Regenorchester von Anemia ================================================================================ Kapitel 1: Wenn ich zum Himmel aufsehe ist dort ein Stäubchen Licht. -------------------------------------------------------------------- Miya     Auf einem weißen Blatt Papier beginne ich von der Erinnerung zu schreiben, wie du im Regen läufst. Du glichst auf den ersten Blick nicht mehr als einer Silhouette der Tristesse, denn in deiner Körperhaltung und deinem abwesenden Gesichtsausdruck spiegelten sich die schwarzen Wolken wider, die über den Himmel zogen und ihren Weltschmerz auf uns herniederweinten. Du fügtest dich in die Szenerie aus grauen Scherenschnitten und schertest dich genauso wenig wie sie darum, dass dein Weg dich durch Pfützen führte. Waren deine Schuhe denn noch nicht vollkommen durchnässt? Falls ja, dann bemerktest du es nicht, denn du schientest woanders zu sein. An einem Ort in deinem Kopf, wo es hoffentlich trockener und wirtlicher war als hier. Ich wollte es wissen. Wollte dich begleiten in deine Welt, die du hinter deiner geheimnisvollen Fassade abschottetest. Ich ahnte, dass du dich mir nicht öffnen würdest, denn dazu warst du zu schwarz und zu empfindsam, das sah ich dir auf den ersten Blick an. Ein verschlossenes Gesicht wie deines würde sich weigern, etwas preiszugeben, das nah bei der Seele lag und sie beschwerte wie ein Wackerstein. Nein, ich ahnte, dass es in dem Ort, welchen du in deinem Kopf besuchtest, ebenfalls regnete. Jemand mit deiner nach vorn gebeugten Körperhaltung hatte längst vor dem ewigen Gewitterschauer resigniert.   Sollte man sich streunenden Katzen nähern? Man lief Gefahr, gebissen und mit der Tollwut infiziert zu werden, nicht wahr? Doch ich spürte, dass du es wert warst, dieses Risiko einzugehen. Irgendetwas von deiner verloren aussehenden Aura zog mich zu dir, unter deine Regenwolke, denn ich glaubte, dass du eine Sonne brauchen könntest. Jemanden, der die Tropfen auf deiner Haut mit seiner Wärme trocknete und dir vermittelte, dass Licht den schwarzen Himmel aufzuklaren wusste. Ich selbst mochte wohl auch keine sonderlich lichtspendende Sonne abzugeben, doch ich wollte es zumindest versuchen. Für dich. Denn meist verbarg sich hinter verschlossenen Mienen und eingetrübten Himmeln eine komplexe Welt voller Farben.   Du starrtest mich fragend, aber auch gewissermaßen misstrauisch an, als ich dir in den Weg trat, mein kleines Streunerkätzchen. Ich hatte keine andere, mir wohlgesonnenere Reaktion erwartet, hatte ich mir doch während eines gemeinsamen Interviews vor einiger Zeit bereits ein Bild von dir gemacht und feststellen müssen, dass es dir viel Mühe bereitete, mit Menschen auszukommen. Schon damals hatte ich mich gefragt, wer dich so verletzt und enttäuscht hatte, dass du dich in dich selbst zurückzogst und dir Stacheln wie die eines Kaktusses hast wachsen lassen. Es tut weh, mitanzusehen, wie Sensibilität oft mit Füßen getreten wird. Dabei sollte man diese pflegen und hegen wie ein kostbares, junges Pflänzlein. Insbesondere dann, wenn sie hinter solch schönen, braunen Augen schwelte wie den deinen, vermischt mit dem Spiegelbild der Regenwolken und dem Schmerz, den du nicht verdient hast. Auch wenn du bereits nass bis auf die Haut zu sein schienst und dir die klammen Haarsträhnen im Gesicht klebten wie ein paar kalte Algen, bot ich dir an, dich zu mir unter den Schirm zu gesellen. Der Wunsch, die verblassten Farben in dir zum Strahlen zu bringen, war größer als je zuvor, nun, wo ich dein Gesicht sehen konnte und dieser Anblick mich mit dir zugeneigten Gefühlen erfüllte. Du schientest unschlüssig und hilflos, und obwohl du ein hochgewachsener Kerl warst, wirktest du so viel kleiner als ich. Wer hatte dir deine Größe geraubt? Wer auch immer es war, du solltest nun sicher vor ihm sein, denn ich versprach dir stumm, auf dich aufzupassen, als du die Einladung annahmst und den Platz neben mir unter dem Schirm beanspruchtest, voller Scheu und Widerwillen, hieltest du dich doch für unwürdig, an einem trockenen Ort zu weilen, während die Welt in ihren Tränen ertrank. Denn du selbst sahst nicht das, was ich sah. Sahst nicht den jungen Mann, der sich in eine anziehende Dunkelheit hüllte, welche mich ab diesem Tag an nicht mehr loslassen sollte. Hinter schwarzen Wolken verbarg sich eine traurige Sonne, aber auch ein strahlendes Azurblau, welches ich so gern sehen wollte. Ich war mir darüber im Klaren, dass nur Paare einen Schirm miteinander teilten, und du wusstest das sicher auch, aber du warst mein Streunerkätzchen, so klein und hilflos, dass ich dich am liebsten in meiner Jacke verborgen hätte vor den Grausamkeiten, die die Welt für dich bereithielt. Dass du mir so viel Vertrauen schenktest, um mich zu begleiten, stellte wohl das erste Indiz dafür dar, dass die Wärme, in die ich dich hüllen wollte, wie ein Balsam deine Seele umschmeichelte. Eine deiner Sehnsüchte streckte zaghaft die Hand nach der meinen aus, ließ ich dich doch spüren, dass ich im Gegensatz zu so vielen anderen bereit war, deinen empfindlichen Kern zu behüten. Denn du bist etwas Besonderes für mich, so viel mehr als nur ein grauer Scherenschnitt in einer tristen, weinenden Stadt, in der man sich so leicht verlieren konnte, wenn man sich nicht selbst den rechten Weg wies. Nur Paare mochten sich einen Schirm miteinander teilen, aber wenn ich an das Damals zurückdenke, wird mir klar, dass wir das schützende Dach zu Recht gemeinsam beanspruchten. Denn auch, wenn es erst Nacht werden musste, damit meine Zärtlichkeit in dir erblühen und ein wenig Sonnenschein in deine Welt zurückbringen durften, so waren wir schon jetzt miteinander verbunden wie zwei Rinnsale auf deiner Wange, die zusammenflossen und nicht mehr voneinander loskamen. Du spürtest die Veränderung in deinem Herzen genauso wie ich, auch wenn es diese nicht zulassen wollte. Wie ein leerer, kranker Magen weigerte es sich dagegen, gefüllt zu werden, denn du warst ein von der Welt und von der Liebe Missachteter, und deinen Hunger nahmst du schon längst nicht mehr wahr. Weil du längst damit abgeschlossen hattest, dass er jemals wieder einen Platz in deinem Leben erhalten würde.   Dein Blick flehte mich an, dich wieder laufen zu lassen, hinein in die beginnende Dämmerung, mit der du sofort wieder verschmolzen wärst wie ein bloßer Schatten deiner selbst. Du wolltest nichts weniger, als mir Umstände zu bereiten, doch eine Last machte sich mit einem Schweregefühl auf den Schultern bemerkbar, und du fielst mir so leicht, trotz deines schweren Gemütes und der Tatsache, dass ich viel Geduld aufwenden würde müssen, damit du mir den Weg zu deiner schmerzenden Seele bereitetest. Du warst meine Herausforderung geworden, und ich nahm dich mit zu mir, an einen Ort, an dem es trockener und wärmer war als anderswo. Die Entscheidung, die du nicht zu deinem besten zu fällen in der Lage gewesen wärst, nahm ich dir ab, denn du warst dir selbst eine zu große Last, um dich tragen zu können. Ich tat es für dich, fing dich behutsam auf und brachte dir ein Handtuch und ein paar frische Kleider, die du mit skeptischem Blick annahmst. "Sie sind dir bestimmt ein wenig zu klein", sagte ich mit einem Lächeln, während ich sie an dich weiterrechte, du, der auch in meiner Wohnung wieder so verloren wirkte und nicht wusste, wo er mit sich selbst hin sollte. "Aber immerhin sind sie trocken." Du erwidertest das Lächeln nicht im Ansatz, sondern starrtest nur unschlüssig auf das T-Shirt in deinen Händen, als wäre es etwas, das dir nicht gebührte. Da ich aber so lange vor dir verharrte, bis du Anstalten machtest, dein weißes Hemd aufzuknöpfen, gabst du dich schließlich geschlagen. Sicherlich gefiel es dir nicht, dass ich dir dabei zuschaute, wie du dich entkleidetest, aber du musst mir verzeihen, denn ich konnte nicht mehr wegschauen, so wie du deinen schlanken, von keinerlei Makel gezierten Oberkörper entblößtest. Kaputte Puppen mochte man wegwerfen, da ihre Schönheit verblasst war und man sie deshalb nicht mehr ansehen wollte, doch eine vom Leben kaputtgespielte Puppe barg ganz besondere Reize, wie sich mir aufs Neue zeigte. Du selbst vermochtest es nicht zu erkennen, aber ich hätte dir in diesem Moment am liebsten meine Augen geliehen, damit du mittels diesen sehen konntest, von welcher Schönheit du warst. Deine Haut war blass, da die Sonne sie nie küssen wollte, dafür sehnte ich mich genau danach; dir zu huldigen, denn hinter dieser abspenstigen Fassade befand sich ein Wesen, das einem Teufel und einem Engel gleichermaßen ähnelte. Du nahmst Notiz von meinem neugierigen und bewundernden Blick, denn ich gab mir keinerlei Mühe, ihn zu verbergen, hatte ich doch vor einiger Zeit gelernt, dass das Hüten von Geheimnissen einem nichts weiter einbrachte als ein schweres, überquellendes Herz. Wie auch sollte ich mir nicht anmerken lassen, dass ich mich in deine Dunkelheit genauso verliebte wie in deine lichthelle Haut? Dies hätte einen Kampf dargestellt, welchen ich ohnehin verloren hätte, früher oder später. "Du bist sehr attraktiv", offenbarte ich dir anstelle mit fester Stimme, die dir vermitteln sollte, wir ernst mir meine Worte waren und dass ich sie nicht einfach dahinsagte, damit sie wenig später schon in der Unbedeutsamkeit verblassten. Du warst noch immer das scheue Kätzchen, das sich schwer darin tat, jemandem sein Vertrauen in die Hände zu legen, und meine Worte, die dir schmeicheln sollten, ließen dich wieder weiter von mir weggleiten. Ich sah in deinem irritierten wie auch äußerst misstrauischem Blick, dass du meine Komplimente nicht hören wolltest und dich zurückzogst, dorthin, wo es dunkel, aber sicher war, hinter die Mauern, von denen du nicht wusstest, dass sie dein Gefängnis waren. "Tut mir leid", erwidertest du reserviert mit belegter Stimme und sahst zu, dir das Shirt überzustreifen, damit ich deine Haut nicht mehr sehen konnte, doch deine Schönheit kam auch jetzt noch wunderbar zur Geltung, nun, wo du meine Kleidung trugst, als würdest du alles andere auch mit mir teilen. "Ich habe kein Interesse an solchen Dingen. Mit niemandem." Fast hätte ich dir geglaubt, denn diese Facette fügte sich perfekt in das Bild deiner Unnahbarkeit. Dass du jemanden nah an dich heranlassen würdest, schien für dich im Bereich des Unmöglichen zu liegen, denn ließt du dir deine Schutzschicht durchdringen, gabst du Raum für Verletzungen frei. Denn woher solltest du wissen, dass ich dich niemals verletzt hätte, sondern mir wünschte, deine Narben zu küssen, welche unter deiner Haut schwelten? Du kanntest mich nicht, und hin und wieder schien es, als würdest du mich auch nicht kennenlernen wollen. Meine Sonnenstrahlen mochten deine Haut zum Prickeln gebracht haben, aber von wirklicher Wärme berührt zu werden schien dir fremd, und du fürchtetest, dich daran zu verbrennen. Denn du warst dich darüber im Klaren, dass unser beider Feuer heiß glühen würde, wenn du zuließest, dich mit dem meinen zu vereinen. Du wolltest es, aber dein Wunsch war weit, weit weg gedriftet, hatte sich resigniert in einem hintersten Winkel deines Herzens verkrochen, dorthin, wo es glaubte, sein trauriges Dasein auf ewig fristen zu können. So gern hätte ich dich geliebt, so gern dich in mein Bett gezogen und mich an dich geschmiegt, um dir zu zeigen, dass auch du noch dazu in der Lage warst, Glücksgefühle zu entwickeln. Aber wer sich nicht fallen ließ, konnte auch nicht aufgefangen werden. Und so bliebst du die schwarze Silhouette in einer Welt aus verloren gegangenen Hoffnungen, als du dich von mir abwandtest und gingst.     Chiaki     In einer Stadt voller Sünden habe ich dich umherschweifend gefunden. Ich kannte dein Ziel nicht, aber ich war mir sicher, dass du eins besaßt, im Gegensatz zu mir, dem nichts anderes übrig blieb, als auf das Ende des Regens zu warten. Du botest mir ein Dach, das mich schützen sollte vor dem unbarmherzigen Schauer, aber es fiel mir schwer, so schwer, es anzunehmen. Denn du warst nur ein Passant, der meine gebeugte Gestalt sah, aber nicht in meiner Geschichte lesen konnte, welche geprägt war von so vielen Rückschlägen und Zurückweisungen. Ich wollte nicht, dass du Mitleid mit mir hast, denn ich war nicht unschuldig an meiner Situation, sondern ein Donnergott, der sein eigenes Unwetter heraufbeschworen hatte. Du hättest mich nicht so berührt angesehen, hätte das Schicksal zu dir sprechen können und dir verraten, dass ich mich selbstständig weggeworfen hatte. Der Sternenhimmel war das Zelt, unter dem ich seit geraumer Zeit nächtigte, und jede Nacht stellte eine andere Parkbank mein Bett dar, denn meine Wohnung hatte ich verloren genau wie meine Zuflucht in den schützenden Armen eines Gottes, wurde man doch von jeder Seite verstoßen, wenn man seine Miete nicht zahlte und sich dem Alkohol zuwandte, um, besessen von diesem, zu randalieren und seine Mitmenschen in Gefahr zu bringen. Nicht nur einmal war ich im Hausflur aufgewacht, in den Scherben einer zerbrochenen Bierflasche und eines gestohlenen Lebens, mit einem schweren Kopf voll düsteren Gedanken an ein möglichst schmerzloses Ende. Ich weiß nicht, was ich dir damals gesagt hätte, hättest du meine Geschichte bereits bei unserem ersten Zusammentreffen gekannt. Hätte ich beteuert, dass ich es bereute, mich selbst so zu missachten? Wahrscheinlich wären jene Gedanken, bevor ich sie hätte ausgesprochen, in Gleichgültigkeit ertrunken. Meiner Gefühle beraubt wandelte ich durch die Stadt, erbaut aus meinen Sünden und der Trostlosigkeit, die schließlich in ihr Einzug gehalten hatte. Und ausgerechnet dich fand ich in jener einsamen Welt, in der jede Hoffnung längst verwelkt war. Ich frage mich bis heute, was du in ihr gesucht und schließlich in mir gefunden hast, in jener ausgedorrten Leere, die ich offerierte. Ich wollte nicht, dass du dich in meine Welt verirrst, denn du bist ein guter Mensch, das verrieten mir deine Augen und dein Wunsch, mir zu helfen und mir etwas von dem Licht zurückzugeben, welches ich vor so langer Zeit verloren hatte. Irgendwann würdest auch du keine Kraft mehr haben, meine Leere zu füllen, habe ich mir eingeredet und mich geweigert, deine Kraft überhaupt erst entgegenzunehmen. Einmal in meinem Leben wollte ich versuchen, kein Schmarotzer zu sein, der seinen Platz in der Welt nicht verdiente, aber weißt du, es ist mir kläglich misslungen. Zuerst hatte die Gewissheit nur einem kleinen, warmen Ziehen geglichen, das den traurigen Schlaf, in den meine Seele gefallen war, sanft erweckte. Doch dann war ein reißender Strom daraus geworden, der über Nacht kam und über Nacht nicht mehr ging.   Die Sterne waren längst im ewigen Licht der Großstadt verblasst, aber sie brachten mir die Sehnsucht nach meinen Träumen ohnehin nicht zurück. Es schlief sich schlecht, wenn man nicht wusste, wohin man gehörte, und wenn einen selbst die nächtlichen Hirngespinste das Fürchten gelehrt hatten mit ihren Schreckensbildern. Hätte ich einen Wunsch frei äußern können, ich hätte mir wohl die Fähigkeit zur unendlichen Schlaflosigkeit herbeigesehnt, denn so lange ich wachte, konnte ich immerhin Einfluss auf meine Umwelt und die Bilder, die sich vor meinen Augen aufbauten, nehmen. Aber im Schlaf überforderte mich meine eigene Hilflosigkeit, indem sie mir zeigte, wie wenig Macht ich doch über meine eigene Psyche besaß. Diese Nacht jedoch war nicht wie all die anderen zuvor, das wusste ich, noch während ich versuchte, die müden Sterne zu einem Bild zusammenzusetzen. Irgendwann drang ihr Licht nicht mehr zu mir vor, hatte mich doch der Schlaf übermannt, vor dem ich mich so fürchtete, seit meine Welt in Dunkelheit ertrank. Aber heute streckte er beinahe liebevoll seine Arme nach mir aus und zog mich in sein Reich, um mir Dinge zu zeigen, die sich allmählich ihren Weg aus meiner geschundenen Seele an die Oberfläche gruben und nicht mehr länger zum Schweigen verdammt sein wollten. Es warst du, mein Miya, der mich in meinen Traumwelten abermals fand und mit sich nahm, an einen Ort, an dem es nicht regnete und der die Außenwelt für ein paar unendliche Momente aussperrte. Denn dieses Mal blieb ich bei dir, in deiner Obhut, und du zeigtest mir, zu was mein kleines Herz fähig war, wie schnell es zu schlagen vermochte, wenn dein hungriger Mund über meinen Körper wanderte und mich das Vergessen lehrte - das Vergessen meiner selbst genau wie das jener Sünden, die ich über die Stadt gebracht hatte. Jeder einzelne deiner Küsse ließ mich in dem Glauben weilen, keine Erwartungen erfüllen zu müssen, sondern nur genießen zu dürfen. Etwas, das ich mir lange verwehrt hatte, da ein schlechter Mensch wie ich einer war keinen Anspruch auf etwas Licht in seinem Leben besaß, aber du nahmst meine Prinzipien von mir wie die Angst, mich einem anderen Menschen so anzuvertrauen, dass ich ihm meinen entblößten Leib schenkte. Und du nahmst diesen entgegen wie ein kostbares Geschenk, spendetest ihm Freude und ein Gefühl herrlicher als jeder Substanzenrausch, aber genauso süchtig machend. Dein warmer Atem, der über meine Härchen strich war der Wind, der den Regen davontrieb und dein warmer Blick jener, der meine klamme Haut zu trocknen wusste. Als du dich schließlich in mich grubst, voll der Wonne und Entschlossenheit, konnte ich den grauen Horizont schon längst nicht mehr sehen. In meiner Welt gab es nur noch deine beiden, dunklen Iriden, verhangen von einem heißen Gewittersturm, der mir alsbald den Blitz schenkte, welcher meinen Körper unter Strom setzte und mich ertrinken ließ in dem süßen Regenguss.   Du warst weg, als ich die Augen öffnete und die Sterne sich scheu hinter neuen Wolken versteckten, die die Nacht noch schwärzer färbten. Aber die Gefühle, die du mir schenktest, waren noch bei mir, tief in meinem Körper schwelend wie eine zweite, fragile, kribbelnde Haut. Ich hatte geahnt, dass ich dich nicht vergessen können würde, du, der mir mit Liebe und Verständnis begegnet war, als einziger seit so langer Zeit. Ich, der sich nach Licht und Wärme verzehrte, klammerte sich an dich wie ein gieriges Tier, das selbst mein Verstand nicht mehr abzuschütteln wusste. Der Himmel weinte seine ersten Tropfen auf mich hernieder, aber ich blieb trotzdem liegen auf meinem unwirtlichen Bett, das diese Bezeichnung nicht verdiente. So wenig, wie ich dich vergessen konnte, wollte die unbändige Lust aus meinen Lenden schwinden. Zu real hatte es sich angefühlt, von dir geliebt zu werden, zu echt jede Berührung und jeder Kuss. Ein Traum wie ein Blick in die Vergangenheit, die es nie gegeben hatte, da vor uns nur eine gemeinsame Zukunft lag. Ich wollte wirklich nicht zu dir zurückkehren, aber umso eindringlicher ich mir meine Sehnsucht auszureden versuchte, desto heißer biss sie in mein Fleisch und zeigte mir zum Beweis für meine Wünsche die Bilder aus meinen Träumen. Regentropfen landeten in meinem Gesicht, schimpften mich vorwurfsvoll einen Versager, doch das Verlangen danach, mich in deinen warmen Schoß zu schmiegen war stärker als die Angst, mir selbst zu viele Zugeständnisse zu machen. Ich war schon immer ein Egoist gewesen, der sein eigenes Wohl vor das der anderen stellte, und weil dies meiner Natur sprach und ich ohnehin schon dem Teufel versprochen war, ließ ich mich von der Unruhe umhertreiben wie ein wildes Tier auf der Suche nach Beute. Nur wusste ich bereits, wohin ich mich verirren musste, um mir das anzueignen, nach was ich bedurfte. Und inmitten diesem See aus Selbstsucht und Gier hoffte ich, dass du mir verzeihen würdest. Du warst der einzige Mensch, von dem ich mich annähernd wertgeschätzt gefühlt hatte, und ich hätte alles getan, nur damit dieses zarte Pflänzchen nicht einfach erstarb, auch wenn es nicht dazu prädestiniert war, weiter zu wachsen. Lieber wollte ich mir eine schöne Erinnerung an dich - an uns - bewahren, als diese jäh zunichte zu machen in meiner jämmerlichen Fleischeslust. Doch ich hörte die Schreie meines Gewissens nicht, abgedämpft von der lauteren Stimme meiner Instinkte. Ich erkannte mich selbst nicht wieder, hatte doch noch nie eine Glut wirkliche Funken in mir gestreut, und deswegen bitte ich dich, mir zu verzeihen. Ich war verwirrt und einsam, und mein Körper war nur der eines nach Liebe sehnsüchtigen Menschen, in welchem du ein Feuer entfacht hattest, das niemals mehr würde  erlöschen, wenn nicht durch deine Hand.   Ich klingelte an deiner Wohnungstür, aber dein Schlaf war zu tief und du hörtest es nicht. Immerhin schaffte ich es in den Hausflur und stieg die Treppen empor, nasse Spuren aus einer nassen Nacht hinterlassend, bis ich keuchend und erschöpft vor jener Tür verharrte, die mir heute Nachmittag noch offen gestanden hatte. Die Welt dahinter war ein Teil von dir, und mein Wunsch, abermals in sie einzutauchen, wurde so lächerlich groß, dass es mir fast das Herz zerriss. Aber du schliefst, und ich wachte neben deinem Abtreter, wie eine von ihrem Herrn vergessene Katze, nass und frierend und noch immer allein. Aber ich hatte das Gefühl, deine Nähe durch die verputzten Wände bereits ein wenig spüren zu können, und so blieb ich in Gedanken an deiner Seite, in der Hoffnung, dass mir der Schlaf noch einen seiner wunderschönen Träume schenkte. Doch diese sollten mir verwehrt bleiben, holte er mich in dieser Nacht nicht mehr zu sich. Ich blieb in meinen Fantasien hängen, und in diesen wartete ich auf das Morgen, auf jenen Moment, in dem du mich fandst. Du wolltest gerade aufbrechen, um zur Arbeit zu gehen, warteten doch deine Bandkollegen bereits im Proberaum auf dich, aber du ließst dich von mir aufhalten. Ich erinnere mich noch genau daran, wie überrascht du mich angesehen hast. Aber in deinen Augen war noch mehr gewesen. Fürsorge und Zuneigung schimmerten so verlockend in ihnen, dass ich dem Wunsch neuerlich erlag, ein schnurrender Kater in deinen Armen zu sein, beglückt durch die Streicheleinheiten deiner liebenden Hände. "Chiaki", sagtest du, und zum ersten Mal mochte ich den Klang meines Namens, denn er harmonierte so gut mit deiner Stimme. "Was machst du denn hier?" Ich antwortete dir nicht, war ich noch immer zu benommen von der ereignisreichen und kalten Nacht, in welcher ich mich an die Hauswand geschmiegt hatte, als wäre sie ein Ofen, den du mit deiner Wärme befeuertest. Wahrscheinlich war mein Anblick so mitleiderregend, dass du nicht anders konntest und mich in deine Wohnung führtest, in die Welt, in der alles gut war und die nur dir gehörte, aber nicht mir. Ich fühlte mich wie ein Fremder auf deiner Couch, allerdings nicht nur gegenüber deiner Einrichtung, sondern vor allen Dingen gegenüber mir selbst. Einen Fehler hatte ich begangen, indem ich mich in dein Leben zurückgestohlen hatte, das keinen Platz für mich bieten durfte. Aber ich war das Denken leid. Zumal du so sehr zum Fühlen einludst, als du dich neben mich setztest und mir deine Frage noch einmal stelltest. "Was hast du denn vor meiner Tür gemacht? Wie lange hast du denn dort schon gesessen?" Mir blieb nichts anderes übrig, als die Schultern zu heben. "Ein paar Stunden", erwiderte ich gleichmütig, da mir die Minuten schon seit langer Zeit ungezählt durch die Finger rannen. Dein darauffolgender, bestürzter Blick bescherte mir ein schlechtes Gewissen, und dieses verschwand erst recht nicht mehr, als ich dir die Wahrheit sagte. "Ich wollte eben bei dir sein." "Chiaki-chan." Deine Stimme war weich wie fließender Honig und so zärtlich wie es wohl ansonsten nur eine Berührung von dir gewesen wäre. "Zieh doch erstmal deine nassen Sachen aus, du erkältest dich sonst noch." "Nur, wenn du mir dabei hilfst." Glaub mir, ich wollte dies nicht sagen, und doch tat ich es, denn ich glaubte für einen Moment lang, nicht mehr atmen zu können, wenn ich nicht sofort alles daran setzte, den Traum von letzter Nacht zu leben. Meine Finger zitterten sogar, und meine Stimme tat es erst recht. Ob das das Verlangen war, das mich so durcheinanderbrachte? Ich vermochte mir diese Frage nicht zu beantworten, denn derartige Empfindungen hatten noch nie einen Platz in meinem Leben besessen. Irgendwann waren sie in der Sinnlosigkeit ihres Seins erstorben. So jemanden wie mich vermochte einfach niemand zu lieben. Noch nicht einmal ich selbst. Ich trug noch dein T-Shirt, das einzige Geschenk, das ich je von jemandem erhalten hatte, als dein Blick über mich wanderte, fragend, abschätzend. Wahrscheinlich verriet dir der meine nur zu deutlich, dass ich meine Worte ernst meinte. Lieber wollte ich nass bleiben und frieren als meiner hungrigen Seele nicht diesen kleinen Gefallen zu erweisen. "Aber du...", setztest du unsicher an, aus Angst, mich zu überfordern, denn ich wusste natürlich, was ich gesagt hatte. Dass ich an körperlicher Zuwendung kein Interesse besäße und nicht wollte, dass du mich als attraktiv einstuftest. Doch meine Träume hatten mich in der letzten Nacht eines Besseren belehrt. Ohne sie hätte ich wahrscheinlich nicht von meiner Sehnsucht erfahren, hatte mein Verstand sie doch zum Schweigen gezwungen. "Es stimmt nicht", brachte ich bebend hervor und rückte näher zu dir, dorthin, wo die Liebe mir ganz nah war, so nah, dass ich nur noch die Hände nach ihr auszustrecken brauchte. "Ich habe mich selbst belogen. Die ganze Zeit." Du konntest die Wahrheit nicht kennen, weshalb du noch immer unschlüssig wirktest. Ich wettete, dass du aber auch abwägtest, ob du dich tatsächlich auf das Spiel mit solch einem verkommenen Menschen, wie ich einer war, einlassen wolltest. Denn wenn ich einmal dir gehörte, würdest du mich nicht mehr losbekommen, das war dir gewiss. Jemand mit einem solch leeren Herzen würde dich aussagen wie ein blutdürstiger Vampir, denn du hattest so viel zu geben. Erst war es nur deine Hand, die sich auf meinen Hals legte und die Träume von letzter Nacht wachrief. Ich tauchte in sie ein, ohne einen Gedanken an mich selbst zu verschwenden, denn du allein nahmst sie ein und scheuchtest die schwarzen Wolken davon. Das Licht war mir so nah, als du mit deiner Nasenspitze fragend gegen die meine stupstest und mir in die Augen sahst, so voller Furcht, mir wehzutun. Du hieltest mich wohl für sensibel, aber die Wahrheit war, dass es in mir nichts mehr zu zerstören gab, da die Maden aus Hass und Verachtung längst an meinem Inneren nagten und nicht mehr viel übrig gelassen hatten. Doch dieser kleine, verschwindend geringe Rest begann zu brodeln, so wie du mich sacht zu küssen begannst und deine rauen Fingerspitzen sich meiner Kontrolle entzogen, als sie begannen, unter mein Shirt zu schlüpfen. Du wirktest genauso hungrig wie ich, und ich fragte mich, ob du mich nicht wirklich in meinen Träumen besucht und wir die Zweisamkeit bereits gemeinsam durchlebt hatten. Denn ich glaubte, mich an den Geschmack deiner Küsse zu erinnern, daran, wie deine Zunge sich anfühlte, als sie sich zu der meinen gesellte und sie umkreiste in einer Wollust, die ich dir wohl nicht zugetraut hätte. Du warst ein unscheinbarer Mann, jedoch mit einer einnehmenden Aura, in der ich mich bereits bei unserem ersten Kontakt verloren hatte, ohne es zu merken, ohne es zu wollen. Ich mochte nicht an einen Gott glauben, aber ich glaubte an ein Schicksal, welches begann, Gestalt anzunehmen, während du mich mit deiner Liebe zu einem glücklicheren Menschen zu formen versuchtest. Du stecktest deine ganze Kraft in dieses Unterfangen, denn so fühlte es sich an, als du mir hastig das Shirt über den Kopf zogst und mich in eine unter dir liegende Position drängtest, um mich in Ruhe erkunden zu können. Sie war wieder da, die kribbelnde Unruhe, welche nur du in mir wachzurufen wusstest, konnte ich mir doch nicht vorstellen, dass ein anderer Mund, eine andere Zunge, Spuren der Liebe auf meine Haut zeichnete, bis ich dem Vergehen nahe war. Ich weiß nicht, was du in mir sahst, als du den Blick hobst und betört in mein Gesicht schautest. Ob du etwas anderes in mir entdecktest, von dessen Existenz ich nicht wusste. Oder ob du einem Trugbild erlegen warst. Denn meine schöne Hülle wusste leicht zu täuschen, aber ich vermochte dir an diesem Morgen nicht mein wahres Ich zu offenbaren. Es war zu warm in deiner Hitze, und ich fühlte mich so herrlich begehrt, wann immer dein erregter Körper sich an den meinen schmiegte und du mich abermals küsstest, als würdest du nur mich auf diese Weise küssen wollen. Ich sage dir so oft, dass ich ein Egoist bin, aber du widersprichst mir stets mit einem Lachen, doch stimmt es denn nicht? Wer war es denn, der während unseres ersten Males die Zärtlichkeiten eingeheimst hatte wie ein verwöhnter Prinz? Ich habe die Beine für dich gespreizt, um dir den Weg zu ebnen zu jenen Körperteilen, die so viel empfindsamer waren als mein leeres Inneres. Ich habe jeden Kuss gezählt, den mir deine von meinen Knien über die Innenseiten meiner Oberschenkel wandernden Lippen geschenkt haben. Und ich habe mich geschämt, so sehr, als ich ebenfalls sah, wie ich vor Wonne anschwoll, doch du hörtest einfach nicht auf, mich zu liebkosen, bis ich dir irgendwann glaubte, dass ich wunderschön sei. Dein Mund log nicht, und mein Körper offenbarte ebenfalls die lang einbehaltene Wahrheit, als mein Fleisch sich in der samtigen Hitze deiner Kehle aalte. Ich wollte mir am liebsten den Mund zu halten, damit weder du noch ich mein unbeherrschtes Stöhnen vernehmen konnten, das du mir entlocktest, aber deine Augen verrieten mir, dass du es liebtest, mich zu hören, und so gab ich mich dir zuliebe hin, mit flatternden Lidern und hektischen Lauten des Genusses, als du mich verschlangst. Irgendwann trübte sich dein Antlitz vor meinen Augen ein, und ich spürte etwas in mir aufwallen, dem ich genauso wenig Herr wurde wie deinem gefräßigen Mund, der meinen speichelbenetzten Schaft auf und ab wanderte und sich wie ein Egel an meiner Eichel festsaugte. Ich vermochte dir nur noch hilflos dabei zuzusehen, wie du es unbarmherzig um mich geschehen ließt, und selbst mein ekstatisches Zucken und Beben brachte dich nicht zum Innehalten. Noch nie hatte ich mich einem Menschen inmitten solch intimer Gefühle hingegeben, weil dies so unheimlich angreifbar machte, aber du verdientest es, dass ich mich dir gegenüber vollkommen öffnete und mich an dich verlor. Jeder Augenblick, auch nach meinem Höhepunkt, welcher mich nach Luft ringen ließ, war wunderschön und so unheimlich kostbar, dass ich dem Wunsch nachging, ihn so lange wie möglich festzuhalten. Mit dir. Denn die graue Welt da draußen schien endlich verstummt zu sein, der Regen hatte nachgelassen. Wahrscheinlich würde ich nicht mehr genesen, aber du warst der Einzige, der meinen Schmerz zumindest zu lindern wusste. Ein kleiner Lichtblick in einer dunklen Welt war das überbordend heftige Gefühl unserer Vereinigung, das mein Verlangen über die Ufer treten ließ. Ich konnte endlich wieder etwas fühlen, als ich dich spüren konnte in deinem ganzen Sein, als meine Schenkel auf deinen Hüften ruhten und das Bett beinahe lauter quietschte als ich schrie unter deinen manischen Stößen. Du verlangtest, dass ich dir in die Augen sah, während du es mit mir triebst, denn schon lange schliefst du nicht mehr nur zärtlich mit mir. Doch mein Blick driftete immer wieder weg in meiner puren Verzückung, folgte meinem schwindenden Verstand in unser sündiges Paradies. Irgendwann nahmst du meine Hand und hieltst sie fest anstelle meines Blickes, der dir immer wieder entrückt entglitt, denn mein Körper war wehrlos und gehorchte dir schon längst willenlos, solange du ihm nur das gabst, nach was er sich verzehrte. Ich erinnere mich noch genau daran, wie fest dein Griff um mein Handgelenk war und wie ein erneuter Erregungsschauer durch meinen Leib raste, als du das andere ebenfalls packtest und sie beide über meinem Kopf in das Kissen pinntest. Feucht von den ersten Tropfen meiner Lust rieb sich mein Glied an deinem Bauch, denn mein Körper wusste noch vor meinem Kopf, dass du die richtige Richtung eingeschlagen hattest. Klar wurde mir aber erst, dass ich dein Sklave bin, als deine Hände fahrig über meine Arme hinabglitten, um sich anschließend gegen die Seiten meines Halses pressten, bis mein Mund sich vor Luftarmut öffnete und ich mich zeitgleich vergaß in den Wogen eines quälend intensiven Höhepunktes, in den du mich verwehrte Atemzüge später begleitetest.     In einer Stadt voller Sünden habe ich dich umherschweifend gefunden. Ohne, dass ich es ahnte, hat mir der Regen mein Gegenstück angespült, um den Wolken die Tränen zu rauben. Der graue Scherenschnitt wird auf ewig seine Farbe behalten, aber in deinem Licht beginnt er fantasievolle Schatten zu werfen.   Auf einem weißen Blatt Papier hältst du die Erinnerung fest, wie ich im Regen lief. Dabei wird sie auch als wortloses Gefühl in deinem Herzen auf ewig bestehen bleiben.   Mit dem Regen fing alles an. Der Regen brachte mir mein Leben zurück und ließ unsere Liebe wachsen wie ein zartes Pflänzchen, geboren aus einer tiefen Sehnsucht und einem geteilten Traum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)