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The Splintered Truth

von

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Orange VIII --- Einfach Licht

[Max]
 

‚Was ist mit ihr eigentlich los? Die geht mir einfach so auf die Nerven, die Kuh.‘ Max starrte weiterhin auf die gläsernen Eingangstüren in der Ferne. Während er sich selbst auf den Holztisch gelehnt hatte und immer wieder versucht war mithilfe seiner Hüfte den Stuhl zu kippen. Da der Stuhl jedoch zu instabil wirkte und keine Lehne besaß, vermied Max es zu übertreiben.
 

Seit die beiden Mädchen das Gebäude verlassen hatten und die Zeit voranschritt, blieb es ruhig in der gläsernen Haupthalle. Inzwischen machte sich ein unangenehmes ziehendes Gefühl in ihm breit.
 

„Nervig. Was mache ich hier jetzt?“ Max murmelte darauffolgend immer wieder Laute von sich.
 

„Anscheinend sind wir nicht die einzigen.“ Daniel legte die Zeitung auf den Tisch ab – nur einige Zentimeter von Max entfernt - dabei verwies er leicht mit seinem rechten Zeigefinger auf eine Textpassage weit unten rechts in der Zeitung.
 

Max schaute ein wenig verwundert auf. Drehte sich zu Daniel – der neben ihm am runden Tisch saß - und blickte dann gelangweilt auf die Zeitung.
 

Ein paar Sekunden vergingen. Er erblickte nur einige Blöcke an Texten und vereinzelt Bilder von Personen oder Dingen an, die er nicht kannte.
 

„Und? Auf was willst du hinaus? Von was sind wir nicht die einzigen?“
 

Daniel nickte zustimmend. Max erhob seine Augenbrauen und machte dazu einen verständnislosen Eindruck.
 

„Nun… hier in der Zeitung steht, dass es… ebenfalls Vorfälle von herabgestürzten Objekten vom Himmel auch nicht nur hier, sondern auch…“ Daniel schaute noch einmal auf die Zeitung, während er seine Brille davon abhielt von der Nase zu rutschen:
 

„In… Festa gab?“ Daniel kratzte sich am Kopf.
 

„Insofern das ein Ort sein soll, dann wohl da?“
 

„Sagt mir nichts.“ Antwortete Max sofort. Er seufzte.
 

‚Jetzt echt keinen Bock die Zeitung zu lesen. Soll er mir doch sagen was er genau will.‘
 

„Mir auch nicht.“ Daniel klang dabei sehr trocken.
 

Max ließ seinen Kopf ein wenig kreisen. Sein Nacken fühlte sich inzwischen sehr verspannt an.
 

„Mh…“ kam von Daniel. Max schaute ihn gelangweilt an.
 

„Hier steht, dass sie die Leser daran erinnern möchten möglichst das Licht anzulassen, um den Schatten zu vertreiben. Draußen stets nicht allein und mit ausreichend Geschwindigkeit gehen.“ Daniel kratzte sich an der Stirn.
 

Max fand auf dieser Aussage nicht wirklich eine Antwort, so ließ er das Gesagte unkommentiert stehen. Er tat das mit einem Zucken der Schultern ab.
 

‚Hat er einfach das Thema gewechselt.‘
 

Ungeduldig sah Max Daniel an, der die Zeitung stillschweigend begutachtete.
 

Es vergingen einige Sekunden bis Max anfing zu grummeln.
 

‚Echt keinen Plan was das hier jetzt wird? Will er mir jetzt noch sagen was er dachte oder…‘ Max blickte zum Eingang.
 

‚Oder… ach was solls.‘ Max versuchte durch den gläsernen Eingang nach Draußen zu sehen, aber bis auf einen Wald im Westen und ein paar Häuser im Osten erkannte er nichts für ihn Nennenswertes. Im Anschluss ließ er seinen Blick hinter sich kreisen zur Treppe, dann die Treppe hinauf und anschließend auf sein Armband an seiner linken Hand. In Gedanken versunken starrte er für einige Sekunden das Gildensymbol an. Zeitgleich erinnerte er sich vage an das, was ihm die Gildenmeisterin gesagt hatte. Ein wenig unzufrieden senkte er seinen linken Arm.
 

‚Und was mache ich jetzt mit dem Armband? Gildenmitglied? Was soll das heißen?‘ Sein Rücken verspannte sich für einen Moment mehr, sodass sich Max aufrichtete. Er versuchte seinen Rücken zu Strecken, um die Verspannungen zu lösen.
 

„Also der Artikel beschreibt Einschläge, aber es schien bisher nichts gefunden zu sein? Ich verstehe aber nicht… wie man so etwas überleben sollte?“ Begann Daniel zu erzählen, ohne aufzuschauen.
 

‚Ah ja… endlich.‘ Max grummelte immer noch ein wenig.
 

„Nicht nur das. Die ganze Situation ist sowieso schon verrückt genug.“ Max verwies auf seinen Kopf:
 

„Es fühlt sich so beschissen leer an im Kopf und hier.“ Er hielt sich die Hand auf der Brust. Daniel schaute weiterhin auf die Zeitung.
 

„Als ich Tina be… ange… berührt… ähm habe, da habe ich mich plötzlich erinnert, ABER nichts… also ich ähm… es hilft nicht weiter. Warum ist das so?“ Daniel wirkte so, als hätte er ihm nicht zugehört.
 

Plötzlich tippte er wieder auf die Zeitung. Er tippte mehrmals deutlich auf eine bestimmte Textpassage – die nach Max‘ Empfinden nach die gleiche war wie zuvor.
 

„Wir wissen zumindest, dass wir uns untereinander kennen und… ist es dir auch aufgefallen?“ Max sah Daniel unzufrieden an, während dieser weiterhin die Zeitung anstarrte
 

‚Kann der mal eine Frage beantworten? Aber ich weiß was er meint.‘
 

„Zwischen der… ähm… Tina und dir gab es Unterschiede. Die Erinnerungen waren andere.“
 

„Ja.“ Hakte Daniel sofort ein.
 

„Wir müssen vielleicht weitere berühren, um mehr zu verstehen.“ Max schüttelte ein wenig den Kopf:
 

‚Als wäre das so einfach. Sieht nicht so aus, als wären hier noch weiteren, zumindest… nicht hier, aber bei diesem tollen Ort den er meinte.‘ Max legte seine rechte Hand flach auf den Tisch, um sich darauf ein wenig abzustützen, damit er seinen Körper leicht in Richtung Daniel neigen konnte, auch wenn dieser ihn immer noch nicht anschaute:
 

„Wir wissen gerade einmal, dass die Namen auf den Ausweisen echt sind, vielleicht. Und dann das mit diesem Raum… in der Erinnerung, also… ähm… wieso… ich in diesem Zimmer war… in diesem weißen Zimmer mit euch.“
 

‚Verflucht, ich bring schon wieder keinen geraden Satz heraus.‘
 

„Ja… wir sollten aber erst einmal schauen wie es weitergeht. Die Leute hier scheinen doch ganz in Ordnung zu sein? Zumindest sagte man mir das.“ Daniel kratzte sich am Kopf, dann legte er seinen Finger wieder auf die Zeitung.
 

Max verschränkte seine Arme. Er hätte sich gerne nach hinten angelehnt, aber sein Hocker hatte immer noch keine Lehne. Die Verspannung in seinem Körper ließ nicht nach.
 

Max legte seinen Kopf in den Nacken.
 

„Und was meinst du, wann die zurückkommen? Es fühlt sich… nun ja… nicht so gut an jetzt.“ Daniel kratzte sich am Kopf.
 

„Das wir hier warten sollen?“
 

„Ja genau. Ich meine…, nachher kommen die noch und schmeißen uns raus.“ Daniel schüttelte leicht seinen Kopf, aber er stoppte als sich seine Lippen bewegten:
 

„Denke ich nicht. Wieso sollten sie? Das würde dem widersprechen, was ich gehört habe.“
 

„Tss.“ Max stand auf.
 

‚Ach keine Ahnung. Wenn er glaubt, was er gehört hat. Was auch immer.‘
 

Daniel schaute auf. Eine Weile antwortete er nicht.
 

‚Ist er jetzt beleidigt oder warum starrt er so?‘
 

Daniel sah ein paar Sekunden schweigend zu Max. Als Max näher hinsah, bemerkte er, dass Daniel ihn gar nicht anschaute.
 

Max ließ wieder sein Kopf kreisen, denn er fühlte sich schwer an, außerdem spürte Max die Trockenheit in seiner Kehle. Er blickte hinter sich, an der Treppe vorbei.
 

‚Da hinten soll doch die Küche sein, nicht?‘
 

„Ich bin kurz in der Küche.“ Daniel antwortete nicht, inzwischen betrachtete er wieder auf die Zeitung. Max lief zielstrebig vom Tisch zur Tür, die er für den Küchenzugang hielt. Es war die weiß hölzerne Tür, die sich am nächsten zum halbrunden Treppenaufgang befand.
 

Es war zwar noch hell draußen, jedoch schaltete Max das Licht in der Küche an. Eine etwas älter aussehende Glühbirne begann zu leuchten, sie brauchte jedoch einen Moment und sie wirkte auch nicht mehr allzu langlebig.
 


 

Seine Vermutung war korrekt gewesen, denn Max betrat einen kleinen Raum mit allerlei Möbel und Objekten, die für eine Küche notwendig waren. Eine Spüle zu seiner linken, daneben eine längliche Arbeitsplatte. Darüber ein paar Schränke an die Wand montiert. Ein kleiner Tisch zu seiner rechten. Am Ende der Küche war eine massive stählerne Tür. Durch ein Fenster konnte er ein paar großgewachsene Blumen erkennen. Leider war das Fenster höher als er, sodass er gerade auf Zehenspitzen hindurchschauen konnte. Er erkannte dahinter einen Garten.
 

Max teste den Wasserhahn an der Spüle aus und zugleich strömte kaltes Wasser heraus, während ein Brummen unter der Spüle begann. Zugleich drehte Max das Wasser ab. Er blickte hinauf zu den Schränken. Er öffnete nacheinander die Schränke oberhalb der Spüle und die Schubladen vor sich, während er das jeweilige vorherige wieder schloss.
 


 

Ein gewaltiges dumpfes Geräusch schreckte ihn plötzlich auf.
 

‚Was zum? Was hat Daniel gemacht?‘ Dabei bemerkte Max, dass das Geräusch zu seiner rechten kam und nicht zu seiner linken. Sein Kopf drehte sich nach rechts, dann starrte er zuerst zu der metallischen Tür. Vorsichtig auf Zehenspitzen stehend blickte Max nur knapp durch das linke Fenster. Mit Mühe konnte er einen Garten erkennen, in diesem standen verstreut an den Rändern die großgewachsenen Blumen. Im hinteren Teil des Gartens war ein Teich zu erkennen und etwas schien sich dort zu bewegen. Seine Zehenspitzen begannen zu schmerzen.
 

‚Ah das wird mir zu schmerzhaft! Aber da hinten! Da habe ich doch was gesehen, oder?‘‘
 

Ein paar Sekunden beobachtete er den Teich, bis seine Zehen ihn nicht mehr hochdrücken konnten.
 

‚Mist…, aber was war das denn jetzt?‘
 

Max schaute erneut zu der metallischen Tür neben sich. Zögernd legte Max seine rechte Hand auf die Tür und langsam drückte er diese mit Kraft auf. Sie fühlte sich massiv und kalt in seinen Händen an.
 

‚Die ist ja gar nicht so schwer!‘ Max starrte überrascht die geöffnete Tür an, dann seine rechte Hand. So stark hatte er doch gar nicht gedrückt?
 

Ein unangenehmes Gefühl machte sich plötzlich in ihm breit und er spürte eine aufkommende Gänsehaut über sein Rücken wandern. Nervös schaute er durch die geöffnete Tür auf den Garten. Er bemerkte einen Zaun, der den Garten abgrenzte. Östlich ging ein breiterer Pfad vorbei, der in die Ferne verlief. Östlich und nördlich in der Ferne erkannte er Bäume. Nördlich direkt hinter dem Teich, hinter dem dahinterliegenden Zaun, breitete sich eine nebelige Wiese aus. Es herrschte eine kühle und stille Atmosphäre. Die Sonne begann langsam in Richtung Horizont zu wandern, der von einer Linie an dunklen Tannenbäumen abgedeckt war.
 


 

„Hey Daniel!“ Rief Max zurück durch die offene Tür. Max hörte ein leises Kratzen und dann Schritte, die aus der Halle kamen. Daniel tauchte wenige Sekunden später in der Küche auf. Er wirkte überrascht und er begutachtete die Tür:
 

„Ach… kam das von dir?“
 

„Wie… was? Nein… das kam von draußen. Das war irgendwas…da…da draußen! Aber ich weiß nicht was genau. Vielleicht vom Teich?“ Max zeigte in den Garten in Richtung des Teichs. Daniel musterte den Garten hinter Max:
 

„Ich verstehe nicht ganz? Was war das? Es klang so, als wäre etwas Schweres heruntergefallen.“ Max drehte seinen Kopf zu Daniel und seine Lippen begannen sich zu bewegen, da erklang eine männliche Stimme hinter ihm aus dem Garten. Max erschauderte und nervös schaute er sich im Garten um. Aus dem Augenwinkel erkannte er Bewegungen. Zwischen den Grasbüscheln am östlichen Rand des Gartens stand ein weißummantelter Mann auf. Auf seinem Mantel waren einige Dreckspuren zu erkennen.
 

‚Was zum?!‘ Max stutzte für einen Moment. Der Mann in weißer Kleidung hatte sich nun vollständig erhoben. Schweiß lief an seinem Gesicht herunter. Sein Blick unklar und seine Stimme ein wenig zittrig. Er lief ein wenig torkelnd über die Grasbüschel auf die beiden Jungs zu, dabei winkte er scheinbar den beiden zu.
 

‚Uff… was soll ich tun?‘
 

„Ja? Wollen Sie etwas?“ Rief Daniel.
 

„Warum antwortest du ihm? Wir wissen nicht einmal… äh also… ach.“ Max versperrte Daniel den Weg, als dieser an ihm vorbeilaufen wollte. Daniel schaute ihn verwundert an.
 

„Wir laufen jetzt nicht zu diesem… ähm… offensichtlich zwielichtigen Typen.“ Die männliche etwas rauchige Stimme drang Max wieder ans Ohr. Der Mann war inzwischen ein paar Schritte nähergekommen:
 

„Ah… ich wollte nur fragen, ob Linda jetzt hier ist? Ich würde sie gern sprechen. Es geht… es ist dringend! Und! Ich… darf ich kurz rein!“ Er schaute nervös hinter sich. Im Anschluss strich der Mann sich den Schweiß von der Stirn, dann wischte er sich den Schweiß auf seinen verdreckten Mantel ab.
 

‚Er will wissen, ob diese Gildenmeisterin da ist und er möchte hinein? Warum von hier aus und nicht vom vorderen Eingang? Mh… warum? Was soll ich ihm antworten?‘
 

Daniel entgegnete sofort:
 

„Nein. Sie ist im Moment nicht da, aber sie sollte gleich wieder zurück sein. Wir sind derzeit allein da drin. Du kannst aber gern…“ Max packte kurz Daniel an der Seite und stieß ihn damit ein wenig zurück:
 

„Was zum… Daniel!“ Vorwurfsvoll blickte Max den mindestens einen Kopf größeren Jungen an. Daniel schien dabei Max zu ignorieren. Er wirkte stark fokussiert, aber auch nervös.
 

Wieder spürte Max ein komisches Gefühl auf seiner Haut. Unsicher begutachtete er den fremden Mann an, der sich plötzlich am Kopf hielt. Seine Adern an der Stirn stießen leicht empor. Auch bewegte er leicht seinen Kiefer.
 

„Ach verdammt. Nicht schon wieder! Jungs! Rein! Kurz!“ Der Mann ging einen schweren Schritt auf die beiden zu, dabei stieß er beinahe Daniel um, der deswegen zur Seite wich.
 

Der fremde Mann schien schwer zu atmen.
 

„Kann ich rein… bitte schnell!“ Er ging noch einen Schritt auf die geöffnete Tür zu, dann stoppte er plötzlich.
 

Ein Wind zog auf und er fegte über den Garten. Der Mann im Mantel hielt sich stärker am Kopf.
 

„Fuh… der Wind ist aber kalt geworden.“ Daniel wich ein wenig nach hinten in die Küche, aber er machte dem Fremden Platz.
 

„Wirklich?“ Max versuchte den Wind an seinen Fingerspitzen zu fühlen. Als er diesen wieder wahrnahm empfand er ihn als nicht besonders kühl.
 

„Diese Stimmen!“ Brüllte der Mann plötzlich.
 

„Es…! ES IST… AHHH!“ Der Mann sank auf den Boden.
 

‚Was geht jetzt hier ab? Welche Stimmen?‘ Max hörte nur das Gejammere des Mannes und sein eigenes Herz pochen. Der Schrei hatte den Jungen stark aufgeschreckt. Nervös blickte Max sich um.
 

„Daniel, hörst du was?“ Daniel schüttelte seinen Kopf, aber auch er sah den Mann nun verunsichert an. Seine Hände hielt der Junge leicht schützend vor sich.
 

Aus der Ferne war ein lautes unangenehmes Knacken zu hören. Als hätte jemand einen Knochen eingerenkt. Max starrte sofort in diese Richtung. Es kam aus der Richtung des Waldes.
 


 

Nahe dem Wald, nahen den Büschen, unter ein paar Bäumen, entdeckte er eine weitere ummantelte Gestalt. Unter dem Mantel erhob sie im Moment eine nackte rechte Hand und etwas schien in dieser Hand aufzuleuchten. Das Leuchten wurde kurz so grell, dass Max das Gesicht eines mittelalten bartlosen Mannes erkennen konnte. Ein Gesicht, das er noch nie gesehen hatte. Dieser Fremde blickte Max für einen Zeitpunkt mit aufgerissenen Augen an, die jedoch zugleich schmaler und dann zu einem kühlen konzentrierten Blick wurden. Boshaft starrten ihn die Pupillen aus der Ferne an. Ein eiskalter Schauder jagte über Maxs Rücken. Sein Herz wurde schwerer. Er amtete nervös aus.
 

Das Leuchten verschwand und der Mann verzog sich ins Dunkle des Waldes. Max brauchte eine Weile, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, aber er erblickte niemanden mehr in der Ferne. Nervös schluckte er.
 

„Ah es wird lauter! Lasst mich… da die Tür.“ Max schreckte leicht zur Seite. Schon hatte er den anderen Fremden im Garten vergessen. Dieser hielt sich nun mit seinen Händen den halben Kopf verdeckt. Schweiß strömte in größeren Mengen von seiner Stirn und inzwischen krümmte er sich schwer. Wild streckte er seine rechte Hand nach vorn aus, um irgendetwas in der Luft zu ergreifen. Max wich zur Seite aus. Er wollte von ihm nicht berührt werden.
 

Plötzlich fiel der Mann auf die Knie. Daniel begann sich zu bewegen. Verunsichert hob er seine Hand leicht über die Schulter des Mannes.
 

„Äh… ah… wollen Sie ins Gebäude?“ Der Mann schien nicht zu antworten. Er hielt sich weiterhin der Kopf und er brummte lautstark. Daniel wich nervös zurück und er strich sich über seine Stirn. Als er aufsah, erblasste Daniel. Für einen Moment zuckte er und er wischte sich panisch über seine geschlossenen Augen.
 

‚Was ist mir ihm? Ah! Hat er auch den…‘ Max drehte sich um und er blickte in Richtung des Waldes, aber dort erkannte er niemanden mehr. Aber als er nach Westen in Richtung der großen langen Wiese hinter dem Garten des Hauptquartiers blickte, entdeckte Max eine menschenförmige schwarze Gestalt in einem leichten Nebel.
 

Eine ungeheuerliche menschliche Gestalt mit einem schmerzverzerrten leicht verrotteten Gesichtsausdruck. Ihre Bewegungen waren nicht greifbar, sie schien sich ruckartig über das Feld zu bewegen. Sie kam dem Zaun näher, den die Wiese vom Garten abtrennte. In Max wurden plötzlich Fluchtinstinkte geweckt.
 

Seine Beine zitterten, ohne dass er überhaupt anfing Angst zu empfinden. Fast schon surreal glitt diese monströse Kreatur durch den Zaun, als wäre dieser physisch nicht vorhanden.
 

„Scheiße! Was ist das?!“ Max wich ein paar Schritte zur Tür zurück. Sein Blick aber immer wieder auf diese Kreatur gerichtet, die nun im Garten stand und dort schwebend über den Teich verweilte. In seiner Panik griff er an seine Hüfte, dabei bemerkte er, dass er seine Jacke nicht angezogen hatte.
 

‚Verflucht, die ist noch drin!‘
 

„Verdammt! Schnell rein! Daniel, hey…!“ Max blickte zu seinem Kollegen, der wie angewurzelt dastand. Sein Gesicht war schweiß überströmt.
 

„Ist das Eis?“ Mit offenem Mund starrte er Daniel an, denn die Brille von Daniel begann zu vereisen sowie die Fenster hinter den beiden.
 

„DIESE STIMME! AHHH! SIE IST SO LAUT!“ Brüllte der Mann, der auf dem leicht feuchten Boden des Gartens lag. Wieder wurde Max an ihn erinnert. Maxs Blick wechselte zwischen ihm, der Tür und der Kreatur schnell hin und her.
 

‚Was geht hier ab? Was soll ich tun?‘ Der Blick des sich krümmenden Mannes wirkte immer leerer und er gab nun unverständliche Sätze von sich. Sein Herz blieb fast stehen, als die monströse Kreatur ihre Bewegung ruckartig fortgesetzt hatte.
 

Aus der Nähe wirkte das Monstrum unheimlicher. Sie wirkte aus der Nähe wie eine ältere Frau, die aber weder Augen noch eine Zunge besaß. Schwarze Augenhöhlen sowie ein offener schattenerfüllter Mund starrten alle Anwesenden an. Er hörte von ihr ein leises dunkles und raues Stöhnen. Es schien aus ihrer Kehle zu entspringen, als würde sie ohne Stimmbänder versuchen zu sprechen. Max sprang einen weiteren Satz zurück, dabei stieß er fast gegen die geöffnete Tür. Sein Körper wollte ihn in das Gebäude zerren, aber er versuchte dennoch nach dem – auf dem Boden liegenden – Mann zu greifen.
 

„Heilige Scheiße!“ Er schnappte sich stattdessen einen Stein vom Boden und er warf ihn in Richtung der Kreatur. Der Stein hätte die Kreatur getroffen, jedoch ging dieser durch die Kreatur durch wie zuvor der Zaun, der dieses Monstrum physisch nicht berühren konnte.
 

‚Habe ich genug Kraft den Typen da rein zu zerren oder… verdammt!‘ Max schob sich an der Tür vorbei, ein wenig näher in die Küche. Als er jedoch das Licht aus der Küche strahlen sah, geisterte ihm ein heutiger Satz von Daniel durch den Kopf. Der Satz, dass Licht den Schatten vertreiben sollte.
 

„DANIEL! ICH HAB‘S!“ Brüllte Max plötzlich. Er gab seinem Kumpel einen kräftigen Stoß gegen die Schulter. Durch Daniel ging ein Ruck, und er rührte sich wieder. Er riss die vereiste Brille von sich. Entsetzt starrte er die Kreatur vor sich an.
 

„DANIEL! WIR BRAUCHEN LICHT! Hast du irgendwas bei dir, das Licht erzeugen kann?“ Daniel starrte Max verwundert an, dann holte er kurz Luft und murmelte leise:
 

„Ne…ein.“
 

Max meinte sich zu erinnern, dass er eine Taschenlampe in den Schubladen der Küche gesehen hatte.
 

„In der Küche ist Licht… ähm… eine Taschenlampe!“ Rief Max und er zeigte in die Küche.
 

„Schublade! Wir brauchen Licht! DANIEL, LICHT! Die Zeitung! Das Licht und der Schatten da… du weißt schon! Dass was du vorher gesagt äh… vorgelesen hast!“
 

Die monströse Kreatur schien die beiden Jungs gar nicht mehr zu beachten, stattdessen stand sie nun über dem – auf dem Boden kauernden - Mann. Sie beugte sich über diesem. Langsam senkten sich ihre Hände auf seinen Rücken.
 

Max und Daniel rannten zurück ins Hauptquartier, zugleich durchsuchten sie alle möglichen Schubladen und Schränke.
 

„JA!“ Rief Daniel erfreut, dann stürmte er zuerst heraus. Zittrig hielt Daniel in seiner rechten Hand eine silberne Taschenlampe, dessen Lichtschein nun wild hin und her wackelte. Er richtete sie wenig später auf die Kreatur, die dadurch kurz aufzuckte. Max schnappte sich aus derselben Schublade eine zweite Taschenlampe, dann rannte ebenfalls wieder hinaus. Seine Euphorie schwand jedoch mit jedem Schritt, den er auf die Kreatur zuging. Mutig knipste er die Taschenlampe an und sein Strahl traf ebenfalls das Monstrum. Es zuckte dadurch stärker auf.
 

„Ah!“ Max zeigte auf die Taschenlampe.
 

„Gibt es noch mehr davon? Kannst du was schauen?“ Daniel nickte. Er übergab die Taschenlampe Max, der sie zwar in einem weiteren Abstand zur Kreatur, aber sicherer in den Händen hielt. Daniel eilte zurück zur Küche. Es waren laute Geräusche aus der Küche zu hören. Währenddessen hielt Max scheinbar die Kreatur in einem Bann, denn sie hatte sich aufgehört zu bewegen. Sie reagierte gar nicht mehr.
 

‚Ist es so einfach?‘ Für Max war das im Moment ein seltsam befriedigendes, aber unsichereres Gefühl.
 

Max hörte ein Klicken und zwei weitere Lichtkegel erschienen, kurzdarauf ein fünfter. Daniel hatte drei weitere Taschenlampe eingeschalten und alle auf die Kreatur gerichtet. Nun bewegte sich die Kreatur zurück, dabei versuchte sie ihr monströses Gesicht vor den Lichtkegeln verdecken zu wollen.
 

Max ging mutig ein paar kleine Schritte weiter nach vorn. Die Kreatur wich dieses Mal einen größeren Schritt nach hinten. Die kratzenden Geräusche, die diese Kreatur bisher von sich gab, klangen immer mehr nach einem Klagen.
 

„Daniel!“ Max winkte Daniel näher zu sich. Zögerlich ging dieser ein paar Schritte nach vorn. Die Kreatur wich weiter nach hinten. Sie schwebte nun wieder über den Teich, dann schwebte sie erneut berührungslos durch den Zaun und wenige Sekunden später löste sie sich langsam im Nebel auf. Irgendwann war sie auf der nebeligen Wiese nicht mehr zu erkennen.
 

Es vergingen einige Sekunden der Stille, auch der Mann am Boden hatte aufgehört zu jammern. Wenige Minuten später richtete dieser sich langsam wieder auf.
 

Die monströse Gestalt schien nicht wiederzukehren.
 

‚Ist es wirklich weg? War es das?‘ Nervös schaute Max sich um.
 

„Ah endlich! Es hat aufgehört! Das ist jedes Mal so eine Qual.“ Der fremde Mann, der sich zuvor noch auf dem Boden gekrümmt hatte, schien nun verhältnismäßig munter auf den Beinen zu sein. Er hatte wieder einen klaren Blick bekommen. Nur der Schweiß perlte noch von seiner Stirn.
 

„Daniel, du hältst nach der Kreatur Ausschau, o.k?“ Max steckte eine Taschenlampe angeschaltet in seine Hosentasche, während er sich dem fremden Mann zuwandte.
 

„Uh… ist die Kreatur endlich fort? Habt ihr das geschafft? Wow! Wie von der Ranger Guild zu erwarten. Ja… Licht… ähm… könnte ich mir eine Taschenlampe ausleihen?“ Der Fremde verwies auf die Taschenlampe, die in Maxs Hosentasche war.
 

„Eigentlich… ich weiß nicht…“ Plötzlich unterbrach ein lautes Klingen Max, der dadurch fast erneut erstarrte. Der fremde Mann griff in seine Jackentasche. Daraus holte er ein Smartphone empor.
 

„Ah je! Hat‘ ich ganz vergessen!“ Er wischte mit seinem Daumen mehrmals über die Oberfläche, dann hielt er sich das Smartphone an sein Ohr, während er ein paar Schritte von Max fortging. Wenig Später begann der Fremde an zu sprechen:
 

„Ja ja… hallo, ja ja… hier Will Zentaler… ich melde mich, weil Sie angerufen haben… ja genau… ich…“ Der Mann begann zu schweigen. Ernst blickte er in die Ferne.
 

„Ja… also ich… ich kann das erklären… ich… ja… ja… auf jeden Fall! Also ich… JA! Gerne! Ich… ja… gleich! Ja… ich würde gern mit Ihnen jetzt gleich…!“ Überrascht starrte er sein Smartphone an, dann steckte er es weg. Er machte nun einen nachdenklicheren Gesichtsausdruck. Er wandte sich den beiden Jungs zu, dann erhob er kurz seine Hand zum Gruß. Im Anschluss eilte er zum Zauntor.
 

„Ich muss schon weiter! Ich… ich danke für eure schnelle Hilfe, Jungs.“ Er öffnete das Tor, dann ging er hindurch. Er blieb einen Moment vertieft am Zaun stehen und er rief den beiden Jungs zu:
 

„Wegen der Taschenlampe komme ich später noch einmal, wenn ich zurück bin. Und…“ der Mann hob seinen rechten Zeigefinger für einen Moment in die Luft:
 

„Hey Jungs! Sollte Linda zurückkehren, dann sagt ihr, dass das Tor nun öffenbar ist ohne so ´nen Tribut-Scheiß. Jedoch soll sie mir… das Zeug überweisen, wenn sie das haben will, bevor ich bei… gewissem Herr Lehm vorbeischaue. Meine Nummer hat sie ja. Wirklich schade…, dass sie nicht da war… jetzt.“ Dann bewegte er sich fort in einem zügigen Tempo, ohne aber das Tor hinter sich zu schließen.
 

Etwas verdutzt schaute Max ihm nach, bis er ihn nicht mehr sehen konnte. Er hatte sich entlang dem Hauptquartier in Richtung Stadt bewegt.
 

‚Was zum…das gerade… er war wieder so schnell fit? Aber vielleicht auch besser so, dass dieser komische Typ endlich weg ist.‘
 

„Ähm Max… ich würde jetzt reingehen.“ Max blickte zurück zu Daniel. Er wirkte ziemlich angeschlagen. Müde betrachtete er Max. Ein wenig zittrig war er auch.
 

Max drehte sich nun komplett zu Daniel und er nickte ihm zu:
 

„Ich habe jetzt auch nicht mehr vor hier länger draußen zu sein.“ Max warf einen letzten Blick zum Teich – die seltsamen Bewegungen haben dort wieder begonnen, dann betrachtete Max die neblige Wiese in der Ferne und dann begutachtete er das geöffneten Zauntor. Er hatte den Drang das Tor wieder zu schließen. Im Anschluss eilten die beiden zurück in das Gebäude. Sie schlossen alle Türen hinter sich zu. Sie ließen das Licht in der Küche brennen, dann eilten sie die Treppen hinauf ins zweite Stockwerk. Sie suchten sich irgendein Zimmer, das nicht beschriftet war und unbenutzt wirkte, aber dennoch räumlich eingerichtet war. Die beiden Jungs versteckten sich dort. Max versank in Gedanken, als er sich immer wieder an das Monstrum erinnerte. Beide Taschenlampen hielt er fest in seiner rechten Hand. Er würde diese für die nächste Zeit sicherlich nicht mehr abschalten. Hoffentlich hielten diese lange genug hell.



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