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Saki-chan

von

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16. Kaoitel

16. Kapitel

 

Seit sie das letzte Mal hier waren, hat die New Yorker Kanalisation nichts von ihrem eigenwilligen Charme verloren. An den Gestank gewöhnt man sich – selbst ihre sensiblen Nasen – aber der Anblick spottet noch immer jeder Beschreibung. Man sollte definitiv nicht allzu genau in dieses sogenannte Wasser sehen, das träge in der Rinne neben ihnen dahinfließt.

Es ist ein eindeutiger Beweis für Krangs Verzweiflung, dass er kostbare Energiereserven für ein Portal hierher geopfert hat. Er hat ihnen noch mit auf den Weg gegeben, nicht „herumzualbern und sich nicht vom Ziel ablenken zu lassen“, aber das hätte er ihnen nicht extra sagen brauchen. Sie sind mindestens genauso verzweifelt wie er.

An seiner Hüfte spürt er das Gewicht des Lähmstrahlers.

Reingehen, wiederholt er in Gedanken immer wieder. Rausholen. Verschwinden.

Sie haben nur diese eine Chance.

Neben ihm ertönt ein leises Wimmern, doch der gequälte Laut wird schnell erstickt. Bebop hält mitten im Schritt inne und wirft seinem Kumpel neben sich einen leicht gereizten Blick zu.

„Pst. Oder sollen sie uns jetzt schon hören?“

„'tschuldige“, nuschelt Rocksteady hinter seiner Hand hervor. „Ich musste nur eben... du weißt, dass mein Onkel sich auf dem Dachboden erhängt hat?“

Bebop nickt und dreht sich vollends zu ihm um. In Gedanken gibt er sich einen Tritt. Er hätte daran denken müssen, dass Rocksteady von Flashbacks heimgesucht wird, nach dem, was er – was sie beide! - vor einer halben Stunde haben mitansehen müssen.

„Er wollte...“, stammelt Rocksteady, während sein Blick auf beunruhigende Art und Weise ins Leere rutscht, „... er hat tatsächlich versucht … Beeps, er hat versucht ...“

„Ich weiß.“ Tröstend nimmt Bebop ihn in den Arm – auch wenn sie dafür wirklich nicht die Zeit haben!

Er spürt, wie Rocksteady in seinen Armen erschaudert und fühlt wieder diesen Kloß in seinem Hals. Es kommt sehr selten vor, dass Rocksteady etwas derart erschüttert, normalerweise ist er der Stärkere von ihnen beiden.

Rocksteady holt ein paar Mal tief und zitternd Luft und versucht, die Erinnerung an das Geschehen im Technodrome zurück zu drängen. Es gelingt ihm nicht.

„Er hat sich ein Skalpell an den Hals gehalten, Beeps! Wieso lag das da einfach so herum? Wieso hat Krang nicht aufgepasst? Er hat sich ein Skalpell an den Hals gehalten! Er wollte sich umbringen! Ich halt das nicht aus, ich will sterben, hat er gesagt, Bebop!“

„Wir wissen nicht, ob er das gesagt hat oder kannst du plötzlich japanisch?“ versucht Bebop ihn zu beruhigen. „Und um Himmels Willen, sei leiser!“

„Dafür brauche ich keinen Dolmetscher, Beeps!“ In einer Mischung aus Trauer und Wut schiebt Rocksteady ihn von sich und funkelt ihn aus nassen Augen an. „Wie kannst du nach all dem nur so cool bleiben?“

„Ich bin nicht cool.“ Frustriert verkrallt Bebop seine rechte Hand in seinem Irokesen und zieht daran. Die einzige verzweifelte Geste, die er sich gestattet. „Ich bin ganz und gar nicht cool“, wiederholt er dabei leise. „Aber Krang paßt jetzt auf ihn auf. Und wir haben einen Job zu erledigen. Und je eher wir das hinter uns bringen, desto eher können wir zu ihnen zurück.“

„Du hast recht“, entschlossen reibt sich Rocksteady über die Augen und strafft dann die Schultern. Mit wieder festen und sicheren Schritten läuft er los und wirft nach drei Metern einen ungeduldigen Blick über die Schulter zurück.

„Was stehst du hier noch 'rum, Schweinebacke? Komm schon, du Trödelliese.“

 

 

„Passen Sie auf sich auf, Sensei.“

„Natürlich, meine Kinder.“ Lächelnd zieht die große Ratte die Luke zum Eingang seines Heimes ins Schloß. Innerlich den Kopf über seine überbesorgten Turtles schüttelnd, macht er sich, seinen knorrigen Stock im Rhythmus seiner Schritte schwingend, auf dem Weg zu seinem – wie er es nannte – kleinen Morgenspaziergang. Er verläßt selten die sicheren Wände ihrer Behausung, und immer hat er dabei ein mulmiges Gefühl, kennt er doch die leichtsinnige Art seiner Ziehsöhne und fürchtet jedes Mal um seine liebgewonnene Einrichtung. Er hat sie nie als Fünfjährige kennengelernt, aber bei allem, was ihm heilig ist – sie benehmen sich manchmal so. Vor allem in so ruhigen Zeiten wie jetzt.

Manchmal, aber wirklich nur manchmal, wünscht sich Splinter, Shredder würde mal wieder versuchen, die Welt zu erobern. Zwei Wochen Ruhe und Frieden bekommt seinen Jungs überhaupt nicht. Und seinen Möbeln noch viel weniger.

In Gedanken versunken setzt Splinter seinen Weg fort. Er hat kein bestimmtes Ziel, läßt sich von seinen Füßen und der leisen Unruhe in seinem Inneren treiben. Er hat das seit einigen Tagen, und zuerst dachte er, es sei wieder die Vorahnung eines Angriffs, aber nach einer ausgiebigen Meditation erkannte er, dass dies hier ein ganz anderes Gefühl ist. Und das ist für ihn das einzige was zählt: solange seinen Turtles keine Gefahr droht, kann er damit leben. Es wird sich ihm offenbaren, wenn es an der Zeit ist.

Plötzlich fangen seine scharfen Rattenohren Geräusche auf, die nur sehr selten hier unten zu hören sind. Er zögert kurz, doch dann überwiegt die Neugier, denn der Geruch, den ein kaum wahrnehmbarer Luftzug über das übliche Odeur der Kanalisation in seine Nase weht, kommt ihm sonderbar vertraut vor.

Er hat kaum Zeit, seine Entscheidung zu bereuen.

 

 

„Sch, alles wird gut.“ In dem verzweifelten Bemühen ihn zu beruhigen und doch genau wissend, wie wenig es nutzt, lässt Krang seine Tentakel über Sakis Körper wandern – streichelt seinen Rücken, die Schultern, Nacken und Kopf und versucht dabei, sich seine Unwohlsein nicht anmerken zu lassen.

Inzwischen hat Saki den Körper eines Fünfzehnjährigen. Seine Schultern sind breiter geworden und füllen sein T-Shirt schon fast wieder aus. Beinahe minütlich verlieren seine Gesichtszüge alles Kindliche, und die niedliche Stupsnase gehört schon längst der Vergangenheit an. Krang kann sich noch gut an das Knirschen seiner Gesichtsknochen erinnern – eine Erinnerung, die er gerne vergessen würde.

Egal wie oft er es schon erlebt hat – er wird sich niemals an das Gefühl und den Anblick von pulsierenden Knochen unter der Haut gewöhnen.

Dreizehn Stunden geht das schon so.

Es sind nicht einer, sondern zwei Wachstumsschübe, die dicht aufeinander folgten, nur mit einer knappen Stunde Pause dazwischen. Es reichte nicht einmal zum Durchschnaufen.

Nicht nur Krangs Energiereserven sind erschöpft, auch und erst recht Sakis. Er kann den Schmerzen nichts mehr entgegensetzen, nicht einmal mehr seinen Starrsinn.

Seine Schmerzen sind schlimmer als jemals zuvor. Seine Kehle ist so wund vom Schreien, dass er nur noch krächzen kann, und Tränen hat er schon lange keine mehr. Es sind keine konstanten Schmerzen mehr, die sich langsam steigern - jetzt kommen sie in Wellen wie die Gezeiten, und jede darauffolgende ist schlimmer als die vorherige. Sie sind nie ganz weg, aber manchmal ebben sie soweit ab, dass Krang ihm wenigstens etwas zu trinken einflößen kann. Manchmal konnten sie auch ein paar Worte miteinander wechseln – zumindest so lange, bis Sakis Stimme ihren Geist aufgab. Jetzt kann er nur noch zuhören, und es ist zweifelhaft, wieviel von Krangs Worten ihn wirklich erreicht.

Krang sitzt wieder in seinem schwerfälligen Androidenkörper, denn nur so hat er die nötige Kraft, Saki zu bändigen, sollte dieser wieder so eine törichte Idee haben sich ein Messer zu schnappen.

Er hat es nicht noch einmal versucht.

Glücklicherweise.

Krang stand noch niemals so nahe vor einem Hirnschlag wie in diesen wenigen Sekunden.

Vorsichtig streicht er mit seinem linken Tentakel die blauen Male an Sakis Unterarmen nach, dort, wo die beiden Mutanten zupackten, um ihn daran zu hindern, sich die Kehle aufzuschlitzen, während er selbst nur hilflos von Sakis Schlag getroffen in seiner Plexiglaskugel auf dem Fußboden herumrollte.

Um einen weiteren Zwischenfall wie diesen zu verhindern, hatte er zwei Möglichkeiten: entweder, er fesselte Saki ans Bett oder er brachte ihn aus der Krankenstation an einen Ort, wo die schlimmste Waffe aus einem Kopfkissen bestand.

Er wählte Letzteres.

Rocksteadys und Bebops Quartier mag nicht das hygienischste sein, aber es war nach einer kurzen Säuberungsaktion frei von allem, was man als Waffe gegen sich selbst richten konnte, außerdem hoffte er, die vertraute Umgebung würde Saki ein wenig helfen.

Er will glauben, dass es hilft.

Saki neben ihm wimmert leise auf und krümmt sich zu einem kleinen Ball zusammen.

 

 

Obwohl die Lähmstrahlen ihre Wirkung verlieren, während sich das Portal ungewohnt langsam und flackernd öffnet – oh, sie haben wohl wirklich kaum noch Energie, schießt es Splinter bei diesem Anblick durch den Kopf – macht er keine Anstalten, sich aus Rocksteadys Griff zu befreien. Auch wenn er sich Angenehmeres vorstellen kann als kopfüber über der Schulter des Rhinos zu hängen.

Ein Gefühl warnt ihn davor, sich nicht entführen zu lassen.

Und Splinter hat gelernt, auf seine Instinkte zu hören, so seltsam sie ihm auch manchmal erscheinen mögen.

Von daher wartet er, bis sie im Technodrome sind und macht sich erst dann bemerkbar.

„So, und könntet ihr mir jetzt vielleicht erklären, was das alles soll?“

Überrascht zuckt Rocksteady zusammen, doch er hat sich schnell wieder gefasst und hält ihn jetzt nur noch fester, als befürchte er, er könnte sich doch noch wehren.

Hinter seinem Rücken verdreht Splinter nur die Augen und hält dann Ausschau nach Bebop. Dieser lächelt ihm tatsächlich etwas schief zu, als er seinen bohrenden Blick auf sich fühlt.

„Unser Chefchen braucht dich. Du kannst doch Akupunktur und so'n Zeugs?“

„So'n Zeugs, ja“, bestätigt Splinter trocken, ist er solche respektlosen Worte doch auch von seinen Turtles gewohnt. „Wie wär's, wenn ihr mich runterlassen würdet? Ich laufe schon nicht weg.“

„Tut mir leid“, kommt die barsche Antwort von Rocksteady. „Das können wir nicht riskieren.“

Splinter ergibt sich in sein Schicksal, das er bestimmt nicht mehr lange erdulden muß, denn inzwischen laufen sie schon einen dämmrigen Gang entlang und die beiden gehen fast im Laufschritt, so eilig haben sie es.

„Und wozu braucht Shredder meine bescheidenen Fähigkeiten?“ will er schmunzelnd wissen. Hat er es also immer noch nicht erlernt.

Oh – hängen da an der Wand etwa Bilder? Das ist neu. Er kann sich nicht erinnern, dass so etwas das letzte Mal hier hing, als es ihn hierher verschlagen hatte. Aber das muß auch schon ein Jahr her sein. Er versucht, einen genaueren Blick zu erhaschen. Sind das … Fotos?

Doch dann runzelt er alarmiert die Stirn. Es ist ihm nicht gleich aufgefallen, aber Bebop und Rocksteady verströmen Schwingungen voller Angst und Besorgnis und beides merkwürdig betäubt und zugleich wild entschlossen, als befänden sie sich mitten in einem Katastrophengebiet.

Eine schreckliche Ahnung beschleicht ihn, und er begreift, was das sonderbare Gefühl, das ihn seit Tagen umtreibt, zu bedeuten hat.

Mit einer einzigen schnellen Bewegung befreit er sich aus Rocksteadys Griff und setzt sich mit einem Sprung vor die beiden Mutanten.

Was ist mit Shredder passiert?“ verlangt er mit nervös zuckenden Vibrissen zu wissen. „Das Letzte, was ich von ihm hörte, war, dass er in diesen Tümpel fiel und sich in ein Kind verwandelte. Was ist passiert? Hat Krang ihm etwas angetan?“

Die beiden starren ihn verblüfft an. Sie haben schließlich nicht jeden Tag mit einer aufgeplusterten Ratte zu tun.

„Niemand hat ihm etwas angetan“, erwidert Bebop dann hastig.

„Abgesehen von deinen Turtles“, ergänzt Rocksteady bissig, „die ihn in dieses Wasser geworfen haben.“

Splinters gesträubtes Fell glättet sich wieder etwas. Er beschließt, auf diese Bemerkung nicht einzugehen. Sie wissen schließlich alle, dass so etwas im Eifer des Gefechtes immer passieren kann, und er regt sich ja auch nicht über die unzähligen blauen Flecken auf, mit denen seine Jungs nach ihrem Aufeinandertreffen mit Shredder immer nach Hause kommen. Obwohl die Häufigkeit, wie oft seine Jungs immer in unnötige Gefahr geraten, durchaus ein Grund wäre, mit seinem lieben ex-Schüler mal ein ernstes Wort zu reden.

„Was ist mit Oroku Saki passiert?“ wiederholt er seine Frage höflich, aber bestimmt.

Die beiden setzen ihn ins Bild, während sie ihn weiter ins Innere des Technodromes führen und beenden ihre Erzählung just in dem Moment, wo sie die Tür zu ihrem Quartier öffnen.

Splinter erstarrt für einen Moment bei dem Anblick, der sich ihm bietet, dann wirft er erst ihnen und schließlich auch Krang auf der anderen Seite der Schwelle einen glühenden Blick zu.

Dafür hättet ihr mich nicht entführen müssen. Ich wäre freiwillig mitgekommen.“

 



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