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Saki-chan

von

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9. Kapitel

9. Kapitel

 

Er liegt in dem, was Bebop und Rocksteady so großzügig ihr „Bett“ nennen und das doch nur eine Ansammlung von Decken und Kissen auf zwei Matratzen ist, eingewickelt in eben diesen Decken, die so weich sind und nach den beiden riechen, und er fühlt sich einfach nur sicher und warm … zumindest war das so, bis Krang mit dieser Spritzpistole auftauchte.

„Au!“

„Beschwer dich nicht so. Ist doch schon vorbei.“

Krang kichert leise, denn der Blick, den ihm Saki-chan zuwirft, ist wieder so herrlich böse. Es tut gut, wieder dieses Funkeln in diesen dunklen Mandelaugen zu sehen.

Shredder zieht einen Flunsch, reibt sich den schmerzenden Oberarm und lässt sich wieder mit einem Gummibärchen trösten. Ohne genauer darüber nachzudenken, nimmt er zwei mehr und legt sie für Bebop und Rocksteady beiseite.

Krang sagt nichts dazu, er registriert aber, dass es sich um rote Gummibärchen handelt, also genau jene Sorte, die den beiden Mutanten am besten schmeckt.

Shredder reibt sich noch einmal über den malträtierten Arm und wickelt sich dann wieder enger in seine Decke. Er ist froh, dass Krang ihn nicht genötigt hat, aufzustehen, um die üblichen Tests an ihm durchzuführen, denn er fühlt sich immer noch etwas schwach und weiß nicht, ob er nicht schon nach dem ersten Schritt auf die Nase geplumpst wäre.

Nett von Krang, dass er ihn diesmal nur geimpft hat. Nervig, aber zweifellos sehr nett.

Und er sieht die Notwendigkeit ja ein – immerhin ist er in den letzten zwölf Stunden knapp fünfzehn Zentimeter gewachsen, und sein Körper entspricht jetzt dem eines Sechsjährigen, da kommt er gegen eine Auffrischimpfung nun einmal nicht herum.

 

Er kann sich kaum an etwas aus diesen zwölf Stunden erinnern – außer den Schmerzen.

An die erinnert er sich leider nur zu gut.

Alles andere ist ziemlich verschwommen. Aber er glaubt, sich an die tröstende Gegenwart seiner Mutanten zu erinnern, an beruhigend gemurmelte Worte und sanfte Hände, die ihn halten. Und er wünschte, sie wären jetzt bei ihm. Der Raum fühlt sich leer und kalt an ohne sie.

„Wann kommen sie nur wieder zurück?“ Dass er die Frage laut ausgesprochen hat, bemerkt er erst an Krangs merkwürdigem Blick.

„Bald“, erwidert das rosafarbene Gehirn mit einem Lächeln, das sehr viele spitze Zähne entblößt. Und jeder andere außer Shredder würde dieses Lächeln beunruhigend finden. Na gut, er findet es auch beunruhigend, aber aus einem anderen Grunde: wieso ist Krang so nett zu ihm? Es ist ja fast, als würde er ihn tatsächlich … mögen?

Aber nein, innerlich schüttelt Shredder den Kopf, das kann nicht sein. Das bildet er sich nur ein.

Und dann wagt Krang es tatsächlich wieder: er tätschelt Shredder mit dem Tentakel über die Wange. Doch so sehr es Shredder auch nervt – diesmal versucht er, es einfach zu ignorieren. Vielleicht, wenn er so tut, als sei es ihm egal, hört Krang dann irgendwann damit auf.

„Vermisst du die beiden Idioten etwa schon?“ neckt Krang ihn freundlich, ja, beinahe schon liebevoll. „Das dauert aber noch etwas, bis sie zurückkommen. Wie wär's, wenn du dich bis dahin noch etwas ausruhst? Die Zeit vergeht auch viel schneller, wenn man schläft.“

Der Vorschlag klingt sehr verlockend. Shredder fühlt sich sowieso ans Bett gefesselt, und das nicht nur, weil er immer noch ziemlich schwach auf den Beinen ist – nein, das liegt auch noch daran, weil ihm seine Klamotten nicht mehr passen, schließlich ist er quasi aus ihnen herausgewachsen, so dass er nun nur eines seiner T-Shirts (Erwachsenengröße!) trägt und darunter ist er völlig nackt!

„Gut“, brummt er daher, dreht Krang den Rücken zu und zieht sich die Decke über den Kopf.

 

 

 

Sie versuchen, leise zu sein, als sie zurückkommen. Schließlich hat ihnen Krang gesagt, der Kleine ruhe sich aus, ja, schlafe wahrscheinlich. Aber ganz so leise, wie sie hoffen, sind sie wohl nicht, denn sie haben den Raum kaum betreten, da bewegt sich das Bündel auf ihrem Bett und ein zerzauster Schopf wühlt sich aus den Decken. Braune Mandelaugen blinzeln ihnen schläfrig entgegen.

„Na du?“ Bebop ist der erste, der sich zu ihm setzt, und daher ist er auch der erste, dem sich plötzlich zwei dünne Ärmchen um die Hüften schlingen, gefolgt von einem noch schlafwarmen, kleinen Körper, der sich an ihn drückt.

„Hi“, nuschelt Shredder in Bebops rote Weste, und beäugt dabei neugierig die Tasche, mit der Rocksteady näherkommt. „Habt ihr mit was mitgebracht?“

Aber anstatt auf eine Antwort zu warten, umarmt er erst einmal auch Rocksteady, als sich dieser ebenfalls zu ihm setzt. Als Rocksteady ihn instinktiv zurückdrückt, lässt er sich sogar kurz gefallen – doch nur für die Dauer eines Atemzuges, dann weicht er schnell wieder zurück und senkt beschämt den Blick. Ganz offensichtlich ist es ihm peinlich, so viele Gefühle gezeigt zu haben.

Rocksteady räuspert sich eimal um den plötzlich auftretenden Kloß in seiner Kehle herum und meint dann betont munter:

„Ob wir dir was mitgebracht haben? Na, aber Hallo! Wir haben den halben Laden ausgeräumt. Und schlau wie wir sind, haben wir uns diesmal nicht nur auf eine Größe beschränkt. Damit solltest du bis ins Teenageralter hinaus bedient sein.“

Vielsagend öffnet er den Reißverschluß und gibt den Blick frei auf eine wahrhaft bunte Auswahl verschiedenster Klamotten unterschiedlicher Größe.

„Ja“, ergänzt Bebop und zieht aus einer Seitentasche ein dickes Buch hervor. „Und das hier gibt es noch als kleines Extra dazu. Wenn es dir mal wieder zu langweilig hier wird.“

Shredder strahlt übers ganze Gesicht.

 

 

 

„Und jetzt bitte stillsitzen und lächeln.“

Einen kurzer Blitz später dürfen sie sich wieder bewegen. Krang, diesmal in seiner dreibeinigen Plastikkugel, stürzt sofort zum Stativ hinüber, um die Filmrolle aus der Kamera zu nehmen. Shredder fragt sich unwillkürlich, ob er eine Zwölfer-Rolle oder noch weniger benutzt und wann und wo er die anderen Fotos immer schießt, bis der Film voll ist, denn schließlich entwickelt er die Fotos immer noch am selben Tag.

Noch hat er sie nirgendwo aufgehangen, aber das ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Immerhin, so haben es ihm bebop und Rocksteady erzählt, sollten sie ihm heute Bilderrahmen mitbringen.

„Ich weiß schon jetzt, dass dies das bisher beste Foto sein wird“, verkündet Krang begeistert und wirft Shredder einen vergnügten Blick zu. „Du hast heute mal ein echtes Lächeln gezeigt!“

Verlegen darüber, von Krang derart durchschaut worden zu sein, senkt Shredder den Kopf und spielt mit dem Saum seines blau-weiß gestreiften Sweaters herum.

Aber dann nickt er nur und lächelt erneut. Es stimmt ja, was Krang hier sagt.

Seit er dazu verdammt ist, seine Kindheit erneut zu durchleben, hat er sich nicht so gut gefühlt wie heute. Ja, man kann durchaus behaupten, dass er beinahe optimistisch in seine Zukunft sieht. Anscheinend hat Krang nämlich doch recht damit, dass er bald wieder ganz er selber ist.

Aber es liegt nicht nur daran.

Er ist auch endlich diese lästigen Kieferschmerzen los! Dafür kann er jetzt, wie ein Blick in den Spiegel vor einiger Zeit bewiesen hat, ein gesundes, vollständiges Milchgebiß sein eigen nennen.

Und darüberhinaus fühlt er sich in seinen derzeitigen hundertzwanzig Zentimetern wesentlich mehr wie ein Mensch und weniger als Tollpatsch. Es ist ein erhabenes Gefühl, sich endlich ohne diesen blöden Plastiktritt die Hände waschen zu können.

„Warum auch nicht?“ entgegnet er daher, hütet sich aber, seine wahren Gedanken kund zu tun und weicht lieber auf einen anderen Grund aus, der genauso zutreffend ist. „Ich habe viele neue Geschenke bekommen und wachse.“

„Ja, leider“, seufzt Bebop neben ihm schwer und wuschelt ihm durchs Haar. „Oh, versteh mich jetzt nicht falsch“, relativiert er hastig, als Shredder ihm einen schiefen Blick zuwirft. „Es ist toll, dass du wieder wächst. Aber du warst so ein süßes Kleinkind. Du bist immer noch süß, aber … na ja...“

Was Bebop nicht zu sagen wagt, ist, wie sehr es ihn letzte Nacht innerlich zerrissen hat, hilflos mit ansehen zu müssen, wie sehr sein Saki-chan unter diesem Wachstumsschub litt. Außerdem macht er sich Sorgen, dass es bei seinen nächsten Schüben ähnlich, wenn nicht gar schlimmer, ablaufen könnte.

Von daher hätte er nichts dagegen, wenn dieser ganze Prozeß langsamer abliefe – langsamer und deshalb weniger schmerzvoll. Unter diesen Umständen hätte er seinen Saki-chan gerne etwas länger als Dreijährigen um sich gehabt.

Aber all das sagt er nicht. Trotzdem muss ihm etwas davon anzusehen gewesen sein, denn Rocksteady legt ihm plötzlich einen Arm um die Schulter und gibt ihm wortlos einen kleinen Kuss mitten auf die Wange.

Es ist ein Anblick, bei dem Shredder augenblicklich seinen Groll darüber vergisst, „süß“ genannt worden zu sein.

Während Krang ihnen schon längst keine Aufmerksamkeit mehr schenkt und aus der Tür rennt, um in seinem Fotolabor zu verschwinden, mustert Shredder die beiden Mutanten neben sich mit nachdenklicher Miene.

 

 

 

Nicht gerade sehr gut gezielt, fliegt die Gummiente durchs Badezimmer und landet vor Rocksteadys Füßen.

„Warum seid ihr immer noch hier?“ Die Arme auf dem Badewannenrand gestützt, funkelt Shredder die beiden Mutanten an, die auch heute mal wieder seine Wachhunde in einem seiner privateren Momente spielen müssen.

„Ich bin groß genug, ich saufe euch bestimmt nicht mehr im Badewasser ab. Warum belästigt ihr mich also immer noch?“

Er angelt nach seinem Handtuch, das auf der nahen Ablage liegt und hält es dann schützend vor sich, während er langsam aufsteht. Zu seinem großen leidwesen rühren sich Rocksteady und Bebop immer noch nicht vom Fleck.

„Verschwindet endlich! Seid ihr pervers, oder was?“

Beschwichtigend heben die beiden die Hände.

„Schon gut, schon gut. Dann warten wir mal draußen vor der Tür, okay?“

Er nickt grimmig und beobachtet argwöhnisch, wie sie das Badezimmer verlassen. Erst, als die Tür hinter ihnen ins Schloß gefallen ist, glättet sich seine Miene wieder und er klettert vorsichtig aus der Wanne.

Während er sich abtrocknet und in seinen bereitgelegten Pyjama schlüpft, kann er einen leisen Seufzer nicht unterdrücken. Es tut ihm Leid, sie angeschrien zu haben. Hoffentlich hat er sie nicht allzu sehr beleidigt!

Aber er hat den ganzen Tag darüber nachgedacht, wie er sich unabhängiger von ihnen machen könnte, und das hier ist das einzige, was ihm einfiel. Erfahrungsgemäß hat er eher seine Ruhe, je unfreundlicher er zu ihnen wird. Auch wen sie es nach allem, was sie für ihn schon getan haben nicht verdient haben. Das hier ist wirklich kein guter Abschluß für einen so schönen Tag wie diesen, einen Tag ohne Schmerzen und viel Spaß (auch wenn er jetzt von Monopoly wirklich erst mal die Nase voll auch, ganz egal, wie leicht sie sich immer abzocken lassen). Einen Tag, wo er sogar mal kurz wieder sein geliebtes Ninjitsu trainieren konnte – wenn auch nur ein wenig, weil er doch ziemlich schnell schon müde wurde.

Es missfällt ihm selbst, jetzt so zu ihnen sein zu müssen, aber … es ist doch nur zu ihrem eigenen Besten! Er hat sie lange genug mit seinen Problemen und seiner Anwesenheit belästigt. Nie würden sie es zugeben, aber es ist doch eindeutig – er stört!

Er hindert sie daran, ganz sie selbst zu sein. Er hindert sie in ihrer Beziehung!

Er muss sich jetzt erwachsen zeigen und mit seiner Selbstsucht aufhören. Er muss sie endlich alleine lassen, vor allem Nachts. Im Bett.

Freiwillig würden sie das nie zugeben, die beiden Deppen und ihr dämlicher Beschützerinstinkt, also muss er das für sie entscheiden.

Und so strafft er die Schultern, marschiert hinüber ins Quartier und baut sich vor den beiden, die Fäuste in die Hüften gestemmt, auf.

„Mir reicht's mit euch!“ erklärt er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldet. „Ab sofort schlafe ich wieder in meinem eigenen Bett!“

Erstaunlicherweise setzen ihm die beiden keinen nennenswerten Widerstand entgegen und sie sind danach auch nicht sauer mit ihm oder so. Sie helfen ihm sogar dabei, seine Bettdecke und das Kissen in sein Zimmer hinüber zu tragen. Sie bringen auch das Nachtlicht und den Kuschel-Pumbaa – und obwohl er beides nicht braucht, wagt er es jetzt doch nicht mehr, dagegen zu protestieren. Wie jeden Abend helfen sie ihm beim Zähneputzen.

Und wie jeden Abend setzen sie sich zu ihm und lesen ihm das letzte Kapitel aus „Die drei ???“ vor.

Er würde viel lieber sein neues Buch lesen, aber das verschiebt er auf später. Wenn er alleine ist.

Er findet nämlich, dass er ihnen genug abverlangt hat.

Sie sind so geduldig und lieb und aufmerksam zu ihm, dass es schon fast weh tut. Und das bestätigt ihn nur in seiner Entscheidung.

 

 



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