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Saki-chan

von

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4. Kapitel

 

4. Kapitel

 

Seit sie ihn in den Everglades verloren und wiedergefunden haben, lassen sie ihn nicht mehr aus den Augen. Buchstäblich. Es ist immer mindestens einer von ihnen bei ihm. Und sein Fieber trägt auch nicht gerade dazu bei, sie ruhiger werden zu lassen.

Auch wenn Krang ziemlich schnell herausgefunden hat, welcher Virus in diesem kleinen Körper gerade wütet, mindert das nicht ihre Besorgnis. Krang mag noch so oft betonen, dass es ihrem Saki-chan bald wieder besser gehen wird, der Anblick dieses kleinen, hilflosen Menschen, wie er mit vom Fieber hochrotem Gesicht und heißer Haut vor ihnen liegt, jagt ihnen eine Heidenangst ein.

Sie sind müde und erschöpft, aber weder Rocksteady noch Bebop wagen es, die Augen zu schließen. Denn dann, so befürchten sie, könnte etwas passieren.

Etwas Furchtbares.

Krang hat nicht immer Recht.

Bebop atmet einmal tief und seufzend aus. Schon seit mindestens fünfzehn Minuten streichelt er zärtlich über die kleinen Fingerchen, die sich in unregelmäßigen Abständen zu Fäusten ballen und wieder öffnen. Das und sein schwerer Atem sind die einzigen Anzeichen, dass Sakis Schlaf doch nicht so ruhig ist wie man auf den ersten Blick annehmen kann. Bebop hofft nur, dass er keine bösen Fieberträume hat.

„Er ist so...“ Rocksteady, der hinter Bebop liegt, sein Kinn auf dessen breiter Schulter abstützt und genau wie dieser ihr unruhig schlafendes Chefchen betrachtet, zögert kurz und stößt dann seinen Atem in einem mindestens genauso schweren Seufzer wie zuvor Bebop hervor.

„... zerbrechlich“, ergänzt er schließlich leise und ein wenig verwundert.

Bebop nickt zustimmend. Zerbrechlich war früher das letzte Adjektiv, mit dem sie Shredder beschrieben hätten, aber hier und jetzt ist es quasi das einzige.

„Nicht auszudenken, wenn ihm irgendwas passiert wäre“, murmelt Bebop, schiebt seine Handfläche unter Sakis Faust und ist geradezu fasziniert davon, wie winzig diese Hand im Gegensatz zu seiner jetzt ist.

Natürlich ist ihm das nicht neu, aber er war sich dessen noch nie so bewusst. Und plötzlich trifft es ihn mit voller Wucht.

„Wir“, quetscht er durch seine plötzlich sehr enge Kehle und blinzelt ein paar Tränen zurück, „müssen auf ihn achtgeben. Alles, was jetzt passiert … jede noch so kleine Verletzung, das wirkt sich auf seine ganze Zukunft aus.“ Mit zitternden Fingern streicht er eine Strähne schwarzen Haares aus einer fieberheißen Stirn und entblößt eine kleine, rote Pustel.

Er spürt, wie sich Rocksteady hinter ihm kurz umdreht und hört ihn hantieren, und dann ist er wieder da – warm und sicher und vertraut – und lehnt sich über Bebops Schulter. Sehr zielsicher, aber auch unendlich sanft, tupft er einen großzügigen Klecks von Krangs selbst zusammengebrauter Salbe auf die Windpocke auf Sakis Stirn. Aber auch als er damit fertig ist, nimmt er seine Hand nicht sofort wieder weg. Stattdessen fühlt er kurz nach Sakis Temperatur, seufzt einmal leise auf und streichelt dann sachte mit seinem Zeigefinger über Sakis Schläfe und Wange.

„Wir müssen besser auf ihn aufpassen“, murmelt er dabei in Bebops Ohr und gibt ihm dann – quasi als ein Versprechen - einen kleinen Kuss in den Nacken.

Bebop nickt nur zustimmend.

 

 

Es ist halb zehn Uhr am Morgen, und sie sitzen alle am Küchentisch, sogar Krang, und ihrer aller besorgten Blicke liegen auf dem kleinen Jungen in ihrer Mitte, der sich darüber, wäre er nicht so müde und schlapp, lautstark beschweren würde. Aber sie haben alle eine lange Nacht hinter sich, jeder auf seine Weise, aber jeder aus demselben Grunde.

„Iss doch was.“ Vielsagend schiebt Bebop eine Schale, gefüllt mit Erdbeeren zu ihm hinüber, doch Shredder schüttelt nur den Kopf und schiebt die Schale wieder zurück.

Er greift stattdessen zu seiner Milch, von der er weiß, dass sie in seinem Magen bleibt. Er fühlt sich nicht gut und hätte am liebsten weitergeschlafen, aber … urgh, das war unheimlich, wie und wo er heute aufgewacht ist. Anstatt sich in seinem eigenen Bett wiederzufinden, lag er auf den zusammengeschobenen Matratzen, die Bebop und Rocksteady als ihre „Betten“ bezeichnen, und dann auch noch genau zwischen den beiden. Und wieso, zum Teufel, hatte er dieses grässliche Pumbaa-Kuscheltier in den Armen?

Nur, weil er krank ist, können die beiden ihn doch nicht behandeln wie … wie ihr Kind. Das ist einfach nur dreist und frech und absolut nicht richtig!

Dem muss er einen Riegel vorschieben, und zwar sofort! Und wenn das bedeutet, dass er hier sitzt, obwohl es ihm nicht gut geht, dann ist das eben so. Besser, als wenn die zwei ihn wieder zu sich ins Bett packen. Am Ende wollen sie noch mit ihm kuscheln!

Um Aufmerksamkeit heischend klopft Krang mit dem linken Tentakel auf die Tischplatte. Er hat eine Ankündigung zu machen. Eine, die besonders einem hier ganz bestimmt nicht gefallen wird.

„Unser Saki-chan wird das Technodrome vorerst nicht mehr verlassen. Ich habe die Luftfilteranlage meiner Kampffestung auf Maximum gestellt. Die Biofilter sollten jetzt sämtliche Viren und Bakterien unschädlich machen. Das kostet eine Menge Energie. Haltet euch also mit unnötigen Stromfressern zurück. Lasst die Stereoanlage und eure Spielekonsolen aus. Und schaltet das Licht aus, wenn ihr den Raum verlasst.“

Er mustert sie alle der Reihe nach streng. Doch der erwartete Protest bleibt aus. Stattdessen zeigen sich Bebop und Rocksteady sehr einsichtig und nicken eifrig, während Shredder zwar das Gesicht verzieht, als er hört, dass er hier festsitzt, aber ansonsten Krangs Anordnungen genauso schluckt wie die beiden Mutanten.

Krang ist für einen Moment erstaunt, ist jedoch zu klug, um zu glauben, dass sie endlich vor ihm Respekt gelernt hätten. Wenn er sich die Blicke, mit denen Bebop und Rocksteady ihr geschrumpftes Chefchen mustern, genauer betrachtet, ist klar, dass sie in einer Art Eltern-Modus gestrandet sind. Für Saki-chans Wohl würden sie auf mehr als ihre geliebten Videospiele verzichten.

„Irgend eine Ahnung, wie er sich diese blöden Windpocken eingefangen hat?“ will Rocksteady wissen, und meint dann, noch im selben Atemzug, während er Shredders Hand abfängt, die unterwegs zu dessen Gesicht ist:

„Nicht kratzen, Saki.“

„Es juckt“, jammert dieser, legt seine Hand aber gehorsam wieder um seine Tasse.

„Ich weiß, Saki-chan“, tröstet ihn Rocksteady, „aber kratzen bringt Narben.“

Sein Saki-chan zieht eine Schmollschnute, hält sich sonst aber zurück.

„Varizellen sind heimtückische kleine Biester“, erklärt Krang. „Sie sind nicht nur hochansteckend, nein, sie verbleiben auch im Körper, selbst wenn man die Krankheit schon überwunden hat. Sie lauern auf eine Reaktivierung. Bei einem starken, gesunden Immunsystem können sie lange darauf warten. Aber Sakis Immunsystem ist tatsächlich so jung, als wäre er zwei Jahre alt.“ Für diese Erkenntnis hat er sich die halbe Nacht um die nicht vorhandenen Ohren geschlagen. Und noch nie in seinem Leben war er so froh darüber, im passenden Moment zur Übervorsichtigkeit zu neigen. Nicht auszudenken, mit welchen Krankheiten der Junge noch zu kämpfen hätte, hätte er ihn nicht gegen so vieles schon so früh geimpft.

„Und“, befiehlt Krang daher auch noch, „um weiteren Überraschungen dieser Art demnächst vorzubeugen, gibt es ab sofort tägliche, medizinische Check-up für unseren Mini-Ninja.“

„Ich kann dich hören.“ Shredder schielt ihn strafend von der Seite her an. „Rede nicht über mich, als wär ich nicht da. Hast du keine Manieren?“

„Sind wir heute etwas altklug, Saki-chan?“ flötet Krang spitz.

Zwei Sekunden später wischt er sich mit den Tentakeln Milch aus seinen Augen.

Am gesamten Tisch herrscht absolute, entsetzte Stille. Sogar Shredder sieht im ersten Moment überrascht von der nun leeren Tasse in seiner Hand in Krangs „Gesicht“ und dann wieder in seine Tasse.

Bebop findet als erster seine Stimme wieder.

„Saki“, tadelnd schnalzt er mit der Zunge und langt nach den Servietten.

Eine reicht er Krang, mit einer anderen beginnt er, die Milch, die nicht auf Krang gelandet ist, von der Tischplatte zu putzen.

Shredder hebt nur die Nase etwas höher, funkelt Krang an und streckt ihm dann die Zunge heraus.

„Was beschwerst du dich? Kleopatra hat täglich in Milch gebadet.“

Krang, der sich bisher gar nicht beschwert hat, tupft sich nur bedächtig die Milch aus den Hirnwindungen und zeigt dabei all seine spitzen Zähne.

„Ich schlage keine Babys. Auch wenn sie es verdient haben“, stellt er trocken fest, genau wissend, wie verletzend diese Worte derzeit auf ihren geschrumpften Ninja wirken.

„Ich bin kein Baby!“ braust dieser auch sofort erwartungsgemäß auf.

„Dann benimm dich nicht wie eines!“

„Dann hör du auf, mich zu ärgern. Erfinde lieber etwas, damit ich wieder groß werde!“

„Was hast du denn?“ stichelt Krang. „Du bist doch süß, Saki-chan.“

Shredder beißt nur die paar Zähne zusammen, die er schon hat (plus der beiden, die heute Nacht dazugekommen sind) und starrt angestrengt in seine leere Tasse. Nein, er darf sich nicht wieder von Krang provozieren lassen, wenn er weiter hier im Technodrome bleiben will.

„Tut mir leid“, quetscht er daher unwillig hervor.

Er wagt einen Blick in die Runde, und es sind nicht Krangs funkelnde Augen, die ihn innerlich zusammenzucken lassen, sondern Rocksteadys und Bebops enttäuschte Mienen.

Plötzlich überrollt ihn eine so große Woge der Hoffnungslosigkeit, dass ihm unwillkürlich die Tränen in die Augen schießen. Er wünscht sich zurück in sein Bett, wo er sich unter der Decke verstecken kann. Am Liebsten für immer.

„Du alterst doch schon längst“, hört er plötzlich Krang sagen.

Man kann dem körperlosen Gehirn wirklich viel nachsagen, aber unsensibel ist er nicht. Er hat Shredders Stimmungsumschwung sofort bemerkt. Und so gerne er ihn auch ärgert – zum Weinen will er ihn nicht bringen.

„Ja“, erklärt er auf Shredders überraschten Blick und - oh, diese großen, braunen Augen, und diese niedliche Stupsnase... Schnell ruft sich Krang zur Ordnung. „Oh ja, du alterst. Rapide. Auch wenn noch nicht offensichtlich. Denk doch mal nach: normalerweise beträgt der Krankheitsverlauf bei Windpocken mehrere Tage und nicht nur ein paar Stunden. Aber bei dir sollte meinen Berechnungen nach auch die letzte Windpocke in zwei Stunden verschwunden sein.“ Er stockt einmal kurz und mustert ihn dann mit einer ungewöhnlich weichen, ja, fast sanften Miene.

„Und irre ich mich, oder hast du jetzt schon ein paar Zähne mehr als gestern?“

Shredders Gesicht hellt sich sofort auf.

„Zwei“, verkündet er stolz und öffnet auch prompt das Mündchen, um es ihm zu demonstrieren.

„Siehst du?“ lächelt Krang und stupst nun doch mit dem rechten Tentakel sachte an diese süße Stupsnase. „Das regelt sich alles. Hab nur etwas Geduld.“

Shredder hat Mühe, bei der Berührung nicht zusammen zu zucken, aber er denkt an alles, was passieren kann, wenn er Krang wirklich verärgert und ringt sich daher zu einem gequälten Lächeln durch.

 

 

Hab nur etwas Geduld, sagte Krang.

Aber Geduld ist und war niemals eine von Shredders herausragenden Eigenschaften, und sie wird auf eine sehr, sehr harte Probe gestellt. Dass ihn Bebop und Rocksteady seit seinem Abenteuer in den Everglades nicht mehr aus den Augen lassen, daran gewöhnt er sich langsam aber stetig – ehrlich gesagt, tut diese Aufmerksamkeit seinem angekratzten Ego sogar ganz gut (manchmal jedenfalls) – und natürlich weiß er aus jahrelanger Erfahrung, auf welch aberwitzige Ideen diese beiden Deppen immer kommen.

Aber das hier schießt wirklich den Vogel ab!

Ihn unter einen Vorwand in die Kommandozentrale zu bringen (wenigstens nimmt Rocksteady ihn „nur“ an die Hand, Bebop will ihn immer tragen!), nur um...

also wirklich!

Und dafür wecken sie ihn aus seinem wohlverdienten Mittagsschlaf? Den er, nebenbei bemerkt, auch gerne in seinem eigenen Quartier abgehalten hätte anstatt in dem der beiden Deppen. Unter deren wachsamen Augen, wohlbemerkt.

„Was wird das?“ verlangt er scharf zu wissen.

Er ahnt es, aber es ändert nichts an seiner Fassungslosigkeit.

Er muss den beiden Mutanten stumm Abbitte leisten, denn so wie es aussieht, bedeutet Krangs selbstzufriedenes Grinsen nämlich, dass das hier auf seinem Mist gewachsen ist.

Krang winkt ihn und Rocksteady näher heran, und Shredder ist von dem Anblick, der sich ihm bietet, noch viel zu geschockt, um sich zu wehren. Und so trottet er brav an Rocksteadys Hand hinüber zu dem Sofa an der Wand, gegenüber dem großen Hauptbildschirm, auf dem dreiviertel des Tages Krangs heißgeliebte und absolut schwachsinnigen Soap-Operas laufen. Jetzt läuft da zwar überhaupt nichts, aber es steht ein Stativ mit einer professionellen Spiegelreflexkamera davor.

Und das Objektiv ist direkt auf das Sofa gerichtet. Auf dem schon Bebop mit einem selten dümmlichen Grinsen sitzt.

Ausnahmsweise steckt Krang diesmal nicht in seinem Androidenkörper, sondern nur in dieser Plexiglaskugel auf Stelzen, die ihn fast wie einen der Marsianer aus Krieg der Welten wirken lässt.

Natürlich. Shredder schnaubt innerlich. Er will ja auch zu sehen sein.

„Krang, was soll das?“

„Ich will ein Gruppenfoto“, stellt Krang klar und sein Grinsen wächst noch etwas in die Breite, bis er nur noch aus spitzen Zähnen zu bestehen scheint.

„Wozu?“ in Shredders Stimme schwingt ein geradezu verzweifeltes Wimmern mit.

Doch ein scharfer Blick und eine eindeutige Tentakelgeste seitens Krang und er klettert mit Rocksteadys Hilfe artig auf das Sofa.

„Zur Erinnerung“, kommt es vergnügt zurück. „Kinder wachsen so schnell, und du erst recht. Es wäre doch eine Schande, das undokumentiert zu lassen.“

Da gäbe es andere Möglichkeiten, dafür muss er sie nicht alle vier vor der Kamera in Pose bringen. Shredder findet das ein wenig seltsam, aber er verzichtet auf einen Protest. Je eher er sich fügt, desto schneller ist dies hier hoffentlich vorbei. Er ist müde. Und ihn schmerzt wieder der Kiefer – er hat noch viele, viele Zähne, die durchbrechen müssen.

Wenigstens, versucht er sich zu trösten, ist, genau wie von Krang prophezeit, inzwischen auch die letzte Windpocke verschwunden. Es wird also kein allzu peinliches Foto werden.

„Ein richtiges Familienfoto.“ Bebop jauchzt es fast, während er ihn näher an sich heranzieht.

Shredder wehrt sich nicht und lehnt sich sogar für einen kurzen, unbewussten Moment behaglich an Bebops massigen, warmen Körper. Doch dann ruft er sich zur Ordnung, richtet sich gerade auf und rückt einen halben Zentimeter von ihm ab. Mehr geht nicht, denn auf seiner anderen Seite sitzt inzwischen Rocksteady.

„Wir sind-“ beginnt er zu widersprechen, beißt sich dann aber gerade noch rechtzeitig auf die Zunge.

Wir sind keine Familie, wollte er sagen, doch er kann es sich nicht leisten, Rocksteady und Bebop zu verärgern.

Also gut, dann spielt er eben mit und tut so, als wären sie die kleine, glückliche Familie, als die sie sich seit seiner Schrumpfung so gerne sehen wollen.

Irritierend daran ist eigentlich nur, dass Krang diesen Blödsinn nicht nur mitmacht, sondern so offensichtlich auch noch unterstützt.

„Das machen wir jetzt jeden Tag“, verspricht Krang fröhlich und drückt den Fernauslöser.

Während er betont freundlich ins Objektiv lächelt und vom grellweißen Blitzlicht geblendet wird, fragt sich Shredder finster, ob ein Waisenhaus nicht doch eine lohnendere Alternative wäre und er heute Nacht in Krangs Fotolabor einbrechen sollte...

 

 

Es dauert eine Weile, aber am Abend hat er sich wieder abgeregt.

Vielleicht liegt es daran, dass er endlich einmal die nötige Ruhe hatte, das Buch zu lesen, das er sich schon seit Monaten vornehmen wollte. Zu sehr viel mehr ist er in seiner derzeitigen Verfassung ja sowieso nicht imstande. Und auch wenn Bebop und Rocksteady ständig in seiner Nähe waren – dabei haben sie ihn nicht gestört.

Also soll Krang doch seine blödes Fotos behalten. Wem will er sie denn schon zeigen? Eher gesagt: wer würde das schon als gutes Erpressungsmaterial ihm gegenüber ansehen? Was ist an Babyfotos (und verdammt nochmal, so sehr er das hasst zuzugeben: das sind sie nun einmal) schon peinlich? Er ist darauf ja nicht nackt oder so.

Die Negative zu zerstören, egal, wie einfach das auch wäre, wäre den Ärger einfach nicht wert.

Also lässt er Krang seinen Willen. Denn ein Krang, dem man seinen Willen lässt, ist ein zufriedener Krang. Und ein zufriedener Krang wird ihn nicht einfach so vor die Tür setzen. Egal, wie nutzlos er zur Zeit auch ist. Wenn er sich weiterhin gut benimmt und diesen rosa Wackelpudding öfter anlächelt und ihm weniger widerspricht – wer weiß? Vielleicht hilft ihm seine derzeitige Niedlichkeit dabei, Krang um seinen kleinen Finger zu wickeln, so dass er bleiben darf.

Wenigstens das wäre schon nett.

Denn Shredder macht sich in einer Hinsicht keine Illusionen: Krang war nie der Geduldigste. Er ist schnell damit zur Hand (in diesem Falle Tentakel), ineffektive Mitstreiter zu ersetzen, sobald sich ihm dazu die Gelegenheit bietet.

Oh nein, er hat diese Geschichte mit Lotos nicht vergessen. Dieses blöde Produkt einer Milchkuh. Glücklicherweise wurde sie von den Turtles rechtzeitig umgedreht (was nur beweist, dass sie wirklich blöd war), sonst hätte er sich ein neues Zuhause suchen müssen.

Zuhause. Da ist es wieder.

Dieses Wort.

Dieses Gefühl.

Im Zusammenhang mit dem hier? Er muss irgendwann den Verstand verloren haben.

„Bist du fertig?“ Bebops Stimme schreckt ihn aus seinen Gedanken. „Du sitzt jetzt schon 'ne halbe Stunde da drin. Ist das Wasser überhaupt noch warm?“

Er macht Anstalten, seinen Comic weg zu legen und zu ihm hinüber zu gehen.

„Bleib, wo du bist!“ quietscht Shredder, räuspert sich einmal und droht dann, in einem etwas autoritäreren Tonfall:

„Wehe, du kommst näher!“

Bebop runzelt zwar die Stirn, setzt sich dann aber wieder und lehnt sich wie zuvor bequem an die Wand.

Rocksteady neben Bebop sieht von seinem Gameboy auf, greift nach dem quietschgelben Kinderbademantel und wirft ihn diesem so geschickt zu, dass er auf dem Badewannenrand landet. Wenn er doch nur bei ihren Kämpfen mit den Turtles so gut zielen könnte.

„Wird wirklich Zeit, dass du da rauskommst“, erklärt das Rhino dabei. „Zuviel Wasser ist nicht gut für zarte Babyhaut.“

Unschlüssig wiegt Shredder seine Gummiente in der Hand, entscheidet sich aber dazu, diesmal nicht mit Gegenständen zu werfen, ganz egal, wie sehr seine Mutanten es diesmal verdient haben. Wenn Gameboy oder Comic nass werden, sind die beiden bestimmt sauer auf ihn. Aber so richtig sauer. Und das ist es einfach nicht wert.

Ich kann nicht immer ausrasten, wenn ich das Wort „Baby“ höre.

Also lässt er die Gummiente wieder schwimmen.

Und zum ersten Mal fällt ihm auf, dass Bebop Recht hat: das Wasser ist nur noch lauwarm.

Und auch Rocksteady hat Recht, wenn er sich so seine verschrumpelten Handinnenflächen betrachtet.

„Umdrehen!“ befiehlt er daher.

Die beiden verdrehen zwar die Augen, aber sie gehorchen wortlos, auch, wenn sie dafür erstmal aufstehen müssen.

Die Wanne ist derzeit viel zu groß für ihn, daher ist es etwas umständlich, aus ihr herauszuklettern, aber er ist schließlich nicht umsonst ein Ninja. Trotzdem: elegant sieht anders aus.

Zum Glück schummeln Bebop und Rocksteady nicht und drehen ihm weiterhin brav den Rücken zu.

Und bevor sie doch noch in Versuchung kommen, schlüpft er in Blitzgeschwindigkeit in seinen Bademantel, rubbelt sich notdürftig trocken und zieht sich dann zumindest schon mal die Pyjamahose an, die er – natürlich zusammen mit dem dazugehörigen Oberteil - in weiser Voraussicht schon bereitgelegt hatte.

„Fertig!“ ruft er dann und stapft, noch während sich Bebop und Rocksteady wieder umdrehen, hinüber zum Waschbecken, wo er auf „seinen“ Tritt steigt und sich nach seiner Zahnbürste reckt.

„Wow! Vorsicht, Kleiner!“

Plötzlich fühlt er sich an der Taille gepackt, und einen irritierenden Moment später findet er sich auf Rocksteadys Knien wieder. Das Rhino seinerseits hockt auf dem heruntergeklappten Toilettensitz, befiehlt ihm, „ah“ zu sagen und beginnt dann hingebungsvoll, ihm die Zähne zu putzen.

Nach dem ersten Schreckmoment, gefolgt von Verwirrung und gerechtem Zorn, entspannt sich Shredder wieder.

Warum nicht?

Das Bad hat ihn noch müder gemacht als er ohnehin schon war, und wenn es Rocksteady glücklich macht … außerdem ist es leichter, wenn ihm jemand anders die Zähne putzt.

Es sind zwar nur die Milchzähne, aber auch die sollten – wenigstens jetzt, beim zweiten Mal – kariesfrei bleiben. Seine durchbrechenden Zähne plagen ihn schon genug, noch mehr Schmerzen kann er wirklich nicht gebrauchen.

Er ist trotzdem froh, als Rocksteady endlich fertig ist.

Nicht so froh ist er allerdings, als die beiden ihn ungefragt wieder in ihr Quartier schleppen.

„Wieso kann ich nicht in meinem eigenen Bett schlafen?“

Bebop und Rocksteady stocken einen Moment, werfen sich einen langen Blick zu und betrachten dann den kleinen Jungen in Rocksteadys Arm, der mit gerunzelter Stirn immer noch auf eine Antwort wartet.

Sie zögern sichtlich.

Unwillkürlich festigt sich Rocksteadys Griff um „seinen“ Saki-chan, alles in ihm sträubt sich dagegen, ihn je wieder gehen zu lassen. Und sei es auch nur einmal quer über den Gang in seine eigenen Räume.

Shredder dagegen zuckt einmal schmerzhaft zusammen, als Rocksteady ihn so fest an sich presst. Er sieht seine und Bebops Miene, sieht diese zusammengepressten Kiefer, das Funkeln in ihren sich verengenden Augen und die Art, wie sie ihre Ohren anlegen und lenkt daher schnell ein:

„Okay, okay. Ist gut. Schlafe ich eben wieder bei euch. Aber beschwert euch später nicht, ich bin ein sehr unruhiger Schläfer.“



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