wir auf gleiche Höhe kommen und er sich gegen mich reiben kann. Vielleicht ist das doch keine schlechte Idee... Er fühlt mich und ein Grinsen zieht sich über sein Gesicht. „Hm, ich würde sagen ja.“

„Du legst es darauf an...“ Ich kann nicht anders als die Einladung anzunehmen. Ich greife um ihn herum und fasse an seinen Hintern.

„Yuuri... ich hab Lust auf dich“, flüstert er mir ins Ohr. „Ich will...“

„Ja? Sag es, sonst mache ich nichts“, antworte ich auffordernd und knete seinen Hintern fester. Er stöhnt.

„Was willst du, Viktor?“, frage ich noch einmal fordernder und ich packe ihn fester. Er wird es sagen müssen. Gerade eben hat er es noch locker über die Lippen gebracht, aber er muss schon etwas genauer werden. Die Lust benebelt ihn und es ist ein aufregendes Spiel, ihm diese Worte noch einmal zu entlocken, wenn die Stimme heißer und die Wörter schmutziger sind.

„Yuuri... fick‘ mich...“

Meine Mundwinkel formen ein zufriedenes Grinsen. Das leichte Rosa auf seinen Wangen und das Funkeln in seinen blauen Augen... Es erregt mich, ihn so zu sehen und zu wissen, dass ich der Einzige bin, dem er sich so zeigt. Aber es geht noch besser. Viel besser. Ich lasse seinen Hintern los, um mir die Brille abzusetzen. Sie verschwindet schnell in meiner Jackentasche und ich greife nach Viktors Nacken um ihn zu mir zu ziehen und zu küssen.

Ahh... Und er ist ungeduldig. Ich spüre seine Hand schon an meiner Hose, die zwischen meinen Beinen auf und abfährt. Er weiß viel zu genau, wie er das Spiel mit mir zu spielen hat... Und es fühlt sich gut an...

„Viktor... wir haben gar nichts dabei“, erinnere ich ihn, als wir unseren Kuss beenden. Aber eigentlich ist es nur eine Randbemerkung ohne Bedeutung. Es wird Viktor nicht davon abhalten, mir seine Kehrseite anzubieten, um befriedigt zu werden. Aber er schaut überrascht, als sei ihm dieser Umstand jetzt erst aufgefallen, dass ich darüber schmunzeln muss. Ich liebe es, wenn er nur noch mich im Kopf hat und alles andere vergisst...
 

Etwa eine halbe Stunde später sind wir auf dem Rückweg und ich muss mich anstrengen, dass Grinsen aus meinem Gesicht zu bekommen, aber Viktor hat ähnlich Probleme damit. Auf eine merkwürdige Art und Weise fühlt es sich an als wären wir nicht mehr 25 und 29, sondern eher 15 und 19, weil wir etwas getan haben, was man in diesem Alter nur zu gerne vor den Eltern geheim halten will. Dabei ist es eigentlich völliger Blödsinn. Wir sind verheiratet, Viktors Eltern werden sich ihren Teil auch denken können, aber vielleicht ist es der Umstand, dass wir zum ersten Mal hier sind, dass wir gerade bei jeder Kleinigkeit anfangen zu kichern und lachen. Aber solange es keiner außer uns hört und mitbekommt, ist alles in Ordnung. Und es gibt ein kleines Geheimnis mehr, das nur wir beide teilen.
 


 

„Saach emol, Borsch,“ beginnt Viktors Vater am Abend beim Essen. Mittlerweile habe ich verstanden, dass wenn sie „Borsch“ sagen, Viktor gemeint ist und es nicht um Borscht, die Suppe, geht. Allerdings essen wir gerade tatsächlich Borscht zum Abendessen. „Ich hun do so e Ding kaaft ver im Audo se filme, falls mer eener in de Kaare fahrd. Du weeschd doch wie so e Ding funktioniere dut.“

„Eine Dashcam?“, fragt Viktor. Solange ich anwesend bin, hat Viktor mir versprochen, keinen Dialekt zu reden, sodass ich den Gesprächen besser folgen kann und ich bin ihm sehr dankbar dafür. Auch wenn seine Mutter sich weiterhin Mühe gibt und ich ihr einigermaßen folgen kann, wenn sie langsam redet, kann ich Viktors Vater kein bisschen verstehen, der offensichtlich wirklich nur im Dialekt reden kann, weil er es nie anders gelernt hat.

„Ja, so heest des.“

„Vadder, es ist spät und dunkel. Wir schauen morgen danach, ok?“

„Aller hopp. Awwer ich bring der die Oaleitdung, dann kannsche schun emol lese“, sagt er bestimmt.

„Ja“, seufzt Viktor. „Ich schau's mir später noch an.“

Herr Nikiforov steht auf und geht in Richtung Wohnzimmer, wir bleiben mit Viktors Mutter am Küchentisch zurück. Dann dreht sich Viktor zu mir und wechselt auf Englisch. „Es ist immer dasselbe. Kaum bin ich hier, muss ich ihm irgendwas erklären. Ob das der Fernseher ist, die Kaffeemaschine oder jetzt eben die Dashcam. Frag' nicht nach dem Drama, als er ein Handy gekauft hatte. Hat bei mir angerufen und wollte, dass ich ihm erkläre, wie das funktioniert, obwohl ich durchs Telefon ja nicht mal sehen konnte, was er da gerade macht!“

Ich muss mich arg beherrschen nicht zu lachen. Aber nicht wegen Viktors Vater, sondern weil Viktor mindestens genauso gut dämliche Fragen stellen kann, wenn gedanklich mal wieder im Off ist. Und natürlich, weil offensichtlich auch ein fünffacher Weltmeister nicht von dämlichen Fragen seitens der Verwandtschaft verschont bleibt.

Sein Vater kommt zurück und gibt Viktor die Anleitung in die Hand. Viktor stützt die Ellbogen auf den Tisch und blättert lustlos einmal durch. Dann schaut Herr Nikiforov zu seiner Frau. „Was gebbt’sn eischentlich zum Kaffee moije? Wissen die Zwee des schun?“

„Ei, Kuche natürlich.“

„Mutter!“ Viktor haut sich die Anleitung vors Gesicht. „Des is doch wohl klar. Vadder meint was für einen.“

Jetzt kann ich echt nicht mehr. Ich drehe mich zur Seite und versuche, ein lautes Lachen zu unterdrücken. Auch Frau Nikiforova hat Schwierigkeiten, dass Lachen gänzlich zu unterdrücken, als sie die Banalität ihrer Antwort bemerkt.

„Her sach emol, dei freches Mundwerk hosche immer noch!“, beschwert sie sich und fällt wieder in den Dialekt zurück. Viktor duckt sich etwas und grinst seine Mutter schuldbewusst an. „Do, dein Mann lacht schun! N Riwwelkuche hun isch g’macht!“

Hatte ich den Eindruck, meine Familie wäre manchmal peinlich? Ja, manchmal sind sie verdammt peinlich, aber das, was die Drei hier veranstalten, hat gute Chancen, die beste Real-Life-Comedy zu werden, die ich je erlebt habe. Also geklaut hat Viktor seine Dusseligkeit eindeutig nicht.

„Nur geriwwelt odder aa mit was drin?“, fragt Viktors Vater, als hätte er die letzten Sätze gar nicht registriert und während ich versuche, mich zu beruhigen, fällt mir wieder ein, dass Viktor gesagt hat, sein Vater esse sehr gerne Kuchen. Daher gehe ich davon aus, dass Viktors Mutter backen kann, auch wenn ich keinen Plan habe, wie ich mir diesen Riwwelkuche vorzustellen habe. Hm. Ich könnte ja...

„Viktor?“, frage ich unschuldig. Gott, die Vorlage ist zu steil, es nicht zu versuchen. „Aus was besteht dieser Kuchen?“

„Aus Teig, Yu-“

Ich brech' weg. Das war so klar! Gerade weil ich ihn vor ein paar Tagen gefragt hatte, mit was er das Chili con carne kochen will und er mit „Fleisch“ geantwortet hat. Viktor hat dann versucht, sich rauszureden, weil er dachte, ich wisse nicht, was con carne heißt, aber der Fail war offensichtlich. Yurio hat sich den ganzen Abend über nicht mehr eingekriegt und gefragt, wie ich das jeden Tag aushalten kann ohne die Krise zu bekommen, wenn er solche Sachen loslässt.

Ganz einfach die Liebe. Ich hab ihn geheiratet, jetzt muss ich damit leben.

Aber ich tu es gerne und weil Viktor gerade ziemlich schockiert darüber ist, dass ich ihn ins offene Messer hab laufen lassen, muss ich erst mal wieder ein bisschen Wiedergutmachung betreiben. Insbesondere weil ich von seiner Mutter aufgeklärt werde, dass besagter Riwwelkuche tatsächlich nur aus Teig und Streuseln besteht und Viktor so gesehen nicht falsch geantwortet hat.

Sicherheitshalber wechsele ich aber auf Japanisch, um ihm ein bisschen die Seele zu streicheln.

Mein süßer, dusseliger Vitya. Ich liebe dich. Und deine Eltern auch.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leser,
jetzt ist es vorbei. Wirklich vorbei.
Vielen Dank für eure Treue, die vielen Favoriten und die vielen Klicks - ich hätte echt nicht damit gerechnet! <3
Ein bisschen schuldig fühle ich mich, dieses Kapitel zensiert zu haben, aber um alle teilhaben zu lassen und eine Klassifizierung zu vermeiden, musste das sein (_ _)"

Schaut vielleicht noch fix in meinem Weblog vorbei, denn es gibt eine weitere Ankündigung, die an fleißige Leser natürlich zuerst weitergegeben wird:
Weblog: Danke und Ankündigung
Wenn euch meine Geschichten gefallen und ihr gerne mehr lesen wollt, seid so lieb und hinterlasst mir Favoriten und/oder Kommentare, das spornt die Autorin an! (^^)
Bis zum nächsten Mal,
Flokki Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  -Darkness-
2018-05-19T15:53:46+00:00 19.05.2018 17:53
So ich habe, jetzt alles schön nach Chronologie gelesen und bin immer noch sprachlos.
Ich weis nicht welcher der Teile mir am besten gefallen hat, ich kann es auch nicht mal bestimmen, denn jeder der Teile war einfach nur genial. Du hast es so gut in die Serie mit eingebunden, dass man sich das alles so gut vorstellen konnte, da müsste man den Anime nicht einmal kennen XD.
Aber als ich dann noch 2nd Season: Russian Diaries gelesen habe, war es endgültig vorbei, ich liebe diese FF einfach nur mehr und das was du daraus gezaubert hast, die Musik, das Programm, die Kür, dass muss ja ne verdammt harte Arbeit gewesen sein aber ehrlich, total ….. mir fällt dazu einfach kein passendes Wort ein.

Kapitel 14 war am Emotionalsten, ich konnte mir das alles so gut Bildlich vorstellen, so gut hast du es beschrieben und alleine wie Yuuri das Kurzprogramm gelaufen war und Victor verschwunden ist….
Und dann noch, die Gedanken von Victor bei der anderen Kür…. Die Kommentatoren, das war klasse, ich habe regelrecht mitgefiebert und eine Gänsehautbekommen. Sorry ich bin immer noch hin und weg obwohl ich es ja schon seit gestern, durch hatte komm ich leider erst heute dazu etwas zu schreiben.
Und dann die nächste Überraschung, ich habe mich ja schon gewundert warum Yuuri zu Victor ins Zimmer durfte und dann, erst als ich das nächste Kapitel gelesen habe, mir ist regelrecht die Luft weggeblieben, ich habe den Satz da zweimal lesen müssen XD
Es war schön das du den 25.12 als Datum ausgesucht hast, jetzt hat Victor wenigstens einen Grund zum Feiern XD und das du das Lied auf Russisch ausgesucht hast fand ich auch gut, es hört sich in russischen genauso schön, wie auf Englisch oder Deutsch an. Es ist nun mal ein verdammt schönes Lied
Das Leckerli das zum Teil aus Yurios Sicht war, fand ich echt zum Lachen, man kann ihn sehr gut verstehen, alles dreht sich immer nur um Victor… der arme aber was er dann loslässt. Ich liebe diesen Absatz XD
„Sie sind verlobt.“ werfe ich genervt dazwischen. Mann, was muss da groß rum machen... „Das gilt aber nicht als familienangehörig, junger Mann. Sie müssten verheiratet sein, damit es anerkannt wird.“ Das weiß ich, ich bin nicht bescheuert, aber ich versuche gerade Katsudon den Arsch zu retten!
Aber nicht nur der, es war einfach alles was Yurio über die heimliche Hochzeit erzählt hat, das kreidebleiche Gesicht von Yakov hätte ich zu gerne gesehen auch wie Yurio sich gegen Yakov gestellt hatte, von wegen er soll nicht so sein….
Der Besuch bei Victors Eltern war auch schön beschrieben alleine der Dialekt, ich habe mir zu Anfang auch ein klein wenig schwergetan aber dann konnte ich es lesen und sogar verstehen. Wenn man es einmal kann, ist es nicht mal so schwer.
Wie schon zum Anfang gesagt, ich liebe diese FF egal ob es jetzt der Teil war oder die anderen in der Chronologie, mir fehlt jetzt nur mehr die Side Story und ob ich die Lese… da muss ich noch viel überlegen, denn irgendwie interessiert es mich ja schon, was da zuvor war.
Na auf jeden Fall landen alle diese Chronologisch gelesenen FFs bei mir in die Favoriten Liste, das ist schon mal klar, denn was anderes kommt ja nicht in Frage XD

So das war es auch schon wieder von mir, ich hoffe ich lese noch mehr von dir und deinen super genialen Geschichten, bis dahin

Lg Darkness




Antwort von:  Flokati
21.05.2018 13:57
Liebe Darkness,
vielen Dank für deinen Kommentar! Ich freue mich sehr darüber, dass dir meine FFs so gut gefallen haben :D
Insbesondere diese FF hat viel Zeit und Kraft gekostet und zu lesen, dass es die Mühe wert war, bedeutet mir sehr viel. Mit Yurio und Viktors Eltern hatte ich zum Ende den meisten Spaß, gerade weil bach dem großen Finale doch noch etwas Neues für die Geschichte war :)
Ich werde mich bemühen auch in Zukunft schönes Geschichten zu schreiben.
LG
Flokati
Von:  Serafina2104
2018-02-26T10:59:21+00:00 26.02.2018 11:59
ich musste grad so tränen lachen das mich meine kleine Tochter schon total irritiert angeschaut hat >.<
wahnsinnig super schön geschrieben und wirklich der reinste Zucker...ich bekomme das grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht

Ganz Toll gemacht
Antwort von:  Flokati
26.02.2018 13:04
Vielen lieben Dank! :)
Das freut mich wirklich sehr, wenn es dir gefallen hat.
LG
Flokati
Von:  --lina--
2017-10-29T17:20:46+00:00 29.10.2017 18:20
Naaaaw!!
Das Kapitel ist Zucker!! Ich bin immer noch am Grinsen und gaaaanz langsam gewöhne ich mich an den Dialekt. Ein wunderbares Kapitel.
Und es ist trotz Zensur schön fluffig >\\\<
Ich hoffe auf weitere Klicks und Favos und Kommis, denn das hast du verdient! ❤️

Antwort von:  Flokati
29.10.2017 18:43
Vielen lieben Dank, Süße <3
Antwort von:  --lina--
29.10.2017 20:25
Immer wieder gerne ❤️


Zurück