2nd Season: Russian Diaries von Flokati ================================================================================ Kapitel 16: Zugabe: Lass uns heiraten ------------------------------------- 25. September 2017, St. Petersburg „Yuuri… kommst du kurz?“ Ich bin verunsichert. Er war so still, seit die Auslosungen heute Nachmittag bekannt gegeben wurden. Irgendwas beschäftigt ihn und ich würde zu gerne wissen, was. Ich gehe ins Schlafzimmer und finde ihn auf dem Bett sitzend, Beine angezogen, den Kopf auf den verschränkten Armen. Er betrachtet mich scheinbar mit gemischten Gefühlen, denn festlegen kann ich nicht, was dieser Ausdruck bedeutet. „Kommst du ganz her?“ Etwas zögerlich setze ich mich neben ihn auf die Bettkante. Irgendwie ist das unheimlich. Viktor hebt den Kopf, streckt die Beine aus und rutscht weiter von seiner zu meiner Seite hin, um mir Platz zu machen. Bevor ich auch nur richtig auf dem Bett sitze, hat er mich umarmt, zieht mich auf sich und beginnt, mich zu küssen. Will er einfach nur Sex? In dieser Verfassung komme ich aber irgendwie nicht in Stimmung dafür... Als wir den Kuss beenden, stütze ich mich links und rechts von ihm ab und schaue ihm direkt in die blauen Augen. „Viktor, was ist los mit dir?“ Ich muss es wissen. Er macht mir Sorgen in diesem merkwürdigen Zustand. „Ich muss dich etwas fragen, Yuuri, aber ich will dich nicht als dein Trainer fragen“, beginnt er schließlich und ich verstehe noch weniger, worauf das hinaus laufen soll. „Als dein Trainer habe ich eine gewisse Verantwortung dafür zu sorgen, dass du unter den besten Voraussetzungen laufen kannst, aber ich will nicht, dass du denkst, ich hätte rein professionelle Gründe.“ „Ich verstehe nicht, was du meinst“, antworte ich irritiert. Er zieht mich wieder zu sich und umarmt mich. „Yuuri... würdest du mich auch ohne Goldmedaille heiraten?“ Was, wie?! Wo kommt das denn auf einmal her?! Nach eine Schrecksekunde kann ich mich wieder fangen. Ich glaube verstanden zu haben, wo der Schuh drückt... Ach, Viktor... „Ich würde dich jederzeit heiraten. Sonst hätte ich dich nicht gefragt“, antworte ich ehrlich. „Ich will nicht mehr warten.“ Ich muss lächeln und drücke ihn ein bisschen fester an mich. „Yuuri... Ich will nicht, dass du dich vernachlässigt fühlst, wenn ich wieder in der Öffentlichkeit stehe. Ich will nicht, dass du denkst, ich würde mich nicht um dich als meinen Partner sorgen. Und ich will nicht, dass du dir wegen der versprochenen Hochzeit weiteren Druck machst, weil du denkst, du müsstest dich beweisen... du musst dich nicht beweisen, nicht mir.“ Ich bin geplättet und weiß absolut nicht, was ich darauf sagen soll. „Ich habe Angst, Yuuri... Ich habe dich einmal verloren, ich will dich nicht nochmal verlieren.“ Viktor, du schaffst mich gerade. Echt. Ich möchte weinen, so glücklich bin ich, von dir geliebt zu werden. „Dann lass uns heiraten, Viktor“, antworte ich ehrlich und streichle ihm über die Wange. Er richtet sich etwas auf und betrachtet mich etwas ungläubig. „Ja?“ „Ja“, versichere ich. Er grinst verlegen und gibt mit mir ein Küsschen. Dann einen Kuss. Noch einen. Dann beginnt er, mich richtig zu küssen und an meiner Lippe zu nuckeln. „Yuuri... ich liebe dich“, flüstert er. „Ich dich auch.“ So langsam komme ich doch in Stimmung und muss schmunzeln, als Viktor mich mit glücklich strahlenden Augen ansieht. „Hast du Lust auf mich bekommen?“ Ich grinse und bin wirklich froh, dass er mich das nicht als mein Trainer fragt. --------------------------------------------------------------------- 16. November 2017, Paris „Hast du alles?” „Ja.” Es geht los. Es geht wirklich los. Zuerst war es noch Wochen entfernt. Dann nur noch Tage. Gestern sind wir hier gelandet. Und jetzt ist es soweit. Viktor und ich heiraten heute. Wir laufen Hand in Hand direkt zu dem Standesamt, in dem wir um 10 Uhr unseren Termin bekommen haben. Es liegt nur wenige Straßen von unserem Hotel entfernt und meine Beine fühlen sich an, als seien sie aus Wackelpudding. Ich frage mich ernsthaft, wie ich es geschafft habe, vor dem Heiratsantrag noch eine komplette Kür gelaufen zu sein. Im Moment wäre ich nicht fähig, auch nur ein Bein in den rechten Winkel zu bekommen, geschweige denn das Gleichgewicht dafür halten zu können, aber Viktor geht es ähnlich. Im Gesicht sieht man es ihm nicht an, aber seine Hand ist schwitzig und sie zittert. Irgendwie schaffen wir es bis in das kleine Zimmer, in dem die Trauung stattfinden soll. Die Standesbeamtin schüttelt uns die Hände und begrüßt uns auf zuerst auf Französisch, dann auf Englisch. Schließlich bittet sie uns Platz zu nehmen. „Isch begrüße Sie ´erzlich bei uns und isch ´offe, Sie sind nischt allzu nervös.“ Mir ist schlecht vor Aufregung. „Sind Sie zum ersten Mal in Paris?“, fragt sie. „Pour lui c’est la première fois“, antwortet ihr Viktor. Was auch immer. „Vous parlez très bien, monsieur. Vous êtes...?“, strahlt sie ihn an. „Nikiforov. Son nom est Katsuki.“ „Merci“, antwortet sie und lächelt dann zu mir herüber. „Gefällt Ihnen Paris?“ „J-ja.“ Oh Gott, ich sollte nicht mehr reden. Ich muss später noch genug reden. Scheinbar begreift die Beamtin, dass es besser ist, nicht mehr mit mir zu sprechen. Sie wendet sich stattdessen wieder Viktor zu. Ich erinnere mich an nichts mehr, was geredet wurde, aber wir stehen uns gegenüber und die Ringe sind gerade auf einem Kissen herein gebracht worden. Ich kann die Situation immer noch nicht begreifen. Nicht, weil er einmal mein größtes Idol war, sondern weil mir in diesen Momenten vollends bewusst wird, wie sehr ich von dem Menschen mir gegenüber geliebt werde, dass er im Begriff ist, sich mir den Rest seines Lebens anzuvertrauen... Ich habe keinerlei Gefühl mehr im Körper, weder den Beinen, den Armen oder den Händen, so überwältigt bin ich von der Bedeutung dessen, was wir gerade tun. Wie in Barcelona, ermahne ich mich. Du hast es schon mal geschafft, du schaffst es jetzt auch. Es gelingt mir tatsächlich. Als ich meine Hand zurückziehe, glänzt an Viktors rechtem Ringfinger wieder dasselbe Gold aus Barcelona, aber diesmal sagt es nicht „Danke“, sondern „Für immer“. Mir schießen die Tränen in die Augen, als ich sehe, dass er nach meiner Hand greift. Ich spüre sein Tun viel mehr, als dass ich es vor mir sehe... Hör' nicht auf, Viktor, bitte nicht... Aber dann trage auch ich wieder das gleiche Gold an meinem Finger, das uns seit Barcelona zusammenhält. Wir haben es wirklich getan. Ich weiß nicht, wohin mit meinen Emotionen. Ich könnte tanzen, schreien, muss gleichzeitig lachen und weinen und Viktor geht es nicht anders; er kann es genau so wenig begreifen, dass es offiziell ist. In unsere Ringe haben wir eine Schneeflocke eingravieren lassen und jeder von uns trägt eine Hälfte davon. Sie erinnert uns an einen ganz besonderen Moment, der nur uns beiden gehört hat. Hanarezu ni soba ni ite war eine Liebeserklärung, wie sie vollkommener nicht hätte sein können. Wir haben sie an diesem Tag gemeinsam in die Welt hinausgetragen. Die Schneeflocke in unseren Ringen symbolisiert all das: Die Kür, den Moment, das Eis und das Versprechen, für immer Seite and Seite stehen zu wollen. Wir nennen alles auf dem Eis Liebe. Dann grinsen wir uns dümmlich an, weichen unseren Blicken verlegen aus und bleiben doch wieder aneinander hängen. Unser Lächeln wird liebevoller, wir schließen die Augen und lösen jenes auf dem Eis gesprochene Versprechen mit unseren Lippen ein. Ab hier und jetzt für immer an deiner Seite. ~ENDE~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)