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The Splintered Truth

von

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Orange V --- Dubios

[Linda]
 

Schnell landete der kleine hölzerne Stempel mit dem Gildensymbol neben dem Unterschriftsfeld. Ein paar Sekunden lang drückte sie den kleinen Stempel auf das Papier. Sie hob den Stempel im Anschluss wenige Zentimeter vom Papier in die Luft und hängte diesen zurück in seine Halterung. Sie nahm daraufhin das Dokument und legte es in eines der Schubladen an ihrem Schreibtisch. Zur Entspannung lehnte sie sich zurück in ihren Bürostuhl, während sie nun zur anderen Seite ihres Bürotisches sah. Auf der anderen Seite saß der Polizeichef von Orange, sehr akkurat aufgerichtet, auf einem einfachen Lederstuhl. Er saß in seinem bläulichen karierten Hemd, das zusammengeknöpft war. Heon hatte seine Uniformjacke an einen Haken neben Tür aufgehangen. In seiner rechten Hand hatte er einen Block, dieser war in einem Ledereinband eingewickelt. Mithilfe einer stabilen Spirale um die einzelnen Blätter des Blocks, konnte er diesen problemlos umblättern, ohne dass die Seiten sich zurückdrückten. Aktuell blickte er auf eine Art Smartphone, das er wieder in seine Hemdtasche verschwinden ließ, als er zur Linda schaute.
 

„Sind Sie nun so weit, Frau Westallya? Ich habe einen strengen Terminplan, außerdem…“ Linda hob ihren rechten Finger in die Luft. Zeitgleich legte sie ihr linkes Bein über ihr rechtes Bein:
 

„Also wie viel kostet mich das dieses Mal? Wie viel muss ich dem Bürgermeister in seinen Allerwertesten schieben, damit er Ruhe gibt?“ Eine leichte Wut kam in ihr wieder hoch, als sie das aussprach. Währenddessen brummte ihr Kopf und eine innere Stimme sprach sie aus dem Dunklen ihrer Gedanken an:
 

‚Warum verhandeln? Geh hin und zeig es ihm! Einfach jetzt gehen und räche dich für die Schmach!‘ Linda strich sich mit der Hand über das Gesicht. Ein paar frischgebildete Schweißtropfen wischte sie damit weg. Zu allem Übel beschwerte sich ihr Rücken. Etwas schien an ihrer Wirbelsäule zu zehren.
 

Der Polizeichef beugte sich nach vorn, dann rückte er ein wenig mit dem Stuhl näher zum Schreibtisch, sodass er den Block vor sich auf den Tisch legen konnte. Auf diesem konnte Linda kopfüber erkennen, dass eine siebenstellige Zahl unter einigen aufgelisteten Punkten zu sehen war. Die aufgeführten Punkte waren irgendwelche Paragraphen, die am Gesetzeswerk von Festa orientiert waren.
 

„1.780.000 Sya sind es insgesamt. Der Bürgermeister selbst stellt Ihnen aber weder den Einsatz noch sonst eine andere Tätigkeit in Rechnung. Das sind nur die Strafgebühren von Mr. S für das unerlaubte Übertreten. Innerhalb von…“
 

„So viel habe ich nicht.“ In ihr brodelte es. Von der Brust aufwärts die Speiseröhre hoch spürte sie ein Kribbeln. Es schien auch parallel ihren Geist zu vernebeln. Linda legte ihren Kopf zurück, während sie ihren Blick durch den Raum steifen ließ.
 

‚Über 1,5 Millionen? Damit könnte ich die Eingangshalle Grundsanieren lassen. Dieser elendige Penner.‘ Ihr Blick schweifte vorbei an der Vielzahl an Bildern von verschiedenen Personen aus ihrer Vergangenheit oder der ehemaligen Gilde, die dieses Hauptquartier vor einiger Zeit noch bewohnten. Auf einem Regal standen ein paar Auszeichnungen – als Pokal oder als eingerahmtes Dokument hinter Glas. Die Auszeichnungen waren jedoch inzwischen sehr matt geworden und auch schon ein wenig verstaubt.
 

„Frau Westallya.“ Begann Heon vorsichtig. Er wartete ein paar Sekunden ab, dann richtete er seinen Kopf auf und sein Blick wurde ernster. Selbst mit seinem derzeitigen ruhigen Verhalten strahlte er eine ernstzunehmende Autorität aus. Sein rechter Zeigefinger drückte stärker auf den Block.
 

„Alternativ müssen sie in Haft und zwar genaugenommen in einem Staatsgefängnis von Festa, wie Sie sicherlich wissen, sobald Orange Ihnen das Geld auslegen muss. In dem Fall würde diese Gilde aufgelöst werden, da sie keinen Stellvertreter zurzeit haben.“ Sie lauschte seinen Worten noch ein wenig teilnahmslos. Sie wollte sie eigentlich gar nicht hören. Das Brodeln hatte ihre Schilddrüse erreicht und die Stimme aus Dunklen hallte nun vermehrt durch ihren Kopf.
 

‚Warum tust du dir das an? Steh doch einfach auf und schmeiß den verfickten Bürgermeister aus seinem Amt und erledige dann Mr. S. Er hat das schon längst verdient und du kannst das! DU KANNST SIE ALLE FERTIG MACHEN!‘ Ihr schmerzte die linke Kopfhälfte enorm. Ein Pulsieren, das sich so anfühlte, als würde etwas aus ihrem Kopf ausbrechen wollen. Grummelig legte sie ihren Kopf leicht in den Nacken, in der Hoffnung den Schmerz damit loszuwerden.
 

„Wie lange habe ich noch Zeit?“ Der Blick von Heon verfinsterte sich, seine Mundwinkel verzogen sich nach unten.
 

„Frau Westallya! Ich will Ihnen nur helfen! Das hier ist eine ernste Angelegenheit, die dringend besprochen werden muss… und zwar so bald wie möglich, aber ich komme nicht unvorbereitet.“ Heon blätterte ein wenig in seinem Block, bis er diesen wieder auf den Tisch legte. Linda linste kurz auf sein Gekritzel, jedoch konnte sie nicht viel erkennen, außer ein paar Namen. Vor allem ein Name fiel ihr sofort auf.
 

‚Hilda Westallya.‘ Linda setzte sich unzufrieden auf. Ihr Blick wurde unduldsamer.
 

‚Wieso steht DAS auf seinem verdammten Block!‘
 

„Sie haben ab jetzt ungefähr noch 90 Tage Zeit Ihre Schuld zu begleichen, bis Sie in Haft… müssten. Entweder Sie haben bis dahin das Geld und oder Sie haben einen Stellvertreter, dann haben ihre Mitglieder weiterhin ein Zuhause. Ich möchte auch nicht, dass vor allem die Kinder darunter leiden.“ Das Wort ‚Kinder‘ brachte sie innerlich in Rage.
 

„Ja klar, deswegen bückt ihr euch vor Mr. S, wenn der wieder seinen Gürtel lockert. Ihr widert mich an. Und du kommst hier mit ‚Kinder‘. Wie wäre es, wenn ihr uns stattdessen unterstützt. Ich biete hier ein Zuhause für die, die keines haben!“ Die innere Stimme schien zu wehren, das Brummen in ihrem Kopf wurde stärker:
 

‚Warum das mitleidige Gejaule? Steh jetzt auf und reiß diesem Mr. S seine Eingeweide raus! Reiß allem die Eingeweide aus, die dich nicht ernstnehmen!‘ Linda fasste sich an den Nacken. Sie fühlte sich im Moment schrecklich. Ihr ganzer Körper schmerzte und ihr Kopf pochte unaufhörlich, außerdem verließ sie langsam die Konzentration dem Polizeichef weiter zuzuhören.
 

Heon hatte kurz pausiert, als Linda sich äußerte. Er positionierte sich auf dem Stuhl neu, dann spannten sich seine Schultern wieder an. Erneut drückte er mit seinem rechten Zeigefinger auf den Block.
 

„Frau Westallya. Werten Sie nicht alles als Angriff. Das hier soll Ihnen helfen. Vertrauen Sie mir.“ Er wartete einen weiteren Moment. Linda hatte sich wieder zurückgelehnt und sie starrte den Polizeichef ungeduldig an. Ich habe recherchiert und ein paar Namen gefunden, die als Stellvertreter aufgestellt werden können. Alternativ versuche ich jemanden zu kontaktieren, der das ohne Bezahlung macht und ja… ich werde möglichst jemanden weit entfernt suchen, der nicht gerade Beziehungen mit unserem Rathausherren sucht. Außerdem gibt es noch die Alternative, dass Sie ihre Gilde an den Bürgermeister verkaufen.“
 

„Lassen Sie mich raten. Am Ende ist der zufällig der Cousin und dann gehört diese Gilde dem verfickten Bürgermeister so oder so? Die Kinder interessieren ihn doch gar nicht, das haben…“ Langsam zeichnete sich im Gesicht des Polizeichefs zorniger Stress ab. Entlang seiner Augen nach unten, bildeten sich Falten, als der Polizeichef seinen Satz pausierte und anfing zu überlegen. Seine Stimme blieb ruhig, aber betonend:
 

„Frau Westallya! Ich verstehe Ihnen Unmut, aber der hilft uns im Moment nicht weiter. Ich bin hier, weil ich mit Ihnen dieses Problem lösen möchte. Ich möchte Ihnen nicht schaden.“ Linda ließ ihre Hand flach auf den Tisch knallen und sie blickte Heon gereizt an.
 

‚Immer wieder dasselbe. Immer versteckt er sich feige hinter seinen Worten, während die Wahrheit so offensichtlich ist. Rick wird schwerverletzt im Krankenhaus eingeliefert und der hier macht das nächstbeste und kommt zu mir wegen der Strafgebühr!?‘ Sie presste ihre Zähne aufeinander, als ihre Schneidezähne anfingen zu schmerzen. In Kombination mit den Kopfschmerzen verlor sie die Konzentration dem Gespräch weiter zu folgen. Wie ein Paukenschlag schrie ihr die Stimme in den Kopf plötzlich aus der Dunkelheit, sodass ihr Körper kurz erstarrte:
 

‚Zeig es ihm! Zeig es ihm, dass er dich nicht verarschen sollte! Steh auf! Reiß IHN AUSEINANDER!‘ Lindas Hände verkrampften und ihr Hals fühlte sich verengter an. Ihr Herz pochte wie wild.
 

„Kommen Sie zum Punkt! Welche Namen haben Sie denn herausgefunden?“ Ihre Stimme wurde tiefer, zudem verlieh Sie ihren Worten etwas Schärfe.
 

‚Er soll mir einfach die Mahnung ausstellen und wieder verschwinden!‘
 

Heon sah stillschweigend auf seinen Block. Bevor er wieder anfing zu reden, schaute er Linda zielbewusst an:
 

„Einer Ihrer besten Optionen ist die ehemalige Gildenmeisterin der ehemaligen Gold Guild von diesem Ort. Hilda Westallya. Ich denke die Bürokratie würde uns da am Wen…“ Als er den Namen aussprach, ging ihr ein Schauder über den Rücken. Das Bild dieser autoritären rothaarigen Frau wischte Linda sofort aus ihren Gedanken.
 

„Nein! Sie nicht! Nicht nur, dass sie verschwunden ist, sie ist auch mit großen Mengen Geld abgehauen. Wegen dem dieser ganzen Scheiße ist doch…“ Ein stechender Schmerz durchstieß ihren Kopf, der ihr kurz den Atem raubte. Kurz schweratmend hielt sich Linda an der Brust. Ihr Kopf senkte sich. Eine schreiendlaute Stimme hallte durch ihren ganzen Körper und brachte diesen zum Zittern:
 

‚WAS SOLL DAS HIER? WARUM HÄLTST DU DICH ZURÜCK? Erzähl doch die Wahrheit! Versteck dich vor niemanden mehr! VOR NIEMANDEN! ZEIG ES ENDLICH DEINEN PEINIGERN! BRING SIE ZUM SCHWEIGEN!‘ Linda ätzte vor Schmerz, während Sie sich langsam wieder zurücklehnte.
 

„Frau Westallya. Ich bemerke schon seit längerem, dass sie anscheinend unter schweren körperlichen Schmerzen leiden. Ich empfehle einen dringenden Arztbesuch, lassen Sie sich am besten gleich untersuchen. In Ihrer Familie scheint dies aber auch genetisch…“ Heon pausierte, als Linda ihn plötzlich ansah. Für einen Augenblick wirkte Heon schockiert, bis dieser wieder seinen bedachtsamen Ausdruck annahm. Wenige Sekunden später verschwamm ihre Sicht sowie ihre Konzentration. Sie sackte ein wenig zusammen.
 

„Frau Westallya! Soll ich einen Arzt anrufen? Sie wirken enorm angeschlagen!“
 

‚Wenn es keinen anderen Ausweg gibt.‘ Linda riss eine Schublade an ihrem Schreibtisch auf, daraus holte sie ein Gläschen mit Tabletten auf den Tisch. Das Gläschen donnerte sie auf die Tischoberfläche. Scheinbar der Physik trotzend, blieb das Behältnis unbeschadet. Die Tabletten darin machten einen kurzen Ausflug in die Luft, sie wurden jedoch durch den Deckel aufgehalten. Sie schraubte den Deckel ab und sie nahm zwei von den weißen unbeschrifteten Tabletten heraus, die sie gleich ohne Wasser zu sich nahm. Die Stimme aus der Dunkelheit begann abzuklingen und langsam zu verstummen. Ihr Körper hörte auf zu zittern und der stechende Schmerz in ihren Kopf ließ nach. Sie blickte einen gewissen Moment zu Heon:
 

„Mir wird es gleich wieder besser gehen. Das Problem ist erledigt.“
 

Der Polizeichef positionierte sich ein weiteres Mal in seine Ursprungshaltung und er atmete ein wenig abgespannt aus.
 

„Ich möchte mich da eigentlich nicht zu sehr einmischen, daher bitte ich Sie – insofern Sie sich im Moment fit genug fühlen – weiter mit dem Thema fortzufahren.“ Heon formulierte scheinbar seine Worte mit Vorsichtig. Er wirkte inzwischen unstet. Er tippte mit seinem Finger mehrmals auf den Block. Immer wieder auf einen bestimmten Namen.
 

„Hilda Westallya ist also nicht auffindbar? Das ist ein interessanter Fakt. Aber gut, wenn Sie meinen, dass sie Geld veruntreut hat, dann fällt sie logischerweise für ihre Position raus.“ Heon fuhr mit seinem Finger zum nächsten Namen, der sich eine Zeile darunter befand.
 

„Was ist mit Ronin Blackstar?“
 

Linda sah auf, während sie von einem leichten stechenden Schmerz in ihrer linken Gesichtshälfte begleitet wurde.
 

‚Na ja… er wäre tatsächlich eine Option. Wenn er nur an das verdammte Telefon gehen würde.‘
 

„Er war doch früher häufig Gast hier? Er scheint gute Verbindungen zu ihrer Familie zu pflegen? Er hat den S-Rang und er wird sicherlich ohne Bezahlung den Posten der Gilde übernehmen und… das wird Sie sicherlich erfreuen. Er ist bekanntlich kein Freund des Bürgermeisters.“
 

‚Oder von Ihnen.‘ Linda versuchte ihre Arme zu verschränken, aber ihre Wirbelsäule schmerzte noch, sodass sie ihre Hände auf ihre Oberschenkel legte. Zeitgleich dachte sie an ihren Jugendfreund, der sie in ihrer Erinnerung immer oft geneckt hatte. Ihre Mundwinkel verzogen sich für einen Moment nach unten, als sie sich an etwas Spezifisches erinnerte:
 

„Aber er ist schon Gildenmeister einer Gilde.“ Während der Polizeichef scheinbar die neue Information auf seinen Block verewigte, nutzte Linda den Moment der Ruhe und sie versuchte sich zu entspannen. Langsam senkte sie ihre Schultern. Die Stimme in ihren Kopf schien nur noch schwach vereinzelt Wörter in ihre Gedanken zu streuen. Leise genug, um diese zu ignorieren. Sie versuchte wieder an Ronin Blackstar zu denken. Ein selbstverliebter Trottel, der jedoch mit Worten umzugehen wusste. Sehr erfolgreich in seinem Beruf, aber ein Idiot, wenn es um Management ging. Ein Wunder wie er überhaupt Gildenmeister werden konnte. Linda war sich jedoch bei einer Sache sicher:
 

‚Überreden werde ich ihn bestimmt.‘ Sie schmunzelte, bis sie Heon müde anblickte. Der Polizeichef sah nachdenklich auf seinen Block:
 

„Wenn das so ist, dann fällt er raus. Ich habe als Alternativ noch zwei Namen, die ich auch versucht habe zu kontaktieren. Rose Pfeilwild und Marris Herrwald…“
 

‚Ronin Blackstar war schon ein guter Treffer. Er soll jetzt mir die Mahnung ausstellen und mit seinem bescheuerten Block verschwinden.‘ Linda erhob wieder ihren rechten Zeigefinger:
 

„Kommen wir zum Ende des ganzen Unsinns. Ich werde mich darum selbst kümmern und Sie mischen sich nicht weiter in meine Privatsphäre ein! Stellen Sie mir die Mahnung aus und dann können Sie gehen.“
 

Die Stimme in ihren Gedanken war verstummt, so auch der brodelnde Zorn in ihrem Körper. Leicht spürte sie noch das Brennen in ihrer Speiseröhre.
 

‚Endlich ist es besser.‘
 

„Wen werden Sie kontaktieren? Können Sie mir…“
 

„Ich werde mich SELBST darum kümmern.“
 

Der Polizeichef seufzte und seine starre Haltung ließ nach. Er zog sein Smartphone aus der Hemdtasche.
 

„Wenn Sie meinen, Frau Westallya. Die Mahnung wurde per E-Mail verschickt.“ Heon klang bei dem Satz ein wenig unzufrieden. Der Mann sah bedenkend auf:
 

„Sie gehen das zu chaotisch an, Frau Westallya. Ich empfehle Ihnen dringend…“ Wieder schlug Linda ihre Handfläche auf den Tisch. Das kurze Aufkommen von Zorn in ihrer Brust ließ schnell nach.
 

„Wie wär‘s, wenn Sie endlich die Entführer aufspüren und Sie für ihre Taten bestrafen. Rick liegt im Krankenhaus wegen diesem verbrecherischen Ausreißer-Trupp. Wie konnte es überhaupt sein, dass die da drüben herumtummeln und die ach so wichtigen Gesetze von Mr. S dann nicht zählen?“ Heon stand augenblicklich auf. Ausdrucksvoll gestikulierte er mit seiner derzeit freien linken Hand.
 

„Frau Westallya! Ich muss Ihnen nicht erklären, dass wir keine situative Gesetzesausnahmen machen können. Gesetze sind einzuhalten! Und nur weil jemand sich am Gesetz vorbeischleicht und sich zum Zeitpunkt der Ausführung immer noch versteckt hält, können wir nicht haltlos handeln! Seien Sie Gewiss, dass die Position dieser Halunken im Moment meilenweit schlechter ist, als Ihre. Die Zukunft dieser Verbrecher ist besiegelt und es bietet keinerlei Optionen mehr für Freiheit. Sobald die Verbrecher in diese Stadt getrieben werden, dann wird denen…“
 

‚Leere Worte, nichts als nur großes Drumherum-Gerede!‘
 

„Wenn, dann, falls…! Ach seien Sie ruhig! Ihr fürchtet euch vor diesem Tyrannen und wartet schön ab wie Hunde, dass die Leine gelockert wird. Ich hoffe euer Halsband ist fest genug, damit euch irgendwann mal klar wird, wie knapp die Luft in dieser Stadt wirklich ist!“ Heon zeigte sich unbeeindruckt. Sein eindringlicher Ausdruck blieb, jedoch wartete er einen Moment ab, bis der Polizeichef wieder anfing zu gestikulieren.
 

„Recht schützt uns vor unseren barbarischen Instinkten. Ordnung schützt uns vor Chaos. Ihr Verhalten ist sehr infantil, sie sollten als Führungsposition verstehen, dass das Versagen hier bei…“
 

„Verschwinden Sie sofort aus meinem Büro!“ Linda verwies mit ihrer rechten Hand zu ihrer Tür.
 

‚Rick ist hier sicherlich nicht der Schuldtragende!‘
 

Heon schaute die Gildenmeisterin bedauernd an, dann wandte er sich ab. In einem bedächtigen Tempo ging er zu seiner Jacke neben der Tür. Er nahm seine Uniformjacke, legte diese an, dann entspannte er seine Schultern. Das Smartphone und den Block ließ er in der Jacke verschwinden.
 

„Lassen Sie nicht zu viel Zeit vergehen, Frau Westallya. Ich stehe Ihnen zur Seite. Ich bin ihr Verbündeter. Melden Sie sich, wenn es Ihnen bessergeht. Vielleicht können wir dann das Problem strukturiert lösen?“ Heon öffnete die Tür, dann verließ er ihr Büro.
 

Er zog die Tür hinter sich zu.
 

Linda lehnte sich zurück. Genervt streife sie mit ihrer Hand über ihre Stirn. Diese halbseitigen Kopfschmerzen ließen nur sehr langsam nach.
 

Für die nächsten 15 Minuten versuchte sie sich zu entspannen, bis die Tabletten endgültig wirkten. Sie schloss ihre Augen. Nach einem kurzen Aus- und Einatmen nahm sie eine angenehme Stille wahr.
 

Verschwommen drängten sich Bilder vor ihr geistiges Auge. Zerstörte Gebäude um sie herum bildeten sich ab. Sie versuchte diese Gedanken wegzuschieben und an etwas erfreuliches zu denken. Sie dachte an Ronin, der sich jedoch schnell in eine Schattenhand verwandelte, die sie versuchte zu ergreifen. Die Hand packte Sie und rüttelte an ihr. Wieder versuchte Sie diese grausigen Gedanken abzuschütteln. Sie versuchte an eine andere Situation zu denken. Daran, dass Rick im Moment im Krankenhaus lag und er sich erholte. Alina war sicherlich im Moment bei ihm. Irgendwann war aber auch diese Erinnerung plötzlich verschwunden und sie stand in einem gigantischen Raum, der scheinbar keine Decke hatte. Am Ende des Raumes stand ihr Schreibtisch vor dem Fenster, dazwischen ihr Stuhl und jemand saß auf diesem Stuhl. Dieser winkte sie herbei. Ihr Körper rührte sich aber nicht. Sie verspürte plötzliche eine große Angst. Auch diese ungewollte Situation versuchte sie abzuwehren. Linda drehte sich um, sodass sie den Schreibtisch hinter sich ließ. Plötzlich stand sie vor einen Grabstein und eine Hand legte sich auf ihre rechte Schulter. Diese Hand wurde schlagartig viel schwerer und zwang sie auf die Knie. Ein immer lauter werdendes Poltern folgte. Ihr Herz schlug schneller und sie wurde nervös. Ihr Körper begann zu zittern und sie versuchte sich zu bewegen, aber es passierte nichts und das Poltern wurde immer lauter.
 

Sie schlug ihre Augen auf. Für einen Augenblick versuchte sie zu verstehen was passiert war. Sie hörte ein Klopfen. Es kam aus Richtung der Tür.
 


 

Langsam erhob sie sich von ihrem Stuhl. Sie bemerkte, dass ihre Kopfschmerzen fast vollständig aufgehört hatten. Ein leichtes Ziehen war noch am Hinterkopf zu spüren. Sie schritt flott zur Tür, als das Klopfen erneut erklang. Hastig öffnete sie die Tür zum Flur. Tina stand dahinter, die sie unentschieden ansah. Die Schultern zusammengezogen und die Hände ineinandergelegt.
 

„Ah hallo Linda. Also ich störe, weil da unten ist jemand, der dringend mit dir reden möchte.“
 

‚Ist es vielleicht Heon?‘ Linda sah an Tina vorbei, über das Gelände in die Halle. Tina schritt ein wenig zur Seite, sodass Linda an ihr vorbei auf den Flur treten konnte. Unten in der Eingangshalle, nahe dem Eingang, stand ein durchschnittlich großer erwachsener sportlicher Mann, der auf Linda einen ungeduldigen Eindruck machte.
 

‚Kenne ich nicht, noch nie gesehen. Ist das einer dieser Fremde von denen ich gehört habe? Er sieht so aus, als könnte er aus Festa stammen.‘ Der Mann sah plötzlich zu Linda hoch. Er machte einen erwartungsvollen Ausdruck.
 


 

Als Linda einen weiteren Schritt nach vorne trat, um direkt am Geländer zu sein, bemerkte sie, dass die Blicke dieses Mannes sich änderten. Sie wurden intensiver, als würde er etwas begutachten. Seine Haltung war angespannt. Wie vor einem Kampf. Der junge Mann versuchte jedoch seine Haltung zu überspielen, indem er lächelte.
 

‚Der könnte Schwierigkeiten bedeuten. Ist er allein hier? Ich muss Tina aus der Reichweite bringen.‘
 

„Kannst du… bitte auf dein Zimmer gehen? Ich erkläre dir das nachher. Bitte mach das jetzt.“ Tina wirkte im ersten Moment überrascht, dann nachdenklich und zum Schluss zustimmend. Sie zog ihren Körper noch ein wenig zusammen, als wäre ihr ein Schauder über den Rücken gejagt.
 

„Ja Linda, das mache ich.“ Sie schien jedoch zu zögern. Tina blickte über das Gelände hinab.
 

„Da unten sind aber noch zwei Freunde.“
 

Linda fielen daraufhin zwei weitere Personen an einem der Tische auf. Ein schlaksiger Jugendlicher mit ungepflegtem Haar, der eine relativ große Brille auf der Nase trug. Neben ihm saß ein etwas kleinerer ebenfalls schmächtigerer schwarzhaarige Jugendlicher. Die beiden schienen sich im Moment zu unterhalten. Linda erinnerte sich, dass der schwarzhaarige Jugendliche gestern mit Rick und Alina dabei war.
 

‚Mh… darum muss ich mich auch noch kümmern. Aber sie erwähnte etwas interessantes.‘ Linda schaute zu Tina:
 

„Du sagtest Freunde? Kennst du die beiden denn?“
 

Tina nickte und sie lächelte kurz. In ihren Augen war ein ungewöhnlicher Glanz wahrzunehmen:
 

„Es ist schwer zu erklären, aber ich konnte mich erinnern… ich kenne die beiden und die kennen mich. Wir leiden unter demselben Problem. Sie kommen auch aus Kratern, aber leider… können wir uns immer noch nicht daran erinnern wieso das alles passiert ist.“ Linda schaute daraufhin wieder zu den beiden Jugendlichen und dann zu dem jungen Mann am Eingang, der nun ein wenig ungeduldig wirkte.
 

‚Da ist sehr interessant! Sie sind dann wohl vermutlich die anderen aus dem Himmel? Aber eins nach dem anderen. Ich muss mich nachher damit beschäftigen.‘
 

„Ich schick die beiden zu dir hoch. Bitte bleibt erst einmal oben, bis ich euch rufe.“ Tina nickte erneut, dann lief sie vorsichtig die Treppen hinauf in das nächste Stockwerk. Linda kundschaftete die Halle nach weiteren Fremden aus, während sie die Treppe langsam hinuntertrat.
 

„Hey ihr beiden da am Tisch!“ Linda deute mit ihrer rechten Hand zu den beiden Jugendlichen, die sie überrascht ansahen.
 

„Geht bitte nach oben zu Tina. Ich werde aber nachher mit euch reden. Benehmt euch!“ Linda deute nach oben zu den Treppen in das zweite Stockwerk.
 

Zunächst etwas zögerlich, standen die beiden Jungs auf. Sie wurden schneller, als Linda ihren Ausdruck verfinsterte.
 

Kurz bevor die beiden an ihr vorbeitraten, um die Treppen zum ersten Stockwerk hinaufgehen zu können, schaute Linda die beiden ermahnend an:
 

„Ich vertraue Tina, daher habt ihr mein Vertrauen. Also benehmt euch!“
 

Nervös nickten die beiden, dann eilten sie die Treppen hinauf.
 

Linda spürte von den beiden keine böse Absichten.
 


 

Linda schaute im Anschluss zu dem fremden jungen Mann, der sie immer noch anlächelte. Jedoch hatte seine Ausstrahlung nicht den Charme wie Ronin.
 

Sie winkte den fremden jungen Mann zu sich.
 

Während er sich zu ihr bewegte, ruhte ihr Blick konzentriert auf dem Fremden.
 

In einer lockeren scheinbar unachtsamen Bewegungsart lief der Fremde auf Linda zu. Er hielt beide Hände sichtbar vor sich. Seine lässige Kleidung bot ihm auch nicht viele Möglichkeiten etwas zu verstecken. Linda legte ihre Hände aneinander und sie richtete sich mehr auf. Fast auf Augenhöhe standen die beiden sich – in knapper zwei Meter Entfernung – gegenüber. Der Fremde streckte seine linke Hand vor sich, mit der flache Hand offen nach oben, dabei rutschte der Ärmel seines Hemdes herunter. Dies legte seinen muskulösen Unterarm offen.
 

‚Sieht so aus, als wäre dieser Kerl im Fitnessbereich sehr aktiv. Übt er vielleicht auch Kampfsport aus? Zumindest ist er achtsamer, als er mir glauben machen will. Ich sollte mich lieber bereithalten.‘
 

Der Fremde verbeugte sich minimal vor ihr, dann begann er zu reden:
 

„Ich hoffe ich mache keine Umstände. Ich bin hier wegen einer Bitte, da ich gehört habe, dass die Gilde dieses Ortes jedem aushilft.“ Linda hob ihre rechte Hand ermahnend in die Luft, mit den Fingerspitzen senkrecht nach oben, aber nah aneinandergelegt.
 

„Da ist korrekt, aber erst einmal möchte ich wissen mit wem ich es zu tun habe, bevor ich auf die Aufträge eingehe.“
 

Der Fremde schaute unzufrieden. An seinem rechten Mundwinkel war ein kurzes Zucken zu erkennen.
 

„Ich verstehe, hier in dieser Gilde ist keine Anonymität erlaubt?“
 

„Nein. Für mich ist eine Vertrauensbasis notwendig.“
 

„Na gut. Das ist kein allzu großes Problem. Ich hoffe jedoch, dass es für Sie ausreicht, wenn ich mich nur als Noju vorstellen werde. Sehen Sie dies als Künstlername.“
 

Linda antwortete nicht darauf. Für Sie war das kein kooperatives Entgegenkommen, aber sie wollte ihn deswegen nicht gleich fortschicken. Der junge Mann fuhr fort:
 

„Ich bin mit Kollegen hierhergereist, weil ich hier etwas Geschäftliches zu erledigen habe. Ich bitte um Verständnis, dass ich nicht auf Einzelheiten eingehen kann, aber bei unserer Aufgabe - hier auf dieser Insel - ist ein Kollege von uns unter falschen Verdacht geraten und jetzt bräuchten wir die Hilfe der Gilde. Vorrangig wegen Auskünfte, aber eventuell auch für weitere Unterstützung. Es scheint meines Wissens keine Kanzlei auf dieser Insel zu geben, daher meine Wahl. Außerdem kennen wir uns hier nicht aus. Ihr Gilde scheint die perfekte Anlaufstelle für uns zu sein.“
 

Linda begutachtete den Mann schweigend, während er sich erklärte.
 

‚Ein Lakai des Bürgermeisters? Nein, das macht keinen Sinn? Ein Lakai von Mr. S? Das glaube ich auch nicht, dazu hat dieser Kerl viel zu viel Farbe im Gesicht. Vielleicht hat er was mit Will zu tun? Der hat doch immer diese dubiösen Typen vor seiner Tür. Was gibt es noch für Möglichkeiten?‘ Der fremde Mann ließ seine linke Handfläche um das Handgelenk kreisen, während er seinen Ton leicht verstärkte:
 

„Entschuldige meinen Nachdruck, Frau Westallya, aber es ist zeitlich wirklich…“ Wieder erhob Linda ihre Hand, aber dieses Mal senkte sie alle Finger bis auf ihren Zeigefinger. Noju verstummte, jedoch zog er unzufrieden seine Augenbrauen nach oben.
 

‚Unter falschen Verdacht? Ein Kollegium aus mysteriösen Typen hier auf der Insel? Das hat doch alles mit dem zu tun, was Heon vorher erwähnt hat?‘
 

Linda senkte langsam ihre Hand, während sie sprach.
 

„Dafür, dass sie hier neu sind, kennen sie ja schon meinen Namen. Sie sind wohl gut informiert? Missverstehen Sie mich nicht, aber es gab vor kurzem einen Überfall mit einem Unbekannten. Ist ihr Kollege zufällig dieser Verdächtige?“ Die Augenbrauen des Fremden senkten sich. Sein Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Freude und Nervosität. Seine Haltung immer noch leicht angespannt.
 

„Das ist korrekt und Sie liegen mit Ihrer Annahme völlig richtig. Tatsächlich ist dieses Missverständnis genau das Problem. Mein Kollege hatte nichts mit dem Überfall auf dem Friedhof zu tun, aber er war anwesend. Als mein Kollege Hilfe organisieren wollte, wurde er von der Polizei festgesetzt. Und ihr Name, denn habe ich in der Stadt zufällig erfahren.“ Er schmunzelte.
 

‚Schwierig ihn zu durchschauen. Seine Mimik wirkt fast echt, aber er scheint etwas zu überspielen. Das könnte eventuell aufrichtige Nervosität sein oder er lügt mich hier nur an. Er weiß zumindest gut über den Überfall Bescheid.‘
 

Linda trat einen Schritt auf ihn zu, in der Hoffnung er wich zurück. Ihr Blick wurde entschlossener und ihr Tonfall rauer. Der fremde Mann rührte sich kein Stück, aber in seiner Gestik war zu erkennen, dass er ein wenig unruhig wurde. Auch seine Schultern verspannten sich mehr. Seine Hände hielt er nah an seinem Körper.
 

‚Aus dieser Nähe wäre ich schnell genug im Fall der Fälle.‘
 

„Also Herr Noju. Erklären Sie zunächst in kurzen Worten was passiert ist und warum ihr Kollege unschuldig ist. Dann erklären Sie mir, warum Sie nicht zur Polizei gehen und das als Zeuge aussagen? Außerdem erklären Sie mir, was Sie von uns genau wollen. Es wird ja nicht nur eine Auskunft sein, nicht wahr?“ Der fremde Mann nickte zustimmend. Er wirkte erfreut:
 

„Die erste Frage ist schnell beantwortet. Ein Mann war zum Friedhof gegangen und er wurde dort von eurem Dorffluch heimgesucht, am helllichten Tag. Anders wie es bisher hieß. Mein Kollege ist aufgefallen, dass das Opfer bereits im Vorfeld von dem Dorffluch heimgesucht wurde und er wollte den Mann rechtzeitig warnen. Er hat zudem einen ummantelten Mann beobachtet, der in der Nähe des Friedhofs eine Art Ritual ausgeführt hatte. Dies muss nach seiner Meinung den Geist bestärkt haben, sodass dieser außerhalb der bekannten Phänomene eures Dorffluches nun wohl zu jeder Zeit Leute attackieren kann. Dieser Dorffluch hat das Opfer gepackt und ihn scheinbar Energie entzogen. Zumindest brach der Mann zusammen und bevor mein Kollege eingreifen konnte, verschwand der Dorffluch. Nachdem er Hilfe kontaktierte, griff die Polizei ihn auf. Sie war schnell Vorort.“
 

‚Er scheint auch gut über den Fluch Bescheid zu wissen. Ist er vielleicht ein weiterer Exorzist? Aber warum tut er dann so geheimnisvoll? Künstlername…, vermutlich wieder einer dieser hochtrabenden Akteure, die mehr Show als Können zeigen und ja… jetzt ist sein Kollege vermutlich fälschlicherweise einkassiert worden. Verstehe.‘
 

Linda ließ ihre angespannte Haltung ein wenig nach. Mit jedem seiner Worte erwartete sie weniger einen plötzlichen Angriff. Noju schaute Linda wieder erwartungsvoll an.
 

„Also sind eure geheimen Aktivitäten die Untersuchung unseres Fluches? Warum dann die Geheimhaltung? Hat die Stadt nicht offen bekanntgegeben, dass es ein ‚Kopfgeld‘ für die Auflösung des Fluches gibt? Oder handelt es sich hier um ein Konkurrenzkram?“
 

Während Linda über ihre eigenen Worte nachdachte, erinnerte sie sich an seine Worte.
 

‚Warte Mal, er erwähnte gerade einen unbekannten Mann, der ein Ritual ausführte? Und der Schatten war tagsüber aktiv? Das ist mir neu… und ist sehr bedenklich.‘ Bevor der Fremde mit seinem nächsten Satz begann, unterbrach Linda ihn mit einer schnellen Handbewegung, indem sie ihre Hand wieder nach oben zog:
 

„Sie erwähnten einen Unbekannten mit einem Ritual? Was heißt das genau? Was für ein Ritual und wie sah der Mann aus? Wieso glauben Sie, dass das mit dem Fluch bestärken zu tun hat?“
 

Noju hob beide Hände leicht schräg nach vorn und langsam begab er diese nach unten.
 

„Sie greifen schon die richtige Spur auf, aber bevor ich Ihnen dazu Antworten geben kann, möchte ich auf den ursprünglichen Auftrag eingehen, dann erzähle ich Ihnen gerne alles Nötige über den Vorfall. Ich brauche Ihre Hilfe und dafür helfe ich Ihnen den Dorffluch loszuwerden. Ich möchte aber zuerst sichergehen, dass Sie uns helfen werden.“
 

Linda verschränkte ihre Arme. Ihre Augen schmälerten sich.
 

‚Versucht er mich gerade zu locken mithilfe von Informationen? Kann auch sein, dass er mich hier knallhart anlügt, aber wenn das alles wahr wäre, muss jetzt dringend etwas unternommen werden. Wie konnte das denn so plötzlich ausarten?‘
 

„Also erst wenn ich zustimme?“
 

Noju nickte.
 

Linda seufzte entnervt.
 

„Bevor ich aber den Auftrag offiziell annehme. Erklären Sie mir erst einmal was Sie genau von der Gilde wollen? Das müssen Sie mir liefern.“
 

Noju erhob seine linke Hand, streckte sie flach nach oben, aber er formte seine Hand wie eine Tasse, während er seinen Zeigefinger nach vorn streckte.
 

„Die Unschuld meines Kollegen zu beweisen. Egal ob mit direkter Hilfe oder indirekter Hilfe, indem Sie jemanden dazu bringen uns zu helfen.“
 

‚Hoffentlich ist das alles wahr, was er mir erzählt. Ich muss mir das Vorort anschauen, dann kann ich ein Urteil fällen.‘
 

Sie nickte langsam, zeitgleich verschränkte sie ihre Arme stärker ineinander.
 

„Nun gut. Aber erst einmal muss ich mir die Seite der Polizei anhören.“
 

Noju drehte seine linke Hand, sodass seine Handfläche unten zeige, dann bewegte er seine Hand leicht auf und ab.
 

„Selbstverständlich, das können wir gleich erledigen. Ich habe auch schon jemanden, den wir daraufhin besuchen können. Also für eine weitere mögliche Spur.“
 

Linda betrachtete den jungen Mann weiterhin mit Skepsis.
 

„Ich denke, dass es Sie interessiert wie viel ich bezahlen möchte.“
 

Für einen Moment lockerte Linda ihre verschränkten Arme. Das Stichwort Bezahlung brachte sie auf andere Gedanken.
 

‚Das Ganze ist mir zwar ein wenig zu dubios. Also werde ich einfach eine gewisse Gefahrenzulage verlangen.‘
 

„Hunderttausend Sya.“
 

Noju sah sie erschrocken an. Nach wenigen Sekunden senkte er seine Augenbrauen wieder:
 

„Das scheint mir doch ein wenig viel zu sein? Für den Betrag bekomme ich fast einen Kleinwagen.“
 

Linda starrte den Mann unverändert an. Ihr Arme verschränkten sich wieder stärker ineinander. Sie baute sich zudem erneut größer vor ihm auf.
 

„Es muss doch eine andere Lösung geben? Einen Rabatt vielleicht? Ich kann Ihnen im Moment maximal 20.000 Sya für den Auftrag versprechen. Ich schätze das ist wesentlich mehr, als die Vergütungsbasis für Gilden vorschreibt.“
 

Unrecht hatte er nicht. Normalerweise würde für so einen Auftrag auf Basis der Vergütungsvorschrift von Festa ungefähr 1000 ~ 5000 Sya fällig werden.
 

Linda lockerte ein wenig ihre Haltung.
 

‚Rick und Alina brauchen auch wieder neue Klamotten und ein paar Lebensmittel mehr im Kühlschrank wären auch nicht schlecht.‘
 

Linda begutachtete den jungen Mann ein weiteres Mal.
 

‘Ich sehe es schon kommen, dass dieser Auftrag stressig werden wird.‘
 

„Also gut. Aber bevor wir das Formale besprechen, möchte ich, dass Sie mit mir zuerst zur Polizei und dann zu ihrem Kollegen gehen. Sollte die Sache konkret werden, schließen wir den Vertrag und sie legen mir das Geld zu diesem Zeitpunkt aus. UND DANN erzählen Sie mir alles über den Fluch, über das Ritual und über diesen maskierten Mann!“
 

‚Sollte er mich belügen oder hintergehen wollen, dann lernt er mich kennen.‘
 

Der fremde Mann schien einen Moment zu überlegen. Er wirkte nervös, dennoch nickte er.
 

„Das sollte keine Umstände machen. Dann können wir gleich losgehen. Die Polizei scheint hier nämlich - ehrlich gesagt - ein wenig zu schnell zu agieren.“ Der junge Mann schien über etwas nachzudenken, als er pausierte.
 

„Müssen Sie hier noch etwas vorbereiten oder können Sie jetzt gleich mitkommen?“
 

Linda sah den jungen Mann einen Moment schweigend an, während Sie ihre verschränkten Hände leicht in ihre Oberarme greifen ließ. Sie fühlte sich unsicher bei den Gedanken den Auftrag jetzt sofort anzunehmen, aber das Angebot war verlockend.
 

‚Es ist besser, wenn ich der Sache schneller auf den Grund gehe.‘
 

„Umso früher wir beginnen, umso schneller und besser können wir noch agieren. Also Herr Noju, gehen Sie doch schon einmal hinaus. Ich komme gleich nach.“ Im Anschluss ging der junge Mann voraus zum Vordereingang der Gildenhauptquartierhalle. Er verließ das Gebäude. Linda war noch in ihr Büro gegangen, um ihre Ausgehkleidung zu holen und einen Standardvertrag zu organisieren. Sie warf noch einen Blick zu den Treppen im zweiten Stockwerk, als sie ihr Büro verließ.
 

‚Ich denke, dass sie zurechtkommen werden. Ich hoffe, dass es heute Abend ruhig bleibt. Hoffentlich.‘ Daraufhin verließ Linda ebenfalls das Gildenhauptquartier.



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