The Splintered Truth von Meilenstein ================================================================================ Kapitel 8: Die Entführung --- Die Botschaft ------------------------------------------- [Tina] ‚Blurrrrlb‘ Das quallenartige Wesen ohne Augen und Mund tauchte wieder ab. Es sank langsam zum Grund ab, um dann wieder auf zu tauchen. Das Wasser fühlte sich kalt an. Es kribbelte an ihren Fingerspitzen. Sie zog ihre Hand wieder heraus. Die Wesen im Teich interessierten sich nicht für ihre Hand, nicht so wie bei Linda. ‚Was die wohl denken? Ob die auch einem Tagesablauf folgen?‘ Ein kühler Wind zog durch den Garten. Tina zog ihre Jacke weiter über die Schultern. Ihre nasse Hand kribbelte unangenehm im Wind. Im Moment war sie allein im Hauptquartier. Linda musste plötzlich nach dem Essen telefonieren und ging dann in die Stadt. Rick musste zu seinem abendlichen Training. Beide versprachen bald zurück zu sein. Rick entschuldigte sich dafür mehrmals, dass er ging. Er verwies, bevor er verschwand, auf einen Raum im Hauptquartier. Dort gab es eine Ansammlung an Büchern. Tina hatte das interessiert, aber nachdem die beiden fort waren, wurde sie ein wenig einsam und verlor die Lust am Lesen. Tina bewunderte lieber den Garten und sie genoss die Sonne am Himmel. Die gezüchteten Blumen am Rande des Teiches faszinierten Tina. Sie wusste von keiner Pflanze etwas, nicht einmal den Namen, aber dennoch war sie interessiert. Die hüfthohen Sträucher hatten ihre Blüten in die Richtung des aktuellen Sonnenstands offen. ‚Als würden sie sich absprechen.‘ Es schauderte sie ein wenig bei dem Gedanken, dass die Pflanzen sich absprechen würden. „Ähm… hallo? Bist du neu hier?“ Kurz zitternd und mit nervösen Blicken sah das Mädchen auf. Ein dürrer großer Mann in einem dreckigen weißen Mantel und schwarzen Schuhen stand ein paar Meter vor dem einem Meter hohen Zaun entfernt, der den Garten umrahmte. Dort, wo der Mann stand, führte ein Weg am Zaun vorbei. Er war mindestens einen Meter größer als Tina und seinen Blick konnte sie nicht einordnen. Langsam schritt das Mädchen rückwärts zur Tür, die nur wenige Meter hinter ihr lag. „Ahh… oh! Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich… ich kenne die Leute hier. Mein Name ist Will Zentaler. Ich… ich bin ein Freund von Linda. Ich dachte nur…, weil du hier in ihrem Garten bist und ich dich nicht…, mh…, bist du neu?“ Der Mann zog seine linke Hand aus seiner Manteltasche und fuhr durch sein unrasiertes Gesicht. Seine Augen verfolgten das Mädchen, während sie zur Tür trat. Seine Haltung war leicht gebückt. „Ist schon in Ordnung. Ich wollte nicht… ich hatte mich nur erschreckt. Linda ist…“ ‚Ich… sollte das lieber nicht sagen.‘ Tina blieb in der Nähe der Tür stehen. Ihr Körper fühlte sich schwerer an und ihr Herz schlug schneller. Sie mochte den Mann nicht. Seine Hand wanderte weiter über sein Kinn. Seine Mundwinkel verzogen sich leicht nach unten. „Also… ich wollte dich nicht stören im Garten. Ich… ich dachte nur… aber… egal.“ Der Mann hob seine rechte Hand und winkte, dann lief er in eiligen Schritten davon. Von hinten erkannte Tina einen kleinen schwarzen Rucksack auf dem Rücken, zusätzlich fiel ihr die grünlichen Haarspitzen an ihm auf, die nach hinten zur Schulter hingen. Die Spitzen wirkten ihrer Meinung nach fehl am Platz. ‚Unheimlicher Mann.‘ Tina beschloss bis zur Rückkehr der beiden nicht mehr das Hauptquartier zu verlassen. Stattdessen begutachtete sie die Bilder, die Tina zufällig im ersten Stockwerk am Ende des Ganges in einem Regal gesehen hatte. Auf den Bildern waren wesentlich mehr Personen in diesem Hauptquartier zu sehen, die sie nicht kannte und trotzdem auf den Bildern teilweise die Abzeichen in Form von Armbändern der Gilde trugen. Ihr stach dabei das größte, der eingerahmten Bilder, ins Auge. Eine Gruppe von fünfzehn Personen hatten sich in der Halle versammelt und hielten einen goldenen Rahmen mit irgendeinem Dokument in die Höhe. Rick stand am Rand, aber er war auf dem Bild ein paar Jahre jünger. Neben ihm stand ein Mädchen, dass Tina noch nicht gesehen hatte. Dieses Mädchen hielt sich auf dem Bild an ihm fest, als wollte sie versuchen im nächsten Moment auf seine Schultern zu klettern. Alina war ebenfalls auf dem Bild, aber sie stand weiter rechts mit verschränkten Armen. Tina suchte Linda, aber sie fand sie nicht. Stattdessen erkannte das Mädchen eine junge Frau mit scharlachroten Haaren, die eine ähnliche Statur wie Linda hatte, aber älter wirkte. Die restlichen Personen waren hauptsächlich eine Mischung aus Jugendlichen in ihrem Alter und Erwachsenen, die sie nicht kannte. Die anderen Bilder im Regal zeigten Linda, Rick und Tina, aber keine anderen Personen. Die anderen Bilder wirkten neuer und ihr Rahmen war schlicht und nicht verziert. Ein Quietschen schallte durch die Halle. Es war nicht besonders laut, aber Tina erkannte es. Es war die Tür. Im darauffolgenden Moment plumpste etwas zu Boden. Ihr Blick wanderte schlagartig zur Quelle des Geräusches. Von ihrer jetzigen Position konnte sie niemand erkennen, nur ein runder weißer Gegenstand auf Boden der Halle. Aus dem Augenwinkel - links von ihr - erkannte sie einen Jungen, der auf einem Fahrrad eilig davonfuhr. Eine Kapuze über den Kopf und einen schwarzen Rucksack mit weißen Streifen auf dem Rücken. Ihre linke Hand hatte sich beim Plumpsen um das Geländer geklammert. Langsam löste sich die Spannung wieder und sie schritt zur Treppe voran. Vorsichtig stieg Tina die Treppenstufen hinab. Nach dem Beschreiten der untersten Stufe der Treppe, begutachtete Tina das Objekt auf dem Boden vor ihr. Bei näherer Betrachtung entpuppte sich das Unbekannte als zusammengerollte Zeitung. Das Gummi wirkte etwas willkürlich um das zusammengerollte Papier geschoben. Sie seufzte und ihre Anspannung ließ nach. ‚Ich lege sie am besten auf den Tisch.‘ Trotz des Zustands er Zeitung, konnte Tina eine Überschrift deutlich erkennen. [Die Stadt hat zur diesjährigen Zeremonie den bekannte Exorzisten Hughborg eingeladen. Wird er die Stadt endlich befreien?] ‚Die Stadt befreien?‘ Unsicher rollte sie die Zeitung nach hinten. Unter dem Titel folgte ein kleiner Textabschnitt. Es schien das Titelblatt der Zeitung zu sein. ‚Hughborg versicherte, dass er dem Geist ein Ende setzen wird, der die Stadt schon solange terrorisiert. Zwei seiner Kollegen waren bereits gescheitert. Kann er wieder die Hoffnung wecken? Den Fluch brechen? Erfahren Sie mehr in unserem spektakulären und ausführlichen Bericht auf Seite 3.‘ Wieder verkrampften ihre Finger. ‚Geist? Ein echter Geist? Hier… in der Stadt?‘ Umso länger Tina darüber nachdachte, umso unbehaglicher wurde ihr. Nervös blickte sie sich um. Das Mädchen kannte keine einzige Blume im Garten, aber sie hatte eine Vorstellung wie grausig Geister waren, ohne zu wissen woher. Ihre rechte Hand fuhr über ihren linken Arm. Wieder war ein lautes Plumpsen zu hören und Tina schreckte lautstark zurück. Ihr Herz klopfte. Die Zeitung war auf den Boden gerollt. Zittrig legte sie die Zeitung zurück auf den Tisch. ‚Ich will nicht hier unten bleiben.‘ Ihr Blick fiel nun auf ihre Zimmertür, die sie von ihrer jetzigen Position aus sehen konnte. Ein inneres Bedürfnis zwang Tina dorthin. Im Zimmer setzte sie sich auf das Bett. Ihr Körper fühlte sich ausgelaugt an und ihr Herz raste immer noch. ‚Warum verunsichert mich das so sehr? Ich… ich weiß nicht mal wieso.‘ Frustriert schaute sie zur Tür, dann zum Fenster hinter ihr. Die Sonne hatte sich inzwischen hinter Wolken verzogen. Das ganze Gebäude wirkte dadurch dunkler und kühler. ‚Oh…, jetzt bin ich doch eingeschlafen?‘ Sie lag gekleidet quer über ihrer Bettdecke. Wie sie eingeschlafen war, daran erinnerte sich Tina nicht. Eine Abfolge von dumpfen Geräuschen folgte. Überrascht blickte sie in die Richtung der Quelle, zur Tür. „Ja…?“ Die Türe öffnete sich und Rick trat herein. Tina erkannte, dass er jedoch einen sehr angestrengten Gesichtsausdruck machte. ‚Sein Blick… stimmt etwas nicht?‘ Rick trat näher heran. Seine Haltung war ein wenig verkrampft. „Hast du etwas… nein warte…, die Zeitung auf dem Tisch…, hast du die da hingelegt oder kam jemand herein?“ „Die Zeitung.“ Für einen Moment bekam Tina das Gefühl, dass ihr Kopf den Begriff nicht zuordnen konnte, bis ihr ein Bild vor Augen kam. Die Zeitung auf dem Tisch. Die Überschrift mit dem Geist. „Ja…, ich habe sie auf den Tisch gelegt.“ Rick schwieg für einen Moment. Tina konnte seine nachdenklichen Blicke nicht deuten. „Äh ja…, weil… die Sache ist die…, da war etwas eingerollt in der Zeitung. Ein… eine Art von Erpresserbrief.“ ‚Erpresserbrief?‘ Es schauderte Tina, selbst wenn sie mit diesem Begriff noch nicht vollkommen verstand was Rick meinte. Mit besorgten und verunsicherten Blicken schaute Rick zur geöffneten Tür. Stimmen drangen aus der Halle in den Raum. Sie wirkten aufgebracht, aber die Stimmen waren noch zu unklar um zu erkennen wer sprach. „Brief?“ „Ja…“ für einen Moment strich er sich den Schweiß von der Stirn. Seine Augen schienen etwas zu suchen. „Da die mit ‚wir haben sie‘ den Brief beginnen, dachte ich zuerst an dich, aber ich vermute…“ Rick Miene verfinsterte sich und seine rechte Hand spannte sich an. „Die meinen Alina damit.“ „Wer?“ „Keine Ahnung. Irgendwelche Verbrecher!“ Zornig ballte er immer wieder seine rechte Hand zur einer Faust. „Das ist ja furchtbar!“ Es kribbelte ihr am ganzen Körper. Sie musste sich kurz die Augen reiben. „Aber ich musste dich rufen, weil der Polizeichef mit dir sprechen will.“ ‚Der Polizeichef?‘ Rick war inzwischen zur Tür gegangen und forderte mit seiner Handbewegung auf, dass sie ihm schnell folgen soll. Er wirkte im Moment unhöflich, aber Tina verstand, dass er ihm Moment zu sehr gestresst ist darüber nachzudenken. Wackelig stieg sie von ihrem Bett auf und mit vorsichtigen Bewegungen trat sie heraus in den halboffenen Gang. In der Halle befanden sich vier Polizisten und Linda, die mit einem der Polizisten redete. Mit wilden Handbewegungen und einem zornigen Gesichtsausdruck diskutierte die Gildenleiterin mit einem jungen Mann in Uniform. Dieser junge Mann besaß eine große Statur und sehr breite Schultern. Im Gegensatz zu seinen Kollegen spannten die Oberarme in der bläulichen Uniform. Mit verschränkten Armen und mit einem grimmigen Gesichtsausdruck hörte er Linda an. Seine Kollegen schienen währenddessen etwas zu überprüfen oder zu suchen. Tina konnte das nicht genau einschätzen. Das Mädchen bemerkte zudem erst jetzt, dass es inzwischen schon Nacht geworden war. Die Straßenlaternen strahlten ein weißes Licht in die Halle, es fühlte sich jedoch nicht so warm und wohlig an wie Sonnenstrahlen. Rick stand inzwischen an der Treppe und forderte mit leichten Handbewegungen erneut auf ihm zu folgen. Der Mann, der mit Linda sprach und von Rick als Polizeichef betitelt wurde, trat sofort zu Tina heran, als er sie bemerkte. Der Mann war mindestens zweierhalb Köpfe größer als sie und sein starrer mürrischer Gesichtsausdruck schüchterte das Mädchen sofort ein. „Wir dürfen keine Zeit verlieren!“ Auf seine schnellen Worte folgte eine Handbewegung die einen gelblichen Zettel hervorholte und ihn Tina entgegenhielt. Kurz perplex starrte sie den zerknitterten Zettel an. Sie erkannte, dass auf diesem mit einem schwarzen Stift Druckbuchstaben auf das Papier geschmiert wurden. Undeutlich, aber groß genug. ‚Wir haben sie! 100 000 Sya in den Briefkasten an der Schwertmühle! Keine Polizei!‘ „Hast du die Person gesehen, die diese Zeitung hier abgelegt hat oder hast du jemand gesehen, der hier in der Halle oder an der Zeitung war?“ Mit Blicken zur Seite schweifend und zittrigen Händen, die Tina an den Körper drückte, um es zu verbergen, versuchte sie sich zu erinnern. Ihr Kopf fühlte sich im Moment jedoch so an, als hätte ihr ein schwarzes Loch alle neue Erinnerungen entrissen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)