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Between evil voices and innocent hearts

Weltenträume
von

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Nur zu, hasse mich

Jedes Mal, wenn die zwei Klingen der Schere sich schlossen, hallte das metallische Geräusch in meinen Ohren nach. Viel lauter als es in Wirklichkeit war. Eigentlich ertönte immer nur ein leises Klingeln, wie eine verlorene Note aus einem Glockenspiel. Keine Ahnung, wie das möglich sein sollte, denn das konnte auch kaum der Realität entsprechen. Wahrscheinlich spielte meine Wahrnehmung verrückt, wäre ja nichts Neues – oder es lag an den chronischen Ohrenschmerzen.

Sephira, Vincents Halbschwester, schnitt mir gerade die Haare, genauer gesagt die Spitzen. Außerdem war sie der Babysitter für mich, solange Vincent im Krankenhaus lag. Erst gestern hatte ich ihn im Bad gefunden, seitdem schlichen die Sekunden dahin wie träge Schnecken. Seine Verbrennungen gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Obendrein konnte mir bislang niemand genau sagen, was überhaupt mit Vincent los war.

„Gleich sind wir fertig“, kündigte Sephira an. „Oder willst du sie diesmal kürzer haben?“

„Nein, so wie immer.“

Im Gegensatz zu ihrer sanften, hellen Stimme, die ebenso melodisch auf einen einwirkte wie die von Vincent, klang meine wie frisch aus einem Müllhaufen ausgegraben. Total kratzig und farblos, wie bei einem Toten – ich war eben wahrlich für diese Rolle geboren worden.

„In Ordnung“, sagte sie, mit dem Tonfall einer liebevollen Mutter, die sich um ihr Kind kümmerte.

Seit ich mir die Haare damals nach der Sache mit dem Spiegel aus einem Affekt heraus gekürzt hatte, sorgte Sephira, auf mein Bitten hin, in regelmäßigen Abständen dafür, dass es die Länge beibehielt und ordentlich geschnitten aussah. Sie hingen mir nur noch knapp über der Schulter, aber ich konnte sie trotzdem zu einem winzigen Zopf im Nacken zusammenfummeln, wenn ich das wollte. Dafür war ich allerdings oft zu faul.

„Was möchtest du danach unternehmen?“, fragte Sephira, während sie ihrer Tätigkeit als Friseurin weiter nachging. „Sollen wir etwas kochen?“

„Keinen Hunger.“

„Hm, wie wäre es dann mit Kino?“

„Da läuft eh nix Gutes.“

„Okay, wir könnten auch einfach nur eine Runde spazieren gehen. Frische Luft tut gut.“

Wie anstrengend. Als Halbschwester von Vincent war Sephira dummerweise genauso engagiert darin, hoffnungslose Fälle wie mich aufzubauen. Nur zeigte sie dabei wenigstens Emotionen und trug nicht so eine ausdruckslose Miene mit sich herum. Nein, Sephira lächelte immerzu herzlich. Eine bildschöne, junge Frau mit schwarzen Haaren und hellblauen Augen – sie könnte glatt eine weibliche Version von Vincent darstellen.

Warum musste das Universum mich mit Menschen zusammenführen, neben denen ich mir noch mehr als sonst wie ein Nichts vorkam? Natürlich könnte auch Sephira als Model durchgehen, doch an so etwas hegte sie keinerlei Interesse. Stattdessen backte sie lieber mit Leidenschaft Kekse, deren Geschmack Glücksgefühle auszulösen wussten, hatte ich mir sagen lassen, nur bei mir nicht. Jedenfalls nicht sonderlich erfolgreich, doch sie waren wirklich lecker.

„Ich habe keine Lust, etwas zu unternehmen“, wies ich ihre Vorschläge seufzend ab. „Ich will nur zurück ins Bett und pennen.“

„Ich glaube, das würde Vincent nicht gefallen“, gab sie zu bedenken.

„Er kann im Moment wohl kaum etwas dagegen unternehmen.“

Das war sehr taktlos von mir, musste ich mir selbst eingestehen, nachdem die Worte bereits ausgesprochen waren. Ein versteckter Seufzer war zu hören, als Sephira etwas tiefer ein- und ausatmete, bedrückt wegen Vincents Zusammenbruch. Angespannt biss ich die Zähne zusammen und verfluchte mich innerlich, weil ich so etwas gesagt hatte.

„Tut mir leid, so war das nicht gemeint“, entschuldigte ich mich zögerlich, den Blick auf den Teppichboden gerichtet – ich saß im Wohnzimmer auf einem Stuhl. „Was ist denn jetzt mit Vincent? Hast du schon was gehört?“

Vorsichtig strich Sephira mir durch die Haare, auf der Suche nach längeren Strähnen, die sie vielleicht übersehen hatte. „Er wurde vom Krankenhaus aus ins Echo-Institut überwiesen. Weißt du, was das ist?“

„Nicht wirklich“, log ich. „Aber Faren war auch dort, nach unserem Unfall. Er meinte, da haben sie irgendwie die bessere Ausrüstung.“

„Genau, deswegen ist er momentan dort in Behandlung.“ Sie machte eine kurze Pause. „Er ist aber inzwischen bestimmt wieder stabil.“

Irritiert runzelte ich die Stirn und legte den Kopf in den Nacken, um sie anzuschauen. „Woher weißt du das? Es hat doch niemand angerufen.“

Wüsste ich nicht, dass Sephira immer etwas blass aussah, hätte ich mir deswegen Sorgen gemacht, aber das war normal bei ihr. Was mir eher zu denken gab, waren die feinen Andeutungen von Augenringen, die vermutlich unter etwas Make-Up versteckt wurden. Schlief sie nicht genug? Ihr langes Haar war diesmal auch nur grob hochgesteckt, sonst gab sie sich dabei mehr Mühe. Die Blumenspangen täuschten mich nicht darüber hinweg.

„Ich bin seine Schwester“, erinnerte sie mich lächelnd. „Ich kann das spüren~.“

Obwohl sie übermüdet zu sein schien, strahle sie Wärme aus. Beeindruckend. Nie im Leben werde ich verstehen, woher solche Leute die Stärke dafür nahmen. Mir wäre das unmöglich.

„Süß“, kommentierte ich, etwas sarkastischer als beabsichtigt. Der Umgang mit Ciar hinterließ Spuren. „Du solltest dir langsam mal einen netten Freund suchen und mit ihm was unternehmen, statt deine Zeit mit mir zu verschwenden.“

„Sei nicht albern. Liebe sucht man sich nicht, sie findet einen.“ Behutsam drehte sie mit den Händen meinen Kopf wieder so, dass sie auch die letzten Schnitte durchführen konnte, so dass mir nur die Sicht auf eine Wandseite blieb. „Und du bist keine Zeitverschwendung, Ferris. Du gehörst zur Familie.“

Ich musste mich zusammenreißen, sie wegen diesem dämlichen Spruch nicht anzufahren. Es war nur eine von diesen Floskeln. Ein schlechter Versuch, mir ein besseres Gefühl zu schenken. Auf solche Lügen konnte ich getrost verzichten. Trotzdem sollte ich vielleicht meinen Nutzen daraus ziehen, wenn sie mich schon als Teil der Familie bezeichnete.

„Verrätst du mir dann, woher Vincent diese Verbrennungen hat?“, fragte ich ganz direkt. „Du weißt das doch bestimmt.“

Sephira hielt inne. Wenig später ließ sie die Schere sinken und strich mir nur noch einige abgeschnittene Haarsträhnen vom Kopf, die zu den anderen auf den Boden fielen.

„Ja, ich weiß es“, bestätigte sie mir, seltsam verhalten. „Aber ich finde, das solltest du ihn lieber persönlich fragen, sobald er zurück ist. Für ihn ist die Geschichte dahinter nämlich nicht … einfach.“

Super, also konnte ich davon ausgehen niemals etwas darüber zu erfahren. Vincent erzählte nichts von sich. Er zeigte nicht mal, was er fühlte. Im Grunde wusste ich gar nichts über ihn, außer, dass er ein sehr hartnäckiger Therapeut und Lügner war, der mich nur im Auftrag des Echo-Instituts behandelte.

„Wie du meinst.“ Wie gerne hätte ich laut ausgesprochen, was ich fühlte, doch ich riss mich zusammen. „Sind wir fertig?“

„Ja.“

Sofort stand ich auf und fuhr mir mit der Hand kurz durch die Haare, die sich wieder erstaunlich weich anfühlten. Danach klopfte ich mir halbherzig die Strähnen von der Kleidung, mit mäßigem Erfolg, darum ließ es ich bald darauf gut sein, bedankte mich knapp bei Sephira, für ihre Arbeit, und strebte auf die Tür zu, um das Wohnzimmer zu verlassen.

„Ferris, warte bitte!“, hielt Sephira mich auf, ohne mich zu verfolgen. „Du solltest dich nicht hängenlassen. Triff dich doch wenigstens mit deinem Freund.“

Mein Freund. Das klang nach wie vor schrecklich falsch, es war nur eine Fassade, aber das wusste Sephira nicht. Keiner wusste davon, was wirklich los war.

„Mal sehen.“

Mehr konnte ich Sephira nicht geben. Zügig flüchtete ich aus dem Raum, um schnell zurück in mein Zimmer zu kommen. Dort wollte ich mich einfach einschließen und …

Und was dann? Schlafen, ja, aber das half nur bis zum nächsten Erwachen. Dann würde ich mich immer noch so fühlen wie jetzt. Der Gedanke ließ meine Beine schwer werden, bis ich mitten im Flur stehenblieb. Neben der Tür zu Vincents Behandlungszimmer, wo ich mir diese Sitzungen antun musste. Wieder und wieder. Normalerweise stand die Tür offen, als Zeichen dafür, dass Vincent jederzeit für einen da wäre. Nun war sie geschlossen.

Mein Körper bewegte sich von selbst auf dieses Hindernis zu. Nur ein wenig Druck mit der Hand auf die Klinke genügte, und die Tür öffnete sich. Kurz darauf stand ich schon im Raum. Enttäuschung kam in mir auf, dabei hatte ich gewusst, dass Vincent nicht hier sein konnte. Sogar das sonst bunte Treiben im Aquarium wirkte trostlos auf mich und besaß nichts mehr von dieser faszinierenden Ausstrahlung, der ich mich sonst so gerne hingab.

Vincent … fehlte mir.

Für mich war es so selbstverständlich geworden, ihn um mich zu haben, dass mir erst in diesem Augenblick bewusst wurde, wie viel Halt mir seine Anwesenheit gegeben hatte. Wenngleich ich mich nur von ihm genervt fühlte und ich ihm nicht ernsthaft etwas bedeutete, vermisste ich ihn. Seine Geduld mit mir war irgendwie tröstend gewesen, wie ich zugeben musste.

„Fuck, das geht so nicht“, wollte ich dieses Gefühl abschütteln. „Ich hab doch schon längst aufgegeben.“

Woher kam das also? Es war absurd, ich sollte absolut nichts empfinden und froh darüber sein, endlich etwas Ruhe vor Vincent zu haben, der mich unbedingt zurück ins Leben führen wollte. Wie konnte ich mich dann so einsam fühlen? Genau das hatte ich die ganze Zeit gewollt. Alleine sein, ohne jemanden an meiner Seite, den ich wieder verletzen könnte.

Vincent.

Kieran.

Faren.

Ich wollte sie sehen und mit ihnen sprechen, aber ich konnte nicht. Sie sollten nicht mitkriegen, wie schlecht es mir ging. Nur, weil ich nicht mit dem Leben zurechtkam und bei jeder Kleinigkeit von einer Brücke springen wollte, sollten sie nicht auch darunter leiden müssen. Daher war es richtig, sich von ihnen fernzuhalten. Alleine zu sein. Diese Einsamkeit war aber unerträglich.

„Wie erbärmlich.“ Zu allem Überfluss fingen auch noch meine Augen an zu brennen. „Kann ich nicht etwas männlicher sein? So wie Ciar.“

Ciar.

Plötzlich kam es mir nicht mehr wie eine schlechte Idee vor, sich mit ihm zu treffen, so wie Sephira es vorgeschlagen hatte. Ihm wäre es egal, wie es mir ging. Für so ein Häufchen Elend hätte er höchstens einen sarkastischen Spruch übrig, sonst nichts. Gleichzeitig täte er aber etwas dafür, mich irgendwie aufzubauen, selbst wenn es nur der Besuch einer Eisdiele wäre. Er könnte das aushalten, Ciar war selbstbewusst und stark, ließ sich von nichts verletzen. Ciar war der einzige, den ich in meine Nähe lassen konnte.

Bevor ich darüber nachdenken konnte, hatte ich bereits das Handy hervorgeholt und tippte eine Nachricht an ihn, mit der Frage, ob er Zeit für ein Treffen hätte. Dass ich für ihn nur ein hilfreiches Werkzeug war, mit dem sich sein Ziel schneller erreichen ließ, war mir egal. Zumindest noch in diesem Moment. Etwas in mir war naiv genug, zu glauben, er würde mich vielleicht auch darüber hinaus in irgendeiner Weise schätzen.

 
 

***

 

„Vincents Verbrennungen? Klar weiß ich, woher er die hat.“

Überrascht starrte ich Ciar an. „Echt jetzt?“

„Echt.“

„Erzähl schon!“

„Was kriege ich denn dafür?“, wollte er wissen, mit einem amüsierten Grinsen.

Bloß wenige Minuten nachdem ich meine Nachricht abgeschickt hatte, bekam ich eine Zusage von Ciar. Kneifen ging dann nicht mehr. Also hatten wir uns in der Stadt getroffen und saßen nun, am Nachmittag, zusammen in einem Fast-Food-Restaurant, wo er von mir verlangte, ordentlich zu essen. Klar, es klang mehr wie ein Segen als ein Fluch, aber wenn man keinen richtigen Appetit verspürte, konnte das den Reiz am Essen madig machen.

Dort hatte ich ihn soeben gefragt, ob er etwas über Vincents Verbrennungen wüsste, ohne große Hoffnungen. Umso mehr war ich erstaunt darüber, eine derart positive Antwort von ihm erhalten zu haben. Ausgerechnet er wusste etwas darüber? Mir kam es unfair vor, dass Ciar dieses Wissen besaß und ich nicht. Darum erwartete ich von ihm, mehr darüber zu erzählen.

„Hallo? Reicht es nicht schon, dass du dauernd Küsse von mir kriegst?“, grummelte ich empört.

Schmunzelnd schob Ciar sich etwas von seiner Portion Pommes in den Mund. „Die kriege ich nicht, sondern die nehme ich mir einfach~.“

„Noch schlimmer.“

„Du hältst mich bislang nicht ernsthaft davon ab, also kann es nicht so schlimm sein.“

„Du weißt genau, warum wir das tun. Da kann ich ja schlecht-“

„Könntest du schon“, unterbrach Ciar mich und setzte ein unschuldiges Lächeln auf. „Aber du willst nicht, weil dir sonst was fehlen würde.“

Stöhnend brach ich am Tisch zusammen, indem ich den Kopf in meinen Armen vergrub. „Boah, du bist so ein Idiot.“

„Also, so erzähle ich dir erst recht nichts über Vincents Verbrennungen“, ärgerte Ciar mich ungeniert weiter.

War es wirklich gut gewesen, sich das hier anzutun? Zwischen all den Menschen, deren Gedanken meinen Kopf wieder vergewaltigen würden, hätte Ciar sie nicht zuvor mit einem Befehl zum Schweigen gebracht? Zu Hause wäre ich aber garantiert richtig tief abgestürzt, also war das hier durchaus um einiges besser.

„Das ist mir echt wichtig“, betonte ich, wobei ich den Kopf wieder hob. „Ich will das wissen.“

Nachdenklich drehte Ciar die Plastikgabel in der Hand, mit der er aß, bis er sich dazu erbarmte, mich zu erlösen: „Es war ein Echo.“

„Wie?“

„Vincent hat die Verbrennungen von einem Echo. Da sind solche Zusammenbrüche normal, denn manchmal bleibt etwas von der Energie in solchen Verletzungen haften und erwacht ab und zu mal, was den Körper sehr belastet.“

Verstehe. Kein Wunder, dass weder Sephira noch Vincent selbst etwas davon erwähnt hatten, zumal man solche privaten Themen nicht jedem auf die Nase binden wollte. Dadurch käme aber auch heraus, warum ich wirklich in therapeutischer Behandlung war. Für Vincent wäre das in der Tat nicht einfach. Wieder fühlte ich mich betrogen.

„Also passiert so etwas öfter, dass Echos für Brände sorgen?“, hakte ich interessiert nach.

„Brände. Überschwemmungen. Stürme … Selbstmorde“, zählte Ciar auf, nahezu gleichgültig. „Was meinst du, warum es das Echo-Institut gibt? Nicht weil Echos so friedliche Gesellen sind, mit denen man gerne Tee zusammen schlürft und netten Small-Talk führen kann.“

„Du bist heute wieder mal so witzig.“

„Hey, du bist derjenige der sich mit mir treffen wollte.“ In Ciars Augen flackerte etwas auf, das nach Verlangen aussah – ich konnte nicht einschätzen, ob das gespielt oder ernst war. „Gib also ruhig zu, dass du es ohne meine wertvolle Gesellschaft nicht mehr aushältst und das Glück endlich zu schätzen weißt, Zeit mit mir verbringen zu dürfen.“

„Ja, klar, genau deswegen war mir danach, dich zu sehen“, reagierte ich spöttisch.

Daraufhin wurde Ciar auf einmal erschreckend ernst. „Warum dann? Was ist los?“

Mir war, als würden seine Augen direkt in meine Seele blicken wollen, weshalb ich nervös auf dem Stuhl zurückwich, so weit die Rückenlehne es zuließ. Ciar forderte mit diesem Blick so sehr meine Aufmerksamkeit nur für sich ein, dass ich die lebhaften Gespräche und die Hektik um uns herum komplett ausblendete. Nur noch er und ich, der Rest der Welt verlor gänzlich an Bedeutung.

Mist, mein Herz spielt wieder verrückt.

Raste es aus Angst oder aus einem anderen Grund? Ehrlich gesagt empfand ich den Moment als angenehm, trotz meiner Nervosität. Alle Probleme waren gerade bedeutungslos, dabei wollte Ciar genau darüber etwas hören. Über mich. Interessierte ihn das wirklich? Was, wenn es am Ende so wie bei Vincent war? Was bedeutete es für Ciar, dass wir beide unglücklich verliebt waren? Laut ihm war das sein Ansporn gewesen, mir zu helfen.

„Es gibt da was, das ich schon länger wissen will“, wagte ich mich vor. „In wen bist du verliebt?“

Kein reden um den heißen Brei, einfach auf den Punkt kommen. Weitere Fragen könnte ich im Anschluss noch stellen. Zum Beispiel, warum Ciar alles vernichten wollte. Inzwischen fragte ich mich, ob er darin auch die einschloss, nach deren Liebe wir uns sehnten, sie aber nicht bekamen. Immerhin waren sie ein Teil davon, warum es uns schlecht ging. Und Ciar plante, genau das auszulöschen. Alles, was uns Leid zufügte.

„Damit kommst du ziemlich spät an“, bemerkte Ciar.

Unsicher suchte ich nach Worten. „Bei dir muss man sich halt erst mal trauen, überhaupt zu fragen.“

Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, verzog sich Ciars Gesicht, als fühlte er sich verletzt. Das brachte mich aus dem Konzept. Hätte ich das nicht sagen sollen? Für gewöhnlich ließ er sich von solchen Aussagen nicht beeindrucken und wischte sie mit lässigen Worten von sich. Bestimmt hatte ich mich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Mich packte die gleiche Anspannung wie am Anfang, bei unseren ersten Gesprächen.

Ehrlich gesagt hatte ich damit gerechnet, Ciar würde sich herausreden, statt mir eine anständige Antwort zu geben, doch ich irrte mich. Nach einer Weile des Schweigens fasste er den Entschluss, die Stille zu brechen und mir zu sagen, was ich hören wollte:

„Die Person, die ich liebe, sieht aus wie du.“

Meine Brust füllte sich mit Kälte, Eissplitter schienen sich von innen nach außen bohren zu wollen. Sämtliche Herzen von Echos regten sich in mir. Eine glühend heiße Energie. Sie fing an zu brodeln. Flüsterte mir zu, was ich mir schon selbst zusammenreimen konnte: Ciar meinte Faren. Er musste von ihm reden. Wir sahen uns ähnlich, wie Zwillinge.

War ich nur der Ersatz für Faren?

Du bist der Ersatz, stimmten die Flüsterstimmen mir zu.

Mehr bedeutete ich Ciar also nicht?

Du bist wertlos, hauchten sie mitfühlend.

Hatte meine Existenz keinerlei Bedeutung?

Niemand braucht dich, trieben sie meine Gedanken an.

Ein lauter Knall riss mich aus der Trance. Automatisch war ich von meinem Platz hochgefahren und hatte kräftig die Fäuste auf den Tisch geschlagen. Spannung lag in der Luft. Sie fuhr mit einer Welle aus Wut durch das gesamte Restaurant und erfasste auch die anderen Besucher, meine ganze Umgebung. Kälte und Hitze traf in mir aufeinander und verursachte einen höllischen Schmerz, dem ich Luft machen musste.

„Ich bin nicht Faren!“, schrie ich außer mir. „Ist das der wahre Grund?! Hast du mich nur ausgesucht, weil ich ihm ähnlich sehe?!“

Wie ich fuhr auch Ciar, der keine Sekunde lang den Augenkontakt zu mir unterbrach, von seinem Platz hoch. „Beruhig dich, reg dich nicht so auf.“

„Ich rege mich aber auf!“

„Ferris, hör mir zu.“

„Hör dir doch selbst zu, du selbstverliebtes Arschloch!“, brach es aus mir heraus. „Ich hasse dich!“

Ehe ich zurückweichen konnte, hatte Ciar sich über den Tisch gelehnt und mich gezielt am Arm gepackt. Zuerst wollte ich mich aus seinem Griff befreien, aber sämtlicher Schmerz war mit seiner Berührung taub geworden und schwand langsam. Wie gelähmt ließ ich es zu, dass er meine Hand nahm, fest und doch unerwartet behutsam. Noch mehr als Sephira.

„Nur zu, hasse mich“, sagte er offen. Seine Stimme war noch nie so sanft und einfühlsam gewesen. „Vielleicht kannst du dich selbst dann etwas weniger hassen.“

Zerknirscht verstummten die Flüsterstimmen, wurden vollständig von Ciars Worten verdrängt. An ihnen war etwas derart heilsam, dass ich mich beruhigen konnte. Dafür gewann Verwirrung die Oberhand, begleitet von einem schmerzhaften Pochen in meinem Schädel. Kaum war Ruhe in meinem Kopf eingekehrt, wurde ich schon wieder von zahlreichen neuen Gedanken bombardiert. Keuchend sackte ich etwas zusammen, Ciar ließ mich nicht los.

„Autsch“, zischte ich leise. „Was ist denn jetzt los?“

„Echos sind los“, erwiderte Ciar, so standhaft wie eh und je. „Mach dich bereit zu kämpfen.“

Bevor ich ihn fragen konnte, wovon er sprach, genügte ein Blick durch das Restaurant, um mir die Antwort zu liefern: Jeder einzelne Mensch, außer uns beiden, war plötzlich von einem dichten Kokon eingeschlossen, aus denen die ersten Echos schlüpften.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Flordelis
2018-02-18T11:16:52+00:00 18.02.2018 12:16
Bevor ich das nächste Kapitel betalese, kommentiere ich endlich dieses, um mich nochmal auf den neuesten Stand zu bringen. Jaha, ich bin manchmal ziemlich schlau. *gegen die Stirn tipp*
Außerdem flashe ich wieder total für die beiden (muss mal den Steckbrief aktualisieren, bevor er zur Excel-Tabelle wird XD). <3

Die Ohrenschmerzen müssen super-unangenehm sein. Da tut mir Precious richtig leid. :<
btw. wenn meine Mutter meine Haare schneidet, habe ich immer Angst, dass sie mir ein Ohr abschneidet. XD
Ciar: Was hat das mit Ferris zu tun?
Alo: Na, es geht doch um Ohren. =O
Ciar: *seufz* Wie hält Kieran das aus?

> Erst gestern hatte ich ihn im Bad gefunden
Vincent! TT___________________TT
Ciar: ... Wird hier jetzt immer so viel geweint werden?
Alo: Ja. Q^Q
Ciar: Oh Mann. >_>
Vincent: Was fühlst du dabei?
Ciar: Orrrrrrrrrrrrrrrrr! >_<

btw. ich finde es voll toll, dass Sephira hier auch mal auftaucht!
Erste Frau mit Namen in der Story, die auch mal was sagt! XD
Reni ist ja ein kleines Mädchen, und andere Frauen blieben immer namenlos - oder wortlos.

> Total kratzig und farblos, wie bei einem Toten – ich war eben wahrlich für diese Rolle geboren worden.
Ferris wäre bestimmt ein großartiger Zombie.
Ciar: ...
Alo: Also Faren hätte jetzt einen lockeren Spruch abgelassen.
Ciar: Ich bin nicht Faren. Ich mache mir wirklich Gedanken und Sorgen um Ferris.
Alo: Uhm ...

Zur gleichen Zeit irgendwo in einem Wald:
Faren: ... Alter, ich bin grad voll sauer! ò_ó
Kieran: Warum?
Faren: Keine Ahnung, verstehe ich auch nicht, aber orrrrrrr! Ò_Ó
Kieran: ... >_>

Ich finde voll süß, wie Sephira sich um ihn kümmert. <3
Schade, dass Ferris dafür gerade keinen Sinn hat.

> sie könnte glatt eine weibliche Version von Vincent darstellen
Da sie beide denselben Vater haben, werden sie das Aussehen von diesem haben, genau wie ihre Art, sich um Menschen zu kümmern. Aber die Emotionalität (oder das Fehlen derselben) kommt bestimmt von der jeweiligen Mutter. XD

Da fällt mir ein: Sephira ist dann ja auch die jüngere Schwester von Vincent.
QUASI JEDER IN DIESER STORY HAT EINE JÜNGERE SCHWESTER!!! XDDDD

> Der Umgang mit Ciar hinterließ Spuren.
Ciar: So soll es auch sein.

> Du gehörst zur Familie.
Q_____________________________________________________Q
Ciar: Schon wieder?
Vincent: Fühlst du dabei etwas, das du mir mitteilen möchtest?
Ciar: Nein. >_>

> Für ihn ist die Geschichte dahinter nämlich nicht … einfach.
Ciar: Nein, Alo, aus!
Alo: Aber-
Ciar: Ich habe Nein gesagt!
Alo: Okay. :<
Jii: Das sollte ich mir merken.

> Sogar das sonst bunte Treiben im Aquarium wirkte trostlos auf mich
Eigentlich ist es ziemlich traurig, dass es den Fischen vollkommen egal ist, dass ihr Besitzer nicht mehr da ist. =/
Ciar: Fische sind wenigstens leise. Kann man von dir nicht behaupten.
Alo: Ich bin ja auch kein Haustier. D:
Ciar: Leider.

> Vincent … fehlte mir.
Das ist doch das Mindeste. Q_Q

> Nur, weil ich nicht mit dem Leben zurechtkam und bei jeder Kleinigkeit von einer Brücke springen wollte
Ich muss mir vorstellen, wie Faren und Ferris in DR immer spaßeshalber von Brücken springen, weil sie es eh überleben können, wenn irgendwas schiefgeht. Wenn z.B. die neue Frisur misslungen ist oder sowas. XD
Ciar: Meinst du nicht, dass das jetzt total unpassend war?
Alo: Sorry. D:
Ciar: Brav. *Alo tätschel*
Jii: Erstaunlich.

> Plötzlich kam es mir nicht mehr wie eine schlechte Idee vor, sich mit ihm zu treffen
Fehlerchen übersehen. x_x
sich mit --> mich mit (ist ja Ich-Perspektive)

> Ihm wäre es egal, wie es mir ging.
Nein, wäre es nicht. TT__________TT

> Ciar war selbstbewusst und stark, ließ sich von nichts verletzen.
Ciar: *Brust rausstreck* Schade, dass Faren nicht da ist, um das mitzuerleben.

Zur selben Zeit im Wald:
Faren: (ノಠ益ಠ)ノ彡┻━┻
Kieran: Wo hattest du den Tisch her?
Faren: Hab ich mitgebracht.
Kieran: Wofür?
Faren: Um ihn zu werfen.
Kieran: Warum?
Faren: Na, wenn ich wieder wütend werde.
Kieran: Weswegen bist du denn wütend?
Faren: Das weiß ich nicht so genau, aber es ist so. ಠ_ಠ
Kieran: ...

Ich finde ja den Übergang, dass es direkt in einen Dialog mündet, echt awesome. <3
Sehr schön gemacht.

> wo er von mir verlangte, ordentlich zu essen
Ciar ist Christian Grey!
Ciar: ...
Vincent: Wie fühlst du dich bei diesem Vergleich?
Ciar: Ich werde darauf jetzt nicht eingehen.
Vincent: Warum bist du so kompliziert?
Ciar: Warum geht es in Criminal Intent immer darum, dass irgendjemand fremd geht?
Vincent: ...? Was?
Ciar: Genau. *zurücklehn*
Alo: °_°
Vincent: Hat er mich gerade ausmanövriert?
Alo: Anscheinend.

> Die kriege ich nicht, sondern die nehme ich mir einfach~.
Gott, ich liebe deinen Ciar einfach. <3
Auch der ganze Rest dieses kurzen Schlagabtauschs ist genial.

> Da sind solche Zusammenbrüche normal, denn manchmal bleibt etwas von der Energie in solchen Verletzungen haften und erwacht ab und zu mal, was den Körper sehr belastet.
Das ist heftig. D:
Tauschen will ich da echt nicht. Allgemein ist es echt hart, was Echos so mit einem anstellen können.
Aber ich finde diese Welt voll interessant.

> zumal man solche privaten Themen nicht jedem auf die Nase binden wollte
Ooooooh ... ._.
Ciar: Brav. *Alo tätschel*
Alo: =D
Vincent: ...

> Nicht weil Echos so friedliche Gesellen sind, mit denen man gerne Tee zusammen schlürft und netten Small-Talk führen kann.
Echo#1: Very british. Cheers. *Tee schlürf*
Echo#2: Bloody Hell. *Teegebäck knabber*
Morte: Das ist sehr unterhaltsam. ^^ *Teetasse heb*

> In Ciars Augen flackerte etwas auf, das nach Verlangen aussah
Hrhrhrhrhrhrhrhrhr~. (づ ̄ ³ ̄)づ
Ciar: *locker durch sein Haar streich*

> „Die Person, die ich liebe, sieht aus wie du.“
Argh, Tiefschlag! DX
Ciar: Er wollte doch die Wahrheit.
Alo: ... Moment! Mir fällt da gerade etwas auf!
Ciar: Was?
Alo: Er hat nie 'Faren' gesagt! Er meint nur einen "anderen" Ferris! >:3
Ciar: ... Darauf kommst du erst jetzt?
Alo: :<

Ferris tut mir an der Stelle auf jeden Fall voll leid. Ich kann ihm das alles nachfühlen. =/

> „Nur zu, hasse mich“, sagte er offen. Seine Stimme war noch nie so sanft und einfühlsam gewesen. „Vielleicht kannst du dich selbst dann etwas weniger hassen.“
Owwwwwwwwwwwwww, so schön! <3
Einfach nur wundervoll~.
Ciar: Ja, ich weiß, ich bin großartig.

Irgendwo im Wald:
Faren: (ノಠ益ಠ)ノ彡┻━┻
Kieran: Noch ein Tisch? Wirklich?
Faren: Das war mein Ersatztisch.

Hach, das Kapitel war großartig. As usual. <3
Du bist super-awesome, Mea. Glaub es mir ruhig, ich erzähle das nicht jedem - denn ich bin super-anspruchsvoll. ಠ_ರೃ
Bleib weiter so awesome, meine Liebe.


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