Saki-chan von MariLuna ================================================================================ Kapitel 11: 11. Kapitel ----------------------- 11. Kapitel   Rocksteady erwacht schlagartig, weil ihn etwas Weiches im Gesicht trifft. „Hey?!“ Abwehrend hebt er den Arm und reißt die Augen auf. Nur, um sie gleich wieder zuzukneifen. Es ist viel zu hell! Neben sich hört er Bebop irritiert aufächzen. Und es ist dieses Geräusch, das ihn wieder blinzeln lässt. Und das ist sein Glück, denn wieder saust irgend etwas auf ihn herab, doch diesmal kann er es mit der Hand abwehren und festhalten. „Was ist denn los?“ will er wissen, während er das Kissen, mit dem er eben noch angegriffen wurde, an sich reißt und sich dabei aufsetzt. Der sechsjährige, japanische Junge, der zwischen ihm und Bebop sitzt, funkelt ihn erbost an und verschränkt verärgert die Arme vor der Brust. „Seid ihr endlich wach, ja? Gut. Dann will ich jetzt wissen, was das soll! Wie zum Teufel komme ich wieder hierher? Wie kommt ihr dazu, mich nachts aus meinem Zimmer zu entführen? Während ich schlafe?? Was ist los mit euch? Seid ihr doch pervers, oder was?“ So früh am Morgen schon so viel Radau! Stöhnend drückt sich der Nashornmutant das Kissen freiwillig wieder ins Gesicht und lässt sich zurück auf die Matratze fallen. Soll Bebop doch dieses Problem lösen, mit dem ist um diese Uhrzeit viel mehr anzufangen als mit ihm. Außerdem ist er der Geduldigere von ihnen beiden. Shredder sieht sich ignoriert und gibt ihm einen Fußtritt in die Rippen, doch er hat noch immer nicht genug Kraft. Sein Tritt entlockt Rocksteady gerade mal ein genervtes Aufseufzen. Und er rollt sich auf die andere Seite außerhalb seiner Reichweite, wo er sich die Decke über den Kopf zieht. „Du Produkt einer Schlaftablette“, schnauft Shredder beleidigt und wirft seinen Plüsch-Pumbaa nach ihm. „Du bist schlafgewandelt“, erklärt Bebop schmunzelnd und zieht ihn auf seinen Schoß, wo er sofort beide Arme fest um ihn legt und ihn liebevoll an seine breite Brust drückt. „Und damit dir nichts passiert, haben wir dich eben wieder zu uns geholt. Und siehe da: ab sofort hast du tief und fest geschlafen. Ohne aufzuwachen. Und ohne nochmal schlafzuwandeln.“ „Hrmpf“, macht Shredder nur. Bebops Körper ist warm und fest, und er fühlt sich bei ihm so sicher und geborgen, dass er instinktiv die Arme um seinen Nacken schlingt und sich enger an ihn kuschelt. Das hindert ihn aber nicht daran, weiterhin den Beleidigten zu spielen. „Ihr könnt das trotzdem nicht einfach machen ohne mich zu fragen! Ich habe auch Rechte!“ Außerdem – da wollte er einmal großmütig sein und ihnen Zeit für sich geben, und dann machen die sowas! Wollen die etwa, dass er ihnen zur Last fällt? Sind sie masochistisch veranlagt oder einfach nur bescheuert? „Komm schon“, hört er Bebop da plötzlich leise in sein Ohr murmeln, während er ihn gleichzeitig hin und her wiegt, als wäre er noch ein Baby. „Sei uns nicht böse. Wir haben es doch nur gut gemeint. Außerdem haben wir dich furchtbar vermisst. Ich bin ganz unruhig, wenn du nicht bei uns bist. Und Rock auch - nicht wahr, Nasi?“ „'türlich. Du hast völlig recht, Beeps“, kommt es unter dem Kissen hervorgenuschelt. Shredder spürt plötzlich, wie sein Herz viel schneller klopft und ihm das Blut in die Wangen steigt. „Schon gut, schon gut“, grummelt er absichtlich barsch – denn entweder das oder er bricht noch in Tränen aus, „wenn ihr's unbedingt so haben wollt – dann schlafe ich eben wieder bei euch. Himmel, ihr seid vielleicht sentimental! Und sowas wollen starke Mutanten sein?“     Es ist ruhig. Beunruhigend ruhig sogar. Tatsächlich macht sich Krang ein wenig Sorgen, denn auch die internen Kameras des Technodromes melden ihm nur Leere. Das bedeutet natürlich nur, dass sich die Deppen irgendwo verkrochen haben, wo sie von keiner Kamera überwacht werden können (und da gibt es so einige Räume hier), aber dazu kommt noch diese Stille. Das wird langsam richtig unheimlich. Also gibt Krang dem Bordcomputer den Befehl, seine Seifenopern aufzuzeichnen und macht sich auf die Suche. In der Küche wird er fündig, und es liegt hauptsächlich am Klappern des Geschirrs, untermalt von leiser Radiomusik, das ihn heranlockt. Anhand dessen geht er natürlich davon aus, dass sich die drei mit dem Mittagessen beschäftigen, aber als er durch die Tür tritt, sieht er nur Rocksteady, der am Herd steht und Kartoffel- und Möhrenwürfel in einen großen Topf schüttet. Bebop und Saki-chan dagegen sitzen am Tisch, und dieser ist mit erstaunlich vielen bunten Bastelmaterialien und Klebern übersät. Krang blinzelt überrascht. Und dann noch einmal, als er sieht, was sie da basteln. „Oh, hallo Krang!“ Saki-chan hat ihn bemerkt und dreht sich zu ihm um. „Sieh mal, was wir für dich gebastelt haben.“ Stolz hält er ihm einen der vielen billigen Bilderrahmen entgegen, die Bebop und Rocksteady bei ihrer letzten Shopping-Tour mitgebracht haben – nur, dass diese hier jetzt mit bunten Glasteinen und Glitter verziert sind und aussehen wie richtige Designerstücke. Krang hat noch nie etwas Schöneres gesehen. „Für mich?“ räuspert er sich. Saki nickt nur und zuckt dann mit den Schultern. „Na ja, wenn du deine ganzen Fotos, die du die ständig von uns schießt, irgendwo aufhängst, soll ja auch der Rahmen was hermachen, oder?“ Krang bekommt ganz feuchte Augen. Wie peinlich! „Danke“, quetscht er an dem plötzlich auftretenden Kloß in seiner nicht vorhandenen Kehle vorbei. „Die sind sehr schön.“ Auf diese Worte hin geschieht etwas Unglaubliches: Saki-chan strahlt ihn an. Nur für eine Sekunde, dann hat er seine Miene wieder im Griff - aber das Leuchten in seinen Augen, das kann er nicht verstecken. „In dir steckt ja ein richtiger Künstler“, lobt Krang ihn weiter. Dabei erinnert er sich an das Bild, das Saki erst vor drei Tagen gemalt hat und das immer noch am Kühlschrank hängt. „Wieso hast du das die ganze Zeit über vor uns versteckt?“ Saki senkt den Kopf ganz tief über einen weiteren Bilderrahmen und ist scheinbar ganz darauf konzentriert, sternförmige Glassterne in einer ganz bestimmten Kombination darauf anzuordnen, doch jeder hier kann sehen, wie ihm die Verlegenheitsröte in die Wangen kriecht. „Basteln und malen … das ist doch alles Kinderkram.“ „Ein Glück für uns, dass du jetzt ein Kind bist“, lächelnd streckt Krang seinen rechten Tentakel aus und wuschelt ihm damit durchs pechschwarze Haar. Saki läßt sich das für ein paar Sekunden gefallen, aber dann zieht er seinen Kopf zur Seite und wirft ihm einen zornigen Blick zu. „Laß das! Stör den Künstler nicht bei der Arbeit!“ Grinsend zieht Krang seinen Tentakel zurück und wechselt einen amüsierten Blick erst mit Bebop und dann mit Rocksteady, der immer noch am Herd steht, aber das Geschehen mit einem so breiten Grinsen verfolgte, dass es ein Wunder ist, wenn ihm nicht jetzt schon die Kiefermuskeln schmerzen.     Es wird ein angenehmer, sehr ruhiger Tag, der in einem starken Kontrast zu der wilden Roller Skaterei am Vortag steht. Es fühlt sich beinahe an wie ein Familientag. Zumindest hat sich Shredder immer vorgestellt, dass es sich so anfühlen muß, denn selbst erlebt hat er so etwas noch nie. Nach dem Mittagessen haben sie insgesamt zehn Bilderrahmen fertig, und als Krang dann mit seinen Fotos ankommt, suchen sie gemeinsam die besten heraus und finden für sie die passenden Rahmen. Krang hat auch schon ganz konkrete Vorstellungen, wo er sie alle aufhängen oder aufstellen will. Auch Bebop und Rocksteady deklarieren zwei davon für sich und ihr Quartier. Shredder fühlt sich etwas mies, weil er selber keines der Bilder für sich haben will, aber er hofft, sein Argument, dass er sie ja jeden Tag in der Kommandozentrale und im Gang dorthin sehen wird, war überzeugend genug. Er hasst nun einmal Fotos von sich selbst, ganz egal welchen Alters er darauf auch immer ist. Natürlich lässt Krang ihn nicht so leicht davonkommen – er verspricht Shredder ein Fotoalbum. Nun, das kann er wenigstens im Schrank verstecken, also gibt Shredder brav sein Einverständnis. Die Stimmung ist zu gut, um sie mit solchen Kleinigkeiten zu ruinieren. Sogar Krangs obligatorischer Check-up stört ihn heute nicht. Jedenfalls so lange, bis er Krang sagen hört: „Wunderbar! Zwei Kilo schwerer als gestern.“ „Zwei?“ entsetzt starrt Shredder ihn an. „Bin ich wenigstens gewachsen?“ Ist er nicht, wie sich zehn Sekunden später herausstellt. Shredder fühlt sich, als wäre ein Haus um ihn herum eingestürzt. Seine gute Laune ist restlos verpufft und hat einem großen, schwarzen Loch Platz gemacht. Er versucht, es sich nicht anmerken zu lassen, aber so ganz gelingt es ihm nicht, wie er an Bebops und Rocksteadys Beruhigungen bemerkt, dass „Kinder nun mal erst in die Breite wachsen und dann in die Höhe.“ Der Besuch auf der Krankenstation endet trotzdem damit, dass er sich in sein Quartier zurückzieht (denn hier stehen all seine Trainingsgeräte) und dort Ninjitsu (exzessiven Sport im Kampf gegen jedes überflüssige Pfund) treibt, bis er nicht mehr japsen kann.   Bebop und Rocksteady beobachten dies mit stetig wachsender Besorgnis, doch sie schweigen – immerhin hat Saki-chan ihnen gestattet, ihm dabei zuzusehen, und manchmal dürfen sie auch helfen, wenn es zum Beispiel darum geht, die Fokusschlagmatte zu halten. Sie wollen nicht riskieren, wieder ausgeschlossen zu werden (denn wie sollen sie sonst auf ihn aufpassen?), also halten sie die Klappe und hoffen, dass er es nicht übertreibt. Und wenn doch, sind sie wenigstens sofort zur Stelle. Es fällt ihnen nicht leicht, denn es tut ihnen in der Seele weh, mitansehen zu müssen, mit welchem Ernst und wieviel Unbarmherzigkeit ihr Saki-chan gegen sich selbst hier in den Krieg zieht. Das kennen sie von ihrem erwachsenen Shredder zur Genüge, und sie mochten es noch nie. Gegen sich selbst zieht er viel härter ins Feld als gegen die Turtles oder Splinter, und deshalb haben sie ihm noch niemals gerne beim Training zugesehen. Aber jetzt ist er ein Kind, gerade mal einssechsundzwanzig groß, und ihn mit dieser Verbissenheit trainieren zu sehen, ist nicht im geringsten beeindruckend, sondern einfach nur noch zutiefst beunruhigend. „Meinst du nicht, es reicht?“ Rocksteady hat als erster die Nase gestrichen voll und baut sich mit vor der Brust verschränkten Armen vor diesem kleinen Teufelsbraten auf. Saki hält damit inne, seine hölzerne Trainingspuppe zu vermöbeln und funkelt ihn von unten her ungnädig an. „Nein, wieso?“ zischt er herausfordernd. „Bitte?“ ändert Rocksteady seine Strategie und reicht ihm auffordernd die Hand. Saki-chan zögert einen Moment, seufzt dann aber ergeben, zieht sich die Handschuhe ab und legt sie gehorsam in Rocksteadys große Pranken. Einen Moment später schwankt er bedrohlich, und hätte ihn Rocksteady nicht sofort aufgefangen, wäre er womöglich hingefallen. Im Nu ist Bebop heran und nimmt ihn aus Rocksteadys Armen. „Da hat sich wohl jemand übernommen“, tadelt er. „Mir geht’s gut“, protestiert Saki laut. Okay, ihm wurde für eine Sekunde schwarz vor Augen, so what? Kein Grund, gleich so einen Aufstand zu machen! „Ich räum hier auf“, verkündet Rocksteady, als hätte er ihn gar nicht gehört. „Und wir gehen etwas trinken“, lächelt Bebop. „Einen schönen, heißen Kakao? Und dazu Erdbeeren? Wie hört sich das an?“ Saki hätte zwar eine weitere Trainingseinheit vorgezogen und danach ein gutes Bad, aber Bebops Vorschlag klingt auch nicht schlecht.     „Das lesen wir dir nicht vor!“ „Jesses, Sweetie“, stimmt Bebop seinem Kumpel sofort zu, „kein Wunder, wenn du schlafwandelst. Bei dem Buch.“ Shredder steht nur vor dem, was die beiden so großzügig ihr „Bett“ nennen und starrt sie an. Er kommt gerade von der Toilette (diesen blöden Kindertoilettensitz braucht er auch nicht mehr, juchu! - und wenigstens respektieren sie in dieser Hinsicht seine Privatsphäre, was richtiggehend erholsam ist) und diesen Empfang hat er wahrlich nicht erwartet. Er sieht zu, wie Rocksteady besagtes Buch entschlossen ganz weit weg schiebt, betrachtet ihre Mienen – so ernst und streng und besorgt zugleich, und irgend etwas in seinem Inneren passiert. Er sollte wütend sein, ja, eigentlich sogar regelrecht angepisst, weil sie ständig so mit ihm reden, stattdessen ist alles, was er fühlt – Wärme. Eine weiche, goldene, alles verzeihende Wärme. „Okay“, meint er daher nur und krabbelt zwischen sie, wo er sich zufrieden unter die Bettdecke und an sie kuschelt. „Dann erzählt mir eine Geschichte. Irgendeine. Egal welche.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)