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Saki-chan

von

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12. Kapitel

12. Kapitel

 

Rocksteady liegt auf dem Rücken auf seinem Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und die neuesten, besten Kopfhörer übergestülpt. Er liegt einfach nur da, die Augen geschlossen, wippt seine Füße im Takt zu Bruce Springsteens Born in the USA und genießt das süße Nichtstun. Bebop hat ihn und Saki-chan direkt nach dem Frühstück aus der Küche gejagt,weil er irgend ein besonderes Mittagsmahl für sie zaubern möchte, wofür er seine Ruhe braucht. Jedenfalls ist er jetzt mit Saki ganz alleine und der weiß sich sowieso allein zu beschäftigen. Auch wenn Rocksteady mit seiner Buchauswahl nicht zufrieden ist. Aber Saki hat recht – es ist etwas ganz anderes, ob man solch einen Horrorschocker tagsüber oder nachts liest. Und er hat versprochen, sich von ihm trösten zu lassen, sollte es ihn doch gruseln. Ach, der Kleine ist wirklich einfach nur zu süß!

„Hey du!“ Rocksteady fühlt sich plötzlich vorsichtig zwischen die Rippen gestupst.

Brummend öffnet das Nashorn die Augen und nimmt die Kopfhörer ab.

„Hm?“

Neben ihm sitzt Saki-chan mit einem sehr ernsten Gesicht.

„Du“, meint er zaghaft und drängend zugleich, „kannst du mal gucken? Ich glaube, der wackelt.“ Vielsagend öffnet er seinen Mund und tippt gegen seinen oberen linken Schneidezahn.

Rocksteady begutachtet den besagten Zahn ganz genau, stellt fest, dass Saki-chans Diagnose richtig ist und meint dann:

„Stimmt. Soll ich ihn dir ziehen?“

Sakis Augen werden ganz rund und er klappt den Mund so schnell wieder zu, dass er Rocksteady beinahe auf den Finger gebissen hätte.

„Nein!“ zischt er und weicht sicherheitshalber einen halben Meter zurück. Doch dann wird er sich dessen bewusst und senkt, eine leise Entschuldigung murmelnd, den Kopf. Einige Zeit lang hockt er nur da, während seine Finger unsicher mit dem Saum seines T-Shirts spielen und beißt sich betreten auf die Unterlippe, während Rocksteady ihn nur irritiert beobachtet.

Er versteht nicht, wieso der Kleine jetzt so reagiert. Dass er zurückschreckt, weil er sich nicht die Zähne ziehen lassen will, das versteht er, aber warum jetzt diese Unsicherheit? Es ist ja fast so, als fürchte er sich, für dieses Zurückschrecken bestraft zu werden.

Er erinnert sich daran, was Bebop ihm von seinem Gespräch mit Krang vor einigen Tagen erzählte, und ihm wird das Herz schwer. Kann es sein? Ist es tatsächlich möglich, dass, nach allem, was inzwischen passiert ist, ihr Saki-chan immer noch befürchtet, dass sie ihn aus dem Technodrome werfen könnten?

„Ach, Sweetie...“ erst als er Saki-chans verdutztem Blick begegnet, begreift er, dass er es laut geseufzt hat. Doch er überwindet seine Verlegenheit schnell, indem er sich mal kurz zur Seite beugt und aus seinem Versteck zwischen Matratze und Wand eine kleine Schachtel herauszieht. Er hatte sie schon vor zwei Tagen dort deponiert und hält den Zeitpunkt nun dafür gekommen, sie ihrer Bestimmung zuzuführen.

Mit einem stolzen Grinsen reicht er sie seinem Saki-chan.

„Hier, bitteschön.“

Zögernd nimmt der Junge sie entgegen und dreht sie neugierig in seinen Händen hin und her. Sie ist herzförmig und aus Holz und etwa so breit wie Rocksteadys Handfläche.

Irritiert hebt Saki den Blick und öffnet die Lippen, um eine Frage zu stellen, aber da kommt Rocksteady ihm mit der Erklärung zuvor.

„Für deine Milchzähne.“

Mit der Reaktion, die nun erhält, hat er aber wirklich nicht gerechnet: Saki starrt ihn für die Dauer einiger Herzschläge einfach nur an, während sich in seinen erstaunt geweiteten Augen das Wasser sammelt. Immer mehr, bis er schließlich ein paar Mal hart blinzelt, und die herauskullernden Tränen mit dem Handrücken wegwischt.

„Danke“, bringt er letztendlich schniefend hervor.

Rocksteady ist total irritiert – wie kann eine so kleine, an sich harmlose Geste zu so einem Gefühlsausbruch führen? Wie mies muss seine Kindheit, ach was, sein gesamtes Leben, bisher wirklich gewesen sein?

„Gern geschehen“, entgegnet Rocksteady betont munter und zieht ihn in eine liebevolle Umarmung. Diesmal lässt es sich Saki-chan nicht nur protestlos gefallen, nein, er schmiegt sich sogar freiwillig hinein. Ganz fest.

 

 

Eigentlich kocht Bebop nicht gern. Aber für Saki-chan macht er eine Ausnahme. Denn für seinen... ihren kleinen Dreikäsehoch zu kochen, das macht ihm Spaß. Es liegt daran, wie Sakis Augen zu glänzen beginnen, sobald das Essen vor ihm steht, und der Genuß, mit dem er es in sich hineinschaufelt, die Begeisterung, mit der er Nachschlag verlangt und das leise „Dankeschön“, das darauf folgt.

Bebop kann davon nie genug bekommen, und so hat er es sich zur Aufgabe gemacht, ihren kleinen Saki-chan noch mehr Freude mit immer besserem Essen zu bescheren.

Und heute hat er sich etwas ganz besonderes ausgedacht. Als Vorspeise gibt es eine gesunde Suppe, die Hauptmahlzeit besteht aus Kartoffeln, Gemüse und Fischstäbchen – denn welches Kind mag keine Fischstäbchen? - und als Nachspeise gibt es eine selbstgemachte Erdbeer-Marzipan-Torte. Mit einem kleinen Extra obendrauf.

„Ist das nicht etwas übertrieben?“ kritisiert Krang, der seinen Androidenkörper an den Küchentisch gepflanzt hat und Bebops Vorbereitungen schon ab der Hälfte mit mehr oder weniger geistreichen Kommentaren stört.

„Nein“, erwidert Bebop mit derselben unerschütterlichen Ruhe, mit der er schon Krangs andere Bemerkungen hingenommen hat. „Ganz und gar nicht. Im Gegenteil sogar. Ich finde, es wird Zeit. Und überleg doch mal: wird das nicht ein schönes Foto für deine Sammlung?“

Krang will es nicht, aber da muß er dem Warzenschweinmutanten zustimmen. Es wird bestimmt nicht nur ein schönes Foto, nein, es macht seine Sammlung erst richtig perfekt.

 

 

Saki kann nicht behaupten, dass er schon satt ist – trotz der zwei sehr großzügigen Portionen, die er schon verdrückt hat, fühlt es sich immer noch so an, als hätte er ein riesengroßes Loch im Bauch. Aber er denkt an sein Gewicht und hält sich daher damit zurück, um noch eine weitere portion zu bitten. Außerdem gibt es ja noch eine Nachspeise, wenn er Bebop richtig verstanden hat – und um die Bebop ein ganz schönes Theater macht.

„Hast du die Augen schön zu? Und nicht schummeln!“

„Ja“, erwidert Saki genervt auf die erste Frage und mit einem ergebenen „nein“ auf die zweite. Er hat keine Ahnung, was das jetzt schon wieder soll, aber er spielt mit. Und bisher – und das muß er nun wirklich zugeben – haben ihm die Überraschungen seiner beiden Mutanten immer gefallen.

Er hört, wie etwas vor ihm auf den Tisch gestellt wird, und dann hört er Bebop auch schon sagen:

„So, jetzt kannst du wieder gucken.“

er blinzelt gehorsam. Einmal. Zweimal. Und dann wirft er erst Bebop, danach Rocksteady und sogar Krang einen fragenden Blick zu. Aber die nicken ihm nur auffordernd zu.

„Aber“, protestiert er vorsichtig – und auch ein wenig unsicher, denn eigentlich wissen sie das doch ganz genau, oder? - „ich habe heute doch gar nicht Geburtstag.“

Er starrt die Torte vor sich vorwurfsvoll an, doch die große Kerze darauf brennt völlig unbeeindruckt weiter.

„Das ist auch keine Geburtstagstorte“, belehrt ihn Bebop und stülpt ihm, seinen Worten zum Trotz, ein buntes Partyhütchen auf den Kopf. „Das ist eine Nur-so-Torte. Die gibt es nur so. Weil wir nur mal so feiern wollen, daß wie... ich weiß nicht? Hier zusammen sind? Gesund sind? Daß wir uns haben? Such dir was aus.“

Eine ganze Weile lang starrt Saki ihn nur an, und dann die Kerze auf dem Kuchen. Er versucht etwas zu sagen, aber heraus kommt nur ein peinliches Krächzen – mehr will seine zugeschnürte Kehle nicht gestatten.

Rocksteady hilft ihm aus seiner Bedrouille.

„Kerze auspusten und was wünschen!“ befiehlt er betont munter.

Saki tut wie ihm geheißen – nur das mit dem Wünschen, das lässt er lieber, das ist ihm doch zu albern. Aber es gibt ihm Zeit, seine Stimme wieder zu finden.

„Das sieht verdammt lecker aus.“

„Probier erst mal“, grinst Bebop stolz, schneidet ein besonders großes Stück vom Kuchen ab und gibt es ihm.

Unter den aufmerksamen Blicken von Bebop, Rocksteady und Krang kommt Saki dieser Aufforderung nach – und er lässt sich betont viel Zeit dabei. Der Kuchen ist ein Gedicht und zergeht ihm nur so auf der Zunge, doch er bemüht sich, seine Miene neutral zu halten.

„Und?“ drängt Bebop schließlich nervös.

Saki läßt ihn erst noch ein paar Sekunden zappeln und schluckt seinen Bissen erst einmal -gut erzogen, wie er ist – herunter.

„Das ist einfach nur super!“ Und weil Bebops Ohren so schön rot anlaufen: „Du bist ein richtiger Back-Künstler!“ Und weil Bebop hochrote Wangen auch sehr gut stehen:

„Bekomme ich jetzt jeden Tag so etwas Tolles?“

„Oh ja!“ stimmt ihm Rockstedy, der sich auch ein Kuchenstück geschnappt und schon zur Hälfte weggeputzt hat, mit vollem Munde zu. „Dafür bin ich auch! Du backst besser als meine Mama, Beeps!“

Ein größeres Lob hätte er Bebop gar nicht aussprechen können, und das weiß dieser nur zu gut und – wird jetzt flammendrot.

Während auch Krang in diese Lobreden mit einstimmt und Bebop immer verzweifelter und erfolgloser versucht, seiner Verlegenheit Herr zu werden, kratzt Saki die letzten Reste von seinem Teller und nimmt sich lächelnd ein weiteres Stück. Er ist so froh, dass er jetzt nicht mehr im Mittelpunkt steht.

Er kann immer noch nicht gut mit all der Freundlichkeit umgehen, die ihm hier von allen Seiten entgegen gebracht wird. Es ist ihm einfach immer noch unangenehm.

 

 

„Au.“

„Was ist los, Sweetie?“

Shredder verzieht bei diesem Kosenamen das Gesicht. Ehrlich, das ist ja noch schlimmer als dieses elendige „-chan“.

„Nichts“, antwortet er und gibt seiner hölzernen Trainingspuppe einen lustlosen Stups.

Er ist so vollgefressen – er hat schließlich vier Stück Kuchen verputzt, und genau das will er jetzt abtrainieren, aber das fällt ihm irgendwie schwer! Er fühlt sich nämlich gar nicht so satt, wie er es nach dem Essen eigentlich sein sollte. Ganz im Gegenteil sogar: er hat wieder Hunger!

Aber als Krang ihn vor einer halben Stunde wieder auf die Waage hat steigen lassen, hat das verdammte Ding wieder zwei Kilo mehr angezeigt als gestern. Zwei Kilo! Ohne daß er auch nur einen Zentimeter zum Ausgleich gewachsen wäre.

Diese Gewichtszunahme hat ihn so erschüttert, dass er sein obligatorisches „Bärenfleisch“ beinahe ausgeschlagen hätte. Nur geht so etwas nicht, wenn man von sechs Augen aufmerksam beobachtet wird, deren Eigentümer sich dann nur wieder schreckliche Sorgen um ihn gemacht hätten. Also hat er wie immer drei Gummibärchen aus Krangs Glas geschöpft, zwei davon an Bebop und Rocksteady gegeben – die beiden freuen sich immer so darüber, außerdem ist es zu einer netten Tradition geworden – und vorgetäuscht, das Dritte selbst zu essen, während er es gleichzeitig unauffällig in seiner Hosentasche verschwinden ließ.

Sein Kopf sagt ihm, dass er unwahrscheinlich viele Kalorien intus hat und wenn er das nicht irgendwie wieder loswird, bringt er morgen nochmal zwei Kilo mehr auf die Waage, aber irgendwie kann er sich fürs Training nicht wirklich begeistern. Er hasst diese faule Seite an sich, er hat sie schon immer gehasst! Nur, weil er seinem inneren Schweinehund zu oft nachgibt, bringt er nichts auf die Reihe. Das war schon früher so und jetzt ist es auch nicht anders – oder welchen Grund gibt es sonst, dass er gegen diese vermaledeiten Turtles immer verliert?

Er ist einfach zu schwach. Aber ab heute wird sich das ändern. Ab heute gibt es keine Entschuldigungen und keine faulen Kompromisse mehr.

Mag sein Bauch sich auch anfühlen wie ein schwarzes Loch, das immer mehr und mehr verschlingen könnte ohne je satt zu werden und mag aus dem anfänglichen Hungergefühl auch ein sehr handfester Schmerz werden – er wird dem nicht nachgeben.

Denn er ist nicht schwach. Oh nein!

Aber. Ganz. Und. Gar. Nicht!

Wütend gibt er der Holzpuppe einen Tritt, gefolgt von einem Handkantenschlag, dass diese regelrecht erbebt. Davon ermutigt, macht er weiter, bis er in einen gewohnten Rhythmus verfällt und seine Magenschmerzen und alle anderen störenden Gedanken ganz weit an den Rand seines Bewußtseins drängen kann. Nur noch die Bewegung zählt. Und das leichte Brennen, wo seine Haut auf das Holz trifft.

Ja. Um seine Lippen spielt ein grimmiges Lächeln. So könnte er ewig weitermachen.

Plötzlich durchfährt ihn ein reißender, sengender Schmerz. Es fühlt sich an, als würde er mitten entzwei gerissen.

„Saki!“ Bebop ist näher als Rocksteady, und so ist er zuerst da, um den Jungen aufzufangen, als dieser plötzlich zusammenbricht.

 

 

Es ist schlimmer als das letzte Mal, obwohl niemand geglaubt hätte, dass dies möglich sei.

Rocksteady kann es gar nicht mit ansehen. Aber er muss. Nicht nur um Sakis Willen, sondern auch, weil Bebop ihn braucht. Sein Beeps braucht Halt und Zuversicht, und es ist seine Aufgabe, ihn darin nicht zu enttäuschen.

Auch wenn es ihm noch so schwer fällt. Und so schluckt er seine eigene Verzweiflung hinunter und wagt ein kleines – und wie er hofft, aufmunterndes – Lächeln, als Bebop ihm einen kurzen Blick zuwirft. Sein Beeps versucht, zurückzulächeln, doch es wird ein sehr schiefes Lächeln und auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, weil er seine Aufmerksamkeit sofort wieder auf Saki richtet.

„Krang, tu was“, zischt Rocksteady dem Alien zu.

Aber der sitzt nur weiterhin im Bauch seines Androidenkörpers und starrt hilflos auf den vor Schmerzen weinenden Jungen in Bebops Armen.

„Was soll ich denn tun?“ gibt Krang zurück. „Ich hab ihm schon alles an Schmerzmitteln gegeben, was möglich ist. Ich hab jetzt nur noch die chemischen Keulen da, und die gebe ich ihm ganz bestimmt nicht!“

„Nein“, stimmt ihm Rocksteady leise zu. „Besser nicht. Du hast recht.“

Das können... das dürfen sie nicht riskieren.

Als sich Saki leise wimmernd noch fester in Bebops Shirt krallt und dieser ein beruhigendes „sch, es wird alles gut, wir sind hier“ flüstert, ist dies wie ein besonders grausames Deja vu.

Für Rocksteady fühlt es sich an, als würde ihm jemand das Herz in der Brust zerquetschen. Instinktiv festigt er seinen Griff um Bebops Schulter und zieht die beiden etwas näher an sich.

 



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